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c - Staatliches Institut für Musikforschung

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18<br />

Christoph Wolff<br />

Beispiel 2: Thematische Vorlage aus Johann Adam Reinken, Sonata in a <strong>für</strong> 2 Violinen,<br />

Viola und Basso continuo (Hortus musicus, 1687) von Bach – unter Eliminierung nichtthematischer<br />

Attribute wie des Basso continuo – zu einer regulären Clavier-Fuge a-Moll<br />

BWV 965/2 ausgearbeitet.<br />

Die Bach im Nekrolog bescheinigte Fähigkeit, daß er beim bloßen Anhören<br />

irgendeines Themas „fast alles, was nur künstliches darüber hervorgebracht<br />

werden konnte, gleichsam im Augenblicke gegenwärtig“ 25 hatte, erscheint<br />

überaus bezeichnend <strong>für</strong> seine Arbeitsweise, die sich mehr als Elaboratio (das<br />

heißt Ausarbeitung von Vorgegebenem) und weniger als Creatio (das heißt eigenschöpferischen<br />

Akt) verstand: Die Möglichkeiten zur „künstlichen Ausarbeitung“<br />

waren latent gegeben, sie mußten lediglich „durch Nachsinnen“ entdeckt<br />

werden. Bei Bachs offensichtlich phänomenaler Kombinationsgabe<br />

konnte es darum keinen Unterschied machen, ob ein Thema von ihm selbst<br />

oder einem anderen Komponisten stammte. In jedem Fall mußte er es als Herausforderung<br />

zum Auffinden der innewohnenden kontrapunktischen Potenz<br />

empfinden. Augenscheinlich liegt in diesem Elaborationsprinzip eine der wesentlichen,<br />

noch dazu gattungunabhängigen Konstanten der Bachschen Kompositionskunst<br />

und damit seines Personalstiles vor.<br />

Sie ist zutiefst verwurzelt im Streben nach Aufdecken der „Geheimnisse<br />

der Harmonie“, in der Suche nach der „vollkommenen Harmonie“. Diese aber<br />

gilt erst dann als vollkommen, wenn „alle Stimmen miteinander arbeiten“,<br />

und zwar „ohne die geringste Verwirrung“; „jede stimme macht sich vor der<br />

andern durch eine besondere veränderung kenntbar, ob sie gleich öfftermahls<br />

einander nachahmen.“ Der Variationsgedanke spielt in diesem Elaborationsprinzip<br />

eine gewichtige Rolle. Nicht nur, daß die Imitationsdurchführung einer<br />

Fuge im Sinne von Veränderungen verstanden wird (Birnbaum rühmt „die<br />

durchführungen eines einzigen satzes durch die thone, mit den angenehmsten<br />

veränderungen“). Auch die enge konzeptionelle Verknüpfung von Variation<br />

und Elaboration in den monothematischen Instrumentalzyklen des Bachschen<br />

Spätwerkes deutet auf die weitgehende Substanzgemeinschaft der beiden Begriffe<br />

in Bachs kompositorischem Denken. Wiederholte Elaboration desselben<br />

musikalischen Gedankens zur Auslotung der immanenten harmonischen Konstellationen<br />

führt geradezu zwangsläufig zu einer Kette von Variationen.<br />

Beispiel 3: Georg Friedrich Händels Chaconne G-Dur HWV 442, deren 62 Variationen in<br />

einen schlichten zweistimmigen Kanon münden, verglichen mit der tiefschürfenden Kontrapunktik<br />

in Bachs Kanon-Zyklus BWV 1087, in dem Bach die kanonische Potenz des<br />

„Händel-Themas“ auslotet 26 .<br />

25 Ebenda, S. 87.<br />

26 Vergleiche vom Verfasser, Händel – J. S. Bach – C. P. E. Bach – Mozart: in: Göttinger<br />

Händel-Beiträge, Bd. 6, im Druck.

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