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Die güldne Sonne - EG 449 1. Die güldne Sonne, voll ... - Oberstenfeld

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<strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong> - <strong>EG</strong> <strong>449</strong><br />

(<strong>Oberstenfeld</strong>, 1<strong>1.</strong> November 2012)<br />

<strong>1.</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>, <strong>voll</strong> Freud und Wonne,<br />

bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen<br />

ein herzerquickendes, liebliches Licht.<br />

Mein Haupt und Glieder, die lagen darnieder.<br />

Aber nun steh ich, bin munter und fröhlich,<br />

schaue den Himmel mit meinem Gesicht.<br />

2. Mein Auge schauet, was Gott gebauet<br />

zu seinen Ehren und uns zu lehren,<br />

wie sein Vermögen sei mächtig und groß –<br />

und wo die Frommen dann sollen hinkommen,<br />

wann sie mit Frieden von hinnen geschieden<br />

aus dieser Erden vergänglichem Schoß.<br />

3. Lasset uns singen, dem Schöpfer bringen<br />

Güter uns Gaben; was wir nur haben,<br />

alles sei Gotte zum Opfer gesetzt!<br />

<strong>Die</strong> besten Güter sind unsre Gemüter;<br />

dankbare Lieder sind Weihrauch und Widder,<br />

an welchen er sich am meisten ergötzt.<br />

4. Abend und Morgen sind seine Sorgen;<br />

segnen und mehren, Unglück verwehren<br />

sind seine Werke und Taten allein.<br />

Wenn wir uns legen, so ist er zugegen;<br />

wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen<br />

Über uns seiner Barmherzigkeit Schein.<br />

Liebe Gemeinde,<br />

Im November von der 'güldenen <strong>Sonne</strong>' zu singen, das erscheint<br />

vielleicht irgendwie unpassend. Der Himmel ist meist<br />

wolkenverhangen. Für viele ist der November die schwerste Zeit im<br />

Jahr, Zeit er Trauer und der Schwermut. Und doch kann gerade<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12


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dieses Lied uns helfen, die Spannung zwischen heller Freude und<br />

trüber Stimmung leichter auszuhalten.<br />

Paul Gerhard bringt uns mit seinem Lied dazu, an einem herrlichen<br />

Sommertag auch an Tod und Ewigkeit zu denken, und umgekehrt im<br />

November die <strong>Sonne</strong> des Lebens nicht ganz aus dem Blick zu<br />

verlieren.<br />

Zunächst einmal ist es ein Morgenlied. Es singt von der <strong>Sonne</strong>, die<br />

mit ihren wohltuenden Strahlen die Natur zum Leben erweckt. Und<br />

es singt dankbar davon, dass einer am Morgen wieder aufstehen und<br />

mit eigenen Augen den Himmel über sich betrachten kann.<br />

<strong>Die</strong> Melodie geht nach unten, wenn es heißt: Mein Haupt und<br />

Glieder, die lagen darnieder. Und bei Aber nun steh ich, bin munter<br />

und fröhlich, da steigen auch die Töne mit auf. Wie viele, gerade im<br />

Alter, sind dankbar, dass sie morgens das Bett verlassen und<br />

aufstehen können.<br />

Und jetzt kommt etwas, das den Charakter dieses Liedes ausmacht.<br />

Ich sage, es ist ein Lied für 'Durch-Blicker'. Es hilft uns zum<br />

Durchblicken. Paul Gerhard nennt Dinge aus der Natur oder aus dem<br />

Tagesablauf, hinter denen wir mehr erahnen als wir sehen können.<br />

Der Himmel z.B. wird zu einem Gleichnis, zu einem Hinweis auf<br />

das, was wir ebenfalls Himmel nennen, auf Gottes unsichtbare Welt.<br />

Wir singen gleich noch einmal die 2. Strophe. Achten Sie darauf, wie<br />

es zuerst um den Himmel über uns geht, den wir sehen können, und<br />

wie auf einmal von dem Himmel die Rede ist, den wir nicht sehen,<br />

auf den wir aber hoffen dürfen.<br />

2. Mein Auge schauet, was Gott gebauet<br />

zu seinen Ehren und uns zu lehren,<br />

wie sein Vermögen sei mächtig und groß –<br />

und wo die Frommen dann sollen hinkommen,<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12


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wann sie mit Frieden von hinnen geschieden<br />

aus dieser Erden vergänglichem Schoß.<br />

Hier ist von zwei verschiedenen Himmeln die Rede. Und wenn wir<br />

am Ende der ersten Strophe singen: schaue den Himmel mit meinem<br />

Gesicht, dann sind beide gemeint. Wenn wir den einen sehen, sollen<br />

wir an den anderen denken.<br />

Und genauso wird uns die <strong>Sonne</strong> am Himmel zu einem Gleichnis für<br />

das Licht der Ewigkeit. Mit der <strong>Sonne</strong> beginnt die <strong>1.</strong> Strophe und<br />

endet die letzte. So wie sie jeden Morgen von neuem für uns aufgeht,<br />

so wird sie uns auch in Gottes Reich leuchten. Wir sehen die <strong>Sonne</strong><br />

und werden erinnert an das Licht der Ewigkeit.<br />

Sogar der ganze Tag wird zu einem Gleichnis für unser Leben. Wie<br />

der Tag einen Anfang hat, einen Höhepunkt und einen Abend, so hat<br />

auch unser Leben einen Morgen und einen Abend. Und wenn P.G.<br />

singt: Abend und Morgen sind seine Sorgen, dann ist das<br />

doppeldeutig. Dann meint das den Abend eines Tages, und den<br />

Abend unseres Lebens. Und dann meint er den Morgen eines Tages,<br />

und den neuen Morgen danach.<br />

Wenn wir uns legen, so ist er zugegen; ob das nun abends ist, oder ob<br />

wir uns zum letzten mal legen...; er ist da. Wenn wir aufstehen,<br />

morgens, oder nach dem Tod zum neuen Leben, so lässt er aufgehen<br />

über uns seiner Barmherzigkeit Schein.<br />

Das ist, was ich an diesem Lied so sehr schätze. P.G. lehrt uns, hinter<br />

den alltäglichen Dingen Gottes Wirklichkeit zu entdecken. Er lädt<br />

uns ein, Gottes Welt und Werk anzusehen und Gott darüber zu loben.<br />

Lasset uns singen.<br />

Und zugleich denken wir an das, was dahinter steht. Durch den<br />

Himmel durch-blicken; durch den Tag hindurch sehen;<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12


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In der 2. Strophe heißt es: Mein Auge schauet. Und die letzte endet:<br />

dahin sind meine Gedanken gericht. Mit den Augen sehen wir<br />

natürlich nur das eine. Aber was wir sehen, soll uns helfen, an die<br />

Wirklichkeit zu denken, die hinter allem steht. Wie gesagt, das ist der<br />

besondere Charakter dieses Morgenliedes.<br />

5. Ich hab erhoben zu dir hoch droben<br />

all meine Sinnen; lass mein Beginnen<br />

ohn allen Anstoß und glücklich ergehn.<br />

Laster und Schande, des Satanas Bande,<br />

Fallen und Tücke, die treibe zurücke;<br />

lass mich auf deinen Geboten bestehn.<br />

6. Lass mich mit Freuden, ohn alles Neiden<br />

sehen den Segen, den du wirst legen<br />

in meines Bruders und Nähesten Haus.<br />

Geiziges Brennen, unchristliches Rennen<br />

Nach Gut mit Sünde, das tilge geschwinde<br />

Von meinem Herzen und wirf es hinaus.<br />

Jetzt geht es weiter, wie man es von einem Morgenlied erwartet: Wir<br />

bitten um Glück und Gelingen, um Bewahrung und Segen. Aber<br />

nicht nur für mich, sondern auch für meinen Nachbarn. Und deshalb<br />

darf mich der Segen, den Gott einem anderen gibt, nicht neidisch<br />

machen. Es ist Gottes Segen.<br />

Ich habe mich immer gefragt, warum Martin Luther in seinem<br />

Katechismus das letzte Gebot geteilt hat: „Du sollst nicht begehren<br />

deines Nächsten Haus.“ Und: „Du sollst nicht begehren deines<br />

Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh, noch alles was dein Nächster<br />

hat.“ Warum ausgerechnet daraus zwei Gebote machen<br />

Aber je mehr ich Menschen kennen lerne, und Geschwister, die<br />

ums Erbe streiten, und mich selber dazu, desto mehr verstehe ich,<br />

dass im Neid auch heute eine der großen Versuchungen liegt: Lass<br />

mich mit Freuden, ohn alles Neiden sehen den Segen, den du wirst<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12


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legen in meines Bruders und Nähesten Haus.<br />

Es kommt auf den Blickwinkel an. Kann ich das, was mein Nächster<br />

– und auch mein Bruder - hat, als Segen Gottes sehen und folglich<br />

ihm gönnen Es könnte meinen Tag leichter machen. Vielleicht<br />

gelingt es sogar zu sehen, was andere nicht haben, und wo ich ihnen<br />

von meinem Segen abgeben könnte<br />

7. Menschliches Wesen, was ist‘s gewesen<br />

In einer Stunde geht es zugrunde,<br />

sobald das Lüftlein des Todes drein bläst.<br />

Alles in allen muss brechen und fallen,<br />

Himmel und Erden, die müssen das werden,<br />

was sie vor ihrer Erschaffung gewest.<br />

8. Alles vergehet, Gott aber stehet<br />

ohn alles Wanken. Seine Gedanken,<br />

sein Wort und Wille hat ewigen Grund.<br />

Sein Heil und Gnaden, die nehmen nicht Schaden,<br />

heilen im Herzen die tödlichen Schmerzen,<br />

halten uns zeitlich und ewig gesund.<br />

Was nun kommt, ist ein schweres und doch alltägliches Thema in<br />

Paul Gerhardts Leben. Paul Gerhardt wurde ja 1607 geboren und hat<br />

den Dreißigjährigen Krieg in all seiner Grausamkeit miterlebt. Mit<br />

12 verlor er die Mutter, mit 14 den Vater. 1637 wurde sein Heimatort<br />

von den Schweden vernichtet; damit hat er auch seine<br />

Lebensgrundlage verloren, den elterlichen Hof und die<br />

Gastwirtschaft. Bald darauf starb sein Bruder an der Pest.<br />

Wer mit Krieg und Krankheit, Pest und Tod, Feuer und Hunger<br />

großgeworden ist, der weiß, wie gefährdet ein Leben sein kann. In<br />

einer Stunde geht es zugrunde.<br />

1655 hatte Paul Gerhardt geheiratet; die erste Tochter starb mit 8<br />

Monaten. Bevor 1668 seine Frau starb mussten sie insgesamt vier<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12


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von ihren fünf Kindern zu Grabe tragen. Wiege und Sarg standen<br />

nahe beieinander.<br />

Aber auch hier heißt es Durch-Blicken! Das Auge sieht: Alles<br />

vergehet. Dahinter sollen wir ahnen: Gott aber stehet ohn alles<br />

Wanken. Und weil seine Gnade nicht vergänglich ist, kann sie uns<br />

Hoffnung geben mitten in den Schmerzen, die der Tod uns bereitet.<br />

Wo der Tod ständig gegenwärtig ist, da leben die Menschen viel<br />

mehr von der Hoffnung.<br />

9. Gott, meine Krone, vergib und schone,<br />

lass meine Schulden in Gnad und Hulden<br />

aus deinen Augen sein abgewandt.<br />

Sonsten regiere mich, lenke und führe,<br />

wie dir’s gefället; ich habe gestellet<br />

alles in deine Beliebung und Hand.<br />

10. Willst du mir geben, womit mein Leben<br />

ich kann ernähren, so lass mich hören<br />

allzeit im Herzen dies heilige Wort:<br />

‚Gott ist das Größte, das Schönste und Beste,<br />

Gott ist das Süßte und Allergewisste,<br />

aus allen Schätzen der edelste Hort.<br />

1<strong>1.</strong> Willst du mich kränken, mit Galle tränken,<br />

und soll von Plagen ich auch was tragen,<br />

wohlan, so mach es, wie dir es beliebt.<br />

Was gut und tüchtig, was schädlich und nichtig<br />

meinem Gebeine, das weißt du alleine,<br />

hast niemals keinen zu sehr noch betrübt.<br />

Auch das ein schweres Thema in P.G.s Leben: die äußerliche<br />

Unsicherheit. Was wird aus ihm Kann ich Gott vertrauen, dass er<br />

mich recht führt<br />

15 Jahre hat es gedauert, bis er sein Theologiestudium endlich<br />

abgeschlossen hatte. Zwischendurch hat er immer wieder als<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12


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Hauslehrer gearbeitet. Ihm ist bange vor der Last der Verantwortung<br />

im Pfarramt.<br />

Seine erste Pfarrstelle in Mittenwalde trat er mit 44 Jahren an; ein<br />

Bauernstädtchen mit 700 Einwohnern. Mit 50 wurde er 3. Pfarrer an<br />

der St. Nikolai-Kirche in Berlin; aus dieser Zeit stammen seine<br />

schönsten und wichtigsten Lieder. In dieser Zeit hatte er aber auch<br />

seine schwersten Tage zu durchstehen.<br />

Unser Lied ist 1666 veröffentlicht worden, vielleicht ist es schon<br />

kurz vorher entstanden.<br />

Als überzeugter Lutheraner geriet er in den Streit der lutherischen<br />

Pfarrer mit Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten. Der<br />

reformierte Landesvater wollte den Zusammenhalt in seinem Reich<br />

stärken und darum die Konfessionsstreitigkeiten zwischen<br />

Calvinisten und Lutheranern beenden. Deshalb forderte er<br />

gegenseitige Toleranz. - Allerdings begegnete er solchen, die sein<br />

Toleranzedikt nicht unterzeichneten, mit äußerster Intoleranz.<br />

Weil Paul Gerhardt seine Unterschrift verweigerte, wurde er seines<br />

Amtes enthoben. Wichtige Leute haben sich für ihn eingesetzt; Paul<br />

Gerhardt hätte als einziger die Unterschrift nicht leisten müssen; aber<br />

er wollte auch nicht mündlich einwilligen. Ein tragischer Konflikt in<br />

diesen beiden Jahren 1666/1667. Als hätte er es für sich selber<br />

gedichtet: Sonsten regiere mich, lenke und führe, wie dir's<br />

gefället...(9) Was gut und tüchtig, was schädlich und nichtig, ...das<br />

weißt du alleine (11).<br />

Im Jahr drauf, 1668, starb dann seine Frau. Paul Gerhardt nahm noch<br />

einmal eine Pfarrstelle an, in Lübben, in der Niederlausitz, weit weg<br />

von Berlin. Den Höhepunkt seines Wirkens hatte er längst<br />

überschritten.<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12


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Zwei große Themen finden sich in seinen Liedern. Das Lob und der<br />

Trost. Kein anderer hat mit so feinem Blick und so eindrücklichen<br />

Worten Gottes Lob besungen. Und keiner hat mit seinen Liedern so<br />

getröstet und aufgerichtet wie er. Immer bezeugt er: Das Leiden, das<br />

einer erlebt, steht nicht im Widerspruch zu Gottes Liebe. Sondern im<br />

Leiden haben wir Teil an Jesu Leiden. …mit Galle tränken, so wie<br />

bei Jesus am Kreuz. Und weil wir im Leiden mit Jesus verbunden<br />

sind, darum haben wir mit ihm auch Teil an der Hoffnung auf das<br />

neue Leben.<br />

In unserem Morgenlied finden wir beides miteinander: Lob und<br />

Trost. Und so hilft es uns, beides zusammenzubringen: das Gute und<br />

das Schwere, den hellen Sommertag und den trüben Novembertag.<br />

Amen.<br />

12. Kreuz und Elende, das nimmt ein Ende.<br />

Nach Meeresbrausen und Windes Sausen<br />

leuchtet der <strong>Sonne</strong>n gewünschtes Gesicht.<br />

hreude die Fülle und selige Stille<br />

Hab ich zu warten im himmlischen Garten;<br />

Dahin sind meine Gedanken gericht‘.<br />

<strong>EG</strong> <strong>449</strong> <strong>Die</strong> <strong>güldne</strong> <strong>Sonne</strong>; 12/11/12

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