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Gesamtes Dossier als PDF-Datei - D-A-S-H: Für Vernetzung ...

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15. Betrachtung der europäischen Sichtweise des Nahostkonflikts in<br />

Israel<br />

In zwei Interviews mit israelischen Schriftstellern, die bei Spiegel online veröffentlicht wurden, wird die<br />

Wahrnehmung des Nahostkonfliktes aus europäischer Sicht kritisiert und für ein einfühlendes Verständnis<br />

sowohl den Israelis <strong>als</strong> auch den Palästinenser gegenüber geworben.<br />

Amos Oz und Etgar Keret stellen sich gegen eine einseitige Positionierung der Europäer und begründen, warum<br />

es im Konflikt nicht das ultimative Opfer gibt, bzw. warum Opfer zu sein nicht heißt, das Recht auf seiner Seite<br />

zu haben.<br />

Interviewauszug mit Amos Oz<br />

Wie kommen Sie in einer Zeit palästinensischer Selbsttötungsattentate und israelischer Besatzungspolitik dazu,<br />

einen Friedensroman vorzulegen<br />

Dieser Roman ist weit entfernt vom Israelbild des ZDF oder von CNN. Die ausländischen Medien kreieren ein<br />

fiktives Image, weil sie einen marginalen Aspekt des israelischen Lebens ins Zentrum stellen. Wenn ich Israel<br />

durch die Brille deutscher Medien kennen lerne, muss ich den Eindruck gewinnen, dass 70 Prozent der<br />

Bevölkerung Soldaten sind, 29 Prozent verrückte, fanatische Siedler in der Westbank und ein Prozent<br />

wunderbare Intellektuelle, die sich für den Frieden einsetzen. 70 Prozent der israelischen Juden leben jedoch<br />

ein ganz normales Leben an der Küste: Sie wollen befördert werden, sie machen sich Sorgen wegen ihres<br />

überzogenen Kontos, sie denken darüber nach, ein neues Auto zu kaufen, und manchmal begehren sie die Frau<br />

ihres Nachbarn.<br />

(…)<br />

Welchen Weg sehen Sie, einen Frieden zu erreichen<br />

Ohne internationale Hilfe wird es nicht gehen. Leider sehe ich die weder in den USA, noch in Europa. Besonders<br />

irritieren mich die Meinungsbildner in Europa, die sich simplifizierend auf die Seite der Palästinenser schlagen.<br />

Gewöhnlich sind europäische Analysten sehr differenziert denkende Menschen. Doch im Nahostkonflikt malen<br />

sie schwarz-weiß. Da gibt es die Guten, die man liebt, und die Bösen, die man hasst. Beide Seiten brauchen<br />

jedoch Empathie und Verständnis.<br />

Wie kommen Sie zu dem Eindruck, dass die Europäer einseitig zugunsten der Palästinenser Partei ergreifen<br />

Oft höre ich von Deutschen, angesichts der Leiden sei es doch ganz normal, dass sich die Palästinenser wehren.<br />

Andererseits hätten die Juden in ihrer Geschichte bereits so viel Schreckliches erfahren, dass es man sich<br />

wundern müsse, wie sie nun so gewalttätig sein könnten. Das heißt: Solange die Palästinenser leiden, hat man<br />

Verständnis für ihre Gewaltakte, wenn sich aber Juden wehren, hat man keines. Außerdem heißt Opfer zu sein<br />

nicht unbedingt, das Recht auf seiner Seite zu haben. Es liegt ein sonderbarer Schatten auf den europäischisraelischen<br />

Beziehungen.<br />

Wie erklären Sie sich das von Ihnen behauptete europäische Ressentiment gegenüber Israel Sind die Europäer<br />

Antisemiten<br />

Nein. Es hat mit dem Verhältnis Europas zur Dritten Welt zu tun. Die Europäer sagen oft: Die Dritte Welt ist so<br />

arm, da fordern wir keine ethischen Grundsätze ein. Ich halte dies für eine fast rassistische Haltung. Denn kein<br />

Mensch verdient moralische Zugeständnisse, keiner eine ermäßigte Moral.<br />

Sie meinen, die Europäer fühlen sich gegenüber den Palästinensern in der Schuld, weil ihnen die Dritte Welt ein<br />

schlechtes Gewissen macht<br />

Das Mitfühlen mit den armen und unterdrückten Staaten geht zudem einher mit Antiamerikanismus. Und wenn<br />

Amerika der Teufel ist, dann ist Israel Rosemaries Baby. Das schlechte Gewissen gegenüber der Dritten Welt<br />

paart sich auf sonderbare Weise mit einer verqueren Mythologie. Grob gesagt: Saddam ist ein guter Freund von<br />

Gaddafi, Gaddafi ist ein Liebling von Fidel, Fidel war der Bruder von Che, Che war Jesus, Jesus Liebe, und daher<br />

müssen wir Saddam lieben.<br />

ungekürzte Version des Interviews: <br />

Interviewauszug mit Etgar Keret<br />

Sie haben einmal für eine Zeitung das Unmögliche versucht: den Nahost-Konflikt in 600 Worten zu erklären. In<br />

diesem Artikel kamen Ihre Mutter, eine Nachbarin und ein palästinensischer Freund zu Wort. Die wollten Ihnen<br />

alle erklären, wieso Sie ihr jeweiliges Leid niem<strong>als</strong> verstehen könnten …<br />

Genau das ist das Kernproblem des ganzen Konflikts hier. Sowohl Israelis <strong>als</strong> auch Palästinenser glauben, sie<br />

hätten ein Monopol auf das Leiden, ihre Probleme seien schlimmer <strong>als</strong> die der anderen Seite und niemand<br />

werde je das Ausmaß ihrer Schmerzen verstehen. Jeder hält sich für das ultimative Opfer. Und das Schlimme<br />

ist: Jeder denkt, dass dieses Leid ihm das Recht gibt, alles zu tun.<br />

D-A-S-H <strong>Dossier</strong> #7 - Analysen und Statements zum Nahostkonflikt aus deutscher Sicht 24

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