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FoTo: SZAG<br />

„Kontinuität heißt nicht Stillstand“<br />

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Heinz Jörg Fuhrmann, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG<br />

Der neue Vorstandsvorsitzende: Prof. Dr.-Ing. Heinz Jörg Fuhrmann<br />

Seit dem 1. Februar 2011 ist Prof.<br />

Dr.-ing. Heinz Jörg Fuhrmann<br />

Vorstandschef der Salzgitter ag.<br />

bisher verantwortete der<br />

54-Jährige das Finanzressort sowie<br />

den Unternehmensbereich<br />

technologie und war stellvertretender Vorstandsvorsitzender.<br />

Prof. Fuhrmann arbeitet<br />

seit 1995 im Konzern und ist von 1996<br />

an Vorstandsmitglied. StiL sprach mit<br />

dem eisenhütteningenieur, der berufsbegleitend<br />

ein wirtschafts wissenschaftliches<br />

Studium absolvierte.<br />

STIL <strong>Was</strong> waren die Meilensteine der<br />

gemeinsamen Vorstandsarbeit bisher?<br />

Prof. Dr.-Ing. HeInz Jörg fuHrmann<br />

Der Vorstand hat in Gemeinsamkeit sehr<br />

konsequent und erfolgreich das Ziel verfolgt,<br />

die unternehmerische eigenständigkeit<br />

zu erhalten. Dafür waren die externen<br />

Wachstumsschritte unabdingbar. Ich<br />

nenne hier zwei Meilensteine: Akquisition<br />

der Mannesmannröhren-Werke im Jahr<br />

2000 und den erwerb einer Mehrheitsbeteiligung<br />

an den Klöckner-Werken 2007.<br />

Parallel zu diesen Wachstumsschritten<br />

erfolgte eine Neuausrichtung und Neuorganisation<br />

des Konzerns. Die Gliederung<br />

des Konzerns in fünf unternehmensbereiche<br />

mit operativ eigenständigen<br />

Tochtergesellschaften unter Führung der<br />

Management-Holding ist eine organisationsform,<br />

die <strong>auch</strong> heute noch den<br />

Kunden- und Markterfordernissen entspricht.<br />

Nicht zuletzt ist der sachorientierte<br />

und kollegiale umgangsstil, der<br />

sich <strong>auch</strong> im harmonischen Wechsel im<br />

Amt des Vorstandsvorsitzenden von<br />

Professor Leese hin zu meiner Person<br />

ausgedrückt hat, zu nennen.<br />

STIL Eigenständigkeit durch Profitabilität<br />

und Wachstum: Ändert sich etwas an dieser<br />

strategischen Grundsatzaussage?<br />

fuHrmann Nein. Diese drei Werte<br />

müssen ein harmonisches Ganzes bilden.<br />

unternehmensstrategie und -politik wer-<br />

den fortgeführt. Kontinuität heißt aber<br />

nicht Stillstand. Wachstumsschritte wird<br />

es nur dann geben, wenn diese nachhaltige<br />

Profitabilität versprechen.<br />

Als mittelgroßes unternehmen müssen<br />

wir schneller und wirtschaftlich erfolgreicher<br />

agieren als große Wettbewerber. es<br />

gibt keinen Anlass, sich zurückzulehnen.<br />

STIL Wie finden wir nach der Wirtschaftskrise<br />

zur alten Stärke zurück?<br />

fuHrmann Diese Frage impliziert, dass<br />

wir etwas von der alten Stärke eingebüßt<br />

haben – aber das ist ja offensichtlich. Wir<br />

können weder mit der ergebnisperformance<br />

noch mit der Aktienkursentwicklung<br />

des Jahres 2010 so richtig zufrieden<br />

sein. Immerhin, der Trend der Salzgitter-<br />

Aktie zeigte in den ersten Wochen des<br />

Jahres 2011 nach oben; man traut uns<br />

wieder etwas zu. Das freut mich – es ist<br />

<strong>auch</strong> eine Verpflichtung!<br />

Die ursachen dieser entwicklung der<br />

letzten wenigen Jahre sind vielgestaltig.<br />

unser Konzernportfolio war bis zum Jahr<br />

2008 – dem Beginn der Wirtschaftskrise –<br />

ausgesprochen passend zum Marktumfeld;<br />

wir hatten vollen Wind in den Segeln. Keine<br />

der wesentlichen Tochtergesellschaften<br />

schrieb rote Zahlen; <strong>auch</strong> keines der unternehmen,<br />

die wir für äußerst geringe<br />

Kaufpreise erworben hatten.<br />

Bei Ausklingen der Krise ab ende 2009 und<br />

in 2010 ist allerdings zweierlei deutlich geworden.<br />

erstens haben sich Teilmärkte bis<br />

heute noch nicht aus der Krise verabschiedet.<br />

Dies ist beispielsweise die Bauindustrie<br />

inklusive des Stahlbaus, besonders in wichtigen<br />

europäischen Märkten wie Großbritannien<br />

und Spa nien. Dort gibt es erhebliche<br />

Nachfrageschwächen.<br />

es ist aber <strong>auch</strong> zu Tage getreten, dass<br />

wir nicht nur durch die Krise in Mitleidenschaft<br />

gezogen worden sind, sondern<br />

dass wir in einigen Bereichen eigene<br />

strukturelle Probleme haben. Dies betrifft<br />

den Profilstahl, die Präzisrohre<br />

mit Schwerpunkt in Frankreich und die<br />

KHS. Mittlerweile sind in allen Gesellschaften<br />

Programme angelaufen, die<br />

Strukturen an einen nicht dauerhaft boomenden<br />

Markt anzupassen.<br />

STIL Sind damit die Hausaufgaben schon<br />

erledigt?<br />

fuHrmann Nein. erstens sind diese<br />

auf Nachhaltigkeit angelegten Programme<br />

noch nicht vollständig umgesetzt.<br />

Zweitens gibt es noch eine weitere Komponente,<br />

die in der menschlichen Mentalität<br />

begründet ist.<br />

Im Jahr 1998 sind wir als underdog in<br />

eine unabhängigkeit gestartet, die uns so<br />

richtig nur wenige zugetraut haben. Als<br />

wir bewiesen hatten, dass wir es nicht nur<br />

schaffen, sondern sogar hoch profitabel<br />

waren, neigten viele externe Beobachter<br />

ab Mitte der 2000er-Jahre zur überschätzung<br />

und spendierten überschäumend<br />

Lob. es liegt in der menschlichen Natur,<br />

dass dies Auswirkungen auf das Selbstbild<br />

einiger Akteure im Konzern hatte.<br />

Mit der Zäsur der Krise waren wir in<br />

der externen Betrachtung auf einmal der<br />

„gefallene engel“. Konzernintern ist es<br />

manchem schwergefallen, sich wieder auf<br />

eine Normalsituation einzustellen. Die<br />

Aufgabe ist es jetzt zu erkennen, dass wir<br />

ein gut aufgestellter Konzern mit fürwahr<br />

besten Voraussetzungen sind. es ist aber<br />

nicht so, dass sich das Geschäft von selbst<br />

erledigt. Zudem leiden wir mental in Teilen<br />

des Konzerns an einem übersteigerten<br />

Partikularismus. Deshalb muss in unserer<br />

dezentralen organisation die Verantwortung<br />

für das Ganze vermehrt wahrgenommen<br />

werden.<br />

Wir werden die „preußischen Sekundärtugenden“<br />

für uns wiederentdecken. Das<br />

bedeutet Vorrang für Disziplin und Professionalität.<br />

es besteht für mich übrigens<br />

nicht der geringste Zweifel, dass uns das<br />

„mentale umsteuern“ gelingt. Wir haben<br />

das schon einmal geschafft, und wir werden<br />

es wieder schaffen.<br />

STIL Der Salzgitter Konzern wickelt zurzeit<br />

das umfangreiche Investitionsprogramm<br />

„Salzgitter Stahl 2012“ ab. Welche Ziele<br />

werden damit verfolgt?<br />

fuHrmann Wir sichern mit dem Programm<br />

die Zukunft der niedersächsischen<br />

Stahlstandorte inklusive Ilsenburg<br />

ab, das kurz hinter der Landesgrenze in<br />

Sachsen-Anhalt liegt. Anlagentechnisch<br />

befinden wir uns nun auf einem Top-<br />

Level. Wir sehen die Investitionen von<br />

1,7 Milliarden euro als ein Bekenntnis<br />

zum Land Niedersachsen.<br />

STIL Wird es weitere Investitionen in diesem<br />

Umfang im Unternehmensbereich<br />

Stahl in den kommenden Jahren geben?<br />

fuHrmann Die Aufgabe lautet ab jetzt:<br />

„Die ernte einfahren.“ Wir werden die<br />

Prozesse weiter optimieren und die entwicklung<br />

hin zu hochwertigen und margenstarken<br />

Güten fortsetzen.<br />

Als wichtige Herausforderung und große<br />

chance sehe ich es an, die Zusammenarbeit<br />

innerhalb sowie zwischen den unternehmensbereichen<br />

Stahl und Röhren –<br />

zum Beispiel bei der Vormaterialversorgung<br />

– zu verbessern und zu intensi-<br />

vieren. Darauf zielt ein Großteil der<br />

Investitionen ab.<br />

STIL Auch die Stahlindustrie ist im Zuge<br />

der Wirtschaftskrise durch schwere Zeiten<br />

gegangen. Jetzt nähern sich die Produkti-<br />

onsmengen wieder dem Vorkrisen-Niveau.<br />

Wie robust ist der Aufschwung?<br />

fuHrmann Der Aufschwung findet<br />

weltweit und <strong>auch</strong> in Deutschland statt.<br />

er ist deshalb fragil, weil die uS-amerikanische<br />

Wirtschaft und die einiger europäischer<br />

Staaten anhaltend schwächeln.<br />

Zu viele eu-Staaten und deren öffentli -<br />

che Haushalte sind zum Teil hochgradig<br />

verschuldet, was die Stabilität der Konjunktur<br />

bedroht. es ist offen, wie sich die<br />

politische Lage im Nahen und Mittleren<br />

osten entwickelt und welche Auswirkungen<br />

dies haben könnte. Wir haben also<br />

einige unbekannte und kritische Faktoren<br />

zu berücksichtigen.<br />

STIL Welche Regionen sind die Treiber der<br />

Entwicklung?<br />

fuHrmann es sind die BRIc-Staaten –<br />

Brasilien, Russland, Indien und china.<br />

Die deutsche Volkswirtschaft hat sich<br />

erfreulicherweise als stabil erwiesen, war<br />

vor der Krise aber kein eigentlicher<br />

Wachstumstreiber und ist es <strong>auch</strong> jetzt<br />

nicht.<br />

STIL Die Rohstoffe Erz und Kohle haben<br />

sich sehr verteuert, und die Lieferkontrakte<br />

haben sich verändert. Wie haben wir als<br />

Konzern darauf reagiert, und welche Auswirkungen<br />

hat dies auf unsere Kundenbeziehungen?<br />

fuHrmann es hat sich ein drastischer<br />

Wandel in den Kunden-Lieferanten-<br />

Beziehungen vollzogen – dies gilt so-<br />

wohl auf der einkaufs- als <strong>auch</strong> auf der<br />

Verkaufsseite. In der aktiven und intelligenten<br />

Gestaltung dieser Beziehungen<br />

entscheidet sich zukünftig der unternehmerische<br />

erfolg.<br />

Die Vertragslaufzeiten sind erheblich kürzer,<br />

und das bei bislang nicht vorstellbarer<br />

Preisvolatilität! Ich begreife dies allerdings<br />

nicht nur als Risiko, sondern <strong>auch</strong> als<br />

chance. So haben wir für 2010 die Aufgabenstellungen<br />

auf der Beschaffungsseite<br />

exzellent gelöst.<br />

und unsere Kunden haben verstanden,<br />

dass wir Rohstoffpreissteigerungen nicht<br />

allein auffangen können.<br />

STIL Welche Rolle spielt die Diversifikation<br />

bei der Absicherung des Konzerns?<br />

fuHrmann Stahl ist ein zyklisches Geschäft<br />

und wird es bleiben. Vor einigen<br />

Jahren vorherrschende Auffassungen, der<br />

Stahlmarkt erlebe bis 2020 eine Art ewigen<br />

Frühling, sind als Illusionen untergegangen.<br />

Die breitere Aufstellung des Konzerns<br />

ermöglicht eine Risikobalance und verleiht<br />

uns Stabilität. Weitere Wachstumsschritte<br />

wird es – wie gesagt – nur geben,<br />

wenn diese profitabel sind. Ich denke,<br />

wir werden diesen Weg fortsetzen.<br />

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