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c - Staatliches Institut für Musikforschung

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Bach und die Idee musikalischer Vollkommenheit<br />

Als wesentlicher Eckpfeiler der Kontinuität in Bachs Musik erscheint von<br />

Anfang an der kompromißlos professionelle Zuschnitt. Bach hat sich nie dem<br />

musikalischen Dilettanten zugewandt. Sein Virtuosentum (nicht zufällig betrauert<br />

das Gedicht am Schluß des Nekrologs den „Held der Virtuosen“) 8 war<br />

über Generationen hinweg fest in der zünftigen Familientradition verwurzelt<br />

und schlug sich niemals vordergründig in dem gleichmäßig hohen, <strong>für</strong> das 18.<br />

Jahrhundert durchweg extrem anspruchsvollen technischen Schwierigkeitsgrad<br />

seiner Werke nieder.<br />

Als entscheidender Faktor des Wandels in Bachs musikalischer Entwicklung<br />

gilt ein – trotz aller geographischen Beschränkung – grenzenloser Wissensdurst<br />

im Blick auf praktisch alle Aspekte der Kompositionskunst. Bachs<br />

Kenntnis der Musikliteratur seiner Tage und auch der zurückliegenden Generation<br />

war schlechterdings beispiellos, vor allem auch in der Art, wie er neu<br />

gewonnene Erkenntnisse als veränderndes und bereicherndes Moment in sein<br />

eigenes Komponieren zu integrieren verstand.<br />

Überblickt man die chronologische Spannweite des Bachschen Schaffens,<br />

so zeigt sich von den frühesten bis zu den letzten Werken ein ebenso weites<br />

wie differenziertes stilistisches Spektrum, gleichermaßen das Instrumentalund<br />

Vokalwerk betreffend: Man vergleiche nur das „Capriccio sopra la lontananza<br />

del suo fratro dilettissimo“ BWV 992 mit der Kunst der Fuge oder den<br />

„Actus tragicus“ BWV 106 mit der h-Moll-Messe. Demgegenüber wirkt der<br />

Entwicklungsspielraum eines Telemann oder Händel erheblich schmaler.<br />

Wenn man beispielsweise Händels früheste Opern und seine letzten Oratorien<br />

als repräsentative Pole seines Lebenswerkes ansieht, so stehen sich diese<br />

kompositionstechnisch und stilistisch sehr viel näher, als es die frühen und<br />

späten Werke Bachs tun.<br />

So fällt es aus heutiger Perspektive nicht schwer, Bach unter den Musikern<br />

seiner Zeit eine Sonderstellung einzuräumen. Doch besaß man im engeren<br />

Kreis um Bach schon zu seinen Lebzeiten eine ziemlich klare Vorstellung davon.<br />

Wenden wir uns den einschlägigen Quellen zu: Die berühmte literarische<br />

Kontroverse über die ästhetische Einschätzung der Kunst Bachs, ausgefochten<br />

zwischen Johann Adolph Scheibe und Johann Abraham Birnbaum in den Jahren<br />

1737–38, entzündete sich daran, daß Scheibe Bachs Musik Verworrenheit,<br />

Mangel an Natürlichkeit und das Fehlen einer deutlich hörbaren Hauptstimme<br />

vorwarf. Es ist hier nicht der Ort, diese – im übrigen viel diskutierte – Kontroverse<br />

in ihren komplizierten Verästelungen erneut näher zu verfolgen 9 . Mir<br />

8 Ebenda, Nr. 666.<br />

9 Vergleiche G. Wagner, J. A. Scheibe – J. S. Bach: Versuch einer Bewertung, in: Bach-<br />

Jahrbuch 1982, S. 33–49.<br />

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