Die Lage der Prostata Der Tumor in der Prostata - ZS-Verlag
Die Lage der Prostata Der Tumor in der Prostata - ZS-Verlag
Die Lage der Prostata Der Tumor in der Prostata - ZS-Verlag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Das Organ <strong>Prostata</strong><br />
Das Organ <strong>Prostata</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Lage</strong> <strong>der</strong> <strong>Prostata</strong><br />
<strong>Der</strong> <strong>Tumor</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Prostata</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Prostata</strong> zählt zu den Geschlechtsorganen, sie ist zudem <strong>in</strong> den Abtransport<br />
des Ur<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gebunden. <strong>Die</strong>ser geht von den Nieren <strong>in</strong> die<br />
Blase. Von dort führen die Harnleiter den Ur<strong>in</strong> weiter durch die <strong>Prostata</strong><br />
<strong>in</strong> den Penis. Beim Samenerguss soll die <strong>Prostata</strong> verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass<br />
Ur<strong>in</strong> durchgelassen wird und Sperma <strong>in</strong> die Blase fließt.<br />
<strong>Tumor</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Prostata</strong> entstehen zu 80 bis 90 Prozent <strong>in</strong> den äußeren<br />
Regionen des Organs. Sie wachsen sehr langsam und breiten sich erst <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> <strong>Prostata</strong> aus, ehe sie aus <strong>der</strong> Hülle ausbrechen. Metastasen<br />
f<strong>in</strong>den sich dann <strong>in</strong> Nachbarorganen wie <strong>der</strong> Harnblase, dem Mastdarm<br />
o<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Knochen. Ab e<strong>in</strong>em Durchmesser von rund sieben Zentimetern<br />
kann <strong>der</strong> Arzt <strong>Prostata</strong>tumoren, wenn sie günstig liegen, ertasten.<br />
Harnleiter<br />
Nieren<br />
Harnleiter<br />
Samenleiter<br />
Blase<br />
Blase<br />
<strong>Prostata</strong><br />
Samenbläschen<br />
<strong>Tumor</strong><br />
<strong>Prostata</strong><br />
Drüsenausgänge<br />
<strong>Prostata</strong>drüsen<br />
Äußerer Schließmuskel<br />
Querschnitt durch Blase<br />
und erkrankte <strong>Prostata</strong><br />
54<br />
55
Michael Roth: Diagnose Krebs<br />
Michael Krankse<strong>in</strong> Roth: – e<strong>in</strong> Diagnose Männertabu Krebs<br />
<strong>Die</strong> Entscheidung darüber, wer<br />
den E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>g wegoperieren soll<br />
Am 16. April 2009 gab <strong>der</strong> TV Großwallstadt e<strong>in</strong>e Pressemitteilung<br />
heraus. Dar<strong>in</strong> hieß es: »Wegen e<strong>in</strong>es operativen E<strong>in</strong>griffs <strong>der</strong> Harnwege<br />
wird <strong>der</strong> Tra<strong>in</strong>er Michael Roth voraussichtlich die nächsten vier<br />
Wochen nicht zur Verfügung stehen.«<br />
<strong>Die</strong>se Ausrede mit <strong>der</strong> Operation war »irgendwie nicht die Wahrheit,<br />
aber es war ja auch nicht richtig falsch«, sagt Hubert Seggewiß.<br />
Für Michael war <strong>in</strong>des deutlich geworden, dass er <strong>in</strong> vier Wochen nicht<br />
wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sporthalle stehen würde. Für ihn war die Saison und damit<br />
das Kapitel Großwallstadt endgültig beendet. »Für mich stand fest,<br />
ich musste abtauchen. Und zwar sofort. Noch vor dem nächsten Spiel.<br />
Ich durfte nicht grübeln, nicht verkrampfen. Ich brauchte e<strong>in</strong>en klaren<br />
Verstand, um zielgerichtet die nächsten Schritte anzusteuern.«<br />
Noch am gleichen Tag machte sich Michael Roth auf den Weg<br />
nach Kitzbühel. Seitdem Michael und Uli denken können, haben sie<br />
ständigen Kontakt mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Sie hatten zwar mal Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten,<br />
es hatte diese Kabbeleien als K<strong>in</strong><strong>der</strong> gegeben, und es<br />
existiert bis heute dieser sportliche Wettkampf darum, wer attraktiver<br />
ist, wer die bessere Figur macht. Aber es entzündete sich zwischen den<br />
Zwill<strong>in</strong>gen niemals e<strong>in</strong> ernsthafter Streit o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Situation, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />
von beiden so sauer auf den an<strong>der</strong>en gewesen wäre, dass er auf das<br />
tägliche Gespräch verzichtet hätte. <strong>Die</strong> neue <strong>Lage</strong> schweißte sie noch<br />
enger ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong> – so als wären sie wie<strong>der</strong> im Mutterleib zusammen.<br />
Im Kitzbüheler Hotel Arosa schliefen sie erstmals seit Jahrzehnten wie<strong>der</strong><br />
auf e<strong>in</strong>em Zimmer, im Doppelbett.<br />
Dabei trieften die Roths nicht im Selbstmitleid. Im Gegenteil – sie<br />
traten dem Fe<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Michaels Körper entgegen, als müssten sie wie früher<br />
auf dem Spielfeld e<strong>in</strong>e Strategie gegen e<strong>in</strong>en übermächtig ersche<strong>in</strong>enden<br />
Gegner entwerfen. Sie spielten Golf, machten mit dem geme<strong>in</strong>samen<br />
Freund Günter Liebherr ausgedehnte Wan<strong>der</strong>ungen,<br />
abends g<strong>in</strong>gen sie geme<strong>in</strong>sam zum Essen und Tr<strong>in</strong>ken. Es war zwischen<br />
Michael und Uli verabredet, dass das Thema Krebs tabu ist, sobald<br />
sie die Tür des Hotelzimmers h<strong>in</strong>ter sich geschlossen hatten. Aber<br />
zwischendurch telefonierten sie durch die gesamte Republik. Sie holten<br />
Informationen e<strong>in</strong>, nutzten ihre privaten und geschäftlichen Kontakte<br />
und diskutierten über die weiteren Schritte. Von e<strong>in</strong>em ehemaligen<br />
Kollegen aus <strong>der</strong> Handball-Nationalmannschaft erfuhren sie, dass<br />
e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er deutscher Spitzensportler, den sie selbst von den Olympischen<br />
Spielen her kannten, auch <strong>Prostata</strong>krebs gehabt hatte. Sie riefen<br />
ihn an, um von ihm alles darüber <strong>in</strong> Erfahrung zu br<strong>in</strong>gen. <strong>Der</strong> mitgereiste<br />
Freund hatte als Steuerberater viele Ärzte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Kundschaft.<br />
Sie kontaktierten etliche davon.<br />
E<strong>in</strong> wenig war die Situation wie damals <strong>in</strong> Großwallstadt, als Uli<br />
ke<strong>in</strong>en neuen Vertrag als Handballer bekommen sollte, er zunächst geschockt<br />
war und dann die ganze Mannschaft mitgerissen hatte. Jetzt<br />
war Michael betroffen. Wie<strong>der</strong> waren sie zunächst wie paralysiert. Aber<br />
dieser Zustand dauerte nicht lange, dann schmiedeten sie geme<strong>in</strong>sam<br />
e<strong>in</strong>en Plan. Geme<strong>in</strong>sam gegen die Ungeheuerlichkeit, so früh Krebs<br />
bekommen zu haben. Und wie<strong>der</strong> nutzten die Roths ihr Netzwerk aus.<br />
Damals waren es die Mannschaftskameraden gewesen, die sie überzeugten.<br />
Geme<strong>in</strong>sam wurden sie dann Deutscher Meister. <strong>Die</strong>smal waren<br />
es Freunde und Bekannte, die sie kontaktierten, um zur Lösung ihres<br />
Problems beizutragen.<br />
Michael hatte bereits e<strong>in</strong>en festen OP-Term<strong>in</strong> bei se<strong>in</strong>em<br />
Schwe<strong>in</strong>furter Urologen, e<strong>in</strong>em Mann, dem er vertraute und <strong>der</strong> das<br />
Verdienst hatte, den <strong>Tumor</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenbar sehr frühen Stadium<br />
entdeckt zu haben. Aber Bonfig und se<strong>in</strong>e Kollegen hatten auch ke<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>wände, als Roth sagte, er wolle weitere Me<strong>in</strong>ungen hören, bevor<br />
er sich im Leopold<strong>in</strong>a operieren lasse. <strong>Der</strong> langjährige Freund und<br />
ehemalige Mannschaftsarzt Stefan Maibaum gab ihm den Tipp, Kontakt<br />
mit Professor Maurice Stephan Michel, dem Chefarzt <strong>der</strong> Urologischen<br />
Uni-Kl<strong>in</strong>ik Mannheim, aufzunehmen. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er empfahl<br />
ihnen Großha<strong>der</strong>n <strong>in</strong> München. Sie hatten auch von <strong>der</strong> Mart<strong>in</strong>i-Kl<strong>in</strong>ik<br />
im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE) gehört,<br />
56<br />
57
Michael Roth: Diagnose Krebs<br />
Michael Roth: Diagnose Krebs<br />
e<strong>in</strong>em Krankenhaus, das nur Behandlungen an <strong>der</strong> <strong>Prostata</strong> vornimmt.<br />
Mart<strong>in</strong> Schwalb, <strong>der</strong> alte Freund aus <strong>der</strong> Handball-Nationalmannschaft<br />
und vom TV Großwallstadt, <strong>der</strong> <strong>in</strong>zwischen den Hamburger<br />
SV Handball tra<strong>in</strong>ierte, hörte sich <strong>in</strong> Ärztekreisen über den<br />
Ruf <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik um.<br />
Am Montagabend, dem Tag vor <strong>der</strong> Abreise aus Kitzbühel, sagt<br />
Michael Roth, »war ich völlig relaxed«. Er konnte sich weiterh<strong>in</strong> gut<br />
vorstellen, sich <strong>in</strong> Schwe<strong>in</strong>furt operieren zu lassen. Aber er wollte sich<br />
zuvor die Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> Mannheim, München und Hamburg anschauen,<br />
und er hatte bereits Kontakt mit den Professoren aufgenommen.<br />
Großha<strong>der</strong>n strich er schnell von <strong>der</strong> Liste, weil es dort e<strong>in</strong>ige Zeit gedauert<br />
hätte, bis er sich mit se<strong>in</strong>er Krankheit hätte vorstellen können.<br />
An diesem letzten Abend <strong>in</strong> Kitzbühel saßen sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Restaurant,<br />
als e<strong>in</strong>e Gruppe junger Frauen here<strong>in</strong>kam, von denen e<strong>in</strong>e Geburtstag<br />
hatte, und so feierten die Roths und ihr Freund mit ihnen bis<br />
morgens um fünf. »Viel später erzählte ich e<strong>in</strong>er von ihnen, dass ich<br />
Krebs hätte«, sagt Michael Roth. »<strong>Die</strong> wollte das zunächst gar nicht<br />
glauben, weil wir <strong>in</strong> dieser Nacht so gut drauf waren.«<br />
Danach startete Michael Roth se<strong>in</strong>e Ärztetour. Er sprach mit Professor<br />
Michel <strong>in</strong> Mannheim, e<strong>in</strong>em jungen, engagierten Mann, <strong>der</strong> sich<br />
viel Zeit für ihn nahm. Als er die Ergebnisse <strong>der</strong> Biopsie analysiert hatte,<br />
sah auch er ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Wahl als die sofortige Entfernung <strong>der</strong> <strong>Prostata</strong>.<br />
Er selbst bot an, mit <strong>der</strong> sogenannten Da-V<strong>in</strong>ci-Methode zu operieren.<br />
Bei diesem Verfahren assistiert e<strong>in</strong> OP-Computer dem<br />
Urologen, <strong>der</strong> Schnitt <strong>in</strong> die Bauchdecke ist m<strong>in</strong>imal, <strong>der</strong> Aufwand für<br />
die OP deshalb ger<strong>in</strong>ger als bei <strong>der</strong> traditionellen Methode. Das überzeugte<br />
Roth. Mannheim war nun se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Favorit, trotzdem<br />
wollte er sich am nächsten Tag noch die Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Hamburg ansehen.<br />
<strong>Die</strong> Mart<strong>in</strong>i-Kl<strong>in</strong>ik ist e<strong>in</strong>e privatwirtschaftlich organisierte Tochtergesellschaft<br />
des UKE. Solche E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d nicht unumstritten,<br />
weil sie <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie darauf aus s<strong>in</strong>d, Gew<strong>in</strong>ne zu erzielen und<br />
damit dem Gesundheitswesen Geld zu entziehen. Außerdem forcieren<br />
sie e<strong>in</strong>e Zwei-Klassen-Mediz<strong>in</strong>, weil sie sich überwiegend an Privatver-<br />
sicherte und Selbstzahler wenden. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite bieten diese<br />
Institute meist hochklassige Mediz<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen Service<br />
statt <strong>der</strong> Massenabfertigung <strong>in</strong> vielen Allgeme<strong>in</strong>krankenhäusern.<br />
Auf dem Gelände des UKE gibt es weiterh<strong>in</strong> noch die traditionelle<br />
Urologische Abteilung des Kl<strong>in</strong>ikums, aber die Mart<strong>in</strong>i-Kl<strong>in</strong>ik behandelt<br />
ausschließlich Männer mit <strong>Prostata</strong>krebs. Sie wurde 2004 auf<br />
Initiative von Professor Hartwig Huland, e<strong>in</strong>em weltweit anerkannten<br />
Operateur für <strong>Prostata</strong>karz<strong>in</strong>om, gegründet. Anfangs waren nur die<br />
privaten Kassen bereit, den Pauschalpreis von rund 15 000 Euro pro<br />
Behandlung zu bezahlen. »Wir hätten gern schon von Beg<strong>in</strong>n an auch<br />
Kassenpatienten behandelt«, erklärt Huland, aber <strong>der</strong> Krankenhausbedarfsplan<br />
habe dagegen gesprochen. »Nun aber s<strong>in</strong>d wir stolz darauf,<br />
dass auch e<strong>in</strong>ige gesetzliche Krankenkassen mit uns kooperieren<br />
und Patienten schicken.« Etwa mit <strong>der</strong> Deutschen Angestellten Krankenkasse<br />
(DAK) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Techniker Krankenkasse (TK) gibt es entsprechende<br />
Verträge. Inzwischen gelten Huland und se<strong>in</strong>e beiden<br />
Chefarztkollegen mit jährlich rund tausend radikalen Prostatektomien<br />
weltweit als Marktführer. Selbst die großen Spezialkl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> den USA<br />
nehmen nicht mehr E<strong>in</strong>griffe im Jahr vor.<br />
<strong>Die</strong> Mart<strong>in</strong>i-Kl<strong>in</strong>ik ist e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Oase <strong>in</strong>mitten des riesigen<br />
UKE-Reichs, <strong>in</strong> dem jährlich mehrere Zehntausend Menschen behandelt<br />
werden. Es herrscht e<strong>in</strong> ruhiger Tonfall, ke<strong>in</strong>e Hektik, am<br />
Empfang steht e<strong>in</strong> Kaffeeautomat, <strong>der</strong> jedem frei zugänglich ist. Es<br />
gibt fast ausschließlich E<strong>in</strong>zelzimmer, die geräumig und geschmackvoll<br />
e<strong>in</strong>gerichtet s<strong>in</strong>d.<br />
Huland nahm sich zwei Stunden Zeit für das Gespräch mit Roth<br />
– so wie bei jedem Patienten. Wobei Michael Roth e<strong>in</strong> Son<strong>der</strong>fall war,<br />
weil er alle<strong>in</strong> zu ihm kam. <strong>Die</strong> meisten an<strong>der</strong>en Männer br<strong>in</strong>gen ihre<br />
Ehefrauen mit. »Und es s<strong>in</strong>d auch die Frauen, die die meisten Fragen<br />
stellen«, sagt Huland.<br />
Wie se<strong>in</strong>e Kollegen Bonfig und Michel war auch Huland <strong>der</strong> Überzeugung,<br />
dass bei Michael Roth nur die sogenannte radikale Prostatektomie<br />
<strong>in</strong>frage kommt. <strong>Der</strong> <strong>Tumor</strong> schien klar abgegrenzt zu se<strong>in</strong>.<br />
58<br />
59
Michael Roth: Diagnose Krebs<br />
Michael Roth: Diagnose Krebs<br />
Zudem war Michael Roth jung, die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass sich Muskeln<br />
und Nerven nach dem E<strong>in</strong>griff wie<strong>der</strong> erholen würden, war deshalb<br />
sehr hoch. Hulands Statistiken besagen, dass 95 Prozent se<strong>in</strong>er<br />
Patienten weiterh<strong>in</strong> ihre Fähigkeit besitzen, das Wasser zu halten, und<br />
90 Prozent <strong>der</strong> Patienten potent bleiben, vorausgesetzt, sie waren auch<br />
vorher sexuell aktiv. Noch besser seien die Bed<strong>in</strong>gungen bei e<strong>in</strong>em körperlich<br />
so gut tra<strong>in</strong>ierten Mann wie Michael Roth.<br />
Im Juli o<strong>der</strong> August könne er ihn operieren, me<strong>in</strong>te Huland. Für<br />
Roth war das viel zu spät. »Das D<strong>in</strong>g muss raus«, entgegnete er. Außerdem<br />
beg<strong>in</strong>ne im Sommer se<strong>in</strong> neuer Job <strong>in</strong> Wetzlar, da wolle er wie<strong>der</strong><br />
fit se<strong>in</strong>. Huland schaute noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Term<strong>in</strong>kalen<strong>der</strong><br />
nach und bot schließlich den 30. April als OP-Term<strong>in</strong> an. Dann müsse<br />
er an diesem Tag eben drei Männer behandeln, für gewöhnlich nehme<br />
er pro Tag maximal zwei E<strong>in</strong>griffe vor.<br />
Als Huland und Michael Roth über die Ursachen des Karz<strong>in</strong>oms<br />
und die möglichen Folgen sprachen, wollte <strong>der</strong> Professor wissen, ob<br />
Michael noch Brü<strong>der</strong> habe. Michael erzählte von se<strong>in</strong>em Zwill<strong>in</strong>gsbru<strong>der</strong>.<br />
Als Huland das hörte, drängte er darauf, dass sich auch Uli testen<br />
lasse solle. Und zwar dr<strong>in</strong>gend. Dass Zwill<strong>in</strong>gsbrü<strong>der</strong> gefährdet s<strong>in</strong>d,<br />
hatten ihm zwar bereits Bonfig und Michel gesagt, aber so recht ernst<br />
hatte es beson<strong>der</strong>s Uli zunächst nicht genommen. Schließlich g<strong>in</strong>g<br />
auch er regelmäßig zur <strong>Prostata</strong>krebs-Früherkennung, und nie war etwas<br />
aufgefallen.<br />
Huland gab Michael Roth noch e<strong>in</strong>e dicke blaue Mappe mit allen<br />
wichtigen Informationen mit, und als er damit über den Kl<strong>in</strong>ikflur<br />
g<strong>in</strong>g, kam ihm e<strong>in</strong>e Krankenpfleger<strong>in</strong> entgegen. Sie wussten sofort,<br />
dass sie sich kannten, nur nicht woher und wann sie sich zuletzt gesehen<br />
hatten. Sie tauschten ihre Telefonnummern aus.<br />
Nach dem Gespräch setzte sich Michael Roth <strong>in</strong>s Auto, um die<br />
sechshun<strong>der</strong>t Kilometer zurück nach Hause zu fahren. Er legt auch<br />
solche weiten Strecken gern mit dem Wagen zurück, »weil ich dabei<br />
gut nachdenken kann«. Jetzt musste er viel nachdenken. Irgendwie<br />
fühlte er sich weiter bei Bonfig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, auch <strong>der</strong> Mannheimer<br />
Michel hatte ihm »sehr gut gefallen«. Und se<strong>in</strong>e Familie hatte ihn gebeten,<br />
doch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe von Leutershausen zu bleiben, damit sie ihn<br />
leichter besuchen könne. Und e<strong>in</strong>ige Freunde hatten ihn gewarnt. Er<br />
solle nicht auf die Hochglanzbroschüren e<strong>in</strong>iger Kl<strong>in</strong>iken here<strong>in</strong>fallen<br />
und sich nicht blenden lassen.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite hatte ihm dieser Huland imponiert – diese<br />
offene, eloquente und elegante Art des Siebenundsechzigjährigen.<br />
<strong>Der</strong> Professor war zudem weltweit e<strong>in</strong>e Kapazität und machte nur<br />
<strong>Prostata</strong>operationen. Und s<strong>in</strong>d nicht die Fachleute, die sich auf e<strong>in</strong>en<br />
e<strong>in</strong>zigen E<strong>in</strong>griff konzentrieren, die Besten Ähnlich wie im<br />
<strong>Prostata</strong>-Patienten Uli und Michael Roth, Professor Hartwig Huland:<br />
»Das D<strong>in</strong>g muss raus.«<br />
60<br />
61
Michael Roth: Diagnose Krebs<br />
Handball, wo es auch den Kreisläufer, den Mittelmann und die Außen<br />
gibt und je<strong>der</strong> auf se<strong>in</strong>er Position ganz genau weiß, was er <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
jeweiligen Situation zu tun hat Michael war <strong>in</strong> den vergangenen Tagen<br />
seit <strong>der</strong> Biopsie e<strong>in</strong>es ganz klar geworden: »Hier geht es jetzt nur<br />
noch um mich. Und es geht darum, wo ich mich gefühlsmäßig am<br />
meisten aufgehoben fühle.«<br />
Michael Roth rauschte über die Autobahn und machte sich se<strong>in</strong>e<br />
Gedanken, als er e<strong>in</strong>en Anruf auf se<strong>in</strong>em Mobiltelefon erhielt. Es war<br />
Dennise, die OP-Schwester, die er auf dem Flur wie<strong>der</strong>gesehen hatte.<br />
Ihr war e<strong>in</strong>gefallen, wo sie sich kennengelernt hatten: vor Jahren auf e<strong>in</strong>er<br />
Ski-Freizeit. Sie redeten sehr <strong>in</strong>tensiv mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, und Dennise erzählte,<br />
dass sie bereits sehr lange OP-Schwester bei Huland sei. Und<br />
dann sagte sie noch e<strong>in</strong>en Satz: »Ich will ke<strong>in</strong>e Werbung für unsere Kl<strong>in</strong>ik<br />
machen, aber wenn du me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> wärst, dann würde ich dich<br />
auf jeden Fall zu Professor Huland schicken.« Am nächsten Morgen<br />
rief Michael Roth <strong>in</strong> Hamburg an und bestätigte se<strong>in</strong>en Operationsterm<strong>in</strong><br />
für den 30. April.<br />
62