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und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

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Jacob L. Talmon, Die Geschichte der totalitären Demokratie, Band III<br />

Die Entfaltung der Dichotomie 23<br />

des ererb ten Pri vi legs <strong>und</strong> tief ver wur zel te sozia le Unge rech tig kei ten zu akzep -<br />

tie ren. Para do xer wei se waren es die rück stän di gen, unge bil de ten <strong>und</strong> bru tal<br />

unterdrückten Bauernmassen in Russland <strong>und</strong> Spanien, die Napoleon – dem<br />

Erben der Fran zö si schen Revo lu ti on – den hart nä ckigs ten <strong>und</strong> effek tivs ten<br />

Widerstand entgegensetzten. Diese Form des Nationalismus wurde von feudalen<br />

<strong>und</strong> kle ri ka len Schrift stel lern in ganz Euro pa, wie Gentz, Adam Mül ler,<br />

Arnim <strong>und</strong> ande ren, gepre digt, doch in Deutsch land auch von ras sis ti schen<br />

Populisten revolutionärer Färbung wie Arndt, Kleist <strong>und</strong> Jahn zwischen dem<br />

Deba kel von Jena <strong>und</strong> dem vater län di schen Erwa chen unter stützt, das nicht<br />

in geringem Maße zum Sieg der Nationen über Napoleon in der Völkerschlacht<br />

bei Leipzig 1813 beitrug. Von verhängnisvoller Bedeutung war die Geburt des<br />

teu to ni schen Mythos – eine Radi ka li sie rung <strong>und</strong> Uni ver sa li sie rung von Bur -<br />

kes Ideen zur präskriptiven Tradition –, der den deutschen Widerstand gegen<br />

Napoleon als Nachbildung der Verteidigung der deutschen Authentizität durch<br />

Hermann den Cherusker gegen Roms Versuche darstellte, im Namen des universellen<br />

Naturrechts Uniformität aufzuerlegen. 7<br />

Komplizierter war die Position der französisch - theokratischen Reaktionäre<br />

wie de Mais tre <strong>und</strong> de Bonald. Sie muss ten irgend wie das Pos tu lat einer end -<br />

gültigen absoluten moralischen Sanktion – katholischer Universalismus <strong>und</strong><br />

päpstliche Unfehlbarkeit – als Antwort auf die rationalistische Apotheose der<br />

abs trak ten Ver nunft mit der Beson der heit des natio na len geschicht li chen<br />

Erbes in Einklang bringen – einem etwas relativeren Paradigma. In Anlehnung<br />

an Burke machten sie die religiöse Vergangenheit zu einem wesentlichen Teil<br />

der historischen Persönlichkeit der Nation.<br />

Die gro ße Debat te zwi schen dem revo lu tio nä ren <strong>und</strong> dem kon ter re vo lu tio -<br />

nären Lager über die Bedeutung der Nation ließ künftige Entwicklungen vorausahnen.<br />

Die erste Position implizierte, dass die wahre Nation in ihrer sozusagen<br />

prädestinierten Form nur als Gemeinschaft auf der Basis von Gleichheit<br />

<strong>und</strong> Einmütigkeit entstehen konnte, nachdem – anachronistisch gesprochen –<br />

Klassenunterschiede <strong>und</strong> die Herrschaft der Klassen eliminiert <strong>und</strong> all jene,<br />

denen es an kultureller Nahrung mangelte, in die Lage versetzt worden waren,<br />

am kulturellen Streben der Nation teilzuhaben. Die zweite Position stellte die<br />

Nati on als plu ra lis ti sches Phä no men dar : His to ri sche Unter schie de muss ten<br />

als Äußerungen eines organischen Wesens hingenommen werden. Auf dialektische<br />

Weise wurden die rationalistischen Theoretiker der Freiheit dazu getrieben,<br />

die zwanghafte Auferlegung ideologischer <strong>und</strong> sozialer Muster zu verfechten,<br />

wäh rend es den Befür wor tern von Pri vi le gi en zu behaup ten ermög licht<br />

7 Vgl. Droz, Le Romantisme politique; Aris, History of Political Thought; Meinecke, Das<br />

Zeitalter der Deutschen Erhebung; Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert, Band 1, S. 283–315.<br />

© 2013, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 9783525310106 — ISBN E-Book: 9783647310107

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