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Geschlechter-Vorurteile in Partnerschaft und Familie - IBP Institut

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<strong>Geschlechter</strong>-<strong>Vorurteile</strong> <strong>in</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie</strong><br />

von Markus Fischer<br />

Die Integrative Körperpsychotherapie <strong>IBP</strong> fasst e<strong>in</strong>e Reihe von psychologischen Themen, die für die<br />

k<strong>in</strong>dliche Entwicklung stark prägend s<strong>in</strong>d, unter dem Begriff der Geheimen Themen zusammen.<br />

<strong>Geschlechter</strong>vorurteile s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>es dieser Themen. Geheime Themen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel bereits vor der<br />

Zeugung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des im <strong>Familie</strong>nsystem vorhanden <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d deshalb für das K<strong>in</strong>d auch ab se<strong>in</strong>er<br />

Zeugung wirksam.<br />

Begriffsdef<strong>in</strong>ition<br />

E<strong>in</strong> Vorurteil bezeichnet e<strong>in</strong>e Vore<strong>in</strong>genommenheit, e<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung, die pauschalisierend,<br />

<strong>und</strong>ifferenziert <strong>und</strong> nur sehr schwer revidierbar ist. Es setzt sich uns wie e<strong>in</strong>e Brille vor die Augen.<br />

E<strong>in</strong>e Brille allerd<strong>in</strong>gs, die unsere Wahrnehmung nicht schärft, sondern e<strong>in</strong>en Filter vorsetzt, der<br />

unsere Wahrnehmung e<strong>in</strong>schränkt <strong>und</strong> verzerrt. Mit dieser Brille sehen wir an unserem Gegenüber<br />

bevorzugt die Eigenschaften, die zu unserem Vorurteil passen. Wir sehen nicht den Menschen, wie<br />

er/sie wirklich ist. Nicht zum Vorurteil passendes Verhalten wird übersehen oder abgewertet.<br />

<strong>Vorurteile</strong> gehören zu unserem zwischenmenschlichen Orientierungssystem, ungeachtet dessen,<br />

dass sie uns e<strong>in</strong>e verzerrte Orientierung vermitteln.<br />

Im Falle von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen handelt es sich um Vore<strong>in</strong>genommenheiten gegenüber e<strong>in</strong>em<br />

oder auch beiden <strong>Geschlechter</strong>n, aus Ansichten wie Männer / Frauen generell seien oder nicht seien,<br />

sich verhalten oder nicht verhalten. Selbstverständlich gibt es neben negativen, abwertenden<br />

<strong>Vorurteile</strong>n auch positive, überwertende bis idealisierende <strong>Vorurteile</strong>. Diese verzerren unser Bild vom<br />

Gegenüber auf e<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bar harmlosere Art. Aber es bleibt e<strong>in</strong>e Verzerrung, die stimmiges<br />

Wahrnehmen des Mitmenschen <strong>und</strong> damit stimmigen zwischenmenschlichen Kontakt verh<strong>in</strong>dert. Im<br />

diesem Artikel beschränken wir uns auf die Wirkung negativer <strong>Vorurteile</strong>.<br />

Vorkommen von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen<br />

<strong>Geschlechter</strong>vorurteile bestimmen die gängigen Me<strong>in</strong>ungen über Männer <strong>und</strong> Frauen seit<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten. Sie s<strong>in</strong>d auch heute noch breit verankert <strong>in</strong> der Bevölkerung. Manchmal auf<br />

offensichtliche Weise, wie <strong>in</strong> den Karikaturen, die diesen Artikel illustrieren. Oft <strong>in</strong> subtiler Weise, die<br />

schwieriger zu entdecken ist. <strong>Vorurteile</strong> gegen das andere Geschlecht s<strong>in</strong>d allgeme<strong>in</strong> bekannter,<br />

Emanzipationsbewegungen haben diesbezüglich e<strong>in</strong>iges an Bewusstse<strong>in</strong> <strong>und</strong> Verbesserungen<br />

gebracht. Viel weniger bekannt ist, dass <strong>Geschlechter</strong>vorurteile gegen das eigene Geschlecht<br />

genauso verbreitet s<strong>in</strong>d. Wir werden auf ihre ausgesprochen destruktive Wirkung auf den Träger/die<br />

Träger<strong>in</strong> zu sprechen kommen. Oft s<strong>in</strong>d <strong>Geschlechter</strong>vorurteile gegen Männer <strong>und</strong> Frauen eng<br />

mite<strong>in</strong>ander verb<strong>und</strong>en.<br />

Symptome von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen<br />

<strong>Geschlechter</strong>vorurteile können mit charakteristischen Symptomen e<strong>in</strong>hergehen. Sie treten stereotyp<br />

<strong>und</strong> reflexartig auf, im Moment wo die <strong>Geschlechter</strong>vorurteile <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zwischenmenschlichen<br />

Beziehung aktiviert werden. Sie bleiben e<strong>in</strong>em oft unbewusst. Zu diesen Symptomen gehören<br />

typische Körperempf<strong>in</strong>dungen, Gefühle, Denkmuster, Handlungen.<br />

Typische Körperempf<strong>in</strong>dungen beruhen auf e<strong>in</strong>er Aktivierung des vegetativen Nervensystems <strong>und</strong><br />

bestehen <strong>in</strong>: Herzklopfen, Atemnot, Unruhe, Zittern, Schwitzen, Anspannung, Übelkeit, Schw<strong>in</strong>del,<br />

Verm<strong>in</strong>derung der Körperempf<strong>in</strong>dung.<br />

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Typische Gefühlsreaktionen s<strong>in</strong>d Unbehagen, Misstrauen, Abneigung, Bedrohungsgefühl, Angst,<br />

Gereiztheit, Ärger, Des<strong>in</strong>teresse dem e<strong>in</strong>en oder anderen Geschlecht gegenüber.<br />

Typische Denkmuster s<strong>in</strong>d dadurch charakterisiert, dass Personen e<strong>in</strong>es Geschlechtes entweder als<br />

zu viel (kontrollierend, manipulierend etc.) oder als zu wenig (dumm, oberflächlich, unsensibel etc.)<br />

bewertet werden. Bezogen auf «Frauen s<strong>in</strong>d zu wenig» lauten sie etwa: Frauen s<strong>in</strong>d schwach,<br />

abhängig, weniger <strong>in</strong>telligent, unsachlich, irrational, ihren Gefühlen ausgeliefert, arme Opfer, von<br />

Männern ausgenützt, sexuell ausgebeutet. Me<strong>in</strong>ungen im S<strong>in</strong>ne von «Frauen s<strong>in</strong>d zu viel» tönen<br />

genau gegenteilig: Frauen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>engend, kontrollierend, nützen andere aus, verstehen Männer<br />

nicht, manipulieren subtil aus dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. <strong>Vorurteile</strong> gegenüber Männern führen zu Me<strong>in</strong>ungen<br />

wie: Männer s<strong>in</strong>d oberflächlich, unsensibel, unzuverlässig, roh, gewalttätig, ohne Gefühle, nicht<br />

vertrauenswürdig, penisgesteuert <strong>und</strong> orgasmuszentriert, e<strong>in</strong>zig zum Babymachen <strong>und</strong><br />

Geldverdienen gut, nur an Karriere <strong>und</strong> Macht <strong>in</strong>teressiert, im Innersten unsicher <strong>und</strong> abhängig.<br />

Typische Handlungsmuster bestehen dar<strong>in</strong>, Personen e<strong>in</strong>es Geschlechtes nicht wirklich zuzuhören,<br />

sie zu ignorieren, nicht ernst zu nehmen, sie konsequent abzuwerten oder ihnen andauernd zu<br />

widersprechen. Wer e<strong>in</strong> Vorurteil gegen Frauen hat, dem / der wird es schwer fallen, überhaupt<br />

Informationen von Frauen aufzunehmen. Kaum beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e Frau zu sprechen, geht die<br />

Aufmerksamkeit woanders h<strong>in</strong>. Oder man weiss zum voraus, dass das, was die Frau sagen wird,<br />

nicht <strong>in</strong>teressant, nicht f<strong>und</strong>iert, nicht logisch se<strong>in</strong> wird. Interessanterweise wird dieselbe Aussage,<br />

von e<strong>in</strong>em Mann gemacht, plötzlich gehört <strong>und</strong> ernst genommen. Es ist e<strong>in</strong> spannendes Experiment,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesprächsr<strong>und</strong>e darauf zu achten, ob e<strong>in</strong>ander wirklich zugehört wird, wer wen anspricht<br />

oder ausklammert. Oft entlarven sich <strong>Geschlechter</strong>vorurteile dadurch, dass jemand sich konsequent<br />

nur an die Männer oder nur an die Frauen wendet. Auch wer e<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>eskreis aus fast nur<br />

Männern oder Frauen hat, trägt praktisch sicher <strong>Geschlechter</strong>vorurteile <strong>in</strong> sich.<br />

Entstehung des <strong>Geschlechter</strong>-Vorurteils<br />

<strong>Geschlechter</strong>vorurteile sche<strong>in</strong>en über die primären Versorgungspersonen, meist die Eltern, auf die<br />

K<strong>in</strong>der übertragen zu werden. Alle Eltern haben e<strong>in</strong> bestimmtes Bild von Männern / Frauen <strong>und</strong><br />

können gar nicht anders, als dieses an ihre K<strong>in</strong>der weiter zu geben. Dies passiert e<strong>in</strong>erseits über<br />

direkte sprachliche Äusserungen der Eltern. Wichtiger <strong>und</strong> wirksamer s<strong>in</strong>d jedoch nonverbale<br />

geschlechterbezogene Botschaften: In Form von Gefühlen <strong>und</strong> Handlungen wird dem kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>d<br />

vermittelt, dass Männer / Frauen schlecht seien. Selbst wenn Eltern sich ihrer <strong>Geschlechter</strong>vorurteile<br />

bewusst s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> verbal dem K<strong>in</strong>d gegenüber e<strong>in</strong>e andere Botschaft ausdrücken, kann es doch se<strong>in</strong>,<br />

dass ihr Körper alte <strong>Vorurteile</strong> ausdrückt <strong>und</strong> weitergibt. Es ist e<strong>in</strong>e bekannte psychologische Regel,<br />

dass nonverbale elterliche Botschaften (was man tut) beim K<strong>in</strong>d viel stärker wirken als verbale<br />

elterliche Botschaften (was man sagt). Wenn verbale <strong>und</strong> nonverbale Botschaft sich widersprechen,<br />

reagiert das K<strong>in</strong>d auf die nonverbale. Hier zwei kurze Beispiele aus der Praxis: Wenn e<strong>in</strong>e Mutter<br />

jedes mal zusammenzuckt <strong>und</strong> ihr K<strong>in</strong>d ängstlich an die Hand nimmt, sobald ihnen e<strong>in</strong> Mann<br />

entgegen kommt, wird ihr K<strong>in</strong>d lernen, dass Männer offenbar gefährlich s<strong>in</strong>d. Oder umgekehrt: Wenn<br />

e<strong>in</strong> Vater regelmässig demonstrativ mit F<strong>in</strong>gertrommeln <strong>und</strong> Augenverdrehen genervte Langeweile<br />

signalisiert, sobald e<strong>in</strong>e Frau zu reden beg<strong>in</strong>nt, vermittelt er se<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d, dass Frauen eh nichts<br />

Gescheites zu sagen hätten.<br />

Wenn es so ist, dass <strong>Geschlechter</strong>vorurteile sehr früh im Leben auf das K<strong>in</strong>d übertragen werden,<br />

bedeutet das, dass <strong>in</strong> unserer Kultur, <strong>in</strong> der die frühe K<strong>in</strong>derbetreuung zumeist von den Müttern<br />

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esorgt wird, die Achse Grossmutter mütterlicherseits - Mutter - K<strong>in</strong>d besondere prägende Bedeutung<br />

bekommt. Damit ist der E<strong>in</strong>fluss des Vaters auf die Übertragung von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen auf das<br />

K<strong>in</strong>d wohl eher ger<strong>in</strong>g. Diese Aussage soll ke<strong>in</strong>e Schuldzuweisung an die Mütter se<strong>in</strong>.<br />

Im Falle von mütterlichen <strong>Vorurteile</strong>n gegen Männer hat der Vater kaum e<strong>in</strong>e Chance, e<strong>in</strong> anderes<br />

<strong>Geschlechter</strong>bild zu vermitteln. Die mütterlichen <strong>Vorurteile</strong> gegen Männer richten sich auch gegen<br />

ihn. Damit wird alles, was er sagt <strong>und</strong> tut, abgewertet. Ist er sanft <strong>und</strong> verstehend, wird er als Softie<br />

abgetan. Ist er männlich <strong>und</strong> klar wird er zum Macho gestempelt. Diese Situation kennen wir aus<br />

Therapien, wenn Patienten überrascht erkennen, dass sie von ihrem Vater eigentlich viel Gutes<br />

bekommen haben. Dies konnte jedoch nie anerkannt werden, weil die mütterlichen <strong>Vorurteile</strong> gegen<br />

Männer e<strong>in</strong>en guten Vater nicht zuliessen.<br />

Deutlich besser steht es, wenn die Mutter zwar <strong>Geschlechter</strong>vorurteile gegen Frauen, aber ke<strong>in</strong>e<br />

gegen Männer hat. In diesem Fall wird sie ihr Vorurteil zwar an ihre K<strong>in</strong>der weitergeben. Der Vater<br />

kann aber korrigierend wirken, weil er nicht abgewertet ist. Er hat die Möglichkeit, e<strong>in</strong> anderes, gutes<br />

Frauenbild zu vermitteln, <strong>in</strong>dem er beispielsweise zu den K<strong>in</strong>dern sagt: «Ich weiss, dass eure Mutter<br />

von Frauen nicht viel hält. Ich b<strong>in</strong> mir aber sicher, dass Frauen genauso <strong>in</strong>telligent s<strong>in</strong>d wie Männer.»<br />

<strong>Geschlechter</strong>-<strong>Vorurteile</strong> gegen das eigene Geschlecht<br />

Wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Vorurteil gegen das eigene Geschlecht vermittelt bekommt, gerät es <strong>in</strong> e<strong>in</strong> ernstes<br />

Dilemma. Es will sich dem elterlichen Unbehagen anpassen <strong>und</strong> versucht, se<strong>in</strong>e weibliche /<br />

männliche Energie <strong>in</strong> sich zu unterdrücken. Das bedeutet, dass das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>en sehr zentralen Aspekt<br />

se<strong>in</strong>er Identität, nämlich se<strong>in</strong>e geschlechtliche Identität <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Sexualität nicht ungestört<br />

entwickeln kann. Dass damit das Selbstwertgefühl e<strong>in</strong>schneidend untergraben werden kann, liegt auf<br />

der Hand. E<strong>in</strong>e mögliche schwerwiegende Konsequenz ist e<strong>in</strong>e gestörte, ablehnende Beziehung zum<br />

eigenen Körper. Dieser wird nicht als Quelle schöner Empf<strong>in</strong>dungen erlebt, sondern ist mit Unlust <strong>und</strong><br />

Scham verb<strong>und</strong>en. Man f<strong>in</strong>det ihn unschön, hasst ihn allenfalls sogar. Das führt oft zu Gefühllosigkeit<br />

<strong>in</strong> den Genitalien. Gefühle von Intimität, Erotik, Sexualität s<strong>in</strong>d damit nur noch schwer möglich.<br />

E<strong>in</strong>e zweiter, häufiger Versuch, sich dem elterlichen Unbehagen anzupassen, besteht dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

andere, bessere Sorte Frau/Mann se<strong>in</strong> zu wollen ohne die verpönten Eigenschaften. Auch dieser<br />

Versuch führt leicht dazu, dass wesentliche Aspekte der eigenen Weiblichkeit / Männlichkeit<br />

ausgeklammert werden.<br />

<strong>Geschlechter</strong>-<strong>Vorurteile</strong> <strong>in</strong> <strong>Partnerschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie</strong><br />

<strong>Geschlechter</strong>vorurteile gegen das andere Geschlecht s<strong>in</strong>d oft mit e<strong>in</strong>em unbewussten,<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen Misstrauen diesem Geschlecht gegenüber verb<strong>und</strong>en. Das ist der tiefere Gr<strong>und</strong>,<br />

weshalb <strong>Geschlechter</strong>vorurteile die Sprengkraft haben, e<strong>in</strong>e <strong>Partnerschaft</strong> zu zerstören. Das<br />

Misstrauen wirkt <strong>in</strong> der Art der erwähnten Brille mit dem selektiven Filter <strong>und</strong> wird je länger je mehr<br />

bewirken, dass der Partner e<strong>in</strong>seitig negativ wahrgenommen wird. Damit wird die Kommunikation<br />

zwischen den Partnern zunehmend vergiftet.<br />

Wie geschieht das Ohne es selbst zu bemerken, verlegen sich Personen mit<br />

<strong>Geschlechter</strong>vorurteilen darauf, e<strong>in</strong>e heimliche Sammlung von Beweisen anzulegen, die das Vorurteil<br />

sche<strong>in</strong>bar bestätigen. Gleichzeitig fallen positive Aspekte der Partner<strong>in</strong> / des Partners zunehmend<br />

aus der Rechnung. Selbstverständlich gel<strong>in</strong>gt es immer, beim Partner solche «Beweise» <strong>in</strong> Form von<br />

Ansichten oder Verhalten zu f<strong>in</strong>den. Auf diese Weise wird das F<strong>und</strong>ament der Beziehung (Liebe,<br />

Vertrauen, Respekt, positive Gr<strong>und</strong>haltung = Ich will de<strong>in</strong> Bestes <strong>und</strong> du willst me<strong>in</strong> Bestes) langsam<br />

aber sicher untergraben.<br />

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Dar<strong>in</strong> liegt das Heimtückische, Geme<strong>in</strong>e von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen für e<strong>in</strong>e <strong>Partnerschaft</strong>: Der<br />

kle<strong>in</strong>e Anteil am Verhalten des Partners, der dem Vorurteil entspricht, wird durch die selektive Brille<br />

stark vergrössert wahrgenommen <strong>und</strong> bestimmt zunehmend den Gesamte<strong>in</strong>druck vom Partner. Bis<br />

zum Moment, <strong>in</strong> dem die «Erkenntnis» aufblitzt: «Hab ich es doch geahnt, sie / er ist eben doch nicht<br />

anders als alle Frauen/Männer». Meist kommt dann e<strong>in</strong> tiefes Gefühl von Betrogense<strong>in</strong> auf, wenn die<br />

Illusion zerplatzt, der andere sei e<strong>in</strong>e andere, bessere Sorte Mann / Frau. Dieser Moment der<br />

Ernüchterung ist von Partnern oft ganz genau benennbar. Wenn jetzt das der Illusion<br />

zugr<strong>und</strong>eliegende <strong>Geschlechter</strong>vorurteil nicht erkannt wird, kann die emotionale Gr<strong>und</strong>lage der<br />

Beziehung zerbrechen. Umgekehrt kann im guten Fall die Desillusionierung zum Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er<br />

vorurteilsfreieren Wahrnehmung der Partner<strong>in</strong> / des Partners werden <strong>und</strong> tiefes, anhaltendes<br />

Vertrauen sich entwickeln.<br />

Die eben geschilderte verhängnisvolle Entwicklung tritt besonders rasch <strong>und</strong> heftig e<strong>in</strong>, wenn es <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Beziehung tatsächlich zu e<strong>in</strong>er emotionalen Verletzung, e<strong>in</strong>em Vertrauensbruch kommt,<br />

beispielsweise <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Aussenbeziehung. Dann explodieren die <strong>Geschlechter</strong>vorurteile<br />

förmlich, übernehmen die Regie vollständig <strong>und</strong> sabotieren fruchtbare Kommunikation nachhaltig.<br />

Nun ist jede Interaktion zwischen den Partnern von den <strong>Vorurteile</strong>n durchtränkt <strong>und</strong> es wird ohne Hilfe<br />

von aussen sehr schwer se<strong>in</strong>, die Beziehung zu retten, das Vertrauen wieder aufzubauen.<br />

In analoger Weise wirken <strong>Geschlechter</strong>vorurteile <strong>in</strong> der <strong>Familie</strong>. Väter <strong>und</strong> Mütter mit<br />

<strong>Geschlechter</strong>vorurteilen nehmen e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d dieses Geschlechtes verzerrt war, machen es vielleicht zum<br />

regelmässigen Sündenbock, trauen ihm nichts zu, werten es subtil bis offensichtlich ab, können es<br />

nicht optimal <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entwicklung unterstützen. Insbesondere wird die Unterstützung der<br />

psychosexuellen Entwicklung dieses K<strong>in</strong>des mangelhaft se<strong>in</strong>, allenfalls sogar zur Schädigung des<br />

K<strong>in</strong>des werden. Es kann an dieser Stelle nur angedeutet werden, wie viel Schmerz K<strong>in</strong>der erleiden,<br />

wie sehr die Entwicklung ihres Selbstwertempf<strong>in</strong>dens untergraben wird, wie viel Vertrauen zwischen<br />

K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Eltern zerstört wird, aufgr<strong>und</strong> von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen, die über die Eltern auf die<br />

K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>wirken. Dass dies meist ohne Bewusstheit oder Absicht passiert, macht es für die K<strong>in</strong>der<br />

nicht wirklich besser. Schon fast tragisch wirkt es, dass diese K<strong>in</strong>der die <strong>Geschlechter</strong>vorurteile mit<br />

grosser Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit übernehmen <strong>und</strong> an ihre K<strong>in</strong>der weitergeben werden.<br />

Die Therapie von <strong>Geschlechter</strong>-<strong>Vorurteile</strong>n<br />

Die erfolgreiche Therapie von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen bezweckt die Deaktivierung <strong>und</strong> Korrektur<br />

derselben. Das Ziel dieses Prozesses besteht dar<strong>in</strong>, se<strong>in</strong> Gegenüber frei von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen<br />

als den Menschen zu erfahren, der er / sie wirklich ist. Besonders günstig ist es, wenn Erwachsene<br />

ihre <strong>Geschlechter</strong>vorurteile therapeutisch bearbeiten, bevor sie K<strong>in</strong>der haben. Damit unterbrechen sie<br />

die Weitergabe an die nächste Generation.<br />

<strong>Vorurteile</strong> verlieren ihren Bann, ihre Destruktivität, wenn sie erkannt, benannt <strong>und</strong> anerkannt werden.<br />

Eigene <strong>Geschlechter</strong>vorurteile zu erkennen ist allerd<strong>in</strong>gs nicht e<strong>in</strong>fach. Noch weniger, sie<br />

e<strong>in</strong>zugestehen. Um die meist tief unbewussten <strong>Geschlechter</strong>vorurteile ans Licht zu br<strong>in</strong>gen, braucht<br />

es <strong>in</strong> der Regel die Unterstützung e<strong>in</strong>er geschulten Fachperson. Spezielle Übungen der Integrativen<br />

Körperpsychotherapie <strong>IBP</strong> s<strong>in</strong>d dabei sehr hilfreich.<br />

In Paarbeziehungen ist es zentral wichtig, dem Partner gegenüber se<strong>in</strong> <strong>Geschlechter</strong>vorurteil im<br />

konkreten Fall explizite anzuerkennen. Interessanterweise reicht es erfahrungsgemäss nicht aus, das<br />

Vorurteil nur gedanklich für sich im Stillen anzuerkennen. Auf körperlicher Ebene läuft es immer noch<br />

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<strong>und</strong> wirkt damit über nonverbalen Ausdruck weiterh<strong>in</strong> auf den Partner e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>zig die Strategie des<br />

Verantwortens durch explizites Anerkennen <strong>und</strong> Nichtausagieren von <strong>Geschlechter</strong>vorurteilen hilft<br />

dabei, diese abzubauen. Mit dem Erkennen <strong>und</strong> Anerkennen als erstem therapeutischen Schritt<br />

verschw<strong>in</strong>den <strong>Geschlechter</strong>vorurteile <strong>in</strong> der Regel noch nicht, aber ihr destruktiver E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Beziehung wird gestoppt. Mit jedem Mal, wo ich anerkenne, dass ich gerade auf eigene <strong>Vorurteile</strong><br />

e<strong>in</strong>gestiegen b<strong>in</strong>, kann me<strong>in</strong>e Partner<strong>in</strong> Vertrauen aufbauen, dass ich die Verantwortung für me<strong>in</strong>e<br />

<strong>Vorurteile</strong> gegenüber ihrem Geschlecht übernehme, <strong>und</strong> sie nicht an ihr ausagiere. Mir selber<br />

ermöglicht das wiederholte Anerkennen me<strong>in</strong>er <strong>Vorurteile</strong>, dass ich diese immer schneller <strong>und</strong><br />

leichter erkenne, <strong>und</strong> dass sie nach <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>em realistischen, differenzierten Urteil über Frauen<br />

<strong>und</strong> Männer platz machen. Das Denken <strong>und</strong> Fühlen <strong>in</strong> Frau-Mann-Kategorien lässt nach zugunsten<br />

e<strong>in</strong>es mehr auf den <strong>in</strong>dividuellen Menschen ausgerichteten Wahrnehmens, Fühlens <strong>und</strong> Handelns.<br />

Was für e<strong>in</strong> Geschenk e<strong>in</strong> solcher Prozess von Partnern / Eltern für ihre K<strong>in</strong>der, die schon geborenen<br />

wie die noch kommenden, darstellt, ist offensichtlich. Die K<strong>in</strong>der werden es ihren Eltern mit<br />

Lebensfreude, Selbstvertrauen, Liebesfähigkeit <strong>und</strong> tiefem Vertrauen <strong>in</strong> ihre Eltern danken.<br />

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