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Sucht- und Gewaltprävention ... - Schule & Gesundheit - Hessen

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Hessisches Kultusministerium<br />

<strong>Schule</strong>&Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>Sucht</strong>- <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong>,<br />

Konfliktmanagement<br />

Netzwerkzeitung 2005


Editorial<br />

„Prävention von <strong>Sucht</strong> <strong>und</strong> Gewalt, Umgang<br />

mit Konflikten“ – Leitgedanken der diesjährigen<br />

Ausgabe Netzwerkzeitung <strong>Schule</strong> & Ges<strong>und</strong>heit.<br />

Die Präventionsarbeit mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

an <strong>Schule</strong>n ist fester Bestandteil des Aufgabenbereichs von<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern. Ziel ist es, die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler frühzeitig für Themen wie <strong>Sucht</strong> <strong>und</strong> Gewalt zu sensibilisieren<br />

<strong>und</strong> sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu<br />

stärken. Dennoch werden Schüler <strong>und</strong> Lehrer nach wie vor<br />

mit aggressiven, gewalttätigen Verhaltensweisen <strong>und</strong> mit<br />

<strong>Sucht</strong>verhalten konfrontiert <strong>und</strong> brauchen Unterstützung im<br />

Umgang mit diesen Schwierigkeiten. Einen Beitrag dazu<br />

leistet die diesjährige Netzwerkzeitung mit Beispielen aus<br />

der Praxis, die unterschiedliche Wege hin zu einer suchtmittelfreien<br />

<strong>und</strong> gewaltärmeren <strong>Schule</strong> aufzeigen. Wichtige<br />

Ansatzpunkte sind:<br />

■ zur Selbstständigkeit <strong>und</strong> Selbstverantwortung erziehen,<br />

■ Selbstwertgefühl <strong>und</strong> Selbstvertrauen fördern,<br />

■ zur Konfliktfähigkeit hinführen <strong>und</strong> die Frustrationstoleranz<br />

erhöhen,<br />

■ die Kommunikations-, Kontakt- <strong>und</strong> Beziehungsfähigkeit<br />

entwickeln <strong>und</strong> die emotionale Erlebnisfähigkeit<br />

fördern, gewaltfreie Konfliktlösungswege aufzeigen <strong>und</strong><br />

einüben, Bereitschaft zur eigenen Verhaltensänderung<br />

aufzeigen.<br />

<strong>Schule</strong> soll ein Ort sein, an dem Erwachsene, Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche sucht-, gewalt- <strong>und</strong> angstfrei gemeinsam lernen,<br />

arbeiten <strong>und</strong> leben können. Die Erziehung zu Selbstständig-<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

keit, die Förderung des Selbstvertrauens <strong>und</strong> die Entwicklung<br />

konstruktiver Konfliktlösungen sind wichtige Schritte<br />

auf dem Weg dorthin. Im Sinne einer „ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />

<strong>Schule</strong>“ müssen dabei aber auch die strukturellen <strong>und</strong><br />

organisatorischen Bedingungen von <strong>Schule</strong> berücksichtigt<br />

werden. Wesentliche Aspekte sind:<br />

■ eine Atmosphäre des Vertrauens <strong>und</strong> der Geborgenheit<br />

im Schulalltag schaffen,<br />

■ Orientierungen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>werte in Verbindung mit dem<br />

gelebten Vorbild des Lehrers/der Lehrerin vermitteln,<br />

■ organisatorische Voraussetzungen durch <strong>Schule</strong>ntwicklung<br />

schaffen, um die Ziele einer suchtmittel- <strong>und</strong> gewaltfreien<br />

<strong>Schule</strong> zu erreichen.<br />

Im vorliegenden Heft finden Sie Beispiele für die erfolgreiche<br />

Verwirklichung verschiedener Initiativen, darunter<br />

„Coole Schüler – entspannte Lehrer“, Rauchfrei durch die<br />

<strong>Schule</strong>“, „Denn sie wissen wohl, was sie tun“. Sie sollen<br />

Ihnen die Möglichkeit eröffnen, Ihre eigene Arbeit zu reflektieren,<br />

neue Anregungen <strong>und</strong> Ideen zu sammeln <strong>und</strong> Sie vor<br />

allem dazu ermutigen, sich weiterhin engagiert für Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> Wohlbefinden an unseren <strong>Schule</strong>n einzusetzen.<br />

Karin Wolff<br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

Editorial …………………………………………………………………………………………………………………………………………… 1<br />

Gemeinsam handeln. Mehr erreichen. ……………………………………………………………………………………… 2<br />

Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm ………………………………………………………………………………………………… 6<br />

Coole Schüler – entspannte Lehrer …………………………………………………………………………………………… 9<br />

Denn sie wissen wohl, was sie tun …………………………………………………………………………………………… 11<br />

Fokusprotokoll …………………………………………………………………………………………………………………………… 12<br />

Schulbusbegleiter ……………………………………………………………………………………………………………………… 17<br />

Netzwerk Prävention ………………………………………………………………………………………………………………… 19<br />

Auf dem Weg zur ges<strong>und</strong>heitsfördernden <strong>Schule</strong> ……………………………………………………………… 23<br />

Rauchfrei durch die <strong>Schule</strong> (RaddS) ………………………………………………………………………………………… 25<br />

Tabakprävention – rauchfreie Lebenswelten vor Ort …………………………………………………………… 30<br />

Elternforum–Kassel …………………………………………………………………………………………………………………… 33<br />

Von Dickhäutern, Ärgernissen <strong>und</strong> Hautpflege …………………………………………………………………… 35<br />

Mobbing in der Schulklasse ……………………………………………………………………………………………………… 38<br />

„star“ – stay together, act responsible …………………………………………………………………………………… 41<br />

QiGong in der <strong>Schule</strong> ………………………………………………………………………………………………………………… 43<br />

Regional-biologische Schulverpflegung – Neue Ansätze …………………………………………………… 47<br />

Trendgetränke – was ist dran, was ist drin? …………………………………………………………………………… 50<br />

Wissen wo das Essen her kommt! …………………………………………………………………………………………… 51<br />

Deutsche Krebsgesellschaft e.V. ……………………………………………………………………………………………… 52<br />

IMPRESSUM<br />

■ Herausgeber<br />

<strong>Schule</strong> & Ges<strong>und</strong>heit<br />

Hessisches Kultusministerium<br />

Luisenplatz 10<br />

65185 Wiesbaden<br />

■ Verantwortlich<br />

B. Zelazny<br />

■ Druckerei<br />

Zeidler GmbH&Co KG, Mainz-Kastel<br />

■ Redaktionsteam<br />

M. Melcher, R. Weißgraeber, B. Zelazny<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben nicht unbedingt die Meinung des<br />

Herausgebers wieder.<br />

■ Design, Layout <strong>und</strong> Grafik<br />

R. Weißgraeber<br />

robert@weissgraeber.info<br />

■ Titelgestaltung<br />

Muhr, Design & Werbung, Wiesbaden<br />

www.muhrdw.de<br />

■ Erscheinungsweise: 1x jährlich


Gemeinsam handeln. Mehr<br />

erreichen.<br />

„Prävention im Team“ an hessischen <strong>Schule</strong>n<br />

■ Vorbemerkung<br />

Nicht erst seit dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002<br />

oder den Misshandlungen an einer Hildesheimer Berufsschule<br />

im Jahr 2004 steht das Thema Gewalt an <strong>Schule</strong>n im<br />

Blickpunkt der Öffentlichkeit. Immer dann, wenn ein Übergriff<br />

besonders spektakulär ausfällt <strong>und</strong> Beteiligte nachhaltig<br />

geschädigt werden oder sogar ihr Leben verlieren, wird Gewalt<br />

an <strong>Schule</strong>n oder auch Jugendgewalt in den Medien ein<br />

Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Was folgt, ist Betroffenheit,<br />

reger Austausch in Expertenr<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ein mitunter<br />

hektischer Aktionismus, der möglichst medienwirksam<br />

inszeniert wird.<br />

Internationale <strong>und</strong> nationale Studien zu Gewalt in der<br />

<strong>Schule</strong> haben ergeben, dass die tatsächliche Situation an<br />

deutschen <strong>Schule</strong>n weniger dramatisch ist als Medienberichte<br />

es uns glauben machen wollen (BKA-Studie 2003, Universität<br />

Bochum 2005). Allerdings ist dies kein Gr<strong>und</strong> zur<br />

Entwarnung oder Bagatellisierung, denn Forschungsergebnisse<br />

zeigen, dass sich die Qualität der Gewalt an <strong>Schule</strong>n<br />

verändert hat. „Es wird häufiger noch nachgetreten, wenn<br />

das Opfer schon am Boden liegt“, bestätigt auch der Kriminologe<br />

Thomas Feltes, der im März diesen Jahres die Ergebnisse<br />

der neuen Studie der Ruhr-Universität Bochum zu<br />

Gewalt an <strong>Schule</strong>n vorstellte (Offenbach Post, 24.3.2005).<br />

Neben körperlichen Übergriffen <strong>und</strong> Drohungen sind vor<br />

allem verbale Aggressionen <strong>und</strong> soziale Ausgrenzung häufig.<br />

Jeder einzelne Vorfall – sowohl physischer als auch psychischer<br />

Art – hinterlässt Spuren bei den Betroffenen <strong>und</strong><br />

nicht wenige Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler tragen lange an dem,<br />

was ihnen widerfahren ist. Wegsehen, formuliert der Kölner<br />

Schulpsychologe Albert Zimmermann, ist „unterlassene Hilfeleistung“<br />

<strong>und</strong> damit strafbar; eine Kultur des Wegschauens<br />

oder auch eine Verrohung der Umgangsformen bedrohen<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

längerfristig nicht nur jeden Einzelnen, sondern unsere gesamte<br />

demokratische Gesellschaft.<br />

Wenn auch <strong>Schule</strong> in besonderer Weise aufgerufen ist,<br />

<strong>Gewaltprävention</strong> durchzuführen, so ist dennoch unsere<br />

Gesellschaft als Ganzes gefragt, wenn es darum geht, gegen<br />

Gewalt vorzugehen. Denn schulische Gewalt ist ein<br />

gesamtgesellschaftliches Problem, in dem sich Probleme<br />

unserer Gesellschaft wie zunehmende soziale Unterschiede,<br />

Medienmissbrauch, Orientierungslosigkeit in der Erziehung<br />

uvm. fokussieren. „<strong>Schule</strong> ist beim Vorgehen gegen Gewalt<br />

nur eins von vielen, aber dennoch wohl wichtigstes Rädchen<br />

im Gesamtprozess“, stellen Prof. Dr. R. Jäger <strong>und</strong> Dr. T.<br />

Jäger vom Zentrum für empirische Forschung „ZEPF“ der<br />

Universität Landau fest. „ Ansätze, die sich nur auf die <strong>Schule</strong><br />

allein beschränken, greifen zu kurz <strong>und</strong> tragen oft nur zur<br />

Verschiebung des Problems bei“.<br />

■ Erfolgversprechende Strategien gegen<br />

Gewalt in der <strong>Schule</strong><br />

Neben anderen nationalen <strong>und</strong> internationalen Studien<br />

zieht auch die von den Professoren Lösel <strong>und</strong> Bliesener für<br />

das B<strong>und</strong>eskriminalamt durchgeführte Studie zu „Aggression<br />

<strong>und</strong> Delinquenz unter Jugendlichen“ das Resümee, dass<br />

Gewalt ein Phänomen mit vielen Faktoren ist. Kommen bei<br />

einem Kind oder Jugendlichen mehrere ungünstige Bedingungen<br />

zusammen, erhöht sich das Risiko, dass in einem<br />

jungen Menschen ein von Aggression <strong>und</strong> Gewalt geprägtes<br />

Verhaltensmuster entsteht. Eine erfolgversprechende Strategie<br />

gegen Gewalt muss daher dieser Vielfalt an Bedingungsfaktoren<br />

<strong>und</strong> Erscheinungsformen von gewalttätigem<br />

Verhalten Rechnung tragen. Oder, wie es die Gewaltkommission<br />

bereits früher festgestellt hatte, „da Gewaltphäno-<br />

3


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

mene komplex sind, sind auch komplexe Strategien zu ihrer<br />

Verhinderung <strong>und</strong> Kontrolle nötig“.<br />

Experten zufolge sollte ein effektiver <strong>Gewaltprävention</strong>sprozess:<br />

■ möglichst frühzeitig ansetzen,<br />

■ multimodal ausgerichtet sein,<br />

■ zugleich ein ganzes Bündel an verschiedenen Maßnahmen<br />

umfassen<br />

■ <strong>und</strong> möglichst mehrere Personengruppen – als Zielgruppe<br />

<strong>und</strong> Akteure – anvisieren.<br />

Wichtig ist außerdem,<br />

■ dass diese Maßnahmen theoriegeleitet sind <strong>und</strong><br />

■ mit einem vertretbaren Aufwand zu realisieren sind.<br />

Das Gelingen schulumfassender Ansätze gegen Gewalt<br />

unter Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern wird umso wahrscheinlicher,<br />

je mehr es gelingt,<br />

■ das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Maßnahmen gegen<br />

Gewalt nicht als Makel, sondern als Prädikat für eine<br />

<strong>Schule</strong> aufzufassen sind.<br />

■ Maßnahmen als Teil eines Organisationsentwicklungsprozesses<br />

zu verstehen <strong>und</strong> somit die ganze <strong>Schule</strong> als<br />

Gemeinschaft mit einzubeziehen.<br />

■ die Langfristigkeit, Systematik, Intensität <strong>und</strong> Konsequenz<br />

des Handelns gegenüber punktuellen, kurzfristigen<br />

Lösungen zu bevorzugen.<br />

■ ein realistisches <strong>und</strong> pragmatisches Herangehen sowohl<br />

bei der Zielbestimmung wie auch bei der Auswahl der<br />

Maßnahmen zu gewährleisten.<br />

■ die jeweiligen Maßnahmen an die speziellen Rahmenbedingungen<br />

der <strong>Schule</strong> anzupassen.<br />

(vgl. Scheithauer, Hayer & Petermann, 2003, S. 188)<br />

Ein Erfolg versprechendes <strong>Gewaltprävention</strong>sprojekt ist<br />

PiT-<strong>Hessen</strong>.<br />

■ Was ist PiT- <strong>Hessen</strong> überhaupt?<br />

Prävention im Team (PiT) ist das erste Modellprojekt<br />

des Netzwerks gegen Gewalt, einer Initiative der hessischen<br />

Landesregierung. PiT ist ein <strong>Gewaltprävention</strong>sprogramm<br />

für die Klassenstufen 5-10, das die Kooperation von <strong>Schule</strong>,<br />

Polizei <strong>und</strong> Jugendhilfe zur Gr<strong>und</strong>lage seines Handelns<br />

macht. Name <strong>und</strong> Gedanke haben Tradition. Bereits 1996<br />

wurde in Schleswig-Holstein das Programm „Prävention<br />

im Team“ entwickelt, 1999 begann Rheinland-Pfalz mit der<br />

landesweiten Umsetzung von PiT.<br />

PiT - <strong>Hessen</strong> wurde von Gr<strong>und</strong> auf modifiziert. So beschränkte<br />

man sich zunächst bewusst auf das Thema <strong>Gewaltprävention</strong><br />

<strong>und</strong> schloss die in anderen B<strong>und</strong>esländern<br />

integrierten Bereiche <strong>Sucht</strong>prävention, Diebstahl usw. aus.<br />

Schwerpunkte von PiT- <strong>Hessen</strong> sind:<br />

■ Teambildung<br />

■ Verhaltenstrainings mit Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />

■ Impulse für Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung<br />

■ Bedeutung der Teams<br />

Das Programm erfordert seinem Anspruch nach, dass<br />

die beteiligten Polizeibeamte, Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

der Jugendhilfe <strong>und</strong> Lehrkräfte über einen längeren<br />

Zeitraum ein Team bilden <strong>und</strong> nicht nur lose <strong>und</strong> punktuell<br />

miteinander kooperieren.<br />

Was heißt das konkret? Polizeibeamte <strong>und</strong> Sozialarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Sozialarbeiter werden nicht nur für bestimmte<br />

Aktionen in die <strong>Schule</strong> geholt, sondern übernehmen zusammen<br />

mit den Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern die Verantwortung<br />

auch für schulische Lernprozesse im Rahmen der <strong>Gewaltprävention</strong>,<br />

zum Beispiel zu Inhalt, Umfang <strong>und</strong> Durchführung<br />

der geplanten Maßnahmen. Eine wesentliche Voraussetzung<br />

ist, dass alle Beteiligten von der Aufgabe <strong>und</strong> der<br />

gemeinsamen Umsetzung überzeugt sind. Alle Beteiligten<br />

sollten über Merkmale wie Aufgeschlossenheit, Empathie,<br />

positive Einstellung zur Teamarbeit, verfügen <strong>und</strong> sich darüber<br />

hinaus als Vorbilder für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

verstehen.<br />

Im Laufe des Prozesses kommt es dann darauf an, die<br />

Teamfähigkeit der Beteiligten zu entwickeln <strong>und</strong> Teamarbeit<br />

immer wieder „einzuüben“, denn die Arbeit im Team ist<br />

nicht selbstverständlich <strong>und</strong> funktioniert nicht automatisch.<br />

4 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Bevor Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter von Polizei,<br />

<strong>Schule</strong> <strong>und</strong> Jugendhilfe zu einem Team werden, brauchen sie<br />

Unterstützung; diese wird durch PiT-<strong>Hessen</strong> gewährleistet.<br />

Die Mitglieder der Teams werden in zwei insgesamt fünftägigen<br />

Schulungen als Trainerin/Trainer fit gemacht, ein regelmäßiges<br />

Coaching-Angebot steht nach der Schulung zur<br />

Verfügung.<br />

■ Wie sieht das Training aus?<br />

PiT- <strong>Hessen</strong> baut auf das bestehende Trainingskonzept<br />

„Cool sein – cool bleiben“ auf. Das Konzept rückt nicht<br />

den Täter, sondern das potentielle Opfer von Gewalttaten in<br />

den Mittelpunkt. Es ermöglicht Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen,<br />

möglichst frühzeitig eine Gewaltsituation als solche zu erkennen<br />

<strong>und</strong> rechtzeitig aus einem Konflikt oder einer Gewaltsituation<br />

auszusteigen. Es geht vor allem auch darum,<br />

junge Menschen dabei zu unterstützen, „die Sprachlosigkeit<br />

in Gewaltsituationen“ zu überwinden. Entwickelt <strong>und</strong> praktisch<br />

erprobt wurde „Cool sein – cool bleiben“ von Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitern des Frankfurter Kinderbüros, dem<br />

Schulpsychologischen Dienst des Staatlichen Schulamtes<br />

Frankfurt <strong>und</strong> den Jugendkoordinatorinnen Jugendkoordinatoren<br />

der Frankfurter Polizei. Das Trainingsprogramm legt<br />

einen deutlichen Schwerpunkt auf Erfahrungslernen (Erfahren,<br />

nicht belehrt werden); die Arbeit mit Rollenspielen stellt<br />

daher ein zentrales Moment im gesamten Training dar. Es<br />

werden Arbeitsanlässe geboten, in denen sich die Erwachsenen<br />

<strong>und</strong> die Jugendlichen auf einer Ebene begegnen, z.B.<br />

beim Arbeiten im Stuhlkreis. Im Methodenteil des unfangreichen<br />

Readers werden viele praktische Übungen, Spiele<br />

<strong>und</strong> Anregungen geboten.<br />

■ PiT als Maßnahme der Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung<br />

PiT soll nachhaltig in den Schulalltag integriert werden.<br />

Das Projekt kann zu einem veränderten Klima in den beteiligten<br />

Organisationen beitragen <strong>und</strong> so in die Bereiche der<br />

Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung hinein wirken. Ziel<br />

ist ein gemeinsamer Entwicklungsprozess, der die drei beteiligten<br />

Institutionen zu einer aktiv ausgestalteten <strong>und</strong> allseitig<br />

akzeptierten Kooperation führt. Darüber hinaus ermuntert<br />

PiT-<strong>Hessen</strong> zu einer offenen Auseinandersetzung über Fra-<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

gen verbaler, physischer, psychischer <strong>und</strong> struktureller Gewalt.<br />

■ Zum Modellprojekt<br />

Im November 2003 haben 50 <strong>Schule</strong>n an einer Informationsveranstaltung<br />

teilgenommen. Dort wurden die Zielsetzung<br />

des Projektes sowie die Bedingungen der Teilnahme<br />

vorgestellt. Es konnten sich <strong>Schule</strong>n mit Sek<strong>und</strong>arstufe I<br />

bewerben, d.h. Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien <strong>und</strong><br />

Gesamtschulen. Bewerbungsbedingungen waren, dass bereits<br />

Kontakte zur Polizei <strong>und</strong> Jugendhilfe vorhanden sind,<br />

ein positiver Gesamtkonferenzbeschluss zur Projektteilnahme<br />

herbeigeführt wird <strong>und</strong> mindestens zwei Lehrer/innen in<br />

das zu bildende Team entsandt werden. 23 <strong>Schule</strong>n bewarben<br />

sich, 16 wurden ausgewählt.<br />

Seit dem Schuljahr 2004/05 wird an diesen 16 <strong>Schule</strong>n<br />

in den Städten Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach <strong>und</strong> im Landkreis<br />

Offenbach die Praxistauglichkeit von PiT-<strong>Hessen</strong> erprobt.<br />

Unter den Modellschulen sind 6 Haupt- <strong>und</strong> Realschulen, 6<br />

Gesamtschulen <strong>und</strong> 4 Gymnasien. Das Modellprojekt wird<br />

2007 enden. Initiiert <strong>und</strong> begleitet wird PiT- <strong>Hessen</strong> durch<br />

die PiT-Lenkungsgruppe, in der die Ministerien Innerens<br />

Kultus <strong>und</strong> Soziales sowie die Polizei <strong>und</strong> die Jugendämter<br />

vertreten sind. Die Federführung des Modellprojekts liegt im<br />

Hessischen Kultusministerium.<br />

Das Modellprojekt wird evaluiert durch die Universität<br />

Marburg; erste Zwischenergebnisse werden im Sommer<br />

2005 zur Verfügung gestellt werden können. Bereits heute<br />

können die Teambildungsprozesse als gelungen bezeichnet<br />

werden.<br />

■ Das hessische Netzwerk gegen Gewalt<br />

„Gemeinsam handeln. Mehr erreichen“ - erfolgreiche<br />

Präventionsarbeit erfordert, dass alle beteiligten Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> Behörden „ins Boot geholt“ werden. Dies war<br />

das Anliegen der Hessischen Landesregierung, die am 17.<br />

Dezember 2002 den Aufbau eines landesweiten Netzwerks<br />

gegen Gewalt beschlossen hat. Ziel ist, die Zusammenarbeit<br />

aller in der <strong>Gewaltprävention</strong> tätigen Behörden <strong>und</strong> Institutionen<br />

zu verstärken <strong>und</strong> die Bildung weiterer kommunaler<br />

Präventionsgremien zu fördern. In jedem Landkreis <strong>und</strong> in<br />

5


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

jeder kreisfreien Stadt haben Staatliche Schulämter, Jugendämter,<br />

Polizeidirektionen <strong>und</strong> Staatsanwaltschaften feste<br />

Ansprechpartnerinnen <strong>und</strong> Ansprechpartner benannt, die<br />

„Netzwerkerinnen“ <strong>und</strong> „Netzwerker“. Durch die enge Zusammenarbeit<br />

ist gewährleistet, dass in Fällen von Gewalthandlungen<br />

junger Menschen frühzeitig <strong>und</strong> abgestimmt<br />

reagiert werden kann. Auf Landesebene ist eine Lenkungsgruppe<br />

der vier beteiligten Ministerien – Innen, Kultus, Soziales<br />

<strong>und</strong> Justiz – eingerichtet worden, die sich dauerhaft<br />

mit Fragen der <strong>Gewaltprävention</strong>, zunächst mit Blick auf<br />

junge Menschen, befasst. Eine gemeinsame Geschäftsstelle<br />

ist seit 2003 im Hessischen Landeskriminalamt angesiedelt.<br />

Als „kleinstes Netzwerk im Netzwerk“ arbeiten hier eine<br />

Vertreterin des Hessischen Kultusministeriums <strong>und</strong> ein Vertreter<br />

des Innenressorts zusammen.<br />

Als weiteres Projekt führt das Netzwerk gegen Gewalt<br />

ein Anti-Schulschwänzer-Programm in der Modellregion<br />

Lahn-Dill-Kreis durch. Auch hier arbeiten <strong>Schule</strong>n, Staatliches<br />

Schulamt, Jugendamt <strong>und</strong> Polizei Hand in Hand. Sie<br />

setzen auf eine Kombination aus pädagogischen Methoden<br />

<strong>und</strong> polizeilichen Maßnahmen, aber auch auf eine verstärkte<br />

Zusammenarbeit zwischen Elternhaus <strong>und</strong> <strong>Schule</strong>. Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche sollen merken, dass sie den Lehrkräften<br />

<strong>und</strong> den anderen Erwachsenen nicht egal sind. An dem Projekt,<br />

das seit März 2004 läuft, sind acht <strong>Schule</strong>n beteiligt.<br />

Angeregt hatten das Anti-Schulschwänzer-Programm der<br />

örtliche Präventionsrat <strong>und</strong> die Stadt Wetzlar.<br />

Gegen die „Unkultur des Wegschauens“ führt das Netzwerk<br />

gegen Gewalt seit Beginn diesen Jahres die Kampagne<br />

„Gewalt-Sehen-Helfen“ gemeinsam mit den Städten<br />

Wiesbaden, Offenbach, Gießen, Hanau, Hofheim <strong>und</strong> Fulda<br />

durch. „Gewalt-Sehen-Helfen“ war 1997 in Frankfurt/Main<br />

konzipiert <strong>und</strong> gestartet worden, ab 2001 begann die Stadt<br />

Kassel die sehr erfolgreiche Kampagne mit dem einprägsamen<br />

Logo umsetzen. „Wenn wir uns gegenseitig beistehen,<br />

wird die Gewalt alleine dastehen“, so der Titel eines Posters<br />

der Kampagne. Das hessische Netzwerk gegen Gewalt will<br />

Menschen ermutigen, sich für andere einzusetzen <strong>und</strong> gemeinsam<br />

Verantwortung für ein gewaltfreies Miteinander zu<br />

übernehmen.<br />

■ Weitere Informationen<br />

■ Literatur<br />

■ Lösel / Bliesener, Aggression <strong>und</strong> Delinquenz unter Jugendlichen.<br />

Untersuchungen von kognitiven <strong>und</strong> sozialen<br />

Bedingungen. Polizei <strong>und</strong> Forschung Bd. 20, Hrsg.<br />

vom BKA, Kriminalistisches Institut, Luchterhand 2003<br />

■ Schwind/Baumann u.a. (Hrsg.): Ursachen, Prävention<br />

<strong>und</strong> Kontrolle von Gewalt. Analysen <strong>und</strong> Vorschläge<br />

der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung<br />

<strong>und</strong> Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission),<br />

Duncker & Humbolt, Berlin 1990).<br />

■ Scheithauer/Hayer/Petermann, Bullying unter Schülern.<br />

Erscheinungsformen, Risikobedingungen <strong>und</strong> Interventinoskonzepte.<br />

Hogrefe-Verlag 2003<br />

■ Jäger, Th. (2002). Definitionen, Häufigkeiten <strong>und</strong> Ursachen<br />

von Gewalt in Deutschland. http://www.vordingbsem.dk/vision/visionDE.nsf/NA_p_violence_in_<br />

school_entire_german!OpenPage (11.6.2003)<br />

■ Jäger/Jäger, Gewalt an <strong>Schule</strong>n. Gr<strong>und</strong>legende Überlegungen,<br />

konkrete Aufgaben <strong>und</strong> machbare Schritte. In:<br />

Schulmagazin 5 – 10, 11/2004, S. 5 – 8<br />

■ Links<br />

■ www.gewalt-in-der-schule.info<br />

■ www.cornelsen.de (Blickpunkt Bildung - Gewalt unterbinden)<br />

■ www.pit-hessen.de<br />

■ www.gewalt-sehen-helfen.de<br />

n Kontakt über die Autorin<br />

Ruth Anderson<br />

Geschäftsstelle Netzwerk gegen Gewalt<br />

Im Hessischen Landeskriminalamt<br />

Hölderlinstr. 5<br />

65187 Wiesbaden<br />

Tel. 0611-83-1660<br />

E-Mail: ruth.anderson@netzwerk-gegen-gewalt.de<br />

Homepage: www.netzwerk-gegen-gewalt.de<br />

6 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm<br />

Konstruktive Konfliktbearbeitung als Beitrag zu<br />

einer ges<strong>und</strong>en <strong>Schule</strong><br />

Zu einer ges<strong>und</strong>en <strong>Schule</strong> gehört auch konstruktive Konfliktbearbeitung.<br />

Dieser Zusammenhang erklärt sich recht<br />

einfach, denn überall dort, wo Menschen destruktiv, mit<br />

verbaler <strong>und</strong> körperlicher Gewalt ihre Konflikte austragen,<br />

wirkt sich dies in der Regel negativ auf die Ges<strong>und</strong>heit der<br />

Beteiligten aus. Dieser Zusammenhang wird vermutlich sofort<br />

einleuchten. Auch lässt sich daraus leicht erklären, dass<br />

destruktiv ausgetragene Konflikte mit hohen Kosten verb<strong>und</strong>en<br />

sind. Die Konsequenzen, die sich daraus ableiten lassen,<br />

müssten eigentlich die sein, alles Erdenkliche zu unternehmen,<br />

um destruktives Konfliktverhalten zu verändern, bzw.<br />

durch Prävention zu vermeiden. Diese Erkenntnis setzt sich<br />

zwar mehr <strong>und</strong> mehr durch, aber es gibt dennoch eine ganze<br />

Menge Hindernisse, die die praktische Umsetzung dieser<br />

Gedanken verhindern.<br />

Positiv lässt sich festhalten, dass seit 1997 in <strong>Hessen</strong><br />

über 200 <strong>Schule</strong>n sich auf den Weg gemacht haben, präventive<br />

Programme im Sinne der Mediation zu etablieren 1 . In<br />

der absoluten Mehrzahl beziehen sich diese Programme auf<br />

die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die durch besseres Zuhören,<br />

nicht-verletzende Ärgermitteilung <strong>und</strong> andere Techniken<br />

der Mediation eine andere Konfliktbearbeitungshaltung erlernen.<br />

Viele Klassen sind durch diese Techniken <strong>und</strong> die<br />

Einübung einer anderen Haltung schon recht weit gekommen<br />

<strong>und</strong> die Atmosphäre dort <strong>und</strong> die Arbeitsmöglichkeiten<br />

im Unterricht haben sich dadurch spürbar verbessert. Allerdings<br />

ist der Grad der Umsetzung sehr unterschiedlich in den<br />

einzelnen <strong>Schule</strong>n. <strong>Schule</strong>n, die ihr Konzept am weitesten<br />

entwickelt haben sind solche, die präventive Programme je-<br />

1 ) Daneben gibt es noch viele andere <strong>Schule</strong>n die zum Teil<br />

selbst entwickelte Programme zum sozialen Lernen erfolgreich<br />

umsetzen – es ist hier nicht der Raum dies ausführlicher<br />

zu diskutieren.<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

des Jahr in allen 5. ,6. , 7. <strong>und</strong> 8. Klassen durchführen <strong>und</strong><br />

zwar sowohl kontinuierlich einmal in der Woche als auch<br />

durch Projekttage. Dem gegenüber gibt es <strong>Schule</strong>n, die diese<br />

Programme nur sporadisch, noch nicht einmal jedes Jahr<br />

durchführen, beispielsweise weil einige geschulte Lehrkräfte<br />

zwischenzeitlich diese <strong>Schule</strong> verlassen haben <strong>und</strong> sich<br />

niemand darum gekümmert hat, dass weitere Lehrkräfte in<br />

der Mediationshaltung qualifiziert werden. Daneben gibt es<br />

viele Zwischenformen: nicht in allen Klassen wird es jährlich<br />

umgesetzt, es ist auf die 5. <strong>und</strong> 6. oder andere Jahrgangsstufen<br />

beschränkt, es wird nur an Projekttagen durchgeführt,<br />

teilweise werden andere Programme (z.B. Lions Quest – ein<br />

gutes Programm zum sozialen Lernen) realisiert. Die Qualität<br />

der Umsetzung ist also sehr unterschiedlich.<br />

Auch wenn unser Projekt „Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm“<br />

immer wieder die Notwendigkeit einer systemischen<br />

Umsetzung betont <strong>und</strong> wir dies zu Beginn der Zusammenarbeit<br />

mit einer <strong>Schule</strong> zur Ausgangsvoraussetzung<br />

machen <strong>und</strong> auch in einem schriftlichen Vertrag festhalten,<br />

so ist dies keine Gewähr dafür, dass dies auch nach 8 Jahren<br />

oder weniger noch so funktioniert wie am Anfang intendiert.<br />

Es gelingt im Prinzip nur dort, wo die Schulleitung sich dieses<br />

Anliegen zu Eigen gemacht hat <strong>und</strong> es genügend viele<br />

Lehrkräfte gibt, die sich über die Jahre immer <strong>und</strong> immer<br />

wieder weiter qualifizieren <strong>und</strong> so die praktische Umsetzung<br />

am Leben erhalten. Auch nehmen solche <strong>Schule</strong>n meist an<br />

den jährlichen Auswertungstreffen teil, um sich wechselseitig<br />

zu bestärken oder sie nehmen gezielt externe Beratung<br />

zur Implementierung des Programms an ihrer <strong>Schule</strong> in Anspruch.<br />

Auch wenn die Qualität der Umsetzung von Mediation<br />

<strong>und</strong> Schulprogramm sehr unterschiedlich ist, so ist ein gewichtiger<br />

Vorzug dieses Programms, dass es die Fortbildun-<br />

7


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

gen <strong>und</strong> begleitenden Beratungen seit Beginn vor 8 Jahren<br />

mit einem hohen Maß an Kontinuität gibt. Von den über<br />

200 beteiligten <strong>Schule</strong>n haben sich im Jahr 2005 knapp 90<br />

<strong>Schule</strong>n mit einem Fortbildungsbedarf beim Projekt gemeldet<br />

– angesichts der vielen Veränderungen im Fortbildungsbereich<br />

ein sehr gutes Resultat. Auch zukünftig ist dieses<br />

Projekt davon abhängig, dass kontinuierlich diese Fortbildungen<br />

angeboten werden, sonst kann es keine nachhaltigen<br />

Veränderungen im Umgang mit Konflikten geben.<br />

Auch zahlt sich die hohe Kontinuität des Mediationsprojekts<br />

<strong>und</strong> der dadurch erlernten Haltung auch an anderer<br />

Stelle aus: In Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach wird derzeit das Modellprojekt<br />

„Prävention im Team – PiT“ (Zusammenarbeit<br />

<strong>Schule</strong>, Polizei <strong>und</strong> Jugendhilfe) durchgeführt. Die Hälfte<br />

der beteiligten <strong>Schule</strong>n sind auch Mediationsschulen in diesen<br />

zeigt sich, dass Schulleitung <strong>und</strong> Lehrkräfte die systemische<br />

Erfahrung des Mediationsprojekts nutzen, auf das PiT-<br />

Projekt übertragen <strong>und</strong> entsprechend weiterentwickeln.<br />

Mediation <strong>und</strong> Schulprogamm wurde durch ein wissenschaftliches<br />

Expertengremium extern im Hinblick auf sein<br />

Konzept evaluiert <strong>und</strong> im Februar 2005 mit der Qualitätsstufe<br />

1 zertifiziert. Die externe Evaluation eines Klassenprogramms<br />

wird derzeit durchgeführt (Qualitätsstufe 2), eine<br />

Wirkungsanalyse (Qualitätsstufe 3) wird angestrebt.<br />

Auch wenn im Hinblick auf einen anderen Umgang mit<br />

Konflikten unter Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler Erfolge zu verzeichnen<br />

sind, so ist doch auffällig, dass die Konfliktkultur<br />

unter den Erwachsenen so gut wie gar nicht thematisiert<br />

wird. Zwar sind die Konflikte unter den Beteiligten in der<br />

Regel hinlänglich bekannt, sie werden aber meist nicht im<br />

„öffentlichen Raum“, d.h. auf Konferenzen oder in eigens<br />

dafür eingerichteten Gremien besprochen. Es liegt ein gewisses<br />

Tabu darüber. Am besten man hat damit nichts zu tun.<br />

In schwierigeren Fällen ist meist die Schulleitung involviert,<br />

steigt die Eskalation weiter, dann kommt auch das Schulamt<br />

ins Spiel. Die Gründe dafür sind natürlich vielfältig, aber<br />

ein wichtiger Gr<strong>und</strong> ist, dass die Lehrkräfte in der Regel<br />

nicht gelernt haben, im Team zu arbeiten, sondern der Einzelkämpfer<br />

vorherrschend ist. Und unter den Bedingungen<br />

der Halbtagsschule versucht man sich in Konfliktfällen eher<br />

aus dem Weg zu gehen, als Konflikte ggf. mit Hilfe von Dritten<br />

zu lösen. Auch wird die Zuhilfenahme eines Dritten eher<br />

als Schwäche denn als Stärke definiert. Erst wenn hier eine<br />

Umdeutung stattgef<strong>und</strong>en hat, wird sich wesentlich etwas<br />

verändern.<br />

Eine b<strong>und</strong>esweite Untersuchung über Schulmediation<br />

kommt zu dem Schluss, dass die aktive Beteiligung der<br />

Lehrkräfte an Mediation eine wesentliche Voraussetzung<br />

für eine erfolgreiche Implementierung von Schulmediation<br />

ist. Das ist die Selbstaussage der beteiligten Lehrkräfte.<br />

Gleichzeitig konstatieren die Lehrkräfte allerdings, dass sie<br />

sich selbst nicht an Mediation beteiligen. Hier wird ein Widerspruch<br />

deutlich. Es klafft eine deutliche Lücke zwischen<br />

Anspruch <strong>und</strong> Wirklichkeit. Erfolgreich kann Mediation im<br />

Sinne der Veränderung von Konfliktkultur nur dann wirken,<br />

wenn dieser Widerspruch aufgehoben wird. Noch gibt<br />

es keine umfassenden Berechnungen, was Konflikte in der<br />

<strong>Schule</strong> kosten, welche ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen destruktiv<br />

ausgetragene Konflikte haben. Würden hier ernsthafte Berechnungen<br />

angestellt, würde die Notwendigkeit der Einrichtung<br />

von Systemen konstruktiver Konfliktbearbeitung<br />

noch deutlicher zu Tage treten.<br />

Was aus den bisherigen Erfahrungen auch deutlich wird<br />

ist, dass die Einrichtung eines Konfliktmanagementsystems,<br />

das ein Element zur Entwicklung einer konstruktiven Konfliktkultur<br />

ist, sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Um hier<br />

wirkliche Veränderungen zu erreichen, braucht es viele Jahre,<br />

denn ein System zu verändern geht nur in kleinen Etappen<br />

<strong>und</strong> immer ein Aspekt nach dem anderen. <strong>Schule</strong>n, die<br />

sich zu viel vorgenommen haben, scheitern meistens bzw. es<br />

ist oft das Handicap, dass <strong>Schule</strong>n an zu vielen Baustellen<br />

gleichzeitig werkeln 2 .<br />

Die Entwicklung hin zu einer ges<strong>und</strong>en <strong>Schule</strong> setzt insofern<br />

einen langen, kontinuierlichen Prozess voraus. Wichtige<br />

Merkmale sind die aktive Beteiligung der Schulleitung,<br />

die Einrichtung einer Projektgruppe <strong>und</strong> die Nutzung von<br />

Instrumenten wie Kontrakte <strong>und</strong> Projektstrukturpläne. Eine<br />

externe Begleitung bei diesen Prozessen ist meist sehr hilfreich.<br />

Das Arbeitsvorhaben „Konfliktbearbeitung <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong>“<br />

im Amt für Lehrerbildung (AfL) bietet<br />

2 ) In unserem Projekt „Mediation <strong>und</strong> Partizipation“ im Rahmen<br />

des BLK-Programms „Demokratie lernen <strong>und</strong> leben“<br />

haben wir deshalb bewusst zur Einstiegsbedingung gemacht,<br />

dass die <strong>Schule</strong> während des 3,5-jährigen Projektlaufzeitraums<br />

an keinem anderen <strong>Schule</strong>ntwicklungsprojekt teilnehmen<br />

darf.<br />

8 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

derzeit für <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> Lehrkräfte Mediationsfortbildungen<br />

(Prävention) <strong>und</strong> Unterstützung bei der Vermittlung in akuten<br />

Konflikten (Intervention) an.<br />

■ Prävention<br />

„Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm“ hat das Ziel, in der<br />

Schulgemeinde auf allen Ebenen eine nachhaltige konstruktive<br />

Konfliktkultur zu schaffen <strong>und</strong> damit einen Beitrag zur<br />

<strong>Gewaltprävention</strong> zu leisten. Kennzeichen des Projekts sind<br />

(Basis-)Trainings für Schulleiter <strong>und</strong> Lehrkräfte, mediative<br />

Klassenprogramme von der Gr<strong>und</strong>schule bis zu den Beruflichen<br />

<strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> die Ausbildung von SchulmediatorInnen<br />

<strong>und</strong> SchülermediatorenInnen.<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

Helmut Rademacher<br />

■ Kontakt<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

■ Kontakte in <strong>Hessen</strong><br />

Nord: Angelika Fabricius: a.fabricius@rws-help.de<br />

Mitte: Christian Wild: c.wild@afl.hessen.de<br />

Süd: Stefan Rech: s.rech@afl.hessen.de<br />

■ Intervention<br />

Unterstützung bei der Vermittlung in akuten Konflikten<br />

(auf der Ebene der Schüler <strong>und</strong> der Erwachsenen)<br />

■ Adressen<br />

Nord: A. Fabricius: a.fabricius@rws-help.de<br />

Mitte: C. Wild: c.wild@afl.hessen.de<br />

Süd: G. Zeidlewitz-Müller: g.zeidlewitz@afl.hessen.de<br />

■ Projektleitung:<br />

Helmolt Rademacher: h.rademacher@afl.hessen.de<br />

Stellvertretung:<br />

Angelika Fabricius: a.fabricius@rws-help.de<br />

9


Coole Schüler – entspannte Lehrer<br />

Märchenhaft <strong>und</strong> spielerisch in der <strong>Schule</strong> Konflikte<br />

lösen.<br />

„Hey du, dich kenne ich doch“, sagt der kräftige Jugendliche<br />

zu dem Jungen an der Bushaltestelle. „Ja <strong>und</strong>?“, erwidert<br />

Serrik <strong>und</strong> verzieht keine Miene. „Entweder bringst du<br />

mir jeden Tag 5 Euro oder ich verkloppe dich immer nach<br />

der <strong>Schule</strong>!“, kommt von dem Großen mit dem fiesen Grinsen.<br />

„Ist mir doch egal“, meint Serrik ganz locker, lächelt<br />

<strong>und</strong> schaut zur anderen Seite. „Ich krieg dich schon noch“,<br />

meint der Andere <strong>und</strong> w<strong>und</strong>ert sich darüber, dass der Junge<br />

auf der Bank keine Angst zeigt.<br />

Plötzlich tritt ein Komplize hinzu <strong>und</strong> ruckzuck halten<br />

sie Serrik fest <strong>und</strong> versuchen ihm die Geldbörse aus der Hosentasche<br />

zu ziehen. Erst als Alexander erscheint, nimmt die<br />

Situation eine unerwartete Wende:<br />

„Lasst sofort meinen Fre<strong>und</strong> in Ruhe, sonst schreie ich<br />

ganz laut <strong>und</strong> dann kommt der Schülerlotze mit dem Lehrer!“<br />

Die beiden lassen schnell den Jungen los <strong>und</strong> verschwinden.<br />

„Hey klasse! Finde ich total super Serrik, dass du dich<br />

absolut nicht hast aus der Ruhe bringen lassen! Und du Alexander,<br />

dass du einfach in die Szene gesprungen bist, um<br />

Serrik zu helfen war total mutig! So müsst ihr das machen-<br />

ihr könnt euch gegenseitig helfen!“<br />

Das war eine kleine Momentaufnahme aus dem Antigewalt-<br />

<strong>und</strong> Antirassismusprojekt von ket:concepts.<br />

Obwohl Serrik <strong>und</strong> Alexander sich nur vom Pausenhof<br />

kennen <strong>und</strong> unterschiedlicher Herkunft sind (Amerika <strong>und</strong><br />

Russland), war es für Alexander ganz selbstverständlich,<br />

Serrik zur Hilfe zu eilen. – Für mich als Leitung des Projektes<br />

ein schön anzusehender Erfolg!<br />

An unseren <strong>Schule</strong>n steht Gewalt in verschiedenen Formen<br />

auf der Tagesordnung. Dabei handelt es sich in den<br />

harmlosesten Fällen um Beschimpfungen <strong>und</strong> Streit. Nicht<br />

selten kommt es zu Erpressungen <strong>und</strong> Schlägereien. Oftmals<br />

stehen die Lehrer/innen vor einem großen Problem <strong>und</strong> einem<br />

großen Berg Arbeit <strong>und</strong> werden nur wenig von den Eltern<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler unterstützt. Viele Schüler<br />

zeigen eine geringe Frustrationstoleranz, sind konfliktunfähig<br />

oder agieren sozial inkompetent.<br />

Probleme der Selbst- <strong>und</strong> Sozialkompetenz stören nicht<br />

nur den Unterricht, sondern wirken sich auch negativ auf die<br />

Noten der Schüler aus. Andere Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben<br />

Angst in die <strong>Schule</strong> zu gehen <strong>und</strong> schieben körperliche<br />

Beschwerden vor, um Konflikten aus dem Wege zu gehen.<br />

Jedoch nicht nur die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben mit<br />

diesen Mißständen zu kämpfen. Auch die jeweiligen Lehrkräfte<br />

geraten unter einen enormen Druck, der sich wiederum<br />

ungünstig auf ihre Ges<strong>und</strong>heit auswirken kann.<br />

Die Arbeit von ket:concepts hat gezeigt, dass die Ges<strong>und</strong>erhaltung<br />

der Lehrkräfte bei der <strong>Gewaltprävention</strong> <strong>und</strong> dem<br />

Sozialkompetenztraining von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />

anfängt. Die konstruktive Bearbeitung von Konflikten, das<br />

Aufzeigen von Ursachen <strong>und</strong> Wirkung der Gewal sowie das<br />

Einüben von Deeskalationstechniken mit Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schülern führen langfristig zu mehr Ruhe <strong>und</strong> Konzentration<br />

im Unterricht.<br />

Schwierigkeiten im Ungang mit Gewalt kann man sowohl<br />

mit erlebnispädagogischen Projekten als auch mit suggestopädischen<br />

Elementen im Unterricht entgegen wirken.<br />

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SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Bei ket:concepts arbeiten wir deshalb mit einem Mix<br />

aus Märchen, Rollen- <strong>und</strong> Kooperationsspielen. Es handelt<br />

sich um das spielerische Erproben neuer Realitäten, die in<br />

ihrem Verlauf das Gemeinsschaftsgefühl der Klasse fördern<br />

<strong>und</strong> die Toleranz gegenüber Andersartigkeit stärken. Realistische<br />

Rollenspiele bieten Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern die<br />

Möglichkeit, ihr Verhalten zu überprüfen <strong>und</strong> neue Verhaltensstrategien<br />

einzuüben.<br />

In den Trainings hat es sich überraschender Weise gezeigt,<br />

dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler viele, ja sogar sehr<br />

viele Alltagssituationen für ein Rollenspiel zum Sozialkompetenztraining<br />

zur Verfügung stellen. Und wie stolz sind sie<br />

erst, wenn sie diese realen, oft angstbesetzten Situationen<br />

im Rollenspiel gut gemeistert haben. Die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüller stärken ihr Selbstbewusstsein <strong>und</strong> wissen sich zukünftig<br />

(ohne Einsatz körperlicher Gewalt) besser zu wehren.<br />

Durch Märchen können Konflikte aufgedeckt <strong>und</strong> thematisiert<br />

werden. Oftmals ist ein Konflikt in der Klasse bereits<br />

spürbar, doch es fällt noch schwer, direkt darüber zu<br />

sprechen.<br />

Ein Märchen, welches das Problem veranschaulicht,<br />

führt die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen über die Märchenbilder<br />

vorsichtig heran <strong>und</strong> weckt schließlich Verständnis für beide<br />

Seiten: Opfer <strong>und</strong> Täter. Nun steht einem offenen Klassengespräch<br />

nichts mehr im Wege.<br />

Wir empfehlen, erlebnispädagogische <strong>Gewaltprävention</strong>sprojekte<br />

ab dem 3. Schuljahr <strong>und</strong> im Klassenverband<br />

durchzuführen. Unsere „Spiel-, Tanz- <strong>und</strong> Märchenpäda-<br />

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NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

gogin“, Frau Amberger, hat in ihrer langjährigen Tätigkeit<br />

im psychotherapeutischen Bereich viele Erfahrungen im<br />

Umgang mit verhaltensauffälligen Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen<br />

gesammelt <strong>und</strong> stetig durch Fortbildungen ihr<br />

Fachwissen ergänzt. Die K<strong>und</strong>en von ket:concepts bekommen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich ein auf ihre Ziel- <strong>und</strong> Bedürfnissituation<br />

zugeschnittenes Expertenteam zur Seite gestellt. Mit unseren<br />

Angeboten zur Leistungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

wollen wir Lehrkräften den Schulalltag erleichtern, Stress<br />

reduzieren <strong>und</strong> damit den Weg zur „ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />

<strong>Schule</strong>“ ebnen.<br />

■ Akkreditierung<br />

ket:concepts ist seit März 2005 vom Insitut für Qualitätsentwicklung<br />

(IQ) als Fortbildungsanbieter akkreditiert. Eine<br />

Bepunktung dieses Seminars als Lehrerfortbildung ist durch<br />

eine Übergangsregelung ab sofort möglich.<br />

■ Kontakt<br />

Wolfram Krug<br />

ket:concepts<br />

Lahnstr. 28a<br />

65 195 Wiesbaden<br />

Tel. 0611/ 93 106 39<br />

Fax. 0611/93 106 38<br />

info@ket-concepts.de<br />

http://www.ket-school.de<br />

11


Denn sie wissen wohl, was sie tun<br />

Praxisbericht aus einer Weiterbildungsgruppe<br />

zur soziodramatischen Bearbeitung des Themas<br />

„Gewalt in der <strong>Schule</strong>“<br />

Wenige Tage nach der Mordtat im Erfurter Gutenberg-<br />

Gymnasium fuhren mein Kollege, Frank Müller <strong>und</strong> ich<br />

zum vorletzten Wochenende unserer Weiterbildungsgruppe<br />

für Psychodrama-AssistentInnen. Als Oberstufenleiter eines<br />

Gymnasiums <strong>und</strong> als Leiterin eines Studienseminars suchten<br />

wir nach Möglichkeiten, das Unmögliche verstehbar, begreifbar<br />

zu machen, nach Wegen aus der eigenen Ohnmacht<br />

<strong>und</strong> Hilflosigkeit, letztlich nach Ansätzen, präventiv im eigenen<br />

Arbeitsfeld Schüler/innen <strong>und</strong> angehende Lehrer/innen<br />

zu sensibilisieren, in Traumasituationen handlungsfähig zu<br />

bleiben <strong>und</strong> nicht in die innere Isolierung zu flüchten.<br />

Waren wir „neutral“ genug gegenüber dem Geschehen,<br />

genügte unser (zeitlicher) Abstand ein Soziodrama darüber<br />

anzuleiten <strong>und</strong> auszuwerten? Wir entschlossen uns, eine soziodramatische<br />

Arbeit vorzugeben im Vertrauen auf unsere<br />

professionelle Distanz <strong>und</strong> langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit.<br />

Außerdem hatte die Gruppe bis dato nur mit<br />

kleineren soziodramatischen Methoden gearbeitet. Unser<br />

Arbeitsvorschlag sollte sich nur auf die Methode beziehen,<br />

die Themenwahl von der Gruppe selbst getroffen werden.<br />

Im Folgenden zeichnet ein Fokusprotokoll der Gruppensitzung<br />

die einzelnen Stationen der methodischen Einführung,<br />

der soziometrischen Themenfindung, des Ablaufs <strong>und</strong><br />

der Auswertung nach. Interessant ist neben der Darstellung<br />

der theoretisch f<strong>und</strong>ierten Fokussierung die der Situation,<br />

in die ein/e Teilnehmer/in während einer soziodramatischen<br />

Inszenierung geraten kann, selbst bei geplanter Rollenübernahme<br />

<strong>und</strong> in der Semi-Realität der Soziodramabühne.<br />

Die Auswertung (Fokusprotokoll S.3f) ergab folgende<br />

Hinweise für eine thematische Weiterarbeit:<br />

● Die Hoffnungslosigkeit von Vertrauenslehrkräften<br />

● Beziehung entsteht durch das Spüren von Interesse an<br />

der eigenen Person<br />

● Intervention von außen verringert Wut <strong>und</strong> Ärger bei den<br />

Konfliktpartner/innen<br />

● Hinweise auf die Mentalität <strong>und</strong> Beweggründe von Mitläufer/innen<br />

● Hinweise auf das Täterprofil<br />

● Druck, auch von Verantwortlichen, wird weitergegeben<br />

● Vertrauenslehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Schulsozialarbeiter werden oft als ängstlich <strong>und</strong> hilflos<br />

wahrgenommen<br />

Es handelt sich nicht um bahnbrechende Erkenntnisse, die<br />

an sich schon Lösungsansätze oder gar generalisierende Modelle<br />

beinhalten. Die Qualität der soziodramatischen Arbeit<br />

liegt darin, dass durch die Rollenübernahme <strong>und</strong> den Rollentausch<br />

Handlungsmöglichkeiten erprobt <strong>und</strong> analysiert werden,<br />

die in Realsituationen reproduzierbar sind. Menschen,<br />

die an einem Soziodrama teilgenommen haben, reagieren<br />

verändert <strong>und</strong> verantwortungsvoller, wenn sie in ähnliche<br />

Situationen geraten. Dies ist keine Arbeitshypothese sondern<br />

eine Erfahrung von Soziodramatikern. Das wiederum fordert<br />

zur soziodramatischen Arbeit mit den Betroffenen auf, in<br />

unserem Falle den Schüler/innen, Lehrer/innen <strong>und</strong> Eltern.<br />

Mit Teilnehmer/innen aus dieser Gr<strong>und</strong>stufengruppe, der interessierten<br />

Leiterin eines Studienseminars für Gymnasien,<br />

meinem Kollegen, einigen interessierten Lehrer/innen mit<br />

psychodramatischer Zusatzausbildung arbeiten wir an einem<br />

Konzept mit dem wir, noch in diesem Schuljahr, Module<br />

(s.o.) in hessischen <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> Studienseminaren Soziodramen<br />

zur <strong>Gewaltprävention</strong> durchführen wollen. Wir sind an<br />

Mitarbeiter/innen <strong>und</strong> Erfahrungsberichten interessiert.<br />

Gotlind Kasper<br />

E-Mail: g.kasper@afl.hessen.de<br />

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Fokusprotokoll<br />

Aus der Erschütterung heraus auf die Mordtat<br />

an einem Erfurter Gymnasium im Mai 2002<br />

setzt sich eine Weiterbildungsgruppe von<br />

PsychodramtikerInnen soziodramatisch mit<br />

dem Thema „Gewalt an <strong>Schule</strong>n“ auseinander.<br />

Der eindrucksvolle Praxisbericht wird durch ein<br />

Fokusprotokoll dokumentiert.<br />

■ Soziodrama<br />

Als eigenständige Form von Gruppenarbeit wurde Soziodrama<br />

von Moreno unter dem Eindruck der Ereignisse des<br />

ersten Weltkrieges entwickelt. Moreno versteht es als ein<br />

Instrument der Soziometrie <strong>und</strong> definiert es „als eine tiefgehende<br />

Handlungsmethode..., die sich mit den Beziehungen in<br />

Gruppen <strong>und</strong> mit kollektiven Ideologien beschäftigt“ (Moreno<br />

[2001], 51). An Stelle eines einzelnen Protagonisten steht<br />

die Gruppe als solche im Mittelpunkt des Soziodramas. Die<br />

aktuelle Gruppe steht stellvertretend für eine Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> letztendlich für die gesamte Menschheit. Dies steht in<br />

Einklang mit Morenos Ziel der Entwicklung von therapeutischen<br />

Methoden, die sowohl auf das Individuum als auch auf<br />

die gesamte Gesellschaft einwirken. Dahinter steht die Idee,<br />

„dass alle Menschen in der Gesellschaft auf irgendeine Weise<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> daß jede Veränderung<br />

eines Einzelnen auch sein Beziehungsnetz mitverändert“<br />

(Yablonsky [1998], 215).<br />

Soziodrama kann zum Einsatz kommen in Trainings (z.B.<br />

Teamentwicklung, Umgang mit Streß), in der Bearbeitung<br />

(psycho)sozialer Fragen (Geschlechterverhältnis/-rollen, interkulturelle<br />

Begegnung, „Wohnen in unserer Umgebung“)<br />

(nach Wiener[2001]; Pruckner[2001]).<br />

Die Gruppe muss ein Thema wählen, das mit ihrer eigenen<br />

sozialen Umwelt zu tun hat. So wird im Soziodrama<br />

„eine kulturelle Ordnung mit Hilfe dramatischer Methoden<br />

ins Blickfeld“ gerückt (Moreno [2001], 52). Dabei geht es<br />

darum, durch Handlung Ansätze zu einer Veränderung der<br />

sozialen Welt aufzuspüren, um diese dann umzusetzen. „...<br />

es werden dramatische Methoden genutzt, um die „soziale<br />

Wahrheit“ der Szenen, dass heißt die intersubjektive Sicht<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

der von Strukturen, Themen <strong>und</strong> Konflikten Betroffenen zu<br />

verstehen“ (Hutter [2000], 300).<br />

Die Gruppe entschied sich zum Thema „Gewalt an <strong>Schule</strong>n„<br />

zu arbeiten. Anschließend erfolgte die Auswahl der<br />

Rollen. Dabei sollte je die Hälfte der Rollen der Gruppe der<br />

„Unterdrücker„, die andere der der „Unterdrückten„ angehören.<br />

Die Rollen durften plakativ sein <strong>und</strong> sollten eine möglichst<br />

konkrete Umschreibung haben.<br />

Die Gruppenmitglieder verteilten sich nach Belieben auf<br />

die beiden Gruppen <strong>und</strong> wählten durch Absprache je eine<br />

Rolle aus. Anschließend wurde als Ort des Geschehens der<br />

Pausenhof einer <strong>Schule</strong> gewählt.<br />

„Das Soziodrama ist auf der stillschweigenden Annahme<br />

gegründet, daß die Gruppe, die von den Zuschauern gebildet<br />

wird, bereits durch die sozialen <strong>und</strong> kulturellen Rollen,<br />

die bis zu einem gewissen Grad alle Träger der Kultur teilen,<br />

strukturiert ist.“ (Moreno [2001], 52). Wenn Moreno<br />

also Einzelpersonen, die sich zu einer aktuellen Gruppe<br />

zusammenfinden, als Träger kultureller <strong>und</strong> sozialer Rollen<br />

versteht, spielt die Zusammensetzung einer Gruppe keine<br />

wesentliche Rolle. „Die psychodramatischen Sitzungen, besonders<br />

in der soziodramatischen Form, bieten die Möglichkeit,<br />

Rollen <strong>und</strong> Typen zu entdecken <strong>und</strong> zu beschreiben, die<br />

kollektive Bedeutung für die Teilnehmer an den therapeutischen<br />

Sitzungen in sich tragen“ (Moreno [1959], 91). In die<br />

Rollentheorie Morenos, die zwischen physiologischen/psychosomatischen,<br />

psychischen/psychodramatischen <strong>und</strong> sozialen/offiziellen<br />

Rollen unterscheidet, wäre das Soziodrama<br />

zuerst als ein Arbeiten mit den sozialen Rollen einzuordnen.<br />

Soziodrama steht in engem Zusammenhang mit der Soziometrie,<br />

die Strukturen von Beziehungsgefügen aufdecken<br />

13


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

will. Indem im Soziodrama die Empfindungen<br />

von Rollentypen aufgedeckt<br />

<strong>und</strong> ihre Handlungsmöglichkeiten bearbeitbar<br />

werden, geht seine Wirkung<br />

über die Veränderung von Einzelpersonen<br />

hinaus <strong>und</strong> zielt eine Veränderung<br />

von (Beziehungs-) Strukturen an.<br />

Die Rollen (erster <strong>und</strong> zweiter<br />

Spielteil!) waren wie in der Tabelle<br />

dargestellt verteilt.<br />

Zur Spielvorbereitung statteten sich<br />

die Rollenträger mit geeigneten Requisiten<br />

aus <strong>und</strong> auf der Bühne wurde ein<br />

„Kunstwerk auf dem Pausenhof“ installiert.<br />

Das Spiel begann, indem jede Person<br />

kurz nach Name, Rolle <strong>und</strong> ggf. einer<br />

typischen Eigenheit/ Merkmal gefragt wurde. Die Spielzeit<br />

betrug zweimal 20 Minuten. 5 Minuten vor Ende einer<br />

„Halbzeit“ wurde jeweils ein Hinweis gegeben. Zur Halbzeit<br />

wurde zunächst zum Einfrieren aufgefordert <strong>und</strong> jeder nach<br />

einem Wort gefragt, der das momentane Befinden ausdrückt.<br />

Dann erfolgte der Tausch der Rollen in der Weise, dass diejenigen,<br />

die gerade nebeneinander standen, ihre jeweiligen<br />

Requisiten <strong>und</strong> mit ihnen die Rolle wechselten, wobei jeder<br />

in eine Rolle aus der je anderen Gruppe eintauschte. Das<br />

Spiel endete mit der Aufforderung, einzufrieren <strong>und</strong> einen<br />

Satz zu finden, der zu diesem Zeitpunkt passte.<br />

Im Verlauf des Spiels etablierte sich auf der Bühne neben<br />

dem Pausenhof schnell ein Konferenzzimmer, in dem<br />

sich Schulsozialarbeiter, Vertrauenslehrer <strong>und</strong> Pädagogischer<br />

Leiter zurückzogen, um zu beraten. Währenddessen<br />

ereigneten sich auf dem Pausenhof Gewaltszenen. Einige<br />

Schüler trugen Waffen, einzelne Mitschüler wurden drangsaliert,<br />

eine Schülerin handelte mit Drogen. Auseinandersetzungen<br />

wurden nur wenig beachtet <strong>und</strong> meist erfolgte kein<br />

Einschreiten. Als ein Schuss fiel, wurde eine Waffe zerstört.<br />

Der repressive Lehrer griff teils durch. Der Hausmeister versuchte<br />

für Ordnung zu sorgen, wobei er sich mehr an die ruhigeren<br />

Schüler hielt. Das „beratende Team“ kam später aus<br />

dem Zimmer, war bei Auseinandersetzungen aber weiterhin<br />

wenig präsent. Nach dem Wechsel der Rollen spielten sich<br />

weiter gewalttätige Auseinandersetzungen im Pausenhof ab.<br />

Teilweise wurde darauf vom Schulpersonal reagiert. Neben<br />

der offenen Gewalt breitete sich eine stille, weniger sichtbare<br />

Gewalt aus. Drogen wurden an stillere Schüler verteilt,<br />

die high über den Hof liefen, aber nicht beachtet wurden.<br />

Ein Schüler legte eine Bombe unter dem Kunstwerk. Als er<br />

einige Personen darauf ansprach, dass alles in die Luft gehen<br />

werde, darunter auch Schulpersonal, glaubte man ihm nicht<br />

oder beachtete diese Information einfach nicht. Die Bombe<br />

lag bis zum Schluß <strong>und</strong> sie sollte hochgehen.<br />

Die Auswertung erfolgte anhand folgender Leitfragen:<br />

● was habe ich erlebt<br />

● was kenne ich davon<br />

● wie ging es mir im Vergleich der beiden Rollen<br />

■ Protokoll<br />

Rollenträger<br />

Rolle 1. Teil 2. Teil<br />

cleverer leistungsorientierter Schüler Ilse Jörg<br />

netter, verständnisvoller Schüler Uta Beate<br />

SV-Vertreter (Mitglied d. Mediationsgruppe)<br />

Maryyonne Angela<br />

stiller, ängstlicher Schüler Gabi Linda<br />

Schulsozialarbeiter Andreas Bernhard<br />

Pädagogischer Leiter Eva Frank<br />

Vertrauenslehrer Mathias Elisabeth<br />

gewaltbereiter Schüler, Mobber Beate Uta<br />

türkischer Schüler Elisabeth Mathias<br />

Skin Angela Maryyonne<br />

gewaltbereiter Schüler Bernhard Andreas<br />

repressiver Elternteil Jörg Ilsa<br />

Hausmeister Linda Gabi<br />

repressiver, konservativer Lehrer (drückt<br />

mit Noten, kränkt, hat Lust an Macht)<br />

Frank Eva<br />

Mathias: Als Vertrauenslehrer fühlte er sich insgesamt<br />

hoffnungslos, obwohl er Beziehungen herstellen konnte. Als<br />

rechtsradikaler Türke hatte er viel Freiheit, seinen Machtgelüsten<br />

nachzugehen. Niemand konnte ihn stoppen, niemand<br />

Halt geben. Erst am Ende kam er in Kontakt mit dem<br />

Schulsozialarbeiter, von dem er sich ernst genommen fühlte,<br />

<strong>und</strong> wo er Interesse an seiner Person spürte. Zu ihm entstand<br />

eine Beziehung.<br />

14 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Jörg: Er kam als repressiver Elternteil an die <strong>Schule</strong>,<br />

wollte den Lehrern Druck machen, damit der Laden richtig<br />

läuft. Als cleverer, leistungsorientierter Schüler wurde er mit<br />

der Zeit richtig aggressiv, weil der Türke ihn ständig ärgerte.<br />

Als der Sozialarbeiter (Bernhard) vermitteln wollte, hatte er<br />

das Gefühl, dass sich etwas verändert hat. Sein Ärger hatte<br />

sich verringert, was er aber dem Sozialarbeiter nicht sagen<br />

konnte.<br />

Bernhard: Als gewaltbereiter Schüler fühlte er sich klasse,<br />

konnte tun, was er wollte. Er wurde von einer Mitschülerin<br />

zum Schießen angestiftet. Als Schulsozialarbeiter fühlte<br />

er sich verzweifelt. Alles war so verfahren <strong>und</strong> verstrickt.<br />

Er schaffte es aber, zum Türken einen guten Kontakt herzustellen.<br />

Andreas: Als Schulsozialarbeiter war er verzweifelt, bekam<br />

zwar viele Anfragen, sah aber in seiner Arbeit keinen<br />

tieferen Sinn. Es schien ihm eher so überfordernd, dass er<br />

ganz schwieriges ausgeblendet hatte, weil er sich dem gegenüber<br />

eher hilflos fühlte. Als gewaltbereiter Schüler versuchte<br />

er sich zuerst an direkten aggressiven Handlungen.<br />

Er merkte dann aber schnell, dass die ihn gar nicht interessierten,<br />

weil er gegen die Personen gar nichts hatte, gegen<br />

die er seine aggressiven Impulse richtete. Er ging daraufhin<br />

in eine Art inneres Exil <strong>und</strong> überlegte, wie er das System als<br />

solches treffen <strong>und</strong> zerstören könnte. In dieser Haltung, mit<br />

der Bombe, die er gelegt hatte <strong>und</strong> von der er auch anderen<br />

erzählte, hatte er ein Machtgefühl. Er machte die Erfahrung,<br />

dass die anderen eher von ihm zurückwichen oder auf seinen<br />

Hinweis über die gelegte Bombe nicht reagierten.<br />

Frank: Als repressiver Lehrer bewegte er sich viel auf<br />

dem Pausenhof. Die Rolle gab ihm Sicherheit. Er sah zwar<br />

vieles, was schlecht lief, konnte aber weggucken, weil er<br />

andere als die eigentlichen Verantwortlichen sah. Als Pädagogischer<br />

Leiter fühlte er sich in eben dieser Verantwortung<br />

unsicherer <strong>und</strong> auch fremdbestimmt <strong>und</strong> machtlos. Er war<br />

zerrissen <strong>und</strong> fand es schwer, einen eigenen Standpunkt zu<br />

finden.<br />

Uta: Als netter, verständnisvoller Schüler versuchte sie<br />

mehrmals, den Vertrauenslehrer oder den Schulsozialarbeiter<br />

zu holen, wenn auf dem Schulhof geschlägert wurde.<br />

Die ließen sich aber von ihren internen Beratungen nie<br />

wegholen. Sie fühlte sich der Gewalt gegenüber hilflos <strong>und</strong><br />

zunehmend ängstlich. Sie erlebte, dass der Hausmeister sei-<br />

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NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

ne übertriebene Strenge an ihr ausließ, obwohl es an andren<br />

Stellen viel nötiger wäre. Als gewaltbereite Schülerin schlägerte<br />

sie bisweilen offen. Die Anmache <strong>und</strong> das Begrapschen<br />

vom Türken nervte sie, so dass sie anfangs andere gegen ihn<br />

aufbringen wollte. Sie verstand sich mit ihm besser, als er<br />

sich darüber amüsierte, dass sie einer hilflosen Schülerin, die<br />

nach der Bio-AG fragte, Pilze angedreht hatte, die sie total<br />

high machten. Sie sympathisierte mit dem Bombenleger - sie<br />

empfand das baldige Hochgehen der Bombe als Spiel, bei<br />

dem der Reiz darin lag, nicht zu wissen, wer alles mit in die<br />

Luft geht <strong>und</strong> ob sie selbst dabei sein würden, dies war ihr<br />

gleichgültig.<br />

Ilse: Sie hatte das Erleben, dass es unklar war, zu welcher<br />

Seite sie eigentlich gehörte. Als leistungsorientierte Schülerin<br />

hatte sie sich aus Gewaltsituationen bewußt herausgehalten.<br />

Sie weiß nicht, wie sie sich in ähnlichen realen Situationen<br />

verhalten würde. Als Lehrerin fällt es ihr leichter einzugreifen.<br />

Nach dem Rollenwechsel fühlte sie sich nicht so wohl in<br />

ihrer Rolle als repressiver Elternteil. Sie war überrascht, dass<br />

der Türke, der sie in dieser Rolle anmachte ( nicht wissend,<br />

dass sie Elternteil war), sich davon machte, als sie sich vor<br />

ihm aufbaute <strong>und</strong> ihn dann ignorierte.<br />

Linda: Als Hausmeister hatte sie klare Ordnungsregeln,<br />

die auch eingehalten werden sollten. Dabei war es leichter,<br />

sich bei den stilleren Schülern durchzusetzen. Die Verantwortlichen<br />

in der <strong>Schule</strong> waren nicht zur Stelle, wenn<br />

es nötig war. Die Rolle machte Druck, aber der konnte als<br />

Hausmeister ganz gut weitergegeben werden. In der Rolle<br />

der stillen, ängstlichen Schülerin war es erst sehr schwierig.<br />

Die Gewalt auf dem Pausenhof machte ihr Angst. Dann fand<br />

sie Anschluss an Schüler, die angeblich in der Bio-AG waren<br />

<strong>und</strong> ihr getrocknete Pilze gaben. Als sie die aß, ging es ihr<br />

richtig gut.<br />

Beate: Als Vanessa (erste Rolle) hatte sie der schwachen<br />

Schülerin das Referat gern abgenommen (Gabi) <strong>und</strong> es problemlos<br />

als das ihre verkauft. Sie wollte , dass Bernhard mit<br />

seiner Pistole jemanden erschießt <strong>und</strong> hatte ihn auch soweit<br />

– die Pistole wurde aber zerbrochen <strong>und</strong> seltsamerweise fiel<br />

niemand um, als er schoß. Sie versuchte, ihm den Rücken<br />

zu stärken. Als Schülerin der Öko-AG, Luise Körner, fand<br />

sie die sexuellen Belästigungen des Türken schwierig. Ihr<br />

glaubte niemand, als sie davon erzählen wollte. Das machte<br />

sie sehr einsam. Sie spürte Druck vom Lehrer (Eva), hat-<br />

15


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

te aber auch Scheuklappen <strong>und</strong> bekam vieles von dem, was<br />

passierte nicht mit.<br />

Eva: Als Pädagogischer Leiter fühlte sie sich mit ihren<br />

achtsamen Methoden der Gewalttätigkeit einigen Schülern<br />

gegenüber ohnmächtig. Sie sah keine Kommunikationsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> auch keine Chance, verstanden zu werden<br />

oder sich verständlich zu machen. Die harten Mittel der<br />

gewalttätigen Schüler waren stärker. Als repressiver Lehrer<br />

fand sie einen Lustgewinn. Sie konnte sich in dieser Rolle<br />

an dem Spiel beteiligen, ohne große eigene Verantwortung<br />

zu tragen.<br />

Angela: Als Skin hatte sie sich ausgepowert, fühlte sich<br />

zuerst sehr stark. Dieses Gefühl ließ aber nach, weil sie<br />

allein war. Sie war nur in der Gruppe stark. Sie zog sich<br />

dann zurück, weil sie den Eindruck hatte, dass die anderen<br />

mehr bringen. Für Argumente war sie zugänglich. Als SV-<br />

Vertreterin sammelte sie viele Informationen <strong>und</strong> versuchte,<br />

sie weiterzuleiten. Dafür interessierte sich keiner. Von Lehrern<br />

<strong>und</strong> Schulsozialarbeiter wurde sie immer vertröstet (sie<br />

schoben Termine vor).<br />

Gabi: Als ängstlicher Schüler fühlte sie sich furchtbar.<br />

Sie war hilflos, wurde drangsaliert. Sie empfand eine verzweifelte<br />

Wut. Vom Schulpersonal hatte niemand Zeit, sie<br />

waren alle mit planen beschäftigt. Als Hausmeister war sie<br />

froh um die hilflose Schülerin, an die sie den Druck weitergeben<br />

konnte, den sie spürte. Sie war von den aggressiven<br />

Ausbrüchen auf dem Schulhof überfordert <strong>und</strong> sagte teils<br />

lieber nichts. Die Lehrer hatten sich um das entscheidende<br />

nicht gekümmert.<br />

Maryvonne: Als SV-Vertreterin war sie sehr aktiv, erk<strong>und</strong>igte<br />

sich <strong>und</strong> lud viele zur Schulversammlung ein. Leider<br />

stieß das nicht immer auf Interesse, aber sie lies ich nicht demotivieren.<br />

Zu einer Versammlung kam es dann aber nicht.<br />

Als Skin fühlte sie sich teils stark, auch mächtig. Andere<br />

hatten Angst vor möglicher Gewalt. Aber sie fühlte sich teils<br />

auch einsam.<br />

Elisabeth: Als Türke fühlte sie sich gut, stark. Andere<br />

interessierten sich für ihn - er konnte seine gewaltbereite<br />

Haltung ausleben, Schläge verteilen. Als am Ende der clevere<br />

Schüler auf ihn zuging, um ihn zum Basketballspielen<br />

einzuladen, konnte er das erste Mal auf ein Angebot von außen<br />

eingehen. Als Vertrauenslehrerin fühlte sie sich unwohl.<br />

Sie wollte mit der Leitung der <strong>Schule</strong> etwas gegen die Gewalt<br />

unternehmen, aber die interessierten sich nicht dafür.<br />

Genauso, wie sie keine Unterstützung für eigene Ideen fand,<br />

konnte sie auf die Angebote/Vorstellungen anderer nicht eingehen,<br />

um etwas gegen die Gewalt zu unternehmen.<br />

Pruckner bemängelt in Anlehnung an Grotherath (1994)<br />

<strong>und</strong> Ottomeyer (1987), dass „...die Fixierung auf individuelle<br />

Therapien <strong>und</strong> ebensolche Diagnosen“ uns ein Stück<br />

betriebsblind gemacht hat für zentrale gesellschaftliche<br />

Einflüsse auf Lebensgeschichten <strong>und</strong> deren Bewältigung”<br />

(Pruckner [2001], 52). Sie berichtet, dass durch das Soziodrama<br />

Einblicke in die Meinungen <strong>und</strong> Haltungen des Anderen<br />

ermöglicht werden. Zugleich werden Beziehungen zwischen<br />

verschiedenen (z.B. ethnischen) Gruppen oder deren<br />

kollektive Ideen sichtbar <strong>und</strong> somit bearbeitbar. Nebenbei<br />

stellt nach ihrer Meinung das Soziodrama in der Arbeit mit<br />

Kindern einen „Ersatz“ für das Protagonistenspiel dar, das in<br />

Kindergruppen nicht durchgeführt werden kann.<br />

Moreno sieht im Soziodrama eine Bearbeitung sozialer<br />

Probleme, deren Ziel eine „soziale Katharsis“ sei (Moreno<br />

[2001], 52). Wie kann Soziodrama eine soziale Katharsis<br />

erreichen? Von den von Bosselmann (1996, 200ff) beschriebenen<br />

Wirkfaktoren scheinen mir im Soziodrama die Folgenden<br />

besonders relevant zu sein:<br />

● die Vergleichbarkeit der Schicksale: Die im Soziodrama<br />

ausagierten Rollen sind typisch <strong>und</strong> spiegeln Strukturen,<br />

in denen die am Spiel Beteiligten selbst leben.<br />

● Lernen am Modell: das Geschehen im typisierten Beziehungsgefüge<br />

des soziodramatischen Spiels ist mit dem<br />

Beziehungsgefüge konkreter Strukturen vergleichbar.<br />

● Zusammenhänge verstehen: im Rollenfeedback werden<br />

Erleben <strong>und</strong> Handlungsmotivationen mitgeteilt, die in<br />

den verschiedenen Rollen erlebt wurden.<br />

● Perspektiven eröffnen <strong>und</strong> Hoffnung einflößen: durch<br />

das Verstehen können Ansatzpunkte für Veränderung<br />

entdeckt werden, die auch eine Hoffnung auf die Möglichkeit<br />

von Veränderung stärken können.<br />

● Haltungen <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Einstellungen: durch das<br />

Erleben <strong>und</strong> den Perspektivenwechsel kann sich eine<br />

Haltungsveränderung der spielenden Personen ereignen.<br />

Nach Moreno wird im Soziodrama im Idealfall mittels<br />

Telebeziehungen der Mitwirkenden eine Breitenwirkung erreicht,<br />

die politische Dimensionen erreicht <strong>und</strong> die gesamte<br />

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SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Gemeinschaft erfaßt. Auf diese Weise können Gruppen im<br />

soziodramatischen Spiel gesellschaftspolitisch wirksam werden.<br />

Hutter merkt jedoch kritisch an, dass spielende Gruppe<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft nie identisch sind <strong>und</strong> dass daher für eine<br />

Vermittlung der Bühnenerfahrungen <strong>und</strong> ihre Übertragung<br />

auf die Praxis gesorgt werden muss (nach Hutter [2000],<br />

163f <strong>und</strong> 189f).<br />

Andere Autoren sehen Prävention als vorrangiges Ziel<br />

soziodramatischen Arbeitens. Dabei würden durch das Soziodrama<br />

nicht bestehende Störungen bearbeitet, sondern ihre<br />

Entwicklung zu verhindern gesucht. Im Zentrum stehe ein<br />

„prophylaktisches Anliegen einer ungestörten Kommunikation“.<br />

Es sollen günstige Kommunikationsmodelle erlernt<br />

werden. Das Soziodrama bietet die Möglichkeit, unterschiedliche<br />

Perspektiven, Einstellungen <strong>und</strong> Beziehungsweisen<br />

modellhaft kennenzulernen, sich in ihnen direkt zu probieren.<br />

Durch den spielerischen Charakter des Soziodramas<br />

– obwohl der Hintergr<strong>und</strong> eines Themas sehr ernst sein kann<br />

– kann eine emotionale Belastung des Themas vermindert<br />

werden, was eine angstfreiere Auseinandersetzung möglich<br />

macht. Gleichzeitig wird im besten Fall gelernt, dass Interaktionen<br />

auch in der realen Situation spielerisch verändert<br />

werden können. (nach Burkhart & Zapotoczky [1974], 74f).<br />

■ Literatur<br />

Bosselmann, R. (1996). Das Psychodrama <strong>und</strong> seine „Heilfaktoren“<br />

– über Wirkungen <strong>und</strong> deren Ort im psychodramatischen<br />

Prozeß, in: ders., Lüffe-Leonhardt, E. &<br />

Gellert, M., Variationen des Psychodramas. Ein Praxisbuch<br />

– nicht nur für Psychodramatiker, 2. überarbeitete<br />

Auflage, Limmer Verlag, Meezen.<br />

Burkart, V. & Zapotoczky, H.-G. (1974). Konfliktlösung<br />

im Spiel. Soziodrama/Psychodrama/Kommunikationsdrama,<br />

Jugend <strong>und</strong> Volk Verlagsgesellschaft, München.<br />

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NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

Groterath, A. (1994). An der Sprache liegt es nicht, Matthias-Grünewald-Verlag,<br />

Mainz.<br />

Hutter, Ch. (2000). Psychodrama als experimentelle Theologie.<br />

Rekonstruktion der therapeutischen Philosophie<br />

Morenos aus praktisch-theologischer Perspektive, Reihe<br />

Theologie <strong>und</strong> Praxis (Hrsg. Collet, Prof. Dr. G., Mette,<br />

Prof. Dr. N., Schmälzle, Prof. Dr. U. & Steinkamp, Prof<br />

DDr. H.), Bd. 7, LIT Verlag, Münster.<br />

Menschik-Bendele, J. et al, Sozialpsychologie des Rechtsextremismus,<br />

(2002), Leske + Budrich, Opladen<br />

Moreno, J.L. (1959). Gruppenpsychotherapie <strong>und</strong> Psychodrama,<br />

Georg Thieme Verlag, Stuttgart.<br />

Moreno, J.L. (2001). Psychodrama <strong>und</strong> Soziometrie (Hrsg.<br />

Sreckovic, A. & Sreckovic, M.), 2. unveränderte Auflage.<br />

Edition Humanistische Psychologie. Köln.<br />

Ottomeyer, K. (1987). Lebensdrama <strong>und</strong> Gesellschaft,<br />

Deuticke, Wien.<br />

Ottomeyer, K. (2002), Überleben am Abgr<strong>und</strong>,Drava, Klagenfurt.<br />

Pruckner, H. (2001). Das Spiel ist der Königsweg der Kinder.<br />

Psychodrama, Soziometrie <strong>und</strong> Rollenspiel mit Kindern,<br />

inScenario Verlag, München.<br />

Wiener, R. (2001). Soziodrama praktisch. Soziale Kompetenz<br />

szenisch vermitteln, inScenario Verlag, München.<br />

Yablonsky, L. (1998). Psychodrama. Die Lösung emotionaler<br />

Probleme durch das Rollenspiel, 3. erweiterte Auflage,<br />

Klett-Cotta, Stuttgart.<br />

17


Schulbusbegleiter<br />

Im Einsatz der Verkehrserziehung<br />

Seit einigen Jahren wird im Kontext der „Verkehrserziehung<br />

<strong>und</strong> Mobilitätsbildung“ das Konzept der Schulbusbegleiter<br />

(auch Schulbuslotse, Buslotse oder Bus-Scout genannt)<br />

entwickelt <strong>und</strong> verbreitet.<br />

Drei Gründe sprechen für ihren Einsatz:<br />

■ Unfallgefahren<br />

■ Aggressionen<br />

■ Vandalismus<br />

In <strong>Hessen</strong> handelt es sich fast ausnahmslos um Schüler/<br />

innen ab der 8. Klasse (teilweise bereits ab der 7. Klasse),<br />

die an den Bushaltestellen <strong>und</strong> im Bus Verantwortung übernehmen.<br />

Die Jugendlichen erreichen dabei soziale Kompetenzen<br />

für ihr ganzes Leben. Ihr Selbstbewusstsein wird gestärkt<br />

<strong>und</strong> Zivilcourage gefördert.<br />

Gleichzeitig lernen die Schüler/innen ihre Grenzen zu<br />

erkennen <strong>und</strong> Techniken zum Selbstschutz zu entwickeln.<br />

Wichtig sind auch Fre<strong>und</strong>lichkeit, Höflichkeit, bestimmtes<br />

Auftreten <strong>und</strong> Teamfähigkeit. Auf dem Ausbildungsplan stehen<br />

u.a. „Sicherheit im Schulbusverkehr“ <strong>und</strong> „gewaltfreies<br />

Schlichten von Konflikten“.<br />

Die Ausbildung übernehmen speziell vorgebildete Pädagog/innen<br />

<strong>und</strong> Polizeibeamt/innen, oft auch Angestellte von<br />

Verkehrsbetrieben (siehe RMV-Projekt).<br />

■ Unfallprävention<br />

Schulbusbegleiter können Gefahren an den Bushaltestellen<br />

minimieren. Sie sorgen dafür, dass Kinder nicht die<br />

Fahrbahn betreten oder auf Absperrgeländern herumklettern.<br />

Es wird mit ihrer Hilfe selbstverständlich, sich anzustellen<br />

<strong>und</strong> nicht zu drängeln. Im Bus besteht die Aufgabe des Busbegleiters<br />

darin, dass alle nach Möglichkeit einen Sitzplatz<br />

einnehmen <strong>und</strong> sich ggf. anschnallen bzw. festhalten.<br />

Sie entlasten die Busfahrerin/den Busfahrer in erheblichem<br />

Maße <strong>und</strong> sorgen so für ein weiteres Stück Verkehrssicherheit.<br />

■ <strong>Gewaltprävention</strong><br />

Busnutzer – gleich ob Schüler/innen oder Erwachsene<br />

– leiden oft unter dem rauhen Umgangston <strong>und</strong> den Aggressionen,<br />

die sich nach einem langen Schultag <strong>und</strong> in der Enge<br />

der Busse ergeben können. Schon der geordnete Einstieg, der<br />

von den Busbegleitern bewirkt wird, bringt Ruhe. Zusätzlich<br />

achten sie auch im Bus darauf, dass kein Streit entsteht, bzw.<br />

können schon bei entstehenden Konflikten eingreifen <strong>und</strong><br />

so faires Verhalten fördern. Wichtig ist hier der Gr<strong>und</strong>satz<br />

„Überzeugen statt Petzen“. Bei Problemen, die ein Schulbusbegleiter<br />

nicht lösen kann, steht ihm eine Lehrkraft der<br />

<strong>Schule</strong> mit Rat <strong>und</strong> Tat zur Seite.<br />

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SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Außerdem sind an den Haltestellen bei den <strong>Schule</strong>n aufsichtsführende<br />

Lehrkräfte verantwortlich. Im Bus trägt die<br />

Busfahrerin/der Busfahrer die Verantwortung.<br />

■ Weniger Sachbeschädigungen<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verhinderung von<br />

Sachbeschädigungen an den Haltestellen <strong>und</strong> vor allen Dingen<br />

im Bus. Verkehrsgesellschaften stellen immer wieder<br />

fest, dass nach der Einführung von Buslotsen die Vandalismusschäden<br />

erheblich zurückgegangen sind. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong>e engagieren sich die Linienbetreiber <strong>und</strong> Verkehrsgesellschaften<br />

bei der Einrichtung <strong>und</strong> Unterstützung der<br />

Schulbuslotsen.<br />

Seit einigen Jahren bildet der RMV (Rhein-Main-Verkehrsverb<strong>und</strong>)<br />

Multiplikatorinnen <strong>und</strong> Multiplikatoren für<br />

die örtlichen Verkehrsträger aus, die ihrerseits für die Einrichtung<br />

von Schulbusbegleiterinnen <strong>und</strong> Schulbusbegleitern<br />

bei den <strong>Schule</strong>n im eigenen Bereich sorgen.<br />

Bisher kann dieser Service in folgenden Nahverkehrsgesellschaften<br />

angeboten werden: (Stand Mai 2005)<br />

■ Verkehrsgesellschaft Frankfurt a. M.<br />

■ Stadtwerke Marburg GmbH<br />

■ Verkehrsgesellschaft mbH Untermain<br />

■ Offenbacher Verkehrs-Betriebe GmbH<br />

■ Kreis-Verkehrs-Gesellschaft Offenbach mbH<br />

■ Odenwald-Regional-Gesellschaft (OREG)<br />

■ Verkehrsverb<strong>und</strong> Lahn-Dill (VLD)<br />

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■ Entwicklung in <strong>Hessen</strong><br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

Entwickelt wurde das aktuelle Konzept der Schulbusbegleiterinnen<br />

<strong>und</strong> -begleitern vor ca. 10 Jahren in Hünfeld.<br />

Dies wurde vor etwa drei Jahren von der Verkehrswacht<br />

Fulda aufgenommen <strong>und</strong> gemeinsam mit dem Polizeipräsidium<br />

Osthessen <strong>und</strong> über die Landesverkehrswacht <strong>Hessen</strong><br />

verbreitet. Das Konzept wird je nach Region von Landräten,<br />

Schulämtern, Polizeibehörden, Verkehrsgesellschaften, der<br />

Verkehrswacht <strong>und</strong> auch vom ADAC unterstützt.<br />

In besonders schwierigen Regionen (wie z.B. in Weilburg<br />

– dort nutzen täglich über tausend Schüler/innen Bahn<br />

<strong>und</strong> Bus für ihren Schulweg) wird das Konzept von eigens<br />

dafür eingestellten Streetworkern getragen, die die Schulbusbegleiterinnen<br />

<strong>und</strong> begleitern vor Ort wirkungsvoll unterstützen.<br />

Von Jahr zu Jahr nehmen mehr <strong>Schule</strong>n ein auf die jeweilige<br />

Situation zugeschnittenes Projekt auf.<br />

■ Ansprechpartner<br />

Heinrich Euler<br />

Fachberater für Verkehrserziehung <strong>und</strong> Mobilitätsbildung<br />

beim HKM<br />

Glauberger Str. 28 A<br />

63695 Glauburg<br />

Tel: 06034-339<br />

19


Netzwerk Prävention<br />

Gewalt- <strong>und</strong> suchtpräventive Arbeit im<br />

Netzwerk <strong>Schule</strong>, Kindergarten, Fachstelle für<br />

<strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> SMOG<br />

Im oben genannten Netzwerk wird seit 2000 ein Konzept<br />

zur Gewalt- <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>prävention erarbeitet <strong>und</strong> umgesetzt.<br />

Bei unserer gemeinsamen Arbeit sowohl im Hinblick auf die<br />

Zielgruppe Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler wie auf die Zielgruppe<br />

Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher geht es<br />

umfassend um die Ich-Stärkung aller Beteiligten entsprechend<br />

der WHO-Definition: „Ges<strong>und</strong>heit beinhaltet auch die<br />

Fähigkeit des Einzelnen, das eigene Potential zur Selbstverwirklichung<br />

sowie zur Bewältigung <strong>und</strong> Veränderung seiner<br />

Umwelt aktiv zu entfalten.“<br />

■ Wie es dazu kam: Der Hintergr<strong>und</strong><br />

Es gab im Mai 2000 erste Ansätze für die Arbeit im<br />

Netzwerk. Wir beobachteten sowohl an <strong>Schule</strong> wie auch<br />

im Kindergarten eine zunehmende Gewaltbereitschaft <strong>und</strong><br />

Aggressivität bei Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen sowie eine<br />

zunehmende Zahl von Kindern mit <strong>Sucht</strong>problemen (Essverhalten,<br />

Fernsehkonsum...). Uns war nach anfänglichen<br />

Überlegungen bald klar, dass ohne Öffnung von <strong>Schule</strong>, d.h.<br />

der Einbeziehung außerschulischer Institutionen sowohl die<br />

Erarbeitung als auch die Umsetzung eines entsprechenden<br />

Konzeptes nicht möglich ist. Außerdem wurde uns in Vorbereitungsgesprächen<br />

deutlich, dass diese Arbeit nicht erst<br />

mit dem Eintritt in die <strong>Schule</strong> aufgenommen werden kann,<br />

sondern dass Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule gemeinsam ein<br />

solches Konzept tragen müssen, um wirklich präventiv wirken<br />

zu können.<br />

Da wir davon ausgehen, dass einerseits Kinder vom Elternhaus<br />

Verhaltensauffälligkeiten in Kindergarten <strong>und</strong> <strong>Schule</strong><br />

einbringen, andererseits jedoch mangelnde individuelle<br />

Förderung in beiden Institutionen Verhaltensauffälligkeiten<br />

entstehen lässt, beinhaltet unser Konzept sowohl die Arbeit<br />

mit den Kindern als auch die Fortbildung mit Lehrerinnen,<br />

Lehrern, Erzieherinnen <strong>und</strong> Erziehern. Die Einbindung von<br />

Eltern in die Erziehungsarbeit ist unbedingt erforderlich.<br />

Ohne Kooperation mit außerschulischen Institutionen in<br />

Form eines „R<strong>und</strong>en Tisches“ kann die Umsetzung des Konzeptes<br />

nicht den gewünschten Erfolg erzielen.<br />

■ Was erreicht werden soll: Die Ziele<br />

Entsprechend den o.a. Vorüberlegungen fanden wir unsere<br />

Ziele auf zwei verschiedenen Ebenen:<br />

● Im Arbeitszusammenhang mit den Kindern formulierten<br />

wir folgende Ziele:<br />

1. Selbstwahrnehmung durch Spiegeln eigener Vorlieben,<br />

Abneigungen, Ansichten, Meinungen, Stärken, Schwächen.<br />

2. Erkennen, Benennen <strong>und</strong> Beschreiben menschlicher Gefühle<br />

mit dem Bewusstsein, dass eigene Gefühle Auswirkungen<br />

auf eigene Gedanken <strong>und</strong> eigenes Verhalten<br />

haben <strong>und</strong> damit auch auf andere wirken.<br />

3. Gefühle anderer verstehen, sich in ihre Lage versetzen.<br />

4. Bewusstmachen der Verschiedenartigkeit der Menschen<br />

innerhalb einer Gemeinschaft.<br />

5. Konstruktive Bewältigung von Konflikten.<br />

● Im Arbeitszusammenhang mit Lehrerinnen, Lehrern, Erzieherinnen<br />

<strong>und</strong> Erziehern:<br />

1. Gr<strong>und</strong>legendes Wissen über LRS, Dyskalkulie <strong>und</strong> ADS<br />

2. Geeignete Verfahren zur Diagnose von LRS <strong>und</strong> Dyskalkulie<br />

3. Basistraining Mediation<br />

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SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

4. Voraussetzungen, Struktur <strong>und</strong> Ablauf von Beratungsgesprächen<br />

5. Interaktionstraining mit regelmäßiger Auswertungsr<strong>und</strong>e<br />

6. Kollegiale Fallberatung<br />

■ Wie vorgegangen wurde: Die Umsetzung<br />

Den Einstieg in die Thematik des Konzeptes bildete im<br />

Oktober 2003 ein Informationsabend für Eltern der Kindergärten<br />

<strong>und</strong> der beiden Gr<strong>und</strong>schulen zum Thema Gewalt-<br />

<strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>prävention. Die Abteilung für <strong>Gewaltprävention</strong><br />

des Polizeipräsidiums Osthessens (SMOG) übernahm die<br />

Ausgestaltung dieses Abends: Wie entsteht Gewalt? Wie<br />

kann Selbstwertgefühl gestärkt werden? Wie kann Gewalt<br />

vermieden werden?<br />

Die Umsetzung in Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule für die<br />

Kinder begann mit einem gemeinsamen Projekttag im Netzwerk,<br />

organisiert vom Frühförderzentrum des Kreiskrankenhauses<br />

in Bad Hersfeld sowie der Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention<br />

Bad Hersfeld. An diesem Projekttag nahmen die<br />

Kinder teil, die im Sommer 2003 eingeschult wurden sowie<br />

die Kinder der ersten Schuljahre beider Gr<strong>und</strong>schulen. Als<br />

Zeitpunkt wurde die Nähe zur Schulanmeldung im November<br />

gewählt. Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher<br />

hatten die Gelegenheit, in allen Gruppen zu hospitieren.<br />

Thema dieses Projekttages war „Wer bin ich?“, die Angebote<br />

lauteten:<br />

■ Bewegungsspiele mit einer Decke <strong>und</strong> einem Fallschirm,<br />

mit dem Ziel, Ängste abzubauen, Körperbewusstsein zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> die Koordination im Raum zu schulen.<br />

■ Sinnesparcours mit dem Ziel, die Möglichkeiten der eigenen<br />

Wahrnehmung über unsere unterschiedlichen Sinne<br />

zu erfahren.<br />

■ Entspannungsübungen mit dem Ziel verstärkter Eigenwahrnehmung.<br />

■ Mutmachgeschichte mit dem Ziel, sich intellektuell über<br />

das Medium Sprache mit Konfliktsituationen auseinander<br />

zu setzen.<br />

■ Gefühle-Gesicht basteln mit dem Ziel, dem Gesichtsausdruck<br />

eines Menschen entsprechende Emotionen zu<br />

entnehmen.<br />

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NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

Nach dieser Auftaktveranstaltung, die parallel in beiden<br />

Gr<strong>und</strong>schulen stattfand, bildeten sich unterschiedliche Arbeitsgruppen<br />

sowohl im Kindergartenbereich als auch im<br />

Gr<strong>und</strong>schulbereich, um entsprechend der gefassten Ziele<br />

handlungsorientierte Unterrichtsprojekte zu entwickeln. In<br />

regelmäßigen Sitzungen wurden diese Materialien ausgetauscht<br />

<strong>und</strong> über gemachte Erfahrungen berichtet. Auf diese<br />

Art entstanden viele Projektideen für den Kindergarten <strong>und</strong><br />

Unterrichtsmaterialien für die Klassen 1-4. Im Kindergartenbereich<br />

ist das Thema „Ich <strong>und</strong> die anderen“ Schwerpunkt<br />

der Projektarbeit. Gr<strong>und</strong>lage der erarbeiteten Unterrichtsmaterialien<br />

im schulischen Bereich bildet erfahrungsbezogenes,<br />

handlungs- <strong>und</strong> produktorientiertes, ganzheitliches<br />

<strong>und</strong> individuelles Lernen.<br />

Im ersten Schuljahr steht die eigene Person im Mittelpunkt<br />

der Arbeit : Das bin ich. Im zweiten Schuljahr geht<br />

es um Eigenwahrnehmung, Fremdwahrnehmung <strong>und</strong> die<br />

Beziehung zwischen der eigenen Person <strong>und</strong> den anderen.<br />

Bereitschaft zum gegenseitigen Verständnis soll angebahnt<br />

werden. Im dritten Schuljahr soll die gegenseitige Akzeptanz,<br />

der tolerante Umgang miteinander weiter verstärkt<br />

werden. Im vierten Schuljahr ist es Ziel des Unterrichts, den<br />

Wechsel von Perspektiven zu üben, konkret Strategien <strong>und</strong><br />

sprachliche Umgangsformen zu üben, die es erleichtern,<br />

Konflikte konstruktiv zu lösen. Durch das Trainingsprogramm<br />

„Nicht mit mir“ in dieser Jahrgangsstufe lernen <strong>und</strong><br />

üben die Kinder gemeinsam mit einem Polizisten, Gefahren<br />

rechtzeitig zu erkennen, um sie vermeiden zu können. Wenn<br />

die Gefahr nicht vermeidbar ist, dann sollen sie durch dieses<br />

Training in die Lage versetzt werden, eingeübte Handlungsmöglichkeiten<br />

abzurufen, Öffentlichkeit herzustellen<br />

<strong>und</strong> Hilfe einzufordern. Dieses Verhaltenstraining findet in<br />

diesem Schuljahr zum dritten Mal statt <strong>und</strong> wird von jeweils<br />

einem Polizisten des Sachgebietes Prävention des Polizeipräsidiums<br />

Fulda durchgeführt.<br />

Seit Anfang des Jahres 2001 wurden nach <strong>und</strong> nach mit<br />

Kolleginnen beider <strong>Schule</strong>n, deren Schulleiterinnen sowie<br />

Erzieherinnen der Kindergärten die gesteckten Fortbildungsziele<br />

aufgearbeitet (LRS, Dyskalkulie, ADS). Im Bereich<br />

LRS versuchen Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen ihre<br />

präventive Arbeit mit Hilfe des „Würzburger Trainingsprogramms<br />

zur sprachlichen Förderung“ zu intensivieren. Seit<br />

2003 wurden mit der „Differenzierungsprobe“ von Breuer-<br />

Weuffen mögliche „Risiko-Kinder“ erfasst, mit Hilfe des<br />

Würzburger Trainingsprogramms wurde versucht, Defizite<br />

21


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

des phonologischen Bewusstseins aufzuarbeiten <strong>und</strong> am<br />

Ende der ersten Klasse wurde der genormte WRT1+ durchgeführt,<br />

um die Ergebnisse der präventiven Maßnahme zu<br />

evaluieren. Auf Gr<strong>und</strong> der sehr positiven Ergebnisse (die<br />

Risiko-Kinder belegten nicht mehr wie bisher die unteren<br />

Plätze im Prozentrang des Rechtschreibtests <strong>und</strong> landeten<br />

damit automatisch im LRS-Förderkurs, sondern verteilten<br />

sich auf alle Prozentrangbänder) wurde beschlossen, diese<br />

Maßnahme im Jahr 2004 wieder in den jeweiligen Gruppen<br />

mit Vorschulkindern bzw. Kindern der ersten Schuljahre<br />

durchzuführen.<br />

Kolleginnen beider <strong>Schule</strong>n nahmen nach dem Mediationsbasistraining<br />

an der Weiterbildung des HeLP (jetzt AfL)<br />

Kassel zur Ausbildung „Interaktionstraining“ teil. Ziel dieses<br />

Trainings ist es, auf das Miteinander in einer Klasse positiv<br />

einzuwirken <strong>und</strong> Außenseiterrollen vermeiden zu helfen.<br />

In dieses Training ist der „ganze Lernende“ einbezogen,<br />

seine Gedanken, Gefühle, Kenntnisse <strong>und</strong> seine Neugier,<br />

insbesondere auch sein Spieltrieb. Dieses Interaktionstraining<br />

bildet einen ganz wesentlichen Kern unserer Arbeit im<br />

Gr<strong>und</strong>schulbereich. Im Anschluss an eine mehrtägige Fortbildung<br />

„Kollegiale Fallberatung“ organisierte sich eine Arbeitsgruppe<br />

aus mehreren Kolleginnen beider <strong>Schule</strong>n, die<br />

sich im 4-wöchigen Rhythmus regelmäßig zur Kollegialen<br />

Fallberatung trifft. Diese Sitzungen wurden in der Anfangsphase<br />

von der Supervisorin begleitet, die die Fortbildung geleitet<br />

hatte. Diese Kollegiale Fallberatung führte zu einem<br />

besseren Verstehen von schwierigen Interaktionen im schulischen<br />

Alltag durch Herausarbeitung neuer <strong>und</strong> vielfältiger<br />

Sichtweisen <strong>und</strong> somit zur möglichen Erarbeitung von Lösungswegen.<br />

Dabei erfuhr die eigene Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />

Problemlösungskompetenz eine wesentliche Steigerung <strong>und</strong><br />

die Kolleginnen empfanden emotionale Entlastung als große<br />

Hilfe (Vorbeugung gegen Schulfrust <strong>und</strong> Burnout).<br />

Eine ganztägige Fortbildung, an der sich wiederum aus<br />

allen beteiligten Institutionen Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<br />

zusammenfanden, r<strong>und</strong>ete die Fortbildungsreihe „Beratung<br />

in der <strong>Schule</strong>“ ab. Abschließend fand dann noch Ende<br />

des Jahres ein Wochenendseminar mit den Themenschwerpunkten<br />

„Teufelskreis von Lern- <strong>und</strong> Leistungsstörungen“,<br />

„Gewalt erzeugt Gegengewalt“ <strong>und</strong> „Süchtiges Verhalten“<br />

statt.<br />

Feste Bestandteile für unsere weitere Arbeit im Netzwerk<br />

bilden nun regelmäßig stattfindende Elterninformationsa-<br />

bende, ein gemeinsamer Projekttag von Kindergärten <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schule (wird inzwischen von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeitern der Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen organisiert),<br />

regelmäßige Arbeit mit den handlungsorientierten Unterrichtsmaterialien,<br />

das Verhaltenstraining „Nicht mit mir“<br />

für die 4. Klassen der Gr<strong>und</strong>schulen, regelmäßiges Interaktionstraining<br />

im schulischen Bereich, Kollegiale Fallberatung<br />

im Vier-Wochen-Rhythmus <strong>und</strong> zwei jährliche Sitzungen am<br />

„R<strong>und</strong>en Tisch“.<br />

■ Wer mitmacht: Die Kooperationspartner<br />

Von Beginn an haben die verschiedenen Institutionen<br />

ihre Kompetenz in die Konzeptarbeit <strong>und</strong> deren Umsetzung<br />

eingebracht. Beteiligt sind bzw. waren:<br />

■ Beratungslehrerin beim Staatlichen Schulamt Bad Hersfeld/Rotenburg<br />

■ Schulpsychologischer Dienst beim Staatlichen Schulamt<br />

Bad Hersfeld/Rotenburg<br />

■ Mitarbeiterinnen des Jugendamtes Bad Hersfeld<br />

■ Mitarbeiter des Frühförderzentrums am Kreiskrankenhaus<br />

Bad Hersfeld<br />

■ Mitarbeiter vom Diakonischen Werk in Bad Hersfeld<br />

■ Mitarbeiter der Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrischen Institutsambulanz<br />

der Klinik Marburg<br />

■ Verhaltenstherapeutin<br />

■ Heilpädagogin<br />

Dieser Kreis traf sich erstmals im Mai 2000. Seither finden<br />

jährlich 2 Sitzungen statt, an denen auch regelmäßig<br />

Vertreter der Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen sowie die jeweiligen<br />

Leiterinnen teilnehmen. Zunächst stellten sich alle<br />

außerschulischen Institutionen mit ihrer Arbeit vor. Inzwischen<br />

finden Sitzungen zu gemeinsam beschlossenen Themen<br />

statt. Daraus ergeben sich jeweils neue Schwerpunkte<br />

für Elternarbeit, die von den außerschulischen Partnern getragen<br />

wird.<br />

■ Was die gemeinsame Arbeit im Netzwerk<br />

bewirkt: Die Evaluation<br />

Folgende Wirkungen bzw. Nebenwirkungen ergaben sich<br />

durch die Netzwerkarbeit:<br />

22 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

■ Durch die regelmäßige gemeinsame Arbeit entstanden<br />

viele nützliche Arbeitsbeziehungen zwischen den einzelnen<br />

Partnern, Schwellenängste wurden überw<strong>und</strong>en,<br />

gegenseitiger Respekt verstärkte sich, Gesprächsbereitschaft<br />

untereinander wuchs, Hilfe von außen zu holen<br />

wurde ein „normaler“ Arbeitsvorgang.<br />

■ Durch die geplante <strong>und</strong> gezielt durchgeführte Fort- bzw.<br />

Weiterbildung der Lehrer/Innen <strong>und</strong> Erzieher/Innen kann<br />

mit Konflikten <strong>und</strong> auffälligen Kindern viel konstruktiver<br />

umgegangen werden <strong>und</strong> gezieltere Fördermaßnahmen<br />

eingeleitet werden.<br />

■ Durch die vom Kindergarten bis zur Jahrgangsstufe 4<br />

umgesetzten Unterrichtsprojekte können die Kinder ihrer<br />

jeweiligen Altersstufe entsprechend Konflikte möglichst<br />

konstruktiv mit dem Gegenüber lösen.<br />

■ Gemeinsame Projekttage halten den Kontakt zwischen<br />

den Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen am Leben.<br />

■ Durch die Einbeziehung der Eltern wird der Arbeit mehr<br />

Nachdruck verliehen.<br />

■ Elternhaus, <strong>Schule</strong> sowie die jeweiligen Kooperationspartner<br />

arbeiten an der konkreten Umsetzung gemeinsamer<br />

Ziele.<br />

Nach ca. 4 Jahren gemeinsamer Arbeit stellen wir fest:<br />

■ Die Gewaltbereitschaft hat signifikant abgenommen. Die<br />

Kinder sind viel besser in der Lage, Konflikte verbal auszutragen,<br />

Ausgrenzungen von Kindern werden seltener,<br />

Gesprächsbereitschaft hat wesentlich zugenommen.<br />

■ Die von den Mitarbeiter/Innen der Kindergärten <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schulen absolvierten Fortbildungen wirken sich<br />

auf den Arbeitsalltag sehr positiv <strong>und</strong> entlastend aus.<br />

■ Durch die gemeinsame Arbeit im Netzwerk entstanden<br />

mehr Teamgeist, Selbstbewusstsein <strong>und</strong> Eigenverantwortlichkeit<br />

unter den Mitarbeiter/Innen.<br />

■ Was kommt: Ausblick <strong>und</strong> Kontakt<br />

Ziele des Konzeptes <strong>und</strong> einzelne Bausteine haben sich<br />

inzwischen in den „normalen“ Schul- bzw. Kindergartenalltag<br />

integriert <strong>und</strong> sind fester Bestandteil der Arbeit geworden.<br />

Immer wiederkehrende gemeinsame Aktivitäten verhindern,<br />

dass sich ursprünglich gesetzte Ziele im Laufe der<br />

Zeit verwässern bzw. im Sande verlaufen. Dadurch bleibt<br />

die Arbeit im Netzwerk lebendig, eine stetige Weiterentwicklung<br />

der Arbeit ist so möglich.<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

Von Seiten der Kindergärten <strong>und</strong> <strong>Schule</strong>n besteht der<br />

Wunsch zu intensiverer Zusammenarbeit bei der Einzelfallberatung<br />

auffälliger Kinder. Dabei wurde bereits in der Vergangenheit<br />

klar, dass folgendes Problem zu überwinden ist:<br />

<strong>Schule</strong> erlebt Kinder in der Gruppe, außerschulische Institutionen<br />

haben es immer mit dem einzelnen Kind zu tun <strong>und</strong><br />

erleben dieses Kind nicht in der Gruppe Gleichaltriger. Daraus<br />

entstehen oft unterschiedliche Einschätzungen <strong>und</strong> die<br />

Notwendigkeit von Fördermaßnahmen wird unterschiedlich<br />

bewertet. Hier müssten Strukturen geschaffen werden, um<br />

diese Problematik aufzuarbeiten. Bei der weiteren Arbeit ist<br />

daran gedacht, schwerpunktmäßig zum Bereich <strong>Sucht</strong>verhalten<br />

– Essverhalten – ges<strong>und</strong>e Ernährung zu arbeiten.<br />

■ AnsprechpartnerInnen<br />

Ansprechpartnerinnen für das Netzwerk sind:<br />

● Ursel Schwarze<br />

Kolibri-<strong>Schule</strong>, Schulstr. 2, 36251 Bad Hersfeld<br />

E-Mail: Kolibri-<strong>Schule</strong>@t-online.de<br />

● Gudrun Faber-Döring<br />

Gr<strong>und</strong>schule An der Sommerseite, Meisebacher Str. 125,<br />

36251 Bad Hersfeld<br />

E-Mail: gs-an-der-sommerseite@bad-hersfeld.schule.<br />

hessen.de<br />

■ <strong>Schule</strong>n<br />

Kolibri-<strong>Schule</strong><br />

Gr<strong>und</strong>schule An der Sommerseite<br />

■ Kindergärten<br />

Evangelischer Kindergarten Eichhof, Eichhofplatz 5,<br />

36251 Bad Hersfeld<br />

Katholische Kindertagesstätte Zu den Heiligen Aposteln,<br />

Wilhelm-Engelhardt-Str. 32, 36251 Bad Hersfeld<br />

Kindertagesstätte Martinskirche, Schlippental 39,<br />

36251 Bad Hersfeld<br />

■ Weitere Beteiligte<br />

Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention in Bad Hersfeld<br />

SMOG, Polizeipräsidium Osthessen in Fulda<br />

23


Auf dem Weg zur<br />

ges<strong>und</strong>heitsfördernden <strong>Schule</strong><br />

Die Aliceschule ist eine der fünf beruflichen<br />

<strong>Schule</strong>n in der Universitätsstadt Gießen. Sie liegt<br />

am westlichen Stadtrand von Gießen <strong>und</strong> wird<br />

zurzeit von ca. 1000 Schülerinnen, Schülern <strong>und</strong><br />

Studierenden besucht.<br />

Die Aliceschule ist bereits 1878 auf Initiative der Großherzogin<br />

Alice von <strong>Hessen</strong>-Darmstadt als Hauswirtschaftsschule<br />

für junge Frauen gegründet worden. Auch heute noch<br />

hat die <strong>Schule</strong> einen recht hohen Frauenanteil.<br />

Die Aliceschule bietet an:<br />

● die TZ- Berufsschule für Auszubildende im Bäcker-,<br />

Fleischer- <strong>und</strong> Friseurhandwerk,<br />

● die Besonderen Bildungsgänge (Berufsvorbereitungsjahr,<br />

Jungarbeiterklassen, EIBE = Eingliederungslehrgänge in<br />

die Berufs- <strong>und</strong> Arbeitswelt),<br />

● das Berufsgr<strong>und</strong>bildungsjahr,<br />

● die Berufsfachschule <strong>und</strong> die Höhere Berufsfachschule,<br />

● das Berufliche Gymnasium in der Fachrichtung Ernährung<br />

<strong>und</strong> Hauswirtschaft,<br />

● die Fachschulen für Sozialpädagogik <strong>und</strong> für Heilpäda-<br />

gogik.<br />

Die Ausbildungsschwerpunkte Ernährung, Körperpflege<br />

<strong>und</strong> Sozialpädagogik erfordern eine vertiefte inhaltliche<br />

Auseinandersetzung r<strong>und</strong> um das Thema Ges<strong>und</strong>heit, wobei<br />

hier der Begriff in einem erweiterten bzw. ganzheitlichen<br />

Sinne verstanden werden soll:<br />

Ernährung <strong>und</strong> Körperpflege vermitteln nicht nur den ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Aspekt, sondern haben immer auch etwas mit<br />

Ästhetik, Genuss <strong>und</strong> sinnlicher Wahrnehmung zu tun.<br />

Um am Beispiel zu bleiben: Essen <strong>und</strong> Schönheit können<br />

zur <strong>Sucht</strong> werden. Der Unterricht muss sich in den jeweiligen<br />

Schwerpunkten auch mit den sog. dunklen Seiten der<br />

Thematik auseinandersetzen.<br />

Die Studierenden der Fachschule für Sozialpädagogik<br />

haben eine doppelte Verantwortung für den Bereich der<br />

Ges<strong>und</strong>heitserziehung sowie auch der <strong>Sucht</strong>- <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong>.<br />

Hier gilt es, die Studierenden zunächst zu einer<br />

eigenen Auseinandersetzung herauszufordern, um sie für<br />

ihre verantwortungsvolle Aufgabe als künftige Erzieher <strong>und</strong><br />

Erzieherinnen vorzubereiten.<br />

■ Was wurde bisher an der Aliceschule im<br />

Bereich <strong>Sucht</strong>prävention angeboten?<br />

Zunächst möchten wir kurz unsere Arbeit als <strong>Sucht</strong>präventionslehrerinnen<br />

an der Aliceschule vorstellen:<br />

● Um ein möglichst breites Schülerklientel zu erreichen,<br />

haben wir eine Präventionswoche für die gesamte <strong>Schule</strong><br />

organisiert. Die Schülerinnen, Schüler <strong>und</strong> Studierenden<br />

aus allen Schulformen hatten die Möglichkeit an Workshops,<br />

Gesprächskreisen, Vorträgen <strong>und</strong> Mitmachaktionen<br />

teilzunehmen. Eingeb<strong>und</strong>en waren die Fachstelle für<br />

<strong>Sucht</strong>prävention, Erziehungsberatungsstellen, der Deutsche<br />

Kinderschutzb<strong>und</strong>, Wildwasser, die AIDS-Hilfe,<br />

Selbsthilfegruppen für alkoholkranke Menschen, Ärzte<br />

<strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>kranke sowie die Krankenkassen mit Infoständen.<br />

An einem Fahrsimulator des ADAC konnten volljährige<br />

Schüler <strong>und</strong> Studierende die Auswirkungen des<br />

Autofahrens unter Alkoholeinfluss erleben.<br />

● Die jährlich stattfindende Projektwoche haben wir seit<br />

2002 dazu genutzt, mit einer Gruppe von ca. 15-20 Teilnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Teilnehmern fünf Tage intensiv zum<br />

Thema <strong>Sucht</strong>- <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong> mit all seinen Facetten<br />

zu arbeiten.<br />

● In einem Theaterprojekt mit dem Titel <strong>Sucht</strong> & Sehn<strong>Sucht</strong><br />

stand Selbsterfahrung mit den Mitteln des darstellenden<br />

24 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Spiels im Vordergr<strong>und</strong>. Am Ende der Woche haben die<br />

Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer ihre „Sehnsuchtsstücke“<br />

am Tag der offenen Tür einem breiten Publikum<br />

vorgestellt.<br />

● Unter der Fragestellung: „Bin ich schön?“ wurden Aspekte<br />

der Körperselbst- <strong>und</strong> Fremdwahrnehmung besonders<br />

intensiv beleuchtet. Am Erfahrungshorizont der<br />

Schüler (innen) <strong>und</strong> Studierenden anknüpfende Impulse<br />

sollten die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer dazu anregen,<br />

sich mit dem eigenen Selbstbild zu beschäftigen. Im<br />

Verlauf des Projektes wurde der Fokus auf die Problematik<br />

der Essstörungen gelenkt.<br />

● Ein weiteres Angebot innerhalb der Projektwoche richtete<br />

sich an Studierende innerhalb der Fachschule für<br />

Sozialpädagogik. Drei Schwerpunkte standen hierbei im<br />

Vordergr<strong>und</strong>:<br />

- Förderung der Ich-Stärke bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

- Erstkontakte mit relevanten Fachstellen <strong>und</strong> deren<br />

Konzeption<br />

- Biographiearbeit mit betroffenen abhängigen Menschen.<br />

■ In der Fachschule für Sozialpädagogik wurde im Rahmen<br />

des regulären Wahlpflichtunterrichts mit dem Schwerpunkt:<br />

„Sozialpädagogische Arbeit im außerschulischen<br />

Bereich“ ein Schulhalbjahr mit vier Wochenst<strong>und</strong>en<br />

zum Thema <strong>Sucht</strong>prävention gearbeitet. Titel des Wahlpflichtfachs<br />

war, nach dem gleichnamigen Buch von E.<br />

Schiffer, „Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde“.<br />

Folgende Themen standen im Mittelpunkt:<br />

- Pubertät/Adoleszenz<br />

- Selbsterfahrungsübungen<br />

- medizinisch-biologische Wirkung von stoffgeb<strong>und</strong>enen<br />

<strong>und</strong> stoffungeb<strong>und</strong>enen <strong>Sucht</strong>mitteln<br />

- Kontakt zu Fachstellen<br />

- Biographiearbeit<br />

- Übung von Ernstsituationen in Rollenspielen<br />

■ Was wollen wir im nächsten Schuljahr<br />

erreichen?<br />

Aus einem pädagogischen Tag (ges<strong>und</strong>heitsfördernde<br />

<strong>Schule</strong>) hat sich ein Team von Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen<br />

aus allen Schulformen zusammengef<strong>und</strong>en. In dieser Kon-<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

stellation möchten wir ein schulformübergreifendes Konzept<br />

zur <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> Sexualpädagogik für unsere <strong>Schule</strong><br />

erarbeiten. Unser Anliegen ist eine stärkere Vernetzung der<br />

Abteilungen unter einem fächerübergreifenden Aspekt, um<br />

eine breite Schüler- <strong>und</strong> Studierendenschaft zu erreichen.<br />

● Schülerorientierte Angebote zur <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong><br />

Sexualpädagogik im Regelunterricht (ergänzend: Projekte,<br />

fächerverbindende Angebote, regelmäßiges Informations-<br />

<strong>und</strong> Beratungsangebot für Schülerinnen, Schüler<br />

<strong>und</strong> Lehrkräfte)<br />

● Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung eines auf Nachhaltigkeit<br />

angelegten Unterrichtskonzepts. Der Themenkomplex<br />

mit dem Titel „Forum für Fragen zu <strong>Sucht</strong> <strong>und</strong> Sexualität“<br />

wird von einem Lehrerpool, bestehend aus einer<br />

gemischtgeschlechtlichen Gruppe von Lehrern <strong>und</strong><br />

Lehrerinnen, die alle Schulformen abdecken, angeleitet.<br />

Diese Gruppe setzt sich aus Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

zusammen, die am pädagogischen Tag zu diesem Thema<br />

gearbeitet haben<br />

● Vertrauensvolle Zusammenarbeit <strong>und</strong> Beratung von<br />

Kollegen/innen <strong>und</strong> Schulleitung<br />

● Organisation von Fortbildungen<br />

● Flexibilität bei der Hilfe in schwierigen, akuten Situatio-<br />

nen<br />

● Gute Kontakte zu außerschulischen Einrichtungen <strong>und</strong><br />

zur Schülervertretung<br />

Nahziel: Die Organisation eines Aktionstages, unter dem<br />

Motto „Alltagssüchte“ (Rauchen – Essen – Alkohol), möglichst<br />

im ersten Halbjahr des neuen Schuljahres, wird derzeit<br />

von uns in Angriff genommen.<br />

<strong>Sucht</strong>verhalten <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>mittelkonsum sind Kennzeichen<br />

unserer Gesellschaft <strong>und</strong> machen auch vor der <strong>Schule</strong><br />

nicht Halt. In einer beruflichen <strong>Schule</strong> haben wir es mit<br />

Schülerinnen, Schülern <strong>und</strong> Studierenden zu tun, die sich in<br />

einem Alter befinden, in dem viele von ihnen bereits Erfahrungen<br />

mit <strong>Sucht</strong>mitteln gesammelt haben. Darüber hinaus<br />

begegnet uns auch stoffungeb<strong>und</strong>enes <strong>Sucht</strong>verhalten. Neben<br />

stoffgeb<strong>und</strong>enem <strong>Sucht</strong>verhalten begegnen uns in einer<br />

<strong>Schule</strong> mit einem hohen Frauenanteil immer wieder stoffungeb<strong>und</strong>ene<br />

<strong>Sucht</strong>probleme.<br />

<strong>Sucht</strong>präventionslehrerinnen:<br />

Anke Röse <strong>und</strong> Sigrid Stanzel<br />

25


Rauchfrei durch die <strong>Schule</strong><br />

(RaddS)<br />

ein Kooperationsprojekt für alle <strong>Schule</strong>n in<br />

Frankfurt am Main<br />

■ Die Idee<br />

Rauchfrei durch die Schulzeit – das ist eine Idee, die sich<br />

mit dem Projekt „RaddS“ in Frankfurt verbinden lässt. Beim<br />

Eintritt in die Gr<strong>und</strong>schule sind die Kinder natürlich noch<br />

rauchfrei, <strong>und</strong> wenn sie aus einer städtischen Kindertageseinrichtung<br />

in Frankfurt kommen, dann kommen sie auch<br />

aus einer rauchfreien KiTa, denn hier gilt schon seit einigen<br />

Jahren ein striktes Rauchverbot. Nun durchlaufen sie die<br />

vielen Jahre ihrer Schulzeit, <strong>und</strong> wenn sie dann stolz mit<br />

ihrem Abschluss die <strong>Schule</strong> verlassen, sind sie immer noch<br />

rauchfrei. Wenn man an alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler denkt,<br />

wird man etwas bescheidener sagen: „Rauchfrei durch die<br />

<strong>Schule</strong>“ bedeutet, dass die <strong>Schule</strong> dazu beitragen will, dass<br />

weniger Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler während ihrer Schulzeit<br />

mit dem Rauchen beginnen, dass sie wenn überhaupt, dann<br />

möglichst lange nicht rauchen, wenn sie überhaupt rauchen,<br />

weniger rauchen <strong>und</strong> schließlich, wenn sie rauchen, das<br />

Rauchen wieder einstellen oder reduzieren können. Wer diese<br />

Idee mit trägt, wird sie natürlich auf die Lehrerinnen <strong>und</strong><br />

Lehrer, das nicht unterrichtende Personal an der <strong>Schule</strong> <strong>und</strong><br />

vielleicht auch auf die Eltern übertragen wollen. In jedem<br />

Fall wird an so einer <strong>Schule</strong> gelernt, welche Bedeutung der<br />

Schutz der Nichtraucherinnen <strong>und</strong> Nichtraucher hat <strong>und</strong> die<br />

Bereitschaft gestärkt, sich für Nichtraucherschutz an den unterschiedlichsten<br />

Orten einzusetzen.<br />

Als Projektzweck liest sich das dann so:<br />

Ausgangspunkt des Projektes ist der hohe Raucheranteil<br />

bei den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, die in der Phase zwischen<br />

12-15 Jahren entscheiden, ob sie Nichtraucher bleiben<br />

oder Raucher werden.<br />

Die Motivation der rauchenden Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler,<br />

Lehrkräfte <strong>und</strong> des Schulpersonals für den Ausstieg aus<br />

dem Rauchen soll gefördert <strong>und</strong> Hilfestellungen für den<br />

Ausstieg angeboten werden. Ziel des Projektes ist es, den<br />

Raucheranteil bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, Lehrkräften<br />

<strong>und</strong> beim Schulpersonal zu verringern, außerdem die Bereitschaft<br />

zur Einhaltung von Rauchverboten <strong>und</strong> des Nichtraucherschutzes<br />

zu erhöhen.<br />

Zunächst einige Informationen zur Ausgangslage <strong>und</strong><br />

zur Projektgruppe.<br />

■ Ausgangslage<br />

Ende 2002 wurde durch unterschiedliche Studien deutlich,<br />

dass entgegen des allgemeinen Trends in der Gesamtbevölkerung,<br />

das Rauchverhalten bei Jugendlichen <strong>und</strong> besonders<br />

bei jungen Frauen zunimmt. Auch die ersten Ergebnisse<br />

der Frankfurter Schülerbreitenbefragung im Rahmen der<br />

MoSyD-Studie wiesen in diese Richtung, auch wenn in den<br />

ersten Studienjahren noch keine Trends erkennbar sind <strong>und</strong><br />

unterschiedliche Untersuchungsmethoden verschiedener<br />

Studien Vergleichsaussagen nur begrenzt zulassen. In der<br />

Frankfurter Schülerbefragung führen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeiter der Universität die Interviews in den <strong>Schule</strong>n<br />

durch, die Daten der Drogenaffinitätsstudie werden mit Hilfe<br />

von Telefoninterviews gewonnen.<br />

Die Vorstellung des Programms „Rauchfreie <strong>Schule</strong>“ auf<br />

der landesweiten Dienstbesprechung der Fachberaterinnen<br />

<strong>und</strong> Fachberater für <strong>Sucht</strong>prävention durch den Referenten<br />

im B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsministerium Herrn Dr. Schoppa Anfang<br />

2003 führte im Staatlichen Schulamt zu Überlegungen,<br />

Frankfurter <strong>Schule</strong>n ein Unterstützungsangebot für Wege<br />

26 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


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SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

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Abb.1: Zigarettenkonsum von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />

der Klasse 10 – 12 der allgemein bildenden <strong>Schule</strong>n (AS)<br />

sowie der beruflichen <strong>Schule</strong>n nach Jahrgängen (BS).<br />

zur rauchfreien <strong>Schule</strong> an zu bieten. Dies führte zur Bildung<br />

einer Projektgruppe aus Stadtges<strong>und</strong>heitsamt, der regionalen<br />

Präventionsfachstelle <strong>und</strong> dem Staatlichen Schulamt auf der<br />

Ebene der Stadt Frankfurt.<br />

■ Die Projektgruppe<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage der Weilburger Erklärung von 1997<br />

besteht seit vielen Jahren eine intensive Zusammenarbeit<br />

zwischen der Fachberatung für <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> der<br />

örtlichen Präventionsfachstelle. Von Seiten der städtischen<br />

Institutionen ist in Frankfurt das Stadtges<strong>und</strong>heitsamt für<br />

die Problematik legaler <strong>Sucht</strong>mittelabhängigkeit zuständig,<br />

während das Drogenreferat der Stadt seine Arbeit auf den<br />

Bereich der illegalen Drogen konzentriert.<br />

Daher wurde die Projektgruppe von drei Partnern gebildet:<br />

1. Stadt Frankfurt am Main, Stadtges<strong>und</strong>heitsamt, Abteilung<br />

Psychiatrie <strong>und</strong> Abhängigkeitserkrankungen (Federführung)<br />

2. Fachstelle Prävention im Verein Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe<br />

(vae) e.V.<br />

3. Staatliches Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main<br />

Fachberatung für <strong>Sucht</strong>prävention im Arbeitsfeld <strong>Schule</strong><br />

& Ges<strong>und</strong>heit<br />

Damit steht ein multiprofessionelles Team für die Arbeit<br />

mit den <strong>Schule</strong>n zur Verfügung, deren Institutionen in<br />

Frankfurt in ein dichtes Netzwerk der Primär- <strong>und</strong> Sekun-<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

därprävention eingeb<strong>und</strong>en sind, was auch für dieses Projekt<br />

äußerst hilfreich ist. Das Projekt wurde vom zuständigen<br />

Dezernenten für Ges<strong>und</strong>heit, Brandschutz, Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Recht genehmigt. Über den Projektverlauf wird im Ges<strong>und</strong>heitsausschuss<br />

der Stadtverordnetenversammlung berichtet.<br />

■ Projektverlauf<br />

■ Erste Phase 2003 – 2004<br />

In der ersten Projektphase wurde das Konzept <strong>und</strong> insbesondere<br />

in Zusammenarbeit mit dem CENTRE FOR DRUG<br />

RESEARCH (CDR) der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

ein Evaluationsmodul für die <strong>Schule</strong>n erstellt.<br />

Am 04.03.2004 wurde das Projekt im Rahmen einer<br />

Vollversammlung der Beratungslehrkräfte allen Frankfurter<br />

<strong>Schule</strong>n vorgestellt <strong>und</strong> dafür geworben, auf den Weg zur<br />

rauchfreien <strong>Schule</strong> zu gehen.<br />

In einer Folgeveranstaltung am 13.05.2004 wurde für<br />

den Kreis ernsthaft interessierter <strong>Schule</strong>n (ca. 30) im ersten<br />

Teil die Planung <strong>und</strong> Umsetzung des Projektes „Rauchfreie<br />

<strong>Schule</strong>“ an der Theodor-Haubach-Oberschule in Berlin<br />

durch Herrn. H. Kaufmann, Lehrer <strong>und</strong> Bezirkskoordinator<br />

für <strong>Sucht</strong>prophylaxe (Berlin-Tempelhof / Schöneberg) vorgestellt.<br />

Der zweite Teil bestand aus getrennten Workshops<br />

zu empfehlenswerten Maßnahmen <strong>und</strong> Projekten an Gr<strong>und</strong>schulen<br />

oder weiterführenden <strong>Schule</strong>n.<br />

Bis zum Jahresende 2004 hatte die Franz-Böhm-<strong>Schule</strong>,<br />

eine Berufliche <strong>Schule</strong>, als erste <strong>Schule</strong> ihre Teilnahme am<br />

Projekt „Rauchfreie <strong>Schule</strong>“ verbindlich erklärt <strong>und</strong> zugesagt,<br />

die Befragung durchzuführen. Durch finanzielle Unterstützung<br />

des Stadtges<strong>und</strong>heitsamtes war es zum Beginn<br />

des Schuljahrs 2004/2005 möglich, die Zahl der Gr<strong>und</strong>schulenklassen,<br />

die das Projekt „Klasse 2000“ durchführen auf<br />

91 zu vervierfachen. Die Anfragen zur Unterstützung bei<br />

weiteren Präventionsprojekten stieg ebenfalls stark an <strong>und</strong><br />

das Stadtges<strong>und</strong>heitsamt übernahm die Federführung für den<br />

Wettbewerb „Be Smart – Don’t Start“.<br />

Insofern waren die Projektziele der ersten Phase erreicht,<br />

als das gesetzliche Rauchverbot im neuen Hessischen Schulgesetz<br />

zum 1. Januar 2005 in Kraft trat.<br />

27


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

■ Zweite Phase 2005 – 2006<br />

Die Projektgruppe war in ihrer Planung davon ausgegangen,<br />

dass das Hessische Kultusministerium kein generelles<br />

Rauchverbot plane <strong>und</strong> die <strong>Schule</strong>n freiwillig über die Regelungen<br />

des Erlasse über das Rauchen in der <strong>Schule</strong> von 1997<br />

hinausgehen müssten. Die Rauchfreiheit im engeren Sinne<br />

muss nun aber von allen <strong>Schule</strong>n nach der Übergangszeit bis<br />

zum 1. August 2005 erreicht werden.<br />

Da die Projektgruppe in Frankfurt am Main die Einrichtung<br />

einer schulischen Rauchverbotszone in Übereinstimmung<br />

mit dem Hessischen Kultusministerium nur für ein<br />

Element einer umfassenden Tabakprävention in der <strong>Schule</strong><br />

ansieht, wurden die Projektziele dahingehend angepasst <strong>und</strong><br />

der Projektname in „Rauchfrei durch die <strong>Schule</strong>“ geändert.<br />

Angebote für die <strong>Schule</strong>n sind nun:<br />

■ die Beratung <strong>und</strong> Moderation von schulischen Arbeitsgruppen<br />

<strong>und</strong> Qualitätszirkeln<br />

■ die Motivation bei möglichen Schwierigkeiten<br />

■ schulische Maßnahmen (z.B. Schulische <strong>Sucht</strong>vereinbarung<br />

als Gesamtkonzept)<br />

■ die Anregung <strong>und</strong> Förderung individueller Aktionen<br />

■ die Vermittlung von Präventionsprojekten<br />

■ die Vermittlung von Hilfsangeboten für Gruppen <strong>und</strong><br />

Einzelne (z.B. Diagnostik <strong>und</strong> Therapie, Krisenintervention,<br />

Elternberatung)<br />

■ Evaluation<br />

Wichtigste Bedingung für die Unterstützung von Seiten<br />

der Projektgruppe ist die Einrichtung der Arbeitsgruppe<br />

„rauchfrei“, die im Idealfall die in Abbildung 3 dargestellte<br />

Besetzung haben könnte. Das Stadtges<strong>und</strong>heitsamt informierte<br />

nach den Osterferien 2005 alle <strong>Schule</strong>n über diese<br />

Angebote der Projektgruppe. In Frankfurt werden Raucherentwöhnungskurse<br />

von der Fachstelle Prävention im Verein<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe (vae) e.V. <strong>und</strong> dem Verein Jugendberatung<br />

<strong>und</strong> Jugendhilfe JJ e.V. sowohl für Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler wie für Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer nach dem<br />

10-Schritte Modell der BZgA angeboten. Es fehlen aber<br />

evaluierte Programme speziell für Jugendliche.<br />

Die Fachstelle Prävention im Verein Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe<br />

(vae) e.V. plant darüber hinaus Informationsveranstaltungen<br />

zu Möglichkeiten der „Punktrauchheit“ im<br />

Abb.2: Im Dezember 2004 wurde das Projekt im Rahmen<br />

der Posterpräsentationen auf der 2. Deutschen Tabakkontrollkonferenz<br />

im Krebsforschungszentrum in Heidelberg<br />

vorgestellt.<br />

Sinne eines kontrollierten Rauchverhaltens, das den Verzicht<br />

auf das Rauchen während des Schultages ermöglicht.<br />

Noch in diesem Kalenderjahr erhalten alle Frankfurter<br />

Beratungslehrkräfte in Zusammenarbeit mit dem Verein Jugendberatung<br />

<strong>und</strong> Jugendhilfe JJ e.V. eine Gr<strong>und</strong>ausbildung<br />

in Motivierender Gesprächsführung nach Miller <strong>und</strong> Rollnick<br />

als Gr<strong>und</strong>lage für den Anti-Rauch-Kurs. Aus den sek<strong>und</strong>är-<br />

bzw. tertiärpräventiven Projekten (Frühintervention für<br />

erstauffällige Drogenkonsumenten, FreD; dem Alkoholprojekt<br />

Hart am Limit, HaLt; sowie der Arzneimittelstudie zur<br />

kontrollierten Heroinvergabe) verfügen Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter von JJ über große Fachkompetenz in dieser<br />

Gesprächsführungshaltung.<br />

■ Erste Erfahrungen<br />

Die Gespräche insbesondere mit den Beratungslehrkräften<br />

in der gegenwärtigen Übergangszeit haben vorrangig<br />

zwei interessante Informationen erbracht. Erstens gibt es in<br />

28 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Aktionsteam „Rauchfrei“<br />

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Abb.3: mögliche Mitglieder des Ges<strong>und</strong>heitszirkels<br />

Frankfurt rauchfreie <strong>Schule</strong>n, die schon lange rauchfrei sind,<br />

ohne dass dies über die <strong>Schule</strong> hinaus bekannt geworden<br />

wäre.<br />

Zweitens: insbesondere an den, aus Sicht der Projektgruppe<br />

schwierigen <strong>Schule</strong>n, nämlich an allen weiterführenden<br />

<strong>Schule</strong>n, an denen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler das Schulgelände<br />

verlassen dürfen, ist die Einführung des Rauchverbots<br />

ohne wahrnehmbare Proteste verlaufen. Man trifft sich<br />

jetzt ganz friedlich draußen. Hier sind nun die bereits oben<br />

angesprochenen Frankfurter Vernetzungen bedeutsam.<br />

Einzelne Maßnahmen, die eine Kooperation mit weiteren<br />

Stellen in der Stadt (z. B. Ordnungsamt / Aktion „Sauberes<br />

Frankfurt“: Eine fallen gelassene Kippe kostet in Frankfurt<br />

20,00 €; verärgerte Bürger wenden sich an die Polizei statt<br />

an die <strong>Schule</strong>) erfordern, werden in der sog. „Montagsr<strong>und</strong>e“<br />

des Drogenreferats abgestimmt. (Die Montagsr<strong>und</strong>e ist<br />

ein von der Oberbürgermeisterin eingesetztes Gremium zur<br />

Beratung des Magistrats in Fragen zur Drogenproblematik.<br />

Regelmäßig findet eine Abstimmung der mit der Drogenproblematik<br />

befassten städtischen Ämter mit der Polizei, der<br />

Staatsanwaltschaft, dem Staatlichen Schulamt <strong>und</strong> Vertretern<br />

der Träger der Frankfurter Drogenhilfe zur Erarbeitung von<br />

Empfehlungen hinsichtlich der Entwicklung der kommunalen<br />

Drogenpolitik <strong>und</strong> entsprechender konkreter Maßnahmen<br />

statt. Der Vorsitz liegt beim Ges<strong>und</strong>heitsdezernenten. Federführung<br />

für die laufenden Geschäfte hat das Drogenreferat.<br />

Mitglieder der Montagsr<strong>und</strong>e sind: Drogenreferat, Dezernat<br />

IX, Rechtsamt, Staatliches Schulamt, Stadtges<strong>und</strong>heitsamt,<br />

Polizeipräsidium Frankfurt, Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt, Ordnungsamt,<br />

Geschäftsstelle des Präventionsrates, Staatsanwaltschaft,<br />

Frauenberatungsstelle <strong>und</strong> „La Strada“.)<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

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NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

Ferner ist das Projekt regelmäßig auf der Tagesordnung<br />

des „AK Jugend – Drogen – <strong>Sucht</strong>prävention“, in dem unter<br />

der Federführung des Drogenreferats aktuelle Präventionsvorhaben<br />

koordiniert werden. Neben den bereits oben<br />

genannten Mitgliedern der Projektgruppe „Radds“ gehören<br />

dem AK Vertreter von Drogenberatungsstellen, Drogennotruf,<br />

Alice-Project, Jugendberatung <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>hilfe am Merianplatz<br />

/ Jugendberatung <strong>und</strong> Jugendhilfe e.V. (JJ) sowie das<br />

Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt / Abt. Jugendschutz an.<br />

Mit dem für das Stadtschulamt zuständigen Dezernat<br />

Bildung, Frauen <strong>und</strong> Umwelt ist die Vereinbarung getroffen<br />

worden, dass zwischen Projektgruppe <strong>und</strong> Schulträger ein<br />

enger Informationsaustausch stattfindet, damit einerseits die<br />

Erfahrungen bezüglich des in Frankfurt am Main bestehenden<br />

Rauchverbots für alle städtischen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeiter in den städtischen Kindertageseinrichtungen <strong>und</strong><br />

den <strong>Schule</strong>n genutzt <strong>und</strong> andererseits eventuell auftretende<br />

Umsetzungsprobleme an den <strong>Schule</strong>n schnell <strong>und</strong> konstruktiv<br />

gelöst werden können.<br />

Schließlich ist das Projekt „Radds“ Gegenstand der Beratungen<br />

der Koordinierungsr<strong>und</strong>e „<strong>Schule</strong> & Ges<strong>und</strong>heit“ des<br />

Staatlichen Schulamts, so dass u.a. auch der Stadtelternbeirat,<br />

der Gesamtpersonalrat der Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer sowie<br />

der Betriebsarzt (BAD) laufend informiert werden <strong>und</strong><br />

beratend mitwirken können.<br />

Nicht zuletzt besteht ein besonderer Kontakt zur Johann<br />

Wolfgang Goethe-Universität. Das Centre for Drug Research<br />

am Institut für Sozialpädagogik u. Erwachsenenbildung, das<br />

für die Stadt Frankfurt am Main die jährliche Schülerbefragung<br />

im Rahmen der „MoSyD-Studie“ (Monitoring System<br />

Drogentrends) durchführt, hat im Auftrag der Projektgruppe<br />

ein Evaluationsmodul für <strong>Schule</strong>n erarbeitet. Es berät die<br />

Projektgruppe bei spezifischen Fragestellungen, wie z.B.<br />

über die Korrelation zwischen Tabakrauchen <strong>und</strong> Cannabiskonsum.<br />

Johannes Lischke<br />

Fachberater für <strong>Sucht</strong>prävention im Arbeitsfeld <strong>Schule</strong> &<br />

Ges<strong>und</strong>heit des Staatlichen Schulamts für die Stadt Frankfurt<br />

am Main<br />

29


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

■ Weitere Informationen<br />

■ Hessisches Kultusministerium:<br />

schule<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit.hessen.de<br />

■ Stadt Frankfurt am Main, Stadtges<strong>und</strong>heitsamt:<br />

www.stadtges<strong>und</strong>heitsamt.stadt-frankfurt.de<br />

(u.a. <strong>Sucht</strong>briefkasten)<br />

■ Fachstelle Prävention im Verein Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe<br />

(vae) e.V., Frankfurt am Main:<br />

www.fachstelle-praevention.de<br />

■ Staatliches Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main:<br />

schulamt.bildung.hessen.de/frankfurt/<br />

■ Jugendberatung <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>hilfe am Merianplatz / Jugendberatung<br />

<strong>und</strong> Jugendhilfe e.V. (JJ)<br />

www.drogenberatung-jj.de<br />

■ Literatur<br />

■ Henner Hess, Brigitte Kolte, Henning Schmidt-Semisch:<br />

Kontrolliertes Rauchen – Tabakkonsum zwischen Verbot<br />

<strong>und</strong> Vergnügen, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau,<br />

2004<br />

(ISBN: 3-7841-1520-9)<br />

■ William R. Miller, Stephan Rollnick, Motivierende Gesprächsführung,<br />

Lambertus-Verlag Freiburg im Breisgau,<br />

2004<br />

(ISBN: 3-7841-1566-7)<br />

■ Frankfurter Schülerbefragungen: Drogentrends in<br />

Frankfurt am Main, Jahresberichte 2002 <strong>und</strong> 2003,<br />

MoSyD (Monitoring-System Drogentrends), Johann<br />

Wolfgang Goethe-Universität, CENTRE FOR DRUG<br />

RESEARCH, im Auftrag des Drogenreferats der Stadt<br />

Frankfurt am Main, www.drogenreferat.stadt-frankfurt.<br />

de (Kurzfassung <strong>und</strong> Bestelladresse)<br />

30 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


Tabakprävention – rauchfreie<br />

Lebenswelten vor Ort<br />

Landesweiter Wettbewerb »<strong>Sucht</strong>prävention – Der<br />

Impuls 2005«<br />

Nach den überaus positiven Erfahrungen mit den ersten<br />

beiden Wettbewerben in der <strong>Sucht</strong>prävention haben<br />

sich die Hessische Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen e.V. (HLS)<br />

<strong>und</strong> die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) erneut<br />

entschlossen, einen landesweiten Wettbewerb in der <strong>Sucht</strong>prävention<br />

durchzuführen. Die Hessische Sozialministerin<br />

Silke Lautenschläger unterstützt den Wettbewerb durch ihre<br />

Schirmherrschaft.<br />

Während der erste landesweite Wettbewerb im Jahr 2003<br />

„<strong>Sucht</strong>prävention – Der Impuls“ in der ganzen Breite der<br />

<strong>Sucht</strong>prävention ausgezeichnet hat, stand im letzten Jahr<br />

mit der Schwerpunktsetzung der „Elternarbeit in der <strong>Sucht</strong>prävention“<br />

zum ersten Mal eine spezifische Zielgruppe im<br />

Mittelpunkt.<br />

In diesem Jahr setzt die Jury mit dem Thema:<br />

„Tabakprävention - rauchfreie Lebenswelten vor Ort“<br />

zum ersten Mal eine spezifische Substanz in den Mittelpunkt.<br />

Diese Themensetzung spiegelt dabei auch eine<br />

wichtige politische Schwerpunktsetzung in dem Bereich der<br />

<strong>Sucht</strong>prävention wieder. Denn das Ziel, den Tabakkonsum<br />

zu reduzieren, ist ein vorrangiges b<strong>und</strong>espolitisches Ges<strong>und</strong>heitsziel,<br />

das auch der Hessische Landtag aufgegriffen hat<br />

u.a. mit einem generellen Rauchverbot an allen hessischen<br />

<strong>Schule</strong>n.<br />

Dies ist ein wichtiger Meilenstein in einer nachhaltigen<br />

<strong>und</strong> systematischen <strong>Sucht</strong>prävention an <strong>Schule</strong>n. Allen Beteiligten<br />

in diesem Prozess, den Tabakkonsum zu reduzieren,<br />

ist dabei deutlich, dass eine erfolgreiche Strategie sich<br />

aus einer Kombination von verhaltens- <strong>und</strong> verhältnisbezogenen<br />

Maßnahmen zusammensetzen muss. Für eine wirk-<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

same Tabakprävention müssen sich vor Ort die Gestaltung<br />

der Lebensräume von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen (z.B. im<br />

Schul- <strong>und</strong> Freizeitbereich, aber auch im Wohnbereich <strong>und</strong><br />

im Wohnumfeld), das Vorbildverhalten im Hinblick auf die<br />

Vermeidung des Tabakkonsums von Eltern <strong>und</strong> Erziehern,<br />

von haupt- <strong>und</strong> ehrenamtlichen Betreuern im Freizeitbereich,<br />

aber auch von allen anderen Erwachsenen so mit den<br />

gesetzgeberischen Maßnahmen auf B<strong>und</strong>esebene <strong>und</strong> den<br />

Entscheidungen im kommunalen Bereich die Durchsetzung<br />

des Nichtrauchens ergänzen, dass das Nichtrauchen zur allgemein<br />

anerkannten <strong>und</strong> erstrebenswerten Verhaltensnorm<br />

wird.<br />

Der Wettbewerb 2005 richtet sich an alle Institutionen,<br />

die Tabakprävention in den Bereichen Kindergarten, <strong>Schule</strong>,<br />

Jugendarbeit <strong>und</strong> Vereine in <strong>Hessen</strong> innovativ umsetzen.Der<br />

Startschuss für den hessenweiten Wettbewerb wurde am 31.<br />

Mai 2005, Weltnichtrauchertag, gegeben.<br />

■ Ziel des Wettbewerbs<br />

Das durchschnittliche Einstiegsalter des Tabakkonsums<br />

liegt in Deutschland bei etwa 13 Jahren. Ein früher Einstieg<br />

in das Rauchen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu,<br />

noch im Erwachsenenalter regelmäßig zu rauchen. Es ist<br />

ein Indikator für den späteren Schweregrad der Abhängigkeit<br />

<strong>und</strong> des Erkrankungsrisikos. Wird im Jugendalter nicht<br />

geraucht, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, später noch<br />

mit dem Rauchen zu beginnen.<br />

Maßnahmen der Verhaltensprävention sind ein wichtiger<br />

Eckpfeiler zur Verhinderung des Einstiegs in das Rauchen.<br />

Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene sowie von den<br />

Gefahren des Rauchens besonders betroffene Bevölkerungs-<br />

31


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

gruppen sind auf differenzierte Weise anzusprechen. Eine<br />

Zunahme des Wissens über die Gefahren des Rauchens <strong>und</strong><br />

der ges<strong>und</strong>heitlichen Vorteile des Nichtrauchens kann über<br />

Informationskampagnen erreicht werden. Für die Ausrichtung<br />

der Maßnahme hat das jeweilige Alter, Geschlecht <strong>und</strong><br />

die soziale Schicht der RaucherInnen eine wesentliche Bedeutung.<br />

Die Bedeutung der Familie sowie das Bild in der Öffentlichkeit<br />

zum Nichtrauchen muss verstärkt bei der Ausrichtung<br />

der Informationskampagnen berücksichtigt werden.<br />

So spielen z.B. Sportereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft<br />

2006 in Deutschland für die öffentliche Akzeptanz<br />

des Nichtrauchens einer hervorgehobene Rolle, die für die<br />

Botschaft einer „rauchfreien“ Weltmeisterschaft genutzt<br />

werden sollte. Ebenso haben gute Beispiele kommunaler<br />

Tabakprävention in Städten <strong>und</strong> Gemeinden einen wichtigen<br />

Vorbildcharakter für andere Kommunen <strong>und</strong> können vor<br />

„Ort“ mehr bekannt gemacht werden. Eine nachhaltige massenmediale<br />

Informationskampagne zum Nichtrauchen ist<br />

ein wichtiger Bestandteil für ein wirksames Programm zur<br />

Reduzierung des Tabakkonsums, die auch die Bedeutung des<br />

Internets als neue Kommunikationsplattform berücksichtigt.<br />

Insbesondere <strong>Schule</strong>n haben als Setting eine wesentliche<br />

Schlüsselfunktion für zielgruppenspezifische Maßnahmen,<br />

da über die <strong>Schule</strong> alle Kinder <strong>und</strong> Jugendliche nachhaltig<br />

erreicht werden können. Weitere Einrichtungen wie Kindertagesstätten,<br />

Jugendfreizeiteinrichtungen, Krankenhäuser<br />

<strong>und</strong> Universitäten sollten in Programme zum Nichtrauchen<br />

einbezogen werden.<br />

Bisherige Bemühungen haben nicht zu einer Verankerung<br />

des Themas „Nichtrauchen“ im Schulbereich geführt.<br />

Flächendeckende <strong>und</strong> übergreifende Konzepte „zur rauchfreien<br />

<strong>Schule</strong>“ können im Rahmen des Ansatzes „<strong>Schule</strong><br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ als wesentlicher Ansatzpunkt integriert<br />

werden. In <strong>Schule</strong>n besteht ein großes Interesse an entsprechenden<br />

Programmen <strong>und</strong> Schulmaterialien zur Umsetzung<br />

entsprechender Konzepte. „Rauchfreie <strong>Schule</strong>n“ haben eine<br />

niedrigere Prävalenz beim Rauchen im Vergleich zu <strong>Schule</strong>n<br />

ohne entsprechende Programme. Die gr<strong>und</strong>legenden Ziele<br />

der Tabakprävention sind:<br />

● die Verhinderung des Einstiegs in das Rauchen,<br />

● Aufforderungen <strong>und</strong> Angebote zum Ausstieg aus dem<br />

Nikotinkonsum sowie<br />

● Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen.<br />

In <strong>Hessen</strong> gibt es mittlerweile zahlreiche <strong>Schule</strong>n, Kindergärten,<br />

Kindertagesstätten, Institutionen, Vereine <strong>und</strong><br />

Kommunen, die Angebote <strong>und</strong> innovative Ansätze in der<br />

Tabakprävention entwickelt haben.<br />

Ziel des Wettbewerbs ist, diese suchtpräventiven Aktivitäten<br />

<strong>und</strong> Projekte vorzustellen <strong>und</strong> in <strong>Hessen</strong> bekannt zu<br />

machen. Darüber hinaus sollen Institutionen Anerkennung<br />

finden, die suchtpräventive Maßnahmen <strong>und</strong> Programme im<br />

Bereich „Tabakprävention“ innovativ <strong>und</strong> wirksam umsetzen.<br />

■ Wer kann sich bewerben?<br />

Eingeladen sind alle Institutionen, die suchtpräventive<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte im Bereich „Tabakprävention“<br />

z.B. in Kindergarten, <strong>Schule</strong>, Jugendarbeit <strong>und</strong> Vereine innovativ<br />

umsetzen. In einem Gesamtkonzept für die Institution<br />

können mehrere Zielgruppen angesprochen werden,<br />

beispielsweise:<br />

● Kinder, Jugendliche<br />

● Erwachsene, Eltern<br />

● Multiplikatoren<br />

● Kommunen, die die Umsetzung der Maßnahmen vor Ort<br />

unterstützen<br />

● Institutionen <strong>und</strong> Betriebe<br />

In der <strong>Sucht</strong>prävention wird mit unterschiedlichen methodischen<br />

Konzepten gearbeitet, d.h. die Beiträge können<br />

auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen:<br />

● Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

● Lebenskompetenzförderung, Stärkung der protektiven<br />

Faktoren<br />

● Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung von Multiplikatoren<br />

● Vernetzung <strong>und</strong> Kooperation der Institutionen, um konkrete<br />

Maßnahmen umzusetzen<br />

● Informationsvermittlung<br />

● Peerprojekte<br />

● Förderung der Alternativen zum Rauchen<br />

● Struktureller Ansatz<br />

● Beratungsangebote<br />

● Öffentlichkeitsarbeit<br />

32 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

■ Bewertungskriterien für die Wettbewerbsbeiträge<br />

Bei den gegebenen Ressourcen ist es nicht möglich,<br />

flächendeckend alle Zielgruppen <strong>und</strong> Multiplikatoren im<br />

Arbeitsfeld der <strong>Sucht</strong>prävention zu erreichen. Vorrang hat<br />

somit die Initiierung von Modellprojekten, die exemplarisch<br />

<strong>und</strong> kreativ die vielfältigen Möglichkeiten von <strong>Sucht</strong>prävention<br />

zur Nachahmung aufzeigen. <strong>Sucht</strong>prävention mit<br />

umfassender Zielsetzung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Es<br />

soll daher versucht werden, verstärkt Aktivitäten in den Bereichen<br />

Kindergarten, - tagesstätten, <strong>Schule</strong>, Jugendarbeit,<br />

Kommune <strong>und</strong> Vereine anzuregen.<br />

Von besonderem Interesse sind suchtpräventive Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Projekte die<br />

● langfristig, kontinuierlich <strong>und</strong><br />

● zielgruppenspezifisch ausgerichtet sind<br />

● geschlechtsgerechte Tabakprävention verfolgen<br />

● strukturelle <strong>und</strong> kommunikative Maßnahmen verbinden<br />

● flächendeckend umgesetzt werden<br />

● eingebettet sind in ein Gesamtkonzept „<strong>Sucht</strong>prävention“<br />

der jeweiligen Institution<br />

● Institutionen vernetzen<br />

● Zielgruppen beteiligen<br />

● systematisch <strong>und</strong> strukturiert in der Durchführung von<br />

Maßnahmen arbeiten.<br />

Kein Muss – aber besonders erwünscht: Evaluierte Wettbewerbsbeiträge<br />

Besonderes Interesse finden auch suchtpräventive Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Projekte, die<br />

● eine Evaluation durchführen, mit Bestandsaufnahme <strong>und</strong><br />

detaillierter Zielbestimmung zur Überprüfung der Maßnahme<br />

<strong>und</strong> deren Ziel (Wirksamkeit).<br />

● innovativ <strong>und</strong> kreativ neue Wege beschreiten.<br />

Hier soll die Dimension der Qualität der suchtpräventiven<br />

Maßnahme mit Hilfe einer Dokumentation nachvollziehbar<br />

beschrieben <strong>und</strong> in drei Dimensionen dokumentiert sein:<br />

● Struktur-, Prozess- <strong>und</strong> Ergebnisqualität (siehe Bewerbungsbogen).<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

■ Wer beurteilt die eingereichten Beiträge?<br />

Eine Jury, bestehend aus VertreterInnen des Hessischen<br />

Sozialministeriums, der Hessischen Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen<br />

(HLS) <strong>und</strong> der DAK Landesgeschäftsstelle <strong>Hessen</strong><br />

bewertet <strong>und</strong> prämiert die Wettbewerbsbeiträge unter Berücksichtigung<br />

der Wettbewerbsziele <strong>und</strong> -kriterien.<br />

Dieser Wettbewerb kennt keine Verlierer!<br />

Denn alle TeilnehmerInnen gewinnen schon dadurch,<br />

dass ihre Projekte der Öffentlichkeit vorgestellt werden <strong>und</strong><br />

sie zum Erfahrungsaustausch beitragen.<br />

■ Prämierung<br />

Die Preisverleihung <strong>und</strong> die Vorstellung der besten suchtpräventiven<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte finden im Dezember<br />

2005 im Hessischen Landtag in Wiesbaden statt. Alle TeilnehmerInnen<br />

erhalten eine Urk<strong>und</strong>e, in der ihrem Engagement<br />

für die <strong>Sucht</strong>prävention gedankt wird. Der Wettbewerbsgewinner<br />

erhält ein Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro, das der<br />

suchtpräventiven Arbeit vor Ort zugute kommen muss.<br />

■ Anmeldung <strong>und</strong> Bewebungsunterlagen<br />

Anmeldeunterlagen erhalten Sie bei der<br />

Hessischen Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen (HLS)<br />

Koordinationsstelle <strong>Sucht</strong>prävention<br />

Frau Regina Sahl Telefon: 069- 71 37 67 77<br />

Stichwort: „<strong>Sucht</strong>prävention – Der Impuls“ Fax: 069-<br />

71 37 67 78<br />

Zimmerweg 10<br />

E-Mail: hls@hls-online.org<br />

60325 Frankfurt am Main<br />

www.hls-online.org<br />

Zur Anmeldung ist ein Bewerbungsbogen vorgesehen,<br />

der Ihnen ausreichend Raum gibt, Ihren Beitrag vorzustellen.<br />

Zudem enthält er Fragen, die für die Bewertung der<br />

Wettbewerbsbeiträge von Bedeutung sind. Senden Sie Ihren<br />

Beitrag an die Hessische Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen,<br />

Stichwort „<strong>Sucht</strong>prävention – Der Impuls“.<br />

Bewerbungsschluss ist der 30. September 2005.<br />

33


Elternforum–Kassel<br />

Elternforum-Kassel setzt auf Prävention <strong>und</strong><br />

Förderung psychischer Ges<strong>und</strong>heit von Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen<br />

■ Psychische Ges<strong>und</strong>heit von Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen zunehmend gefährdet<br />

Bei <strong>Schule</strong>ingangsuntersuchungen wurden 13% der Kinder<br />

als psychisch auffällig diagnostiziert, nur 16% davon<br />

waren deshalb bei einem Arzt oder Therapeuten in Behandlung.<br />

Im aktuellen Psychotherapeutenjournal (4/2004), dem<br />

Organ der B<strong>und</strong>espsychotherapeutenkammer wird auf diese<br />

erschreckende Situation der psychisch/psychosomatischen<br />

Ges<strong>und</strong>heit unserer Kinder hingewiesen.<br />

Es ist bekannt, dass die psychosozialen Belastungen von<br />

Kindern steigen. Gleichzeitig nehmen Unterstützungsangebote,<br />

die eine Bewältigung schwieriger Lebenssituationen<br />

ermöglichen könnten, deutlich ab. Kinder reagieren zunehmend<br />

mit der Entwicklung stressbedingter psychosomatischer<br />

Symptome. Körperliche Beschwerden, Konzentrationsprobleme,<br />

Nervosität, Aufmerksamkeitsstörungen bzw.<br />

Verhaltensauffälligkeiten nehmen in der Gr<strong>und</strong>schule deutlich<br />

zu (Studie der Abt. Kinder-<strong>und</strong> Jugendpsychiatrie der<br />

Universität Heidelberg, Prof. Franz Resch, Pressemitteilung<br />

2003). Auch die Zahlen bei Jugendlichen lassen uns erschrecken:<br />

● 20% der Jugendlichen leiden an Depressionen (BZgA<br />

2003)<br />

● 50% der 14 jährigen Jugendlichen hatten schon einen<br />

Vollrausch (Spiegel 27/2004)<br />

● 11% der 15 jährigen Jugendlichen kiffen regelmäßig<br />

(Spiegel 27/2004)<br />

● Essstörungen steigen stetig an. (Hess. Ärzteblatt 2/2004)<br />

Schon vor einigen Jahren stellten wir uns als Kinder-<strong>und</strong><br />

Jugendlichenpsychotherapeutinnen (Psychoanalyse) die Frage,<br />

welche Möglichkeiten haben wir, präventiv zu arbeiten.<br />

Unser spezielles Wissen <strong>und</strong> unsere Erfahrung vermittelten<br />

wir bisher ausschließlich Eltern, deren Kinder schon auffällig<br />

oder krank geworden waren. Wir gründeten vor 2 Jahren das<br />

Elternforum-Kassel <strong>und</strong> bieten seitdem Kurse für Eltern von<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen an. Die Kurse sind nach Altersgruppen<br />

der Kinder eingeteilt: Wir orientieren uns bei dieser<br />

Einteilung an den wichtigen prägenden Lebensphasen:<br />

1. Das erste Lebensjahr<br />

2. Kleinkind <strong>und</strong> Vorschulalter<br />

3. Pubertät <strong>und</strong> Adoleszenz.<br />

Wir beschäftigen uns mit der Frage, welche Unterstützung<br />

brauchen Eltern, damit ihre Kinder eine möglichst<br />

umfassende psychische Ges<strong>und</strong>heit entwickeln? Was müssen<br />

Eltern tun, damit ihre Kinder Fähigkeiten erwerben, mit<br />

Schwierigkeiten im Leben zurecht zu kommen, ohne psychisch/psychosomatisch<br />

krank werden zu müssen.<br />

Psychische Ges<strong>und</strong>heit bedeutet für uns:<br />

● ein gesichertes Selbstvertrauen<br />

● eine angemessene Durchsetzungsfähigkeit<br />

● die Fähigkeit, Beziehung einzugehen<br />

● die Fähigkeit, Denken, Fühlen <strong>und</strong> Handeln so abzustimmen,<br />

das schwierige Gefühle ertragen werden können<br />

<strong>und</strong> Lebensfreude möglich ist.<br />

Aus vielfältigen Forschungen der Psychotherapie, Psychiatrie<br />

<strong>und</strong> der Neurowissenschaften wissen wir heute, die<br />

Qualität der Bindung zwischen Kind <strong>und</strong> Eltern wirkt sich<br />

direkt auf die Entwicklung des Gehirns aus. Denken, Fühlen,<br />

Merken, der Umgang mit Frust <strong>und</strong> Stress ist also stark<br />

davon abhängig, wie Eltern ihre Kinder verstehen <strong>und</strong> mit<br />

ihnen umgehen.<br />

34 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

In allen Kursen bieten wir Filme zur Veranschaulichung<br />

der Thematik an. Wir halten Vorträge aus der Entwicklungspsychologie<br />

im Rahmen von 15-20 Minuten, wobei wir diese<br />

möglichst wenig abstrakt sondern nah am Alltagsleben<br />

der Eltern formulieren. Die wesentlichen Themen werden<br />

per Flipchart oder Folien visualisiert. Nach jedem theoretischen<br />

Input kommt es zum Gespräch. Die Eltern haben die<br />

Möglichkeit, schon während des Vortrages zu unterbrechen,<br />

Fragen zu stellen. Nachfolgend wird das Gespräch eröffnet.<br />

Durch die Fragen der Eltern wird das Thema vertieft, erweitert.<br />

An den folgenden Abenden wird darüber gesprochen,<br />

welche Veränderungen im Alltag umgesetzt wurden, was<br />

noch schwer fällt, wo weiterhin Unsicherheiten bestehen<br />

Ganz besonders möchten wir auf den Kurs für Eltern von<br />

Heranwachsenden hinweisen. Die komplizierten Entwicklungen<br />

der Pubertät verunsichern Eltern zutiefst. In ihrer<br />

Verunsicherung können sie ihren heranwachsenden Kindern<br />

oft nicht mehr den angemessenen Halt geben. Die Gefahr<br />

von psychischen Störungen bei Jugendlichen wächst somit<br />

deutlich.<br />

■ Beispiel<br />

Im Pubertätskurs kommt es häufig vor, dass Mütter große<br />

Ängste haben, die Tochter könne magersüchtig werden.<br />

Sie wissen nicht, ob die Tochter, die plötzlich mit gerümpfter<br />

Nase den Speck vom Schnitzel abschneidet schon auf<br />

dem Weg in die Magersucht ist. Häufig kontrollieren Eltern<br />

aus Sorge um die Tochter deren Essverhalten. Die Tochter<br />

fühlt sich in ihrem Wunsch, über sich selber zu bestimmen,<br />

stark eingeschränkt. Nun muss das Mädchen gleichzeitig<br />

mit den auf sie einströmenden Weiblichkeitsidealen <strong>und</strong> der<br />

Kontrolle der Eltern zurechtkommen. Unter diesen schwierigen<br />

Bedingungen kommt es häufig zu einem Machtkampf,<br />

wer über den Körper der Tochter bestimmt. Die Gefahr einer<br />

Magersuchtsentwicklung ist nun sehr groß. Wir erläutern,<br />

welche Möglichkeit Eltern haben, diese Spirale zu unterbrechen<br />

<strong>und</strong> auf welche Weise sie ihre Töchter am besten<br />

unterstützen, dass diese ein gutes Gefühl zu ihrem Körper<br />

entwickeln <strong>und</strong> die Gefahr einer Anorexie gebannt wird.<br />

Im Elternforum-Kassel erklären wir den Eltern, wie<br />

schmerzlich <strong>und</strong> konfliktreich der Ablösungsprozess der Jugendlichen<br />

verläuft. Existentielle Ängste, Trauer <strong>und</strong> Wut<br />

gehören dazu. Wir vermitteln anhand neuester Untersuchun-<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

gen aus der Hirnforschung, wie schwer es Jugendlichen fällt,<br />

sich in die Gefühle anderer zu versetzen. Wenn Mütter dieses<br />

erfahren, gelingt es ihnen meist besser, manch Anschnauzer<br />

der Jugendlichen nicht zu persönlich zu nehmen. Sie gewinnen<br />

mehr Abstand <strong>und</strong> stoppen die Aggressionsspirale. Wir<br />

sprechen über die Neigung Jugendlicher, Grenzen auszuprobieren<br />

<strong>und</strong> wozu dieses Verhalten dient.<br />

In unserem Kurs machen wir auch deutlich, wann es notwendig<br />

ist, sich professionelle Hilfe zu holen. Wir erörtern<br />

Unterschiede zwischen altersgemäßen Verhalten <strong>und</strong> krankhafter<br />

Entwicklung. Wir sprechen über den Unterschied altersgemäßen<br />

Rückzuges <strong>und</strong> Depressionen, über den Umgang<br />

mit Rauschmitteln <strong>und</strong> die Gefahr von Essstörungen.<br />

Als Elternforum-Kassel stellen wir uns die Aufgabe, Eltern<br />

in ihrer großen Verantwortung zu stärken <strong>und</strong> die psychische<br />

Ges<strong>und</strong>heit von Kindern aktiv zu fördern. Wir tragen<br />

einerseits zu einer Entlastung von Eltern bei, vermitteln<br />

notwendiges aber meist unbekanntes Wissen <strong>und</strong> fördern<br />

frühzeitig Korrekturen bei einem eher schädlichen Erziehungsverhalten.<br />

Die Beurteilungen der Eltern der Kurse sind durchweg<br />

positiv. Die Möglichkeit im Rahmen eines zeitlich begrenzten<br />

Gesprächsangebots über die Schwierigkeiten mit den<br />

Jugendlichen zu sprechen, sich neue Informationen zu holen<br />

<strong>und</strong> viele Fragen zu stellen wird von den Eltern als sehr<br />

hilfreich erlebt. Häufig berichten sie von einem Zugewinn<br />

an Gelassenheit <strong>und</strong> besserem Verständnis für ihre Kinder.<br />

Es wird ihnen klarer, was die Jugendlichen von den Eltern<br />

brauchen oder auch welche Haltungen <strong>und</strong> welches Verhalten<br />

der Eltern vielleicht die Situation für alle erschwert.<br />

■ Informationen<br />

Elternforum-Kassel<br />

Bayernstr. 3<br />

34134 Kassel<br />

Telefon: 0561 / 31 69 09 39<br />

Telefax: 0561- 6023 02<br />

info@elternforum-kassel.de<br />

www.elternforum-kassel.de<br />

Karoline Hanne <strong>und</strong> Barbara Stoecker<br />

35


Von Dickhäutern, Ärgernissen <strong>und</strong><br />

Hautpflege<br />

Förderung der Ges<strong>und</strong>heit im Lehrerberuf<br />

■ Stress, Konflikte <strong>und</strong> Ärger<br />

Es sind nicht immer die großen Belastungen <strong>und</strong> Angriffspunkte,<br />

die das Wohlbefinden <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit<br />

nachhaltig beeinträchtigen, unzählige kleine, immer wiederkehrende<br />

Probleme des Schulalltags greifen die psychische<br />

Ges<strong>und</strong>heit deutlich stärker an. Das geschieht meist ohne<br />

erkennbaren Anfang, langsam <strong>und</strong> schleichend. Die frühere<br />

Widerstandsfähigkeit der Lehrerin/des Lehrers gegenüber<br />

psychischen Belastungen versiegt allmählich. Ausgelöst<br />

wird dies oft nicht durch besondere „Belastungen“, sondern<br />

durch die tägliche Routine vieler kleiner Ärgernisse – ohne<br />

die Aussicht auf deren Ende. Das sind die Zutaten für chronischen<br />

Stress.<br />

Durch diese reduzierte Widerstandsfähigkeit fällt es immer<br />

schwerer, überflüssige Bemerkungen, nicht eingehaltene<br />

Absprachen, tuschelnde Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler oder<br />

ähnliche Herausforderungen leicht hinzunehmen. So können<br />

bald Konflikte entstehen. Eine psychische „Dünnhäutigkeit“<br />

breitet sich aus. Manche Menschen tragen diese Konflikte<br />

Ungünstige<br />

Gewohnheiten der<br />

Bewältigung<br />

Häufigkeit <strong>und</strong><br />

Intensität erlebter<br />

Konflikte<br />

Alltägliche<br />

Belastungen &<br />

Ärgernisse<br />

Widerstandsfähigkeit<br />

sinkt –<br />

Anfälligkeit für<br />

Konflikte steigt<br />

Chronischer Stress<br />

offen, aber unkontrolliert <strong>und</strong> ohne Filter aus (Anger-out),<br />

andere neigen dazu, den Ärger in sich hineinzufressen (Anger-in).<br />

Zur Frage der Ärgerbewältigung angesichts schwieriger<br />

Unterrichtssituationen wurde kürzlich am Institut für Medizinische<br />

Psychologie der Philipps-Universität Marburg eine<br />

wissenschaftliche Studie durchgeführt. Beide Strategien, den<br />

Ärger zu bewältigen, erwiesen sich dabei im Hinblick auf die<br />

psychische Ges<strong>und</strong>heit als ungünstig. Während die Strategie<br />

des Anger-in depressive Verstimmungen begünstigt, macht<br />

die Anger-out Strategie soziale Konflikte wahrscheinlicher.<br />

Beides fördert letztlich chronischen Stress <strong>und</strong> senkt die psychische<br />

Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen. Ein<br />

Teufelskreis ...<br />

■ Was wir von Elefanten lernen können<br />

Manche Kreaturen scheinen für den Umgang mit kleinen<br />

Ärgernissen besser ausgestattet als wir: Elefanten zum<br />

Beispiel haben eine dicke Haut. Auf uns Menschen trifft das<br />

leider nicht zu: Eine einzige, winzige Mücke, die uns Nachts<br />

als leise über Kopfkissen summender Blutsauger den Schlaf<br />

raubt, kann selbst den gutmütigsten Mitmenschen in eine<br />

wild fluchende „Kampfmaschine“ verwandeln. Wehe allen,<br />

die ihr oder ihm am nächsten Tag irgendwie „quer“ kommen!<br />

Die „Konfliktwahrscheinlichkeit“ liegt bei 80 Prozent.<br />

Wie würde es uns aber erst ergehen, wenn mehrere<br />

Dutzend unansehnlicher Käferclans, kribbelnder Krabbeltierchen<br />

<strong>und</strong> fluglärmender Fliegen um Augen <strong>und</strong> Ohren<br />

oder gar Schwärme sturzkämpfender Stechmücken unsere<br />

ständigen Begleiter wären? Das nämlich ist der Alltag des<br />

Elefanten. Wäre es da nicht allzu natürlich, spätestens nach<br />

36 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

wenigen St<strong>und</strong>en maximal angespannt, entnervt oder gereizt<br />

zu sein? Aber merkwürdigerweise strahlen Elefanten meist<br />

eine ruhige, gutmütige Gelassenheit aus, gepaart mit einer<br />

starken Portion Durchsetzungsfähigkeit. Nicht zuletzt, weil<br />

Elefanten das größte Gehirn aller Lebewesen haben, könnte<br />

es sich also lohnen zu fragen, wie den Elefanten dieses<br />

Kunststück gelingt. Die Antwort scheint fast zu einfach; sie<br />

heißt: Gemeinsame Hautpflege. Zugegeben, die Lotion aus<br />

Wasser <strong>und</strong> Erde mag nicht jedermanns Sache sein, aber sie<br />

gibt der Elefantenhaut einen hochwirksamen Schutz gegen<br />

die Widrigkeiten des Alltags. Dabei haben Elefanten die Erfahrung<br />

gemacht, dass die gegenseitige Hautpflege gemeinsam<br />

am besten gelingt. Doch beenden wir nun den Ausflug<br />

ins Reich der Tiere.<br />

Tatsächlich sind die Anlässe, im Schulalltag unter Druck<br />

<strong>und</strong> Anspannung zu geraten, sehr zahlreich. Manchen Belastungen<br />

kann man zwar ausweichen, andere können reduziert<br />

oder ganz ausgeschaltet werden. Andere lassen sich jedoch<br />

leider ebenso wenig vertreiben wie die nächtliche Stechmücke.<br />

Wie kann es nun gelingen, die innere Haut zu pflegen?<br />

Wie kann sie das psychische Wohlbefinden trotz beruflicher<br />

Belastungen wirksam <strong>und</strong> widerstandsfähig schützen?<br />

Glücklicherweise sind die Möglichkeiten hierfür ebenfalls<br />

zahlreich! Ein guter Weg, die innere Widerstandsfähigkeit<br />

aufzubauen, ist es, den chronischen Stress abzubauen. Doch<br />

wie kann das geschehen?<br />

■ Das Ges<strong>und</strong>heitsprogramm AGIL<br />

Zur Förderung der psychischen Ges<strong>und</strong>heit im Lehrerberuf<br />

wurde am Institut für Medizinische Psychologie der Phi-<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

lipps-Universität Marburg in Zusammenarbeit mit der psychosomatischen<br />

Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee, das<br />

Programm Arbeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit im Lehrerberuf (AGIL)<br />

entwickelt.<br />

Ziel des Programms ist es, kleine Gruppen von Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrern zusammenzubringen, um gemeinsam an<br />

der Frage zu arbeiten, wie chronischer Stress im Beruf abgebaut<br />

<strong>und</strong> das berufliche Wohlbefinden gesteigert werden<br />

kann.<br />

Dazu sollen verschiedenste Strategien zur Bewältigung<br />

unterschiedlicher Belastungen ausprobiert <strong>und</strong> eingeübt<br />

werden. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass jede/r<br />

Teilnehmer/in erfahrungsgemäß für eine Vielzahl an Belastungen<br />

bereits erfolgreiche Strategien zu deren Bewältigung<br />

einsetzt. Diese gilt es zunächst bewusst wahrzunehmen.<br />

Chronischer Stress entsteht immer dann, wenn für eine<br />

andere Belastung nicht die individuell passende Bewältigungsstrategie<br />

gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> eingesetzt werden kann. Mit<br />

anderen Worten: Der eine verfügt über Bewältigungsstrategien,<br />

die zum Abbau von chronischem Stress des anderen<br />

geeignet sein können – <strong>und</strong> umgekehrt. Durch eine häufig<br />

vorhandene „Einzelkämpfersituation“ im Lehrerberuf kann<br />

dieses Potential aber leider nur selten genutzt werden. Das<br />

AGIL-Programm möchte dieses Potential aufgreifen <strong>und</strong><br />

dafür einen strukturierten <strong>und</strong> professionellen Rahmen anbieten.<br />

Im Bild gesprochen: „Hautpflege“ gemeinsam betreiben.<br />

Das AGIL-Programm ist in sechs inhaltliche Module<br />

gegliedert: Basis-Modul, Achtsamkeits-Modul, Kognitions-<br />

Modul, Problemlöse-Modul, Modul zu Erholung <strong>und</strong> Krafttanken<br />

sowie Selbstmanagement-Modul. Wichtige Fragen,<br />

die gemeinsam erarbeitet werden, sind z.B:<br />

37


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

● Wie kann ich ein Frühwarnsystem gegenüber Stress auf-<br />

bauen?<br />

● Wie kann es mir gelingen, mich nach schwierigen Situationen<br />

emotional <strong>und</strong> gedanklich wieder davon zu lösen?<br />

● Welche Möglichkeiten gibt es, die gegenseitige Unterstützung<br />

zwischen Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen zu fördern?<br />

● Was könnte ein hilfreicher Umgang mit „schwierigen“<br />

Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen sein? Wie kann ich mit meinem<br />

Ärger umgehen?<br />

● Wie kann der Übergang von der „Arbeitswelt“ in meine<br />

„Erholungswelt“ gelingen?<br />

● Kann ich meinen Arbeitsstil noch optimieren, um mir<br />

z.B. Freiräume für Erholung zu schaffen?<br />

● Wie kann ich Einstellungen verändern, die mich unter<br />

Druck setzen?<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der individuell verschiedenen Belastungsbereiche<br />

werden Entlastungsmöglichkeiten entwickelt<br />

<strong>und</strong> auf ihre Alltagstauglichkeit durch Ausprobieren<br />

überprüft.<br />

Wenn Sie sich in der anfangs geschilderten Situation wiedergef<strong>und</strong>en<br />

haben, besteht die Chance an einem der AGIL-<br />

Kurse teilzunehmen. Ab Ende diesen Jahres wird eine (begrenzte)<br />

Anzahl von AGIL-Kursen angeboten. Sie werden<br />

von qualifizierten Diplom-Psychologen durchgeführt <strong>und</strong><br />

wissenschaftlich vom Institut für Medizinische Psychologie<br />

(Prof. Dr. Dr. Heinz-Dieter Basler) sowie der Arbeitsgruppe<br />

für klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie (Prof. Dr.<br />

Winfried Rief) der Philipps-Universität Marburg begleitet.<br />

Interessenten können sich gerne <strong>und</strong> unverbindlich an das<br />

Institut für Medizinische Psychologie wenden (Adresse unten).<br />

Und noch etwas: Haben Sie Interesse, mehr über Ihren<br />

Arbeitsstil <strong>und</strong> Ihr Selbstmanagement zu erfahren? Bis November<br />

2005 besteht im Rahmen einer wissenschaftlichen<br />

Studie die Möglichkeit dazu. Bei einer Teilnahme an der Fragebogenuntersuchung<br />

bekommen Sie eine detaillierte Rückmeldung<br />

zu verschiedensten Aspekten Ihres Arbeitsstils.<br />

Alle Teilnehmer dieser Studie erhalten diese Rückmeldung<br />

im Gegenwert von 30 Euro kostenfrei. Die Unterlagen schicken<br />

wir Ihnen gerne auf Anfrage zu.<br />

■ Kontakt<br />

Dirk Lehr<br />

Diplom-Psychologe<br />

Fachbereich Humanmedizin, Institut für Medizinische<br />

Psychologie<br />

Philipps-Universität Marburg<br />

Bunsenstr. 3<br />

D-35037 Marburg<br />

E-Mail: dirk.lehr@med.uni-marburg.de<br />

Tel: 06421-28-66250<br />

38 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


Mobbing in der Schulklasse<br />

Dass Mobbing in der Arbeitswelt zu Erkrankungen führen<br />

kann, weiß heutzutage jeder. Fast ebenso bekannt ist es,<br />

dass es Mobbing (als ein über Wochen <strong>und</strong> Monate anhaltendes<br />

Ausgrenzungsverhalten einer Mehrheit gegen immer<br />

den gleichen Einzelnen) in der Schulklasse gibt. Die Medien<br />

berichten bei spektakulären Vorkommnissen gern darüber.<br />

Aber das weit verbreitete alltägliche Mobbing in der<br />

<strong>Schule</strong> mit seinen Folgen wird häufig nicht als solches erkannt.<br />

Denn viele Lehrkräfte, Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sind<br />

der Ansicht, dass die Ausgegrenzten nicht Opfer von Mobbingprozessen<br />

seien, sondern durch ihr ungünstiges oder gar<br />

unerträgliches Verhalten ihre Lage selbst verschuldet hätten.<br />

Ganz selten nur wird durchschaut, dass es sich um einen<br />

Kreisprozess handelt, bei dem der Einzelne auf die Ausgrenzung<br />

der Mehrheit reagiert: Wenn eine Schülerin/ein Schüler<br />

von allen abgelehnt wird, sucht sie/er – ohne dass ihr/ihm<br />

dies ganz bewusst wäre – zum Beispiel nach Möglichkeiten,<br />

wahrgenommen <strong>und</strong> anerkannt zu werden.<br />

Ein Muster für Abwehrreaktionen ist die Selbstaufwertung,<br />

das Prahlen, wie es auch sonst unter Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

weit verbreitet ist. Ein Junge, der sich abgewertet<br />

fühlt, bringt deshalb Gegenstände mit, die gerade hoch im<br />

Kurs stehen, wie Gameboy oder MP3-Player. Oder er berichtet<br />

von tollen Erlebnissen, wahren oder erf<strong>und</strong>enen. Doch<br />

die Folge für den ausgegrenzten Schüler ist gerade nicht die<br />

gewünschte Anerkennung, die andere dafür durchaus bekommen,<br />

sondern Ablehnung. Dies wird damit begründet, dass er<br />

ja so furchtbar prahle. Manche versuchen auch die ersehnte<br />

Wertschätzung durch Clownereien zu erhalten – ebenfalls<br />

vergeblich: Aufmerksamkeit kriegen sie schon, Wertschätzung<br />

aber gerade nicht.<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

Wenn ein Außenseiter in der Klasse keinen wohlwollenden<br />

Klassenkameraden findet, sucht er oftmals den Schutz<br />

<strong>und</strong> die Sympathie der Lehrkräfte. Dann sind sich die Mitschülerinnen<br />

<strong>und</strong> Mitschüler schnell einig, dass sich mit<br />

diesem „Schleimer“ niemand abgeben darf. (Andere Reaktionsmuster<br />

bei Ausgrenzung, Isolation, Hänseleien durch die<br />

Gruppe sind aggressive Abwehr oder Flucht der Betroffenen,<br />

wodurch sich ebenfalls die Antipathien in der Klasse gegen<br />

die Außenseiter noch verstärken.) Dass zuerst die Ausgrenzung<br />

kam <strong>und</strong> darauf erst das typische Verhalten folgte, wird<br />

nicht wahrgenommen, nicht von den Mitschülerinnen <strong>und</strong><br />

Mitschülern, nicht von den Lehrkräften.<br />

Manchmal hat sich das Abwehrverhalten der Mobbingopfer<br />

schon fast neurotisch festgesetzt. Wenn zum Beispiel<br />

ein Kind in der vierten Klasse der Gr<strong>und</strong>schule sich als Abwehrverhalten<br />

angewöhnt hat, sich bei Hänseleien in der<br />

Nähe der Lehrkraft aufzuhalten, kann es sein, dass es dieses<br />

Verhaltensmuster auch in der 5. Klasse der weiterführenden<br />

<strong>Schule</strong> beibehält, auch wenn noch gar keine Ausgrenzung<br />

vorliegt. Oft es ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis dieses<br />

Kind auch in der neuen Lerngruppe von den anderen abgelehnt<br />

wird.<br />

Es ist sehr schlimm für einen Schüler, eine Schülerin,<br />

nicht in die Gruppe der Gleichaltrigen aufgenommen zu<br />

werden. Denn auf dem Weg des Erwachsen-Werdens lösen<br />

sich die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen zum Teil von dem, was<br />

die Eltern für gut <strong>und</strong> richtig halten. Sie bevorzugen andere<br />

Normen, zum Beispiel in bezug auf Musik, Kleidung, Einschätzung<br />

der <strong>Schule</strong>, Wortwahl. Für diese Abgrenzung von<br />

der Welt der Erwachsenen erhalten sie kaum noch die Bestätigung<br />

der Eltern, aber dafür die notwendige Anerkennung<br />

von den Gleichaltrigen. Doch den Außenseitern wird nicht<br />

das übliche: „Du bist okay“ vermittelt, sondern ständig sig-<br />

39


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

nalisiert: „Du bist anders. Du bist nicht liebenswert. Du gehörst<br />

nicht zu uns.“ Das ist sehr schwer zu ertragen. Deshalb<br />

machen viele Mitläufer beim Mobbing engagiert mit, damit<br />

sie sicher auf der Seite der Mehrheit stehen <strong>und</strong> nicht selbst<br />

dem Psychoterror ausgesetzt sind.<br />

Denn es ist allen klar, dass jeder in die Position des Außenseiters<br />

geraten kann, nicht nur der, der besondere Auffälligkeiten<br />

vorweist.<br />

Die Frage ist, warum es überhaupt eine solche Ausgrenzung<br />

in Gruppen gibt. Aus der Psychologie wissen wir, dass<br />

damit bestimmte unbewusste Funktionen verb<strong>und</strong>en sind,<br />

die der Mehrheit von Nutzen sind. Zum Beispiel wird der<br />

Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt. Differenzen zwischen<br />

einzelnen Mitgliedern treten in den Hintergr<strong>und</strong>,<br />

wenn sich alle gegen den Außenseiter einig sind (Näheres<br />

siehe Literatur).<br />

Für die Mobbingopfer folgt daraus im Allgemeinen<br />

● eine Verringerung der Lebensfreude, nicht nur innerhalb<br />

der <strong>Schule</strong>,<br />

● eine Minderung der Leistungsfähigkeit,<br />

● nach einer langen Leidenszeit auch Krankheiten aus dem<br />

psychosomatischen Formenkreis, wie wir sie von den<br />

erwachsenen Mobbingopfern her kennen: z. B. Migräne,<br />

Magen-Darm-Störungen, Herzerkrankungen, aber auch<br />

rein psychische Erkrankungen wie Depressionen.<br />

Vielfach leiden auch Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die keineswegs<br />

Mobbingopfer sind, unter einem solchen Klassenklima.<br />

Manche leben in der ständigen Angst, sie könnten<br />

ebenfalls ausgegrenzt werden. Andere fühlen sich in ihrer<br />

Identität <strong>und</strong> ihrem Selbstwertgefühl gekränkt, weil sie ei-<br />

gentlich gegen dieses unsoziale Verhalten der Mehrheit sind,<br />

sich aber nicht durchsetzen können oder es entgegen ihrem<br />

Gewissen nicht wagen, sich auf die Seite des Opfers zu stellen.<br />

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Kinder für ihr<br />

ganzes Leben in der <strong>Schule</strong> lernen, was später in der Gesellschaft<br />

als Mangel an Zivilcourage beklagt wird.<br />

Wenn eine Lehrkraft ein solch diskriminierendes Verhalten<br />

ansprechen will, muss sie mit bestimmten Abwehrreaktionen<br />

rechnen: „Das ist doch nur Spaß“, sagt die Mehrheit.<br />

Oder: „Das wird doch mit jedem mal gemacht.“ Oder:<br />

„Der ist selber dran schuld. Sie müssten nur einmal erleben,<br />

wie der angibt (schleimt, petzt, spinnt etc.)“ Die Mobber<br />

wollen nicht wegen ihres Handelns angeklagt werden,<br />

sie wollen die (für die meisten günstige) Hierarchie in der<br />

Klasse nicht verändert haben. Die Opfer wollen nicht, dass<br />

dann ihre peinlichen Taten <strong>und</strong> Reden erneut vor allen zur<br />

Sprache gebracht werden. Ein schlechtes Gewissen hat die<br />

Mehrheit ohnehin nicht, weil Mobbingverhalten weit verbreitet<br />

ist <strong>und</strong> in den Medien auch oft zur Unterhaltung der<br />

Leser <strong>und</strong> Zuschauer vorgeführt wird – allerdings ohne es<br />

„Mobbing“ zu nennen.<br />

Welche Möglichkeiten haben die Lehrkräfte, bei Mobbing<br />

zu intervenieren? Im Wesentlichen sind es zwei:<br />

1. Für die ganze Klasse einen Prozess des sozialen Lernens<br />

in Gang zu setzen, denn Mobbing ist nicht als Problem<br />

des Ausgegrenzten zu sehen, sondern als ein Problem<br />

der Gruppe (systemische Sichtweise). Das geht nicht mit<br />

einfachem Ansprechen, weil das zu viele Widerstände<br />

hervorruft. Erst nachdem an verfremdeten Beispielen<br />

Verfahren <strong>und</strong> Folgen des Mobbings allen deutlich geworden<br />

sind, kann die Situation in der Klasse zum Thema<br />

gemacht werden. Voraussetzung dafür ist, dass das<br />

Mobbingopfer (bzw. seine Eltern) damit einverstanden<br />

sind.<br />

2. Mit verdeckten Interventionen die Position des Außenseiters<br />

in der Klasse verbessern. Das ist nur die zweitbeste<br />

Lösung, aber manchmal unumgänglich, weil das<br />

Mobbingopfer einer Thematisierung in der Klasse nicht<br />

zustimmt oder weil sich die Lehrkraft nicht im Stande<br />

sieht, soziale Lernprozesse in der Klasse zu initiieren.<br />

Die Konkretisierung der Verfahren kann hier aus Platzgründen<br />

nicht ausgeführt werden. Zum einen sei auf die Li-<br />

40 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

teratur verwiesen, zum anderen auf den Verein „Mobbing-<br />

Intervention <strong>und</strong> –Prävention in der <strong>Schule</strong> e. V.“, der es sich<br />

zum Ziel gesetzt hat, Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler im Kampf gegen Mobbing <strong>und</strong> Diskriminierung zu<br />

unterstützen (www.mobbing-in-der-schulklasse.de).<br />

Sinnvoll ist es auf jeden Fall, in Klassen, in denen es<br />

(noch) kein Mobbing gibt, Mobbing-Prävention zu betreiben.<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ab 12 Jahren sind schon in<br />

der Lage, die oben skizzierten gruppendynamischen Vorgänge<br />

zu verstehen <strong>und</strong> eigene Erfahrungen einzubringen.<br />

Mithilfe von Jugendliteratur, Rollenspiel, Szenischem Spiel<br />

nach Ingo Scheller <strong>und</strong> anderen Verfahren können Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche sich in die Opfer einfühlen, erkennen, was<br />

unbedachtes Sozialverhalten anrichten kann <strong>und</strong> sozial verantwortliches<br />

Handeln lernen.<br />

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Karl Dambach<br />

■ Literatur<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

Karl E. Dambach, Mobbing in der Schulklasse, 2. Auflage,<br />

München 2002<br />

Karl E. Dambach, Zivilcourage lernen in der <strong>Schule</strong>, München<br />

2005<br />

Mobbing-Intervention <strong>und</strong> -Prävention in der <strong>Schule</strong> e.V.<br />

Postfach 1143<br />

61174 Karben<br />

Tel. 06039/1750<br />

E-Mail: karl.dambach@t-online.de<br />

41


„star“<br />

– stay together, act responsible<br />

Module zur Kompetenzförderung für Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler der 5. – 6. Klasse<br />

Entwickelt von der Fachgruppe für vernetzte<br />

Prävention<br />

In der Fachgruppe für vernetzte Prävention arbeiten mit<br />

der Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention, der Kreisjugendförderung,<br />

der AWO Beratungsstelle <strong>und</strong> mit Allerleirau die Träger<br />

präventiver Angebote für Jugendliche im Werra-Meißner-Kreises<br />

zusammen. Begleitet wird die Arbeit durch die<br />

Präventionslehrerin beim Staatlichen Schulamt. Ausgehend<br />

von gemeinsamen Gr<strong>und</strong>lagen in der Präventionsarbeit, der<br />

Persönlichkeitsentwicklung, der Stärkung der Lebenskompetenzen<br />

sowie sozialem Lernen wurden Angebote vernetzt<br />

<strong>und</strong> ein inhaltlich aufeinander abgestimmtes Modellprojekt<br />

für die Arbeit mit Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der Jahrgangsstufe<br />

5 <strong>und</strong> 6 <strong>und</strong> einer Laufzeit von zwei Jahren entwickelt.<br />

Präventionsarbeit verstehen die Träger als eine pädagogische<br />

Aufgabe mit dem Ziel, Kinder in ihrer Entwicklung<br />

zu unterstützen <strong>und</strong> kontinuierlich zu begleiten. Soziales<br />

Lernen, die Förderung von Lebens- <strong>und</strong> Alltagskompetenzen<br />

sowie die Stärkung einer selbstbestimmten Persönlichkeit<br />

stehen dabei im Vordergr<strong>und</strong>. Auf diese Weise kann<br />

möglichen Gefahren <strong>und</strong> Problemverhalten vorgebeugt <strong>und</strong><br />

entgegengewirkt werden.<br />

Um Phänomenen wie Gewalt, Drogen <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>, sexuellem<br />

Missbrauch oder Rassismus wirkungsvoll begegnen<br />

zu können, sind dauerhafte <strong>und</strong> verlässliche Kooperationsformen<br />

<strong>und</strong> Netzwerke zwischen <strong>Schule</strong>n, Einrichtungen<br />

der Jugendhilfe <strong>und</strong> Beratungsstellen notwendig.<br />

Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit beinhaltet das Modellprojekt<br />

kontinuierliche Angebote über einen Zeitraum<br />

von zwei Schuljahren für Lehrkräfte, Schülerinnen, Schülern<br />

<strong>und</strong> deren Eltern sowie eine ausführliche Dokumentation.<br />

Als Zielgruppe wurde die Jahrgangsstufe 5/6 mit ihren<br />

Besonderheiten, insbesondere mit dem Übergang von der<br />

Gr<strong>und</strong>schule zu weiterführenden Schulformen <strong>und</strong> der damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Neuorientierung ausgewählt. Im Sinne<br />

einer ganzheitlichen Ausrichtung greifen die vielfältigen<br />

Angebote die zentralen Themen dieser Entwicklungsphase<br />

wie Pubertät, Abnabelung vom Elternhaus <strong>und</strong> die Stellung<br />

in der Peer-Group auf.<br />

■ Bausteine des Projektes<br />

● Seminare zur Entwicklung einer Klassenkultur <strong>und</strong> zu<br />

individuellen Stärken in Form von externen Klassenfindungstagen.<br />

● Aktionstage an der <strong>Schule</strong> zur Entwicklung von Kommunikations-<br />

<strong>und</strong> Konfliktlösungskompetenzen<br />

● Zweitägige Module zur <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> (sexualisierter)<br />

Gewalt<br />

● Ein sexualpädagogisches Modul<br />

● „Allgemeine Lebenskompetenzen <strong>und</strong> Fertigkeiten“<br />

(ALF), ein kontinuierliches Unterrichtsprogramm durch<br />

die Klassenlehrer<br />

● Ein medienpädagogisches Projekt für Schüler <strong>und</strong> El-<br />

42 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

tern<br />

● Elternarbeit zu verschiedenen Themen<br />

● Lehrerfortbildung zu verschiedenen Themen sowie Reflektionsmöglichkeiten<br />

● Task-Force – Professionelle Unterstützung in Krisensituationen<br />

Die Karlheinz-Böhm <strong>Schule</strong> Waldkappel <strong>und</strong> die Fachgruppe<br />

für vernetzte Prävention sind die aktuellen Kooperationspartner.<br />

Diese Kooperation wurde langfristig vorbereitet<br />

<strong>und</strong> mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 begonnen.


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Die LehrerInnen wurden inhaltlich <strong>und</strong> methodisch vorbereitet<br />

<strong>und</strong> werden während des Projektes fachlich begleitet.<br />

Für die Eltern fand schon am Übergang von der vierten zur<br />

fünften Klasse der erste Elternabend zum Projekt statt.<br />

Durch den Modelldurchlauf soll eine Implementierung<br />

im Landkreis erreicht werden. Weitere <strong>Schule</strong>n sollen angeregt<br />

werden, ihre Jahrgangsstufe 5/6 mit entsprechenden<br />

Angeboten zu ergänzen <strong>und</strong> sich der präventiven Ressourcen<br />

im Kreis zu bedienen.<br />

Ziel ist auch, die Vernetzung vorhandener Beratungsstellen<br />

<strong>und</strong> Jugendhilfeeinrichtungen, die im Bereich der Prävention<br />

arbeiten, voranzutreiben <strong>und</strong> damit eine Bündelung<br />

ganzheitlicher Angebote zu schaffen.<br />

■ Projektkoordination<br />

Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention<br />

Harald Nolte<br />

Neuer Steinweg 9<br />

37269 Eschwege<br />

Tel.: 05651 / 76102<br />

URL: www.suchtpraevention-eschwege.de<br />

E-Mail: suchtpraevention@t-online.de<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

43


QiGong in der <strong>Schule</strong><br />

Ein umfassendes Konzept zur Ausbildung von<br />

Selbstkompetenz<br />

■ Ges<strong>und</strong>heit als Fähigkeit<br />

Seit vielen Jahren wird QiGong als präventive Maßnahme,<br />

aber auch als Therapie (besonders bei chronifizierten<br />

Krankheiten) eingesetzt – mit großem Erfolg. In vielen Studien<br />

ist die Wirksamkeit von QiGong belegt worden. Besondere<br />

Aufmerksamkeit verdient hier die Forschung an der<br />

Universität Oldenburg unter der Leitung von Prof. Dr. Bölts<br />

<strong>und</strong> Prof. Belschner (Projekt Traditionelle chinesische Heilmethoden<br />

<strong>und</strong> Heilkonzepte), die mit detailliert evaluierten<br />

Studien die Bedeutung des QiGong nachgewiesen haben.<br />

Die Ergebnisse, die für den schulischen Unterricht relevant<br />

sind, hat Johann Bölts in seinem Buch „Lernziel: Ges<strong>und</strong>heitskompetenz,<br />

Der Beitrag des QiGong zur zukunftsfähigen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsbildung in der <strong>Schule</strong>“ (Oldenburg 2003)<br />

zusammengefasst. Unter anderem aufgr<strong>und</strong> der Oldenburger<br />

Forschungsergebnisse hat die DAK QiGong-Kurse in ihren<br />

Leistungskatalog aufgenommen – unter der Voraussetzung,<br />

dass die Ausbildung der QiGong-Lehrkräfte genau definierten<br />

Richtlinien entspricht. Die meisten gesetzlichen Kassen<br />

erstatten mittlerweile ihren Mitgliedern ungefähr drei Viertel<br />

der Kurskosten.<br />

■ TCM – Traditionelle Chinesische Medizin<br />

Was manche westliche Mediziner <strong>und</strong> Hirnforscher<br />

derzeit besonders interessiert, nämlich die – jetzt auch experimentell<br />

nachzuweisende – verblüffende Verflochtenheit<br />

zwischen Körper <strong>und</strong> Bewusstsein/Geist/Psyche ist seit Jahrtausenden<br />

Basis der chinesischen Medizin.<br />

Allerdings beruht diese Medizin nicht auf wissenschaftlichen<br />

Experimenten <strong>und</strong> komplexen apparategestützten<br />

Messverfahren, sondern sie ist erwachsen aus einer Jahrtau-<br />

sende währenden empirischen Medizin, die auf Beobachtung<br />

<strong>und</strong> genaues praktisches Studium des Menschen setzt.<br />

Aus der genauen Beobachtung von Mensch <strong>und</strong> Natur<br />

ist ein Erklärungsmodell für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit entstanden,<br />

das uns Wege der Prävention, der Diagnose <strong>und</strong> der<br />

Heilung aufzeigen kann. Ges<strong>und</strong>heit wird hier einerseits als<br />

Zustand gesehen, andererseits aber auch als Fähigkeit, d.h.<br />

es ist jedem Einzelnen aufgegeben, Verantwortung für die<br />

eigene Ges<strong>und</strong>erhaltung zu übernehmen, Wissen über ges<strong>und</strong>heitsschädigende<br />

Einflüsse zu erlangen <strong>und</strong> Methoden<br />

kennen zu lernen, wie man sich ges<strong>und</strong> erhalten kann. Die<br />

TCM betont, wie wichtig Ernährung, ausreichender Schlaf,<br />

zufrieden stellende soziale Kontakte, ein ausgeglichenes<br />

Wesen, also ein angemessener Umgang mit Emotionen, aber<br />

auch moralische Werte für die Ges<strong>und</strong>heit sind.<br />

All dies wird hier als „Selbstkultivierung“ bezeichnet. Zu<br />

diesen Methoden der Ges<strong>und</strong>erhaltung gehört seit tausenden<br />

von Jahren auch das QiGong.<br />

■ Was ist QiGong?<br />

Der Begriff QiGong wurde im kommunistischen China<br />

der 50er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts geprägt <strong>und</strong> bedeutet<br />

so viel wie „stetige, konzentrierte Arbeit mit dem Qi (der<br />

Lebensenergie, dem Atem, der Vitalität)“. Die Übungen<br />

zur „Lebenspflege <strong>und</strong> Selbstkultivierung“ sind aber – wie<br />

schon erwähnt – sehr viel älter. Als frühester Beleg für solche<br />

lebenspflegenden Übungen gilt ein Seidentuch aus dem<br />

2. Jahrh<strong>und</strong>ert v. Ch. Es wurde in einem Grab in der Nähe<br />

von Changsha gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zeigt 44 Männer <strong>und</strong> Frauen,<br />

wie sie verschiedene Körperhaltungen einnehmen.<br />

44 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

In einem Text von Baopuzi, der auf<br />

das Jahr 320 datiert wird, taucht der Begriff<br />

des Qi zum ersten Mal in Zusammenhang<br />

mit vorbeugenden Übungen<br />

auf.<br />

Viele Übungen sind in philosophische<br />

Vorstellungswelten wie den Daoismus,<br />

den Buddhismus oder den Konfuzianismus<br />

eingebettet. Maos Bestreben<br />

war es, die Übungen von „solchen feudalistischen<br />

Beimengungen“ zu „säubern“<br />

<strong>und</strong> lediglich ihre ges<strong>und</strong> erhaltende<br />

Funktion herauszustellen. Während der<br />

Kulturrevolution wurden QiGong-Meister<br />

verfolgt <strong>und</strong> QiGong-<strong>Schule</strong>n geschlossen.In diesem<br />

Rahmen kann nicht näher auf die Entwicklung des QiGong<br />

in der Volksrepublik China eingegangen werden. Nur so<br />

viel: Nach der Öffnung Chinas gegenüber dem Westen – in<br />

den 70er Jahren – wurde das QiGong in vielen Varianten<br />

exportiert <strong>und</strong> inzwischen auch umfassend wissenschaftlich<br />

untersucht. Es gibt zwischen den jeweiligen Universitäten<br />

<strong>und</strong> Kliniken einen Austausch zwischen westlichen <strong>und</strong> chinesischen<br />

Medizinern.<br />

Hier soll nun die Frage gestellt werden, was das QiGong<br />

für die Verwendung in der <strong>Schule</strong> so interessant macht.<br />

■ QiGong in der <strong>Schule</strong><br />

QiGong beinhaltet einfache, schnell erlernbare Übungen,<br />

die sich doch gr<strong>und</strong>sätzlich von Gymnastik oder von<br />

traditionellen Atemübungen unterscheiden.<br />

Die Übungen sind – wie oben dargestellt – in einem umfassenden<br />

Rahmen zu begreifen – sie tragen zu der Entwicklung<br />

einer Selbstkompetenz bei <strong>und</strong> sprechen die gesamte<br />

Persönlichkeit an. Damit können sie dazu beitragen, die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf ihrem Weg zur Selbstverantwortung<br />

für ihr eigenes Wohlbefinden zu begleiten. Sowohl<br />

in einigen <strong>Schule</strong>n in Nordrhein-Westfalen, als auch in Baden-Württemberg<br />

wurden längerfristig QiGong-Übungen in<br />

allen Altersstufen in den Unterricht integriert – mit überzeugendem<br />

Erfolg (vgl. Hofmann, Schöllhorn Literaturliste).<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

Nun mag eingewendet werden, dass<br />

dieser „Aufwand“ angesichts der zu bewältigenden<br />

Stofffülle nicht zu rechtfertigen<br />

sei. Wer sich mit der Neurophysiologie<br />

des Lernens beschäftigt hat, wird<br />

in den jüngsten Ergebnissen der Hirnforschung<br />

treffende Gründe finden, weshalb<br />

die wenigen Minuten der Sammlung <strong>und</strong><br />

Zentrierung, die den Geist beruhigen <strong>und</strong><br />

den Körper entspannen, gut investiert<br />

sind. Nicht nur die Konzentrationsfähigkeit<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler erhöht<br />

sich, sondern die erhöhte Sensibilisierung<br />

führt langfristig auch dazu, dass ihnen<br />

auffällt, wie viele Reize ständig auf sie<br />

einstürmen <strong>und</strong> wie wohltuend es ist, diese auch einmal auszuschalten<br />

oder zu reduzieren. Eine kontinuierliche Übungsdisziplin<br />

bewirkt, dass der Körper immer schneller in den<br />

Entspannungszustand „rutscht“.<br />

■ Einsatzmöglichkeiten von QiGong in der<br />

<strong>Schule</strong><br />

● Zur Rhythmisierung des Unterrichtes, Schaffung von<br />

„Entspannungsinseln“ im Fachunterricht, Einübung der<br />

Übungen in den Klassenst<strong>und</strong>en oder auch im Sportunterricht<br />

● Pausengestaltung<br />

● in Arbeitsgemeinschaften<br />

● als Methode des Stressmanagements <strong>und</strong> der Entspannung<br />

für Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer<br />

■ Beispiel aus einer 5. Klasse<br />

Zu Anfang des Schuljahres sah ich mich in meinem<br />

Unterricht einer ganz normalen Schar von quirligen, lebenslustigen<br />

Fünftklässlern gegenüber, die viel Enthusiasmus<br />

mitbrachten, die aber auch in unterschiedlicher Weise<br />

Schwierigkeiten hatten, dem Unterricht zu folgen: Unkonzentriertheit,<br />

Tagträumerei, Schwätzen, Wutausbrüche, geringe<br />

Frustrationstoleranz, Unlust, Stimmungsschwankungen.<br />

Ganz allmählich machte ich nun die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler mit einfachen QiGong-Übungen bekannt, was zu-<br />

45


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

nächst nur bedeutete, dass sie versuchten,<br />

eine Minute zu schweigen <strong>und</strong> auf ihren<br />

Atem zu achten, ohne ihn zu verändern. Sie<br />

setzten sich aufrecht hin, experimentierten<br />

damit, wie es sich anfühlte gerade zu sitzen,<br />

ohne ins Hohlkreuz zu fallen. Dann lernten<br />

sie in die Handflächen hineinzuspüren <strong>und</strong><br />

einfache Handhaltungen auszuprobieren.<br />

Mit der Zeit kamen komplexere Übungen<br />

dazu.<br />

Anfangs ließ ich die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler danach von ihren Wahrnehmungen<br />

berichten. Sie sprudelten ihre „Erlebnisse“<br />

hervor. Ich war erstaunt, wie differenziert<br />

die Empfindungen von einigen beschrieben<br />

werden konnten. Für andere bedeutete das<br />

stille Sitzen schon eine Qual – <strong>und</strong> das waren<br />

genau die Kinder, die im Unterricht besonders zerstreut<br />

waren <strong>und</strong> Konzentrationsmängel hatten.<br />

Je mehr jedoch die Übungen habitualisiert wurden <strong>und</strong> je<br />

mehr sich ein gewisses Ritual herausbildete, desto schneller<br />

kamen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüller zur inneren Ruhe. Inzwischen<br />

haben sie auch verschiedene Übungen im Stehen<br />

erlernt, wobei schon das Stehen eine Übung für sich ist, in<br />

der die Wirbelsäule erspürt wird, die Haltung des Kopfes<br />

wahrgenommen wird, die Handhaltung wichtig ist, die Art<br />

des Stehens Bedeutung hat etc. Selbstverständlich muss man<br />

als Unterrichtender sehr genau die ganze Gruppe im Blick<br />

haben, damit man eingreifen kann, sollte ein Kind Kreislaufprobleme<br />

o.ä. bekommen. Inzwischen unterrichte ich seit<br />

vielen Jahren QiGong <strong>und</strong> habe keinerlei ungünstige Nebenwirkungen<br />

feststellen können. Nach den Übungen sind die<br />

Kinder viel aufnahmebereiter <strong>und</strong> es herrscht eine „himmlische<br />

Ruhe“. Vor den Klassenarbeiten bewirken die Übungen,<br />

dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ihre Anspannung wahrnehmen<br />

<strong>und</strong> sie selbständig lösen lernen.<br />

■ Wirkungen der QiGong-Übungen<br />

Durch das stetige Üben von QiGong wird die Selbstwahrnehmung<br />

geschärft. Anspannung wird erspürt <strong>und</strong> kann<br />

vom Übenden selbst gelöst werden. Auch das Atmen wird<br />

als Möglichkeit erlebt, sich selbst zur Ruhe kommen zu lassen.<br />

Der selbsttägige Umgang mit Anspannung wird auch<br />

dadurch erleichtert, dass die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler merken, wie unnötig viel Kraft<br />

sie oft einsetzen. Sie lernen, die Übungen<br />

immer „gelöster“ zu machen. Da die Übungen<br />

immer durch die innere Wahrnehmung<br />

begleitet werden <strong>und</strong> da mit Vorstellungsbildern<br />

gearbeitet wird, werden auch die<br />

Emotionen angesprochen.<br />

Dadurch, dass die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler Verfahren lernen, sich selbst<br />

besser wahrzunehmen <strong>und</strong> Spannungen<br />

selbstständig zu lösen, gewinnen sie Einflussmöglichkeiten,<br />

<strong>und</strong> dies führt zur<br />

Stressreduktion (vgl. Spitzer S. 168). Dies<br />

lässt sich auch empirisch nachweisen.<br />

Unter anderem hat man in Studien festgestellt,<br />

dass QiGong-Übungen die Dopaminfreisetzung fördern.<br />

„Die Dopaminfreisetzung direkt im Kortex kann zu einer<br />

besseren Klarheit des Denkens führen.“ (Spitzer, a.a.O.,<br />

S. 77)<br />

Die differenzierte Selbstwahrnehmung hat zur Folge,<br />

dass die SchülerInnen gerade dadurch, dass sie genauer auf<br />

sich hören, auch besser merken, was ihnen gut tut <strong>und</strong> was<br />

nicht. Hier ist auch die Bedeutung des QiGong in der <strong>Sucht</strong>prävention<br />

zu sehen. Wer intensiv in seinen Körper hineinspürt,<br />

der merkt auch besser, wie unangenehm das Rauchen<br />

ist, wie der Körper sich wehrt. Wer diese Abneigung deutlich<br />

körperlich wahrnimmt, wird eher vom Rauchen Abstand<br />

nehmen. Insofern kann QiGong in der Primärprävention<br />

ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen (wie auch in der<br />

Raucherentwöhnung) (Kaltwasser, 2002/2005).<br />

Die von der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation geforderte Entwicklung<br />

von ges<strong>und</strong>heitsfördernder Alltagskompetenz als<br />

Ziel von Ges<strong>und</strong>heitsbildung weist laut Prof.Belschner insofern<br />

auf das QiGong hin, „als dass mit dieser Methode aus<br />

der chinesischen Kultur möglicherweise ein Konzept vorhanden<br />

ist, das vielfältige Anforderungen künftiger Strategien<br />

zur individuellen Ges<strong>und</strong>heitsförderung erfüllen kann.“<br />

(zit. nach Bölts, 2003, a.a.O. S.200)<br />

Vera Kaltwasser<br />

www.vera-kaltwasser.de<br />

46 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

■ Literatur<br />

● Belschner, W. (1998). 18 Ges<strong>und</strong>heitsförderliche Komponenten<br />

im QiGong, in: Hildenbrand,G., Das Qi Kultivieren,<br />

Oldenburg 1998<br />

● Bölts, J., (2003) Lernziel Ges<strong>und</strong>heitskompetenz, Oldenburg<br />

2003<br />

● Hofmann, H.,(2000) QiGong, Eine Hilfe zur Wiederherstellung<br />

der Lernfähigkeit <strong>und</strong> positiver Lernbedingungen<br />

in der <strong>Schule</strong>, Oldenburg 2000<br />

● Hüther, G., (2001), Bedienungsanleitung für ein menschliches<br />

Gehirn, Göttingen 2001<br />

Kommunikation mit<br />

sich selbst<br />

Interaktionsregel<br />

Selbstständigkeit<br />

Eigenzeit<br />

Reflexion des<br />

Lebenskonzeptes<br />

Differenziertes, ichnahes<br />

Körperbild<br />

Liebevoller Umgang<br />

mit dem Körper<br />

Modulation von An<strong>und</strong><br />

Entspannung<br />

Entdeckung der<br />

Semantik des Leibes<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

Imaginatives<br />

Verfahren<br />

������<br />

Aufbau positiver<br />

Gr<strong>und</strong>stimmung<br />

18 Ges<strong>und</strong>heitsförderliche Komponenten im QiGong (Belschner 1998)<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

● Kaltwasser, V.,(2002/05) Der sanfte Weg zum Nicht-<br />

Rauchen, Freiburg 2002, Neuauflage Knaur Dez.2005<br />

(mit einem ausführlichen Kapitel über QiGong <strong>und</strong> Darstellung<br />

der Fünf-Elemente-Übungen) (www.vera-kaltwasser.de)<br />

● Schöllhorn, Ch.(2003), QiGong in der <strong>Schule</strong>, Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Chancen, in: QiGong für Einsteiger, Frank<br />

Aichlseder (Hrsg), Hamburg 2003<br />

● Spitzer, M.(2002) Lernen, Gehirnforschung <strong>und</strong> die<br />

<strong>Schule</strong> des Lebens, Berlin 2002<br />

Sensibilisierung für<br />

energetische<br />

Prozesse<br />

Förderung von<br />

Kohärenz<br />

Mediation<br />

Soziale Integration<br />

Eigenaktivität<br />

Selbstbehandlung<br />

Öffnung für<br />

transpersonale<br />

Dimensionen<br />

Willensstärke<br />

Erlaubnis zur<br />

Angemessenheit<br />

47


Regional-biologische<br />

Schulverpflegung – Neue Ansätze<br />

Informationen über ein modellhaftes<br />

Kooperationsprojekt des Umweltzentrums<br />

Licherode mit dem Amt für Lehrerbildung AfL<br />

Von 2004 bis 2007 führt das Ökologische Schullandheim<br />

Licherode gemeinsam mit der Uni Kassel im Auftrag des<br />

B<strong>und</strong>esministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong><br />

Landwirtschaft das Modellvorhaben „Regional-ökologische<br />

Schulverpflegung“ durch. Konkrete Aufgaben sind die Entwicklung<br />

eines regionalen Versorgungsnetzes <strong>und</strong> die Erarbeitung<br />

<strong>und</strong> Erprobung eines konkreten Maßnahmenkatalogs<br />

für die Einführung regionaler Biokost an Ganztagsschulen.<br />

Das ÖSTLi begleitet in diesem Zusammenhang ausgesuchte<br />

Modellschulen im Schwalm-Eder-Kreis <strong>und</strong> unterstützt<br />

sie mit einem fünfköpfigen Beratungsteam u. a. durch<br />

folgende Maßnahmen:<br />

■ Konzipierung <strong>und</strong> Durchführung der umweltpädagogischen<br />

Bildungseinheit „Besser-Esser-Woche“ mit dem<br />

kindgerechten Zertifikat „Besser-Esser-Pass“<br />

■ Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen für das<br />

Lehrerkollegium<br />

■ Durchführung von Informationsabenden für die Eltern-<br />

schaft<br />

■ Konkrete Beratung der Schulleitung, der Schulküche<br />

bzw. des Öko-Caterers in Fragen der Betriebswirtschaft,<br />

der Hygiene, der Speiseplangestaltung etc.<br />

■ Arbeitsschwerpunkte <strong>und</strong> Vorgehensweise<br />

Nach einer umfangreichen Recherchephase hat das<br />

Projektteam des Ökologischen Schullandheims Licherode<br />

konkrete Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte zur Begleitung der<br />

Einführung regional-biologischer Kost an Ganztagsschulen<br />

entwickelt. Schwerpunkt ist eine pädagogische Projektwoche,<br />

die sich aus Stationsarbeiten zum Thema „Ges<strong>und</strong>e Ernährung“,<br />

der Erk<strong>und</strong>ung eines Biohofes <strong>und</strong> der gemeinsamen<br />

Zubereitung eines „Öko-Essens“ zusammensetzt; am<br />

Ende der Woche erhalten die Schulkinder den „Besser-Esser-Pass“,<br />

der gleichzeitig die „Eintrittskarte“ für das neu<br />

eingeführte, regional-biologische <strong>Schule</strong>ssen darstellt. Als<br />

weitere Bestandteile des Maßnahmenkatalogs wurden handlungsorientierte<br />

<strong>und</strong> abwechslungsreiche Informations- <strong>und</strong><br />

Fortbildungsveranstaltungen für Eltern- <strong>und</strong> Lehrerschaft<br />

konzipiert.<br />

48 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

Mit Hilfe der Schulverwaltung des Schwalm-Eder-Kreises<br />

wurde die Eckhard-Vonholdt-<strong>Schule</strong> (EVS) in Schwalmstadt<br />

als erste Modellschule ausgesucht. Nach mehreren aufwändigen<br />

Projektpräsentationen konnten Lehrerkonferenz,<br />

Elternbeirat <strong>und</strong> Schulkonferenz für das Projekt gewonnen<br />

werden. Das Team des Schullandheims hat die Besser-Esser-<br />

Woche mit insgesamt sieben Klassen sehr erfolgreich durchgeführt<br />

<strong>und</strong> zudem mehrere Elternabende veranstaltet.<br />

Die EVS hat mittlerweile beschlossen, die „Besser-Esser-Woche“<br />

zukünftig mit allen dritten Klassen eigenständig<br />

durchzuführen <strong>und</strong> den „Besser-Esser-Pass“<br />

fest im Schulprogramm zu verankern. Parallel zu den<br />

genannten Aktionen wurde die regional-biologische<br />

Umstellung der Schulverpflegung an der EVS durch<br />

Beratungsgespräche mit einer regionalen Versorgungsküche<br />

vorbereitet. Seit August 2004 wird die Schulverpflegung<br />

an der ersten Modellschule schrittweise auf<br />

regional-biologischen Bezug umgestellt, der Bioanteil<br />

schwankt zwischen 50% <strong>und</strong> 80%.<br />

■ Evaluierung <strong>und</strong> Verbreitung der Projektergebnisse<br />

Die „Besser-Esser-Wochen“ wurden von der Universität<br />

Kassel im Rahmen einer Diplomarbeit evaluiert,<br />

ihre Wirksamkeit konnte überzeugend nachgewiesen<br />

werden. In einem weiteren Projektschritt soll das<br />

Gesamtkonzept nun an der Gustav-Heinemann-<strong>Schule</strong>,<br />

einer Gesamtschule in Borken, ein zweites Mal durchgeführt<br />

werden. Die „Besser-Esser-Wochen“ werden diesmal<br />

mit sechsten Klassen durchgeführt, hierzu wird zur Zeit eine<br />

altersangemessene, anspruchsvollere Version erarbeitet <strong>und</strong><br />

erprobt. Erst nach diesem weiteren Testlauf unter geänderten<br />

<strong>und</strong> wohl auch schwierigeren Rahmenbedingungen kann die<br />

Übertragung <strong>und</strong> Verbreitung der Projektergebnisse forciert<br />

werden.<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />

■ Innovation des Ansatzes gegenüber herkömmlichen<br />

Strategien<br />

Der Projektansatz des Ökologischen Schullandheims<br />

zielt darauf, an <strong>Schule</strong>n mit Ganztagsangeboten ein gr<strong>und</strong>legend<br />

positives Klima für die Einführung einer regionalbiologischen<br />

Schulverpflegung zu schaffen. Das Bündel<br />

vielschichtiger Maßnahmen (pädagogische Projektwochen,<br />

fachliche Beratung, Elternaufklärung, Schulfeste<br />

etc.) zielt darauf, die ganze „Schulfamilie“ auf den Weg<br />

zur regional-biologischen Schulverpflegung mitzunehmen.<br />

Diese langfristig angelegte „Prozessorientierung“<br />

unterscheidet den Ansatz gr<strong>und</strong>legend von vielen herkömmlichen<br />

Aktionen („Bio-Food-Truck“, Ausstellung<br />

„Ökolandbau“ etc.), die oft lediglich punktuelle <strong>und</strong><br />

kurzfristige Wirkungen entfalten können.<br />

Mit der „Besser-Esser-Woche“ liegt zudem ein<br />

hochwirksames Instrument vor, das die Themen „Ökologischer<br />

Landbau“ <strong>und</strong> „Ges<strong>und</strong>e Ernährung“ kindgerecht<br />

<strong>und</strong> anschaulich miteinander verknüpft. So könnte<br />

es gelingen, zeitgemäße Konzepte der Umweltbildung<br />

(ganzheitliche Ausrichtung, Berücksichtigung der<br />

Nachhaltigkeit, Zertifizierung) besser als bisher in den<br />

Prozess der Ernährungsumstellung an Ganztagsschulen<br />

einzubringen. Entscheidend ist dabei die dauerhafte<br />

Verankerung dieses Instruments im Schulprogramm<br />

<strong>und</strong> somit im Schulleben.<br />

■ Übertragbarkeit der Projektergebnisse<br />

Es hat sich schnell gezeigt, dass die Übertragbarkeit des<br />

aufwändigen Beratungskonzeptes auf andere <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong><br />

Regionen nicht allein, wie ursprünglich vorgesehen, über<br />

einen schriftlichen Leitfaden zu leisten ist. Das Projektteam<br />

„Regional-biologische Schulverpflegung“ sieht zwei An-<br />

49


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

sätze für die Wissensübertragung, die im weiteren Projektverlauf<br />

weiter verfolgt werden sollen. Die optimale Lösung<br />

wären die Einrichtung regionaler Beratungsgruppen, die,<br />

ähnlich wie die sechsköpfige Projektgruppe des Ökologischen<br />

Schullandheims, umstellungsbereite <strong>Schule</strong>n fachlich<br />

<strong>und</strong> organisatorisch beraten <strong>und</strong> vor allem mit pädagogischen<br />

Aktionen begleiten. Die Ergebnisse des Projekts „Regionalbiologische<br />

Schulverpflegung“ können eine gute Basis für<br />

die Arbeit solcher externer Beratungsgruppen liefern.<br />

Das Problem liegt hier natürlich in der Finanzierung. Daher<br />

wurde in der Modellregion „Schwalm-Eder-Kreis“ eine<br />

„Regionale Plattform Ges<strong>und</strong>e <strong>Schule</strong>rnährung“ initiiert, in<br />

die alle gesellschaftlich relevanten Gruppen eingeb<strong>und</strong>en<br />

sind <strong>und</strong> in der gemeinsam nach Finanzierungswegen für<br />

solche Beratungsleistungen gesucht wird.<br />

Weniger optimal, aber immer noch Erfolg versprechender<br />

als punktuelle Aktionen oder schriftliche Leitfäden wäre<br />

die Stärkung <strong>und</strong> Nutzung schulinterner Kompetenzen für<br />

die Begleitung des Umstellungsprozesses. Hierzu wäre es<br />

notwendig, besonders engagierte Lehrkräfte durch gezielte<br />

Qualifizierungs- <strong>und</strong> Fortbildungsmaßnahmen in die Lage<br />

zu versetzen, z. B. die „Besser-Esser-Woche“ an der <strong>Schule</strong><br />

durchzuführen <strong>und</strong> den „Besser-Esser-Pass“ fest im Schulprogramm<br />

zu verankern. Als zentrales Problem wird sich<br />

in diesem Zusammenhang einmal mehr zeigen, dass gerade<br />

Lehrkräfte mit hoher Engagementbereitschaft meist „bis<br />

über die Ohren mit Arbeit zugeschüttet“ sind. Dennoch sollen<br />

in Kooperation mit dem Hessischen Amt für Lehrerbildung<br />

(AfL) im kommenden Schuljahr entsprechende Qualifizierungsseminare<br />

angeboten <strong>und</strong> erprobt werden.<br />

■ Nähere Infos:<br />

Ökologisches Schullandheim Licherode<br />

Zentrum für praxisnahe Umweltbildung<br />

Lindenstraße 14, 36211 Alheim<br />

Tel. 05664 / 9486-0 Fax 05664 / 9486-40<br />

E-Mail: oekonetz.licherode@t-online.de<br />

Internet: www.oekonetz-licherode.de<br />

Klaus Adamaschek<br />

50 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE


Trendgetränke – was ist dran, was<br />

ist drin?<br />

Verbraucherzentrale startet die „Mach-Bar-Tour“<br />

für hessische <strong>Schule</strong>n<br />

„Trendgetränke bieten Energie, Lifestyle, Fitness, Imagegewinn<br />

...“. So suggeriert es die Werbung für Energydrinks,<br />

Sport- <strong>und</strong> Isogetränke sowie Alcopops, die offensichtlich<br />

gerade Jugendliche <strong>und</strong> auch Kinder anspricht. Doch die<br />

Mixturen aus Wasser, diversen Süßungsmitteln, Zusatzstoffen<br />

<strong>und</strong> zusätzlich werbewirksamen Substanzen wie Guarana,<br />

Koffein oder Alkohol halten nicht, was sie versprechen.<br />

Sie sind keine geeigneten Durstlöscher <strong>und</strong> entpuppen sich<br />

in einigen Fällen sogar als potenziell ges<strong>und</strong>heitsschädlich.<br />

Die Mach-Bar-Tour der Verbraucherzentrale <strong>Hessen</strong><br />

greift dieses Thema auf. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der Klassen<br />

7 bis 10 erarbeiten <strong>und</strong> erfahren an fünf Stationen alles<br />

über Trendgetränke. So werden ges<strong>und</strong>heitsrelevante Faktoren<br />

wie Zusammensetzung <strong>und</strong> sinnvolle Alternativen,<br />

Werbestrategien, Umweltverträglichkeit <strong>und</strong> Gebrauchseigenschaften<br />

der Verpackungen erlebnisnah <strong>und</strong> interaktiv<br />

vermittelt.<br />

Im Jahr 2004 nahmen bereits 14 <strong>Schule</strong>n mit r<strong>und</strong> 350<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern das interaktive Angebot war.<br />

● An der Kost-Bar verkosten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

Trendgetränke <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mixgetränke. Der Aha-Effekt<br />

ist dann, dass die ges<strong>und</strong>en Mischgetränke, die an<br />

der Bar selbst hergestellt werden, meist sogar besser<br />

schmecken.<br />

● An der Denk-Bar vergleichen <strong>und</strong> bewerten die Jugendlichen<br />

die Inhaltsstoffe von Trendgetränken <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en<br />

Alternativen. Sie sollen hier erkennen, dass die „designten“<br />

Getränke mit vielen künstlichen Inhaltsstoffen oder<br />

gar Alkohol als Durstlöscher <strong>und</strong> Fitmacher ungeeignet<br />

sind.<br />

WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />

● An der W<strong>und</strong>er-Bar werden die Werbestrategien der<br />

Anbieter analysiert <strong>und</strong> ein pfiffiges Werbekonzept für<br />

ihr eigenes Mixgetränk entwickelt. Auch ein „uncooles“<br />

ges<strong>und</strong>es Getränk kann hier zum Trendgetränk werden,<br />

wenn die Verpackung <strong>und</strong> das Image stimmen.<br />

● An der Nutz-Bar werden die Verpackungen diverser Getränke<br />

unter dem Aspekt von Umwelt- <strong>und</strong> Gebrauchseigenschaften<br />

bewertet. Hier erfahren die Jugendlichen<br />

z.B., dass eine Dose 10-mal mehr zur Klimaerwärmung<br />

beiträgt als eine Plastikmehrwegflasche <strong>und</strong> die Trinkflasche<br />

oder „Travel-Cup“ der Umwelttipp für unterwegs<br />

ist.<br />

Zum Abschluss werden die Gruppenergebnisse aus den<br />

einzelnen Bars präsentiert <strong>und</strong> die zentralen Botschaften diskutiert.<br />

■ Kontakt<br />

<strong>Schule</strong>n, die sich für die Teilnahme an der Mach-Bar-<br />

Tour interessieren, wenden sich an:<br />

Verbraucherzentrale <strong>Hessen</strong><br />

Tel.: 069 - 97 20 10 42<br />

E-Mail: ernaehrung@verbraucher.de<br />

51


Wissen wo das Essen her kommt!<br />

Bauernhof als Klassenzimmer – Hoferk<strong>und</strong>ungen<br />

als Beitrag zur Beschäftigung mit dem Thema<br />

bewusste Ernährung<br />

Immerhin 30% der Kinder in Deutschland haben bei einer<br />

Untersuchung der Universität Marburg auf die Frage:<br />

Welche Farbe hat die Kuh? Lila geantwortet. Die Farbe von<br />

Enten ist – entsprechend dem Kinderfernsehen – gelb. Die<br />

Lieblingssüßigkeit der Kinder ist Schokolade, weniger als<br />

10 % wissen wie eine Kakaobohne aussieht.<br />

Diese Reihe von Beispielen lässt sich beliebig verlängern<br />

<strong>und</strong> drückt letztlich aus, dass Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

heute so gut wie keinen Einblick mehr in die Herkunft der<br />

Lebensmittel als landwirtschaftliche Produkte haben. Viele<br />

der über 16 jährigen können außer der Zubereitung von vorgefertigten<br />

Gerichten nach Anleitung auf der Packung nicht<br />

kochen, also keine Nahrung aus frischen Produkten herstellen.<br />

Kenntnis über die Herkunft, die Erzeugungsbedingungen<br />

von Lebensmitteln sind aber eine wichtige Vorraussetzung<br />

für eine bewusste, selbstbestimmte Ernährung. Nur so<br />

lernen junge Menschen den Geschmack der Rohprodukte<br />

kennen, erhalten Einblicke in differenzierte Geschmacksrichtungen<br />

<strong>und</strong> damit letztendlich auch sich bewusst für<br />

oder gegen Nahrungsbestandteile zu entscheiden.<br />

Gemeinsam haben Hessischer Bauernverband, Umweltministerium<br />

<strong>und</strong> die Lehrerbildung in den vergangenen<br />

Jahren ein Programm entwickelt, bei dem Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler hessische Bauernhöfe erk<strong>und</strong>en können <strong>und</strong> systematische<br />

<strong>und</strong> authentische Einblicke in die Erzeugung von<br />

Lebensmitteln in <strong>Hessen</strong> bekommen. Unterstützt durch einen<br />

umfangreichen Materialordner mit Handreichungen für<br />

den Unterricht, Planungsunterlagen für die Hoferk<strong>und</strong>ungen<br />

<strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong>informationen, können Lehrerinnen <strong>und</strong><br />

Lehrer mit ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern konkrete Tage<br />

auf Bauernhöfen planen <strong>und</strong> diese in den Unterricht einbinden.<br />

Die Herstellung <strong>und</strong> das anschließende Essen von Gerichten<br />

aus frischen Produkten, deren Weg die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler unmittelbar verfolgen können, gehören ebenso<br />

dazu wie die Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen<br />

der Landwirtschaft in <strong>Hessen</strong>.<br />

Da auch Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer häufig den Kontakt zur<br />

Landwirtschaft verloren haben <strong>und</strong>, wie eine Evaluation der<br />

ersten Projektjahre gezeigt hat, große Unsicherheit bei der<br />

Planung solcher Exkursionen <strong>und</strong> Unterrichtsgänge bestehen,<br />

haben die Projektpartner in den letzen Jahren thematische<br />

Hoferk<strong>und</strong>ungstage auch für hessische Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrer durchgeführt. Sie erhielten dabei Einblicke in<br />

die Erzeugung von Milch, Fleisch <strong>und</strong> Gemüse <strong>und</strong> konnten<br />

sich über die Direktvermarktung, einer Möglichkeit des<br />

direkten Kontaktes zwischen Erzeuger <strong>und</strong> Verbraucher, informieren.<br />

Ebenso wie bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern war auch<br />

bei vielen Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern Erstaunen über den geschmacklichen<br />

Unterschied frischer Produkte zu beobachten.<br />

Der nächste Lehrerkongress zu diesem Thema ist für<br />

November in Fulda geplant. Die Aktion hat inzwischen b<strong>und</strong>esweite<br />

Nachahmung gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> so wurde der b<strong>und</strong>esweite<br />

Auftakt von Bauernhof als Klassenzimmer 29.6.2005<br />

in Wächtersbach (Main-Kinzig-Kreis) gefeiert. Insgesamt 8<br />

Schulklassen aus der Region erk<strong>und</strong>eten an diesem Tag an<br />

verschiedenen Stationen landwirtschaftliche Betriebe.<br />

Auch in <strong>Hessen</strong> wird Bauernhof als Klassenzimmer weitergeführt.<br />

Interessierte <strong>Schule</strong>n können sich an die regionalen<br />

Bauernverbände oder auch an das Hessische Ministerium<br />

für Umwelt, ländlichen Raum <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />

wenden.<br />

http://www.hmulv.hessen.de/laendlicher_raum/bildung/<br />

klassenzimmer/<br />

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Deutsche Krebsgesellschaft e.V.<br />

Die Hessische Krebsgesellschaft e.V. mit Sitz in Marburg<br />

ist eine Vereinigung von Krebsspezialisten, Betroffenen <strong>und</strong><br />

Interessierten. Ziel der Gesellschaft ist die Bekämpfung der<br />

Krebserkrankungen im B<strong>und</strong>esland <strong>Hessen</strong>. Neben der Unterstützung<br />

von Betroffenen <strong>und</strong> deren Angehörigen bemüht<br />

sie sich um Aufklärung der Bevölkerung über Möglichkeiten<br />

der Krebsfrüherkennung <strong>und</strong> immer mehr auch der Krebsvermeidung,<br />

der sogenannten (primären) Krebsprävention.<br />

Schon lange ist bekannt, dass Rauchen die Hauptursache<br />

von Krebserkrankungen ist. Mindestens 30 % aller Krebserkrankungen<br />

sind direkt darauf zurückzuführen. Der Zigarettenrauch<br />

enthält etwa 3.500 verschiedene Substanzen, von<br />

denen ca. 200 als giftig <strong>und</strong> etwa 60 als kanzerogen, also<br />

krebserregend identifiziert sind. Dazu gehören u.a. Benzpyrene,<br />

Quecksilber, Acrylamid, Nitrosamine, radioakives Polonium<br />

<strong>und</strong> Formaldehyd.<br />

Wird der Rauch inhaliert, gelangen diese Substanzen<br />

über die M<strong>und</strong>höhle <strong>und</strong> die Bronchien in die Lunge, genauer<br />

gesagt in die Lungenbläschen, deren Oberfläche etwa so<br />

groß wie ein Tennisfeld ist. Ein Raucher, der eine Schachtel<br />

Zigaretten pro Tag raucht, verteilt so jährlich eine Tasse Teer<br />

in seiner Lunge. Der Rauch „verklebt“ dort die Schleimhäute<br />

<strong>und</strong> blockiert dadurch den Selbstreinigungsmechanismus<br />

der Lunge. Die giftigen <strong>und</strong> kanzerogenen Substanzen können<br />

damit einerseits auf dem Weg zu den Lungenbläschen<br />

besonders lange direkt auf die Schleimhäute, mit denen sie<br />

Kontakt haben (M<strong>und</strong>höhle, Kehlkopf, Lunge, Speiseröhre,<br />

Magen), einwirken. Andererseits werden sie von dort über<br />

das Blut im ganzen Körper verteilt <strong>und</strong> können dadurch bösartige<br />

Veränderungen in fast allen Organen des Körpers hervorrufen.<br />

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Der Lungen- oder Bronchialkrebs ist die wohl bekannteste<br />

durch Rauchen bedingte Krebserkrankung, wobei hier<br />

eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung vorliegt. Die nächst<br />

häufigeren bösartigen Erkrankungen sind die der M<strong>und</strong>höhle,<br />

des Kehlkopfes, der Speiseröhre <strong>und</strong> des Magens. 60<br />

– 95% aller malignen Erkrankungen in diesen Organen sind<br />

durch das Rauchen bedingt. Dabei potenziert der „Genuss“<br />

von v.a. hochprozentigem Alkohol das Risiko. Anders ausgedrückt:<br />

Alkohol trinkende Raucher (20 Zig. tgl. <strong>und</strong> mehr)<br />

haben ein ca. 30faches Risiko.<br />

Allgemein weniger bekannt, aber dennoch nachgewiesen<br />

ist die Assoziation von Rauchen <strong>und</strong> Krebs der Bauchspeicheldrüse<br />

(Faktor 5 bei mehr als 40 Zigaretten pro Tag), Niere<br />

<strong>und</strong> Harnblase (Faktor 3; d.h. 40% dieser Tumore sind<br />

auf Zigarettenkonsum zurückzuführen, durch Ausscheidung<br />

von Kanzerogenen über den Urin), Gebärmutterhals (Faktor<br />

2; d.h. 30% sind durchs Rauchen mitbedingt) <strong>und</strong> bei der<br />

Leukämie (Faktor 1.4; d.h. 15% sind aufs Rauchen zurückzuführen).<br />

In Anbetracht dieser Fakten ist es besonders erschreckend<br />

festzustellen, dass trotzdem Jugendliche <strong>und</strong> sogar Kinder<br />

immer häufiger <strong>und</strong> immer früher mit dem Rauchen beginnen,<br />

wie die neueste Drogenaffinitätsstudie zeigt. Gleichzeitig<br />

wissen wir, dass das Aufhören später um so schwerer fällt,<br />

je früher der oder die Betroffene angefangen hat. Das liegt<br />

wohl u.a. daran, dass Nikotin, also die eigentliche suchterzeugende<br />

Substanz im Zigarettenrauch, ein außerordentlich<br />

starkes <strong>Sucht</strong>potential besitzt. Ehemals Heroinabhängige berichten,<br />

dass die <strong>Sucht</strong>wirkung sogar stärker sei als bei Heroin.<br />

Denn die riesige Oberfläche der Lungenbläschen (Tennisfeld)<br />

ermöglicht nicht nur einen schnellen Gasaustausch<br />

beim Atmen, sondern auch ein ähnlich schnelles „Anfluten“<br />

53


NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />

der Droge Nikotin wie bei einer intravenösen Gabe anderer<br />

<strong>Sucht</strong>mittel.<br />

Deshalb hat es sich die Hessische Krebsgesellschaft<br />

zur Aufgabe erklärt, Rauchprävention an weiterführenden<br />

<strong>Schule</strong>n zu unterstützen. Dies erfolgt derzeit mit dem Europa-weiten<br />

Nichtraucherwettbewerb „Be Smart, Don`t Start“.<br />

Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.<br />

■ Kontakt<br />

Dr. med. Maria Vogelmeier<br />

Hessische Krebsgesellschaft e.V.<br />

Heinrich-Heine-Straße 44<br />

35039 Marburg<br />

Tel.: 06421/63324<br />

Fax: 06421/63316<br />

oeffentlichkeitsarbeit@hessische-krebsgesellschaft.de<br />

Internet: www.hessische-krebsgesellschaft.de<br />

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