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Stellungnahme BELLA DONNA

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<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> ' KopstadplaE 24 - 25 . 45127 Essen<br />

An die<br />

Präsidentin des Landtags NRW<br />

<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong><br />

EI Drogenberatung<br />

für ilädchen und Frauen<br />

Telefon 0Z)1-240888-3/4<br />

E Fachsblle Frau'Sucht'Gesundheit<br />

Telefon0201-248417'11-2<br />

Frau Regina van Dinther<br />

-per mail- KoPstadtPlatz 24-25<br />

45127 Essen (Stadtmitte)<br />

Fax024L222872<br />

e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

www.belladonna-essen.de<br />

19. März 2009<br />

Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Frauenpolitik gemeinsam mit dem Ausschuss für<br />

Arbeit, Gesundheit und Soziales zum Antrag ,,Geschlechtergerechte Drogen- und Suchtpoitik<br />

in NRW voranbringen!" - Drucksache 1417836<br />

Sehr geehrte Frau van Dinther,<br />

wir bedanken uns hezlich für lhre Einladung zu der o.g. Anhörung und übersenden anliegend<br />

unser <strong>Stellungnahme</strong>n zu dem erhaltenen Fragenkatalog.<br />

Den Antrag "Geschlechtergerechte<br />

Drogen- und Suchtpoitik in NRW voranbringen!" - Drucksache<br />

Uff 836 begrüßen wir. Aus unserer Sicht ist ein Handlungskonzept "Geschlechtergerechte<br />

Drogen- und Suchtpolitik" in NRW dringend erforderlich.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

/


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

1. Wie bewerten Sie die Darstellung, es gehöre bereits zum Grundverständnis von in der Suchtberatung<br />

und Suchthilfe Tätigen, dass eine geschlechtsbezogene Betrachtung der Sucht<br />

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Suchtbehandlung ist?<br />

Wir bekräftigen die Darstellung, dass das hier genannte Grundverständnis eine Grundvoraussetzung<br />

für eine erfolgreiche Suchthilfe ist.<br />

Die oben genannte Darstellung entspricht jedoch einem der Ziele einer geschlechtergerechten<br />

Sucht- und Drogenhilfe, welches es zu erreichen gilt - aktuell ist diese Darstellung nicht zutreffend<br />

bezogen auf den Standard der Sucht- und Drogenhilfe (Daten zur ambulanten Sucht- und Drogenhilfe<br />

siehe weiter unten).<br />

Da es sich aber aus unserer Sicht kein Träger der Sucht-/Drogenhilfe und auch kein/e MitarbeiterIn<br />

heute fachlich leisten kann/wird, dieser Aussage zu widersprechen, beziehen wir uns auf die Fakten,<br />

die als „sichtbare“ Anteile diese Darstellung verdeutlichen und beantworten diese Frage in Zusammenhang<br />

mit der Frage:<br />

2. Findet dieses Grundverständnis aus Ihrer Sicht in der Umsetzung der Suchtberatung/ Suchthilfe<br />

in NRW seinen Niederschlag?<br />

Folgerichtig müsste sich die Darstellung, die in Frage 1 formuliert ist, bei der Ausrichtung und in<br />

der Umsetzung der Sucht- und Drogenhilfe niederschlagen.<br />

Bereits bei der Durchsicht von Leitbildern und Konzeptionen sowie der Angebotsausrichtung und –<br />

gestaltung von Sucht- und Drogenhilfeeinrichtungen in NRW fällt auf, dass sich dieses Grundverständnis<br />

in der eigenen Darstellung nicht selbstverständlich erschließt. Wir finden aktuell ein Spektrum<br />

von vermeintlich „geschlechtsneutralen“ bis hin zu differenziert geschlechtsbezogenen Ausführungen.<br />

Ein Grundverständnis, dass die geschlechtsbezogene Betrachtung der Sucht eine Grundvoraussetzung<br />

für eine erfolgreiche Suchtbehandlung ist, umfasst<br />

• eine konsequente und umfassende Ausrichtung in den jeweiligen Leitbildern, Konzepten<br />

sowie der Angebotsgestaltung,<br />

• eine Verankerung im Qualitätsmanagement und<br />

• die konsequente Umsetzung einer geschlechtergerechten Sprache.<br />

Sprachliche Kommunikation nimmt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung, dem Erhalt und<br />

der Veränderung sozialer Rollenbilder ein. Kommunikation kann geschlechtliche Rollenbilder tradieren<br />

oder verändern. 1 Auffällig bei der Durchsicht von Leitbildern, Konzepten etc. der Einrichtungen<br />

der Sucht- und Drogenhilfe, aber auch bei Veranstaltungsankündigungen, in Vorträgen und<br />

Veröffentlichungen ist, dass die Sprache nicht konsequent die weibliche und die männliche Ausdrucksweise<br />

umfasst. 2<br />

Wir beziehen uns im Folgenden auf die Ergebnisse einer anonymen Befragung der ca. 200 Sucht-<br />

1 Feldner, Juliane, König, Rainer, Gender Mainstreaming und die Kommunikation, 2007, www. feldnerkoenig.de<br />

2 Als ein aktuelles Beispiel ein Ausschnitt aus der Ankündigung des: 5. Nordrhein-Westfälischen Kooperationstags<br />

"Sucht und Drogen" 2009. :„... Der Kooperationstag bietet allen beteiligten Akteuren in der Sucht- und Drogenhilfe<br />

NRW sowie Ärzten, Apothekern und Psychotherapeuten eine einmalige Plattform zur Kommunikation und<br />

Vernetzung.“ Aus: www.wissen-sucht-wege.de<br />

1


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

und Drogenberatungsstellen in NRW 3 im Dezember 2008 und Januar 2009 (siehe Anhang) sowie<br />

auf die Aussagen von Mitarbeiterinnen aus der Sucht- und Drogenhilfe bei dem Vernetzungstreffen<br />

der Arbeitskreise Frauen und Sucht im Dezember 2008:<br />

Aus der Befragung der Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW geht hervor, dass zwar 55%<br />

(39) der antwortenden Beratungsstellen angeben, dass es ihrem fachlichen Standard entspricht,<br />

geschlechtsspezifische Einflussfaktoren bei allen Angeboten und Maßnahmen zu beachten (Tab.<br />

1), jedoch sind es nur 25% (18), die geschlechterdifferenzierende Aspekte im Rahmen des Qualitätsmanagements<br />

definiert haben (Tab. 2) und diese Aspekte selbstverständlich in die Arbeit einbeziehen<br />

und überprüfen:<br />

Tab. 1: Es entspricht dem fachlichen Standard unserer Einrichtung/Institution, geschlechtsspezifische Einflussfaktoren<br />

bei allen Angeboten und Maßnahmen zu beachten:<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

39 32 1 0<br />

55% 45% 1% 0%<br />

Tab. 2: Geschlechtsdifferenzierende Aspekte sind im Rahmen des Qualitätsmanagements unserer Einrichtung<br />

definiert und werden selbstverständlich in die Arbeit einbezogen und überprüft:<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

18 38 15 1<br />

25% 54% 21% 1%<br />

Angebote, die sich gleichermaßen an Frauen und Männer wenden, werden von 37% (26) der<br />

antwortenden Sucht- und Drogenberatungsstellen gendersensibel konzipiert, umgesetzt und ausgewertet<br />

– mehr als die Hälfte (52%) geben an, dies nicht zu tun:<br />

Tab. 3: Angebote, die sich gleichermaßen an Frauen und Männer wenden, werden gendersensibel konzipiert,<br />

umgesetzt und ausgewertet:<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

26 37 8 1<br />

37% 52% 11% 1%<br />

Bezogen auf die Angebotsstruktur sagen 59% (42) der antwortenden Beratungsstellen aus, dass<br />

sie nicht bei allen Maßnahmen und Angeboten die Gender-Perspektive einbeziehen (Tab. 4), 54%<br />

(38) der ambulanten Einrichtungen geben an, dass ihre Präventions-, Behandlungs- und<br />

Hilfeangebote nicht selbstverständlich frauen- und männerspezifisch ausgerichtet sind (Tab. 5):<br />

Tab. 4: Bei allen Maßnahmen und Angeboten bezogen auf die Angebotsstruktur unserer Einrichtung wird die<br />

Gender Perspektive einbezogen<br />

N=71 ja nein Ø bek. K.A.<br />

26 42 3 1<br />

37% 59% 4% 1%<br />

3 Zur Anzahl der Sucht- und Drogenberatungsstellen liegen in NRW keine konkreten Daten vor. Wir orientieren uns<br />

also an der geschätzten Anzahl von ca. 200 Einrichtungen. Mit 72 auswertbaren Antworten auf unsere Befragung haben<br />

wir dementsprechend eine Einschätzung von 36% der Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW erhalten.<br />

2


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Tab. 5: Alle Präventions-, Behandlungs- und Hilfeangebote unserer Einrichtung/ Institution sind selbstverständlich<br />

frauen- und männerspezifisch ausgerichtet<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

30 38 1 3<br />

42% 54% 1% 4%<br />

Während 65% (46) der antwortenden Einrichtungen geschlechtergerechte Angebote für Frauen<br />

vorhalten (Tab. 6), finden sich entsprechende Angebote für Männer in 34% (24) der Einrichtungen<br />

(Tab. 7):<br />

Tab. 6: Unsere Einrichtung/Institution hält geschlechtergerechte Angebote für Frauen vor<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

46 24 1 1<br />

65% 34% 1% 1%<br />

Tab. 7: Unsere Einrichtung/Institution hält geschlechtergerechte Angebote für Männer vor<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

24 45 1 2<br />

34% 63% 1% 3%<br />

Alarmierend aufgrund des heutigen Kenntnisstandes sind aus unserer Sicht die folgenden<br />

Ergebnisse – auch wenn es fachlich nicht zulässig ist, geschlechtsbezogene Angebote für Frauen<br />

auf die Thematik Schwangerschaft und Mutterschaft zu reduzieren:<br />

Für drogenabhängige schwangere Frauen finden sich lediglich in 14% (10) der antwortenden Einrichtungen<br />

spezifische ambulante Angebote (<br />

Tab. 8); geschlechtersensible, altersgerechte Angebote für Kinder aus suchtmittelbelasteten<br />

Familien nur in 13% (9) der antwortenden Einrichtungen (Tab. 9).<br />

Tab. 8: Spezifische ambulante Angebote für drogenabhängige schwangere Frauen und Frauen mit Kindern sind<br />

selbstverständliche Bestandteile des Regelangebotes unserer Einrichtung/Institution<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

10 55 3 4<br />

14% 77% 4% 6%<br />

Tab. 9: Für Kinder aus suchtbelasteten Familien hält unsere Einrichtung/Institution durchgängig<br />

geschlechtersensible, altersgerechte Angebote bereit<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

9 62 1 0<br />

13% 87% 1% 0%<br />

Bei dem Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen und Sucht NRW im Dezember 2008 (Tagungsbericht<br />

siehe www.belladonna-essen.de), zu dem sich Fachfrauen aus 30 Einrichtungen der<br />

ambulanten und stationären Sucht- und Drogenhilfe in NRW in Essen getroffen haben, wurde eine<br />

Rückentwicklung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen formuliert:<br />

3


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

„Die Vertreterinnen der Arbeitskreise berichten übereinstimmend:<br />

• seit dem Wegfall der Erweiterten Grundförderung für die frauenspezifische Arbeit steht die Geschlechtsspezifik<br />

nicht nur weniger im Focus, sondern es zeigt sich deutlich eine rückläufige<br />

Entwicklung bezogen auf die qualifizierte Arbeit mit Frauen:<br />

- die Teilnahme der Kolleginnen an den Arbeitskreisen muss häufig wieder gerechtfertigt<br />

werden, d.h., dass die Vernetzung auf der strukturellen Ebene deutlich schwieriger und<br />

zeitaufwendiger geworden ist und weitere Qualitätsverluste befürchtet werden;<br />

- es liegt wieder zunehmend im persönlichen Engagement der Kolleginnen, Angebote für<br />

Frauen aufrecht zu halten bzw. umzusetzen;<br />

- fachliche und politische Entwicklungen sowie innovative Konzepte/Angebote etc. werden in<br />

NRW nicht mehr koordiniert transportiert;<br />

- ein langjährig entwickeltes, qualitatives Selbstverständnis der geschlechtsbezogenen Arbeit<br />

mit Frauen geht zunehmend verloren.“ 4<br />

3. Wie bewerten Sie die Entwicklung der Umsetzung geschlechtsbezogener Ansätze im Bereich<br />

der Suchtberatung und Suchthilfe in NRW?<br />

Die Umsetzung geschlechtsbezogener Ansätze in der Suchtberatung und Suchthilfe in NRW hat<br />

sich bezogen auf die Arbeit mit Frauen und Männern historisch unterschiedlich entwickelt.<br />

Die Arbeit mit Frauen hat sich in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich weiter entwickelt und<br />

zunehmend qualifiziert; ihre Notwendigkeit und Wirkung wurde durch die Sucht- und Frauenforschung<br />

belegt.<br />

Die Arbeit mit Männern hat andere Wurzeln und wurde in NRW in einer ersten Fachtagung im Jahr<br />

2004 in den Fokus der praktischen Arbeit einbezogen. Der erste Arbeitskreis Männer und Sucht<br />

wurde im Jahr 2005 - 21 Jahre nach der ersten Arbeitskreisgründung zum Thema „Frauen und<br />

Sucht“ in Essen – gegründet.<br />

NRW war in Deutschland richtungsweisend bezogen auf die Förderung einer qualifizierten geschlechtsbezogenen<br />

Arbeit mit Frauen. In keinem anderen Bundesland wurde die (Weiter-) Entwicklung<br />

und Umsetzung der Frauensuchtarbeit durch eine Landesregierung so deutlich unterstützt.<br />

Instrumente der Unterstützung waren die Verankerung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen<br />

im Landessuchtprogramm (1999), die strukturierte und vernetzte Fort- und Weiterentwicklung<br />

sowie die Steuerung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen durch die Förderung der Landesfachstelle<br />

Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, sowie die Anschubfinanzierung von 48 landesgeförderten<br />

Sucht-/Drogenberatungsstellen mit der Erweiterten Grundförderung für die Arbeit<br />

mit Frauen.<br />

In der Folge wurde die geschlechtsbezogene Arbeit mit Frauen qualifiziert, bislang nicht bearbeitete<br />

Themen wurden intensiv aufgegriffen (u.a.: Schwangerschaft und Suchtmittelkonsum; Kinder<br />

aus suchtbelasteten Familien; Suchtmittelabhängigkeit und Komorbidität bei Frauen; Sucht und<br />

Trauma), neue Angebote für Mädchen und Frauen konnten konzipiert und umgesetzt werden.<br />

Mit der Erweiterten Grundförderung für die Arbeit mit Frauen wurde auch erstmalig ein struktureller<br />

und institutioneller Rahmen für die Implementierung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen<br />

geschaffen.<br />

Darüber hinaus wurde die Fort- und Weiterentwicklung der Arbeit durch die Tätigkeit der Landesfachstelle<br />

Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, begleitet, strukturiert umgesetzt, vernetzt und<br />

weiterentwickelt; innovative Impulse wurden in die Sucht- und Drogenhilfe bzw. vernetzt in die landesweite<br />

Sucht- und Drogenhilfe vermittelt.<br />

4 Tagungsbericht: Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen und Sucht in NRW am 04. Dezember 2008 in Essen,<br />

www.belladonna-essen.de<br />

4


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Mit der Beendigung der Tätigkeit der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW (Ende 2006) und der<br />

Streichung der Mittel der Erweiterten Grundförderung ist eine Struktur in NRW zerbrochen, die<br />

nicht aufgefangen wurde bzw. wird (siehe auch Antwort zu Fragen 7 und 8).<br />

Die Streichung der Erweiterten Grundförderung für die Arbeit mit Frauen wurde mit der erfolgten<br />

Implementierung der frauenbezogenen Arbeit begründet, diese Aussage wurde aber offensichtlich<br />

nicht auf ihre Richtigkeit überprüft (siehe auch Antwort zu Frage 9).<br />

In der von <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> durchgeführten Befragung (siehe Anlage) antworteten 40 (83,3%) von<br />

insgesamt 48 landesgeförderten Sucht- und Drogenberatungsstellen, die die „Erweiterte Grundförderung<br />

für die Arbeit mit Frauen“ erhalten hatten, auf die Fragen:<br />

Tab. 10: Die Implementierung von Angeboten für Frauen war zum Zeitpunkt des Wegfalls der Landesförderung in<br />

unserer Einrichtung/Institution bereits weitgehend vollzogen, so dass es keine Veränderungen in der Angebotsstruktur<br />

für Frauen gegeben hat:<br />

N=40 ja nein Ø bek. K.A.<br />

7 30 1 2<br />

10% 42% 1% 3%<br />

Tab. 11: Durch den Wegfall der Landesförderung für die Arbeit mit Frauen sind Angebote für Frauen entfallen, da<br />

der Träger diese nicht aufrechterhalten konnte:<br />

N=40 ja nein Ø bek. K.A.<br />

29 6 1 4<br />

73% 15% 3% 10%<br />

Innovative Impulse aus der Praxis, die durch die Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW<br />

aufgegriffen, konzeptionell und theoretisch aufbereitet und begleitet zurück in die Praxis gegeben<br />

wurden, sind seit 2007 entfallen.<br />

Auch eine mögliche Weiterentwicklung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen in anderen<br />

Städten und Regionen in NRW wird nicht mehr koordiniert zur Kenntnis gebracht.<br />

Aus den <strong>Stellungnahme</strong>n der Arbeitskreise Frauen und Sucht in NRW zu den Antworten der Landesregierung<br />

auf die Große Anfrage zur Sucht- und Drogenpolitik ist eindeutig zu entnehmen, dass<br />

die Kolleginnen der landesweiten Sucht- und Drogenhilfe einen Qualitätsverlust durch den Wegfall<br />

der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW beschreiben sowie die nicht umfassend erfolgte Implementierung<br />

der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen im Jahr 2006 (siehe auch Antworten zu<br />

den Fragen 9 und 11).<br />

4. Können Sie Defizite hinsichtlich einer geschlechtsbezogenen Herangehensweise in der<br />

Suchtprävention, -arbeit sowie in der Suchtpolitik in NRW benennen?<br />

Bei der Benennung von Defiziten muss grundlegend beachtet werden, dass die Strategie des Gender<br />

Mainstreaming in der Bundesrepublik Deutschland noch weitgehend eine theoretische Option<br />

ist, deren Erprobung und Umsetzung in der realen Arbeit und Politik noch aussteht.<br />

Ausgehend von diesem Grundverständnis können wir aus unserer Sicht folgende Defizite bei der<br />

Herangehensweise in der Suchtprävention, -arbeit und -politik benennen:<br />

5


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

• Es fehlt ein gemeinsames Verständnis von Gender/Gender Mainstreaming;<br />

• Es fehlen Konzepte, Standards und Zielvorgaben bezogen auf eine konsequente Umsetzung<br />

einer institutionsübergreifenden geschlechtsbezogenen Arbeit;<br />

• Es fehlen klare Definitionen und Anforderungen in Form von Kriterien. Nur so würden die<br />

Ziele geschlechtergerechter Angebote realistischer aber auch erfüllbarer und glaubwürdiger.<br />

Die Qualität und Wirksamkeit der Suchtarbeit würde so zu Gunsten der betroffenen<br />

Mädchen/Frauen und Jungen/Männer erhöht;<br />

• Es fehlen Anreize für die Institutionen, um die Genderaspekte mit allen Konsequenzen in<br />

ihre Arbeit mit einzubeziehen. Dafür müssen Zuständigkeiten, Verantwortung und (finanzielle<br />

und personelle) Ressourcen geklärt und in allen Führungsinstrumenten festgehalten<br />

werden. Steigende inhaltliche Anforderungen bei gleichzeitig knapper werdenden Mitteln<br />

hindern die konsequente Auseinandersetzung und Umsetzung (siehe auch Antwort zu Frage<br />

14);<br />

• Es fehlt die Entwicklung von Überprüfungskriterien durch die Politik. Die Politik muss ihrerseits<br />

auf den Einbezug von Genderaspekten als Qualitätsmerkmal erfolgreicher Suchtarbeit<br />

bestehen und Finanzierungen davon abhängig machen.<br />

• Es fehlt die strukturierte Förderung der Fort- und Weiterentwicklung sowie der Vernetzung<br />

(siehe Antwort auf die Fragen 7, 8, 9) der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen;<br />

• Es fehlt eine nachvollziehbare Steuerung der Politik bezogen auf eine geschlechtsbezogene<br />

Herangehensweise.<br />

Insbesondere ein mangelndes übereinstimmendes Verständnis von „geschlechtsbezogener Herangehensweise“<br />

oder von „Geschlechtergerechtigkeit“ im Sinne der Strategie des Gender Mainstreaming<br />

führt immer wieder dazu, dass keine wirkliche Auseinandersetzung stattfindet.<br />

„Geschlechtergerechtigkeit“ wird in diesem Fall scheinbar verankert, ohne Kriterien dafür zur Verfügung<br />

zu haben, wie diese Haltung und Strategie konsequent umgesetzt werden kann.<br />

In diesem Zusammenhang kann auch nicht deutlich werden, wie hoch tatsächlich die Anfoderungen<br />

sind, Geschlechtergerechtigkeit in einer Organisation umzusetzen (siehe dazu die Antwort<br />

auf Frage 14).<br />

In Zeiten der immer knapper werdenden finanzieller und personeller Ressourcen in der öffentlichen<br />

Verwaltung liegt die Gefahr nahe, dass für die Umsetzung der Gender Mainstreaming-Strategie<br />

keinen neuen Mittel ausgewiesen werden, sondern auf bereits bestehende zurückgegriffen wird.<br />

Dies betrifft insbesondere die Arbeit derjenigen, die bisher explizit mit Mädchen und Frauen<br />

gearbeitet haben.<br />

5. Sind aus Ihrer Sicht spezifische Beratungs- und Hilfeangebote für Frauen bzw. für Männer<br />

verzichtbare Parallelstrukturen bei einer geschlechtergerechten Ausrichtung der Beratungs- und<br />

Hilfeangebote?<br />

Nein, im Gegenteil.<br />

Die Erkenntnisse aus der Suchtforschung sowie die langjährigen Praxiserfahrungen belegen deutlich,<br />

dass geschlechtshomogene Beratungs- und Hilfeangebote für ein differenziertes Hilfesystem<br />

nach wie vor erforderlich sind.<br />

Spezifische Beratungs- und Hilfeangebote, die sich im geschlechtshomogenen Rahmen an Frauen<br />

bzw. Männer richten, sind aus fachlicher Sicht keine Parallelstrukturen, sondern unverzichtbare<br />

Bestandteile einer fachlich qualifizierten geschlechtergerechten Arbeit.<br />

6


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Auch in der Expertise des Fachverband Drogen und Rauschmittel, FDR, heißt es: „Folgende Interventionszugänge<br />

sind … denkbar: Systematische geschlechtsspezifische Angebote für Mädchen/Frauen<br />

und Jungen/Männer sowie geschlechterübergreifende Angebote. Gleichgeschlechtliche<br />

Gruppen sind unverzichtbar,…“. 5<br />

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen formuliert in ihrem Grundsatzpapier: „Biologische, psychische<br />

und soziale Ursachen und Folgen der Suchterkrankung sind bei Männern und Frauen oft<br />

unterschiedlich. Daher divergieren auch deren Zugangschancen zu den Angeboten der Suchthilfe<br />

und ihre jeweiligen Behandlungsbedürfnisse. Dies muss entsprechenden Niederschlag in der Angebotsstruktur<br />

finden.“ 6<br />

Nach unserer Kenntnis liegen weder in Deutschland, noch im europäischen Ausland Aussagen<br />

darüber vor, dass spezifische Beratungs- und Hilfeangebote für Frauen und Männer bei einer geschlechtergerechten<br />

Ausrichtung verzichtbar seien.<br />

6. Bevorzugen Frauen generell andere Therapieangebote als Männer?<br />

Die Fragestellung ist als solche nicht zu beantworten, da die wenigsten Frauen oder Männer<br />

wissen, was Sie in einer stationären Therapie tatsächlich erwartet und ob und wenn ja, inwiefern<br />

sich Therapieangebote unterscheiden. Gleichzeitig muss beachtet werden, dass sich in der Regel<br />

weder Frauen noch Männer als KlientInnen bislang „geschlechtsbewusst“ auseinander gesetzt haben.<br />

Wesentlich von Bedeutung ist jedoch die Fragestellung, wie Frauen und Männer Therapieangebote<br />

erleben und welchen Nutzen sie aus diesen ziehen können – und wie das Hilfesystem auf<br />

diese Aussagen reagieren kann bzw. müsste.<br />

Deutlich ist in der Literatur die Problematik beschrieben, die sich für suchtmittelabhängige Frauen<br />

(insbesondere drogenabhängige und alkoholabhängige Frauen) durch ihren Minderheitenstatus in<br />

stationären Einrichtungen ergibt: „Sowohl in ambulanten, als auch in stationären Einrichtungen befinden<br />

sich unter allen Patienten mit einer Hauptdiagnose mehr Männer.“ 7<br />

Ebenfalls ist beschrieben, dass Frauen und Männer auf stationäre Therapieangebote unterschiedlich<br />

reagieren bzw. unterschiedlich mit ihnen zurechtkommen (ausführliche Beschreibungen, Literaturangaben<br />

etc. siehe: Schwarting, Frauke: Gender und Sucht – ein soziologischer Beitrag zu<br />

einer geschlechtsreflexiven Praxis in der Suchtkrankenhilfe 8 ).<br />

Im Rahmen der Umsetzung des Landesprogramms gegen Sucht NRW beschäftigte sich eine interdisziplinäre<br />

Arbeitsgruppe in einem mehrjährigen Prozess mit den Fragen der Umsetzung einer<br />

geschlechtsbezogenen Ausrichtung der medizinischen Drogenrehabilitation und erarbeitete ein<br />

methodisches Vorgehen und spezifische Empfehlungen.<br />

Diese hatten das Ziel, Leitung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von medizinischen Rehabilitationseinrichtungen<br />

für Drogenabhängige, von Leistungsträgern, von Beratungsstellen und anderen<br />

relevanten Institutionen anzuregen, Geschlechterfragen als eine wesentliche Querschnitts-<br />

5 Fachverband Drogen und Rauschmittel e.V., Gender Mainstreaming in der Suchthilfe. Eine Expertise. Mai 2005, FDR<br />

Texte 5; Seite 55<br />

6 DHS-Grundsatzpapier: Gender Mainstreaming in der Suchtarbeit: Chancen und Notwendigkeiten, Oktober 2004,<br />

Seite 2<br />

7 DHS, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.), Jahrbuch Sucht 2009, Neuland Verlag 2009, Seite 194<br />

8 Schwarting, Frauke, Gender und Sucht – ein soziologischer Beitrag zu einer geschlechtsreflexiven Praxis in der<br />

Suchtkrankenhilfe, Dissertation zur Erlangung des Grades der Doktorin der Philosophie im Department<br />

Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, Oldenburg 2005<br />

7


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

aufgabe im Sinne der Strategie des Gender Mainstreaming zu betrachten. Diese Empfehlungen für<br />

die Praxis in NRW wurden im Jahr 2004 veröffentlicht 9 :<br />

„Insbesondere für die Therapie von drogenabhängigen Frauen ist ... (die Berücksichtigung geschlechtsbezogener<br />

Fragen in der Konzeptentwicklung von Fachkliniken sowie in der Behandlungsplanung<br />

und –durchführung) von großer Bedeutung, weil sie nach wie vor in den Einrichtungen<br />

eine Minderheit darstellen und ihre spezifischen Themen, ihre Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

nur eingeschränkt Beachtung finden.“ 10<br />

Diese Empfehlungen sollten in NRW Impulse setzen und als eine Arbeitshilfe für die Fachdiskussionen<br />

mit den verschiedenen an Beratung, Vermittlung und Behandlung mitwirkenden Institutionen<br />

eingesetzt werden. Sie sollten in Konzeptionen, Angebote und Therapieplanungen im Rahmen der<br />

stationären medizinischen Rehabilitation einfließen; es sollte geprüft werden, welche Möglichkeiten<br />

und Hindernisse bei der Umsetzung entstehen und welche Unterstützung durch die prozessbegleitende<br />

Arbeitsgruppe auf Landesebene initiiert werden könnte.<br />

Dazu war vereinbart, dass die prozessbegleitende Arbeitsgruppe einmal jährlich über einen Zeitraum<br />

von drei Jahren unter der Federführung der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong><br />

<strong>DONNA</strong>, tagte und sich aus den Beteiligten, die diese Empfehlungen erstellt hatten sowie unter<br />

Einbeziehung weiterer Institutionen zusammen setzte.<br />

Nach drei Jahren sollte in einem Abschlussbericht der prozessbegleitenden Arbeitsgruppe dokumentiert<br />

werden, wie der Umsetzungsprozess sich gestaltet hat, welche Probleme und Möglichkeiten<br />

sich im Laufe des Prozesses zeigten und welche Unterstützung geboten werden konnte.<br />

Mit dieser Maßnahme wäre es möglich gewesen, konkret zu erfassen, wie sich Umsetzungsprozesse<br />

in Richtung einer geschlechtergerechten Sucht- und Drogenhilfe gestalten, welche Chancen,<br />

Grenzen und weiterführenden Möglichkeiten bestehen und wie diese für die Implementierung<br />

von Gender Mainstreaming auch auf andere Hilfebereiche hätten umgesetzt werden können.<br />

Durch die Schließung der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, wurde dieser<br />

konstruktive Prozess abgebrochen.<br />

Er wurde nicht von der Landeskoordination Integration, Fachbereich Gender und Sucht, die<br />

angeblich die Tätigkeit der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW fortsetzt, fortgeführt. („Diese<br />

Tätigkeit [der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, Anmerkung der Autorin] wird seit 2007 von<br />

der Landeskoordination Integration in Köln, in die die Landesfachstelle „Frauen und Sucht“<br />

eingegliedert wurde, mit dem erweiterten Ansatz „Gender und Sucht“ fortgeführt.“ 11 )<br />

Auch die bislang einzige deutschsprachige Studie zum subjektiven Erleben stationärer Therapie<br />

von Frauen und Männern wurde in NRW im Rahmen der Umsetzung des Landesprogramms gegen<br />

Sucht NRW durchgeführt 12 .<br />

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es eine Reihe deutlicher geschlechtsbezogener Unterschiede<br />

hinsichtlich der subjektiven Einschätzungen von Frauen und Männern gibt. Daran sind<br />

sehr verschiedene Aspekte beteiligt.<br />

So scheinen Frauen und Männer zum Teil unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich Therapievorbereitung<br />

und Thematisierungen und Hilfestellungen in der Therapie zu haben. Diese stehen zum<br />

9 Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> (Hrsg), Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zur Umsetzung der<br />

Maßnahmen Nr. 22 und Nr. 26 des Landesprogramms gegen Sucht NRW: Anforderungen an eine geschlechtsbezogene<br />

stationäre medizinische Rehabilitation mit drogenabhängigen Frauen, Empfehlungen für die Praxis in NRW, Essen,<br />

2004<br />

10 ebenda<br />

11 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 19 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/6380,<br />

Geschlechtsspezifische Aspekte der Drogen- und Suchthilfepolitik in Nordrhein-Westfalen<br />

12 Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> (Hrsg.): Tödte, Martina, Blitzlichter. Ein subjektiver Blick von<br />

PatientInnen auf stationäre medizinische Rehabilitation Drogenabhängiger. Eine kleine Studie zum Perspektiven- und<br />

Geschlechtervergleich (PBAG: Projekt Nr. 22 lt. Maßnahmenliste), Essen 2005<br />

8


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Teil sicher auch in Verbindung mit dem unterschiedlichen Maß an Freiwilligkeit der Behandlung<br />

bzw. werden dadurch zugespitzt.<br />

Als besonders großes Problem hinsichtlich einer bedarfsgerechten Versorgung von drogenabhängigen<br />

Frauen zeigt sich der Minderheitenstatus von Frauen in den Einrichtungen. Er wirkt sich subjektiv<br />

für sie vor allem in den eingeschränkten Möglichkeiten der Gruppentherapie – einem ganz<br />

zentralen Angebot der medizinischen Rehabilitation – aus. Dass eine Reihe von persönlichen Erfahrungen,<br />

Ängsten und Sorgen für Frauen hier nicht besprechbar sind, weist auf die Dringlichkeit<br />

hin, dieses Problem konzeptionell zu überdenken.<br />

Während des Aufenthalts in der Therapieeinrichtung fühlten sich die Frauen insgesamt schlechter<br />

aufgehoben (weniger sicher, überforderter, eher alleine gelassen und unsicherer als die Männer)<br />

und hatten eher das Gefühl, eine Rolle spielen und sich anpassen zu müssen.<br />

Die Befragten gaben zu 73% an, dass das Zahlenverhältnis Männer/Frauen in der Therapieeinrichtung<br />

nicht ausgeglichen war. Frauen haben diese Situation insgesamt mit 39% deutlich als<br />

unangenehmer empfunden als Männer (16%).<br />

48% der Frauen und 11% der Männer gaben an, dass sie durch diese Situation über einige persönliche<br />

Probleme nicht sprechen konnten.<br />

61% der Frauen und 55% der Männer gaben an, dass das Zahlenverhältnis Männer/Frauen in der<br />

Gruppentherapie (Kleingruppe) fast nie und gar nicht ausgeglichen gewesen sei.<br />

Die Frauen erlebten dies zu 45% als unangenehm (Männer zu 5%) und gaben zu 61% an, dass<br />

sie dadurch über einige persönliche Probleme nicht sprechen konnten (Männer zu 8%); 58% der<br />

Frauen fühlten sich dadurch unwohl (Männer 16%). 52% der Frauen und 16% der Männer hätten<br />

sich diese Situation immer oder überwiegend anders gewünscht.<br />

Gefragt nach der allgemeinen Bewertung der subjektiven Zufriedenheit mit der Therapie fällt die<br />

Bewertung der Frauen erheblich schlechter aus: 9% der Frauen und 33% der Männer gaben an,<br />

sehr zufrieden mit der Therapie zu sein, 42% der Frauen und 44% der Männer waren relativ zufrieden.<br />

33% der Frauen und 19% der Männer sind weder zufrieden noch unzufrieden.<br />

Ziemlich oder sehr unzufrieden sind 15% der Frauen und 3% der Männer.<br />

Ihre persönlichen Ziele, die sie durch die Therapie erreichen wollten, haben Frauen zu 42%, Männer<br />

zu 60% erreicht. Die Hoffnungen auf Hilfestellungen durch die Therapie haben sich für 30%<br />

der Frauen und 57% der Männer erfüllt. 13<br />

7. Wie bewerten Sie die derzeitige Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich der<br />

Suchthilfe im Hinblick auf die Vermittlung geschlechtsbezogener Aspekte in der Drogen- und<br />

Suchthilfe?<br />

Seit Anfang 2007 wurden keine landesgeförderten, themenspezifischen Fort- und Weiterbildungen<br />

für die geschlechtsbezogene Arbeit mit Frauen in der Sucht-/Drogenhilfe angeboten. Der Bedarf<br />

war bis Ende 2006 aus den Tätigkeitsberichten der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW;<br />

<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, ersichtlich: nahezu jede angebotene Fortbildung war nicht nur bis auf den letzten<br />

Platz ausgebucht, sondern häufig wurden Fortbildungsangebote aufgrund der großen Nachfrage<br />

wiederholt.<br />

13 Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> (Hrsg), Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zur Umsetzung<br />

der Maßnahmen Nr. 22 und Nr. 26 des Landesprogramms gegen Sucht NRW: Anforderungen an eine<br />

geschlechtsbezogene stationäre medizinische Rehabilitation mit drogenabhängigen Frauen, Empfehlungen für die<br />

Praxis in NRW, Essen, 2004<br />

9


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Auch die genannte Befragung der Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW (siehe Anlage)<br />

kommt hinsichtlich des Bedarfs an Fort- und Weiterbildung zu eindeutigen Aussagen:<br />

Für die weitere Qualifizierung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen benötigen wir in unserer<br />

Einrichtung/Institution:<br />

Tab. 12: Spezifische Fortbildung zu verschiedenen Themenkomplexen<br />

N=72 ja nein K.A.<br />

55 13 4<br />

76% 18% 6%<br />

Der Bedarf der Mitarbeiterinnen der Drogen- und Suchthilfe an qualifizierter Fort- und Weiterbildung<br />

entspricht einem professionellen Verständnis ihrer Tätigkeit und ihrer Verantwortung gegenüber<br />

den Menschen, mit denen sie arbeiten.<br />

Auch die Implementierung von Gender kann nur auf einer fachlich qualifizierten Grundlage gelingen.<br />

Zur inhaltlichen Umsetzung ist Genderkompetenz, d. h. im Hinblick auf die Reflexion der geschlechtsspezifischen<br />

Selbstverständlichkeiten und Vorurteile bei sich selbst, in den jeweiligen Arbeitszusammenhängen<br />

und den Zielgruppen erforderlich.<br />

Die Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Suchthilfe braucht ebenso umfassendes Fachwissen<br />

zur frauen- und männerspezifischen Suchtentwicklung, -prävention und –hilfe, um tatsächlich<br />

wirksam zu sein.<br />

Zur Weiterentwicklung gehören auch die inhaltlich-fachliche Auseinandersetzung, Fort- und Weiterbildung,<br />

Austausch und Reflexion.<br />

Dafür sind u.a. die Institutionalisierung von Fort- und Weiterbildung sowie der Austausch und die<br />

Vernetzung bezogen auf die geschlechtsbezogene Arbeit mit Frauen dringend erforderlich.<br />

8. Bewerten Sie die landesweit notwendigen Entwicklungs-, Vernetzungs- und Qualifizierungsprozesse<br />

bezogen auf die geschlechtsbezogene Arbeit aktuell als ausreichend fachlich begleitet<br />

und gesteuert?<br />

Nein.<br />

Entwicklungs- und Qualifizierungsprozesse für die geschlechtsbezogene Arbeit mit Frauen werden<br />

seit 2 Jahren in NRW weder gefördert, noch fachlich begleitet, noch gesteuert (siehe auch Antwort<br />

auf Frage 7).<br />

Auch notwendige Vernetzungsprozesse werden seit 2 Jahren nicht mehr gefördert, fachlich begleitet<br />

oder gesteuert.<br />

Obwohl die Arbeitskreise Frauen und Sucht in NRW gegenüber der Landeskoordination Integration,<br />

Fachbereich Gender und Sucht, einen deutlichen Bedarf an Vernetzung und überregionalem<br />

Austausch (und Qualifizierung) formuliert haben, wurde dieses Anliegen bislang nicht aufgegriffen.<br />

14<br />

Vernetzung und Qualifizierung sind Qualitätsmerkmale der geschlechtsbezogenen Arbeit. Die geschlechtsbezogene<br />

Arbeit mit Frauen ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer geschlechtergerechten<br />

Sucht- und Drogenhilfe.<br />

Die überregionale Vernetzung der geschlechtsbezogenen Arbeit bündelt Ressourcen und ermöglicht<br />

Synergieeffekte. Sie wirkt somit auf unterschiedlichen Ebenen auf die Effektivität und Effizienz<br />

der Arbeit und hat einen hohen Stellenwert bei der Optimierung von Hilfen. Regionale Arbeits-<br />

14 Tagungsbericht: Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen und Sucht in NRW am 04. Dezember 2008 in Essen,<br />

www.belladonna-essen.de<br />

10


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

kreise können die Basis dafür bilden, Versorgungslücken durch neue Angebote zu decken, die an<br />

bestehende Einrichtungen angelehnt oder auch in gemeinsamer Trägerschaft geschaffen werden<br />

können; ebenso ermöglichen sie ein Ergänzungsverhältnis statt einer Konkurrenz zwischen Angeboten.<br />

Die Landesregierung NRW förderte im Jahr 1999 die „Entwicklung von Kernmerkmalen zur Qualitätssicherung<br />

frauenspezifischer Angebote in der ambulanten Drogen- und Suchtkrankenhilfe“ 15 ,<br />

die bundesweite Aufmerksamkeit erlangte und als Arbeitshilfe auch heute noch eingesetzt wird.<br />

Als ein Qualitätsmerkmal wurde benannt:<br />

„Die Teilnahme der Mitarbeiterinnen, die die frauenspezifische Arbeit leisten, an Gremien/Arbeitskreisen,<br />

die die fachliche Weiterentwicklung und Vernetzung mit anderen Einrichtungen ermöglichen<br />

(z.B. Arbeitskreis „Frauen und Sucht“, Vernetzungstagungen der Arbeitskreise) ist ein unverzichtbarer<br />

Bestandteil der Arbeit.“ 16<br />

Diese Aussage ist auch heute, 10 Jahre später, fachlich und inhaltlich unvermindert gültig. Gleichzeitig<br />

wird aber die geschlechtshomogene Vernetzungsarbeit und somit eine qualitätsfördernde<br />

Maßnahme –im Wissen um die Bedeutung– nicht mehr durch die Landesregierung gefördert (siehe<br />

Anlage: Tagungsbericht des Vernetzungstreffens der Arbeitskreise Frauen und Sucht NRW).<br />

„Ein wichtiges Element ist die Vernetzung der beteiligten Fachleute. Im Projekt «Frauen-Netz-<br />

Qualität» wurde deutlich sichtbar, dass die hohe Motivation und das Engagement der Fachfrauen<br />

durch Burnout-Prozesse verlorenzugehen droht. Vernetzung wirkt dem entgegen, braucht aber<br />

zeitliche und finanzielle Ressourcen. Weiterbildung und Beratung zu Qualitätsentwicklung,<br />

Projektmanagement und Evaluationswissen sind weitere Instrumente, um der unheilvollen<br />

Vereinzelung von Fachfrauen Einhalt zu gebieten.“ 17<br />

Aus der genannten Befragung der Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW (siehe Anlage):<br />

Für die weitere Qualifizierung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen benötigen wir in unserer<br />

Einrichtung/Institution:<br />

Tab. 13: Vernetzung und Austausch mit Kolleginnen anderer Einrichtung in unserer Region, z.B. über Arbeitskreise<br />

zum Thema „Frauen und Sucht“:<br />

N=72 ja nein k.A.<br />

55 11 6<br />

77% 15% 8%<br />

Tab. 14: Vernetzung und Austausch mit Kolleginnen anderer Einrichtung in NRW, z.B. Vernetzungstreffen der<br />

Arbeitskreise Frauen und Sucht NRW:<br />

N=72 ja nein k.A.<br />

54 12 6<br />

76% 17% 8%<br />

Als Reaktion auf die Anfragen verschiedener Arbeitskreise Frauen und Sucht in NRW hat <strong>BELLA</strong><br />

<strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, im Dezember 2008 ein Vernetzungstreffen der Ar-<br />

15 Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>: Zur geschlechtsdifferenzierten Suchtarbeit. Entwicklung von<br />

Kernmerkmalen zur Qualitätssicherung frauenspezifischer Angebote in der ambulanten Drogen- und<br />

Suchtkrankenhilfe, Essen, 1999<br />

16 ebenda, Seite 17<br />

17 Bundesamt für Gesundheit (BAG) Herausgeber: Bundesamt für Gesundheit, Bern, Januar 2005; Frauengerecht! Die<br />

Praxis<br />

11


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

beitskreise in NRW veranstaltet. Die als Gäste anwesenden Mitarbeiterinnen der Landeskoordination<br />

Integration, Fachbereich Gender und Sucht, erklärten, dass auch perspektivisch von ihrer<br />

Seite kein Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen und Sucht geplant sei. Stattdessen solle im<br />

Jahr 2009 ein Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen und Sucht und Männer und Sucht<br />

stattfinden 18 .<br />

Diese Vernetzung trifft aktuell weder den Bedarf der Fachfrauen aus der Praxis, noch den der<br />

Kollegen aus den Arbeitskreisen Männer und Sucht. Übereinstimmend wird diese Planung als<br />

fachlich und inhaltlich aktuell als falsches Signal zur falschen Zeit gewertet.<br />

Aus diesem Grund haben die Fachfrauen aus NRW sich dazu entschieden, die Vernetzung im<br />

Sinne der weiteren Professionalisierung der Arbeit in „Eigenregie“ weiter zu führen und im Juni<br />

2009 ein weiteres Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen und Sucht durchzuführen. Als Veranstalterin<br />

wurde wieder <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, angefragt.<br />

9. Wie bewerten Sie die Entwicklung in NRW, geschlechtsbezogene Ansätze in der Drogen- und<br />

Suchtpolitik zu etablieren?<br />

Siehe auch Antworten zu den Fragen 3 und 4 und 14.<br />

Die Drogen- und Suchtpolitik in NRW hat ihre Prioritäten gesetzt.<br />

Durch die Streichung der Mittel für die Erweiterte Grundförderung für die Arbeit mit Frauen und die<br />

Schließung der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, sind zentrale Strukturen<br />

für die weitere Etablierung sowie die Weiterentwicklung der frauenbezogenen Sucht- und Drogenarbeit<br />

entfallen.<br />

Die Struktur- und Förderveränderungen bezogen auf die Landeskoordinationsstellen haben bislang<br />

keine adäquaten Konzepte vorgewiesen. Ebenso reagieren sie nicht auf die Bedarfslage der Fachkolleginnen<br />

in NRW.<br />

Die Fachfrauen aus der Praxis formulierten bei dem Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen<br />

und Sucht NRW deutlich die Rückentwicklung der Akzeptanz und Wertschätzung der geschlechtsbezogenen<br />

Arbeit mit Frauen in NRW. 19<br />

Deutlich wird diese Situation u.a. daran, dass es wieder eher von dem persönlichen Engagement<br />

der Mitarbeiterinnen der Sucht- und Drogenhilfe abhängt, ob Angebote für Frauen offensiv zur Verfügung<br />

gestellt werden. Ebenso ist die Teilnahme z.B. an den Arbeitskreisen Frauen und Sucht<br />

nicht mehr so selbstverständlich, wie sie es noch vor 2007 war.<br />

Der seit 1999 in Bielefeld tätige Arbeitskreis „Frauen, Mädchen und Sucht“, in dem sich Fachfrauen<br />

aus unterschiedlichen Institutionen, die mit der mädchen- und frauenspezifischen Suchtkrankenhilfe<br />

befasst sind, organisiert haben, hat im Dezember 2007 in einem Schreiben an den<br />

Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im Landtag NRW erläutert:<br />

„Des Weiteren möchten wir uns auf eine Kernaussage 20 beziehen, dass durch den Wegfall der<br />

Landesförderung die frauenspezifischen Suchthilfeangebote nicht in Frage gestellt sind. (Seite<br />

20 21 ). Als Arbeitskreis fragen wir uns, wer die landesgeförderten Einrichtungen hinsichtlich ihrer<br />

frauenspezifischen Angebotsstruktur dezidiert befragt und die Ergebnisse ausgewertet hat.<br />

18 Tagungsbericht: Vernetzungstreffen der Arbeitskreise Frauen und Sucht in NRW am 04. Dezember 2008 in Essen,<br />

www.belladonna-essen.de<br />

19 ebenda<br />

20 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 16 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/4654:<br />

Drogen- und Suchthilfepolitik in NRW<br />

21 ebenda<br />

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<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

In einem Schreiben vom 07.03.2006 wandte sich die Arbeitsgruppe der Bielefelder landesgeförderten<br />

Sucht- und Drogenberatungsstellen mit frauenspezifischer Ausrichtung mit einem Protestschreiben<br />

an das Land NRW und wies bereits darauf hin, dass frauenspezifische Angebote bei<br />

einer Streichung der Landesmittel weggefallen werden. …<br />

Im Übrigen möchten wir uns auf die Aussage beziehen, dass Genderansätze bereits seit längerem<br />

in der ambulanten Suchthilfe berücksichtigt werden (Seite 30 22 ). An dieser Stelle wird nicht deutlich,<br />

welche Inhalte mit dem Genderansatz verbunden sind. So wird in den meisten Einrichtungen<br />

mittlerweile Qualitätssicherung durchgeführt, wobei davon auszugehen ist, dass die Kategorie Geschlecht<br />

bisher in den meisten Einrichtungen keine Rolle spielt.<br />

Aus der Sicht des Arbeitskreises bezieht der Genderansatz frauenspezifische Angebote mit ein<br />

und grenzt sie nicht aus. Die Erfahrungen zeigen, dass die frauenspezifische Arbeit in der Suchtkrankenhilfe<br />

gute Ergebnisse gezeigt hat und daher unbedingt weiter fortgeführt werden sollte.“ 23<br />

Der Arbeitskreis Frauen und Sucht der katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Sucht NRW<br />

(KLAGS) formulierte in einem Schreiben an den Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im<br />

Landtag NRW im Dezember 2007 u.a.:<br />

„Kolleginnen sind auf Grund der Streichung der Erweiterten Grundförderung für die frauenspezifische<br />

Suchtarbeit nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in der Lage, an wichtigen Arbeitsbündnissen<br />

und Fortbildungen teilzunehmen,<br />

Zum Teil können die bisher installierten frauen- und mädchenspezifische Angebote nicht oder nur<br />

eingeschränkt fortgeführt werden.<br />

Jungen- und männerspezifische Angebote können z. T. nicht entwickelt bzw. weiterentwickelt werden.<br />

Die bisher installierten geschlechtsdifferenzierten Angebote werden zum Großteil nur aufrechterhalten,<br />

weil engagierte MitarbeiterInnen sie trotz der fehlenden Refinanzierungsmöglichkeit weiterhin<br />

vorhalten.<br />

Suchterkrankung ist in erster Linie eine Folge von schädigenden und unzureichenden Beziehungsstrukturen.<br />

Damit wir – als MitarbeiterInnen der Sucht- und Drogenhilfe – geeignete Unterstützungen<br />

bei der Bewältigung dieser Schädigungen bieten können, benötigen wir dringend eine verlässliche<br />

und ausreichende Finanzierung unserer Einrichtungen.“ 24<br />

Der Arbeitskreis „Frauen und Sucht“ Düsseldorf, in dem sich Mitarbeiterinnen der ambulanten und<br />

stationären Sucht- und Drogenhilfe seit Jahren zum fachlichen Austausch und zur kollegialen Beratung,<br />

zur Diskussion aktueller Themen, zur gegenseitigen Information etc. organisiert haben, berichtete<br />

in einem Schreiben an den Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im Landtag<br />

NRW im Dezember 2007 u.a.:<br />

„Die Kürzungen bzw. die Streichung der Erweiterten Grundförderung für die frauenspezifische Arbeit<br />

hat nach den Erfahrungen der Teilnehmerinnen unseres Arbeitskreises im Gegensatz zu den<br />

Aussagen in der o.g. Drucksache sehr wohl negative Konsequenzen für die Praxis:<br />

Angebote für Frauen mussten gänzlich eingestellt oder erheblich reduziert werden, … Übereinstimmend<br />

können die Teilnehmerinnen unseres Arbeitskreises berichten, dass die für Frauen bereitgestellten<br />

Angebote in der Vergangenheit gut angenommen worden sind. Aus diesem Grund ist den<br />

meisten Einrichtungen sehr daran gelegen, auch weiterhin Angebote für Frauen vorzuhalten. Dies<br />

gelingt jedoch nur noch, wenn die Träger an anderen Stellen Einsparungen vornehmen oder Angebote<br />

kostenpflichtig werden. Finanzielle und/oder persönliche Ressourcen für neue Angebote für<br />

Frauen können nicht mehr bereitgestellt werden.<br />

Aktuell und perspektivisch sehen wir diese Situation als einen massiven Rückschritt in der differenzierten,<br />

geschlechtsspezifischen Angebotsstruktur in NRW.<br />

22 ebenda<br />

23 Arbeitskreis Frauen, Mädchen und Sucht Bielefeld, Schreiben an den Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales<br />

im Landtag NRW, 20.12.07<br />

24 Arbeitskreis Frauen und Sucht der katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Sucht NRW (KLAGS), Schreiben an den<br />

Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im Landtag NRW, 04.12.2007<br />

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Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Hinzu kommt, dass die Träger durch die Streichung der der Erweiterten Grundförderung für die<br />

frauenspezifische Arbeit auch keine Mittel mehr für die Weiter- und Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen<br />

in der Praxis zur Verfügung stellen können. Weitere Qualifizierung und eine andauernde<br />

Reflexion der Arbeit ist bei der Auseinandersetzung mit den Biografien der betroffenen Frauen –<br />

insbesondere unter den Aspekten der massiven Gewalterfahrungen der Frauen, der Thematik<br />

Schwangerschaft und Mutterschaft etc. – für eine fachlich konsequente und qualifizierte Arbeit unabdingbar.<br />

Der zusätzliche Wegfall der Angebote zur Fachberatung und Reflexion sowie der kostengünstigen<br />

Fortbildungsangebote der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, in Essen bedeutet,<br />

dass die Kolleginnen ihren Fortbildungsbedarf aus privaten Mitteln decken müssten. Dies<br />

ist nicht selbstverständlich für alle Kolleginnen möglich.“ 25<br />

Diese Entwicklungen sind kontraproduktiv bezogen auf die Etablierung geschlechtsbezogener Ansätze.<br />

Den Aussagen der Drogen- und Suchtpolitik zur geschlechtsbezogenen Suchtarbeit in den Antworten<br />

der Landesregierung auf die Großen Anfragen zur Drogen- und Suchtpolitik in NRW und zu<br />

Geschlechtsspezifischen Aspekten der Drogen- und Suchthilfepolitik in NRW (Drucksachen<br />

14/5124 und 14/6997) wurde von den Fachfrauen in NRW an unterschiedlichen Stellen deutlich widersprochen.<br />

Eine Politik, die konsequente Veränderungen im Sucht- und Drogenhilfesystem bezogen auf die<br />

Etablierung geschlechtsbezogener Ansätze fordert, muss auf diese Diskrepanzen reagieren. Sie<br />

kann Entwicklungen nur fordern, wenn sie diese auch entsprechend fördert. Zur Förderung und<br />

Weiterentwicklung sowie zur Reflexion der Zielsetzungen im Rahmen von Gender Mainstreaming-<br />

Prozessen ist die Analyse der Ausgangssituation von entscheidender Bedeutung. Dafür muss die<br />

Politik ihr Interesse auf die tatsächliche Situation in der Praxis richten.<br />

10. Wo liegt die Verantwortung dafür, dass Beratung und Hilfe an den besonderen<br />

Bedürfnissen von Männern und Frauen ausgerichtet werden? Welche Aufgaben kommen<br />

hier der Politik zu?<br />

Wir sehen Geschlechtergerechtigkeit als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung an.<br />

Entsprechend tragen im System der Sucht- und Drogenhilfe und der Sucht- und Drogenpolitik alle<br />

Beteiligten Verantwortung für die Umsetzung einer geschlechtergerechten Sucht- und Drogenhilfe.<br />

Mit dem Ziel, eine konsequente und kontinuierliche Sicherstellung einer geschlechtsbezogenen<br />

Arbeit zu gewährleisten, müssen also alle Ebenen einbezogen werden:<br />

• der Träger der Einrichtung;<br />

• die Leitung der Einrichtung;<br />

• die Organisation der Einrichtung;<br />

• das Team der Einrichtung;<br />

• die MitarbeiterInnen, die die praktische Arbeit leisten<br />

sowie<br />

• die Finanzierungsgeber<br />

und<br />

• die Politik<br />

25 Arbeitskreis „Frauen und Sucht“ Düsseldorf, Schreiben an den Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im<br />

Landtag NRW im Dezember 2007<br />

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Eine umfassende geschlechtergerechte Ausrichtung kann nur gelingen, wenn sie auf allen Ebenen<br />

gleichermaßen angestrebt und anerkannt wird. Dennoch sind die Verantwortlichkeiten unterschiedlich<br />

verteilt.<br />

Während die KollegInnen, die sich für die Umsetzung einer geschlechtsbezogenen Arbeit engagieren,<br />

die Verantwortung für die Beziehung und den Prozess mit der/dem Hilfesuchenden tragen,<br />

ist es unangemessen und kontraproduktiv, wenn sie zusätzliche Energie in die Rechtfertigung der<br />

geschlechtsbezogenen Arbeit investieren und für die Teilnahme an qualitätsfördernden Vernetzungsformen<br />

aufbringen müssen (wie aktuell, siehe Antwort auf Frage 9). Dieser Umgang mit Ressourcen<br />

ist verantwortungslos.<br />

Die Mitarbeiterinnen der Sucht- und Drogenhilfe benötigen die Übernahme der Verantwortung von<br />

Träger und Leitung von Einrichtungen für die Förderung und Unterstützung geschlechtergerechter<br />

Arbeit durch die Förderung der Qualifizierung von MitarbeiterInnen und Teams, die Förderung der<br />

Entwicklungsmöglichkeiten von Angeboten, die Bereitstellung von finanziellen und zeitlichen Ressourcen.<br />

„Politisches Gestalten vermittelt sich notwendigerweise über Institutionen.“ 26<br />

Träger und Leitung von Einrichtungen benötigen die Unterstützung durch Finanzierungsgeber und<br />

die Politik. Neben geeigneten Maßnahmen müssen die für Prozesse nötigen Ressourcen (zeitliche,<br />

personelle und finanzielle Ressourcen, Strategien, Steuerung, Entwicklungszeit, Überprüfung,<br />

Auswertung, Modifikation) zur Verfügung gestellt werden, ansonsten können Leitung und<br />

Träger ihrer Verantwortung nicht konsequent nachkommen.<br />

„… muss aber berücksichtigt werden, dass sich eine Gesellschaft nicht innerhalb kurzer Zeit bezogen<br />

auf Geschlechterordnungen, Machtstrukturen und Identitätsentwürfen verändern kann. Aus<br />

diesem Grund greift auch eine ausschließliche Ausrichtung auf Institutionen und methodischinstrumentelle<br />

Verfahren zu kurz.<br />

Gender Mainstreaming ist bislang nur selten mit Mechanismen der Rechenschaftslegung ausgestattet.<br />

Innerhalb der Institutionen fehlen verbindliche, sanktionsbewehrte Verbindungen zu Personalentwicklung<br />

und Laufbahngestaltung, nach außen mangelt es an einem Berichtswesen, das<br />

der Überprüfung standhält. Damit sind Kernelemente und Voraussetzungen demokratischer Gestaltung,<br />

wie Transparenz und öffentliche Beratung, schwerwiegend behindert oder in Frage gestellt.<br />

Gelegentliche Evaluierungen, die bestenfalls Resultate, selten Prozesse erfassen, sind kein<br />

Ersatz.“ 27<br />

Während der Prozesse zur Umsetzung einer geschlechtergerechten Sucht- und Drogenhilfe ist es<br />

aus unserer Sicht kontraproduktiv, die Förderung und Weiterentwicklung der geschlechtsbezogenen<br />

Arbeit zu unterlassen, wie es aktuell geschieht. Die Politik muss die Sorge dafür tragen,<br />

dass die Etablierung von Gender Mainstreaming in der Sucht- und Drogenhilfe nicht als „Bremse“<br />

für die Fort- und Weiterentwicklung der geschlechtsbezogenen Arbeit fungiert.<br />

11. Setzt Ihrer Meinung nach die Landesregierung die Forderungen des Landtags zur<br />

Berücksichtigung von Gender Mainstreaming in der Landespolitik aus 2002 auch im Suchtund<br />

Drogenbereich konsequent um?<br />

Ausgehend von dem fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag zur Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit:<br />

„Die Landesregierung ist aufgefordert, unter Einbeziehung aktueller Er-<br />

26 Heinrich Böll Stiftung, Unmüßig, Barbara: Nachdenken über Gender Mainstreaming<br />

27 ebenda<br />

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kenntnisse aus Wissenschaft und Praxis sowie der Erfahrungen in anderen Ländern ein Steuerungskonzept<br />

zur Implementierung des Gender Mainstreaming zu erarbeiten und umzusetzen“ 28 ,<br />

ist eine konsequente Umsetzung im Sucht- und Drogenbereich aktuell nicht identifizierbar.<br />

Begründung:<br />

Vorweg: die Einbeziehung aktueller Erkenntnisse auch aus der Praxis ist nicht ersichtlich, obwohl<br />

gerade in NRW ein großer „Erfahrungsschatz“ vorliegt. Diese Erfahrungen nicht mit den notwendigen<br />

Konsequenzen zur Kenntnis zu nehmen, verhindert nicht nur einen Erkenntnisgewinn, sondern<br />

auch die verantwortungsbewusste Nutzung vorhandener Ressourcen. Im Folgenden werden<br />

deshalb auch Eingaben aus der Praxis, die der Landesregierung vorgelegt wurden, zum Teil zitiert.<br />

1. Aktuell ist unseres Wissens in NRW kein strukturiertes Konzept kommuniziert, welches eine<br />

umfassende Zusammenstellung der Ziele (weder kurz- noch langfristige, strategische noch operative)<br />

und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung des aus unserer<br />

Sicht strategisch zu planenden Vorhabens ist, Gender Mainstreaming in der Sucht- und Drogenhilfe<br />

umzusetzen.<br />

Begründungszusammenhänge, Chancen-Risiken-Abwägung, Zeit- und Maßnahmepläne sowie<br />

eine Ressourcenplanung sind nicht bekannt/kommuniziert.<br />

Dadurch ist auch nicht bekannt, welche Ansatzpunkte für die Integration von Genderaspekten<br />

konkret benannt werden, wie sie geplant und gesteuert werden (sollen). Wie, mit welchen Methoden,<br />

Maßnahmen und Instrumenten und in welcher Zeitplanung eine praktische Umsetzung<br />

des Gender Mainstreamings erfolgen soll, ist nicht kommuniziert.<br />

Auch ein strukturiertes Konzept zu Fragen der organisatorisch-institutionellen Implementierung<br />

als Kennzeichen eines jeden Gender Mainstreaming-Prozesses ist nicht kommuniziert.<br />

Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche Konzeption überhaupt vorliegt - wenn ja, wieso diese<br />

nicht bekannt ist, wenn nein, warum bislang kein Konzept erarbeitet worden ist.<br />

Unseres Wissens liegt kein „übereinstimmendes“ Genderverständnis in der Sucht- und Drogenhilfe<br />

in NRW vor. Die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip<br />

benötigt Modelle für eine konkrete Bestimmung der Wirkungen von Maßnahmen. Sie benötigt<br />

differenzierte Analysen, um auch die Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die der geforderten<br />

aktiven Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern nachkommen.<br />

Aus der Befragung der Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW (siehe Anlage):<br />

Tab. 15: Die Strategie des Gender Mainstreaming ist in unserer Einrichtung umfassend bekannt 29 :<br />

N=72 ja nein Ø bek. K.A.<br />

29 35 5 3<br />

41% 49% 7% 4%<br />

Es sind keine für die spezifische Situation in NRW entwickelten Anregungen, Modelle und/oder<br />

Konzepte bekannt, um eine der zentralen Funktionen von Gender Mainstreaming zu erfüllen:<br />

die Überprüfung der Wirkungen von allen Maßnahmen auf Frauen und auf Männer sowie auf<br />

die Geschlechterverhältnisse.<br />

28 Landtag NRW, Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktion<br />

der CDU, der Fraktion der FDP, Drucksache 13/3225<br />

29 Es wurde nicht definiert, was die „Strategie des Gender Mainstreaming“ beinhaltet und umfasst.<br />

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<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Konkrete gestaltete Ansätze zur Analyse der Situation in NRW sind nicht bekannt. Vermutungen<br />

bleiben so lange im subjektiven Blick der jeweiligen Interessen, wie sie nicht belegt werden<br />

(z.B. durch eine Analyse der Ausgangssituation). Ein fehlendes einheitliches Gender-Verständnis<br />

verwischt zusätzlich die tatsächliche Situation.<br />

Es existiert unseres Wissens keine Aussage zur Genderrelevanz von Maßnahmen in der Suchtund<br />

Drogenhilfe.<br />

Es ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang die Maßnahmen der Landesregierung zur Umsetzung<br />

von Gender Mainstreaming einer tiefer gehenden Analyse und anschließender Bewertung<br />

unterzogen werden: wie die praktische Umsetzung von Gender Mainstreaming in der<br />

Sucht- und Drogenhilfe begleitet, überprüft, ausgewertet und bewertetet werden soll und welcher<br />

Zeitrahmen dafür vorgesehen ist.<br />

Steuerungskonzepte zur Umsetzung des Gender-Mainstreaming sind nicht bekannt.<br />

2. Gezielte Maßnahmen zur Förderung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen sind in NRW<br />

entfallen, ohne zu überprüfen, welche geschlechtsbezogenen Wirkungen und Folgen daraus<br />

entstehen.<br />

Im Sinne des Konzepts des Gender Mainstreaming gibt es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit<br />

und von daher sind bei allen gesellschaftlichen Prozessen die unterschiedlichen Lebenssituationen<br />

und Interessen von Frauen und Männern von vorneherein und regelmäßig zu berücksichtigen.<br />

Die Einschätzung der Landesregierung, dass der Entwicklungsprozess für den Auf- und Ausbau<br />

frauenspezifischer Suchthilfeangebote abgeschlossen sei, wurde nicht belegt.“ 30<br />

Eine Berücksichtigung der spezifischen Situation von Mädchen und Frauen im Suchthilfesystem,<br />

der Erkenntnisse über deren Zugangsschwierigkeiten und –wege sowie deren spezifischer<br />

Bedarfe bezogen auf die Angebotsstruktur und –ausrichtung ist nicht zu erkennen. Deutliche<br />

Hinweise darauf siehe dazu auch Antwort auf Frage 3, sowie auch Tab. 10 und Tab. 11Tab. 11.<br />

Die Landesregierung antwortet auf die Große Anfrage 19: „Das Land hat bereits in den 90er<br />

Jahren auf Grund des sich abzeichnenden vordringlichen Handlungsbedarfs im Bereich der Hilfen<br />

für suchtgefährdete und suchtkranke Frauen eine Landesfachstelle „Frauen und Sucht“ in<br />

Essen eingerichtet, die frauenspezifische Projekte im Lande entwickelt und begleitet und die<br />

Einrichtungsträger der Suchthilfe wie auch die Landesregierung mit großer Fachkompetenz bei<br />

der konzeptionellen Fortentwicklung unterstützt hat. Diese Tätigkeit wird seit 2007 von der Landeskoordination<br />

Integration in Köln, in die die Landesfachstelle „Frauen und Sucht“ eingegliedert<br />

wurde, mit dem erweiterten Ansatz „Gender und Sucht“ fortgeführt.“ 31<br />

Dazu schreibt der Evangelische Fachverband Sucht Rheinland Westfalen Lippe der Diakonischen<br />

Werke der Evangelischen Kirche im Rheinland, in Westfalen und Lippe an das MAGS<br />

und zur Kenntnis an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Landtag NRW im<br />

Dezember 2007:<br />

„Nach wie vor vermissen wir Aktivitäten der Landesfachstelle Integration in Köln, der das<br />

Thema Frauen und Sucht in NRW übertragen wurde.<br />

Bisher ist nicht ersichtlich, wie die erfolgreiche Arbeit der Landesfachstelle Frauen und Sucht<br />

NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Essen, weitergeführt wird. Es sind uns keine Aktivitäten in dieser Rich-<br />

30 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 16 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/4654:<br />

Drogen- und Suchthilfepolitik in NRW: „Die Gewährung von Landeszuschüssen für frauenspezifische Suchthilfeangebote<br />

diente der Unterstützung beim Auf- bzw. Ausbau entsprechender Beratungsschwerpunkte in NRW. Dieser Entwicklungsprozess<br />

ist zwischenzeitlich abgeschlossen, so dass durch den Wegfall der Landesförderung die frauenspezifischen<br />

Drogenberatungs- und Hilfeangebote nicht in Frage gestellt sind.“<br />

31 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 19 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/6380<br />

Geschlechtsspezifische Aspekte der Drogen- und Suchthilfepolitik in Nordrhein-Westfalen<br />

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<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

tung bekannt, die geeignet sind, eine geschlechtergerechte Gestaltung und Entwicklung von<br />

Hilfsangeboten für suchtkranke Menschen in NRW zu unterstützen und zu fördern.“ 32<br />

Dazu schreibt der Arbeitskreis „Frauen und Sucht“ in Düsseldorf im Dezember 2007 an den<br />

Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im Landtag NRW:<br />

„Der zusätzliche Wegfall der Angebote zur Fachberatung und Reflexion sowie der kostengünstigen<br />

Fortbildungsangebote der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, in<br />

Essen bedeutet, dass die Kolleginnen ihren Fortbildungsbedarf aus privaten Mitteln decken<br />

müssten. Dies ist nicht selbstverständlich für alle Kolleginnen möglich.“ 33<br />

Dazu schreibt der Arbeitskreis Frauen und Sucht Münster im Dezember 2007 an den Ausschuss<br />

für Arbeit Gesundheit und Soziales im Landtag NRW:<br />

„Wir bedauern sehr, dass mit Schließung der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW in Essen<br />

eine bewährte und sehr lebendige Struktur des fachlichen Austauschs aufgegeben wurde, dass<br />

Fortbildungsmöglichkeiten im Bereich Frauensuchtarbeit abgebaut wurden sowie der wichtige<br />

kollegiale Austausch in NRW erheblich erschwert wird.<br />

Diese fehlenden Strukturen und Angebote wurden bisher leider in keiner Weise ersetzt. Für<br />

eine Aufrechterhaltung des bisher Erreichten und eine Weiterentwicklung geschlechtsspezifischer<br />

Suchtarbeit in NRW wäre das dringend erforderlich.“ 34<br />

Die Diskrepanzen zwischen der Aussage der Landesregierung bezogen auf die angebliche<br />

Fortführung der Tätigkeit der Landesfachstelle Frauen & Sucht NRW, <strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, und der<br />

tatsächlichen Tätigkeit der Landeskoordination Integration, Fachbereich Gender und Sucht, sind<br />

nicht nachvollziehbar (Tagungsbericht des Vernetzungstreffes: www.belladonna-essen.de)<br />

Werden zusätzlich zu dem o.g. Entschließungsantrag der Landespolitik NRW die Aussagen des<br />

BMFSFJ aus dem Jahr 2002 zur inhaltlichen Ergänzung betrachtet:<br />

„Gender Mainstreaming als Querschnitts- oder Gemeinschaftsaufgabe von allen Ressorts ergänzt<br />

die bisherige Gleichstellungspolitik. Mainstreaming ist dabei auf die spezifische Frauenförderpolitik<br />

als Wissens- und Kooperationsbasis angewiesen. Gezielte Frauenfördermaßnahmen<br />

sind notwendig, um bestimmten Benachteiligungen von Frauen schnell und wirksam begegnen<br />

zu können und so die Voraussetzungen für die Umsetzung des Gender-Mainstreaming-<br />

Konzeptes zu verbessern“ 35 (BMFSFJ 2000:7),<br />

dann fällt auf, dass die bekannten Benachteiligungen von Mädchen und Frauen im Suchthilfesystem,<br />

denen mit spezifischen Suchthilfeangeboten begegnet werden sollte, keine Berücksichtigung<br />

gefunden haben. Abzuleiten daraus ist auch, dass damit die Voraussetzungen für die<br />

Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Konzeptes nicht verbessert worden sind.<br />

32 Evangelischer Fachverband Sucht Rheinland Westfalen Lippe der Diakonischen Werke der Evangelischen Kirche im<br />

Rheinland, in Westfalen und Lippe, Schreiben an das MAGS und zur Kenntnis an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit<br />

und Soziales im Landtag NRW im Dezember 2007<br />

33 Arbeitskreis „Frauen und Sucht“ Düsseldorf, Schreiben an den Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im<br />

Landtag NRW im Dezember 2007<br />

34 Arbeitskreis „Frauen und Sucht“ Münster, Schreiben an den Ausschuss für Arbeit Gesundheit und Soziales im<br />

Landtag NRW im Dezember 2007<br />

35 BMFSJF, „Gender Mainstreaming. Was ist das?“, 2002<br />

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3. Qualitätsfördernde Maßnahmen bezogen auf die geschlechtsbezogene Arbeit mit Frauen –als<br />

ein Bestandteil einer geschlechtergerechten Arbeit– werden seit 2007 von der Landesregierung<br />

nicht mehr unterstützt. Faktisch ist mit der Umstrukturierung von der Landesfachstelle Frauen &<br />

Sucht NRW zur Landeskoordination Integration, Fachbereich Gender und Sucht, die Förderung<br />

der frauenbezogenen Arbeit hinsichtlich der Qualifizierung und Vernetzung sowie bei der<br />

Sammlung, Aufbereitung und Weitergabe innovativer Impulse entfallen (siehe dazu<br />

4. Tab. 13., Tab. 14), obwohl der Bedarf gegenüber der Landeskoordination Integration, Fachbereich<br />

Gender und Sucht von den Fachfrauen in den Arbeitskreisen Frauen und Sucht formuliert<br />

wurde (siehe auch dazu Punkt 2).<br />

Im Sinne der Selbstverpflichtung des Landtags: „Der Landtag verpflichtet sich,… Dies bedeutet die<br />

Verpflichtung, die geschlechtsspezifischen Auswirkungen seiner Entscheidungen zu achten, zu<br />

prüfen und zu dokumentieren, inwieweit die jeweiligen Handlungsfelder für die Verwirklichung der<br />

Chancengleichheit und zum Abbau mittelbarer Diskriminierungen genutzt werden können“ ist aus<br />

unserer Sicht die Entwicklung bezogen auf die geschlechtsbezogene Arbeit mit Frauen nicht konsequent<br />

umgesetzt.<br />

Und abschließend: Bei den Grundsätzen zur Umsetzung der Kommunalisierung der Landesförderung<br />

für Präventions- und Hilfemaßnahmen im Sucht- und AIDS-Bereich in Nordrhein-Westfalen<br />

wurde die Implementierung der Strategie des Gender Mainstreaming nicht formuliert. Hier hätte<br />

eine Möglichkeit bestanden, die Forderungen zur Berücksichtigung von Gender Mainstreaming<br />

deutlich zu verorten. Dass die Strategie des Gender Mainstreaming „selbstverständlich mitgedacht“<br />

würde, kann nicht vorausgesetzt werden.<br />

12. Wie bewerten Sie die derzeitige Datengrundlage für die Zielsetzung einer<br />

geschlechtergerechten Drogen- und Suchtpolitik in NRW?<br />

und<br />

13. Welche Schritte müssen hier unternommen werden, um eine verbesserte Datengrundlage<br />

zu schaffen?<br />

Die derzeitige Datengrundlage ist für die Zielsetzung einer geschlechtergerechten Drogen- und<br />

Suchtpolitik in NRW aus unserer Sucht nicht ausreichend, so dass beide Fragen gemeinsam beantwortet<br />

werden:<br />

Die Befragung von Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW (siehe Anlage) zeigt deutliche Widersprüche<br />

zu den Aussagen in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 16 der<br />

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/4654: Drogen- und Suchthilfepolitik in NRW.<br />

Ebenso zeigen die erwähnten <strong>Stellungnahme</strong>n der Arbeitskreise Frauen und Sucht in NRW deutliche<br />

Diskrepanzen zu den Aussagen der Landesregierung.<br />

Bei der Betrachtung dieser Situation fällt auf, dass sich die Einschätzungen der Politik und Praxis<br />

maßgeblich unterscheiden. Die Politik weist selbst an mehreren Stellen deutlich darauf hin, dass<br />

ihr keine Daten vorliegen.<br />

Dieser Sachverhalt belegt aus unserer Sicht, dass u.a. die für eine Umsetzung von Gender Mainstreaming-Prozessen<br />

erforderliche Analyse der Ausgangssituation aufgrund der bestehenden Datengrundlage<br />

NICHT erfolgen kann. 36<br />

36 Bei der Durchführung der Befragung ergab sich bereits das Problem, dass weder eine konkrete Anzahl, noch ein<br />

aktuell gültiges Verzeichnis aller Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW vorliegen.<br />

19


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Zielgerichtete Handlungen brauchen eine zuverlässige Datenbasis als Grundlage. Geschlechterdifferenzierte<br />

Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung von Daten sind nicht selbstverständlich,<br />

aber erforderlich. Auch wenn sich insgesamt die geschlechterdifferenzierte Erhebung und Auswertung<br />

verbessert hat, ist es nach wie vor nicht selbstverständlich, dass ALLE relevanten Fragestellungen<br />

auch geschlechterdifferenziert untersucht werden.<br />

Es fehlt nach wie vor ein differenziertes Berichtswesen, es fehlen Evaluationen. Für die notwendigen<br />

Fortschritte ist es von großer Bedeutung, geschlechtsdifferenzierte Daten und Statistiken zur<br />

Verfügung zu stellen, Problembewusstsein zu schaffen, die notwendige Fachkompetenz zu vermitteln<br />

und geeignete Instrumente zu entwickeln.<br />

Wir teilen die Haltung der Landesregierung in der Antwort auf die die Große Anfrage 19, Drucksache<br />

14/6380, dass „…die in der erneuten Anfrage zitierten Publikationen und <strong>Stellungnahme</strong>n<br />

oftmals keine empirisch gesicherten allgemeingültigen Aussagen…“ 37 beinhalten.<br />

Wir teilen dagegen nicht die Aussage, dass „Die auf dem zuvor beschriebenen Weg gewonnenen<br />

Erkenntnisse … eine ausreichende Handlungsgrundlage für eine zielgerichtete Sucht- und<br />

Drogenpolitik“ 38 sind.<br />

Bei der vorliegenden Kenntnis einer unzureichender Datenlage („Eine weitere Verbesserung der<br />

Datenlage über Stand und Entwicklung der Suchthilfe in NRW ist durch die Landessuchthilfestatistik<br />

zu erwarten, „ 39 ) erschließt es sich nicht, warum die Landesregierung nicht auf die Erkenntnisse<br />

aus der Praxis und auf Studien und Untersuchungen zurück greift, die zwar nicht repräsentativ,<br />

aber auch nicht widerlegt sind - jedoch offensichtlich zu einem Erkenntnisgewinn beitragen<br />

können. Zudem der genannte fraktionsübergreifende Entschließungsantrag zur Umsetzung von<br />

Geschlechtergerechtigkeit die Landesregierung auffordert, die aktuellen Erkenntnisse auch aus<br />

der Praxis einzubeziehen.<br />

14. Welche Anforderungen an eine geschlechtergerechte Drogen- und Suchtpolitik sowie an<br />

die Suchtberatung und Suchthilfe ergeben sich aus Ihrer Sicht?<br />

Die Umsetzung einer geschlechtergerechten Drogen- und Suchtpolitik und –hilfe -von Gender bzw.<br />

Gender Mainstreaming - bedeutet grundlegende gesellschaftspolitische Veränderungen, umfassende<br />

Organisationsveränderungsprozesse und somit auch Veränderungsprozesse des gesamten<br />

Sucht- und Drogenhilfesystems.<br />

Sie stellen an das Sucht- und Drogenhilfesystem als Ganzes, an die Politik, die Organisationen<br />

und an jede/n einzelne/n MitarbeiterIn neue Anforderungen.<br />

Die Anforderungen an das Sucht- und Drogenhilfesystem sind auch ohne den Anspruch der Implementierung<br />

von Gender Mainstreaming bereits sehr hoch und sind in den letzten Jahren –entgegengesetzt<br />

zur Förderung- kontinuierlich gestiegen.<br />

Organisationsveränderungsprozesse wie die, die zur Implementierung von Gender Mainstreaming<br />

erforderlich sind, benötigen umfassende Ressourcen –davon sind Zeit und Entwicklungsprozesse<br />

nur einige Wenige, aber sehr Bedeutende– die häufig von den Einrichtungen nicht ohne Weiteres<br />

zur Verfügung gestellt werden können.<br />

Gleichzeitig verfügt die Sucht- und Drogenhilfe in NRW über ein großes Potenzial an engagierten<br />

MitarbeiterInnen für eine frauen- und männerbezogene Sucht- und Drogenhilfe. Ersichtlich wird<br />

dieses Potenzial auch daran, dass ohne die Förderung durch die Landespolitik oder die dafür ein-<br />

37 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 19 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/6380<br />

Geschlechtsspezifische Aspekte der Drogen- und Suchthilfepolitik in Nordrhein-Westfalen<br />

38 ebenda<br />

39 ebenda<br />

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<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

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gesetzten Institutionen die Umsetzung von qualitätsfördernden Maßnahmen in den Arbeitskreisen<br />

Frauen und Sucht (durch die regelmäßigen Treffen und die Vernetzungstagung) und Männer und<br />

Sucht (durch die regelmäßigen Treffen und die Erarbeitung von Arbeitshilfen) angestrebt werden.<br />

Die notwendige einschneidende Veränderung von Organisationskulturen bedeutet einen tiefgreifenden<br />

Prozess des Umdenkens, der in der gesamten Organisation mit Hilfe zielgerichteter Maßnahmen<br />

entwickelt werden muss. Persönliche Sensibilität sowie fundiertes Fachwissen bezogen<br />

auf Geschlechterfragen (Gender-Kompetenz und -Expertise) sind unabdingbare Voraussetzungen<br />

– Gender-Trainings alleine sind aber kein ausreichendes Instrument, wenn nicht gleichzeitig das<br />

Grundlagenwissen, die Diagnostik und praktischen Arbeitsansätze bezogen auf geschlechtsbezogene<br />

Bedarfe, Differenzen und Gemeinsamkeiten erweitert werden. Gender-Kompetenz beinhaltet<br />

neben einer persönlichen auch immer eine fachliche Ebene.<br />

Geschlechtergerechte Suchtarbeit bedeutet eine integrierte Geschlechterpolitik – das heißt, eine<br />

konsequente Frauen- und eine konsequente Männerförderung - die eine nicht auf Kosten der andern.<br />

Beide Geschlechter sollen in der für sie notwendigen Weise unterstützt werden.<br />

Die Einführung und Umsetzung von Gender Mainstreaming erfolgt in Organisationen/Einrichtungen<br />

auf zwei Ebenen: Auf der institutionellen Ebene und der Ebene der konkreten Handlungsfelder –<br />

beide sind je nach Art der Organisation unterschiedlich.<br />

Auf der institutionellen Ebene findet die Strategie des Gender Mainstreaming Eingang beispielsweise<br />

bei der Leitbildentwicklung, bei Qualitätssicherungsverfahren, in der Personalplanung und<br />

Personalentwicklung, in den Kriterien der Personalbeurteilung und in den Arbeitsbedingungen. Es<br />

geht dabei vor allem darum, alle Prozesse im Personalmanagement „Gender-gerecht“ zu gestalten.<br />

Bei dem Leitbild einer geschlechtergerechten Organisation handelt es sich in erster Linie um ein<br />

Ideal, dem sich eine Organisation mehr oder weniger annähern kann. Der Prozess der Annäherung<br />

ist gestaltbar und muss aktiv gestaltet werden, da Organisationen als komplexe Systeme von<br />

handelnden und sich verändernden Menschen verschiedensten Einflüssen ausgesetzt sind. Sie<br />

befinden sich daher ständig in einem dynamischen - mehr oder weniger zielgerichteten – Veränderungsprozess.<br />

Auf der Ebene der Handlungsfelder geht es um die konkrete Arbeit mit den jeweiligen Zielgruppen,<br />

also diejenigen, die von Entscheidungen, Konzeptionen und dem Handeln der MitarbeiterInnen direkt<br />

betroffen sind. Es geht hierbei vor allem um die Erweiterung biographischer Handlungsmuster,<br />

den Abbau geschlechtsbezogener Benachteiligungen und Benachteiligungsrisiken und um eine<br />

Sensibilisierung für Gender-Prozesse im professionellen Handeln der MitarbeiterInnen.<br />

Diese Ausführungen zeigen deutlich die hohen Anforderungen an die Drogen- und Suchthilfe, aber<br />

auch an die Politik.<br />

Sie zeigen aus unserer Sicht die Notwendigkeit von Steuerungskonzepten zur Umsetzung des<br />

Gender Mainstreaming auf (siehe Antwort zu Frage 11), zeigen aber gleichzeitig, dass für diese<br />

Steuerungsprozesse realistische Arbeitsschritte und geeignete Maßnahmen erarbeitet werden<br />

müssen, um den Organisationen/Einrichtungen konstruktive Unterstützung bei der Umsetzung geschlechtergerechter<br />

Arbeit zu gewähren.<br />

Dazu gehören u.a. umfangreiche Arbeitshilfen und –materialien, Prozessbegleitung und –unterstützung,<br />

Forschung, Bildungs- und Beratungsarbeit, Fortbildungsmaßnahmen zur fachlichen, inhaltlichen<br />

und praktischen Umsetzung gender-spezifischer Aspekte in den professionellen Arbeitsalltag,<br />

klar formulierte Anforderungen und Anreize für die Institutionen, um die Genderperspektive<br />

mit allen Konsequenzen in ihre Arbeit einzubeziehen. Dafür müssen Zuständigkeiten, Verantwortung<br />

und (finanzielle und personelle) Ressourcen konkret geklärt und benannt werden.<br />

21


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Fachstelle Frau●Sucht●Gesundheit, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Tel.: 0201.240 888 -3/-4, e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Gleichzeitig muss die Realität der Sucht- und Drogenhilfeeinrichtungen berücksichtigt werden –<br />

kontinuierlich steigende Anforderungen in Verbindung mit kontinuierlich sinkenden Fördermitteln.<br />

Martina Tödte<br />

<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong><br />

März 2009<br />

22


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> ● Kopstadtplatz 24-25 ● 45127 Essen ● Tel.: 0201.240 888 -3/-4 ● Fax: 0201.22 28 72<br />

e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Befragung zum Bedarf<br />

• an geschlechtsbezogener Fort- und Weiterbildung für die Arbeit mit Frauen in der Sucht- und<br />

Drogenhilfe;<br />

• an Vernetzung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen;<br />

sowie<br />

• zu den Praxiserfahrungen zur psychosozialen Versorgung.<br />

Zum Vorgehen:<br />

Rücksenden per Post: Bitte Fragebogen ausdrucken, die zutreffende Aussage ankreuzen und den<br />

ausgefüllten Fragebogen ohne Absenderangaben zurück schicken an:<br />

<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong>, Kopstadtplatz 24-25, 45127 Essen<br />

Rücksenden per e-mail: Bitte den Fragebogen abspeichern, ein x in die zutreffende Aussage<br />

eingeben, den ausgefüllten Fragebogen speichern und an unsere e-mail Adresse mailen:<br />

(belladonnaessen@aol.com).<br />

Wir versichern, dass wir alle Absenderinnenangaben sofort löschen werden.<br />

Wir bitten um Rücksendung bis zum: 30. Januar 2009.<br />

Bitte pro Einrichtung/Institution nur einen Fragebogen ausfüllen!<br />

DANKE!<br />

Ich bin Mitarbeiterin<br />

<br />

<br />

<br />

einer ambulanten Einrichtung der Sucht-/Drogenhilfe (Beratungsstelle)<br />

einer teilstationären Einrichtung der Sucht-/Drogenhilfe<br />

einer Einrichtung der stationären medizinischen Rehabilitation (Sucht und Drogen)<br />

1. Bedarf an Fort-/Weiterbildung und Vernetzung<br />

Für die weitere Qualifizierung der geschlechtsbezogenen Arbeit mit Frauen benötigen wir in<br />

unserer Einrichtung/Institution:<br />

Spezifische Fortbildung zu verschiedenen Themenkomplexen<br />

Vernetzung und Austausch mit Kolleginnen anderer Einrichtung in unserer Region,<br />

z.B. über Arbeitskreise zum Thema „Frauen und Sucht“<br />

Ja<br />

<br />

<br />

Nein<br />

<br />

<br />

1


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> ● Kopstadtplatz 24-25 ● 45127 Essen ● Tel.: 0201.240 888 -3/-4 ● Fax: 0201.22 28 72<br />

e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Vernetzung und Austausch mit Kolleginnen anderer Einrichtung in NRW, z.B. Vernetzungstreffen<br />

der Arbeitskreise Frauen und Sucht NRW<br />

<br />

<br />

2. Zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 19 der Fraktion Bündnis 90/Die<br />

Grünen zu geschlechtsspezifischen Aspekten Drogen- und Suchthilfepolitik in NRW (Drucksache<br />

14/6997) 1<br />

Grundsätzliches<br />

Die Berücksichtigung frauen- und männerspezifischer lebensweltlicher Hintergründe<br />

fließen in unserer Einrichtung selbstverständlich in die Diagnostik und<br />

Behandlung von Suchterkrankungen ein<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nicht<br />

bekannt<br />

<br />

Es entspricht dem fachlichen Standard unserer Einrichtung/Institution, geschlechtsspezifische<br />

Einflussfaktoren bei allen Angeboten und Maßnahmen<br />

zu beachten<br />

<br />

Geschlechtsdifferenzierende Aspekte sind im Rahmen des Qualitätsmanagements<br />

unserer Einrichtung definiert und werden selbstverständlich in die<br />

Arbeit einbezogen und überprüft<br />

<br />

Die Strategie des Gender Mainstreaming ist in unserer Einrichtung umfassend<br />

bekannt<br />

<br />

Bei allen Maßnahmen und Angeboten bezogen auf die Personalstruktur<br />

unserer Einrichtung wird die Gender Perspektive einbezogen<br />

<br />

Bei allen Maßnahmen und Angeboten bezogen auf die Angebotsstruktur<br />

unserer Einrichtung wird die Gender Perspektive einbezogen<br />

<br />

Zur Angebotsstruktur<br />

Unsere Einrichtung/Institution hält geschlechtergerechte Angebote für Frauen<br />

vor<br />

Unsere Einrichtung/Institution hält geschlechtergerechte Angebote für<br />

Männer vor<br />

Angebote, die sich gleichermaßen an Frauen und Männer wenden, werden<br />

gendersensibel konzipiert, umgesetzt und ausgewertet<br />

Alle Präventions-, Behandlungs- und Hilfeangebote unserer Einrichtung/<br />

Institution sind selbstverständlich frauen- und männerspezifisch ausgerichtet<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nicht<br />

bekannt<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

1 Die vollständigen Texte finden Sie auf unserer Homepage: www.belladonna-essen.de<br />

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<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> ● Kopstadtplatz 24-25 ● 45127 Essen ● Tel.: 0201.240 888 -3/-4 ● Fax: 0201.22 28 72<br />

e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Bei der psychosozialen Betreuung von Frauen und Männern in unserer Einrichtung<br />

werden frauen- und männerspezifische Aspekte in unter fachlichen<br />

Gesichtspunkten ausreichendem Maße berücksichtigt<br />

Alle Präventions-, Behandlungs- und Hilfeangebote unserer Einrichtung/<br />

Institution werden von Frauen und Männern gleichermaßen angenommen<br />

Spezifische ambulante Angebote für drogenabhängige schwangere Frauen<br />

und Frauen mit Kindern sind selbstverständliche Bestandteile des Regelangebotes<br />

unserer Einrichtung/Institution<br />

Für Kinder aus suchtbelasteten Familien hält unsere Einrichtung/Institution<br />

durchgängig geschlechtersensible, altersgerechte Angebote bereit<br />

Für Frauen und Männer mit Migrationshintergrund und Drogen- und Suchtproblemen<br />

sind in unserer Einrichtung/Institution frauen- und männerbezogene<br />

Angebote Bestandteil des Regelangebotes<br />

<br />

<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nicht<br />

bekannt<br />

<br />

<br />

<br />

Aus meiner fachlichen Sicht besteht in unserer Region eine ausreichende<br />

Versorgung:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nicht<br />

bekannt<br />

für schwangere drogenabhängige Frauen und Frauen mit Kindern <br />

für Kinder aus suchtbelasteten Familien <br />

für Frauen, die der Beschaffungsprostitution nachgehen <br />

für Männer, die der Beschaffungsprostitution nachgehen <br />

mit geschlechterdifferenzierenden Präventionsangeboten für Mädchen<br />

und Jungen<br />

mit niedrigschwelligen Kontaktangeboten (Kontaktläden und –cafés,<br />

Streetwork, Notschlafstellen)<br />

<br />

<br />

Für Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen, die bis Ende 2006 die Erweiterte Grundförderung<br />

für die Arbeit mit Frauen vom Land NRW erhalten haben:<br />

Durch den Wegfall der Landesförderung für die Arbeit mit Frauen hat sich die<br />

Angebotsstruktur bezogen auf spezifische Angebote für Frauen nicht verändert<br />

Durch den Wegfall der Landesförderung für die Arbeit mit Frauen sind Angebote<br />

für Frauen entfallen, da der Träger diese nicht aufrechterhalten konnte<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nicht<br />

bekannt<br />

<br />

<br />

3


<strong>BELLA</strong> <strong>DONNA</strong> ● Kopstadtplatz 24-25 ● 45127 Essen ● Tel.: 0201.240 888 -3/-4 ● Fax: 0201.22 28 72<br />

e-mail: belladonnaessen@aol.com<br />

Wenn ja, hat sich dadurch der Zugang für Frauen verändert? <br />

Wenn ja: sind die Besucherinnenzahlen zurückgegangen? <br />

Die Implementierung von Angeboten für Frauen war zum Zeitpunkt des Wegfalls<br />

der Landesförderung in unserer Einrichtung/Institution bereits weitgehend<br />

vollzogen, so dass es keine Veränderungen in der Angebotsstruktur für<br />

Frauen gegeben hat<br />

<br />

Mussten in Folge der Kürzung der Landesmittel Beratungs-/spezifische Hilfeangebote<br />

für Frauen entfallen? (bitte nur beantworten, wenn entsprechende<br />

Angebote im Rahmen der Erweiterten Grundförderung für Frauen bestanden<br />

haben)<br />

Mussten in Folge der Kürzung der Landesmittel spezifische Hilfeangebote für<br />

Frauen mit Ess-Störungen entfallen? (bitte nur beantworten, wenn entsprechende<br />

Angebote im Rahmen der Erweiterten Grundförderung für Frauen bestanden<br />

haben)<br />

Mussten in Folge der Kürzung der Landesmittel spezifische Hilfeangebote für<br />

schwangere Frauen und Frauen mit Kindern entfallen? (bitte nur beantworten,<br />

wenn entsprechende Angebote im Rahmen der Erweiterten Grundförderung<br />

für Frauen bestanden haben)<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nicht<br />

bekannt<br />

<br />

<br />

<br />

Raum für Anmerkungen, Kommentare etc.<br />

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