09.11.2012 Aufrufe

mutprobe - Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GHT

mutprobe - Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GHT

mutprobe - Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GHT

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

PRESSESTIMMEN<br />

Pressestimmen zur deutschsprachigen Erstaufführung<br />

Von da an war nichts mehr normal<br />

„Stones” im <strong>Theater</strong>haus (Frankfurt/Main)<br />

„Gerade war es noch eine Übermütigkeit, eine Mutprobe, mal sehen, was passiert. Dann stirbt ein Mensch, und die Spielerei<br />

schafft grausame Tatsachen. ’Stones’, ein Stück über zwei Jungen, die Steine von einer Autobahnbrücke werfen und dabei einen<br />

Autofahrer töten, basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit. Soviel Authentizität wie möglich versuchte wohl nicht zuletzt deshalb<br />

auch die Inszenierung des <strong>Theater</strong>haus-Ensembles zu erreichen.<br />

Dass das erstmals in deutscher Sprache aufgeführte Zwei-Personen-Stück – [...] – nichts von seiner unmittelbaren Kraft einbüßt,<br />

ist sicher nicht nur der Tatsache zu verdanken, dass die australischen Autoren Tom Lycos und Stefo Nantsou vom ’Zeal Theatre’<br />

auch diesmal wieder Regie führten. Von verblüffender Überzeugungskraft sind Günther Henne und Michael Meyer als 14 und<br />

15 Jahre alte Jungen, die von Langeweile in Aggressivität, von Größenwahn in panische Angst taumeln und zuletzt als zitternde,<br />

verängstigte Nervenbündel im Gerichtssaal des Totschlags bezichtigt werden. Bis dahin präsentieren sie eindringlich en Gewissenskonflikt<br />

zweier naiv-rücksichtsloser ’Täter’, die – trotz eines Freispruchs – von massiven Selbstvorwürfen erdrückt zu werden<br />

drohen, in dem Wissen, dass nun nichts mehr ’normal’ sein würde. Eltern und Lehrer haben sie ohnehin für unverbesserlich<br />

erklärt.<br />

Niemals aber, und das ist die eigentliche Stärke des Stücks, wird der moralische Zeigefinger erhoben. Momente verzweifelten<br />

Innehaltens wechseln mit – von Susanne Freiling gekonnt übertragenen – Dialogen in maulheldischem Teenagerslang, mit dem<br />

die ’Helden’ ein unfreiwillig komisches Selbstbild beschwören. Daneben entpuppen sich Henne und Meyer als talentierte Geräuschimitatoren,<br />

die auf dem einzigen Requisit, einer Leiter, stehend, ’hinunter’ auf die Autos sehen, Vespas und Volvos knattern,<br />

hier ein ’drisch’ und da ein ’drusch’ aus der Comicsprache einfließen lassen.<br />

Zwischen witzig-absurden Einlagen als Ninja-Kämpfer und sich überschlagenden E-Gitarren-Soli rennen die Darsteller immer<br />

wieder vor sich selbst davon – wenn es sein muss, auch quer über die Zuschauertribüne – und verleihen dem einstündigen Stück<br />

eine Atemlosigkeit, die durch eine schnelle Szenenfolge noch verstärkt wird.<br />

Glaubwürdig gelingt auch der schnelle Rollenwechsel von albernden Schülern in selbstgerechte Polizisten, die über Recht und Unrecht<br />

in der Kneipe abstimmen lassen. Deren Fragen sind es schließlich, die den Kern des Stückes umreißen – eines Stückes, das<br />

keine Antworten geben will. ’Was wäre, wenn dein Vater im Auto gesessen hätte?’ will der eine wissen, und der andere antwortet:<br />

’Und was wäre, wenn dein Sohn den Stein geworfen hätte?’”(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.01)<br />

Pressestimmen zur deutschsprachigen Erstaufführung<br />

Kein Freispruch<br />

Wie eine Situation außer Kontrolle gerät: Das Jugendstück ”Stones” im <strong>Theater</strong>haus<br />

„Es ist tatsächlich ein starkes Stück. Stones nimmt nicht nur die beiden jugendlichen Delinquenten, 14 und 15 Jahre alt, ernst,<br />

sondern vor allem die Adressaten des Stücks, das ungefähr gleichaltrige Publikum. Als Zuschauer müssen sie sich dieselben<br />

Fragen stellen wie der Staatsanwalt, der Verteidiger, die Schöffen und der Richter: Was soll mit den beiden geschehen? In welchem<br />

Maß sind sie verantwortlich? Welche Strafe wäre angemessen?<br />

In der Aufführung wird das Geschehen zuerst auf der Perspektive der Jungen rekonstruiert. Man sieht sie herumlungern, halb<br />

erlebnishungrig, halb aggressiv, sie schaukeln sich gegenseitig hoch, ziehen durch die Gegend, steigen in ein Grundstück ein,<br />

werden von der Alarmanlage vertrieben. Frust und Rangeleien folgen, andere Objekte kommen ihnen in die Quere, und zuletzt<br />

stehen sie auf der Brücke: zwei Kraftmeier in Beweisnot, dass sie ganze Kerle sind.<br />

In den folgenden Situationen werden die Reaktionen der beiden Jugendlichen gezeigt: der 14-jährige, der zusammenbricht und<br />

sich der Polizei stellt, der großmäuligere Ältere, der bereits gelernt hat, nichts wirklich an sich heranzulassen. Nach endlosen<br />

Verhören und einem langwierigen Prozess gehen sie straffrei aus, und der eine quittiert das Urteil mit einem feixenden ’geil’, während<br />

der andere begreift, dass er damit nicht von seiner Schuld freigesprochen wurde. Aber auch das spricht die Aufführung nicht<br />

aus; das Gute an ihr ist – neben ihrem Temperament und den schnellen Szenenwechseln -, dass sie weder bewertet noch Partei<br />

ergreift; sie zeigt vielmehr die Mechanismen auf, wie eine Situation außer Kontrolle gerät, wie aus kleinen, pubertären Sadismen<br />

und aus nicht zuletzt medial gespeisten Gewaltphantasien eine Tat herauswächst, die niemand gewollt hat und an der doch mehr<br />

als nur die beiden Jugendlichen beteiligt waren. (Frankfurter Rundschau, Kulturspiegel, 30.11.01)<br />

8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!