Sucht- und Gewaltprävention ... - Schule & Gesundheit - Hessen
Sucht- und Gewaltprävention ... - Schule & Gesundheit - Hessen
Sucht- und Gewaltprävention ... - Schule & Gesundheit - Hessen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Hessisches Kultusministerium<br />
<strong>Schule</strong>&Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>Sucht</strong>- <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong>,<br />
Konfliktmanagement<br />
Netzwerkzeitung 2005
Editorial<br />
„Prävention von <strong>Sucht</strong> <strong>und</strong> Gewalt, Umgang<br />
mit Konflikten“ – Leitgedanken der diesjährigen<br />
Ausgabe Netzwerkzeitung <strong>Schule</strong> & Ges<strong>und</strong>heit.<br />
Die Präventionsarbeit mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
an <strong>Schule</strong>n ist fester Bestandteil des Aufgabenbereichs von<br />
Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern. Ziel ist es, die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler frühzeitig für Themen wie <strong>Sucht</strong> <strong>und</strong> Gewalt zu sensibilisieren<br />
<strong>und</strong> sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu<br />
stärken. Dennoch werden Schüler <strong>und</strong> Lehrer nach wie vor<br />
mit aggressiven, gewalttätigen Verhaltensweisen <strong>und</strong> mit<br />
<strong>Sucht</strong>verhalten konfrontiert <strong>und</strong> brauchen Unterstützung im<br />
Umgang mit diesen Schwierigkeiten. Einen Beitrag dazu<br />
leistet die diesjährige Netzwerkzeitung mit Beispielen aus<br />
der Praxis, die unterschiedliche Wege hin zu einer suchtmittelfreien<br />
<strong>und</strong> gewaltärmeren <strong>Schule</strong> aufzeigen. Wichtige<br />
Ansatzpunkte sind:<br />
■ zur Selbstständigkeit <strong>und</strong> Selbstverantwortung erziehen,<br />
■ Selbstwertgefühl <strong>und</strong> Selbstvertrauen fördern,<br />
■ zur Konfliktfähigkeit hinführen <strong>und</strong> die Frustrationstoleranz<br />
erhöhen,<br />
■ die Kommunikations-, Kontakt- <strong>und</strong> Beziehungsfähigkeit<br />
entwickeln <strong>und</strong> die emotionale Erlebnisfähigkeit<br />
fördern, gewaltfreie Konfliktlösungswege aufzeigen <strong>und</strong><br />
einüben, Bereitschaft zur eigenen Verhaltensänderung<br />
aufzeigen.<br />
<strong>Schule</strong> soll ein Ort sein, an dem Erwachsene, Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche sucht-, gewalt- <strong>und</strong> angstfrei gemeinsam lernen,<br />
arbeiten <strong>und</strong> leben können. Die Erziehung zu Selbstständig-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
keit, die Förderung des Selbstvertrauens <strong>und</strong> die Entwicklung<br />
konstruktiver Konfliktlösungen sind wichtige Schritte<br />
auf dem Weg dorthin. Im Sinne einer „ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />
<strong>Schule</strong>“ müssen dabei aber auch die strukturellen <strong>und</strong><br />
organisatorischen Bedingungen von <strong>Schule</strong> berücksichtigt<br />
werden. Wesentliche Aspekte sind:<br />
■ eine Atmosphäre des Vertrauens <strong>und</strong> der Geborgenheit<br />
im Schulalltag schaffen,<br />
■ Orientierungen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>werte in Verbindung mit dem<br />
gelebten Vorbild des Lehrers/der Lehrerin vermitteln,<br />
■ organisatorische Voraussetzungen durch <strong>Schule</strong>ntwicklung<br />
schaffen, um die Ziele einer suchtmittel- <strong>und</strong> gewaltfreien<br />
<strong>Schule</strong> zu erreichen.<br />
Im vorliegenden Heft finden Sie Beispiele für die erfolgreiche<br />
Verwirklichung verschiedener Initiativen, darunter<br />
„Coole Schüler – entspannte Lehrer“, Rauchfrei durch die<br />
<strong>Schule</strong>“, „Denn sie wissen wohl, was sie tun“. Sie sollen<br />
Ihnen die Möglichkeit eröffnen, Ihre eigene Arbeit zu reflektieren,<br />
neue Anregungen <strong>und</strong> Ideen zu sammeln <strong>und</strong> Sie vor<br />
allem dazu ermutigen, sich weiterhin engagiert für Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Wohlbefinden an unseren <strong>Schule</strong>n einzusetzen.<br />
Karin Wolff<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
Editorial …………………………………………………………………………………………………………………………………………… 1<br />
Gemeinsam handeln. Mehr erreichen. ……………………………………………………………………………………… 2<br />
Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm ………………………………………………………………………………………………… 6<br />
Coole Schüler – entspannte Lehrer …………………………………………………………………………………………… 9<br />
Denn sie wissen wohl, was sie tun …………………………………………………………………………………………… 11<br />
Fokusprotokoll …………………………………………………………………………………………………………………………… 12<br />
Schulbusbegleiter ……………………………………………………………………………………………………………………… 17<br />
Netzwerk Prävention ………………………………………………………………………………………………………………… 19<br />
Auf dem Weg zur ges<strong>und</strong>heitsfördernden <strong>Schule</strong> ……………………………………………………………… 23<br />
Rauchfrei durch die <strong>Schule</strong> (RaddS) ………………………………………………………………………………………… 25<br />
Tabakprävention – rauchfreie Lebenswelten vor Ort …………………………………………………………… 30<br />
Elternforum–Kassel …………………………………………………………………………………………………………………… 33<br />
Von Dickhäutern, Ärgernissen <strong>und</strong> Hautpflege …………………………………………………………………… 35<br />
Mobbing in der Schulklasse ……………………………………………………………………………………………………… 38<br />
„star“ – stay together, act responsible …………………………………………………………………………………… 41<br />
QiGong in der <strong>Schule</strong> ………………………………………………………………………………………………………………… 43<br />
Regional-biologische Schulverpflegung – Neue Ansätze …………………………………………………… 47<br />
Trendgetränke – was ist dran, was ist drin? …………………………………………………………………………… 50<br />
Wissen wo das Essen her kommt! …………………………………………………………………………………………… 51<br />
Deutsche Krebsgesellschaft e.V. ……………………………………………………………………………………………… 52<br />
IMPRESSUM<br />
■ Herausgeber<br />
<strong>Schule</strong> & Ges<strong>und</strong>heit<br />
Hessisches Kultusministerium<br />
Luisenplatz 10<br />
65185 Wiesbaden<br />
■ Verantwortlich<br />
B. Zelazny<br />
■ Druckerei<br />
Zeidler GmbH&Co KG, Mainz-Kastel<br />
■ Redaktionsteam<br />
M. Melcher, R. Weißgraeber, B. Zelazny<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />
geben nicht unbedingt die Meinung des<br />
Herausgebers wieder.<br />
■ Design, Layout <strong>und</strong> Grafik<br />
R. Weißgraeber<br />
robert@weissgraeber.info<br />
■ Titelgestaltung<br />
Muhr, Design & Werbung, Wiesbaden<br />
www.muhrdw.de<br />
■ Erscheinungsweise: 1x jährlich
Gemeinsam handeln. Mehr<br />
erreichen.<br />
„Prävention im Team“ an hessischen <strong>Schule</strong>n<br />
■ Vorbemerkung<br />
Nicht erst seit dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002<br />
oder den Misshandlungen an einer Hildesheimer Berufsschule<br />
im Jahr 2004 steht das Thema Gewalt an <strong>Schule</strong>n im<br />
Blickpunkt der Öffentlichkeit. Immer dann, wenn ein Übergriff<br />
besonders spektakulär ausfällt <strong>und</strong> Beteiligte nachhaltig<br />
geschädigt werden oder sogar ihr Leben verlieren, wird Gewalt<br />
an <strong>Schule</strong>n oder auch Jugendgewalt in den Medien ein<br />
Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Was folgt, ist Betroffenheit,<br />
reger Austausch in Expertenr<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ein mitunter<br />
hektischer Aktionismus, der möglichst medienwirksam<br />
inszeniert wird.<br />
Internationale <strong>und</strong> nationale Studien zu Gewalt in der<br />
<strong>Schule</strong> haben ergeben, dass die tatsächliche Situation an<br />
deutschen <strong>Schule</strong>n weniger dramatisch ist als Medienberichte<br />
es uns glauben machen wollen (BKA-Studie 2003, Universität<br />
Bochum 2005). Allerdings ist dies kein Gr<strong>und</strong> zur<br />
Entwarnung oder Bagatellisierung, denn Forschungsergebnisse<br />
zeigen, dass sich die Qualität der Gewalt an <strong>Schule</strong>n<br />
verändert hat. „Es wird häufiger noch nachgetreten, wenn<br />
das Opfer schon am Boden liegt“, bestätigt auch der Kriminologe<br />
Thomas Feltes, der im März diesen Jahres die Ergebnisse<br />
der neuen Studie der Ruhr-Universität Bochum zu<br />
Gewalt an <strong>Schule</strong>n vorstellte (Offenbach Post, 24.3.2005).<br />
Neben körperlichen Übergriffen <strong>und</strong> Drohungen sind vor<br />
allem verbale Aggressionen <strong>und</strong> soziale Ausgrenzung häufig.<br />
Jeder einzelne Vorfall – sowohl physischer als auch psychischer<br />
Art – hinterlässt Spuren bei den Betroffenen <strong>und</strong><br />
nicht wenige Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler tragen lange an dem,<br />
was ihnen widerfahren ist. Wegsehen, formuliert der Kölner<br />
Schulpsychologe Albert Zimmermann, ist „unterlassene Hilfeleistung“<br />
<strong>und</strong> damit strafbar; eine Kultur des Wegschauens<br />
oder auch eine Verrohung der Umgangsformen bedrohen<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
längerfristig nicht nur jeden Einzelnen, sondern unsere gesamte<br />
demokratische Gesellschaft.<br />
Wenn auch <strong>Schule</strong> in besonderer Weise aufgerufen ist,<br />
<strong>Gewaltprävention</strong> durchzuführen, so ist dennoch unsere<br />
Gesellschaft als Ganzes gefragt, wenn es darum geht, gegen<br />
Gewalt vorzugehen. Denn schulische Gewalt ist ein<br />
gesamtgesellschaftliches Problem, in dem sich Probleme<br />
unserer Gesellschaft wie zunehmende soziale Unterschiede,<br />
Medienmissbrauch, Orientierungslosigkeit in der Erziehung<br />
uvm. fokussieren. „<strong>Schule</strong> ist beim Vorgehen gegen Gewalt<br />
nur eins von vielen, aber dennoch wohl wichtigstes Rädchen<br />
im Gesamtprozess“, stellen Prof. Dr. R. Jäger <strong>und</strong> Dr. T.<br />
Jäger vom Zentrum für empirische Forschung „ZEPF“ der<br />
Universität Landau fest. „ Ansätze, die sich nur auf die <strong>Schule</strong><br />
allein beschränken, greifen zu kurz <strong>und</strong> tragen oft nur zur<br />
Verschiebung des Problems bei“.<br />
■ Erfolgversprechende Strategien gegen<br />
Gewalt in der <strong>Schule</strong><br />
Neben anderen nationalen <strong>und</strong> internationalen Studien<br />
zieht auch die von den Professoren Lösel <strong>und</strong> Bliesener für<br />
das B<strong>und</strong>eskriminalamt durchgeführte Studie zu „Aggression<br />
<strong>und</strong> Delinquenz unter Jugendlichen“ das Resümee, dass<br />
Gewalt ein Phänomen mit vielen Faktoren ist. Kommen bei<br />
einem Kind oder Jugendlichen mehrere ungünstige Bedingungen<br />
zusammen, erhöht sich das Risiko, dass in einem<br />
jungen Menschen ein von Aggression <strong>und</strong> Gewalt geprägtes<br />
Verhaltensmuster entsteht. Eine erfolgversprechende Strategie<br />
gegen Gewalt muss daher dieser Vielfalt an Bedingungsfaktoren<br />
<strong>und</strong> Erscheinungsformen von gewalttätigem<br />
Verhalten Rechnung tragen. Oder, wie es die Gewaltkommission<br />
bereits früher festgestellt hatte, „da Gewaltphäno-<br />
3
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
mene komplex sind, sind auch komplexe Strategien zu ihrer<br />
Verhinderung <strong>und</strong> Kontrolle nötig“.<br />
Experten zufolge sollte ein effektiver <strong>Gewaltprävention</strong>sprozess:<br />
■ möglichst frühzeitig ansetzen,<br />
■ multimodal ausgerichtet sein,<br />
■ zugleich ein ganzes Bündel an verschiedenen Maßnahmen<br />
umfassen<br />
■ <strong>und</strong> möglichst mehrere Personengruppen – als Zielgruppe<br />
<strong>und</strong> Akteure – anvisieren.<br />
Wichtig ist außerdem,<br />
■ dass diese Maßnahmen theoriegeleitet sind <strong>und</strong><br />
■ mit einem vertretbaren Aufwand zu realisieren sind.<br />
Das Gelingen schulumfassender Ansätze gegen Gewalt<br />
unter Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern wird umso wahrscheinlicher,<br />
je mehr es gelingt,<br />
■ das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Maßnahmen gegen<br />
Gewalt nicht als Makel, sondern als Prädikat für eine<br />
<strong>Schule</strong> aufzufassen sind.<br />
■ Maßnahmen als Teil eines Organisationsentwicklungsprozesses<br />
zu verstehen <strong>und</strong> somit die ganze <strong>Schule</strong> als<br />
Gemeinschaft mit einzubeziehen.<br />
■ die Langfristigkeit, Systematik, Intensität <strong>und</strong> Konsequenz<br />
des Handelns gegenüber punktuellen, kurzfristigen<br />
Lösungen zu bevorzugen.<br />
■ ein realistisches <strong>und</strong> pragmatisches Herangehen sowohl<br />
bei der Zielbestimmung wie auch bei der Auswahl der<br />
Maßnahmen zu gewährleisten.<br />
■ die jeweiligen Maßnahmen an die speziellen Rahmenbedingungen<br />
der <strong>Schule</strong> anzupassen.<br />
(vgl. Scheithauer, Hayer & Petermann, 2003, S. 188)<br />
Ein Erfolg versprechendes <strong>Gewaltprävention</strong>sprojekt ist<br />
PiT-<strong>Hessen</strong>.<br />
■ Was ist PiT- <strong>Hessen</strong> überhaupt?<br />
Prävention im Team (PiT) ist das erste Modellprojekt<br />
des Netzwerks gegen Gewalt, einer Initiative der hessischen<br />
Landesregierung. PiT ist ein <strong>Gewaltprävention</strong>sprogramm<br />
für die Klassenstufen 5-10, das die Kooperation von <strong>Schule</strong>,<br />
Polizei <strong>und</strong> Jugendhilfe zur Gr<strong>und</strong>lage seines Handelns<br />
macht. Name <strong>und</strong> Gedanke haben Tradition. Bereits 1996<br />
wurde in Schleswig-Holstein das Programm „Prävention<br />
im Team“ entwickelt, 1999 begann Rheinland-Pfalz mit der<br />
landesweiten Umsetzung von PiT.<br />
PiT - <strong>Hessen</strong> wurde von Gr<strong>und</strong> auf modifiziert. So beschränkte<br />
man sich zunächst bewusst auf das Thema <strong>Gewaltprävention</strong><br />
<strong>und</strong> schloss die in anderen B<strong>und</strong>esländern<br />
integrierten Bereiche <strong>Sucht</strong>prävention, Diebstahl usw. aus.<br />
Schwerpunkte von PiT- <strong>Hessen</strong> sind:<br />
■ Teambildung<br />
■ Verhaltenstrainings mit Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />
■ Impulse für Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung<br />
■ Bedeutung der Teams<br />
Das Programm erfordert seinem Anspruch nach, dass<br />
die beteiligten Polizeibeamte, Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />
der Jugendhilfe <strong>und</strong> Lehrkräfte über einen längeren<br />
Zeitraum ein Team bilden <strong>und</strong> nicht nur lose <strong>und</strong> punktuell<br />
miteinander kooperieren.<br />
Was heißt das konkret? Polizeibeamte <strong>und</strong> Sozialarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> Sozialarbeiter werden nicht nur für bestimmte<br />
Aktionen in die <strong>Schule</strong> geholt, sondern übernehmen zusammen<br />
mit den Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern die Verantwortung<br />
auch für schulische Lernprozesse im Rahmen der <strong>Gewaltprävention</strong>,<br />
zum Beispiel zu Inhalt, Umfang <strong>und</strong> Durchführung<br />
der geplanten Maßnahmen. Eine wesentliche Voraussetzung<br />
ist, dass alle Beteiligten von der Aufgabe <strong>und</strong> der<br />
gemeinsamen Umsetzung überzeugt sind. Alle Beteiligten<br />
sollten über Merkmale wie Aufgeschlossenheit, Empathie,<br />
positive Einstellung zur Teamarbeit, verfügen <strong>und</strong> sich darüber<br />
hinaus als Vorbilder für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
verstehen.<br />
Im Laufe des Prozesses kommt es dann darauf an, die<br />
Teamfähigkeit der Beteiligten zu entwickeln <strong>und</strong> Teamarbeit<br />
immer wieder „einzuüben“, denn die Arbeit im Team ist<br />
nicht selbstverständlich <strong>und</strong> funktioniert nicht automatisch.<br />
4 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Bevor Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter von Polizei,<br />
<strong>Schule</strong> <strong>und</strong> Jugendhilfe zu einem Team werden, brauchen sie<br />
Unterstützung; diese wird durch PiT-<strong>Hessen</strong> gewährleistet.<br />
Die Mitglieder der Teams werden in zwei insgesamt fünftägigen<br />
Schulungen als Trainerin/Trainer fit gemacht, ein regelmäßiges<br />
Coaching-Angebot steht nach der Schulung zur<br />
Verfügung.<br />
■ Wie sieht das Training aus?<br />
PiT- <strong>Hessen</strong> baut auf das bestehende Trainingskonzept<br />
„Cool sein – cool bleiben“ auf. Das Konzept rückt nicht<br />
den Täter, sondern das potentielle Opfer von Gewalttaten in<br />
den Mittelpunkt. Es ermöglicht Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen,<br />
möglichst frühzeitig eine Gewaltsituation als solche zu erkennen<br />
<strong>und</strong> rechtzeitig aus einem Konflikt oder einer Gewaltsituation<br />
auszusteigen. Es geht vor allem auch darum,<br />
junge Menschen dabei zu unterstützen, „die Sprachlosigkeit<br />
in Gewaltsituationen“ zu überwinden. Entwickelt <strong>und</strong> praktisch<br />
erprobt wurde „Cool sein – cool bleiben“ von Mitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeitern des Frankfurter Kinderbüros, dem<br />
Schulpsychologischen Dienst des Staatlichen Schulamtes<br />
Frankfurt <strong>und</strong> den Jugendkoordinatorinnen Jugendkoordinatoren<br />
der Frankfurter Polizei. Das Trainingsprogramm legt<br />
einen deutlichen Schwerpunkt auf Erfahrungslernen (Erfahren,<br />
nicht belehrt werden); die Arbeit mit Rollenspielen stellt<br />
daher ein zentrales Moment im gesamten Training dar. Es<br />
werden Arbeitsanlässe geboten, in denen sich die Erwachsenen<br />
<strong>und</strong> die Jugendlichen auf einer Ebene begegnen, z.B.<br />
beim Arbeiten im Stuhlkreis. Im Methodenteil des unfangreichen<br />
Readers werden viele praktische Übungen, Spiele<br />
<strong>und</strong> Anregungen geboten.<br />
■ PiT als Maßnahme der Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung<br />
PiT soll nachhaltig in den Schulalltag integriert werden.<br />
Das Projekt kann zu einem veränderten Klima in den beteiligten<br />
Organisationen beitragen <strong>und</strong> so in die Bereiche der<br />
Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung hinein wirken. Ziel<br />
ist ein gemeinsamer Entwicklungsprozess, der die drei beteiligten<br />
Institutionen zu einer aktiv ausgestalteten <strong>und</strong> allseitig<br />
akzeptierten Kooperation führt. Darüber hinaus ermuntert<br />
PiT-<strong>Hessen</strong> zu einer offenen Auseinandersetzung über Fra-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
gen verbaler, physischer, psychischer <strong>und</strong> struktureller Gewalt.<br />
■ Zum Modellprojekt<br />
Im November 2003 haben 50 <strong>Schule</strong>n an einer Informationsveranstaltung<br />
teilgenommen. Dort wurden die Zielsetzung<br />
des Projektes sowie die Bedingungen der Teilnahme<br />
vorgestellt. Es konnten sich <strong>Schule</strong>n mit Sek<strong>und</strong>arstufe I<br />
bewerben, d.h. Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien <strong>und</strong><br />
Gesamtschulen. Bewerbungsbedingungen waren, dass bereits<br />
Kontakte zur Polizei <strong>und</strong> Jugendhilfe vorhanden sind,<br />
ein positiver Gesamtkonferenzbeschluss zur Projektteilnahme<br />
herbeigeführt wird <strong>und</strong> mindestens zwei Lehrer/innen in<br />
das zu bildende Team entsandt werden. 23 <strong>Schule</strong>n bewarben<br />
sich, 16 wurden ausgewählt.<br />
Seit dem Schuljahr 2004/05 wird an diesen 16 <strong>Schule</strong>n<br />
in den Städten Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach <strong>und</strong> im Landkreis<br />
Offenbach die Praxistauglichkeit von PiT-<strong>Hessen</strong> erprobt.<br />
Unter den Modellschulen sind 6 Haupt- <strong>und</strong> Realschulen, 6<br />
Gesamtschulen <strong>und</strong> 4 Gymnasien. Das Modellprojekt wird<br />
2007 enden. Initiiert <strong>und</strong> begleitet wird PiT- <strong>Hessen</strong> durch<br />
die PiT-Lenkungsgruppe, in der die Ministerien Innerens<br />
Kultus <strong>und</strong> Soziales sowie die Polizei <strong>und</strong> die Jugendämter<br />
vertreten sind. Die Federführung des Modellprojekts liegt im<br />
Hessischen Kultusministerium.<br />
Das Modellprojekt wird evaluiert durch die Universität<br />
Marburg; erste Zwischenergebnisse werden im Sommer<br />
2005 zur Verfügung gestellt werden können. Bereits heute<br />
können die Teambildungsprozesse als gelungen bezeichnet<br />
werden.<br />
■ Das hessische Netzwerk gegen Gewalt<br />
„Gemeinsam handeln. Mehr erreichen“ - erfolgreiche<br />
Präventionsarbeit erfordert, dass alle beteiligten Einrichtungen<br />
<strong>und</strong> Behörden „ins Boot geholt“ werden. Dies war<br />
das Anliegen der Hessischen Landesregierung, die am 17.<br />
Dezember 2002 den Aufbau eines landesweiten Netzwerks<br />
gegen Gewalt beschlossen hat. Ziel ist, die Zusammenarbeit<br />
aller in der <strong>Gewaltprävention</strong> tätigen Behörden <strong>und</strong> Institutionen<br />
zu verstärken <strong>und</strong> die Bildung weiterer kommunaler<br />
Präventionsgremien zu fördern. In jedem Landkreis <strong>und</strong> in<br />
5
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
jeder kreisfreien Stadt haben Staatliche Schulämter, Jugendämter,<br />
Polizeidirektionen <strong>und</strong> Staatsanwaltschaften feste<br />
Ansprechpartnerinnen <strong>und</strong> Ansprechpartner benannt, die<br />
„Netzwerkerinnen“ <strong>und</strong> „Netzwerker“. Durch die enge Zusammenarbeit<br />
ist gewährleistet, dass in Fällen von Gewalthandlungen<br />
junger Menschen frühzeitig <strong>und</strong> abgestimmt<br />
reagiert werden kann. Auf Landesebene ist eine Lenkungsgruppe<br />
der vier beteiligten Ministerien – Innen, Kultus, Soziales<br />
<strong>und</strong> Justiz – eingerichtet worden, die sich dauerhaft<br />
mit Fragen der <strong>Gewaltprävention</strong>, zunächst mit Blick auf<br />
junge Menschen, befasst. Eine gemeinsame Geschäftsstelle<br />
ist seit 2003 im Hessischen Landeskriminalamt angesiedelt.<br />
Als „kleinstes Netzwerk im Netzwerk“ arbeiten hier eine<br />
Vertreterin des Hessischen Kultusministeriums <strong>und</strong> ein Vertreter<br />
des Innenressorts zusammen.<br />
Als weiteres Projekt führt das Netzwerk gegen Gewalt<br />
ein Anti-Schulschwänzer-Programm in der Modellregion<br />
Lahn-Dill-Kreis durch. Auch hier arbeiten <strong>Schule</strong>n, Staatliches<br />
Schulamt, Jugendamt <strong>und</strong> Polizei Hand in Hand. Sie<br />
setzen auf eine Kombination aus pädagogischen Methoden<br />
<strong>und</strong> polizeilichen Maßnahmen, aber auch auf eine verstärkte<br />
Zusammenarbeit zwischen Elternhaus <strong>und</strong> <strong>Schule</strong>. Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche sollen merken, dass sie den Lehrkräften<br />
<strong>und</strong> den anderen Erwachsenen nicht egal sind. An dem Projekt,<br />
das seit März 2004 läuft, sind acht <strong>Schule</strong>n beteiligt.<br />
Angeregt hatten das Anti-Schulschwänzer-Programm der<br />
örtliche Präventionsrat <strong>und</strong> die Stadt Wetzlar.<br />
Gegen die „Unkultur des Wegschauens“ führt das Netzwerk<br />
gegen Gewalt seit Beginn diesen Jahres die Kampagne<br />
„Gewalt-Sehen-Helfen“ gemeinsam mit den Städten<br />
Wiesbaden, Offenbach, Gießen, Hanau, Hofheim <strong>und</strong> Fulda<br />
durch. „Gewalt-Sehen-Helfen“ war 1997 in Frankfurt/Main<br />
konzipiert <strong>und</strong> gestartet worden, ab 2001 begann die Stadt<br />
Kassel die sehr erfolgreiche Kampagne mit dem einprägsamen<br />
Logo umsetzen. „Wenn wir uns gegenseitig beistehen,<br />
wird die Gewalt alleine dastehen“, so der Titel eines Posters<br />
der Kampagne. Das hessische Netzwerk gegen Gewalt will<br />
Menschen ermutigen, sich für andere einzusetzen <strong>und</strong> gemeinsam<br />
Verantwortung für ein gewaltfreies Miteinander zu<br />
übernehmen.<br />
■ Weitere Informationen<br />
■ Literatur<br />
■ Lösel / Bliesener, Aggression <strong>und</strong> Delinquenz unter Jugendlichen.<br />
Untersuchungen von kognitiven <strong>und</strong> sozialen<br />
Bedingungen. Polizei <strong>und</strong> Forschung Bd. 20, Hrsg.<br />
vom BKA, Kriminalistisches Institut, Luchterhand 2003<br />
■ Schwind/Baumann u.a. (Hrsg.): Ursachen, Prävention<br />
<strong>und</strong> Kontrolle von Gewalt. Analysen <strong>und</strong> Vorschläge<br />
der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung<br />
<strong>und</strong> Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission),<br />
Duncker & Humbolt, Berlin 1990).<br />
■ Scheithauer/Hayer/Petermann, Bullying unter Schülern.<br />
Erscheinungsformen, Risikobedingungen <strong>und</strong> Interventinoskonzepte.<br />
Hogrefe-Verlag 2003<br />
■ Jäger, Th. (2002). Definitionen, Häufigkeiten <strong>und</strong> Ursachen<br />
von Gewalt in Deutschland. http://www.vordingbsem.dk/vision/visionDE.nsf/NA_p_violence_in_<br />
school_entire_german!OpenPage (11.6.2003)<br />
■ Jäger/Jäger, Gewalt an <strong>Schule</strong>n. Gr<strong>und</strong>legende Überlegungen,<br />
konkrete Aufgaben <strong>und</strong> machbare Schritte. In:<br />
Schulmagazin 5 – 10, 11/2004, S. 5 – 8<br />
■ Links<br />
■ www.gewalt-in-der-schule.info<br />
■ www.cornelsen.de (Blickpunkt Bildung - Gewalt unterbinden)<br />
■ www.pit-hessen.de<br />
■ www.gewalt-sehen-helfen.de<br />
n Kontakt über die Autorin<br />
Ruth Anderson<br />
Geschäftsstelle Netzwerk gegen Gewalt<br />
Im Hessischen Landeskriminalamt<br />
Hölderlinstr. 5<br />
65187 Wiesbaden<br />
Tel. 0611-83-1660<br />
E-Mail: ruth.anderson@netzwerk-gegen-gewalt.de<br />
Homepage: www.netzwerk-gegen-gewalt.de<br />
6 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm<br />
Konstruktive Konfliktbearbeitung als Beitrag zu<br />
einer ges<strong>und</strong>en <strong>Schule</strong><br />
Zu einer ges<strong>und</strong>en <strong>Schule</strong> gehört auch konstruktive Konfliktbearbeitung.<br />
Dieser Zusammenhang erklärt sich recht<br />
einfach, denn überall dort, wo Menschen destruktiv, mit<br />
verbaler <strong>und</strong> körperlicher Gewalt ihre Konflikte austragen,<br />
wirkt sich dies in der Regel negativ auf die Ges<strong>und</strong>heit der<br />
Beteiligten aus. Dieser Zusammenhang wird vermutlich sofort<br />
einleuchten. Auch lässt sich daraus leicht erklären, dass<br />
destruktiv ausgetragene Konflikte mit hohen Kosten verb<strong>und</strong>en<br />
sind. Die Konsequenzen, die sich daraus ableiten lassen,<br />
müssten eigentlich die sein, alles Erdenkliche zu unternehmen,<br />
um destruktives Konfliktverhalten zu verändern, bzw.<br />
durch Prävention zu vermeiden. Diese Erkenntnis setzt sich<br />
zwar mehr <strong>und</strong> mehr durch, aber es gibt dennoch eine ganze<br />
Menge Hindernisse, die die praktische Umsetzung dieser<br />
Gedanken verhindern.<br />
Positiv lässt sich festhalten, dass seit 1997 in <strong>Hessen</strong><br />
über 200 <strong>Schule</strong>n sich auf den Weg gemacht haben, präventive<br />
Programme im Sinne der Mediation zu etablieren 1 . In<br />
der absoluten Mehrzahl beziehen sich diese Programme auf<br />
die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die durch besseres Zuhören,<br />
nicht-verletzende Ärgermitteilung <strong>und</strong> andere Techniken<br />
der Mediation eine andere Konfliktbearbeitungshaltung erlernen.<br />
Viele Klassen sind durch diese Techniken <strong>und</strong> die<br />
Einübung einer anderen Haltung schon recht weit gekommen<br />
<strong>und</strong> die Atmosphäre dort <strong>und</strong> die Arbeitsmöglichkeiten<br />
im Unterricht haben sich dadurch spürbar verbessert. Allerdings<br />
ist der Grad der Umsetzung sehr unterschiedlich in den<br />
einzelnen <strong>Schule</strong>n. <strong>Schule</strong>n, die ihr Konzept am weitesten<br />
entwickelt haben sind solche, die präventive Programme je-<br />
1 ) Daneben gibt es noch viele andere <strong>Schule</strong>n die zum Teil<br />
selbst entwickelte Programme zum sozialen Lernen erfolgreich<br />
umsetzen – es ist hier nicht der Raum dies ausführlicher<br />
zu diskutieren.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
des Jahr in allen 5. ,6. , 7. <strong>und</strong> 8. Klassen durchführen <strong>und</strong><br />
zwar sowohl kontinuierlich einmal in der Woche als auch<br />
durch Projekttage. Dem gegenüber gibt es <strong>Schule</strong>n, die diese<br />
Programme nur sporadisch, noch nicht einmal jedes Jahr<br />
durchführen, beispielsweise weil einige geschulte Lehrkräfte<br />
zwischenzeitlich diese <strong>Schule</strong> verlassen haben <strong>und</strong> sich<br />
niemand darum gekümmert hat, dass weitere Lehrkräfte in<br />
der Mediationshaltung qualifiziert werden. Daneben gibt es<br />
viele Zwischenformen: nicht in allen Klassen wird es jährlich<br />
umgesetzt, es ist auf die 5. <strong>und</strong> 6. oder andere Jahrgangsstufen<br />
beschränkt, es wird nur an Projekttagen durchgeführt,<br />
teilweise werden andere Programme (z.B. Lions Quest – ein<br />
gutes Programm zum sozialen Lernen) realisiert. Die Qualität<br />
der Umsetzung ist also sehr unterschiedlich.<br />
Auch wenn unser Projekt „Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm“<br />
immer wieder die Notwendigkeit einer systemischen<br />
Umsetzung betont <strong>und</strong> wir dies zu Beginn der Zusammenarbeit<br />
mit einer <strong>Schule</strong> zur Ausgangsvoraussetzung<br />
machen <strong>und</strong> auch in einem schriftlichen Vertrag festhalten,<br />
so ist dies keine Gewähr dafür, dass dies auch nach 8 Jahren<br />
oder weniger noch so funktioniert wie am Anfang intendiert.<br />
Es gelingt im Prinzip nur dort, wo die Schulleitung sich dieses<br />
Anliegen zu Eigen gemacht hat <strong>und</strong> es genügend viele<br />
Lehrkräfte gibt, die sich über die Jahre immer <strong>und</strong> immer<br />
wieder weiter qualifizieren <strong>und</strong> so die praktische Umsetzung<br />
am Leben erhalten. Auch nehmen solche <strong>Schule</strong>n meist an<br />
den jährlichen Auswertungstreffen teil, um sich wechselseitig<br />
zu bestärken oder sie nehmen gezielt externe Beratung<br />
zur Implementierung des Programms an ihrer <strong>Schule</strong> in Anspruch.<br />
Auch wenn die Qualität der Umsetzung von Mediation<br />
<strong>und</strong> Schulprogramm sehr unterschiedlich ist, so ist ein gewichtiger<br />
Vorzug dieses Programms, dass es die Fortbildun-<br />
7
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
gen <strong>und</strong> begleitenden Beratungen seit Beginn vor 8 Jahren<br />
mit einem hohen Maß an Kontinuität gibt. Von den über<br />
200 beteiligten <strong>Schule</strong>n haben sich im Jahr 2005 knapp 90<br />
<strong>Schule</strong>n mit einem Fortbildungsbedarf beim Projekt gemeldet<br />
– angesichts der vielen Veränderungen im Fortbildungsbereich<br />
ein sehr gutes Resultat. Auch zukünftig ist dieses<br />
Projekt davon abhängig, dass kontinuierlich diese Fortbildungen<br />
angeboten werden, sonst kann es keine nachhaltigen<br />
Veränderungen im Umgang mit Konflikten geben.<br />
Auch zahlt sich die hohe Kontinuität des Mediationsprojekts<br />
<strong>und</strong> der dadurch erlernten Haltung auch an anderer<br />
Stelle aus: In Frankfurt <strong>und</strong> Offenbach wird derzeit das Modellprojekt<br />
„Prävention im Team – PiT“ (Zusammenarbeit<br />
<strong>Schule</strong>, Polizei <strong>und</strong> Jugendhilfe) durchgeführt. Die Hälfte<br />
der beteiligten <strong>Schule</strong>n sind auch Mediationsschulen in diesen<br />
zeigt sich, dass Schulleitung <strong>und</strong> Lehrkräfte die systemische<br />
Erfahrung des Mediationsprojekts nutzen, auf das PiT-<br />
Projekt übertragen <strong>und</strong> entsprechend weiterentwickeln.<br />
Mediation <strong>und</strong> Schulprogamm wurde durch ein wissenschaftliches<br />
Expertengremium extern im Hinblick auf sein<br />
Konzept evaluiert <strong>und</strong> im Februar 2005 mit der Qualitätsstufe<br />
1 zertifiziert. Die externe Evaluation eines Klassenprogramms<br />
wird derzeit durchgeführt (Qualitätsstufe 2), eine<br />
Wirkungsanalyse (Qualitätsstufe 3) wird angestrebt.<br />
Auch wenn im Hinblick auf einen anderen Umgang mit<br />
Konflikten unter Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler Erfolge zu verzeichnen<br />
sind, so ist doch auffällig, dass die Konfliktkultur<br />
unter den Erwachsenen so gut wie gar nicht thematisiert<br />
wird. Zwar sind die Konflikte unter den Beteiligten in der<br />
Regel hinlänglich bekannt, sie werden aber meist nicht im<br />
„öffentlichen Raum“, d.h. auf Konferenzen oder in eigens<br />
dafür eingerichteten Gremien besprochen. Es liegt ein gewisses<br />
Tabu darüber. Am besten man hat damit nichts zu tun.<br />
In schwierigeren Fällen ist meist die Schulleitung involviert,<br />
steigt die Eskalation weiter, dann kommt auch das Schulamt<br />
ins Spiel. Die Gründe dafür sind natürlich vielfältig, aber<br />
ein wichtiger Gr<strong>und</strong> ist, dass die Lehrkräfte in der Regel<br />
nicht gelernt haben, im Team zu arbeiten, sondern der Einzelkämpfer<br />
vorherrschend ist. Und unter den Bedingungen<br />
der Halbtagsschule versucht man sich in Konfliktfällen eher<br />
aus dem Weg zu gehen, als Konflikte ggf. mit Hilfe von Dritten<br />
zu lösen. Auch wird die Zuhilfenahme eines Dritten eher<br />
als Schwäche denn als Stärke definiert. Erst wenn hier eine<br />
Umdeutung stattgef<strong>und</strong>en hat, wird sich wesentlich etwas<br />
verändern.<br />
Eine b<strong>und</strong>esweite Untersuchung über Schulmediation<br />
kommt zu dem Schluss, dass die aktive Beteiligung der<br />
Lehrkräfte an Mediation eine wesentliche Voraussetzung<br />
für eine erfolgreiche Implementierung von Schulmediation<br />
ist. Das ist die Selbstaussage der beteiligten Lehrkräfte.<br />
Gleichzeitig konstatieren die Lehrkräfte allerdings, dass sie<br />
sich selbst nicht an Mediation beteiligen. Hier wird ein Widerspruch<br />
deutlich. Es klafft eine deutliche Lücke zwischen<br />
Anspruch <strong>und</strong> Wirklichkeit. Erfolgreich kann Mediation im<br />
Sinne der Veränderung von Konfliktkultur nur dann wirken,<br />
wenn dieser Widerspruch aufgehoben wird. Noch gibt<br />
es keine umfassenden Berechnungen, was Konflikte in der<br />
<strong>Schule</strong> kosten, welche ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen destruktiv<br />
ausgetragene Konflikte haben. Würden hier ernsthafte Berechnungen<br />
angestellt, würde die Notwendigkeit der Einrichtung<br />
von Systemen konstruktiver Konfliktbearbeitung<br />
noch deutlicher zu Tage treten.<br />
Was aus den bisherigen Erfahrungen auch deutlich wird<br />
ist, dass die Einrichtung eines Konfliktmanagementsystems,<br />
das ein Element zur Entwicklung einer konstruktiven Konfliktkultur<br />
ist, sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Um hier<br />
wirkliche Veränderungen zu erreichen, braucht es viele Jahre,<br />
denn ein System zu verändern geht nur in kleinen Etappen<br />
<strong>und</strong> immer ein Aspekt nach dem anderen. <strong>Schule</strong>n, die<br />
sich zu viel vorgenommen haben, scheitern meistens bzw. es<br />
ist oft das Handicap, dass <strong>Schule</strong>n an zu vielen Baustellen<br />
gleichzeitig werkeln 2 .<br />
Die Entwicklung hin zu einer ges<strong>und</strong>en <strong>Schule</strong> setzt insofern<br />
einen langen, kontinuierlichen Prozess voraus. Wichtige<br />
Merkmale sind die aktive Beteiligung der Schulleitung,<br />
die Einrichtung einer Projektgruppe <strong>und</strong> die Nutzung von<br />
Instrumenten wie Kontrakte <strong>und</strong> Projektstrukturpläne. Eine<br />
externe Begleitung bei diesen Prozessen ist meist sehr hilfreich.<br />
Das Arbeitsvorhaben „Konfliktbearbeitung <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong>“<br />
im Amt für Lehrerbildung (AfL) bietet<br />
2 ) In unserem Projekt „Mediation <strong>und</strong> Partizipation“ im Rahmen<br />
des BLK-Programms „Demokratie lernen <strong>und</strong> leben“<br />
haben wir deshalb bewusst zur Einstiegsbedingung gemacht,<br />
dass die <strong>Schule</strong> während des 3,5-jährigen Projektlaufzeitraums<br />
an keinem anderen <strong>Schule</strong>ntwicklungsprojekt teilnehmen<br />
darf.<br />
8 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
derzeit für <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> Lehrkräfte Mediationsfortbildungen<br />
(Prävention) <strong>und</strong> Unterstützung bei der Vermittlung in akuten<br />
Konflikten (Intervention) an.<br />
■ Prävention<br />
„Mediation <strong>und</strong> Schulprogramm“ hat das Ziel, in der<br />
Schulgemeinde auf allen Ebenen eine nachhaltige konstruktive<br />
Konfliktkultur zu schaffen <strong>und</strong> damit einen Beitrag zur<br />
<strong>Gewaltprävention</strong> zu leisten. Kennzeichen des Projekts sind<br />
(Basis-)Trainings für Schulleiter <strong>und</strong> Lehrkräfte, mediative<br />
Klassenprogramme von der Gr<strong>und</strong>schule bis zu den Beruflichen<br />
<strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> die Ausbildung von SchulmediatorInnen<br />
<strong>und</strong> SchülermediatorenInnen.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
Helmut Rademacher<br />
■ Kontakt<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
■ Kontakte in <strong>Hessen</strong><br />
Nord: Angelika Fabricius: a.fabricius@rws-help.de<br />
Mitte: Christian Wild: c.wild@afl.hessen.de<br />
Süd: Stefan Rech: s.rech@afl.hessen.de<br />
■ Intervention<br />
Unterstützung bei der Vermittlung in akuten Konflikten<br />
(auf der Ebene der Schüler <strong>und</strong> der Erwachsenen)<br />
■ Adressen<br />
Nord: A. Fabricius: a.fabricius@rws-help.de<br />
Mitte: C. Wild: c.wild@afl.hessen.de<br />
Süd: G. Zeidlewitz-Müller: g.zeidlewitz@afl.hessen.de<br />
■ Projektleitung:<br />
Helmolt Rademacher: h.rademacher@afl.hessen.de<br />
Stellvertretung:<br />
Angelika Fabricius: a.fabricius@rws-help.de<br />
9
Coole Schüler – entspannte Lehrer<br />
Märchenhaft <strong>und</strong> spielerisch in der <strong>Schule</strong> Konflikte<br />
lösen.<br />
„Hey du, dich kenne ich doch“, sagt der kräftige Jugendliche<br />
zu dem Jungen an der Bushaltestelle. „Ja <strong>und</strong>?“, erwidert<br />
Serrik <strong>und</strong> verzieht keine Miene. „Entweder bringst du<br />
mir jeden Tag 5 Euro oder ich verkloppe dich immer nach<br />
der <strong>Schule</strong>!“, kommt von dem Großen mit dem fiesen Grinsen.<br />
„Ist mir doch egal“, meint Serrik ganz locker, lächelt<br />
<strong>und</strong> schaut zur anderen Seite. „Ich krieg dich schon noch“,<br />
meint der Andere <strong>und</strong> w<strong>und</strong>ert sich darüber, dass der Junge<br />
auf der Bank keine Angst zeigt.<br />
Plötzlich tritt ein Komplize hinzu <strong>und</strong> ruckzuck halten<br />
sie Serrik fest <strong>und</strong> versuchen ihm die Geldbörse aus der Hosentasche<br />
zu ziehen. Erst als Alexander erscheint, nimmt die<br />
Situation eine unerwartete Wende:<br />
„Lasst sofort meinen Fre<strong>und</strong> in Ruhe, sonst schreie ich<br />
ganz laut <strong>und</strong> dann kommt der Schülerlotze mit dem Lehrer!“<br />
Die beiden lassen schnell den Jungen los <strong>und</strong> verschwinden.<br />
„Hey klasse! Finde ich total super Serrik, dass du dich<br />
absolut nicht hast aus der Ruhe bringen lassen! Und du Alexander,<br />
dass du einfach in die Szene gesprungen bist, um<br />
Serrik zu helfen war total mutig! So müsst ihr das machen-<br />
ihr könnt euch gegenseitig helfen!“<br />
Das war eine kleine Momentaufnahme aus dem Antigewalt-<br />
<strong>und</strong> Antirassismusprojekt von ket:concepts.<br />
Obwohl Serrik <strong>und</strong> Alexander sich nur vom Pausenhof<br />
kennen <strong>und</strong> unterschiedlicher Herkunft sind (Amerika <strong>und</strong><br />
Russland), war es für Alexander ganz selbstverständlich,<br />
Serrik zur Hilfe zu eilen. – Für mich als Leitung des Projektes<br />
ein schön anzusehender Erfolg!<br />
An unseren <strong>Schule</strong>n steht Gewalt in verschiedenen Formen<br />
auf der Tagesordnung. Dabei handelt es sich in den<br />
harmlosesten Fällen um Beschimpfungen <strong>und</strong> Streit. Nicht<br />
selten kommt es zu Erpressungen <strong>und</strong> Schlägereien. Oftmals<br />
stehen die Lehrer/innen vor einem großen Problem <strong>und</strong> einem<br />
großen Berg Arbeit <strong>und</strong> werden nur wenig von den Eltern<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler unterstützt. Viele Schüler<br />
zeigen eine geringe Frustrationstoleranz, sind konfliktunfähig<br />
oder agieren sozial inkompetent.<br />
Probleme der Selbst- <strong>und</strong> Sozialkompetenz stören nicht<br />
nur den Unterricht, sondern wirken sich auch negativ auf die<br />
Noten der Schüler aus. Andere Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben<br />
Angst in die <strong>Schule</strong> zu gehen <strong>und</strong> schieben körperliche<br />
Beschwerden vor, um Konflikten aus dem Wege zu gehen.<br />
Jedoch nicht nur die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler haben mit<br />
diesen Mißständen zu kämpfen. Auch die jeweiligen Lehrkräfte<br />
geraten unter einen enormen Druck, der sich wiederum<br />
ungünstig auf ihre Ges<strong>und</strong>heit auswirken kann.<br />
Die Arbeit von ket:concepts hat gezeigt, dass die Ges<strong>und</strong>erhaltung<br />
der Lehrkräfte bei der <strong>Gewaltprävention</strong> <strong>und</strong> dem<br />
Sozialkompetenztraining von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />
anfängt. Die konstruktive Bearbeitung von Konflikten, das<br />
Aufzeigen von Ursachen <strong>und</strong> Wirkung der Gewal sowie das<br />
Einüben von Deeskalationstechniken mit Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schülern führen langfristig zu mehr Ruhe <strong>und</strong> Konzentration<br />
im Unterricht.<br />
Schwierigkeiten im Ungang mit Gewalt kann man sowohl<br />
mit erlebnispädagogischen Projekten als auch mit suggestopädischen<br />
Elementen im Unterricht entgegen wirken.<br />
10 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Bei ket:concepts arbeiten wir deshalb mit einem Mix<br />
aus Märchen, Rollen- <strong>und</strong> Kooperationsspielen. Es handelt<br />
sich um das spielerische Erproben neuer Realitäten, die in<br />
ihrem Verlauf das Gemeinsschaftsgefühl der Klasse fördern<br />
<strong>und</strong> die Toleranz gegenüber Andersartigkeit stärken. Realistische<br />
Rollenspiele bieten Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern die<br />
Möglichkeit, ihr Verhalten zu überprüfen <strong>und</strong> neue Verhaltensstrategien<br />
einzuüben.<br />
In den Trainings hat es sich überraschender Weise gezeigt,<br />
dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler viele, ja sogar sehr<br />
viele Alltagssituationen für ein Rollenspiel zum Sozialkompetenztraining<br />
zur Verfügung stellen. Und wie stolz sind sie<br />
erst, wenn sie diese realen, oft angstbesetzten Situationen<br />
im Rollenspiel gut gemeistert haben. Die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüller stärken ihr Selbstbewusstsein <strong>und</strong> wissen sich zukünftig<br />
(ohne Einsatz körperlicher Gewalt) besser zu wehren.<br />
Durch Märchen können Konflikte aufgedeckt <strong>und</strong> thematisiert<br />
werden. Oftmals ist ein Konflikt in der Klasse bereits<br />
spürbar, doch es fällt noch schwer, direkt darüber zu<br />
sprechen.<br />
Ein Märchen, welches das Problem veranschaulicht,<br />
führt die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen über die Märchenbilder<br />
vorsichtig heran <strong>und</strong> weckt schließlich Verständnis für beide<br />
Seiten: Opfer <strong>und</strong> Täter. Nun steht einem offenen Klassengespräch<br />
nichts mehr im Wege.<br />
Wir empfehlen, erlebnispädagogische <strong>Gewaltprävention</strong>sprojekte<br />
ab dem 3. Schuljahr <strong>und</strong> im Klassenverband<br />
durchzuführen. Unsere „Spiel-, Tanz- <strong>und</strong> Märchenpäda-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
gogin“, Frau Amberger, hat in ihrer langjährigen Tätigkeit<br />
im psychotherapeutischen Bereich viele Erfahrungen im<br />
Umgang mit verhaltensauffälligen Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen<br />
gesammelt <strong>und</strong> stetig durch Fortbildungen ihr<br />
Fachwissen ergänzt. Die K<strong>und</strong>en von ket:concepts bekommen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich ein auf ihre Ziel- <strong>und</strong> Bedürfnissituation<br />
zugeschnittenes Expertenteam zur Seite gestellt. Mit unseren<br />
Angeboten zur Leistungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
wollen wir Lehrkräften den Schulalltag erleichtern, Stress<br />
reduzieren <strong>und</strong> damit den Weg zur „ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />
<strong>Schule</strong>“ ebnen.<br />
■ Akkreditierung<br />
ket:concepts ist seit März 2005 vom Insitut für Qualitätsentwicklung<br />
(IQ) als Fortbildungsanbieter akkreditiert. Eine<br />
Bepunktung dieses Seminars als Lehrerfortbildung ist durch<br />
eine Übergangsregelung ab sofort möglich.<br />
■ Kontakt<br />
Wolfram Krug<br />
ket:concepts<br />
Lahnstr. 28a<br />
65 195 Wiesbaden<br />
Tel. 0611/ 93 106 39<br />
Fax. 0611/93 106 38<br />
info@ket-concepts.de<br />
http://www.ket-school.de<br />
11
Denn sie wissen wohl, was sie tun<br />
Praxisbericht aus einer Weiterbildungsgruppe<br />
zur soziodramatischen Bearbeitung des Themas<br />
„Gewalt in der <strong>Schule</strong>“<br />
Wenige Tage nach der Mordtat im Erfurter Gutenberg-<br />
Gymnasium fuhren mein Kollege, Frank Müller <strong>und</strong> ich<br />
zum vorletzten Wochenende unserer Weiterbildungsgruppe<br />
für Psychodrama-AssistentInnen. Als Oberstufenleiter eines<br />
Gymnasiums <strong>und</strong> als Leiterin eines Studienseminars suchten<br />
wir nach Möglichkeiten, das Unmögliche verstehbar, begreifbar<br />
zu machen, nach Wegen aus der eigenen Ohnmacht<br />
<strong>und</strong> Hilflosigkeit, letztlich nach Ansätzen, präventiv im eigenen<br />
Arbeitsfeld Schüler/innen <strong>und</strong> angehende Lehrer/innen<br />
zu sensibilisieren, in Traumasituationen handlungsfähig zu<br />
bleiben <strong>und</strong> nicht in die innere Isolierung zu flüchten.<br />
Waren wir „neutral“ genug gegenüber dem Geschehen,<br />
genügte unser (zeitlicher) Abstand ein Soziodrama darüber<br />
anzuleiten <strong>und</strong> auszuwerten? Wir entschlossen uns, eine soziodramatische<br />
Arbeit vorzugeben im Vertrauen auf unsere<br />
professionelle Distanz <strong>und</strong> langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit.<br />
Außerdem hatte die Gruppe bis dato nur mit<br />
kleineren soziodramatischen Methoden gearbeitet. Unser<br />
Arbeitsvorschlag sollte sich nur auf die Methode beziehen,<br />
die Themenwahl von der Gruppe selbst getroffen werden.<br />
Im Folgenden zeichnet ein Fokusprotokoll der Gruppensitzung<br />
die einzelnen Stationen der methodischen Einführung,<br />
der soziometrischen Themenfindung, des Ablaufs <strong>und</strong><br />
der Auswertung nach. Interessant ist neben der Darstellung<br />
der theoretisch f<strong>und</strong>ierten Fokussierung die der Situation,<br />
in die ein/e Teilnehmer/in während einer soziodramatischen<br />
Inszenierung geraten kann, selbst bei geplanter Rollenübernahme<br />
<strong>und</strong> in der Semi-Realität der Soziodramabühne.<br />
Die Auswertung (Fokusprotokoll S.3f) ergab folgende<br />
Hinweise für eine thematische Weiterarbeit:<br />
● Die Hoffnungslosigkeit von Vertrauenslehrkräften<br />
● Beziehung entsteht durch das Spüren von Interesse an<br />
der eigenen Person<br />
● Intervention von außen verringert Wut <strong>und</strong> Ärger bei den<br />
Konfliktpartner/innen<br />
● Hinweise auf die Mentalität <strong>und</strong> Beweggründe von Mitläufer/innen<br />
● Hinweise auf das Täterprofil<br />
● Druck, auch von Verantwortlichen, wird weitergegeben<br />
● Vertrauenslehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen <strong>und</strong><br />
Schulsozialarbeiter werden oft als ängstlich <strong>und</strong> hilflos<br />
wahrgenommen<br />
Es handelt sich nicht um bahnbrechende Erkenntnisse, die<br />
an sich schon Lösungsansätze oder gar generalisierende Modelle<br />
beinhalten. Die Qualität der soziodramatischen Arbeit<br />
liegt darin, dass durch die Rollenübernahme <strong>und</strong> den Rollentausch<br />
Handlungsmöglichkeiten erprobt <strong>und</strong> analysiert werden,<br />
die in Realsituationen reproduzierbar sind. Menschen,<br />
die an einem Soziodrama teilgenommen haben, reagieren<br />
verändert <strong>und</strong> verantwortungsvoller, wenn sie in ähnliche<br />
Situationen geraten. Dies ist keine Arbeitshypothese sondern<br />
eine Erfahrung von Soziodramatikern. Das wiederum fordert<br />
zur soziodramatischen Arbeit mit den Betroffenen auf, in<br />
unserem Falle den Schüler/innen, Lehrer/innen <strong>und</strong> Eltern.<br />
Mit Teilnehmer/innen aus dieser Gr<strong>und</strong>stufengruppe, der interessierten<br />
Leiterin eines Studienseminars für Gymnasien,<br />
meinem Kollegen, einigen interessierten Lehrer/innen mit<br />
psychodramatischer Zusatzausbildung arbeiten wir an einem<br />
Konzept mit dem wir, noch in diesem Schuljahr, Module<br />
(s.o.) in hessischen <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> Studienseminaren Soziodramen<br />
zur <strong>Gewaltprävention</strong> durchführen wollen. Wir sind an<br />
Mitarbeiter/innen <strong>und</strong> Erfahrungsberichten interessiert.<br />
Gotlind Kasper<br />
E-Mail: g.kasper@afl.hessen.de<br />
12 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
Fokusprotokoll<br />
Aus der Erschütterung heraus auf die Mordtat<br />
an einem Erfurter Gymnasium im Mai 2002<br />
setzt sich eine Weiterbildungsgruppe von<br />
PsychodramtikerInnen soziodramatisch mit<br />
dem Thema „Gewalt an <strong>Schule</strong>n“ auseinander.<br />
Der eindrucksvolle Praxisbericht wird durch ein<br />
Fokusprotokoll dokumentiert.<br />
■ Soziodrama<br />
Als eigenständige Form von Gruppenarbeit wurde Soziodrama<br />
von Moreno unter dem Eindruck der Ereignisse des<br />
ersten Weltkrieges entwickelt. Moreno versteht es als ein<br />
Instrument der Soziometrie <strong>und</strong> definiert es „als eine tiefgehende<br />
Handlungsmethode..., die sich mit den Beziehungen in<br />
Gruppen <strong>und</strong> mit kollektiven Ideologien beschäftigt“ (Moreno<br />
[2001], 51). An Stelle eines einzelnen Protagonisten steht<br />
die Gruppe als solche im Mittelpunkt des Soziodramas. Die<br />
aktuelle Gruppe steht stellvertretend für eine Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> letztendlich für die gesamte Menschheit. Dies steht in<br />
Einklang mit Morenos Ziel der Entwicklung von therapeutischen<br />
Methoden, die sowohl auf das Individuum als auch auf<br />
die gesamte Gesellschaft einwirken. Dahinter steht die Idee,<br />
„dass alle Menschen in der Gesellschaft auf irgendeine Weise<br />
miteinander verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> daß jede Veränderung<br />
eines Einzelnen auch sein Beziehungsnetz mitverändert“<br />
(Yablonsky [1998], 215).<br />
Soziodrama kann zum Einsatz kommen in Trainings (z.B.<br />
Teamentwicklung, Umgang mit Streß), in der Bearbeitung<br />
(psycho)sozialer Fragen (Geschlechterverhältnis/-rollen, interkulturelle<br />
Begegnung, „Wohnen in unserer Umgebung“)<br />
(nach Wiener[2001]; Pruckner[2001]).<br />
Die Gruppe muss ein Thema wählen, das mit ihrer eigenen<br />
sozialen Umwelt zu tun hat. So wird im Soziodrama<br />
„eine kulturelle Ordnung mit Hilfe dramatischer Methoden<br />
ins Blickfeld“ gerückt (Moreno [2001], 52). Dabei geht es<br />
darum, durch Handlung Ansätze zu einer Veränderung der<br />
sozialen Welt aufzuspüren, um diese dann umzusetzen. „...<br />
es werden dramatische Methoden genutzt, um die „soziale<br />
Wahrheit“ der Szenen, dass heißt die intersubjektive Sicht<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
der von Strukturen, Themen <strong>und</strong> Konflikten Betroffenen zu<br />
verstehen“ (Hutter [2000], 300).<br />
Die Gruppe entschied sich zum Thema „Gewalt an <strong>Schule</strong>n„<br />
zu arbeiten. Anschließend erfolgte die Auswahl der<br />
Rollen. Dabei sollte je die Hälfte der Rollen der Gruppe der<br />
„Unterdrücker„, die andere der der „Unterdrückten„ angehören.<br />
Die Rollen durften plakativ sein <strong>und</strong> sollten eine möglichst<br />
konkrete Umschreibung haben.<br />
Die Gruppenmitglieder verteilten sich nach Belieben auf<br />
die beiden Gruppen <strong>und</strong> wählten durch Absprache je eine<br />
Rolle aus. Anschließend wurde als Ort des Geschehens der<br />
Pausenhof einer <strong>Schule</strong> gewählt.<br />
„Das Soziodrama ist auf der stillschweigenden Annahme<br />
gegründet, daß die Gruppe, die von den Zuschauern gebildet<br />
wird, bereits durch die sozialen <strong>und</strong> kulturellen Rollen,<br />
die bis zu einem gewissen Grad alle Träger der Kultur teilen,<br />
strukturiert ist.“ (Moreno [2001], 52). Wenn Moreno<br />
also Einzelpersonen, die sich zu einer aktuellen Gruppe<br />
zusammenfinden, als Träger kultureller <strong>und</strong> sozialer Rollen<br />
versteht, spielt die Zusammensetzung einer Gruppe keine<br />
wesentliche Rolle. „Die psychodramatischen Sitzungen, besonders<br />
in der soziodramatischen Form, bieten die Möglichkeit,<br />
Rollen <strong>und</strong> Typen zu entdecken <strong>und</strong> zu beschreiben, die<br />
kollektive Bedeutung für die Teilnehmer an den therapeutischen<br />
Sitzungen in sich tragen“ (Moreno [1959], 91). In die<br />
Rollentheorie Morenos, die zwischen physiologischen/psychosomatischen,<br />
psychischen/psychodramatischen <strong>und</strong> sozialen/offiziellen<br />
Rollen unterscheidet, wäre das Soziodrama<br />
zuerst als ein Arbeiten mit den sozialen Rollen einzuordnen.<br />
Soziodrama steht in engem Zusammenhang mit der Soziometrie,<br />
die Strukturen von Beziehungsgefügen aufdecken<br />
13
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
will. Indem im Soziodrama die Empfindungen<br />
von Rollentypen aufgedeckt<br />
<strong>und</strong> ihre Handlungsmöglichkeiten bearbeitbar<br />
werden, geht seine Wirkung<br />
über die Veränderung von Einzelpersonen<br />
hinaus <strong>und</strong> zielt eine Veränderung<br />
von (Beziehungs-) Strukturen an.<br />
Die Rollen (erster <strong>und</strong> zweiter<br />
Spielteil!) waren wie in der Tabelle<br />
dargestellt verteilt.<br />
Zur Spielvorbereitung statteten sich<br />
die Rollenträger mit geeigneten Requisiten<br />
aus <strong>und</strong> auf der Bühne wurde ein<br />
„Kunstwerk auf dem Pausenhof“ installiert.<br />
Das Spiel begann, indem jede Person<br />
kurz nach Name, Rolle <strong>und</strong> ggf. einer<br />
typischen Eigenheit/ Merkmal gefragt wurde. Die Spielzeit<br />
betrug zweimal 20 Minuten. 5 Minuten vor Ende einer<br />
„Halbzeit“ wurde jeweils ein Hinweis gegeben. Zur Halbzeit<br />
wurde zunächst zum Einfrieren aufgefordert <strong>und</strong> jeder nach<br />
einem Wort gefragt, der das momentane Befinden ausdrückt.<br />
Dann erfolgte der Tausch der Rollen in der Weise, dass diejenigen,<br />
die gerade nebeneinander standen, ihre jeweiligen<br />
Requisiten <strong>und</strong> mit ihnen die Rolle wechselten, wobei jeder<br />
in eine Rolle aus der je anderen Gruppe eintauschte. Das<br />
Spiel endete mit der Aufforderung, einzufrieren <strong>und</strong> einen<br />
Satz zu finden, der zu diesem Zeitpunkt passte.<br />
Im Verlauf des Spiels etablierte sich auf der Bühne neben<br />
dem Pausenhof schnell ein Konferenzzimmer, in dem<br />
sich Schulsozialarbeiter, Vertrauenslehrer <strong>und</strong> Pädagogischer<br />
Leiter zurückzogen, um zu beraten. Währenddessen<br />
ereigneten sich auf dem Pausenhof Gewaltszenen. Einige<br />
Schüler trugen Waffen, einzelne Mitschüler wurden drangsaliert,<br />
eine Schülerin handelte mit Drogen. Auseinandersetzungen<br />
wurden nur wenig beachtet <strong>und</strong> meist erfolgte kein<br />
Einschreiten. Als ein Schuss fiel, wurde eine Waffe zerstört.<br />
Der repressive Lehrer griff teils durch. Der Hausmeister versuchte<br />
für Ordnung zu sorgen, wobei er sich mehr an die ruhigeren<br />
Schüler hielt. Das „beratende Team“ kam später aus<br />
dem Zimmer, war bei Auseinandersetzungen aber weiterhin<br />
wenig präsent. Nach dem Wechsel der Rollen spielten sich<br />
weiter gewalttätige Auseinandersetzungen im Pausenhof ab.<br />
Teilweise wurde darauf vom Schulpersonal reagiert. Neben<br />
der offenen Gewalt breitete sich eine stille, weniger sichtbare<br />
Gewalt aus. Drogen wurden an stillere Schüler verteilt,<br />
die high über den Hof liefen, aber nicht beachtet wurden.<br />
Ein Schüler legte eine Bombe unter dem Kunstwerk. Als er<br />
einige Personen darauf ansprach, dass alles in die Luft gehen<br />
werde, darunter auch Schulpersonal, glaubte man ihm nicht<br />
oder beachtete diese Information einfach nicht. Die Bombe<br />
lag bis zum Schluß <strong>und</strong> sie sollte hochgehen.<br />
Die Auswertung erfolgte anhand folgender Leitfragen:<br />
● was habe ich erlebt<br />
● was kenne ich davon<br />
● wie ging es mir im Vergleich der beiden Rollen<br />
■ Protokoll<br />
Rollenträger<br />
Rolle 1. Teil 2. Teil<br />
cleverer leistungsorientierter Schüler Ilse Jörg<br />
netter, verständnisvoller Schüler Uta Beate<br />
SV-Vertreter (Mitglied d. Mediationsgruppe)<br />
Maryyonne Angela<br />
stiller, ängstlicher Schüler Gabi Linda<br />
Schulsozialarbeiter Andreas Bernhard<br />
Pädagogischer Leiter Eva Frank<br />
Vertrauenslehrer Mathias Elisabeth<br />
gewaltbereiter Schüler, Mobber Beate Uta<br />
türkischer Schüler Elisabeth Mathias<br />
Skin Angela Maryyonne<br />
gewaltbereiter Schüler Bernhard Andreas<br />
repressiver Elternteil Jörg Ilsa<br />
Hausmeister Linda Gabi<br />
repressiver, konservativer Lehrer (drückt<br />
mit Noten, kränkt, hat Lust an Macht)<br />
Frank Eva<br />
Mathias: Als Vertrauenslehrer fühlte er sich insgesamt<br />
hoffnungslos, obwohl er Beziehungen herstellen konnte. Als<br />
rechtsradikaler Türke hatte er viel Freiheit, seinen Machtgelüsten<br />
nachzugehen. Niemand konnte ihn stoppen, niemand<br />
Halt geben. Erst am Ende kam er in Kontakt mit dem<br />
Schulsozialarbeiter, von dem er sich ernst genommen fühlte,<br />
<strong>und</strong> wo er Interesse an seiner Person spürte. Zu ihm entstand<br />
eine Beziehung.<br />
14 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Jörg: Er kam als repressiver Elternteil an die <strong>Schule</strong>,<br />
wollte den Lehrern Druck machen, damit der Laden richtig<br />
läuft. Als cleverer, leistungsorientierter Schüler wurde er mit<br />
der Zeit richtig aggressiv, weil der Türke ihn ständig ärgerte.<br />
Als der Sozialarbeiter (Bernhard) vermitteln wollte, hatte er<br />
das Gefühl, dass sich etwas verändert hat. Sein Ärger hatte<br />
sich verringert, was er aber dem Sozialarbeiter nicht sagen<br />
konnte.<br />
Bernhard: Als gewaltbereiter Schüler fühlte er sich klasse,<br />
konnte tun, was er wollte. Er wurde von einer Mitschülerin<br />
zum Schießen angestiftet. Als Schulsozialarbeiter fühlte<br />
er sich verzweifelt. Alles war so verfahren <strong>und</strong> verstrickt.<br />
Er schaffte es aber, zum Türken einen guten Kontakt herzustellen.<br />
Andreas: Als Schulsozialarbeiter war er verzweifelt, bekam<br />
zwar viele Anfragen, sah aber in seiner Arbeit keinen<br />
tieferen Sinn. Es schien ihm eher so überfordernd, dass er<br />
ganz schwieriges ausgeblendet hatte, weil er sich dem gegenüber<br />
eher hilflos fühlte. Als gewaltbereiter Schüler versuchte<br />
er sich zuerst an direkten aggressiven Handlungen.<br />
Er merkte dann aber schnell, dass die ihn gar nicht interessierten,<br />
weil er gegen die Personen gar nichts hatte, gegen<br />
die er seine aggressiven Impulse richtete. Er ging daraufhin<br />
in eine Art inneres Exil <strong>und</strong> überlegte, wie er das System als<br />
solches treffen <strong>und</strong> zerstören könnte. In dieser Haltung, mit<br />
der Bombe, die er gelegt hatte <strong>und</strong> von der er auch anderen<br />
erzählte, hatte er ein Machtgefühl. Er machte die Erfahrung,<br />
dass die anderen eher von ihm zurückwichen oder auf seinen<br />
Hinweis über die gelegte Bombe nicht reagierten.<br />
Frank: Als repressiver Lehrer bewegte er sich viel auf<br />
dem Pausenhof. Die Rolle gab ihm Sicherheit. Er sah zwar<br />
vieles, was schlecht lief, konnte aber weggucken, weil er<br />
andere als die eigentlichen Verantwortlichen sah. Als Pädagogischer<br />
Leiter fühlte er sich in eben dieser Verantwortung<br />
unsicherer <strong>und</strong> auch fremdbestimmt <strong>und</strong> machtlos. Er war<br />
zerrissen <strong>und</strong> fand es schwer, einen eigenen Standpunkt zu<br />
finden.<br />
Uta: Als netter, verständnisvoller Schüler versuchte sie<br />
mehrmals, den Vertrauenslehrer oder den Schulsozialarbeiter<br />
zu holen, wenn auf dem Schulhof geschlägert wurde.<br />
Die ließen sich aber von ihren internen Beratungen nie<br />
wegholen. Sie fühlte sich der Gewalt gegenüber hilflos <strong>und</strong><br />
zunehmend ängstlich. Sie erlebte, dass der Hausmeister sei-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
ne übertriebene Strenge an ihr ausließ, obwohl es an andren<br />
Stellen viel nötiger wäre. Als gewaltbereite Schülerin schlägerte<br />
sie bisweilen offen. Die Anmache <strong>und</strong> das Begrapschen<br />
vom Türken nervte sie, so dass sie anfangs andere gegen ihn<br />
aufbringen wollte. Sie verstand sich mit ihm besser, als er<br />
sich darüber amüsierte, dass sie einer hilflosen Schülerin, die<br />
nach der Bio-AG fragte, Pilze angedreht hatte, die sie total<br />
high machten. Sie sympathisierte mit dem Bombenleger - sie<br />
empfand das baldige Hochgehen der Bombe als Spiel, bei<br />
dem der Reiz darin lag, nicht zu wissen, wer alles mit in die<br />
Luft geht <strong>und</strong> ob sie selbst dabei sein würden, dies war ihr<br />
gleichgültig.<br />
Ilse: Sie hatte das Erleben, dass es unklar war, zu welcher<br />
Seite sie eigentlich gehörte. Als leistungsorientierte Schülerin<br />
hatte sie sich aus Gewaltsituationen bewußt herausgehalten.<br />
Sie weiß nicht, wie sie sich in ähnlichen realen Situationen<br />
verhalten würde. Als Lehrerin fällt es ihr leichter einzugreifen.<br />
Nach dem Rollenwechsel fühlte sie sich nicht so wohl in<br />
ihrer Rolle als repressiver Elternteil. Sie war überrascht, dass<br />
der Türke, der sie in dieser Rolle anmachte ( nicht wissend,<br />
dass sie Elternteil war), sich davon machte, als sie sich vor<br />
ihm aufbaute <strong>und</strong> ihn dann ignorierte.<br />
Linda: Als Hausmeister hatte sie klare Ordnungsregeln,<br />
die auch eingehalten werden sollten. Dabei war es leichter,<br />
sich bei den stilleren Schülern durchzusetzen. Die Verantwortlichen<br />
in der <strong>Schule</strong> waren nicht zur Stelle, wenn<br />
es nötig war. Die Rolle machte Druck, aber der konnte als<br />
Hausmeister ganz gut weitergegeben werden. In der Rolle<br />
der stillen, ängstlichen Schülerin war es erst sehr schwierig.<br />
Die Gewalt auf dem Pausenhof machte ihr Angst. Dann fand<br />
sie Anschluss an Schüler, die angeblich in der Bio-AG waren<br />
<strong>und</strong> ihr getrocknete Pilze gaben. Als sie die aß, ging es ihr<br />
richtig gut.<br />
Beate: Als Vanessa (erste Rolle) hatte sie der schwachen<br />
Schülerin das Referat gern abgenommen (Gabi) <strong>und</strong> es problemlos<br />
als das ihre verkauft. Sie wollte , dass Bernhard mit<br />
seiner Pistole jemanden erschießt <strong>und</strong> hatte ihn auch soweit<br />
– die Pistole wurde aber zerbrochen <strong>und</strong> seltsamerweise fiel<br />
niemand um, als er schoß. Sie versuchte, ihm den Rücken<br />
zu stärken. Als Schülerin der Öko-AG, Luise Körner, fand<br />
sie die sexuellen Belästigungen des Türken schwierig. Ihr<br />
glaubte niemand, als sie davon erzählen wollte. Das machte<br />
sie sehr einsam. Sie spürte Druck vom Lehrer (Eva), hat-<br />
15
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
te aber auch Scheuklappen <strong>und</strong> bekam vieles von dem, was<br />
passierte nicht mit.<br />
Eva: Als Pädagogischer Leiter fühlte sie sich mit ihren<br />
achtsamen Methoden der Gewalttätigkeit einigen Schülern<br />
gegenüber ohnmächtig. Sie sah keine Kommunikationsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> auch keine Chance, verstanden zu werden<br />
oder sich verständlich zu machen. Die harten Mittel der<br />
gewalttätigen Schüler waren stärker. Als repressiver Lehrer<br />
fand sie einen Lustgewinn. Sie konnte sich in dieser Rolle<br />
an dem Spiel beteiligen, ohne große eigene Verantwortung<br />
zu tragen.<br />
Angela: Als Skin hatte sie sich ausgepowert, fühlte sich<br />
zuerst sehr stark. Dieses Gefühl ließ aber nach, weil sie<br />
allein war. Sie war nur in der Gruppe stark. Sie zog sich<br />
dann zurück, weil sie den Eindruck hatte, dass die anderen<br />
mehr bringen. Für Argumente war sie zugänglich. Als SV-<br />
Vertreterin sammelte sie viele Informationen <strong>und</strong> versuchte,<br />
sie weiterzuleiten. Dafür interessierte sich keiner. Von Lehrern<br />
<strong>und</strong> Schulsozialarbeiter wurde sie immer vertröstet (sie<br />
schoben Termine vor).<br />
Gabi: Als ängstlicher Schüler fühlte sie sich furchtbar.<br />
Sie war hilflos, wurde drangsaliert. Sie empfand eine verzweifelte<br />
Wut. Vom Schulpersonal hatte niemand Zeit, sie<br />
waren alle mit planen beschäftigt. Als Hausmeister war sie<br />
froh um die hilflose Schülerin, an die sie den Druck weitergeben<br />
konnte, den sie spürte. Sie war von den aggressiven<br />
Ausbrüchen auf dem Schulhof überfordert <strong>und</strong> sagte teils<br />
lieber nichts. Die Lehrer hatten sich um das entscheidende<br />
nicht gekümmert.<br />
Maryvonne: Als SV-Vertreterin war sie sehr aktiv, erk<strong>und</strong>igte<br />
sich <strong>und</strong> lud viele zur Schulversammlung ein. Leider<br />
stieß das nicht immer auf Interesse, aber sie lies ich nicht demotivieren.<br />
Zu einer Versammlung kam es dann aber nicht.<br />
Als Skin fühlte sie sich teils stark, auch mächtig. Andere<br />
hatten Angst vor möglicher Gewalt. Aber sie fühlte sich teils<br />
auch einsam.<br />
Elisabeth: Als Türke fühlte sie sich gut, stark. Andere<br />
interessierten sich für ihn - er konnte seine gewaltbereite<br />
Haltung ausleben, Schläge verteilen. Als am Ende der clevere<br />
Schüler auf ihn zuging, um ihn zum Basketballspielen<br />
einzuladen, konnte er das erste Mal auf ein Angebot von außen<br />
eingehen. Als Vertrauenslehrerin fühlte sie sich unwohl.<br />
Sie wollte mit der Leitung der <strong>Schule</strong> etwas gegen die Gewalt<br />
unternehmen, aber die interessierten sich nicht dafür.<br />
Genauso, wie sie keine Unterstützung für eigene Ideen fand,<br />
konnte sie auf die Angebote/Vorstellungen anderer nicht eingehen,<br />
um etwas gegen die Gewalt zu unternehmen.<br />
Pruckner bemängelt in Anlehnung an Grotherath (1994)<br />
<strong>und</strong> Ottomeyer (1987), dass „...die Fixierung auf individuelle<br />
Therapien <strong>und</strong> ebensolche Diagnosen“ uns ein Stück<br />
betriebsblind gemacht hat für zentrale gesellschaftliche<br />
Einflüsse auf Lebensgeschichten <strong>und</strong> deren Bewältigung”<br />
(Pruckner [2001], 52). Sie berichtet, dass durch das Soziodrama<br />
Einblicke in die Meinungen <strong>und</strong> Haltungen des Anderen<br />
ermöglicht werden. Zugleich werden Beziehungen zwischen<br />
verschiedenen (z.B. ethnischen) Gruppen oder deren<br />
kollektive Ideen sichtbar <strong>und</strong> somit bearbeitbar. Nebenbei<br />
stellt nach ihrer Meinung das Soziodrama in der Arbeit mit<br />
Kindern einen „Ersatz“ für das Protagonistenspiel dar, das in<br />
Kindergruppen nicht durchgeführt werden kann.<br />
Moreno sieht im Soziodrama eine Bearbeitung sozialer<br />
Probleme, deren Ziel eine „soziale Katharsis“ sei (Moreno<br />
[2001], 52). Wie kann Soziodrama eine soziale Katharsis<br />
erreichen? Von den von Bosselmann (1996, 200ff) beschriebenen<br />
Wirkfaktoren scheinen mir im Soziodrama die Folgenden<br />
besonders relevant zu sein:<br />
● die Vergleichbarkeit der Schicksale: Die im Soziodrama<br />
ausagierten Rollen sind typisch <strong>und</strong> spiegeln Strukturen,<br />
in denen die am Spiel Beteiligten selbst leben.<br />
● Lernen am Modell: das Geschehen im typisierten Beziehungsgefüge<br />
des soziodramatischen Spiels ist mit dem<br />
Beziehungsgefüge konkreter Strukturen vergleichbar.<br />
● Zusammenhänge verstehen: im Rollenfeedback werden<br />
Erleben <strong>und</strong> Handlungsmotivationen mitgeteilt, die in<br />
den verschiedenen Rollen erlebt wurden.<br />
● Perspektiven eröffnen <strong>und</strong> Hoffnung einflößen: durch<br />
das Verstehen können Ansatzpunkte für Veränderung<br />
entdeckt werden, die auch eine Hoffnung auf die Möglichkeit<br />
von Veränderung stärken können.<br />
● Haltungen <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Einstellungen: durch das<br />
Erleben <strong>und</strong> den Perspektivenwechsel kann sich eine<br />
Haltungsveränderung der spielenden Personen ereignen.<br />
Nach Moreno wird im Soziodrama im Idealfall mittels<br />
Telebeziehungen der Mitwirkenden eine Breitenwirkung erreicht,<br />
die politische Dimensionen erreicht <strong>und</strong> die gesamte<br />
16 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Gemeinschaft erfaßt. Auf diese Weise können Gruppen im<br />
soziodramatischen Spiel gesellschaftspolitisch wirksam werden.<br />
Hutter merkt jedoch kritisch an, dass spielende Gruppe<br />
<strong>und</strong> Gesellschaft nie identisch sind <strong>und</strong> dass daher für eine<br />
Vermittlung der Bühnenerfahrungen <strong>und</strong> ihre Übertragung<br />
auf die Praxis gesorgt werden muss (nach Hutter [2000],<br />
163f <strong>und</strong> 189f).<br />
Andere Autoren sehen Prävention als vorrangiges Ziel<br />
soziodramatischen Arbeitens. Dabei würden durch das Soziodrama<br />
nicht bestehende Störungen bearbeitet, sondern ihre<br />
Entwicklung zu verhindern gesucht. Im Zentrum stehe ein<br />
„prophylaktisches Anliegen einer ungestörten Kommunikation“.<br />
Es sollen günstige Kommunikationsmodelle erlernt<br />
werden. Das Soziodrama bietet die Möglichkeit, unterschiedliche<br />
Perspektiven, Einstellungen <strong>und</strong> Beziehungsweisen<br />
modellhaft kennenzulernen, sich in ihnen direkt zu probieren.<br />
Durch den spielerischen Charakter des Soziodramas<br />
– obwohl der Hintergr<strong>und</strong> eines Themas sehr ernst sein kann<br />
– kann eine emotionale Belastung des Themas vermindert<br />
werden, was eine angstfreiere Auseinandersetzung möglich<br />
macht. Gleichzeitig wird im besten Fall gelernt, dass Interaktionen<br />
auch in der realen Situation spielerisch verändert<br />
werden können. (nach Burkhart & Zapotoczky [1974], 74f).<br />
■ Literatur<br />
Bosselmann, R. (1996). Das Psychodrama <strong>und</strong> seine „Heilfaktoren“<br />
– über Wirkungen <strong>und</strong> deren Ort im psychodramatischen<br />
Prozeß, in: ders., Lüffe-Leonhardt, E. &<br />
Gellert, M., Variationen des Psychodramas. Ein Praxisbuch<br />
– nicht nur für Psychodramatiker, 2. überarbeitete<br />
Auflage, Limmer Verlag, Meezen.<br />
Burkart, V. & Zapotoczky, H.-G. (1974). Konfliktlösung<br />
im Spiel. Soziodrama/Psychodrama/Kommunikationsdrama,<br />
Jugend <strong>und</strong> Volk Verlagsgesellschaft, München.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
Groterath, A. (1994). An der Sprache liegt es nicht, Matthias-Grünewald-Verlag,<br />
Mainz.<br />
Hutter, Ch. (2000). Psychodrama als experimentelle Theologie.<br />
Rekonstruktion der therapeutischen Philosophie<br />
Morenos aus praktisch-theologischer Perspektive, Reihe<br />
Theologie <strong>und</strong> Praxis (Hrsg. Collet, Prof. Dr. G., Mette,<br />
Prof. Dr. N., Schmälzle, Prof. Dr. U. & Steinkamp, Prof<br />
DDr. H.), Bd. 7, LIT Verlag, Münster.<br />
Menschik-Bendele, J. et al, Sozialpsychologie des Rechtsextremismus,<br />
(2002), Leske + Budrich, Opladen<br />
Moreno, J.L. (1959). Gruppenpsychotherapie <strong>und</strong> Psychodrama,<br />
Georg Thieme Verlag, Stuttgart.<br />
Moreno, J.L. (2001). Psychodrama <strong>und</strong> Soziometrie (Hrsg.<br />
Sreckovic, A. & Sreckovic, M.), 2. unveränderte Auflage.<br />
Edition Humanistische Psychologie. Köln.<br />
Ottomeyer, K. (1987). Lebensdrama <strong>und</strong> Gesellschaft,<br />
Deuticke, Wien.<br />
Ottomeyer, K. (2002), Überleben am Abgr<strong>und</strong>,Drava, Klagenfurt.<br />
Pruckner, H. (2001). Das Spiel ist der Königsweg der Kinder.<br />
Psychodrama, Soziometrie <strong>und</strong> Rollenspiel mit Kindern,<br />
inScenario Verlag, München.<br />
Wiener, R. (2001). Soziodrama praktisch. Soziale Kompetenz<br />
szenisch vermitteln, inScenario Verlag, München.<br />
Yablonsky, L. (1998). Psychodrama. Die Lösung emotionaler<br />
Probleme durch das Rollenspiel, 3. erweiterte Auflage,<br />
Klett-Cotta, Stuttgart.<br />
17
Schulbusbegleiter<br />
Im Einsatz der Verkehrserziehung<br />
Seit einigen Jahren wird im Kontext der „Verkehrserziehung<br />
<strong>und</strong> Mobilitätsbildung“ das Konzept der Schulbusbegleiter<br />
(auch Schulbuslotse, Buslotse oder Bus-Scout genannt)<br />
entwickelt <strong>und</strong> verbreitet.<br />
Drei Gründe sprechen für ihren Einsatz:<br />
■ Unfallgefahren<br />
■ Aggressionen<br />
■ Vandalismus<br />
In <strong>Hessen</strong> handelt es sich fast ausnahmslos um Schüler/<br />
innen ab der 8. Klasse (teilweise bereits ab der 7. Klasse),<br />
die an den Bushaltestellen <strong>und</strong> im Bus Verantwortung übernehmen.<br />
Die Jugendlichen erreichen dabei soziale Kompetenzen<br />
für ihr ganzes Leben. Ihr Selbstbewusstsein wird gestärkt<br />
<strong>und</strong> Zivilcourage gefördert.<br />
Gleichzeitig lernen die Schüler/innen ihre Grenzen zu<br />
erkennen <strong>und</strong> Techniken zum Selbstschutz zu entwickeln.<br />
Wichtig sind auch Fre<strong>und</strong>lichkeit, Höflichkeit, bestimmtes<br />
Auftreten <strong>und</strong> Teamfähigkeit. Auf dem Ausbildungsplan stehen<br />
u.a. „Sicherheit im Schulbusverkehr“ <strong>und</strong> „gewaltfreies<br />
Schlichten von Konflikten“.<br />
Die Ausbildung übernehmen speziell vorgebildete Pädagog/innen<br />
<strong>und</strong> Polizeibeamt/innen, oft auch Angestellte von<br />
Verkehrsbetrieben (siehe RMV-Projekt).<br />
■ Unfallprävention<br />
Schulbusbegleiter können Gefahren an den Bushaltestellen<br />
minimieren. Sie sorgen dafür, dass Kinder nicht die<br />
Fahrbahn betreten oder auf Absperrgeländern herumklettern.<br />
Es wird mit ihrer Hilfe selbstverständlich, sich anzustellen<br />
<strong>und</strong> nicht zu drängeln. Im Bus besteht die Aufgabe des Busbegleiters<br />
darin, dass alle nach Möglichkeit einen Sitzplatz<br />
einnehmen <strong>und</strong> sich ggf. anschnallen bzw. festhalten.<br />
Sie entlasten die Busfahrerin/den Busfahrer in erheblichem<br />
Maße <strong>und</strong> sorgen so für ein weiteres Stück Verkehrssicherheit.<br />
■ <strong>Gewaltprävention</strong><br />
Busnutzer – gleich ob Schüler/innen oder Erwachsene<br />
– leiden oft unter dem rauhen Umgangston <strong>und</strong> den Aggressionen,<br />
die sich nach einem langen Schultag <strong>und</strong> in der Enge<br />
der Busse ergeben können. Schon der geordnete Einstieg, der<br />
von den Busbegleitern bewirkt wird, bringt Ruhe. Zusätzlich<br />
achten sie auch im Bus darauf, dass kein Streit entsteht, bzw.<br />
können schon bei entstehenden Konflikten eingreifen <strong>und</strong><br />
so faires Verhalten fördern. Wichtig ist hier der Gr<strong>und</strong>satz<br />
„Überzeugen statt Petzen“. Bei Problemen, die ein Schulbusbegleiter<br />
nicht lösen kann, steht ihm eine Lehrkraft der<br />
<strong>Schule</strong> mit Rat <strong>und</strong> Tat zur Seite.<br />
18 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Außerdem sind an den Haltestellen bei den <strong>Schule</strong>n aufsichtsführende<br />
Lehrkräfte verantwortlich. Im Bus trägt die<br />
Busfahrerin/der Busfahrer die Verantwortung.<br />
■ Weniger Sachbeschädigungen<br />
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verhinderung von<br />
Sachbeschädigungen an den Haltestellen <strong>und</strong> vor allen Dingen<br />
im Bus. Verkehrsgesellschaften stellen immer wieder<br />
fest, dass nach der Einführung von Buslotsen die Vandalismusschäden<br />
erheblich zurückgegangen sind. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong>e engagieren sich die Linienbetreiber <strong>und</strong> Verkehrsgesellschaften<br />
bei der Einrichtung <strong>und</strong> Unterstützung der<br />
Schulbuslotsen.<br />
Seit einigen Jahren bildet der RMV (Rhein-Main-Verkehrsverb<strong>und</strong>)<br />
Multiplikatorinnen <strong>und</strong> Multiplikatoren für<br />
die örtlichen Verkehrsträger aus, die ihrerseits für die Einrichtung<br />
von Schulbusbegleiterinnen <strong>und</strong> Schulbusbegleitern<br />
bei den <strong>Schule</strong>n im eigenen Bereich sorgen.<br />
Bisher kann dieser Service in folgenden Nahverkehrsgesellschaften<br />
angeboten werden: (Stand Mai 2005)<br />
■ Verkehrsgesellschaft Frankfurt a. M.<br />
■ Stadtwerke Marburg GmbH<br />
■ Verkehrsgesellschaft mbH Untermain<br />
■ Offenbacher Verkehrs-Betriebe GmbH<br />
■ Kreis-Verkehrs-Gesellschaft Offenbach mbH<br />
■ Odenwald-Regional-Gesellschaft (OREG)<br />
■ Verkehrsverb<strong>und</strong> Lahn-Dill (VLD)<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
■ Entwicklung in <strong>Hessen</strong><br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
Entwickelt wurde das aktuelle Konzept der Schulbusbegleiterinnen<br />
<strong>und</strong> -begleitern vor ca. 10 Jahren in Hünfeld.<br />
Dies wurde vor etwa drei Jahren von der Verkehrswacht<br />
Fulda aufgenommen <strong>und</strong> gemeinsam mit dem Polizeipräsidium<br />
Osthessen <strong>und</strong> über die Landesverkehrswacht <strong>Hessen</strong><br />
verbreitet. Das Konzept wird je nach Region von Landräten,<br />
Schulämtern, Polizeibehörden, Verkehrsgesellschaften, der<br />
Verkehrswacht <strong>und</strong> auch vom ADAC unterstützt.<br />
In besonders schwierigen Regionen (wie z.B. in Weilburg<br />
– dort nutzen täglich über tausend Schüler/innen Bahn<br />
<strong>und</strong> Bus für ihren Schulweg) wird das Konzept von eigens<br />
dafür eingestellten Streetworkern getragen, die die Schulbusbegleiterinnen<br />
<strong>und</strong> begleitern vor Ort wirkungsvoll unterstützen.<br />
Von Jahr zu Jahr nehmen mehr <strong>Schule</strong>n ein auf die jeweilige<br />
Situation zugeschnittenes Projekt auf.<br />
■ Ansprechpartner<br />
Heinrich Euler<br />
Fachberater für Verkehrserziehung <strong>und</strong> Mobilitätsbildung<br />
beim HKM<br />
Glauberger Str. 28 A<br />
63695 Glauburg<br />
Tel: 06034-339<br />
19
Netzwerk Prävention<br />
Gewalt- <strong>und</strong> suchtpräventive Arbeit im<br />
Netzwerk <strong>Schule</strong>, Kindergarten, Fachstelle für<br />
<strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> SMOG<br />
Im oben genannten Netzwerk wird seit 2000 ein Konzept<br />
zur Gewalt- <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>prävention erarbeitet <strong>und</strong> umgesetzt.<br />
Bei unserer gemeinsamen Arbeit sowohl im Hinblick auf die<br />
Zielgruppe Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler wie auf die Zielgruppe<br />
Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher geht es<br />
umfassend um die Ich-Stärkung aller Beteiligten entsprechend<br />
der WHO-Definition: „Ges<strong>und</strong>heit beinhaltet auch die<br />
Fähigkeit des Einzelnen, das eigene Potential zur Selbstverwirklichung<br />
sowie zur Bewältigung <strong>und</strong> Veränderung seiner<br />
Umwelt aktiv zu entfalten.“<br />
■ Wie es dazu kam: Der Hintergr<strong>und</strong><br />
Es gab im Mai 2000 erste Ansätze für die Arbeit im<br />
Netzwerk. Wir beobachteten sowohl an <strong>Schule</strong> wie auch<br />
im Kindergarten eine zunehmende Gewaltbereitschaft <strong>und</strong><br />
Aggressivität bei Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen sowie eine<br />
zunehmende Zahl von Kindern mit <strong>Sucht</strong>problemen (Essverhalten,<br />
Fernsehkonsum...). Uns war nach anfänglichen<br />
Überlegungen bald klar, dass ohne Öffnung von <strong>Schule</strong>, d.h.<br />
der Einbeziehung außerschulischer Institutionen sowohl die<br />
Erarbeitung als auch die Umsetzung eines entsprechenden<br />
Konzeptes nicht möglich ist. Außerdem wurde uns in Vorbereitungsgesprächen<br />
deutlich, dass diese Arbeit nicht erst<br />
mit dem Eintritt in die <strong>Schule</strong> aufgenommen werden kann,<br />
sondern dass Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule gemeinsam ein<br />
solches Konzept tragen müssen, um wirklich präventiv wirken<br />
zu können.<br />
Da wir davon ausgehen, dass einerseits Kinder vom Elternhaus<br />
Verhaltensauffälligkeiten in Kindergarten <strong>und</strong> <strong>Schule</strong><br />
einbringen, andererseits jedoch mangelnde individuelle<br />
Förderung in beiden Institutionen Verhaltensauffälligkeiten<br />
entstehen lässt, beinhaltet unser Konzept sowohl die Arbeit<br />
mit den Kindern als auch die Fortbildung mit Lehrerinnen,<br />
Lehrern, Erzieherinnen <strong>und</strong> Erziehern. Die Einbindung von<br />
Eltern in die Erziehungsarbeit ist unbedingt erforderlich.<br />
Ohne Kooperation mit außerschulischen Institutionen in<br />
Form eines „R<strong>und</strong>en Tisches“ kann die Umsetzung des Konzeptes<br />
nicht den gewünschten Erfolg erzielen.<br />
■ Was erreicht werden soll: Die Ziele<br />
Entsprechend den o.a. Vorüberlegungen fanden wir unsere<br />
Ziele auf zwei verschiedenen Ebenen:<br />
● Im Arbeitszusammenhang mit den Kindern formulierten<br />
wir folgende Ziele:<br />
1. Selbstwahrnehmung durch Spiegeln eigener Vorlieben,<br />
Abneigungen, Ansichten, Meinungen, Stärken, Schwächen.<br />
2. Erkennen, Benennen <strong>und</strong> Beschreiben menschlicher Gefühle<br />
mit dem Bewusstsein, dass eigene Gefühle Auswirkungen<br />
auf eigene Gedanken <strong>und</strong> eigenes Verhalten<br />
haben <strong>und</strong> damit auch auf andere wirken.<br />
3. Gefühle anderer verstehen, sich in ihre Lage versetzen.<br />
4. Bewusstmachen der Verschiedenartigkeit der Menschen<br />
innerhalb einer Gemeinschaft.<br />
5. Konstruktive Bewältigung von Konflikten.<br />
● Im Arbeitszusammenhang mit Lehrerinnen, Lehrern, Erzieherinnen<br />
<strong>und</strong> Erziehern:<br />
1. Gr<strong>und</strong>legendes Wissen über LRS, Dyskalkulie <strong>und</strong> ADS<br />
2. Geeignete Verfahren zur Diagnose von LRS <strong>und</strong> Dyskalkulie<br />
3. Basistraining Mediation<br />
20 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
4. Voraussetzungen, Struktur <strong>und</strong> Ablauf von Beratungsgesprächen<br />
5. Interaktionstraining mit regelmäßiger Auswertungsr<strong>und</strong>e<br />
6. Kollegiale Fallberatung<br />
■ Wie vorgegangen wurde: Die Umsetzung<br />
Den Einstieg in die Thematik des Konzeptes bildete im<br />
Oktober 2003 ein Informationsabend für Eltern der Kindergärten<br />
<strong>und</strong> der beiden Gr<strong>und</strong>schulen zum Thema Gewalt-<br />
<strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>prävention. Die Abteilung für <strong>Gewaltprävention</strong><br />
des Polizeipräsidiums Osthessens (SMOG) übernahm die<br />
Ausgestaltung dieses Abends: Wie entsteht Gewalt? Wie<br />
kann Selbstwertgefühl gestärkt werden? Wie kann Gewalt<br />
vermieden werden?<br />
Die Umsetzung in Kindergarten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule für die<br />
Kinder begann mit einem gemeinsamen Projekttag im Netzwerk,<br />
organisiert vom Frühförderzentrum des Kreiskrankenhauses<br />
in Bad Hersfeld sowie der Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention<br />
Bad Hersfeld. An diesem Projekttag nahmen die<br />
Kinder teil, die im Sommer 2003 eingeschult wurden sowie<br />
die Kinder der ersten Schuljahre beider Gr<strong>und</strong>schulen. Als<br />
Zeitpunkt wurde die Nähe zur Schulanmeldung im November<br />
gewählt. Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher<br />
hatten die Gelegenheit, in allen Gruppen zu hospitieren.<br />
Thema dieses Projekttages war „Wer bin ich?“, die Angebote<br />
lauteten:<br />
■ Bewegungsspiele mit einer Decke <strong>und</strong> einem Fallschirm,<br />
mit dem Ziel, Ängste abzubauen, Körperbewusstsein zu<br />
entwickeln <strong>und</strong> die Koordination im Raum zu schulen.<br />
■ Sinnesparcours mit dem Ziel, die Möglichkeiten der eigenen<br />
Wahrnehmung über unsere unterschiedlichen Sinne<br />
zu erfahren.<br />
■ Entspannungsübungen mit dem Ziel verstärkter Eigenwahrnehmung.<br />
■ Mutmachgeschichte mit dem Ziel, sich intellektuell über<br />
das Medium Sprache mit Konfliktsituationen auseinander<br />
zu setzen.<br />
■ Gefühle-Gesicht basteln mit dem Ziel, dem Gesichtsausdruck<br />
eines Menschen entsprechende Emotionen zu<br />
entnehmen.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
Nach dieser Auftaktveranstaltung, die parallel in beiden<br />
Gr<strong>und</strong>schulen stattfand, bildeten sich unterschiedliche Arbeitsgruppen<br />
sowohl im Kindergartenbereich als auch im<br />
Gr<strong>und</strong>schulbereich, um entsprechend der gefassten Ziele<br />
handlungsorientierte Unterrichtsprojekte zu entwickeln. In<br />
regelmäßigen Sitzungen wurden diese Materialien ausgetauscht<br />
<strong>und</strong> über gemachte Erfahrungen berichtet. Auf diese<br />
Art entstanden viele Projektideen für den Kindergarten <strong>und</strong><br />
Unterrichtsmaterialien für die Klassen 1-4. Im Kindergartenbereich<br />
ist das Thema „Ich <strong>und</strong> die anderen“ Schwerpunkt<br />
der Projektarbeit. Gr<strong>und</strong>lage der erarbeiteten Unterrichtsmaterialien<br />
im schulischen Bereich bildet erfahrungsbezogenes,<br />
handlungs- <strong>und</strong> produktorientiertes, ganzheitliches<br />
<strong>und</strong> individuelles Lernen.<br />
Im ersten Schuljahr steht die eigene Person im Mittelpunkt<br />
der Arbeit : Das bin ich. Im zweiten Schuljahr geht<br />
es um Eigenwahrnehmung, Fremdwahrnehmung <strong>und</strong> die<br />
Beziehung zwischen der eigenen Person <strong>und</strong> den anderen.<br />
Bereitschaft zum gegenseitigen Verständnis soll angebahnt<br />
werden. Im dritten Schuljahr soll die gegenseitige Akzeptanz,<br />
der tolerante Umgang miteinander weiter verstärkt<br />
werden. Im vierten Schuljahr ist es Ziel des Unterrichts, den<br />
Wechsel von Perspektiven zu üben, konkret Strategien <strong>und</strong><br />
sprachliche Umgangsformen zu üben, die es erleichtern,<br />
Konflikte konstruktiv zu lösen. Durch das Trainingsprogramm<br />
„Nicht mit mir“ in dieser Jahrgangsstufe lernen <strong>und</strong><br />
üben die Kinder gemeinsam mit einem Polizisten, Gefahren<br />
rechtzeitig zu erkennen, um sie vermeiden zu können. Wenn<br />
die Gefahr nicht vermeidbar ist, dann sollen sie durch dieses<br />
Training in die Lage versetzt werden, eingeübte Handlungsmöglichkeiten<br />
abzurufen, Öffentlichkeit herzustellen<br />
<strong>und</strong> Hilfe einzufordern. Dieses Verhaltenstraining findet in<br />
diesem Schuljahr zum dritten Mal statt <strong>und</strong> wird von jeweils<br />
einem Polizisten des Sachgebietes Prävention des Polizeipräsidiums<br />
Fulda durchgeführt.<br />
Seit Anfang des Jahres 2001 wurden nach <strong>und</strong> nach mit<br />
Kolleginnen beider <strong>Schule</strong>n, deren Schulleiterinnen sowie<br />
Erzieherinnen der Kindergärten die gesteckten Fortbildungsziele<br />
aufgearbeitet (LRS, Dyskalkulie, ADS). Im Bereich<br />
LRS versuchen Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen ihre<br />
präventive Arbeit mit Hilfe des „Würzburger Trainingsprogramms<br />
zur sprachlichen Förderung“ zu intensivieren. Seit<br />
2003 wurden mit der „Differenzierungsprobe“ von Breuer-<br />
Weuffen mögliche „Risiko-Kinder“ erfasst, mit Hilfe des<br />
Würzburger Trainingsprogramms wurde versucht, Defizite<br />
21
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
des phonologischen Bewusstseins aufzuarbeiten <strong>und</strong> am<br />
Ende der ersten Klasse wurde der genormte WRT1+ durchgeführt,<br />
um die Ergebnisse der präventiven Maßnahme zu<br />
evaluieren. Auf Gr<strong>und</strong> der sehr positiven Ergebnisse (die<br />
Risiko-Kinder belegten nicht mehr wie bisher die unteren<br />
Plätze im Prozentrang des Rechtschreibtests <strong>und</strong> landeten<br />
damit automatisch im LRS-Förderkurs, sondern verteilten<br />
sich auf alle Prozentrangbänder) wurde beschlossen, diese<br />
Maßnahme im Jahr 2004 wieder in den jeweiligen Gruppen<br />
mit Vorschulkindern bzw. Kindern der ersten Schuljahre<br />
durchzuführen.<br />
Kolleginnen beider <strong>Schule</strong>n nahmen nach dem Mediationsbasistraining<br />
an der Weiterbildung des HeLP (jetzt AfL)<br />
Kassel zur Ausbildung „Interaktionstraining“ teil. Ziel dieses<br />
Trainings ist es, auf das Miteinander in einer Klasse positiv<br />
einzuwirken <strong>und</strong> Außenseiterrollen vermeiden zu helfen.<br />
In dieses Training ist der „ganze Lernende“ einbezogen,<br />
seine Gedanken, Gefühle, Kenntnisse <strong>und</strong> seine Neugier,<br />
insbesondere auch sein Spieltrieb. Dieses Interaktionstraining<br />
bildet einen ganz wesentlichen Kern unserer Arbeit im<br />
Gr<strong>und</strong>schulbereich. Im Anschluss an eine mehrtägige Fortbildung<br />
„Kollegiale Fallberatung“ organisierte sich eine Arbeitsgruppe<br />
aus mehreren Kolleginnen beider <strong>Schule</strong>n, die<br />
sich im 4-wöchigen Rhythmus regelmäßig zur Kollegialen<br />
Fallberatung trifft. Diese Sitzungen wurden in der Anfangsphase<br />
von der Supervisorin begleitet, die die Fortbildung geleitet<br />
hatte. Diese Kollegiale Fallberatung führte zu einem<br />
besseren Verstehen von schwierigen Interaktionen im schulischen<br />
Alltag durch Herausarbeitung neuer <strong>und</strong> vielfältiger<br />
Sichtweisen <strong>und</strong> somit zur möglichen Erarbeitung von Lösungswegen.<br />
Dabei erfuhr die eigene Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />
Problemlösungskompetenz eine wesentliche Steigerung <strong>und</strong><br />
die Kolleginnen empfanden emotionale Entlastung als große<br />
Hilfe (Vorbeugung gegen Schulfrust <strong>und</strong> Burnout).<br />
Eine ganztägige Fortbildung, an der sich wiederum aus<br />
allen beteiligten Institutionen Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<br />
zusammenfanden, r<strong>und</strong>ete die Fortbildungsreihe „Beratung<br />
in der <strong>Schule</strong>“ ab. Abschließend fand dann noch Ende<br />
des Jahres ein Wochenendseminar mit den Themenschwerpunkten<br />
„Teufelskreis von Lern- <strong>und</strong> Leistungsstörungen“,<br />
„Gewalt erzeugt Gegengewalt“ <strong>und</strong> „Süchtiges Verhalten“<br />
statt.<br />
Feste Bestandteile für unsere weitere Arbeit im Netzwerk<br />
bilden nun regelmäßig stattfindende Elterninformationsa-<br />
bende, ein gemeinsamer Projekttag von Kindergärten <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schule (wird inzwischen von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />
Mitarbeitern der Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen organisiert),<br />
regelmäßige Arbeit mit den handlungsorientierten Unterrichtsmaterialien,<br />
das Verhaltenstraining „Nicht mit mir“<br />
für die 4. Klassen der Gr<strong>und</strong>schulen, regelmäßiges Interaktionstraining<br />
im schulischen Bereich, Kollegiale Fallberatung<br />
im Vier-Wochen-Rhythmus <strong>und</strong> zwei jährliche Sitzungen am<br />
„R<strong>und</strong>en Tisch“.<br />
■ Wer mitmacht: Die Kooperationspartner<br />
Von Beginn an haben die verschiedenen Institutionen<br />
ihre Kompetenz in die Konzeptarbeit <strong>und</strong> deren Umsetzung<br />
eingebracht. Beteiligt sind bzw. waren:<br />
■ Beratungslehrerin beim Staatlichen Schulamt Bad Hersfeld/Rotenburg<br />
■ Schulpsychologischer Dienst beim Staatlichen Schulamt<br />
Bad Hersfeld/Rotenburg<br />
■ Mitarbeiterinnen des Jugendamtes Bad Hersfeld<br />
■ Mitarbeiter des Frühförderzentrums am Kreiskrankenhaus<br />
Bad Hersfeld<br />
■ Mitarbeiter vom Diakonischen Werk in Bad Hersfeld<br />
■ Mitarbeiter der Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrischen Institutsambulanz<br />
der Klinik Marburg<br />
■ Verhaltenstherapeutin<br />
■ Heilpädagogin<br />
Dieser Kreis traf sich erstmals im Mai 2000. Seither finden<br />
jährlich 2 Sitzungen statt, an denen auch regelmäßig<br />
Vertreter der Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen sowie die jeweiligen<br />
Leiterinnen teilnehmen. Zunächst stellten sich alle<br />
außerschulischen Institutionen mit ihrer Arbeit vor. Inzwischen<br />
finden Sitzungen zu gemeinsam beschlossenen Themen<br />
statt. Daraus ergeben sich jeweils neue Schwerpunkte<br />
für Elternarbeit, die von den außerschulischen Partnern getragen<br />
wird.<br />
■ Was die gemeinsame Arbeit im Netzwerk<br />
bewirkt: Die Evaluation<br />
Folgende Wirkungen bzw. Nebenwirkungen ergaben sich<br />
durch die Netzwerkarbeit:<br />
22 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
■ Durch die regelmäßige gemeinsame Arbeit entstanden<br />
viele nützliche Arbeitsbeziehungen zwischen den einzelnen<br />
Partnern, Schwellenängste wurden überw<strong>und</strong>en,<br />
gegenseitiger Respekt verstärkte sich, Gesprächsbereitschaft<br />
untereinander wuchs, Hilfe von außen zu holen<br />
wurde ein „normaler“ Arbeitsvorgang.<br />
■ Durch die geplante <strong>und</strong> gezielt durchgeführte Fort- bzw.<br />
Weiterbildung der Lehrer/Innen <strong>und</strong> Erzieher/Innen kann<br />
mit Konflikten <strong>und</strong> auffälligen Kindern viel konstruktiver<br />
umgegangen werden <strong>und</strong> gezieltere Fördermaßnahmen<br />
eingeleitet werden.<br />
■ Durch die vom Kindergarten bis zur Jahrgangsstufe 4<br />
umgesetzten Unterrichtsprojekte können die Kinder ihrer<br />
jeweiligen Altersstufe entsprechend Konflikte möglichst<br />
konstruktiv mit dem Gegenüber lösen.<br />
■ Gemeinsame Projekttage halten den Kontakt zwischen<br />
den Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen am Leben.<br />
■ Durch die Einbeziehung der Eltern wird der Arbeit mehr<br />
Nachdruck verliehen.<br />
■ Elternhaus, <strong>Schule</strong> sowie die jeweiligen Kooperationspartner<br />
arbeiten an der konkreten Umsetzung gemeinsamer<br />
Ziele.<br />
Nach ca. 4 Jahren gemeinsamer Arbeit stellen wir fest:<br />
■ Die Gewaltbereitschaft hat signifikant abgenommen. Die<br />
Kinder sind viel besser in der Lage, Konflikte verbal auszutragen,<br />
Ausgrenzungen von Kindern werden seltener,<br />
Gesprächsbereitschaft hat wesentlich zugenommen.<br />
■ Die von den Mitarbeiter/Innen der Kindergärten <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schulen absolvierten Fortbildungen wirken sich<br />
auf den Arbeitsalltag sehr positiv <strong>und</strong> entlastend aus.<br />
■ Durch die gemeinsame Arbeit im Netzwerk entstanden<br />
mehr Teamgeist, Selbstbewusstsein <strong>und</strong> Eigenverantwortlichkeit<br />
unter den Mitarbeiter/Innen.<br />
■ Was kommt: Ausblick <strong>und</strong> Kontakt<br />
Ziele des Konzeptes <strong>und</strong> einzelne Bausteine haben sich<br />
inzwischen in den „normalen“ Schul- bzw. Kindergartenalltag<br />
integriert <strong>und</strong> sind fester Bestandteil der Arbeit geworden.<br />
Immer wiederkehrende gemeinsame Aktivitäten verhindern,<br />
dass sich ursprünglich gesetzte Ziele im Laufe der<br />
Zeit verwässern bzw. im Sande verlaufen. Dadurch bleibt<br />
die Arbeit im Netzwerk lebendig, eine stetige Weiterentwicklung<br />
der Arbeit ist so möglich.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
Von Seiten der Kindergärten <strong>und</strong> <strong>Schule</strong>n besteht der<br />
Wunsch zu intensiverer Zusammenarbeit bei der Einzelfallberatung<br />
auffälliger Kinder. Dabei wurde bereits in der Vergangenheit<br />
klar, dass folgendes Problem zu überwinden ist:<br />
<strong>Schule</strong> erlebt Kinder in der Gruppe, außerschulische Institutionen<br />
haben es immer mit dem einzelnen Kind zu tun <strong>und</strong><br />
erleben dieses Kind nicht in der Gruppe Gleichaltriger. Daraus<br />
entstehen oft unterschiedliche Einschätzungen <strong>und</strong> die<br />
Notwendigkeit von Fördermaßnahmen wird unterschiedlich<br />
bewertet. Hier müssten Strukturen geschaffen werden, um<br />
diese Problematik aufzuarbeiten. Bei der weiteren Arbeit ist<br />
daran gedacht, schwerpunktmäßig zum Bereich <strong>Sucht</strong>verhalten<br />
– Essverhalten – ges<strong>und</strong>e Ernährung zu arbeiten.<br />
■ AnsprechpartnerInnen<br />
Ansprechpartnerinnen für das Netzwerk sind:<br />
● Ursel Schwarze<br />
Kolibri-<strong>Schule</strong>, Schulstr. 2, 36251 Bad Hersfeld<br />
E-Mail: Kolibri-<strong>Schule</strong>@t-online.de<br />
● Gudrun Faber-Döring<br />
Gr<strong>und</strong>schule An der Sommerseite, Meisebacher Str. 125,<br />
36251 Bad Hersfeld<br />
E-Mail: gs-an-der-sommerseite@bad-hersfeld.schule.<br />
hessen.de<br />
■ <strong>Schule</strong>n<br />
Kolibri-<strong>Schule</strong><br />
Gr<strong>und</strong>schule An der Sommerseite<br />
■ Kindergärten<br />
Evangelischer Kindergarten Eichhof, Eichhofplatz 5,<br />
36251 Bad Hersfeld<br />
Katholische Kindertagesstätte Zu den Heiligen Aposteln,<br />
Wilhelm-Engelhardt-Str. 32, 36251 Bad Hersfeld<br />
Kindertagesstätte Martinskirche, Schlippental 39,<br />
36251 Bad Hersfeld<br />
■ Weitere Beteiligte<br />
Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention in Bad Hersfeld<br />
SMOG, Polizeipräsidium Osthessen in Fulda<br />
23
Auf dem Weg zur<br />
ges<strong>und</strong>heitsfördernden <strong>Schule</strong><br />
Die Aliceschule ist eine der fünf beruflichen<br />
<strong>Schule</strong>n in der Universitätsstadt Gießen. Sie liegt<br />
am westlichen Stadtrand von Gießen <strong>und</strong> wird<br />
zurzeit von ca. 1000 Schülerinnen, Schülern <strong>und</strong><br />
Studierenden besucht.<br />
Die Aliceschule ist bereits 1878 auf Initiative der Großherzogin<br />
Alice von <strong>Hessen</strong>-Darmstadt als Hauswirtschaftsschule<br />
für junge Frauen gegründet worden. Auch heute noch<br />
hat die <strong>Schule</strong> einen recht hohen Frauenanteil.<br />
Die Aliceschule bietet an:<br />
● die TZ- Berufsschule für Auszubildende im Bäcker-,<br />
Fleischer- <strong>und</strong> Friseurhandwerk,<br />
● die Besonderen Bildungsgänge (Berufsvorbereitungsjahr,<br />
Jungarbeiterklassen, EIBE = Eingliederungslehrgänge in<br />
die Berufs- <strong>und</strong> Arbeitswelt),<br />
● das Berufsgr<strong>und</strong>bildungsjahr,<br />
● die Berufsfachschule <strong>und</strong> die Höhere Berufsfachschule,<br />
● das Berufliche Gymnasium in der Fachrichtung Ernährung<br />
<strong>und</strong> Hauswirtschaft,<br />
● die Fachschulen für Sozialpädagogik <strong>und</strong> für Heilpäda-<br />
gogik.<br />
Die Ausbildungsschwerpunkte Ernährung, Körperpflege<br />
<strong>und</strong> Sozialpädagogik erfordern eine vertiefte inhaltliche<br />
Auseinandersetzung r<strong>und</strong> um das Thema Ges<strong>und</strong>heit, wobei<br />
hier der Begriff in einem erweiterten bzw. ganzheitlichen<br />
Sinne verstanden werden soll:<br />
Ernährung <strong>und</strong> Körperpflege vermitteln nicht nur den ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Aspekt, sondern haben immer auch etwas mit<br />
Ästhetik, Genuss <strong>und</strong> sinnlicher Wahrnehmung zu tun.<br />
Um am Beispiel zu bleiben: Essen <strong>und</strong> Schönheit können<br />
zur <strong>Sucht</strong> werden. Der Unterricht muss sich in den jeweiligen<br />
Schwerpunkten auch mit den sog. dunklen Seiten der<br />
Thematik auseinandersetzen.<br />
Die Studierenden der Fachschule für Sozialpädagogik<br />
haben eine doppelte Verantwortung für den Bereich der<br />
Ges<strong>und</strong>heitserziehung sowie auch der <strong>Sucht</strong>- <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong>.<br />
Hier gilt es, die Studierenden zunächst zu einer<br />
eigenen Auseinandersetzung herauszufordern, um sie für<br />
ihre verantwortungsvolle Aufgabe als künftige Erzieher <strong>und</strong><br />
Erzieherinnen vorzubereiten.<br />
■ Was wurde bisher an der Aliceschule im<br />
Bereich <strong>Sucht</strong>prävention angeboten?<br />
Zunächst möchten wir kurz unsere Arbeit als <strong>Sucht</strong>präventionslehrerinnen<br />
an der Aliceschule vorstellen:<br />
● Um ein möglichst breites Schülerklientel zu erreichen,<br />
haben wir eine Präventionswoche für die gesamte <strong>Schule</strong><br />
organisiert. Die Schülerinnen, Schüler <strong>und</strong> Studierenden<br />
aus allen Schulformen hatten die Möglichkeit an Workshops,<br />
Gesprächskreisen, Vorträgen <strong>und</strong> Mitmachaktionen<br />
teilzunehmen. Eingeb<strong>und</strong>en waren die Fachstelle für<br />
<strong>Sucht</strong>prävention, Erziehungsberatungsstellen, der Deutsche<br />
Kinderschutzb<strong>und</strong>, Wildwasser, die AIDS-Hilfe,<br />
Selbsthilfegruppen für alkoholkranke Menschen, Ärzte<br />
<strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>kranke sowie die Krankenkassen mit Infoständen.<br />
An einem Fahrsimulator des ADAC konnten volljährige<br />
Schüler <strong>und</strong> Studierende die Auswirkungen des<br />
Autofahrens unter Alkoholeinfluss erleben.<br />
● Die jährlich stattfindende Projektwoche haben wir seit<br />
2002 dazu genutzt, mit einer Gruppe von ca. 15-20 Teilnehmerinnen<br />
<strong>und</strong> Teilnehmern fünf Tage intensiv zum<br />
Thema <strong>Sucht</strong>- <strong>und</strong> <strong>Gewaltprävention</strong> mit all seinen Facetten<br />
zu arbeiten.<br />
● In einem Theaterprojekt mit dem Titel <strong>Sucht</strong> & Sehn<strong>Sucht</strong><br />
stand Selbsterfahrung mit den Mitteln des darstellenden<br />
24 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Spiels im Vordergr<strong>und</strong>. Am Ende der Woche haben die<br />
Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer ihre „Sehnsuchtsstücke“<br />
am Tag der offenen Tür einem breiten Publikum<br />
vorgestellt.<br />
● Unter der Fragestellung: „Bin ich schön?“ wurden Aspekte<br />
der Körperselbst- <strong>und</strong> Fremdwahrnehmung besonders<br />
intensiv beleuchtet. Am Erfahrungshorizont der<br />
Schüler (innen) <strong>und</strong> Studierenden anknüpfende Impulse<br />
sollten die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer dazu anregen,<br />
sich mit dem eigenen Selbstbild zu beschäftigen. Im<br />
Verlauf des Projektes wurde der Fokus auf die Problematik<br />
der Essstörungen gelenkt.<br />
● Ein weiteres Angebot innerhalb der Projektwoche richtete<br />
sich an Studierende innerhalb der Fachschule für<br />
Sozialpädagogik. Drei Schwerpunkte standen hierbei im<br />
Vordergr<strong>und</strong>:<br />
- Förderung der Ich-Stärke bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
- Erstkontakte mit relevanten Fachstellen <strong>und</strong> deren<br />
Konzeption<br />
- Biographiearbeit mit betroffenen abhängigen Menschen.<br />
■ In der Fachschule für Sozialpädagogik wurde im Rahmen<br />
des regulären Wahlpflichtunterrichts mit dem Schwerpunkt:<br />
„Sozialpädagogische Arbeit im außerschulischen<br />
Bereich“ ein Schulhalbjahr mit vier Wochenst<strong>und</strong>en<br />
zum Thema <strong>Sucht</strong>prävention gearbeitet. Titel des Wahlpflichtfachs<br />
war, nach dem gleichnamigen Buch von E.<br />
Schiffer, „Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde“.<br />
Folgende Themen standen im Mittelpunkt:<br />
- Pubertät/Adoleszenz<br />
- Selbsterfahrungsübungen<br />
- medizinisch-biologische Wirkung von stoffgeb<strong>und</strong>enen<br />
<strong>und</strong> stoffungeb<strong>und</strong>enen <strong>Sucht</strong>mitteln<br />
- Kontakt zu Fachstellen<br />
- Biographiearbeit<br />
- Übung von Ernstsituationen in Rollenspielen<br />
■ Was wollen wir im nächsten Schuljahr<br />
erreichen?<br />
Aus einem pädagogischen Tag (ges<strong>und</strong>heitsfördernde<br />
<strong>Schule</strong>) hat sich ein Team von Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen<br />
aus allen Schulformen zusammengef<strong>und</strong>en. In dieser Kon-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
stellation möchten wir ein schulformübergreifendes Konzept<br />
zur <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> Sexualpädagogik für unsere <strong>Schule</strong><br />
erarbeiten. Unser Anliegen ist eine stärkere Vernetzung der<br />
Abteilungen unter einem fächerübergreifenden Aspekt, um<br />
eine breite Schüler- <strong>und</strong> Studierendenschaft zu erreichen.<br />
● Schülerorientierte Angebote zur <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong><br />
Sexualpädagogik im Regelunterricht (ergänzend: Projekte,<br />
fächerverbindende Angebote, regelmäßiges Informations-<br />
<strong>und</strong> Beratungsangebot für Schülerinnen, Schüler<br />
<strong>und</strong> Lehrkräfte)<br />
● Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung eines auf Nachhaltigkeit<br />
angelegten Unterrichtskonzepts. Der Themenkomplex<br />
mit dem Titel „Forum für Fragen zu <strong>Sucht</strong> <strong>und</strong> Sexualität“<br />
wird von einem Lehrerpool, bestehend aus einer<br />
gemischtgeschlechtlichen Gruppe von Lehrern <strong>und</strong><br />
Lehrerinnen, die alle Schulformen abdecken, angeleitet.<br />
Diese Gruppe setzt sich aus Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
zusammen, die am pädagogischen Tag zu diesem Thema<br />
gearbeitet haben<br />
● Vertrauensvolle Zusammenarbeit <strong>und</strong> Beratung von<br />
Kollegen/innen <strong>und</strong> Schulleitung<br />
● Organisation von Fortbildungen<br />
● Flexibilität bei der Hilfe in schwierigen, akuten Situatio-<br />
nen<br />
● Gute Kontakte zu außerschulischen Einrichtungen <strong>und</strong><br />
zur Schülervertretung<br />
Nahziel: Die Organisation eines Aktionstages, unter dem<br />
Motto „Alltagssüchte“ (Rauchen – Essen – Alkohol), möglichst<br />
im ersten Halbjahr des neuen Schuljahres, wird derzeit<br />
von uns in Angriff genommen.<br />
<strong>Sucht</strong>verhalten <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>mittelkonsum sind Kennzeichen<br />
unserer Gesellschaft <strong>und</strong> machen auch vor der <strong>Schule</strong><br />
nicht Halt. In einer beruflichen <strong>Schule</strong> haben wir es mit<br />
Schülerinnen, Schülern <strong>und</strong> Studierenden zu tun, die sich in<br />
einem Alter befinden, in dem viele von ihnen bereits Erfahrungen<br />
mit <strong>Sucht</strong>mitteln gesammelt haben. Darüber hinaus<br />
begegnet uns auch stoffungeb<strong>und</strong>enes <strong>Sucht</strong>verhalten. Neben<br />
stoffgeb<strong>und</strong>enem <strong>Sucht</strong>verhalten begegnen uns in einer<br />
<strong>Schule</strong> mit einem hohen Frauenanteil immer wieder stoffungeb<strong>und</strong>ene<br />
<strong>Sucht</strong>probleme.<br />
<strong>Sucht</strong>präventionslehrerinnen:<br />
Anke Röse <strong>und</strong> Sigrid Stanzel<br />
25
Rauchfrei durch die <strong>Schule</strong><br />
(RaddS)<br />
ein Kooperationsprojekt für alle <strong>Schule</strong>n in<br />
Frankfurt am Main<br />
■ Die Idee<br />
Rauchfrei durch die Schulzeit – das ist eine Idee, die sich<br />
mit dem Projekt „RaddS“ in Frankfurt verbinden lässt. Beim<br />
Eintritt in die Gr<strong>und</strong>schule sind die Kinder natürlich noch<br />
rauchfrei, <strong>und</strong> wenn sie aus einer städtischen Kindertageseinrichtung<br />
in Frankfurt kommen, dann kommen sie auch<br />
aus einer rauchfreien KiTa, denn hier gilt schon seit einigen<br />
Jahren ein striktes Rauchverbot. Nun durchlaufen sie die<br />
vielen Jahre ihrer Schulzeit, <strong>und</strong> wenn sie dann stolz mit<br />
ihrem Abschluss die <strong>Schule</strong> verlassen, sind sie immer noch<br />
rauchfrei. Wenn man an alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler denkt,<br />
wird man etwas bescheidener sagen: „Rauchfrei durch die<br />
<strong>Schule</strong>“ bedeutet, dass die <strong>Schule</strong> dazu beitragen will, dass<br />
weniger Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler während ihrer Schulzeit<br />
mit dem Rauchen beginnen, dass sie wenn überhaupt, dann<br />
möglichst lange nicht rauchen, wenn sie überhaupt rauchen,<br />
weniger rauchen <strong>und</strong> schließlich, wenn sie rauchen, das<br />
Rauchen wieder einstellen oder reduzieren können. Wer diese<br />
Idee mit trägt, wird sie natürlich auf die Lehrerinnen <strong>und</strong><br />
Lehrer, das nicht unterrichtende Personal an der <strong>Schule</strong> <strong>und</strong><br />
vielleicht auch auf die Eltern übertragen wollen. In jedem<br />
Fall wird an so einer <strong>Schule</strong> gelernt, welche Bedeutung der<br />
Schutz der Nichtraucherinnen <strong>und</strong> Nichtraucher hat <strong>und</strong> die<br />
Bereitschaft gestärkt, sich für Nichtraucherschutz an den unterschiedlichsten<br />
Orten einzusetzen.<br />
Als Projektzweck liest sich das dann so:<br />
Ausgangspunkt des Projektes ist der hohe Raucheranteil<br />
bei den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, die in der Phase zwischen<br />
12-15 Jahren entscheiden, ob sie Nichtraucher bleiben<br />
oder Raucher werden.<br />
Die Motivation der rauchenden Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler,<br />
Lehrkräfte <strong>und</strong> des Schulpersonals für den Ausstieg aus<br />
dem Rauchen soll gefördert <strong>und</strong> Hilfestellungen für den<br />
Ausstieg angeboten werden. Ziel des Projektes ist es, den<br />
Raucheranteil bei Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, Lehrkräften<br />
<strong>und</strong> beim Schulpersonal zu verringern, außerdem die Bereitschaft<br />
zur Einhaltung von Rauchverboten <strong>und</strong> des Nichtraucherschutzes<br />
zu erhöhen.<br />
Zunächst einige Informationen zur Ausgangslage <strong>und</strong><br />
zur Projektgruppe.<br />
■ Ausgangslage<br />
Ende 2002 wurde durch unterschiedliche Studien deutlich,<br />
dass entgegen des allgemeinen Trends in der Gesamtbevölkerung,<br />
das Rauchverhalten bei Jugendlichen <strong>und</strong> besonders<br />
bei jungen Frauen zunimmt. Auch die ersten Ergebnisse<br />
der Frankfurter Schülerbreitenbefragung im Rahmen der<br />
MoSyD-Studie wiesen in diese Richtung, auch wenn in den<br />
ersten Studienjahren noch keine Trends erkennbar sind <strong>und</strong><br />
unterschiedliche Untersuchungsmethoden verschiedener<br />
Studien Vergleichsaussagen nur begrenzt zulassen. In der<br />
Frankfurter Schülerbefragung führen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />
Mitarbeiter der Universität die Interviews in den <strong>Schule</strong>n<br />
durch, die Daten der Drogenaffinitätsstudie werden mit Hilfe<br />
von Telefoninterviews gewonnen.<br />
Die Vorstellung des Programms „Rauchfreie <strong>Schule</strong>“ auf<br />
der landesweiten Dienstbesprechung der Fachberaterinnen<br />
<strong>und</strong> Fachberater für <strong>Sucht</strong>prävention durch den Referenten<br />
im B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsministerium Herrn Dr. Schoppa Anfang<br />
2003 führte im Staatlichen Schulamt zu Überlegungen,<br />
Frankfurter <strong>Schule</strong>n ein Unterstützungsangebot für Wege<br />
26 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
��<br />
��<br />
��<br />
��<br />
�<br />
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
����������� ������������� ����������<br />
�� �� �� �� �� �� ������ ������ ������<br />
Abb.1: Zigarettenkonsum von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />
der Klasse 10 – 12 der allgemein bildenden <strong>Schule</strong>n (AS)<br />
sowie der beruflichen <strong>Schule</strong>n nach Jahrgängen (BS).<br />
zur rauchfreien <strong>Schule</strong> an zu bieten. Dies führte zur Bildung<br />
einer Projektgruppe aus Stadtges<strong>und</strong>heitsamt, der regionalen<br />
Präventionsfachstelle <strong>und</strong> dem Staatlichen Schulamt auf der<br />
Ebene der Stadt Frankfurt.<br />
■ Die Projektgruppe<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage der Weilburger Erklärung von 1997<br />
besteht seit vielen Jahren eine intensive Zusammenarbeit<br />
zwischen der Fachberatung für <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> der<br />
örtlichen Präventionsfachstelle. Von Seiten der städtischen<br />
Institutionen ist in Frankfurt das Stadtges<strong>und</strong>heitsamt für<br />
die Problematik legaler <strong>Sucht</strong>mittelabhängigkeit zuständig,<br />
während das Drogenreferat der Stadt seine Arbeit auf den<br />
Bereich der illegalen Drogen konzentriert.<br />
Daher wurde die Projektgruppe von drei Partnern gebildet:<br />
1. Stadt Frankfurt am Main, Stadtges<strong>und</strong>heitsamt, Abteilung<br />
Psychiatrie <strong>und</strong> Abhängigkeitserkrankungen (Federführung)<br />
2. Fachstelle Prävention im Verein Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe<br />
(vae) e.V.<br />
3. Staatliches Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main<br />
Fachberatung für <strong>Sucht</strong>prävention im Arbeitsfeld <strong>Schule</strong><br />
& Ges<strong>und</strong>heit<br />
Damit steht ein multiprofessionelles Team für die Arbeit<br />
mit den <strong>Schule</strong>n zur Verfügung, deren Institutionen in<br />
Frankfurt in ein dichtes Netzwerk der Primär- <strong>und</strong> Sekun-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
därprävention eingeb<strong>und</strong>en sind, was auch für dieses Projekt<br />
äußerst hilfreich ist. Das Projekt wurde vom zuständigen<br />
Dezernenten für Ges<strong>und</strong>heit, Brandschutz, Wirtschaft <strong>und</strong><br />
Recht genehmigt. Über den Projektverlauf wird im Ges<strong>und</strong>heitsausschuss<br />
der Stadtverordnetenversammlung berichtet.<br />
■ Projektverlauf<br />
■ Erste Phase 2003 – 2004<br />
In der ersten Projektphase wurde das Konzept <strong>und</strong> insbesondere<br />
in Zusammenarbeit mit dem CENTRE FOR DRUG<br />
RESEARCH (CDR) der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
ein Evaluationsmodul für die <strong>Schule</strong>n erstellt.<br />
Am 04.03.2004 wurde das Projekt im Rahmen einer<br />
Vollversammlung der Beratungslehrkräfte allen Frankfurter<br />
<strong>Schule</strong>n vorgestellt <strong>und</strong> dafür geworben, auf den Weg zur<br />
rauchfreien <strong>Schule</strong> zu gehen.<br />
In einer Folgeveranstaltung am 13.05.2004 wurde für<br />
den Kreis ernsthaft interessierter <strong>Schule</strong>n (ca. 30) im ersten<br />
Teil die Planung <strong>und</strong> Umsetzung des Projektes „Rauchfreie<br />
<strong>Schule</strong>“ an der Theodor-Haubach-Oberschule in Berlin<br />
durch Herrn. H. Kaufmann, Lehrer <strong>und</strong> Bezirkskoordinator<br />
für <strong>Sucht</strong>prophylaxe (Berlin-Tempelhof / Schöneberg) vorgestellt.<br />
Der zweite Teil bestand aus getrennten Workshops<br />
zu empfehlenswerten Maßnahmen <strong>und</strong> Projekten an Gr<strong>und</strong>schulen<br />
oder weiterführenden <strong>Schule</strong>n.<br />
Bis zum Jahresende 2004 hatte die Franz-Böhm-<strong>Schule</strong>,<br />
eine Berufliche <strong>Schule</strong>, als erste <strong>Schule</strong> ihre Teilnahme am<br />
Projekt „Rauchfreie <strong>Schule</strong>“ verbindlich erklärt <strong>und</strong> zugesagt,<br />
die Befragung durchzuführen. Durch finanzielle Unterstützung<br />
des Stadtges<strong>und</strong>heitsamtes war es zum Beginn<br />
des Schuljahrs 2004/2005 möglich, die Zahl der Gr<strong>und</strong>schulenklassen,<br />
die das Projekt „Klasse 2000“ durchführen auf<br />
91 zu vervierfachen. Die Anfragen zur Unterstützung bei<br />
weiteren Präventionsprojekten stieg ebenfalls stark an <strong>und</strong><br />
das Stadtges<strong>und</strong>heitsamt übernahm die Federführung für den<br />
Wettbewerb „Be Smart – Don’t Start“.<br />
Insofern waren die Projektziele der ersten Phase erreicht,<br />
als das gesetzliche Rauchverbot im neuen Hessischen Schulgesetz<br />
zum 1. Januar 2005 in Kraft trat.<br />
27
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
■ Zweite Phase 2005 – 2006<br />
Die Projektgruppe war in ihrer Planung davon ausgegangen,<br />
dass das Hessische Kultusministerium kein generelles<br />
Rauchverbot plane <strong>und</strong> die <strong>Schule</strong>n freiwillig über die Regelungen<br />
des Erlasse über das Rauchen in der <strong>Schule</strong> von 1997<br />
hinausgehen müssten. Die Rauchfreiheit im engeren Sinne<br />
muss nun aber von allen <strong>Schule</strong>n nach der Übergangszeit bis<br />
zum 1. August 2005 erreicht werden.<br />
Da die Projektgruppe in Frankfurt am Main die Einrichtung<br />
einer schulischen Rauchverbotszone in Übereinstimmung<br />
mit dem Hessischen Kultusministerium nur für ein<br />
Element einer umfassenden Tabakprävention in der <strong>Schule</strong><br />
ansieht, wurden die Projektziele dahingehend angepasst <strong>und</strong><br />
der Projektname in „Rauchfrei durch die <strong>Schule</strong>“ geändert.<br />
Angebote für die <strong>Schule</strong>n sind nun:<br />
■ die Beratung <strong>und</strong> Moderation von schulischen Arbeitsgruppen<br />
<strong>und</strong> Qualitätszirkeln<br />
■ die Motivation bei möglichen Schwierigkeiten<br />
■ schulische Maßnahmen (z.B. Schulische <strong>Sucht</strong>vereinbarung<br />
als Gesamtkonzept)<br />
■ die Anregung <strong>und</strong> Förderung individueller Aktionen<br />
■ die Vermittlung von Präventionsprojekten<br />
■ die Vermittlung von Hilfsangeboten für Gruppen <strong>und</strong><br />
Einzelne (z.B. Diagnostik <strong>und</strong> Therapie, Krisenintervention,<br />
Elternberatung)<br />
■ Evaluation<br />
Wichtigste Bedingung für die Unterstützung von Seiten<br />
der Projektgruppe ist die Einrichtung der Arbeitsgruppe<br />
„rauchfrei“, die im Idealfall die in Abbildung 3 dargestellte<br />
Besetzung haben könnte. Das Stadtges<strong>und</strong>heitsamt informierte<br />
nach den Osterferien 2005 alle <strong>Schule</strong>n über diese<br />
Angebote der Projektgruppe. In Frankfurt werden Raucherentwöhnungskurse<br />
von der Fachstelle Prävention im Verein<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe (vae) e.V. <strong>und</strong> dem Verein Jugendberatung<br />
<strong>und</strong> Jugendhilfe JJ e.V. sowohl für Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler wie für Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer nach dem<br />
10-Schritte Modell der BZgA angeboten. Es fehlen aber<br />
evaluierte Programme speziell für Jugendliche.<br />
Die Fachstelle Prävention im Verein Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe<br />
(vae) e.V. plant darüber hinaus Informationsveranstaltungen<br />
zu Möglichkeiten der „Punktrauchheit“ im<br />
Abb.2: Im Dezember 2004 wurde das Projekt im Rahmen<br />
der Posterpräsentationen auf der 2. Deutschen Tabakkontrollkonferenz<br />
im Krebsforschungszentrum in Heidelberg<br />
vorgestellt.<br />
Sinne eines kontrollierten Rauchverhaltens, das den Verzicht<br />
auf das Rauchen während des Schultages ermöglicht.<br />
Noch in diesem Kalenderjahr erhalten alle Frankfurter<br />
Beratungslehrkräfte in Zusammenarbeit mit dem Verein Jugendberatung<br />
<strong>und</strong> Jugendhilfe JJ e.V. eine Gr<strong>und</strong>ausbildung<br />
in Motivierender Gesprächsführung nach Miller <strong>und</strong> Rollnick<br />
als Gr<strong>und</strong>lage für den Anti-Rauch-Kurs. Aus den sek<strong>und</strong>är-<br />
bzw. tertiärpräventiven Projekten (Frühintervention für<br />
erstauffällige Drogenkonsumenten, FreD; dem Alkoholprojekt<br />
Hart am Limit, HaLt; sowie der Arzneimittelstudie zur<br />
kontrollierten Heroinvergabe) verfügen Mitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeiter von JJ über große Fachkompetenz in dieser<br />
Gesprächsführungshaltung.<br />
■ Erste Erfahrungen<br />
Die Gespräche insbesondere mit den Beratungslehrkräften<br />
in der gegenwärtigen Übergangszeit haben vorrangig<br />
zwei interessante Informationen erbracht. Erstens gibt es in<br />
28 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Aktionsteam „Rauchfrei“<br />
����������<br />
������������ „Ges<strong>und</strong>heitszirkel“<br />
�����������<br />
�����������<br />
����������<br />
��������������<br />
��<br />
������<br />
Abb.3: mögliche Mitglieder des Ges<strong>und</strong>heitszirkels<br />
Frankfurt rauchfreie <strong>Schule</strong>n, die schon lange rauchfrei sind,<br />
ohne dass dies über die <strong>Schule</strong> hinaus bekannt geworden<br />
wäre.<br />
Zweitens: insbesondere an den, aus Sicht der Projektgruppe<br />
schwierigen <strong>Schule</strong>n, nämlich an allen weiterführenden<br />
<strong>Schule</strong>n, an denen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler das Schulgelände<br />
verlassen dürfen, ist die Einführung des Rauchverbots<br />
ohne wahrnehmbare Proteste verlaufen. Man trifft sich<br />
jetzt ganz friedlich draußen. Hier sind nun die bereits oben<br />
angesprochenen Frankfurter Vernetzungen bedeutsam.<br />
Einzelne Maßnahmen, die eine Kooperation mit weiteren<br />
Stellen in der Stadt (z. B. Ordnungsamt / Aktion „Sauberes<br />
Frankfurt“: Eine fallen gelassene Kippe kostet in Frankfurt<br />
20,00 €; verärgerte Bürger wenden sich an die Polizei statt<br />
an die <strong>Schule</strong>) erfordern, werden in der sog. „Montagsr<strong>und</strong>e“<br />
des Drogenreferats abgestimmt. (Die Montagsr<strong>und</strong>e ist<br />
ein von der Oberbürgermeisterin eingesetztes Gremium zur<br />
Beratung des Magistrats in Fragen zur Drogenproblematik.<br />
Regelmäßig findet eine Abstimmung der mit der Drogenproblematik<br />
befassten städtischen Ämter mit der Polizei, der<br />
Staatsanwaltschaft, dem Staatlichen Schulamt <strong>und</strong> Vertretern<br />
der Träger der Frankfurter Drogenhilfe zur Erarbeitung von<br />
Empfehlungen hinsichtlich der Entwicklung der kommunalen<br />
Drogenpolitik <strong>und</strong> entsprechender konkreter Maßnahmen<br />
statt. Der Vorsitz liegt beim Ges<strong>und</strong>heitsdezernenten. Federführung<br />
für die laufenden Geschäfte hat das Drogenreferat.<br />
Mitglieder der Montagsr<strong>und</strong>e sind: Drogenreferat, Dezernat<br />
IX, Rechtsamt, Staatliches Schulamt, Stadtges<strong>und</strong>heitsamt,<br />
Polizeipräsidium Frankfurt, Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt, Ordnungsamt,<br />
Geschäftsstelle des Präventionsrates, Staatsanwaltschaft,<br />
Frauenberatungsstelle <strong>und</strong> „La Strada“.)<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
�������<br />
������������<br />
�����������<br />
�����<br />
���������������<br />
��������<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
Ferner ist das Projekt regelmäßig auf der Tagesordnung<br />
des „AK Jugend – Drogen – <strong>Sucht</strong>prävention“, in dem unter<br />
der Federführung des Drogenreferats aktuelle Präventionsvorhaben<br />
koordiniert werden. Neben den bereits oben<br />
genannten Mitgliedern der Projektgruppe „Radds“ gehören<br />
dem AK Vertreter von Drogenberatungsstellen, Drogennotruf,<br />
Alice-Project, Jugendberatung <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>hilfe am Merianplatz<br />
/ Jugendberatung <strong>und</strong> Jugendhilfe e.V. (JJ) sowie das<br />
Jugend- <strong>und</strong> Sozialamt / Abt. Jugendschutz an.<br />
Mit dem für das Stadtschulamt zuständigen Dezernat<br />
Bildung, Frauen <strong>und</strong> Umwelt ist die Vereinbarung getroffen<br />
worden, dass zwischen Projektgruppe <strong>und</strong> Schulträger ein<br />
enger Informationsaustausch stattfindet, damit einerseits die<br />
Erfahrungen bezüglich des in Frankfurt am Main bestehenden<br />
Rauchverbots für alle städtischen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />
Mitarbeiter in den städtischen Kindertageseinrichtungen <strong>und</strong><br />
den <strong>Schule</strong>n genutzt <strong>und</strong> andererseits eventuell auftretende<br />
Umsetzungsprobleme an den <strong>Schule</strong>n schnell <strong>und</strong> konstruktiv<br />
gelöst werden können.<br />
Schließlich ist das Projekt „Radds“ Gegenstand der Beratungen<br />
der Koordinierungsr<strong>und</strong>e „<strong>Schule</strong> & Ges<strong>und</strong>heit“ des<br />
Staatlichen Schulamts, so dass u.a. auch der Stadtelternbeirat,<br />
der Gesamtpersonalrat der Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer sowie<br />
der Betriebsarzt (BAD) laufend informiert werden <strong>und</strong><br />
beratend mitwirken können.<br />
Nicht zuletzt besteht ein besonderer Kontakt zur Johann<br />
Wolfgang Goethe-Universität. Das Centre for Drug Research<br />
am Institut für Sozialpädagogik u. Erwachsenenbildung, das<br />
für die Stadt Frankfurt am Main die jährliche Schülerbefragung<br />
im Rahmen der „MoSyD-Studie“ (Monitoring System<br />
Drogentrends) durchführt, hat im Auftrag der Projektgruppe<br />
ein Evaluationsmodul für <strong>Schule</strong>n erarbeitet. Es berät die<br />
Projektgruppe bei spezifischen Fragestellungen, wie z.B.<br />
über die Korrelation zwischen Tabakrauchen <strong>und</strong> Cannabiskonsum.<br />
Johannes Lischke<br />
Fachberater für <strong>Sucht</strong>prävention im Arbeitsfeld <strong>Schule</strong> &<br />
Ges<strong>und</strong>heit des Staatlichen Schulamts für die Stadt Frankfurt<br />
am Main<br />
29
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
■ Weitere Informationen<br />
■ Hessisches Kultusministerium:<br />
schule<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit.hessen.de<br />
■ Stadt Frankfurt am Main, Stadtges<strong>und</strong>heitsamt:<br />
www.stadtges<strong>und</strong>heitsamt.stadt-frankfurt.de<br />
(u.a. <strong>Sucht</strong>briefkasten)<br />
■ Fachstelle Prävention im Verein Arbeits- <strong>und</strong> Erziehungshilfe<br />
(vae) e.V., Frankfurt am Main:<br />
www.fachstelle-praevention.de<br />
■ Staatliches Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main:<br />
schulamt.bildung.hessen.de/frankfurt/<br />
■ Jugendberatung <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>hilfe am Merianplatz / Jugendberatung<br />
<strong>und</strong> Jugendhilfe e.V. (JJ)<br />
www.drogenberatung-jj.de<br />
■ Literatur<br />
■ Henner Hess, Brigitte Kolte, Henning Schmidt-Semisch:<br />
Kontrolliertes Rauchen – Tabakkonsum zwischen Verbot<br />
<strong>und</strong> Vergnügen, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau,<br />
2004<br />
(ISBN: 3-7841-1520-9)<br />
■ William R. Miller, Stephan Rollnick, Motivierende Gesprächsführung,<br />
Lambertus-Verlag Freiburg im Breisgau,<br />
2004<br />
(ISBN: 3-7841-1566-7)<br />
■ Frankfurter Schülerbefragungen: Drogentrends in<br />
Frankfurt am Main, Jahresberichte 2002 <strong>und</strong> 2003,<br />
MoSyD (Monitoring-System Drogentrends), Johann<br />
Wolfgang Goethe-Universität, CENTRE FOR DRUG<br />
RESEARCH, im Auftrag des Drogenreferats der Stadt<br />
Frankfurt am Main, www.drogenreferat.stadt-frankfurt.<br />
de (Kurzfassung <strong>und</strong> Bestelladresse)<br />
30 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
Tabakprävention – rauchfreie<br />
Lebenswelten vor Ort<br />
Landesweiter Wettbewerb »<strong>Sucht</strong>prävention – Der<br />
Impuls 2005«<br />
Nach den überaus positiven Erfahrungen mit den ersten<br />
beiden Wettbewerben in der <strong>Sucht</strong>prävention haben<br />
sich die Hessische Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen e.V. (HLS)<br />
<strong>und</strong> die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) erneut<br />
entschlossen, einen landesweiten Wettbewerb in der <strong>Sucht</strong>prävention<br />
durchzuführen. Die Hessische Sozialministerin<br />
Silke Lautenschläger unterstützt den Wettbewerb durch ihre<br />
Schirmherrschaft.<br />
Während der erste landesweite Wettbewerb im Jahr 2003<br />
„<strong>Sucht</strong>prävention – Der Impuls“ in der ganzen Breite der<br />
<strong>Sucht</strong>prävention ausgezeichnet hat, stand im letzten Jahr<br />
mit der Schwerpunktsetzung der „Elternarbeit in der <strong>Sucht</strong>prävention“<br />
zum ersten Mal eine spezifische Zielgruppe im<br />
Mittelpunkt.<br />
In diesem Jahr setzt die Jury mit dem Thema:<br />
„Tabakprävention - rauchfreie Lebenswelten vor Ort“<br />
zum ersten Mal eine spezifische Substanz in den Mittelpunkt.<br />
Diese Themensetzung spiegelt dabei auch eine<br />
wichtige politische Schwerpunktsetzung in dem Bereich der<br />
<strong>Sucht</strong>prävention wieder. Denn das Ziel, den Tabakkonsum<br />
zu reduzieren, ist ein vorrangiges b<strong>und</strong>espolitisches Ges<strong>und</strong>heitsziel,<br />
das auch der Hessische Landtag aufgegriffen hat<br />
u.a. mit einem generellen Rauchverbot an allen hessischen<br />
<strong>Schule</strong>n.<br />
Dies ist ein wichtiger Meilenstein in einer nachhaltigen<br />
<strong>und</strong> systematischen <strong>Sucht</strong>prävention an <strong>Schule</strong>n. Allen Beteiligten<br />
in diesem Prozess, den Tabakkonsum zu reduzieren,<br />
ist dabei deutlich, dass eine erfolgreiche Strategie sich<br />
aus einer Kombination von verhaltens- <strong>und</strong> verhältnisbezogenen<br />
Maßnahmen zusammensetzen muss. Für eine wirk-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
same Tabakprävention müssen sich vor Ort die Gestaltung<br />
der Lebensräume von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen (z.B. im<br />
Schul- <strong>und</strong> Freizeitbereich, aber auch im Wohnbereich <strong>und</strong><br />
im Wohnumfeld), das Vorbildverhalten im Hinblick auf die<br />
Vermeidung des Tabakkonsums von Eltern <strong>und</strong> Erziehern,<br />
von haupt- <strong>und</strong> ehrenamtlichen Betreuern im Freizeitbereich,<br />
aber auch von allen anderen Erwachsenen so mit den<br />
gesetzgeberischen Maßnahmen auf B<strong>und</strong>esebene <strong>und</strong> den<br />
Entscheidungen im kommunalen Bereich die Durchsetzung<br />
des Nichtrauchens ergänzen, dass das Nichtrauchen zur allgemein<br />
anerkannten <strong>und</strong> erstrebenswerten Verhaltensnorm<br />
wird.<br />
Der Wettbewerb 2005 richtet sich an alle Institutionen,<br />
die Tabakprävention in den Bereichen Kindergarten, <strong>Schule</strong>,<br />
Jugendarbeit <strong>und</strong> Vereine in <strong>Hessen</strong> innovativ umsetzen.Der<br />
Startschuss für den hessenweiten Wettbewerb wurde am 31.<br />
Mai 2005, Weltnichtrauchertag, gegeben.<br />
■ Ziel des Wettbewerbs<br />
Das durchschnittliche Einstiegsalter des Tabakkonsums<br />
liegt in Deutschland bei etwa 13 Jahren. Ein früher Einstieg<br />
in das Rauchen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu,<br />
noch im Erwachsenenalter regelmäßig zu rauchen. Es ist<br />
ein Indikator für den späteren Schweregrad der Abhängigkeit<br />
<strong>und</strong> des Erkrankungsrisikos. Wird im Jugendalter nicht<br />
geraucht, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, später noch<br />
mit dem Rauchen zu beginnen.<br />
Maßnahmen der Verhaltensprävention sind ein wichtiger<br />
Eckpfeiler zur Verhinderung des Einstiegs in das Rauchen.<br />
Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene sowie von den<br />
Gefahren des Rauchens besonders betroffene Bevölkerungs-<br />
31
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
gruppen sind auf differenzierte Weise anzusprechen. Eine<br />
Zunahme des Wissens über die Gefahren des Rauchens <strong>und</strong><br />
der ges<strong>und</strong>heitlichen Vorteile des Nichtrauchens kann über<br />
Informationskampagnen erreicht werden. Für die Ausrichtung<br />
der Maßnahme hat das jeweilige Alter, Geschlecht <strong>und</strong><br />
die soziale Schicht der RaucherInnen eine wesentliche Bedeutung.<br />
Die Bedeutung der Familie sowie das Bild in der Öffentlichkeit<br />
zum Nichtrauchen muss verstärkt bei der Ausrichtung<br />
der Informationskampagnen berücksichtigt werden.<br />
So spielen z.B. Sportereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft<br />
2006 in Deutschland für die öffentliche Akzeptanz<br />
des Nichtrauchens einer hervorgehobene Rolle, die für die<br />
Botschaft einer „rauchfreien“ Weltmeisterschaft genutzt<br />
werden sollte. Ebenso haben gute Beispiele kommunaler<br />
Tabakprävention in Städten <strong>und</strong> Gemeinden einen wichtigen<br />
Vorbildcharakter für andere Kommunen <strong>und</strong> können vor<br />
„Ort“ mehr bekannt gemacht werden. Eine nachhaltige massenmediale<br />
Informationskampagne zum Nichtrauchen ist<br />
ein wichtiger Bestandteil für ein wirksames Programm zur<br />
Reduzierung des Tabakkonsums, die auch die Bedeutung des<br />
Internets als neue Kommunikationsplattform berücksichtigt.<br />
Insbesondere <strong>Schule</strong>n haben als Setting eine wesentliche<br />
Schlüsselfunktion für zielgruppenspezifische Maßnahmen,<br />
da über die <strong>Schule</strong> alle Kinder <strong>und</strong> Jugendliche nachhaltig<br />
erreicht werden können. Weitere Einrichtungen wie Kindertagesstätten,<br />
Jugendfreizeiteinrichtungen, Krankenhäuser<br />
<strong>und</strong> Universitäten sollten in Programme zum Nichtrauchen<br />
einbezogen werden.<br />
Bisherige Bemühungen haben nicht zu einer Verankerung<br />
des Themas „Nichtrauchen“ im Schulbereich geführt.<br />
Flächendeckende <strong>und</strong> übergreifende Konzepte „zur rauchfreien<br />
<strong>Schule</strong>“ können im Rahmen des Ansatzes „<strong>Schule</strong><br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ als wesentlicher Ansatzpunkt integriert<br />
werden. In <strong>Schule</strong>n besteht ein großes Interesse an entsprechenden<br />
Programmen <strong>und</strong> Schulmaterialien zur Umsetzung<br />
entsprechender Konzepte. „Rauchfreie <strong>Schule</strong>n“ haben eine<br />
niedrigere Prävalenz beim Rauchen im Vergleich zu <strong>Schule</strong>n<br />
ohne entsprechende Programme. Die gr<strong>und</strong>legenden Ziele<br />
der Tabakprävention sind:<br />
● die Verhinderung des Einstiegs in das Rauchen,<br />
● Aufforderungen <strong>und</strong> Angebote zum Ausstieg aus dem<br />
Nikotinkonsum sowie<br />
● Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen.<br />
In <strong>Hessen</strong> gibt es mittlerweile zahlreiche <strong>Schule</strong>n, Kindergärten,<br />
Kindertagesstätten, Institutionen, Vereine <strong>und</strong><br />
Kommunen, die Angebote <strong>und</strong> innovative Ansätze in der<br />
Tabakprävention entwickelt haben.<br />
Ziel des Wettbewerbs ist, diese suchtpräventiven Aktivitäten<br />
<strong>und</strong> Projekte vorzustellen <strong>und</strong> in <strong>Hessen</strong> bekannt zu<br />
machen. Darüber hinaus sollen Institutionen Anerkennung<br />
finden, die suchtpräventive Maßnahmen <strong>und</strong> Programme im<br />
Bereich „Tabakprävention“ innovativ <strong>und</strong> wirksam umsetzen.<br />
■ Wer kann sich bewerben?<br />
Eingeladen sind alle Institutionen, die suchtpräventive<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte im Bereich „Tabakprävention“<br />
z.B. in Kindergarten, <strong>Schule</strong>, Jugendarbeit <strong>und</strong> Vereine innovativ<br />
umsetzen. In einem Gesamtkonzept für die Institution<br />
können mehrere Zielgruppen angesprochen werden,<br />
beispielsweise:<br />
● Kinder, Jugendliche<br />
● Erwachsene, Eltern<br />
● Multiplikatoren<br />
● Kommunen, die die Umsetzung der Maßnahmen vor Ort<br />
unterstützen<br />
● Institutionen <strong>und</strong> Betriebe<br />
In der <strong>Sucht</strong>prävention wird mit unterschiedlichen methodischen<br />
Konzepten gearbeitet, d.h. die Beiträge können<br />
auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen:<br />
● Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
● Lebenskompetenzförderung, Stärkung der protektiven<br />
Faktoren<br />
● Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung von Multiplikatoren<br />
● Vernetzung <strong>und</strong> Kooperation der Institutionen, um konkrete<br />
Maßnahmen umzusetzen<br />
● Informationsvermittlung<br />
● Peerprojekte<br />
● Förderung der Alternativen zum Rauchen<br />
● Struktureller Ansatz<br />
● Beratungsangebote<br />
● Öffentlichkeitsarbeit<br />
32 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
■ Bewertungskriterien für die Wettbewerbsbeiträge<br />
Bei den gegebenen Ressourcen ist es nicht möglich,<br />
flächendeckend alle Zielgruppen <strong>und</strong> Multiplikatoren im<br />
Arbeitsfeld der <strong>Sucht</strong>prävention zu erreichen. Vorrang hat<br />
somit die Initiierung von Modellprojekten, die exemplarisch<br />
<strong>und</strong> kreativ die vielfältigen Möglichkeiten von <strong>Sucht</strong>prävention<br />
zur Nachahmung aufzeigen. <strong>Sucht</strong>prävention mit<br />
umfassender Zielsetzung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Es<br />
soll daher versucht werden, verstärkt Aktivitäten in den Bereichen<br />
Kindergarten, - tagesstätten, <strong>Schule</strong>, Jugendarbeit,<br />
Kommune <strong>und</strong> Vereine anzuregen.<br />
Von besonderem Interesse sind suchtpräventive Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Projekte die<br />
● langfristig, kontinuierlich <strong>und</strong><br />
● zielgruppenspezifisch ausgerichtet sind<br />
● geschlechtsgerechte Tabakprävention verfolgen<br />
● strukturelle <strong>und</strong> kommunikative Maßnahmen verbinden<br />
● flächendeckend umgesetzt werden<br />
● eingebettet sind in ein Gesamtkonzept „<strong>Sucht</strong>prävention“<br />
der jeweiligen Institution<br />
● Institutionen vernetzen<br />
● Zielgruppen beteiligen<br />
● systematisch <strong>und</strong> strukturiert in der Durchführung von<br />
Maßnahmen arbeiten.<br />
Kein Muss – aber besonders erwünscht: Evaluierte Wettbewerbsbeiträge<br />
Besonderes Interesse finden auch suchtpräventive Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Projekte, die<br />
● eine Evaluation durchführen, mit Bestandsaufnahme <strong>und</strong><br />
detaillierter Zielbestimmung zur Überprüfung der Maßnahme<br />
<strong>und</strong> deren Ziel (Wirksamkeit).<br />
● innovativ <strong>und</strong> kreativ neue Wege beschreiten.<br />
Hier soll die Dimension der Qualität der suchtpräventiven<br />
Maßnahme mit Hilfe einer Dokumentation nachvollziehbar<br />
beschrieben <strong>und</strong> in drei Dimensionen dokumentiert sein:<br />
● Struktur-, Prozess- <strong>und</strong> Ergebnisqualität (siehe Bewerbungsbogen).<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
■ Wer beurteilt die eingereichten Beiträge?<br />
Eine Jury, bestehend aus VertreterInnen des Hessischen<br />
Sozialministeriums, der Hessischen Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen<br />
(HLS) <strong>und</strong> der DAK Landesgeschäftsstelle <strong>Hessen</strong><br />
bewertet <strong>und</strong> prämiert die Wettbewerbsbeiträge unter Berücksichtigung<br />
der Wettbewerbsziele <strong>und</strong> -kriterien.<br />
Dieser Wettbewerb kennt keine Verlierer!<br />
Denn alle TeilnehmerInnen gewinnen schon dadurch,<br />
dass ihre Projekte der Öffentlichkeit vorgestellt werden <strong>und</strong><br />
sie zum Erfahrungsaustausch beitragen.<br />
■ Prämierung<br />
Die Preisverleihung <strong>und</strong> die Vorstellung der besten suchtpräventiven<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte finden im Dezember<br />
2005 im Hessischen Landtag in Wiesbaden statt. Alle TeilnehmerInnen<br />
erhalten eine Urk<strong>und</strong>e, in der ihrem Engagement<br />
für die <strong>Sucht</strong>prävention gedankt wird. Der Wettbewerbsgewinner<br />
erhält ein Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro, das der<br />
suchtpräventiven Arbeit vor Ort zugute kommen muss.<br />
■ Anmeldung <strong>und</strong> Bewebungsunterlagen<br />
Anmeldeunterlagen erhalten Sie bei der<br />
Hessischen Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen (HLS)<br />
Koordinationsstelle <strong>Sucht</strong>prävention<br />
Frau Regina Sahl Telefon: 069- 71 37 67 77<br />
Stichwort: „<strong>Sucht</strong>prävention – Der Impuls“ Fax: 069-<br />
71 37 67 78<br />
Zimmerweg 10<br />
E-Mail: hls@hls-online.org<br />
60325 Frankfurt am Main<br />
www.hls-online.org<br />
Zur Anmeldung ist ein Bewerbungsbogen vorgesehen,<br />
der Ihnen ausreichend Raum gibt, Ihren Beitrag vorzustellen.<br />
Zudem enthält er Fragen, die für die Bewertung der<br />
Wettbewerbsbeiträge von Bedeutung sind. Senden Sie Ihren<br />
Beitrag an die Hessische Landesstelle für <strong>Sucht</strong>fragen,<br />
Stichwort „<strong>Sucht</strong>prävention – Der Impuls“.<br />
Bewerbungsschluss ist der 30. September 2005.<br />
33
Elternforum–Kassel<br />
Elternforum-Kassel setzt auf Prävention <strong>und</strong><br />
Förderung psychischer Ges<strong>und</strong>heit von Kindern<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen<br />
■ Psychische Ges<strong>und</strong>heit von Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen zunehmend gefährdet<br />
Bei <strong>Schule</strong>ingangsuntersuchungen wurden 13% der Kinder<br />
als psychisch auffällig diagnostiziert, nur 16% davon<br />
waren deshalb bei einem Arzt oder Therapeuten in Behandlung.<br />
Im aktuellen Psychotherapeutenjournal (4/2004), dem<br />
Organ der B<strong>und</strong>espsychotherapeutenkammer wird auf diese<br />
erschreckende Situation der psychisch/psychosomatischen<br />
Ges<strong>und</strong>heit unserer Kinder hingewiesen.<br />
Es ist bekannt, dass die psychosozialen Belastungen von<br />
Kindern steigen. Gleichzeitig nehmen Unterstützungsangebote,<br />
die eine Bewältigung schwieriger Lebenssituationen<br />
ermöglichen könnten, deutlich ab. Kinder reagieren zunehmend<br />
mit der Entwicklung stressbedingter psychosomatischer<br />
Symptome. Körperliche Beschwerden, Konzentrationsprobleme,<br />
Nervosität, Aufmerksamkeitsstörungen bzw.<br />
Verhaltensauffälligkeiten nehmen in der Gr<strong>und</strong>schule deutlich<br />
zu (Studie der Abt. Kinder-<strong>und</strong> Jugendpsychiatrie der<br />
Universität Heidelberg, Prof. Franz Resch, Pressemitteilung<br />
2003). Auch die Zahlen bei Jugendlichen lassen uns erschrecken:<br />
● 20% der Jugendlichen leiden an Depressionen (BZgA<br />
2003)<br />
● 50% der 14 jährigen Jugendlichen hatten schon einen<br />
Vollrausch (Spiegel 27/2004)<br />
● 11% der 15 jährigen Jugendlichen kiffen regelmäßig<br />
(Spiegel 27/2004)<br />
● Essstörungen steigen stetig an. (Hess. Ärzteblatt 2/2004)<br />
Schon vor einigen Jahren stellten wir uns als Kinder-<strong>und</strong><br />
Jugendlichenpsychotherapeutinnen (Psychoanalyse) die Frage,<br />
welche Möglichkeiten haben wir, präventiv zu arbeiten.<br />
Unser spezielles Wissen <strong>und</strong> unsere Erfahrung vermittelten<br />
wir bisher ausschließlich Eltern, deren Kinder schon auffällig<br />
oder krank geworden waren. Wir gründeten vor 2 Jahren das<br />
Elternforum-Kassel <strong>und</strong> bieten seitdem Kurse für Eltern von<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen an. Die Kurse sind nach Altersgruppen<br />
der Kinder eingeteilt: Wir orientieren uns bei dieser<br />
Einteilung an den wichtigen prägenden Lebensphasen:<br />
1. Das erste Lebensjahr<br />
2. Kleinkind <strong>und</strong> Vorschulalter<br />
3. Pubertät <strong>und</strong> Adoleszenz.<br />
Wir beschäftigen uns mit der Frage, welche Unterstützung<br />
brauchen Eltern, damit ihre Kinder eine möglichst<br />
umfassende psychische Ges<strong>und</strong>heit entwickeln? Was müssen<br />
Eltern tun, damit ihre Kinder Fähigkeiten erwerben, mit<br />
Schwierigkeiten im Leben zurecht zu kommen, ohne psychisch/psychosomatisch<br />
krank werden zu müssen.<br />
Psychische Ges<strong>und</strong>heit bedeutet für uns:<br />
● ein gesichertes Selbstvertrauen<br />
● eine angemessene Durchsetzungsfähigkeit<br />
● die Fähigkeit, Beziehung einzugehen<br />
● die Fähigkeit, Denken, Fühlen <strong>und</strong> Handeln so abzustimmen,<br />
das schwierige Gefühle ertragen werden können<br />
<strong>und</strong> Lebensfreude möglich ist.<br />
Aus vielfältigen Forschungen der Psychotherapie, Psychiatrie<br />
<strong>und</strong> der Neurowissenschaften wissen wir heute, die<br />
Qualität der Bindung zwischen Kind <strong>und</strong> Eltern wirkt sich<br />
direkt auf die Entwicklung des Gehirns aus. Denken, Fühlen,<br />
Merken, der Umgang mit Frust <strong>und</strong> Stress ist also stark<br />
davon abhängig, wie Eltern ihre Kinder verstehen <strong>und</strong> mit<br />
ihnen umgehen.<br />
34 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
In allen Kursen bieten wir Filme zur Veranschaulichung<br />
der Thematik an. Wir halten Vorträge aus der Entwicklungspsychologie<br />
im Rahmen von 15-20 Minuten, wobei wir diese<br />
möglichst wenig abstrakt sondern nah am Alltagsleben<br />
der Eltern formulieren. Die wesentlichen Themen werden<br />
per Flipchart oder Folien visualisiert. Nach jedem theoretischen<br />
Input kommt es zum Gespräch. Die Eltern haben die<br />
Möglichkeit, schon während des Vortrages zu unterbrechen,<br />
Fragen zu stellen. Nachfolgend wird das Gespräch eröffnet.<br />
Durch die Fragen der Eltern wird das Thema vertieft, erweitert.<br />
An den folgenden Abenden wird darüber gesprochen,<br />
welche Veränderungen im Alltag umgesetzt wurden, was<br />
noch schwer fällt, wo weiterhin Unsicherheiten bestehen<br />
Ganz besonders möchten wir auf den Kurs für Eltern von<br />
Heranwachsenden hinweisen. Die komplizierten Entwicklungen<br />
der Pubertät verunsichern Eltern zutiefst. In ihrer<br />
Verunsicherung können sie ihren heranwachsenden Kindern<br />
oft nicht mehr den angemessenen Halt geben. Die Gefahr<br />
von psychischen Störungen bei Jugendlichen wächst somit<br />
deutlich.<br />
■ Beispiel<br />
Im Pubertätskurs kommt es häufig vor, dass Mütter große<br />
Ängste haben, die Tochter könne magersüchtig werden.<br />
Sie wissen nicht, ob die Tochter, die plötzlich mit gerümpfter<br />
Nase den Speck vom Schnitzel abschneidet schon auf<br />
dem Weg in die Magersucht ist. Häufig kontrollieren Eltern<br />
aus Sorge um die Tochter deren Essverhalten. Die Tochter<br />
fühlt sich in ihrem Wunsch, über sich selber zu bestimmen,<br />
stark eingeschränkt. Nun muss das Mädchen gleichzeitig<br />
mit den auf sie einströmenden Weiblichkeitsidealen <strong>und</strong> der<br />
Kontrolle der Eltern zurechtkommen. Unter diesen schwierigen<br />
Bedingungen kommt es häufig zu einem Machtkampf,<br />
wer über den Körper der Tochter bestimmt. Die Gefahr einer<br />
Magersuchtsentwicklung ist nun sehr groß. Wir erläutern,<br />
welche Möglichkeit Eltern haben, diese Spirale zu unterbrechen<br />
<strong>und</strong> auf welche Weise sie ihre Töchter am besten<br />
unterstützen, dass diese ein gutes Gefühl zu ihrem Körper<br />
entwickeln <strong>und</strong> die Gefahr einer Anorexie gebannt wird.<br />
Im Elternforum-Kassel erklären wir den Eltern, wie<br />
schmerzlich <strong>und</strong> konfliktreich der Ablösungsprozess der Jugendlichen<br />
verläuft. Existentielle Ängste, Trauer <strong>und</strong> Wut<br />
gehören dazu. Wir vermitteln anhand neuester Untersuchun-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
gen aus der Hirnforschung, wie schwer es Jugendlichen fällt,<br />
sich in die Gefühle anderer zu versetzen. Wenn Mütter dieses<br />
erfahren, gelingt es ihnen meist besser, manch Anschnauzer<br />
der Jugendlichen nicht zu persönlich zu nehmen. Sie gewinnen<br />
mehr Abstand <strong>und</strong> stoppen die Aggressionsspirale. Wir<br />
sprechen über die Neigung Jugendlicher, Grenzen auszuprobieren<br />
<strong>und</strong> wozu dieses Verhalten dient.<br />
In unserem Kurs machen wir auch deutlich, wann es notwendig<br />
ist, sich professionelle Hilfe zu holen. Wir erörtern<br />
Unterschiede zwischen altersgemäßen Verhalten <strong>und</strong> krankhafter<br />
Entwicklung. Wir sprechen über den Unterschied altersgemäßen<br />
Rückzuges <strong>und</strong> Depressionen, über den Umgang<br />
mit Rauschmitteln <strong>und</strong> die Gefahr von Essstörungen.<br />
Als Elternforum-Kassel stellen wir uns die Aufgabe, Eltern<br />
in ihrer großen Verantwortung zu stärken <strong>und</strong> die psychische<br />
Ges<strong>und</strong>heit von Kindern aktiv zu fördern. Wir tragen<br />
einerseits zu einer Entlastung von Eltern bei, vermitteln<br />
notwendiges aber meist unbekanntes Wissen <strong>und</strong> fördern<br />
frühzeitig Korrekturen bei einem eher schädlichen Erziehungsverhalten.<br />
Die Beurteilungen der Eltern der Kurse sind durchweg<br />
positiv. Die Möglichkeit im Rahmen eines zeitlich begrenzten<br />
Gesprächsangebots über die Schwierigkeiten mit den<br />
Jugendlichen zu sprechen, sich neue Informationen zu holen<br />
<strong>und</strong> viele Fragen zu stellen wird von den Eltern als sehr<br />
hilfreich erlebt. Häufig berichten sie von einem Zugewinn<br />
an Gelassenheit <strong>und</strong> besserem Verständnis für ihre Kinder.<br />
Es wird ihnen klarer, was die Jugendlichen von den Eltern<br />
brauchen oder auch welche Haltungen <strong>und</strong> welches Verhalten<br />
der Eltern vielleicht die Situation für alle erschwert.<br />
■ Informationen<br />
Elternforum-Kassel<br />
Bayernstr. 3<br />
34134 Kassel<br />
Telefon: 0561 / 31 69 09 39<br />
Telefax: 0561- 6023 02<br />
info@elternforum-kassel.de<br />
www.elternforum-kassel.de<br />
Karoline Hanne <strong>und</strong> Barbara Stoecker<br />
35
Von Dickhäutern, Ärgernissen <strong>und</strong><br />
Hautpflege<br />
Förderung der Ges<strong>und</strong>heit im Lehrerberuf<br />
■ Stress, Konflikte <strong>und</strong> Ärger<br />
Es sind nicht immer die großen Belastungen <strong>und</strong> Angriffspunkte,<br />
die das Wohlbefinden <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit<br />
nachhaltig beeinträchtigen, unzählige kleine, immer wiederkehrende<br />
Probleme des Schulalltags greifen die psychische<br />
Ges<strong>und</strong>heit deutlich stärker an. Das geschieht meist ohne<br />
erkennbaren Anfang, langsam <strong>und</strong> schleichend. Die frühere<br />
Widerstandsfähigkeit der Lehrerin/des Lehrers gegenüber<br />
psychischen Belastungen versiegt allmählich. Ausgelöst<br />
wird dies oft nicht durch besondere „Belastungen“, sondern<br />
durch die tägliche Routine vieler kleiner Ärgernisse – ohne<br />
die Aussicht auf deren Ende. Das sind die Zutaten für chronischen<br />
Stress.<br />
Durch diese reduzierte Widerstandsfähigkeit fällt es immer<br />
schwerer, überflüssige Bemerkungen, nicht eingehaltene<br />
Absprachen, tuschelnde Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler oder<br />
ähnliche Herausforderungen leicht hinzunehmen. So können<br />
bald Konflikte entstehen. Eine psychische „Dünnhäutigkeit“<br />
breitet sich aus. Manche Menschen tragen diese Konflikte<br />
Ungünstige<br />
Gewohnheiten der<br />
Bewältigung<br />
Häufigkeit <strong>und</strong><br />
Intensität erlebter<br />
Konflikte<br />
Alltägliche<br />
Belastungen &<br />
Ärgernisse<br />
Widerstandsfähigkeit<br />
sinkt –<br />
Anfälligkeit für<br />
Konflikte steigt<br />
Chronischer Stress<br />
offen, aber unkontrolliert <strong>und</strong> ohne Filter aus (Anger-out),<br />
andere neigen dazu, den Ärger in sich hineinzufressen (Anger-in).<br />
Zur Frage der Ärgerbewältigung angesichts schwieriger<br />
Unterrichtssituationen wurde kürzlich am Institut für Medizinische<br />
Psychologie der Philipps-Universität Marburg eine<br />
wissenschaftliche Studie durchgeführt. Beide Strategien, den<br />
Ärger zu bewältigen, erwiesen sich dabei im Hinblick auf die<br />
psychische Ges<strong>und</strong>heit als ungünstig. Während die Strategie<br />
des Anger-in depressive Verstimmungen begünstigt, macht<br />
die Anger-out Strategie soziale Konflikte wahrscheinlicher.<br />
Beides fördert letztlich chronischen Stress <strong>und</strong> senkt die psychische<br />
Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen. Ein<br />
Teufelskreis ...<br />
■ Was wir von Elefanten lernen können<br />
Manche Kreaturen scheinen für den Umgang mit kleinen<br />
Ärgernissen besser ausgestattet als wir: Elefanten zum<br />
Beispiel haben eine dicke Haut. Auf uns Menschen trifft das<br />
leider nicht zu: Eine einzige, winzige Mücke, die uns Nachts<br />
als leise über Kopfkissen summender Blutsauger den Schlaf<br />
raubt, kann selbst den gutmütigsten Mitmenschen in eine<br />
wild fluchende „Kampfmaschine“ verwandeln. Wehe allen,<br />
die ihr oder ihm am nächsten Tag irgendwie „quer“ kommen!<br />
Die „Konfliktwahrscheinlichkeit“ liegt bei 80 Prozent.<br />
Wie würde es uns aber erst ergehen, wenn mehrere<br />
Dutzend unansehnlicher Käferclans, kribbelnder Krabbeltierchen<br />
<strong>und</strong> fluglärmender Fliegen um Augen <strong>und</strong> Ohren<br />
oder gar Schwärme sturzkämpfender Stechmücken unsere<br />
ständigen Begleiter wären? Das nämlich ist der Alltag des<br />
Elefanten. Wäre es da nicht allzu natürlich, spätestens nach<br />
36 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
wenigen St<strong>und</strong>en maximal angespannt, entnervt oder gereizt<br />
zu sein? Aber merkwürdigerweise strahlen Elefanten meist<br />
eine ruhige, gutmütige Gelassenheit aus, gepaart mit einer<br />
starken Portion Durchsetzungsfähigkeit. Nicht zuletzt, weil<br />
Elefanten das größte Gehirn aller Lebewesen haben, könnte<br />
es sich also lohnen zu fragen, wie den Elefanten dieses<br />
Kunststück gelingt. Die Antwort scheint fast zu einfach; sie<br />
heißt: Gemeinsame Hautpflege. Zugegeben, die Lotion aus<br />
Wasser <strong>und</strong> Erde mag nicht jedermanns Sache sein, aber sie<br />
gibt der Elefantenhaut einen hochwirksamen Schutz gegen<br />
die Widrigkeiten des Alltags. Dabei haben Elefanten die Erfahrung<br />
gemacht, dass die gegenseitige Hautpflege gemeinsam<br />
am besten gelingt. Doch beenden wir nun den Ausflug<br />
ins Reich der Tiere.<br />
Tatsächlich sind die Anlässe, im Schulalltag unter Druck<br />
<strong>und</strong> Anspannung zu geraten, sehr zahlreich. Manchen Belastungen<br />
kann man zwar ausweichen, andere können reduziert<br />
oder ganz ausgeschaltet werden. Andere lassen sich jedoch<br />
leider ebenso wenig vertreiben wie die nächtliche Stechmücke.<br />
Wie kann es nun gelingen, die innere Haut zu pflegen?<br />
Wie kann sie das psychische Wohlbefinden trotz beruflicher<br />
Belastungen wirksam <strong>und</strong> widerstandsfähig schützen?<br />
Glücklicherweise sind die Möglichkeiten hierfür ebenfalls<br />
zahlreich! Ein guter Weg, die innere Widerstandsfähigkeit<br />
aufzubauen, ist es, den chronischen Stress abzubauen. Doch<br />
wie kann das geschehen?<br />
■ Das Ges<strong>und</strong>heitsprogramm AGIL<br />
Zur Förderung der psychischen Ges<strong>und</strong>heit im Lehrerberuf<br />
wurde am Institut für Medizinische Psychologie der Phi-<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
lipps-Universität Marburg in Zusammenarbeit mit der psychosomatischen<br />
Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee, das<br />
Programm Arbeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit im Lehrerberuf (AGIL)<br />
entwickelt.<br />
Ziel des Programms ist es, kleine Gruppen von Lehrerinnen<br />
<strong>und</strong> Lehrern zusammenzubringen, um gemeinsam an<br />
der Frage zu arbeiten, wie chronischer Stress im Beruf abgebaut<br />
<strong>und</strong> das berufliche Wohlbefinden gesteigert werden<br />
kann.<br />
Dazu sollen verschiedenste Strategien zur Bewältigung<br />
unterschiedlicher Belastungen ausprobiert <strong>und</strong> eingeübt<br />
werden. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass jede/r<br />
Teilnehmer/in erfahrungsgemäß für eine Vielzahl an Belastungen<br />
bereits erfolgreiche Strategien zu deren Bewältigung<br />
einsetzt. Diese gilt es zunächst bewusst wahrzunehmen.<br />
Chronischer Stress entsteht immer dann, wenn für eine<br />
andere Belastung nicht die individuell passende Bewältigungsstrategie<br />
gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> eingesetzt werden kann. Mit<br />
anderen Worten: Der eine verfügt über Bewältigungsstrategien,<br />
die zum Abbau von chronischem Stress des anderen<br />
geeignet sein können – <strong>und</strong> umgekehrt. Durch eine häufig<br />
vorhandene „Einzelkämpfersituation“ im Lehrerberuf kann<br />
dieses Potential aber leider nur selten genutzt werden. Das<br />
AGIL-Programm möchte dieses Potential aufgreifen <strong>und</strong><br />
dafür einen strukturierten <strong>und</strong> professionellen Rahmen anbieten.<br />
Im Bild gesprochen: „Hautpflege“ gemeinsam betreiben.<br />
Das AGIL-Programm ist in sechs inhaltliche Module<br />
gegliedert: Basis-Modul, Achtsamkeits-Modul, Kognitions-<br />
Modul, Problemlöse-Modul, Modul zu Erholung <strong>und</strong> Krafttanken<br />
sowie Selbstmanagement-Modul. Wichtige Fragen,<br />
die gemeinsam erarbeitet werden, sind z.B:<br />
37
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
● Wie kann ich ein Frühwarnsystem gegenüber Stress auf-<br />
bauen?<br />
● Wie kann es mir gelingen, mich nach schwierigen Situationen<br />
emotional <strong>und</strong> gedanklich wieder davon zu lösen?<br />
● Welche Möglichkeiten gibt es, die gegenseitige Unterstützung<br />
zwischen Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen zu fördern?<br />
● Was könnte ein hilfreicher Umgang mit „schwierigen“<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen sein? Wie kann ich mit meinem<br />
Ärger umgehen?<br />
● Wie kann der Übergang von der „Arbeitswelt“ in meine<br />
„Erholungswelt“ gelingen?<br />
● Kann ich meinen Arbeitsstil noch optimieren, um mir<br />
z.B. Freiräume für Erholung zu schaffen?<br />
● Wie kann ich Einstellungen verändern, die mich unter<br />
Druck setzen?<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der individuell verschiedenen Belastungsbereiche<br />
werden Entlastungsmöglichkeiten entwickelt<br />
<strong>und</strong> auf ihre Alltagstauglichkeit durch Ausprobieren<br />
überprüft.<br />
Wenn Sie sich in der anfangs geschilderten Situation wiedergef<strong>und</strong>en<br />
haben, besteht die Chance an einem der AGIL-<br />
Kurse teilzunehmen. Ab Ende diesen Jahres wird eine (begrenzte)<br />
Anzahl von AGIL-Kursen angeboten. Sie werden<br />
von qualifizierten Diplom-Psychologen durchgeführt <strong>und</strong><br />
wissenschaftlich vom Institut für Medizinische Psychologie<br />
(Prof. Dr. Dr. Heinz-Dieter Basler) sowie der Arbeitsgruppe<br />
für klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie (Prof. Dr.<br />
Winfried Rief) der Philipps-Universität Marburg begleitet.<br />
Interessenten können sich gerne <strong>und</strong> unverbindlich an das<br />
Institut für Medizinische Psychologie wenden (Adresse unten).<br />
Und noch etwas: Haben Sie Interesse, mehr über Ihren<br />
Arbeitsstil <strong>und</strong> Ihr Selbstmanagement zu erfahren? Bis November<br />
2005 besteht im Rahmen einer wissenschaftlichen<br />
Studie die Möglichkeit dazu. Bei einer Teilnahme an der Fragebogenuntersuchung<br />
bekommen Sie eine detaillierte Rückmeldung<br />
zu verschiedensten Aspekten Ihres Arbeitsstils.<br />
Alle Teilnehmer dieser Studie erhalten diese Rückmeldung<br />
im Gegenwert von 30 Euro kostenfrei. Die Unterlagen schicken<br />
wir Ihnen gerne auf Anfrage zu.<br />
■ Kontakt<br />
Dirk Lehr<br />
Diplom-Psychologe<br />
Fachbereich Humanmedizin, Institut für Medizinische<br />
Psychologie<br />
Philipps-Universität Marburg<br />
Bunsenstr. 3<br />
D-35037 Marburg<br />
E-Mail: dirk.lehr@med.uni-marburg.de<br />
Tel: 06421-28-66250<br />
38 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
Mobbing in der Schulklasse<br />
Dass Mobbing in der Arbeitswelt zu Erkrankungen führen<br />
kann, weiß heutzutage jeder. Fast ebenso bekannt ist es,<br />
dass es Mobbing (als ein über Wochen <strong>und</strong> Monate anhaltendes<br />
Ausgrenzungsverhalten einer Mehrheit gegen immer<br />
den gleichen Einzelnen) in der Schulklasse gibt. Die Medien<br />
berichten bei spektakulären Vorkommnissen gern darüber.<br />
Aber das weit verbreitete alltägliche Mobbing in der<br />
<strong>Schule</strong> mit seinen Folgen wird häufig nicht als solches erkannt.<br />
Denn viele Lehrkräfte, Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sind<br />
der Ansicht, dass die Ausgegrenzten nicht Opfer von Mobbingprozessen<br />
seien, sondern durch ihr ungünstiges oder gar<br />
unerträgliches Verhalten ihre Lage selbst verschuldet hätten.<br />
Ganz selten nur wird durchschaut, dass es sich um einen<br />
Kreisprozess handelt, bei dem der Einzelne auf die Ausgrenzung<br />
der Mehrheit reagiert: Wenn eine Schülerin/ein Schüler<br />
von allen abgelehnt wird, sucht sie/er – ohne dass ihr/ihm<br />
dies ganz bewusst wäre – zum Beispiel nach Möglichkeiten,<br />
wahrgenommen <strong>und</strong> anerkannt zu werden.<br />
Ein Muster für Abwehrreaktionen ist die Selbstaufwertung,<br />
das Prahlen, wie es auch sonst unter Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
weit verbreitet ist. Ein Junge, der sich abgewertet<br />
fühlt, bringt deshalb Gegenstände mit, die gerade hoch im<br />
Kurs stehen, wie Gameboy oder MP3-Player. Oder er berichtet<br />
von tollen Erlebnissen, wahren oder erf<strong>und</strong>enen. Doch<br />
die Folge für den ausgegrenzten Schüler ist gerade nicht die<br />
gewünschte Anerkennung, die andere dafür durchaus bekommen,<br />
sondern Ablehnung. Dies wird damit begründet, dass er<br />
ja so furchtbar prahle. Manche versuchen auch die ersehnte<br />
Wertschätzung durch Clownereien zu erhalten – ebenfalls<br />
vergeblich: Aufmerksamkeit kriegen sie schon, Wertschätzung<br />
aber gerade nicht.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
Wenn ein Außenseiter in der Klasse keinen wohlwollenden<br />
Klassenkameraden findet, sucht er oftmals den Schutz<br />
<strong>und</strong> die Sympathie der Lehrkräfte. Dann sind sich die Mitschülerinnen<br />
<strong>und</strong> Mitschüler schnell einig, dass sich mit<br />
diesem „Schleimer“ niemand abgeben darf. (Andere Reaktionsmuster<br />
bei Ausgrenzung, Isolation, Hänseleien durch die<br />
Gruppe sind aggressive Abwehr oder Flucht der Betroffenen,<br />
wodurch sich ebenfalls die Antipathien in der Klasse gegen<br />
die Außenseiter noch verstärken.) Dass zuerst die Ausgrenzung<br />
kam <strong>und</strong> darauf erst das typische Verhalten folgte, wird<br />
nicht wahrgenommen, nicht von den Mitschülerinnen <strong>und</strong><br />
Mitschülern, nicht von den Lehrkräften.<br />
Manchmal hat sich das Abwehrverhalten der Mobbingopfer<br />
schon fast neurotisch festgesetzt. Wenn zum Beispiel<br />
ein Kind in der vierten Klasse der Gr<strong>und</strong>schule sich als Abwehrverhalten<br />
angewöhnt hat, sich bei Hänseleien in der<br />
Nähe der Lehrkraft aufzuhalten, kann es sein, dass es dieses<br />
Verhaltensmuster auch in der 5. Klasse der weiterführenden<br />
<strong>Schule</strong> beibehält, auch wenn noch gar keine Ausgrenzung<br />
vorliegt. Oft es ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis dieses<br />
Kind auch in der neuen Lerngruppe von den anderen abgelehnt<br />
wird.<br />
Es ist sehr schlimm für einen Schüler, eine Schülerin,<br />
nicht in die Gruppe der Gleichaltrigen aufgenommen zu<br />
werden. Denn auf dem Weg des Erwachsen-Werdens lösen<br />
sich die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen zum Teil von dem, was<br />
die Eltern für gut <strong>und</strong> richtig halten. Sie bevorzugen andere<br />
Normen, zum Beispiel in bezug auf Musik, Kleidung, Einschätzung<br />
der <strong>Schule</strong>, Wortwahl. Für diese Abgrenzung von<br />
der Welt der Erwachsenen erhalten sie kaum noch die Bestätigung<br />
der Eltern, aber dafür die notwendige Anerkennung<br />
von den Gleichaltrigen. Doch den Außenseitern wird nicht<br />
das übliche: „Du bist okay“ vermittelt, sondern ständig sig-<br />
39
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
nalisiert: „Du bist anders. Du bist nicht liebenswert. Du gehörst<br />
nicht zu uns.“ Das ist sehr schwer zu ertragen. Deshalb<br />
machen viele Mitläufer beim Mobbing engagiert mit, damit<br />
sie sicher auf der Seite der Mehrheit stehen <strong>und</strong> nicht selbst<br />
dem Psychoterror ausgesetzt sind.<br />
Denn es ist allen klar, dass jeder in die Position des Außenseiters<br />
geraten kann, nicht nur der, der besondere Auffälligkeiten<br />
vorweist.<br />
Die Frage ist, warum es überhaupt eine solche Ausgrenzung<br />
in Gruppen gibt. Aus der Psychologie wissen wir, dass<br />
damit bestimmte unbewusste Funktionen verb<strong>und</strong>en sind,<br />
die der Mehrheit von Nutzen sind. Zum Beispiel wird der<br />
Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt. Differenzen zwischen<br />
einzelnen Mitgliedern treten in den Hintergr<strong>und</strong>,<br />
wenn sich alle gegen den Außenseiter einig sind (Näheres<br />
siehe Literatur).<br />
Für die Mobbingopfer folgt daraus im Allgemeinen<br />
● eine Verringerung der Lebensfreude, nicht nur innerhalb<br />
der <strong>Schule</strong>,<br />
● eine Minderung der Leistungsfähigkeit,<br />
● nach einer langen Leidenszeit auch Krankheiten aus dem<br />
psychosomatischen Formenkreis, wie wir sie von den<br />
erwachsenen Mobbingopfern her kennen: z. B. Migräne,<br />
Magen-Darm-Störungen, Herzerkrankungen, aber auch<br />
rein psychische Erkrankungen wie Depressionen.<br />
Vielfach leiden auch Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die keineswegs<br />
Mobbingopfer sind, unter einem solchen Klassenklima.<br />
Manche leben in der ständigen Angst, sie könnten<br />
ebenfalls ausgegrenzt werden. Andere fühlen sich in ihrer<br />
Identität <strong>und</strong> ihrem Selbstwertgefühl gekränkt, weil sie ei-<br />
gentlich gegen dieses unsoziale Verhalten der Mehrheit sind,<br />
sich aber nicht durchsetzen können oder es entgegen ihrem<br />
Gewissen nicht wagen, sich auf die Seite des Opfers zu stellen.<br />
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Kinder für ihr<br />
ganzes Leben in der <strong>Schule</strong> lernen, was später in der Gesellschaft<br />
als Mangel an Zivilcourage beklagt wird.<br />
Wenn eine Lehrkraft ein solch diskriminierendes Verhalten<br />
ansprechen will, muss sie mit bestimmten Abwehrreaktionen<br />
rechnen: „Das ist doch nur Spaß“, sagt die Mehrheit.<br />
Oder: „Das wird doch mit jedem mal gemacht.“ Oder:<br />
„Der ist selber dran schuld. Sie müssten nur einmal erleben,<br />
wie der angibt (schleimt, petzt, spinnt etc.)“ Die Mobber<br />
wollen nicht wegen ihres Handelns angeklagt werden,<br />
sie wollen die (für die meisten günstige) Hierarchie in der<br />
Klasse nicht verändert haben. Die Opfer wollen nicht, dass<br />
dann ihre peinlichen Taten <strong>und</strong> Reden erneut vor allen zur<br />
Sprache gebracht werden. Ein schlechtes Gewissen hat die<br />
Mehrheit ohnehin nicht, weil Mobbingverhalten weit verbreitet<br />
ist <strong>und</strong> in den Medien auch oft zur Unterhaltung der<br />
Leser <strong>und</strong> Zuschauer vorgeführt wird – allerdings ohne es<br />
„Mobbing“ zu nennen.<br />
Welche Möglichkeiten haben die Lehrkräfte, bei Mobbing<br />
zu intervenieren? Im Wesentlichen sind es zwei:<br />
1. Für die ganze Klasse einen Prozess des sozialen Lernens<br />
in Gang zu setzen, denn Mobbing ist nicht als Problem<br />
des Ausgegrenzten zu sehen, sondern als ein Problem<br />
der Gruppe (systemische Sichtweise). Das geht nicht mit<br />
einfachem Ansprechen, weil das zu viele Widerstände<br />
hervorruft. Erst nachdem an verfremdeten Beispielen<br />
Verfahren <strong>und</strong> Folgen des Mobbings allen deutlich geworden<br />
sind, kann die Situation in der Klasse zum Thema<br />
gemacht werden. Voraussetzung dafür ist, dass das<br />
Mobbingopfer (bzw. seine Eltern) damit einverstanden<br />
sind.<br />
2. Mit verdeckten Interventionen die Position des Außenseiters<br />
in der Klasse verbessern. Das ist nur die zweitbeste<br />
Lösung, aber manchmal unumgänglich, weil das<br />
Mobbingopfer einer Thematisierung in der Klasse nicht<br />
zustimmt oder weil sich die Lehrkraft nicht im Stande<br />
sieht, soziale Lernprozesse in der Klasse zu initiieren.<br />
Die Konkretisierung der Verfahren kann hier aus Platzgründen<br />
nicht ausgeführt werden. Zum einen sei auf die Li-<br />
40 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
teratur verwiesen, zum anderen auf den Verein „Mobbing-<br />
Intervention <strong>und</strong> –Prävention in der <strong>Schule</strong> e. V.“, der es sich<br />
zum Ziel gesetzt hat, Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler im Kampf gegen Mobbing <strong>und</strong> Diskriminierung zu<br />
unterstützen (www.mobbing-in-der-schulklasse.de).<br />
Sinnvoll ist es auf jeden Fall, in Klassen, in denen es<br />
(noch) kein Mobbing gibt, Mobbing-Prävention zu betreiben.<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ab 12 Jahren sind schon in<br />
der Lage, die oben skizzierten gruppendynamischen Vorgänge<br />
zu verstehen <strong>und</strong> eigene Erfahrungen einzubringen.<br />
Mithilfe von Jugendliteratur, Rollenspiel, Szenischem Spiel<br />
nach Ingo Scheller <strong>und</strong> anderen Verfahren können Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche sich in die Opfer einfühlen, erkennen, was<br />
unbedachtes Sozialverhalten anrichten kann <strong>und</strong> sozial verantwortliches<br />
Handeln lernen.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
Karl Dambach<br />
■ Literatur<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
Karl E. Dambach, Mobbing in der Schulklasse, 2. Auflage,<br />
München 2002<br />
Karl E. Dambach, Zivilcourage lernen in der <strong>Schule</strong>, München<br />
2005<br />
Mobbing-Intervention <strong>und</strong> -Prävention in der <strong>Schule</strong> e.V.<br />
Postfach 1143<br />
61174 Karben<br />
Tel. 06039/1750<br />
E-Mail: karl.dambach@t-online.de<br />
41
„star“<br />
– stay together, act responsible<br />
Module zur Kompetenzförderung für Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler der 5. – 6. Klasse<br />
Entwickelt von der Fachgruppe für vernetzte<br />
Prävention<br />
In der Fachgruppe für vernetzte Prävention arbeiten mit<br />
der Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention, der Kreisjugendförderung,<br />
der AWO Beratungsstelle <strong>und</strong> mit Allerleirau die Träger<br />
präventiver Angebote für Jugendliche im Werra-Meißner-Kreises<br />
zusammen. Begleitet wird die Arbeit durch die<br />
Präventionslehrerin beim Staatlichen Schulamt. Ausgehend<br />
von gemeinsamen Gr<strong>und</strong>lagen in der Präventionsarbeit, der<br />
Persönlichkeitsentwicklung, der Stärkung der Lebenskompetenzen<br />
sowie sozialem Lernen wurden Angebote vernetzt<br />
<strong>und</strong> ein inhaltlich aufeinander abgestimmtes Modellprojekt<br />
für die Arbeit mit Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der Jahrgangsstufe<br />
5 <strong>und</strong> 6 <strong>und</strong> einer Laufzeit von zwei Jahren entwickelt.<br />
Präventionsarbeit verstehen die Träger als eine pädagogische<br />
Aufgabe mit dem Ziel, Kinder in ihrer Entwicklung<br />
zu unterstützen <strong>und</strong> kontinuierlich zu begleiten. Soziales<br />
Lernen, die Förderung von Lebens- <strong>und</strong> Alltagskompetenzen<br />
sowie die Stärkung einer selbstbestimmten Persönlichkeit<br />
stehen dabei im Vordergr<strong>und</strong>. Auf diese Weise kann<br />
möglichen Gefahren <strong>und</strong> Problemverhalten vorgebeugt <strong>und</strong><br />
entgegengewirkt werden.<br />
Um Phänomenen wie Gewalt, Drogen <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong>, sexuellem<br />
Missbrauch oder Rassismus wirkungsvoll begegnen<br />
zu können, sind dauerhafte <strong>und</strong> verlässliche Kooperationsformen<br />
<strong>und</strong> Netzwerke zwischen <strong>Schule</strong>n, Einrichtungen<br />
der Jugendhilfe <strong>und</strong> Beratungsstellen notwendig.<br />
Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit beinhaltet das Modellprojekt<br />
kontinuierliche Angebote über einen Zeitraum<br />
von zwei Schuljahren für Lehrkräfte, Schülerinnen, Schülern<br />
<strong>und</strong> deren Eltern sowie eine ausführliche Dokumentation.<br />
Als Zielgruppe wurde die Jahrgangsstufe 5/6 mit ihren<br />
Besonderheiten, insbesondere mit dem Übergang von der<br />
Gr<strong>und</strong>schule zu weiterführenden Schulformen <strong>und</strong> der damit<br />
verb<strong>und</strong>enen Neuorientierung ausgewählt. Im Sinne<br />
einer ganzheitlichen Ausrichtung greifen die vielfältigen<br />
Angebote die zentralen Themen dieser Entwicklungsphase<br />
wie Pubertät, Abnabelung vom Elternhaus <strong>und</strong> die Stellung<br />
in der Peer-Group auf.<br />
■ Bausteine des Projektes<br />
● Seminare zur Entwicklung einer Klassenkultur <strong>und</strong> zu<br />
individuellen Stärken in Form von externen Klassenfindungstagen.<br />
● Aktionstage an der <strong>Schule</strong> zur Entwicklung von Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Konfliktlösungskompetenzen<br />
● Zweitägige Module zur <strong>Sucht</strong>prävention <strong>und</strong> (sexualisierter)<br />
Gewalt<br />
● Ein sexualpädagogisches Modul<br />
● „Allgemeine Lebenskompetenzen <strong>und</strong> Fertigkeiten“<br />
(ALF), ein kontinuierliches Unterrichtsprogramm durch<br />
die Klassenlehrer<br />
● Ein medienpädagogisches Projekt für Schüler <strong>und</strong> El-<br />
42 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
tern<br />
● Elternarbeit zu verschiedenen Themen<br />
● Lehrerfortbildung zu verschiedenen Themen sowie Reflektionsmöglichkeiten<br />
● Task-Force – Professionelle Unterstützung in Krisensituationen<br />
Die Karlheinz-Böhm <strong>Schule</strong> Waldkappel <strong>und</strong> die Fachgruppe<br />
für vernetzte Prävention sind die aktuellen Kooperationspartner.<br />
Diese Kooperation wurde langfristig vorbereitet<br />
<strong>und</strong> mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 begonnen.
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Die LehrerInnen wurden inhaltlich <strong>und</strong> methodisch vorbereitet<br />
<strong>und</strong> werden während des Projektes fachlich begleitet.<br />
Für die Eltern fand schon am Übergang von der vierten zur<br />
fünften Klasse der erste Elternabend zum Projekt statt.<br />
Durch den Modelldurchlauf soll eine Implementierung<br />
im Landkreis erreicht werden. Weitere <strong>Schule</strong>n sollen angeregt<br />
werden, ihre Jahrgangsstufe 5/6 mit entsprechenden<br />
Angeboten zu ergänzen <strong>und</strong> sich der präventiven Ressourcen<br />
im Kreis zu bedienen.<br />
Ziel ist auch, die Vernetzung vorhandener Beratungsstellen<br />
<strong>und</strong> Jugendhilfeeinrichtungen, die im Bereich der Prävention<br />
arbeiten, voranzutreiben <strong>und</strong> damit eine Bündelung<br />
ganzheitlicher Angebote zu schaffen.<br />
■ Projektkoordination<br />
Fachstelle für <strong>Sucht</strong>prävention<br />
Harald Nolte<br />
Neuer Steinweg 9<br />
37269 Eschwege<br />
Tel.: 05651 / 76102<br />
URL: www.suchtpraevention-eschwege.de<br />
E-Mail: suchtpraevention@t-online.de<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
43
QiGong in der <strong>Schule</strong><br />
Ein umfassendes Konzept zur Ausbildung von<br />
Selbstkompetenz<br />
■ Ges<strong>und</strong>heit als Fähigkeit<br />
Seit vielen Jahren wird QiGong als präventive Maßnahme,<br />
aber auch als Therapie (besonders bei chronifizierten<br />
Krankheiten) eingesetzt – mit großem Erfolg. In vielen Studien<br />
ist die Wirksamkeit von QiGong belegt worden. Besondere<br />
Aufmerksamkeit verdient hier die Forschung an der<br />
Universität Oldenburg unter der Leitung von Prof. Dr. Bölts<br />
<strong>und</strong> Prof. Belschner (Projekt Traditionelle chinesische Heilmethoden<br />
<strong>und</strong> Heilkonzepte), die mit detailliert evaluierten<br />
Studien die Bedeutung des QiGong nachgewiesen haben.<br />
Die Ergebnisse, die für den schulischen Unterricht relevant<br />
sind, hat Johann Bölts in seinem Buch „Lernziel: Ges<strong>und</strong>heitskompetenz,<br />
Der Beitrag des QiGong zur zukunftsfähigen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsbildung in der <strong>Schule</strong>“ (Oldenburg 2003)<br />
zusammengefasst. Unter anderem aufgr<strong>und</strong> der Oldenburger<br />
Forschungsergebnisse hat die DAK QiGong-Kurse in ihren<br />
Leistungskatalog aufgenommen – unter der Voraussetzung,<br />
dass die Ausbildung der QiGong-Lehrkräfte genau definierten<br />
Richtlinien entspricht. Die meisten gesetzlichen Kassen<br />
erstatten mittlerweile ihren Mitgliedern ungefähr drei Viertel<br />
der Kurskosten.<br />
■ TCM – Traditionelle Chinesische Medizin<br />
Was manche westliche Mediziner <strong>und</strong> Hirnforscher<br />
derzeit besonders interessiert, nämlich die – jetzt auch experimentell<br />
nachzuweisende – verblüffende Verflochtenheit<br />
zwischen Körper <strong>und</strong> Bewusstsein/Geist/Psyche ist seit Jahrtausenden<br />
Basis der chinesischen Medizin.<br />
Allerdings beruht diese Medizin nicht auf wissenschaftlichen<br />
Experimenten <strong>und</strong> komplexen apparategestützten<br />
Messverfahren, sondern sie ist erwachsen aus einer Jahrtau-<br />
sende währenden empirischen Medizin, die auf Beobachtung<br />
<strong>und</strong> genaues praktisches Studium des Menschen setzt.<br />
Aus der genauen Beobachtung von Mensch <strong>und</strong> Natur<br />
ist ein Erklärungsmodell für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit entstanden,<br />
das uns Wege der Prävention, der Diagnose <strong>und</strong> der<br />
Heilung aufzeigen kann. Ges<strong>und</strong>heit wird hier einerseits als<br />
Zustand gesehen, andererseits aber auch als Fähigkeit, d.h.<br />
es ist jedem Einzelnen aufgegeben, Verantwortung für die<br />
eigene Ges<strong>und</strong>erhaltung zu übernehmen, Wissen über ges<strong>und</strong>heitsschädigende<br />
Einflüsse zu erlangen <strong>und</strong> Methoden<br />
kennen zu lernen, wie man sich ges<strong>und</strong> erhalten kann. Die<br />
TCM betont, wie wichtig Ernährung, ausreichender Schlaf,<br />
zufrieden stellende soziale Kontakte, ein ausgeglichenes<br />
Wesen, also ein angemessener Umgang mit Emotionen, aber<br />
auch moralische Werte für die Ges<strong>und</strong>heit sind.<br />
All dies wird hier als „Selbstkultivierung“ bezeichnet. Zu<br />
diesen Methoden der Ges<strong>und</strong>erhaltung gehört seit tausenden<br />
von Jahren auch das QiGong.<br />
■ Was ist QiGong?<br />
Der Begriff QiGong wurde im kommunistischen China<br />
der 50er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts geprägt <strong>und</strong> bedeutet<br />
so viel wie „stetige, konzentrierte Arbeit mit dem Qi (der<br />
Lebensenergie, dem Atem, der Vitalität)“. Die Übungen<br />
zur „Lebenspflege <strong>und</strong> Selbstkultivierung“ sind aber – wie<br />
schon erwähnt – sehr viel älter. Als frühester Beleg für solche<br />
lebenspflegenden Übungen gilt ein Seidentuch aus dem<br />
2. Jahrh<strong>und</strong>ert v. Ch. Es wurde in einem Grab in der Nähe<br />
von Changsha gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zeigt 44 Männer <strong>und</strong> Frauen,<br />
wie sie verschiedene Körperhaltungen einnehmen.<br />
44 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
In einem Text von Baopuzi, der auf<br />
das Jahr 320 datiert wird, taucht der Begriff<br />
des Qi zum ersten Mal in Zusammenhang<br />
mit vorbeugenden Übungen<br />
auf.<br />
Viele Übungen sind in philosophische<br />
Vorstellungswelten wie den Daoismus,<br />
den Buddhismus oder den Konfuzianismus<br />
eingebettet. Maos Bestreben<br />
war es, die Übungen von „solchen feudalistischen<br />
Beimengungen“ zu „säubern“<br />
<strong>und</strong> lediglich ihre ges<strong>und</strong> erhaltende<br />
Funktion herauszustellen. Während der<br />
Kulturrevolution wurden QiGong-Meister<br />
verfolgt <strong>und</strong> QiGong-<strong>Schule</strong>n geschlossen.In diesem<br />
Rahmen kann nicht näher auf die Entwicklung des QiGong<br />
in der Volksrepublik China eingegangen werden. Nur so<br />
viel: Nach der Öffnung Chinas gegenüber dem Westen – in<br />
den 70er Jahren – wurde das QiGong in vielen Varianten<br />
exportiert <strong>und</strong> inzwischen auch umfassend wissenschaftlich<br />
untersucht. Es gibt zwischen den jeweiligen Universitäten<br />
<strong>und</strong> Kliniken einen Austausch zwischen westlichen <strong>und</strong> chinesischen<br />
Medizinern.<br />
Hier soll nun die Frage gestellt werden, was das QiGong<br />
für die Verwendung in der <strong>Schule</strong> so interessant macht.<br />
■ QiGong in der <strong>Schule</strong><br />
QiGong beinhaltet einfache, schnell erlernbare Übungen,<br />
die sich doch gr<strong>und</strong>sätzlich von Gymnastik oder von<br />
traditionellen Atemübungen unterscheiden.<br />
Die Übungen sind – wie oben dargestellt – in einem umfassenden<br />
Rahmen zu begreifen – sie tragen zu der Entwicklung<br />
einer Selbstkompetenz bei <strong>und</strong> sprechen die gesamte<br />
Persönlichkeit an. Damit können sie dazu beitragen, die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auf ihrem Weg zur Selbstverantwortung<br />
für ihr eigenes Wohlbefinden zu begleiten. Sowohl<br />
in einigen <strong>Schule</strong>n in Nordrhein-Westfalen, als auch in Baden-Württemberg<br />
wurden längerfristig QiGong-Übungen in<br />
allen Altersstufen in den Unterricht integriert – mit überzeugendem<br />
Erfolg (vgl. Hofmann, Schöllhorn Literaturliste).<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
Nun mag eingewendet werden, dass<br />
dieser „Aufwand“ angesichts der zu bewältigenden<br />
Stofffülle nicht zu rechtfertigen<br />
sei. Wer sich mit der Neurophysiologie<br />
des Lernens beschäftigt hat, wird<br />
in den jüngsten Ergebnissen der Hirnforschung<br />
treffende Gründe finden, weshalb<br />
die wenigen Minuten der Sammlung <strong>und</strong><br />
Zentrierung, die den Geist beruhigen <strong>und</strong><br />
den Körper entspannen, gut investiert<br />
sind. Nicht nur die Konzentrationsfähigkeit<br />
der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler erhöht<br />
sich, sondern die erhöhte Sensibilisierung<br />
führt langfristig auch dazu, dass ihnen<br />
auffällt, wie viele Reize ständig auf sie<br />
einstürmen <strong>und</strong> wie wohltuend es ist, diese auch einmal auszuschalten<br />
oder zu reduzieren. Eine kontinuierliche Übungsdisziplin<br />
bewirkt, dass der Körper immer schneller in den<br />
Entspannungszustand „rutscht“.<br />
■ Einsatzmöglichkeiten von QiGong in der<br />
<strong>Schule</strong><br />
● Zur Rhythmisierung des Unterrichtes, Schaffung von<br />
„Entspannungsinseln“ im Fachunterricht, Einübung der<br />
Übungen in den Klassenst<strong>und</strong>en oder auch im Sportunterricht<br />
● Pausengestaltung<br />
● in Arbeitsgemeinschaften<br />
● als Methode des Stressmanagements <strong>und</strong> der Entspannung<br />
für Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer<br />
■ Beispiel aus einer 5. Klasse<br />
Zu Anfang des Schuljahres sah ich mich in meinem<br />
Unterricht einer ganz normalen Schar von quirligen, lebenslustigen<br />
Fünftklässlern gegenüber, die viel Enthusiasmus<br />
mitbrachten, die aber auch in unterschiedlicher Weise<br />
Schwierigkeiten hatten, dem Unterricht zu folgen: Unkonzentriertheit,<br />
Tagträumerei, Schwätzen, Wutausbrüche, geringe<br />
Frustrationstoleranz, Unlust, Stimmungsschwankungen.<br />
Ganz allmählich machte ich nun die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler mit einfachen QiGong-Übungen bekannt, was zu-<br />
45
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
nächst nur bedeutete, dass sie versuchten,<br />
eine Minute zu schweigen <strong>und</strong> auf ihren<br />
Atem zu achten, ohne ihn zu verändern. Sie<br />
setzten sich aufrecht hin, experimentierten<br />
damit, wie es sich anfühlte gerade zu sitzen,<br />
ohne ins Hohlkreuz zu fallen. Dann lernten<br />
sie in die Handflächen hineinzuspüren <strong>und</strong><br />
einfache Handhaltungen auszuprobieren.<br />
Mit der Zeit kamen komplexere Übungen<br />
dazu.<br />
Anfangs ließ ich die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler danach von ihren Wahrnehmungen<br />
berichten. Sie sprudelten ihre „Erlebnisse“<br />
hervor. Ich war erstaunt, wie differenziert<br />
die Empfindungen von einigen beschrieben<br />
werden konnten. Für andere bedeutete das<br />
stille Sitzen schon eine Qual – <strong>und</strong> das waren<br />
genau die Kinder, die im Unterricht besonders zerstreut<br />
waren <strong>und</strong> Konzentrationsmängel hatten.<br />
Je mehr jedoch die Übungen habitualisiert wurden <strong>und</strong> je<br />
mehr sich ein gewisses Ritual herausbildete, desto schneller<br />
kamen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüller zur inneren Ruhe. Inzwischen<br />
haben sie auch verschiedene Übungen im Stehen<br />
erlernt, wobei schon das Stehen eine Übung für sich ist, in<br />
der die Wirbelsäule erspürt wird, die Haltung des Kopfes<br />
wahrgenommen wird, die Handhaltung wichtig ist, die Art<br />
des Stehens Bedeutung hat etc. Selbstverständlich muss man<br />
als Unterrichtender sehr genau die ganze Gruppe im Blick<br />
haben, damit man eingreifen kann, sollte ein Kind Kreislaufprobleme<br />
o.ä. bekommen. Inzwischen unterrichte ich seit<br />
vielen Jahren QiGong <strong>und</strong> habe keinerlei ungünstige Nebenwirkungen<br />
feststellen können. Nach den Übungen sind die<br />
Kinder viel aufnahmebereiter <strong>und</strong> es herrscht eine „himmlische<br />
Ruhe“. Vor den Klassenarbeiten bewirken die Übungen,<br />
dass die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler ihre Anspannung wahrnehmen<br />
<strong>und</strong> sie selbständig lösen lernen.<br />
■ Wirkungen der QiGong-Übungen<br />
Durch das stetige Üben von QiGong wird die Selbstwahrnehmung<br />
geschärft. Anspannung wird erspürt <strong>und</strong> kann<br />
vom Übenden selbst gelöst werden. Auch das Atmen wird<br />
als Möglichkeit erlebt, sich selbst zur Ruhe kommen zu lassen.<br />
Der selbsttägige Umgang mit Anspannung wird auch<br />
dadurch erleichtert, dass die Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler merken, wie unnötig viel Kraft<br />
sie oft einsetzen. Sie lernen, die Übungen<br />
immer „gelöster“ zu machen. Da die Übungen<br />
immer durch die innere Wahrnehmung<br />
begleitet werden <strong>und</strong> da mit Vorstellungsbildern<br />
gearbeitet wird, werden auch die<br />
Emotionen angesprochen.<br />
Dadurch, dass die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler Verfahren lernen, sich selbst<br />
besser wahrzunehmen <strong>und</strong> Spannungen<br />
selbstständig zu lösen, gewinnen sie Einflussmöglichkeiten,<br />
<strong>und</strong> dies führt zur<br />
Stressreduktion (vgl. Spitzer S. 168). Dies<br />
lässt sich auch empirisch nachweisen.<br />
Unter anderem hat man in Studien festgestellt,<br />
dass QiGong-Übungen die Dopaminfreisetzung fördern.<br />
„Die Dopaminfreisetzung direkt im Kortex kann zu einer<br />
besseren Klarheit des Denkens führen.“ (Spitzer, a.a.O.,<br />
S. 77)<br />
Die differenzierte Selbstwahrnehmung hat zur Folge,<br />
dass die SchülerInnen gerade dadurch, dass sie genauer auf<br />
sich hören, auch besser merken, was ihnen gut tut <strong>und</strong> was<br />
nicht. Hier ist auch die Bedeutung des QiGong in der <strong>Sucht</strong>prävention<br />
zu sehen. Wer intensiv in seinen Körper hineinspürt,<br />
der merkt auch besser, wie unangenehm das Rauchen<br />
ist, wie der Körper sich wehrt. Wer diese Abneigung deutlich<br />
körperlich wahrnimmt, wird eher vom Rauchen Abstand<br />
nehmen. Insofern kann QiGong in der Primärprävention<br />
ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen (wie auch in der<br />
Raucherentwöhnung) (Kaltwasser, 2002/2005).<br />
Die von der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation geforderte Entwicklung<br />
von ges<strong>und</strong>heitsfördernder Alltagskompetenz als<br />
Ziel von Ges<strong>und</strong>heitsbildung weist laut Prof.Belschner insofern<br />
auf das QiGong hin, „als dass mit dieser Methode aus<br />
der chinesischen Kultur möglicherweise ein Konzept vorhanden<br />
ist, das vielfältige Anforderungen künftiger Strategien<br />
zur individuellen Ges<strong>und</strong>heitsförderung erfüllen kann.“<br />
(zit. nach Bölts, 2003, a.a.O. S.200)<br />
Vera Kaltwasser<br />
www.vera-kaltwasser.de<br />
46 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
■ Literatur<br />
● Belschner, W. (1998). 18 Ges<strong>und</strong>heitsförderliche Komponenten<br />
im QiGong, in: Hildenbrand,G., Das Qi Kultivieren,<br />
Oldenburg 1998<br />
● Bölts, J., (2003) Lernziel Ges<strong>und</strong>heitskompetenz, Oldenburg<br />
2003<br />
● Hofmann, H.,(2000) QiGong, Eine Hilfe zur Wiederherstellung<br />
der Lernfähigkeit <strong>und</strong> positiver Lernbedingungen<br />
in der <strong>Schule</strong>, Oldenburg 2000<br />
● Hüther, G., (2001), Bedienungsanleitung für ein menschliches<br />
Gehirn, Göttingen 2001<br />
Kommunikation mit<br />
sich selbst<br />
Interaktionsregel<br />
Selbstständigkeit<br />
Eigenzeit<br />
Reflexion des<br />
Lebenskonzeptes<br />
Differenziertes, ichnahes<br />
Körperbild<br />
Liebevoller Umgang<br />
mit dem Körper<br />
Modulation von An<strong>und</strong><br />
Entspannung<br />
Entdeckung der<br />
Semantik des Leibes<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
Imaginatives<br />
Verfahren<br />
������<br />
Aufbau positiver<br />
Gr<strong>und</strong>stimmung<br />
18 Ges<strong>und</strong>heitsförderliche Komponenten im QiGong (Belschner 1998)<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
● Kaltwasser, V.,(2002/05) Der sanfte Weg zum Nicht-<br />
Rauchen, Freiburg 2002, Neuauflage Knaur Dez.2005<br />
(mit einem ausführlichen Kapitel über QiGong <strong>und</strong> Darstellung<br />
der Fünf-Elemente-Übungen) (www.vera-kaltwasser.de)<br />
● Schöllhorn, Ch.(2003), QiGong in der <strong>Schule</strong>, Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Chancen, in: QiGong für Einsteiger, Frank<br />
Aichlseder (Hrsg), Hamburg 2003<br />
● Spitzer, M.(2002) Lernen, Gehirnforschung <strong>und</strong> die<br />
<strong>Schule</strong> des Lebens, Berlin 2002<br />
Sensibilisierung für<br />
energetische<br />
Prozesse<br />
Förderung von<br />
Kohärenz<br />
Mediation<br />
Soziale Integration<br />
Eigenaktivität<br />
Selbstbehandlung<br />
Öffnung für<br />
transpersonale<br />
Dimensionen<br />
Willensstärke<br />
Erlaubnis zur<br />
Angemessenheit<br />
47
Regional-biologische<br />
Schulverpflegung – Neue Ansätze<br />
Informationen über ein modellhaftes<br />
Kooperationsprojekt des Umweltzentrums<br />
Licherode mit dem Amt für Lehrerbildung AfL<br />
Von 2004 bis 2007 führt das Ökologische Schullandheim<br />
Licherode gemeinsam mit der Uni Kassel im Auftrag des<br />
B<strong>und</strong>esministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung <strong>und</strong><br />
Landwirtschaft das Modellvorhaben „Regional-ökologische<br />
Schulverpflegung“ durch. Konkrete Aufgaben sind die Entwicklung<br />
eines regionalen Versorgungsnetzes <strong>und</strong> die Erarbeitung<br />
<strong>und</strong> Erprobung eines konkreten Maßnahmenkatalogs<br />
für die Einführung regionaler Biokost an Ganztagsschulen.<br />
Das ÖSTLi begleitet in diesem Zusammenhang ausgesuchte<br />
Modellschulen im Schwalm-Eder-Kreis <strong>und</strong> unterstützt<br />
sie mit einem fünfköpfigen Beratungsteam u. a. durch<br />
folgende Maßnahmen:<br />
■ Konzipierung <strong>und</strong> Durchführung der umweltpädagogischen<br />
Bildungseinheit „Besser-Esser-Woche“ mit dem<br />
kindgerechten Zertifikat „Besser-Esser-Pass“<br />
■ Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen für das<br />
Lehrerkollegium<br />
■ Durchführung von Informationsabenden für die Eltern-<br />
schaft<br />
■ Konkrete Beratung der Schulleitung, der Schulküche<br />
bzw. des Öko-Caterers in Fragen der Betriebswirtschaft,<br />
der Hygiene, der Speiseplangestaltung etc.<br />
■ Arbeitsschwerpunkte <strong>und</strong> Vorgehensweise<br />
Nach einer umfangreichen Recherchephase hat das<br />
Projektteam des Ökologischen Schullandheims Licherode<br />
konkrete Maßnahmen <strong>und</strong> Projekte zur Begleitung der<br />
Einführung regional-biologischer Kost an Ganztagsschulen<br />
entwickelt. Schwerpunkt ist eine pädagogische Projektwoche,<br />
die sich aus Stationsarbeiten zum Thema „Ges<strong>und</strong>e Ernährung“,<br />
der Erk<strong>und</strong>ung eines Biohofes <strong>und</strong> der gemeinsamen<br />
Zubereitung eines „Öko-Essens“ zusammensetzt; am<br />
Ende der Woche erhalten die Schulkinder den „Besser-Esser-Pass“,<br />
der gleichzeitig die „Eintrittskarte“ für das neu<br />
eingeführte, regional-biologische <strong>Schule</strong>ssen darstellt. Als<br />
weitere Bestandteile des Maßnahmenkatalogs wurden handlungsorientierte<br />
<strong>und</strong> abwechslungsreiche Informations- <strong>und</strong><br />
Fortbildungsveranstaltungen für Eltern- <strong>und</strong> Lehrerschaft<br />
konzipiert.<br />
48 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
Mit Hilfe der Schulverwaltung des Schwalm-Eder-Kreises<br />
wurde die Eckhard-Vonholdt-<strong>Schule</strong> (EVS) in Schwalmstadt<br />
als erste Modellschule ausgesucht. Nach mehreren aufwändigen<br />
Projektpräsentationen konnten Lehrerkonferenz,<br />
Elternbeirat <strong>und</strong> Schulkonferenz für das Projekt gewonnen<br />
werden. Das Team des Schullandheims hat die Besser-Esser-<br />
Woche mit insgesamt sieben Klassen sehr erfolgreich durchgeführt<br />
<strong>und</strong> zudem mehrere Elternabende veranstaltet.<br />
Die EVS hat mittlerweile beschlossen, die „Besser-Esser-Woche“<br />
zukünftig mit allen dritten Klassen eigenständig<br />
durchzuführen <strong>und</strong> den „Besser-Esser-Pass“<br />
fest im Schulprogramm zu verankern. Parallel zu den<br />
genannten Aktionen wurde die regional-biologische<br />
Umstellung der Schulverpflegung an der EVS durch<br />
Beratungsgespräche mit einer regionalen Versorgungsküche<br />
vorbereitet. Seit August 2004 wird die Schulverpflegung<br />
an der ersten Modellschule schrittweise auf<br />
regional-biologischen Bezug umgestellt, der Bioanteil<br />
schwankt zwischen 50% <strong>und</strong> 80%.<br />
■ Evaluierung <strong>und</strong> Verbreitung der Projektergebnisse<br />
Die „Besser-Esser-Wochen“ wurden von der Universität<br />
Kassel im Rahmen einer Diplomarbeit evaluiert,<br />
ihre Wirksamkeit konnte überzeugend nachgewiesen<br />
werden. In einem weiteren Projektschritt soll das<br />
Gesamtkonzept nun an der Gustav-Heinemann-<strong>Schule</strong>,<br />
einer Gesamtschule in Borken, ein zweites Mal durchgeführt<br />
werden. Die „Besser-Esser-Wochen“ werden diesmal<br />
mit sechsten Klassen durchgeführt, hierzu wird zur Zeit eine<br />
altersangemessene, anspruchsvollere Version erarbeitet <strong>und</strong><br />
erprobt. Erst nach diesem weiteren Testlauf unter geänderten<br />
<strong>und</strong> wohl auch schwierigeren Rahmenbedingungen kann die<br />
Übertragung <strong>und</strong> Verbreitung der Projektergebnisse forciert<br />
werden.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDHEIT 2005<br />
■ Innovation des Ansatzes gegenüber herkömmlichen<br />
Strategien<br />
Der Projektansatz des Ökologischen Schullandheims<br />
zielt darauf, an <strong>Schule</strong>n mit Ganztagsangeboten ein gr<strong>und</strong>legend<br />
positives Klima für die Einführung einer regionalbiologischen<br />
Schulverpflegung zu schaffen. Das Bündel<br />
vielschichtiger Maßnahmen (pädagogische Projektwochen,<br />
fachliche Beratung, Elternaufklärung, Schulfeste<br />
etc.) zielt darauf, die ganze „Schulfamilie“ auf den Weg<br />
zur regional-biologischen Schulverpflegung mitzunehmen.<br />
Diese langfristig angelegte „Prozessorientierung“<br />
unterscheidet den Ansatz gr<strong>und</strong>legend von vielen herkömmlichen<br />
Aktionen („Bio-Food-Truck“, Ausstellung<br />
„Ökolandbau“ etc.), die oft lediglich punktuelle <strong>und</strong><br />
kurzfristige Wirkungen entfalten können.<br />
Mit der „Besser-Esser-Woche“ liegt zudem ein<br />
hochwirksames Instrument vor, das die Themen „Ökologischer<br />
Landbau“ <strong>und</strong> „Ges<strong>und</strong>e Ernährung“ kindgerecht<br />
<strong>und</strong> anschaulich miteinander verknüpft. So könnte<br />
es gelingen, zeitgemäße Konzepte der Umweltbildung<br />
(ganzheitliche Ausrichtung, Berücksichtigung der<br />
Nachhaltigkeit, Zertifizierung) besser als bisher in den<br />
Prozess der Ernährungsumstellung an Ganztagsschulen<br />
einzubringen. Entscheidend ist dabei die dauerhafte<br />
Verankerung dieses Instruments im Schulprogramm<br />
<strong>und</strong> somit im Schulleben.<br />
■ Übertragbarkeit der Projektergebnisse<br />
Es hat sich schnell gezeigt, dass die Übertragbarkeit des<br />
aufwändigen Beratungskonzeptes auf andere <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong><br />
Regionen nicht allein, wie ursprünglich vorgesehen, über<br />
einen schriftlichen Leitfaden zu leisten ist. Das Projektteam<br />
„Regional-biologische Schulverpflegung“ sieht zwei An-<br />
49
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
sätze für die Wissensübertragung, die im weiteren Projektverlauf<br />
weiter verfolgt werden sollen. Die optimale Lösung<br />
wären die Einrichtung regionaler Beratungsgruppen, die,<br />
ähnlich wie die sechsköpfige Projektgruppe des Ökologischen<br />
Schullandheims, umstellungsbereite <strong>Schule</strong>n fachlich<br />
<strong>und</strong> organisatorisch beraten <strong>und</strong> vor allem mit pädagogischen<br />
Aktionen begleiten. Die Ergebnisse des Projekts „Regionalbiologische<br />
Schulverpflegung“ können eine gute Basis für<br />
die Arbeit solcher externer Beratungsgruppen liefern.<br />
Das Problem liegt hier natürlich in der Finanzierung. Daher<br />
wurde in der Modellregion „Schwalm-Eder-Kreis“ eine<br />
„Regionale Plattform Ges<strong>und</strong>e <strong>Schule</strong>rnährung“ initiiert, in<br />
die alle gesellschaftlich relevanten Gruppen eingeb<strong>und</strong>en<br />
sind <strong>und</strong> in der gemeinsam nach Finanzierungswegen für<br />
solche Beratungsleistungen gesucht wird.<br />
Weniger optimal, aber immer noch Erfolg versprechender<br />
als punktuelle Aktionen oder schriftliche Leitfäden wäre<br />
die Stärkung <strong>und</strong> Nutzung schulinterner Kompetenzen für<br />
die Begleitung des Umstellungsprozesses. Hierzu wäre es<br />
notwendig, besonders engagierte Lehrkräfte durch gezielte<br />
Qualifizierungs- <strong>und</strong> Fortbildungsmaßnahmen in die Lage<br />
zu versetzen, z. B. die „Besser-Esser-Woche“ an der <strong>Schule</strong><br />
durchzuführen <strong>und</strong> den „Besser-Esser-Pass“ fest im Schulprogramm<br />
zu verankern. Als zentrales Problem wird sich<br />
in diesem Zusammenhang einmal mehr zeigen, dass gerade<br />
Lehrkräfte mit hoher Engagementbereitschaft meist „bis<br />
über die Ohren mit Arbeit zugeschüttet“ sind. Dennoch sollen<br />
in Kooperation mit dem Hessischen Amt für Lehrerbildung<br />
(AfL) im kommenden Schuljahr entsprechende Qualifizierungsseminare<br />
angeboten <strong>und</strong> erprobt werden.<br />
■ Nähere Infos:<br />
Ökologisches Schullandheim Licherode<br />
Zentrum für praxisnahe Umweltbildung<br />
Lindenstraße 14, 36211 Alheim<br />
Tel. 05664 / 9486-0 Fax 05664 / 9486-40<br />
E-Mail: oekonetz.licherode@t-online.de<br />
Internet: www.oekonetz-licherode.de<br />
Klaus Adamaschek<br />
50 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
Trendgetränke – was ist dran, was<br />
ist drin?<br />
Verbraucherzentrale startet die „Mach-Bar-Tour“<br />
für hessische <strong>Schule</strong>n<br />
„Trendgetränke bieten Energie, Lifestyle, Fitness, Imagegewinn<br />
...“. So suggeriert es die Werbung für Energydrinks,<br />
Sport- <strong>und</strong> Isogetränke sowie Alcopops, die offensichtlich<br />
gerade Jugendliche <strong>und</strong> auch Kinder anspricht. Doch die<br />
Mixturen aus Wasser, diversen Süßungsmitteln, Zusatzstoffen<br />
<strong>und</strong> zusätzlich werbewirksamen Substanzen wie Guarana,<br />
Koffein oder Alkohol halten nicht, was sie versprechen.<br />
Sie sind keine geeigneten Durstlöscher <strong>und</strong> entpuppen sich<br />
in einigen Fällen sogar als potenziell ges<strong>und</strong>heitsschädlich.<br />
Die Mach-Bar-Tour der Verbraucherzentrale <strong>Hessen</strong><br />
greift dieses Thema auf. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler der Klassen<br />
7 bis 10 erarbeiten <strong>und</strong> erfahren an fünf Stationen alles<br />
über Trendgetränke. So werden ges<strong>und</strong>heitsrelevante Faktoren<br />
wie Zusammensetzung <strong>und</strong> sinnvolle Alternativen,<br />
Werbestrategien, Umweltverträglichkeit <strong>und</strong> Gebrauchseigenschaften<br />
der Verpackungen erlebnisnah <strong>und</strong> interaktiv<br />
vermittelt.<br />
Im Jahr 2004 nahmen bereits 14 <strong>Schule</strong>n mit r<strong>und</strong> 350<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern das interaktive Angebot war.<br />
● An der Kost-Bar verkosten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
Trendgetränke <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mixgetränke. Der Aha-Effekt<br />
ist dann, dass die ges<strong>und</strong>en Mischgetränke, die an<br />
der Bar selbst hergestellt werden, meist sogar besser<br />
schmecken.<br />
● An der Denk-Bar vergleichen <strong>und</strong> bewerten die Jugendlichen<br />
die Inhaltsstoffe von Trendgetränken <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en<br />
Alternativen. Sie sollen hier erkennen, dass die „designten“<br />
Getränke mit vielen künstlichen Inhaltsstoffen oder<br />
gar Alkohol als Durstlöscher <strong>und</strong> Fitmacher ungeeignet<br />
sind.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
● An der W<strong>und</strong>er-Bar werden die Werbestrategien der<br />
Anbieter analysiert <strong>und</strong> ein pfiffiges Werbekonzept für<br />
ihr eigenes Mixgetränk entwickelt. Auch ein „uncooles“<br />
ges<strong>und</strong>es Getränk kann hier zum Trendgetränk werden,<br />
wenn die Verpackung <strong>und</strong> das Image stimmen.<br />
● An der Nutz-Bar werden die Verpackungen diverser Getränke<br />
unter dem Aspekt von Umwelt- <strong>und</strong> Gebrauchseigenschaften<br />
bewertet. Hier erfahren die Jugendlichen<br />
z.B., dass eine Dose 10-mal mehr zur Klimaerwärmung<br />
beiträgt als eine Plastikmehrwegflasche <strong>und</strong> die Trinkflasche<br />
oder „Travel-Cup“ der Umwelttipp für unterwegs<br />
ist.<br />
Zum Abschluss werden die Gruppenergebnisse aus den<br />
einzelnen Bars präsentiert <strong>und</strong> die zentralen Botschaften diskutiert.<br />
■ Kontakt<br />
<strong>Schule</strong>n, die sich für die Teilnahme an der Mach-Bar-<br />
Tour interessieren, wenden sich an:<br />
Verbraucherzentrale <strong>Hessen</strong><br />
Tel.: 069 - 97 20 10 42<br />
E-Mail: ernaehrung@verbraucher.de<br />
51
Wissen wo das Essen her kommt!<br />
Bauernhof als Klassenzimmer – Hoferk<strong>und</strong>ungen<br />
als Beitrag zur Beschäftigung mit dem Thema<br />
bewusste Ernährung<br />
Immerhin 30% der Kinder in Deutschland haben bei einer<br />
Untersuchung der Universität Marburg auf die Frage:<br />
Welche Farbe hat die Kuh? Lila geantwortet. Die Farbe von<br />
Enten ist – entsprechend dem Kinderfernsehen – gelb. Die<br />
Lieblingssüßigkeit der Kinder ist Schokolade, weniger als<br />
10 % wissen wie eine Kakaobohne aussieht.<br />
Diese Reihe von Beispielen lässt sich beliebig verlängern<br />
<strong>und</strong> drückt letztlich aus, dass Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
heute so gut wie keinen Einblick mehr in die Herkunft der<br />
Lebensmittel als landwirtschaftliche Produkte haben. Viele<br />
der über 16 jährigen können außer der Zubereitung von vorgefertigten<br />
Gerichten nach Anleitung auf der Packung nicht<br />
kochen, also keine Nahrung aus frischen Produkten herstellen.<br />
Kenntnis über die Herkunft, die Erzeugungsbedingungen<br />
von Lebensmitteln sind aber eine wichtige Vorraussetzung<br />
für eine bewusste, selbstbestimmte Ernährung. Nur so<br />
lernen junge Menschen den Geschmack der Rohprodukte<br />
kennen, erhalten Einblicke in differenzierte Geschmacksrichtungen<br />
<strong>und</strong> damit letztendlich auch sich bewusst für<br />
oder gegen Nahrungsbestandteile zu entscheiden.<br />
Gemeinsam haben Hessischer Bauernverband, Umweltministerium<br />
<strong>und</strong> die Lehrerbildung in den vergangenen<br />
Jahren ein Programm entwickelt, bei dem Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler hessische Bauernhöfe erk<strong>und</strong>en können <strong>und</strong> systematische<br />
<strong>und</strong> authentische Einblicke in die Erzeugung von<br />
Lebensmitteln in <strong>Hessen</strong> bekommen. Unterstützt durch einen<br />
umfangreichen Materialordner mit Handreichungen für<br />
den Unterricht, Planungsunterlagen für die Hoferk<strong>und</strong>ungen<br />
<strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong>informationen, können Lehrerinnen <strong>und</strong><br />
Lehrer mit ihren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern konkrete Tage<br />
auf Bauernhöfen planen <strong>und</strong> diese in den Unterricht einbinden.<br />
Die Herstellung <strong>und</strong> das anschließende Essen von Gerichten<br />
aus frischen Produkten, deren Weg die Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler unmittelbar verfolgen können, gehören ebenso<br />
dazu wie die Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen<br />
der Landwirtschaft in <strong>Hessen</strong>.<br />
Da auch Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer häufig den Kontakt zur<br />
Landwirtschaft verloren haben <strong>und</strong>, wie eine Evaluation der<br />
ersten Projektjahre gezeigt hat, große Unsicherheit bei der<br />
Planung solcher Exkursionen <strong>und</strong> Unterrichtsgänge bestehen,<br />
haben die Projektpartner in den letzen Jahren thematische<br />
Hoferk<strong>und</strong>ungstage auch für hessische Lehrerinnen<br />
<strong>und</strong> Lehrer durchgeführt. Sie erhielten dabei Einblicke in<br />
die Erzeugung von Milch, Fleisch <strong>und</strong> Gemüse <strong>und</strong> konnten<br />
sich über die Direktvermarktung, einer Möglichkeit des<br />
direkten Kontaktes zwischen Erzeuger <strong>und</strong> Verbraucher, informieren.<br />
Ebenso wie bei den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern war auch<br />
bei vielen Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern Erstaunen über den geschmacklichen<br />
Unterschied frischer Produkte zu beobachten.<br />
Der nächste Lehrerkongress zu diesem Thema ist für<br />
November in Fulda geplant. Die Aktion hat inzwischen b<strong>und</strong>esweite<br />
Nachahmung gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> so wurde der b<strong>und</strong>esweite<br />
Auftakt von Bauernhof als Klassenzimmer 29.6.2005<br />
in Wächtersbach (Main-Kinzig-Kreis) gefeiert. Insgesamt 8<br />
Schulklassen aus der Region erk<strong>und</strong>eten an diesem Tag an<br />
verschiedenen Stationen landwirtschaftliche Betriebe.<br />
Auch in <strong>Hessen</strong> wird Bauernhof als Klassenzimmer weitergeführt.<br />
Interessierte <strong>Schule</strong>n können sich an die regionalen<br />
Bauernverbände oder auch an das Hessische Ministerium<br />
für Umwelt, ländlichen Raum <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
wenden.<br />
http://www.hmulv.hessen.de/laendlicher_raum/bildung/<br />
klassenzimmer/<br />
52 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE
Deutsche Krebsgesellschaft e.V.<br />
Die Hessische Krebsgesellschaft e.V. mit Sitz in Marburg<br />
ist eine Vereinigung von Krebsspezialisten, Betroffenen <strong>und</strong><br />
Interessierten. Ziel der Gesellschaft ist die Bekämpfung der<br />
Krebserkrankungen im B<strong>und</strong>esland <strong>Hessen</strong>. Neben der Unterstützung<br />
von Betroffenen <strong>und</strong> deren Angehörigen bemüht<br />
sie sich um Aufklärung der Bevölkerung über Möglichkeiten<br />
der Krebsfrüherkennung <strong>und</strong> immer mehr auch der Krebsvermeidung,<br />
der sogenannten (primären) Krebsprävention.<br />
Schon lange ist bekannt, dass Rauchen die Hauptursache<br />
von Krebserkrankungen ist. Mindestens 30 % aller Krebserkrankungen<br />
sind direkt darauf zurückzuführen. Der Zigarettenrauch<br />
enthält etwa 3.500 verschiedene Substanzen, von<br />
denen ca. 200 als giftig <strong>und</strong> etwa 60 als kanzerogen, also<br />
krebserregend identifiziert sind. Dazu gehören u.a. Benzpyrene,<br />
Quecksilber, Acrylamid, Nitrosamine, radioakives Polonium<br />
<strong>und</strong> Formaldehyd.<br />
Wird der Rauch inhaliert, gelangen diese Substanzen<br />
über die M<strong>und</strong>höhle <strong>und</strong> die Bronchien in die Lunge, genauer<br />
gesagt in die Lungenbläschen, deren Oberfläche etwa so<br />
groß wie ein Tennisfeld ist. Ein Raucher, der eine Schachtel<br />
Zigaretten pro Tag raucht, verteilt so jährlich eine Tasse Teer<br />
in seiner Lunge. Der Rauch „verklebt“ dort die Schleimhäute<br />
<strong>und</strong> blockiert dadurch den Selbstreinigungsmechanismus<br />
der Lunge. Die giftigen <strong>und</strong> kanzerogenen Substanzen können<br />
damit einerseits auf dem Weg zu den Lungenbläschen<br />
besonders lange direkt auf die Schleimhäute, mit denen sie<br />
Kontakt haben (M<strong>und</strong>höhle, Kehlkopf, Lunge, Speiseröhre,<br />
Magen), einwirken. Andererseits werden sie von dort über<br />
das Blut im ganzen Körper verteilt <strong>und</strong> können dadurch bösartige<br />
Veränderungen in fast allen Organen des Körpers hervorrufen.<br />
WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE<br />
Der Lungen- oder Bronchialkrebs ist die wohl bekannteste<br />
durch Rauchen bedingte Krebserkrankung, wobei hier<br />
eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung vorliegt. Die nächst<br />
häufigeren bösartigen Erkrankungen sind die der M<strong>und</strong>höhle,<br />
des Kehlkopfes, der Speiseröhre <strong>und</strong> des Magens. 60<br />
– 95% aller malignen Erkrankungen in diesen Organen sind<br />
durch das Rauchen bedingt. Dabei potenziert der „Genuss“<br />
von v.a. hochprozentigem Alkohol das Risiko. Anders ausgedrückt:<br />
Alkohol trinkende Raucher (20 Zig. tgl. <strong>und</strong> mehr)<br />
haben ein ca. 30faches Risiko.<br />
Allgemein weniger bekannt, aber dennoch nachgewiesen<br />
ist die Assoziation von Rauchen <strong>und</strong> Krebs der Bauchspeicheldrüse<br />
(Faktor 5 bei mehr als 40 Zigaretten pro Tag), Niere<br />
<strong>und</strong> Harnblase (Faktor 3; d.h. 40% dieser Tumore sind<br />
auf Zigarettenkonsum zurückzuführen, durch Ausscheidung<br />
von Kanzerogenen über den Urin), Gebärmutterhals (Faktor<br />
2; d.h. 30% sind durchs Rauchen mitbedingt) <strong>und</strong> bei der<br />
Leukämie (Faktor 1.4; d.h. 15% sind aufs Rauchen zurückzuführen).<br />
In Anbetracht dieser Fakten ist es besonders erschreckend<br />
festzustellen, dass trotzdem Jugendliche <strong>und</strong> sogar Kinder<br />
immer häufiger <strong>und</strong> immer früher mit dem Rauchen beginnen,<br />
wie die neueste Drogenaffinitätsstudie zeigt. Gleichzeitig<br />
wissen wir, dass das Aufhören später um so schwerer fällt,<br />
je früher der oder die Betroffene angefangen hat. Das liegt<br />
wohl u.a. daran, dass Nikotin, also die eigentliche suchterzeugende<br />
Substanz im Zigarettenrauch, ein außerordentlich<br />
starkes <strong>Sucht</strong>potential besitzt. Ehemals Heroinabhängige berichten,<br />
dass die <strong>Sucht</strong>wirkung sogar stärker sei als bei Heroin.<br />
Denn die riesige Oberfläche der Lungenbläschen (Tennisfeld)<br />
ermöglicht nicht nur einen schnellen Gasaustausch<br />
beim Atmen, sondern auch ein ähnlich schnelles „Anfluten“<br />
53
NETZWERKZEITUNG SCHULE & GESUNDEIT 2005 SUCHT- UND GEWALTPRÄVENTION<br />
der Droge Nikotin wie bei einer intravenösen Gabe anderer<br />
<strong>Sucht</strong>mittel.<br />
Deshalb hat es sich die Hessische Krebsgesellschaft<br />
zur Aufgabe erklärt, Rauchprävention an weiterführenden<br />
<strong>Schule</strong>n zu unterstützen. Dies erfolgt derzeit mit dem Europa-weiten<br />
Nichtraucherwettbewerb „Be Smart, Don`t Start“.<br />
Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.<br />
■ Kontakt<br />
Dr. med. Maria Vogelmeier<br />
Hessische Krebsgesellschaft e.V.<br />
Heinrich-Heine-Straße 44<br />
35039 Marburg<br />
Tel.: 06421/63324<br />
Fax: 06421/63316<br />
oeffentlichkeitsarbeit@hessische-krebsgesellschaft.de<br />
Internet: www.hessische-krebsgesellschaft.de<br />
54 WWW.SCHULEUNDGESUNDHEIT.HESSEN.DE