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c - Staatliches Institut für Musikforschung

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Christoph Wolff<br />

den Prinzipien, die so unvereinbar erscheinen. Es scheint, als verknüpfe er in<br />

nahezu singulärer Weise die beiden Pole. Vollkommenheit auf der einen und<br />

Einzigartigkeit auf der anderen Seite treten denn auch frühzeitig als gegensätzliche<br />

wie sich ergänzende Begriffe auf, mit denen man sich dem Phänomen<br />

Bach zu nähern versuchte. Die Idee der Vollkommenheit führte Johann<br />

Abraham Birnbaum 1737 in die Diskussion ein 6 und öffnete damit zugleich<br />

den Blick auf eine historisch-theoretische Dimension von Bachs Kunst. Die<br />

Vorstellung von Einzigartigkeit geht auf Bemerkungen Carl Philipp Emanuel<br />

Bachs bzw. Johann Friedrich Agricolas von 1750 zurück 7 , die damit ausdrücklich<br />

Individualität und Originalität der Musik Johann Sebastian Bachs ansprechen.<br />

II<br />

Der Suche nach der spezifischen Qualitas der Bachschen Musik, ja ihrer unverwechselbaren<br />

Eigenart, läßt sich kaum sinnvoll mit Methoden der Schaffenspsychologie<br />

begegnen. Schon allein mangels dokumentierter einschlägiger<br />

Selbstäußerungen entzieht sich Bach – in deutlichem Unterschied etwa zu<br />

Mozart, Beethoven, Wagner oder Mahler – jedwedem psycho-biographischen<br />

Zugriff. Doch widersetzt er sich keineswegs Fragen nach den allgemeinen<br />

Prämissen, historischen Voraussetzungen und Grundlagen der Kompositionspraxis.<br />

Auch über Persönlichkeit und biographischen Kontext läßt sich genügend<br />

Auskunft gewinnen. Insbesondere vermag das Studium der Genese einzelner<br />

Werke oder der Entstehungsbedingungen größerer Repertoires dazu<br />

beizutragen, gewisse kompositorische Parameter und künstlerische Konstanten<br />

aufzudecken.<br />

Es läßt sich nicht übersehen, daß Bach als Komponist in vieler Hinsicht <strong>für</strong><br />

seine Zeit kaum als repräsentativ gelten kann. Seine Musik ist das höchst ungewöhnliche<br />

Produkt einer überaus starken und eigenwilligen Künstlerpersönlichkeit.<br />

In den rund fünfzig Jahren seiner schöpferischen Tätigkeit durchmaß<br />

Bach einen Entwicklungsprozeß, der unter seinen Zeitgenossen ohne Parallele<br />

ist. Dabei spielen Kontinuität und Wandel eine gleichbleibend determinierende<br />

Rolle.<br />

6 Unpartheyische Anmerkungen... [1738] und Vertheidigung seiner unparteyischen Anmerkungen...<br />

[1739], zitiert nach: Bach-Dokumente, Bd. II (Fremdschriftliche und gedruckte<br />

Dokumente zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs 1685–1750), Kassel Basel<br />

1969, Nr. 409 und 441.<br />

7 Denkmal... [1754 gedruckt], in: Bach-Dokumente, Bd. III (Dokumente zum Nachwirken<br />

Johann Sebastian Bachs 1750–1800), Kassel Basel 1972, Nr. 666.

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