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Gemeindebrief - St. Marienberg

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Seite 30<br />

ST. MICHAELIS – JAHR DER TAUFE<br />

Über die Ursprünge der christlichen Taufe<br />

Teil 1 – Prof. Jürgen Wehnert (TU Braunschweig)<br />

– Die Betrachtungen zur Taufe werden im nächsten <strong>Gemeindebrief</strong> fortgesetzt. –<br />

Warum taufen Christen? Besser gefragt: Warum werden Christen getauft?<br />

Woher kommt dieser Ritus?<br />

Taufen kommt von tauchen – ohne Wasser geht es nicht! Die Ursprünge des christlichen<br />

Taufsakraments gehen zurück auf die Waschungen zur Herstellung religiöser Reinheit, die im<br />

antiken Judentum Voraussetzung für die Teilnahme am Jerusalemer Tempelkult war: Nur<br />

Reines durfte sich dem Reinen nähern. Solche Waschungen z.B. nach dem Gebären eines<br />

Kindes, nach der Berührung eines Toten usw. werden im orthodoxen Judentum bis heute geübt.<br />

In den Synagogen der orthodoxen Juden findet sich eine Mikwe, ein Tauchbad, in dem diese<br />

Waschungen vollzogen werden: Das geschieht durch vollständiges Eintauchen des nackten<br />

Körpers, so dass das reine Wasser den Menschen in Gänze und ungehindert umfließen kann.<br />

Wichtig ist die Qualität des Wassers: Es soll reines, „lebendiges“ Wasser sein – „lebendig“<br />

meint fließend; Fluss- oder Meerwasser ist dafür geeignet: stehendes, abgestandenes Wasser,<br />

wie es sich z.B. in Zisternen sammelt, nicht. In den orthodoxen Synagogen Mitteleuropas<br />

wurden deshalb vielerorts so genannte Grundwassermikwaot gebaut, die sich oft tief unter der<br />

Erde in Höhe des lokalen Grundwasserspiegels befinden.<br />

Komplettes Eintauchen, nackt, fließendes Wasser: Diese drei Elemente verbinden die uralten<br />

jüdischen Reinigungsriten mit der Taufe. Die Taufe ist aber nicht einfach eine Fortsetzung<br />

dieser Praxis; schon formal unterscheidet sie sich in zwei wichtigen Punkten davon: Das<br />

Reinigungsbad kann beliebig oft wiederholt werden, die Taufe ist einmalig; das Reinigungsbad<br />

vollzieht jede(r) für sich, die Taufe wird von einem Täufer vollzogen: Der Mensch wird getauft,<br />

eine Selbsttaufe gibt es nicht. Man kann daher sagen: Im Hintergrund der Taufe stehen die<br />

jüdischen Reinigungsbäder – deren Zuspitzung in einem einmaligen, lebensverändernden und<br />

deshalb von fremder Hand vollzogenen Akt: Das ist die Taufe.<br />

Fragt man nach den Ursprüngen der Taufe, fragt man also nach dem, der als erster dieses<br />

einmalige, heilsame Untertauchen von Menschen praktiziert hat. Das war der Priestersohn<br />

Johannes, der am Jordan nördlich des Toten Meeres in Betanien wirkte und dessen bis dahin<br />

unbekannter Ritus ihm den einprägsamen Beinamen „der Täufer“ eintrug. Johannes war kein<br />

Christ, er war Jude – einer, der wie viele seiner Zeitgossen davon überzeugt war, dass das Ende<br />

dieser Welt und das Ende der als lebensbedrohlich empfundenen Gegenwart nahe bevorstand.<br />

Das Ende von Zeit und Raum aber sollte sich nach der prophetischen Tradition Israels durch<br />

Gottes Gericht vollziehen: Wie kann der Mensch, der Gott nichts zu bieten hat, darin bestehen?<br />

In der Antike bildete sich eine Vorstellung davon aus, was wir die menschliche Persönlichkeit<br />

nennen. In altorientalischer Zeit war das Gegenüber Gottes das Volk, der Einzelmensch spielte<br />

darin eine untergeordnete Rolle. Gott und Israel, Israel und Gott ist deshalb das Zentralthema<br />

des AT. Durch das antike Nachdenken über den Menschen begannen sich die Vorstellungen<br />

der Alten zu verändern. Neben das Kollektiv des Volkes trat nun das für sich selbst<br />

verantwortliche Individuum.

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