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M&A oder der Niedergang der deutschen Sprache im ...

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M&A <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> <strong>im</strong> Transaktionsprozess ∗<br />

Matthias Bruse<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

ich freue mich, ein paar Worte an Sie richten zu dürfen. In dem Postgraduierten-Studiengang,<br />

bei dem ich mitwirken darf, geht es um M&A, Mergers and Acquisitions.<br />

Die Spieler, die <strong>im</strong> M&A-Bereich mitwirken – ob Banker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> Anwälte – lieben Anglizismen. Und Sie kennen vielfach gar keine <strong>deutschen</strong> Worte für das,<br />

was sie tun und englisch ausdrücken. Ob sie wollen <strong>o<strong>der</strong></strong> nicht, tragen sie damit zum<br />

fortschreitenden Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> bei. Täter, Helfer und Anstifter sind auch <strong>im</strong><br />

Kreise <strong>der</strong> Juristen zu finden.<br />

Meistens startet eine Transaktion mit einem NDA <strong>o<strong>der</strong></strong> einem CA, dem Non-Disclosure<br />

Agreement <strong>o<strong>der</strong></strong> Confidentiality Agreement. Egal wie es genannt wird, gilt die<br />

Vertraulichkeitsvereinbarung als Spitzenreiter <strong>der</strong>jenigen Vertragstypen mit <strong>der</strong> höchsten<br />

Verletzungsdichte. Meistens fehlt schon das Unrechtsbewusstsein. Die M&A-Spieler können<br />

nicht <strong>im</strong>mer den Mund halten. Es wird geplau<strong>der</strong>t <strong>o<strong>der</strong></strong> ostentativ die Projektakte <strong>im</strong> Flugzeug<br />

gelesen, so daß auch in <strong>der</strong> Business Class <strong>der</strong> Lufthansa <strong>der</strong> Sitznachbar die Akte mitlesen kann,<br />

um nicht zu sagen, muss. Die Kausalität zwischen Vertraulichkeitsverletzung und Schaden kann<br />

bekanntlich selten nachgewiesen werden und Vertragsstrafen werden nur ausnahmsweise von<br />

den Beteiligten akzeptiert. NDA und CA, manchmal auch liebevoll „Confi“ genannt, sind also<br />

recht zahnlose Tiger.<br />

Wenn die Beteiligten dann miteinan<strong>der</strong> flirten, wird oft ein LoI <strong>o<strong>der</strong></strong> MoU abgeschlossen,<br />

Letter of Intent <strong>o<strong>der</strong></strong> Memorandum of Un<strong>der</strong>standing. Erstaunlich ist, dass das LoI germanisiert<br />

wurde, also „LoI“, <strong>der</strong>weil kein Mensch „MoU“ deutsch ausspricht. Das liegt wahrscheinlich an<br />

<strong>der</strong> schwierigen Aussprache. Dogmatisch ist ein LoI natürlich problematisch, denn Briefe<br />

schreiben kann ja je<strong>der</strong>. Bekanntlich will man aber irgendeine Form von vertraglicher Einigung<br />

erzielen. Umgekehrt soll möglichst fast alles unverbindlich sein, weil man auch gar nicht weiß, ob<br />

es nach „Flirt“, „Verlobung“, etc. tatsächlich zur „Eheschließung“ kommt. Deshalb sieht das LoI<br />

in <strong>der</strong> Regel eine Verbindlichkeit nur für die Regelungen zur Vertraulichkeit, Exklusivität und<br />

Kostentragung vor. Um Vertragsqualität zu bekommen, muss <strong>der</strong> Brief jedenfalls von <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite gegengezeichnet werden.<br />

Das MoU kann genau den gleichen Inhalt haben wie ein LoI, ähnelt aber aufgrund <strong>der</strong><br />

formellen Vorgabe manchmal eher einem Protokoll, das von beiden Seiten unterschrieben wird.<br />

Die Funktion ist weitgehend identisch mit <strong>der</strong> des LoI: Man möchte den vorläufigen<br />

Einigungsstand soweit es geht dokumentieren. Der deutsche Gattungsbegriff für LoI/MoU ist<br />

Vorfeldvereinbarung. Seinerseits ein nicht gerade geglücktes Wort in dem noch überwiegend<br />

vergeblichen Bemühen <strong>der</strong> Germanisierung <strong>der</strong> Begriffe.<br />

Werden Unternehmen <strong>im</strong> Rahmen von Auktionsprozessen veräußert, schreibt die Bank an die<br />

Interessenten sog. Process Letter. Mit <strong>der</strong> Einreichung einer Klage <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>der</strong>gleichen hat das<br />

natürlich nichts zu tun. Es geht vielmehr darum, dass die Bank <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>der</strong> Corporate Finance-<br />

Berater die Spielregeln des Auktions- bzw. Verkaufsprozesses verbindlich regelt. Solche Regeln<br />

werden oft mit wenig Respekt vor liebgewonnenen, zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen wie<br />

culpa in contrahendo vereinbart. Denn die Bank möchte sicherstellen, dass sie mit den Bietern nach<br />

∗ Dinner Speach zum Lehrbeauftragten-Essen am 17. April 2007 <strong>im</strong> Zwei-Löwen-Klub.


ihrem Belieben verfahren darf. Jeglicher gute Glauben und jegliches Vertrauen des Bieters in die<br />

weiteren Abläufe sollen von vornherein zerstört werden. Deshalb gehört in jeden „guten“<br />

Process Letter <strong>der</strong> Ausschluss etwaiger Ansprüche <strong>im</strong> Zusammenhang mit culpa in contrahendo und<br />

etwaigen an<strong>der</strong>en Anspruchsgrundlagen.<br />

Dann geht es meistens in die Due Diligence. Ein fürchterlicher Zungenbrecher für den<br />

<strong>deutschen</strong> Muttersprachler. Unmittelbar übersetzt bedeutet Due Diligence nichts an<strong>der</strong>es als<br />

„angemessene Sorgfalt“. Man sollte eigentlich meinen, dass man die stets walten lassen muss. Der<br />

deutschsprachige Begriff Sorgfaltsprüfung hat sich jedenfalls bis jetzt nicht wirklich durchgesetzt.<br />

Vielmehr gibt es weitere Verballhornungen des Wortes Due Diligence, z.B. als Verb: ich mache<br />

Due Diligence – ich mache angemessene Sorgfalt () –, ich due diligence. Also hier nähert man<br />

sich schon dem sprachlichen GAU.<br />

Das Work Product <strong>der</strong> Due Diligence ist dann <strong>der</strong> Due Diligence Report. Ausnahmsweise<br />

auch Due Diligence Bericht, eine kongeniale Mixtur <strong>der</strong> englischen und <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong>. Will<br />

<strong>der</strong> Kaufinteressent aber nur eine überschlägige Prüfung vornehmen, dann bestellt er keinen Due<br />

Diligence Report son<strong>der</strong>n einen sog. Red Flag Report. Hier soll <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsprüfer/Steuerberater/Rechtsanwalt, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Due Diligence beauftragt ist, eine<br />

rote Flagge hissen, wenn beson<strong>der</strong>e Probleme erkennbar sind. Kleinkram interessiert den<br />

Mandanten dann weniger.<br />

Nach Ablauf <strong>der</strong> Due Diligence <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>der</strong> ersten Phase <strong>der</strong> Due Diligence wird <strong>der</strong><br />

Kaufinteressent gebeten, ein Indicative Offer abzugeben, in dem er insbeson<strong>der</strong>e sein<br />

unverbindliches Kaufpreisangebot benennt.<br />

Nach etwaiger weiterer Confirmatory Due Diligence kommt es dann zum Binding Offer,<br />

in dem <strong>der</strong> Kaufinteressent seine Kaufpreisvorstellung konkretisiert und einen Mark-Up zum<br />

SPA liefert. Dieses Binding Offer ist in <strong>der</strong> Regel alles an<strong>der</strong>e als rechtsverbindlich. In vielen<br />

Fällen mangelt es schon an <strong>der</strong> vorgeschriebenen Form, z.B. <strong>der</strong> des § 15 GmbHG. Es wird<br />

i.d.R. auch nicht an den Verkäufer, son<strong>der</strong>n nur an dessen Bank gerichtet.<br />

Der Mark-up zum SPA, also die Än<strong>der</strong>ungsvorschläge des Käufers zu dem von dem<br />

Verkäufer vorgelegten Kaufvertragsentwurf, ist dann eher die Spielwiese für die Juristen.<br />

Wenn <strong>der</strong> richtige Kaufinteressent identifiziert und nach langen Verhandlungen eine Einigung<br />

erzielt ist, kommt es zum Signing des SPA, also <strong>der</strong> rechtsverbindlichen Unterschrift unter<br />

einem Kaufvertrag und alle weiteren <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>der</strong> Transaktion erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Verträge.<br />

Wenn es zu keinem MAC kommt, einem Material Adverse Change, also wenn sich nicht die<br />

Welt <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>der</strong> Kaufgegenstand nachhaltig und nachteilig nach dem Signing verän<strong>der</strong>n und<br />

zusätzlich alle Conditions Precendent (CPs) erfüllt sind (vielfach Kartellfreigabe), kommt es<br />

zum Closing, dem Vollzug <strong>der</strong> Transaktion. Man sitzt <strong>im</strong> verschlossenen Raum und wird erst<br />

wie<strong>der</strong> in die Freiheit entlassen, wenn alle rechtsgeschäftlichen Vollzugshandlungen erledigt sind<br />

und <strong>der</strong> Kaufpreis bezahlt ist. Wenn man Glück hat, gibt es nach dem Closing zur Belohnung <strong>der</strong><br />

Beteiligten ein Closing Dinner.<br />

Sie merken, <strong>im</strong> M&A-Leben ist <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> weit fortgeschritten.<br />

Es bedürfte wohl eines Kraftaktes, insbeson<strong>der</strong>e eines substantiellen Bewusstseinswandels aller<br />

Beteiligten, hieran etwas zu än<strong>der</strong>n. Das scheint mir eher weniger wahrscheinlich, weil es ja recht<br />

chic sein kann, mit Anglizismen um sich zu werfen. Dann bliebe analog zu manchen<br />

französischen Bemühungen nur noch <strong>der</strong> Ruf nach dem Gesetzgeber. Bei <strong>der</strong> m<strong>o<strong>der</strong></strong>nen<br />

Gesetzgebungstechnik und -qualität hätte ich jedoch Zweifel, ob dies wirklich Fortschritt<br />

bedeutet und deshalb ernsthaft gewollt sein kann.

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