Beilage Herz-Kreislauf im Handelsblatt vom 10. Oktober 2013
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14 herz-kreislauf Eine Publikation des Reflex Verlages<br />
artikel Rean<strong>im</strong>ation<br />
Das schl<strong>im</strong>mste ist, gar nichts zu tun<br />
Schon die einfache <strong>Herz</strong>druckmassage erhöht die Überlebenschance nach einem <strong>Herz</strong>stillstand. Doch viele trauen sich nicht.<br />
Von Katharina Lehmann<br />
Im vergangenen Jahr starben 3.606<br />
Menschen auf deutschen Straßen.<br />
Das Deutsche Rote Kreuz (drk) schätzt,<br />
dass zehn Prozent von ihnen noch leben<br />
könnten, wenn jemand beherzt Erste<br />
Hilfe geleistet hätte. Auch bei einem<br />
plötzlichen <strong>Herz</strong>stillstand packt nur<br />
etwa jeder sechste Deutsche sofort an.<br />
Dabei sind in über 60 Prozent der<br />
Fälle, in denen Menschen <strong>Herz</strong>-<strong>Kreislauf</strong>-Attacken<br />
erleiden, andere zugegen<br />
– Männer und Frauen, die helfen<br />
könnten. Denn bereits drei bis fünf<br />
Minuten nach dem <strong>Herz</strong>stillstand<br />
treten unwiderrufliche Schäden am<br />
Gehirn ein. Doch bis der Notarzt eintrifft,<br />
sind diese Minuten verstrichen.<br />
Mit der <strong>Herz</strong>-Lungen-Wiederbelebung,<br />
die <strong>Herz</strong>druckmassage und Mund-zu-<br />
Mund-Beatmung kombiniert, können<br />
diese Minuten überbrückt werden, um<br />
Leben zu retten.<br />
Prüfen, rufen, drücken<br />
Bricht eine Person leblos zusammen,<br />
lautet die wichtigste Regel: Prüfen,<br />
rufen, drücken. Als erstes muss<br />
gastbeitrag<br />
<strong>Herz</strong> & Diabetes<br />
Richtig behandeln<br />
Ein <strong>Herz</strong>infarkt wird oft schneller<br />
diagnostiziert als ein Diabetes<br />
mellitus. Weil die Zuckerkrankheit<br />
meist lange Zeit symptomarm verläuft<br />
und das Bewusstsein fehlt, dass Diabetes<br />
auch Gefäßerkrankung ist. Die Arteriosklerose,<br />
also die Verengung der<br />
Blutgefäße, schreitet beschleunigt voran.<br />
Rechtzeitig entdeckt ließe sich<br />
der Prozess aufhalten oder zumindest<br />
hinauszögern.<br />
Diabetes gehört neben Bluthochdruck<br />
und Übergewicht zu den Übeltätern,<br />
die den Boden für Infarkt und<br />
Schlaganfall bereiten. Unbehandelt<br />
steigt das Risiko für solche lebensbedrohlichen<br />
Ereignisse.<br />
Therapie mit Blick aufs Ganze<br />
Wird ergänzend zur Koronarkrankheit<br />
eine Störung <strong>im</strong> Glukosestoffwechsel<br />
festgestellt, muss sie behandelt<br />
werden. Diese Empfehlung haben die<br />
europäischen Fachgesellschaften der<br />
Kardiologen und Diabetologen jüngst<br />
erneut bekräftigt. Hierzulande fördern<br />
die Strukturen eine isolierte Betrachtung<br />
von Erkrankungen, obwohl sich<br />
Krankheitsbilder wechselseitig bedingen.<br />
Das heute medizintechnisch<br />
Machbare muss nicht das Beste für<br />
Mit dem Verhältnis 30 mal <strong>Herz</strong>druckmassage zu 2 mal Atemspende kann jeder einem anderen Menschen <strong>im</strong> Erstfall das Leben retten. Dabei zählt jede Minute.<br />
geklärt werden, ob der Bewusstlose<br />
noch Reaktionen zeigt oder atmet. Anschließend<br />
schnell fachkundige Hilfe<br />
herbeirufen, per Notrufnummer 112.<br />
Und dann umgehend mit der <strong>Herz</strong>-Lungen-Wiederbelebung<br />
beginnen. Das bedeutet:<br />
30-mal <strong>Herz</strong>druckmassage <strong>im</strong><br />
Wechsel mit zwe<strong>im</strong>aliger Atemspende<br />
bis der Rettungsdienst eintrifft. Hier<br />
Kooperation von <strong>Herz</strong>- und Diabetesexperten notwendig.<br />
Viele <strong>Herz</strong>kranke haben Zucker ohne es zu wissen.<br />
jeden sein. Entscheidend ist der Blick<br />
auf das Ganze, also das individuelle<br />
Krankheitsprofil und Gefährdungspotential<br />
be<strong>im</strong> Patienten. So profitiert der<br />
Eine von der Bypass-Operation, ein anderer<br />
von der Stent-Implantation, und<br />
bei manchen reicht die medikamentöse<br />
Therapie. Damit sich die Prognose bessert,<br />
sollten Patienten die Kooperation<br />
zwischen <strong>Herz</strong>- und Diabetesspezialisten<br />
stärker einfordern.<br />
•<br />
Autor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Diethelm Tschöpe<br />
Vorsitz Stiftung „Der herzkranke Diabetiker“<br />
gilt: Mit einer <strong>Herz</strong>druckmassage kann<br />
man niemandem ernsthaft schaden<br />
– ohne schon.<br />
Wer sich die Mund-zu-Mund-Beatmung<br />
nicht zutraut, sollte jedoch nicht<br />
tatenlos daneben stehen. Wichtiger ist<br />
ohnehin die <strong>Herz</strong>druckmassage. Denn<br />
zu Beginn ist in der Regel noch genügend<br />
Sauerstoff <strong>im</strong> Blut und in den<br />
Lungen vorhanden – außer bei Ertrunkenen.<br />
Durch die künstliche Pumpbewegung<br />
wird der <strong>Herz</strong>schlag ersetzt.<br />
Das hält den <strong>Kreislauf</strong> in Schwung und<br />
das Gehirn wird weiter mit Sauerstoff<br />
versorgt.<br />
Dazu müssen Helfer den Brustkorb<br />
frei machen, einen Handballen auf die<br />
Brustmitte legen und den Ballen der<br />
anderen Hand darüber packen. Dann<br />
das Brustbein fünf bis sechs Zent<strong>im</strong>eter<br />
nach unten drücken. Als Faustregel<br />
gilt dabei: 100 bis 120 Druckmassagen<br />
pro Minute – bis der Notarzt eintrifft.<br />
„Das schl<strong>im</strong>mste ist, gar nichts zu<br />
tun“, meint drk-Bundesarzt Peter Sefrin.<br />
Anhalten, die Unfallstelle absichern<br />
und einen Notruf absetzen – das<br />
könne jeder. Denn die Laien-Rean<strong>im</strong>ation<br />
erhöht die Überlebenschancen<br />
nach einem <strong>Herz</strong>infarkt von zehn auf<br />
18 Prozent.<br />
Viele haben Angst<br />
Peter Sefrin kennt die Hürden bei<br />
der Ersthilfe: Angst, Ekel, Überforderung.<br />
Vor allem ist es die Angst, mehr<br />
zu schaden als zu helfen. Aber auch<br />
vor Krankheiten oder juristischen Konsequenzen.<br />
Doch diese Sorgen kann<br />
Sefrin schnell ausräumen: „Wenn ein<br />
Mensch dem Tode nahe ist, dann ist<br />
eine gebrochene Rippe durch eine kräftige<br />
Wiederbelebung ein zu vernachlässigendes<br />
Risiko.“ Denn davon erholen<br />
sich die Opfer wieder. Und juristische<br />
Konsequenzen brauche niemand fürchten,<br />
der <strong>im</strong> Rahmen seiner Möglichkeiten<br />
geholfen hat.<br />
Auch wenn die Infektionsgefahr bei<br />
der Ersten Hilfe gering ist, bleibt Selbstschutz<br />
auch für Peter Sefrin wichtig.<br />
„Zum Schutz vor ansteckenden Krankheiten<br />
finden sich in jedem Erste-Hilfe-Koffer<br />
Einmal-Handschuhe.“ Wer<br />
ganz sicher gehen will, kann zudem<br />
eine Einweg-Notfallbeatmungshilfe<br />
dazu legen.<br />
Ersthelfer-Apps<br />
Auch kennt Peter Sefrin die Nervosität,<br />
die den Ersthelfer überfällt. Doch<br />
bitte nicht unterdrücken, mahnt der<br />
Arzt, denn „diese Aufregung hilft uns,<br />
aktiv zu werden und zu helfen.“ Um<br />
die Ersthelfer bei der Koordination der<br />
Rettungsmaßnahmen zu unterstützen,<br />
richten <strong>im</strong>mer mehr Einsatzleitstellen<br />
die Telefonrean<strong>im</strong>ations-Stellen ein.<br />
Geschultes Personal erklärt am Telefon<br />
noch einmal die wichtigsten Schritte,<br />
gibt Anweisungen und mahnt zur Ruhe.<br />
Auch gibt es Ersthelfer-Apps für<br />
Smartphones. Sie erklären in übersichtlichen<br />
Grafiken die Schritte der<br />
Rean<strong>im</strong>ation. Diese Apps helfen, Menschen<br />
zu sensibilisieren und auf den<br />
extremen Notfall vorzubereiten, meint<br />
Peter Sefrin. Die praktische Übung ersetzen<br />
sie allerdings nicht. Deshalb rät<br />
der Fachmann zum Auffrischungskurs<br />
– mindestens alle fünf Jahre.<br />
Denn heute beherrsche nur noch<br />
jeder Fünfte in Deutschland die<br />
<strong>Herz</strong>-Lungen-Massage, schätzt der Experte.<br />
Der Grund: Bei vielen Deutschen<br />
liegt der Erste-Hilfe-Kurs Jahre, teilweise<br />
Jahrzehnte zurück. Die Meisten<br />
absolvieren ihn vor dem Führerschein.<br />
Doch <strong>im</strong> Notfall sind dann später die<br />
Kenntnisse zu <strong>Herz</strong>druckmassage, stabiler<br />
Seitenlage oder zum Stillen von<br />
Blutungen verblasst.<br />
Erste-Hilfe-Kurse bieten neben dem<br />
drk auch verschiedene Hilfsdienste an.<br />
Dabei muss nicht <strong>im</strong>mer ein komplettes<br />
Wochenende reserviert werden. In<br />
vielen Städten gibt es über das reguläre<br />
Kursprogramm hinaus auch 90-minütige<br />
Auffrischungskurse. Spezielle Kurse<br />
gibt es für Eltern kleiner Kinder oder<br />
für Familien, deren Angehörige zu einer<br />
Risikogruppe zählen.<br />
•