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Naturwissenschaft und Glaube - Vandenhoeck & Ruprecht

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<strong>und</strong> lässt sich kaum widerlegen. Allerdings verläuft<br />

seine Stoßrichtung nicht so, wie die Theisten wollen,<br />

sondern genau umgekehrt. Richtig angewandt, kommt<br />

das Unwahrscheinlichkeitsargument nämlich einem<br />

Beweis, dass Gott nicht existiert, sehr nahe.<br />

Die falsche Vereinnahmung des Unwahrscheinlichkeitsarguments<br />

durch die Kreationisten 1 hat die<br />

immer gleiche allgemeine Form […]. Stets wird ein<br />

Phänomen, das man beobachtet – häufig ein Lebewesen<br />

oder eines seiner komplizierten Organe, manchmal<br />

aber auch alles mögliche andere vom Molekül<br />

bis zum ganzen Universum – , zu Recht als statistisch<br />

unwahrscheinlich herausgestellt. Manchmal bedient<br />

man sich der Sprache der Informatik: dann soll der<br />

Darwinist erklären, woher die vielen Informationen<br />

in den Lebewesen stammen, wobei der Informationsgehalt<br />

im fachsprachlichen Sinn als Maß für die Unwahrscheinlichkeit<br />

oder den »Überraschungswert«<br />

herangezogen wird. Oder man bedient sich des abgedroschenen<br />

Mottos der Wirtschaftswissenschaftler:<br />

Nichts ist umsonst, von nichts kommt nichts – <strong>und</strong><br />

wirft dem Darwinismus vor, er wolle etwas umsonst<br />

bekommen. Wie ich jedoch in diesem Kapitel nachweisen<br />

werde, ist die Darwin’sche natürliche Selektion<br />

die einzige bekannte Antwort auf die ansonsten<br />

unlösbare Frage, woher die Informationen stammen.<br />

Und dann wird sich herausstellen, dass es ausgerechnet<br />

die Gotteshypothese ist, die versucht, etwas umsonst<br />

zu bekommen. Das Gebilde, das man durch die<br />

Berufung auf einen Gestalter erklären will, mag noch<br />

so unwahrscheinlich sein, der Gestalter selbst ist es<br />

mindestens ebenso. […]<br />

Die Wissenschaft hat gewisse Schwierigkeiten, X zu<br />

erklären Kein Problem. Man sollte X keines Blickes<br />

mehr würdigen. Wir berufen uns einfach auf Gottes<br />

unendliche Macht <strong>und</strong> erklären X (genau wie alles<br />

andere) ganz mühelos; das ist immer eine höchst einfache<br />

Erklärung, denn schließlich gibt es ja nur einen<br />

Gott. Was könnte einfacher sein<br />

Nun ja, in Wirklichkeit fast alles. Ein Gott, der ständig<br />

den Zustand eines jeden Teilchens im Universum<br />

überwacht <strong>und</strong> kontrolliert, kann nicht einfach sein.<br />

Seine Existenz erfordert schon als solche eine ungeheuer<br />

umfangreiche Erklärung. […]<br />

Wenn Gott den Menschen tatsächlich etwas mitteilt,<br />

liegt diese Tatsache ganz eindeutig nicht außerhalb<br />

der <strong>Naturwissenschaft</strong>. Gott platzt aus seinem<br />

wie auch immer gearteten außerweltlichen Revier,<br />

das sein gewöhnlicher Aufenthaltsort ist, in unsere<br />

Welt, wo seine Mitteilungen von menschlichen Gehirnen<br />

aufgenommen werden können – <strong>und</strong> dieses<br />

Phänomen soll nichts mit Wissenschaft zu tun haben<br />

Und zweitens: Ein Gott, der an Millionen Menschen<br />

zur gleichen Zeit verständliche Signale sendet<br />

<strong>und</strong> von allen gleichzeitig Signale empfängt, kann bei<br />

allen Eigenschaften, die er sonst noch besitzt, nicht<br />

einfach sein.<br />

1<br />

Kreationisten: Kreationisten halten die Schöpfungsberichte der<br />

Bibel im wörtlichen Sinne für eine faktisch genaue Erklärung der<br />

Weltentstehung.<br />

Dawkins, Richard: Der Gotteswahn. Berlin 7 2007. S. 155–157<br />

<strong>und</strong> 210–217.<br />

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Aufgaben:<br />

1. Erklären Sie in eigenen Worten, welche Vorstellung von Gott Dawkins im Text kritisiert.<br />

2. Warum spricht nach Dawkins das Unwahrscheinlichkeitsargument nicht für, sondern gegen die Existenz<br />

Gottes<br />

3. Analysieren Sie, wie Dawkins die Sprache einsetzt, um seine Leser zu überzeugen.<br />

RECHERCHE-PROJEKT<br />

Richard Dawkins<br />

Mit seinem Buch Der Gotteswahn stieß Richard Dawkins 2006 eine<br />

kontroverse Diskussion um das Thema <strong>Naturwissenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Glaube</strong><br />

an. Nutzen Sie externe Quellen wie Bibliothek oder Internet, um mehr<br />

darüber herauszufinden. Stellen Sie Ihre Ergebnisse im Plenum vor.<br />

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