Luxus ist kein Luxus - Deutschland
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LEADERS<br />
«Avenir Suisse löst grundsätzliches,<br />
ernsthaftes Nachdenken aus»<br />
Der Think Tank Avenir Suisse will mit wissenschaftlich fundierten Studien Impulse und Grundlagen für die<br />
öffentliche wirtschaftspolitische Diskussion vermitteln. In letzter Zeit haben insbesondere die Publikationen<br />
«Stadtland Schweiz» und «Umweltschutz auf Abwegen» Aufsehen erregt. Direktor Thomas Held gibt<br />
Auskunft. Interview: Andreas Schiendorfer, Redaktion Bulletin<br />
Andreas Schiendorfer Im Buch «Stadtland<br />
Schweiz» hat es Illustrationen, die den Eindruck<br />
erwecken, Avenir Suisse möchte die<br />
Schweiz zu einer riesigen Grossstadt verdichten.<br />
Bezwecken Sie damit eine Provokation,<br />
oder <strong>ist</strong> das Ganze eher eine Spielerei?<br />
Thomas Held Die Szenarien des holländischen<br />
Architekten Winni Maas sind sicher<br />
nicht als Masterplan für die Bundesverwaltung<br />
gedacht. Aber sie zeigen, wohin die<br />
Entwicklung gehen könnte und worüber man<br />
jetzt nachdenken muss. Wir glauben, dass<br />
die Schweiz als urbanes und international<br />
vernetztes Land zu betrachten <strong>ist</strong>, wenn sie<br />
wettbewerbsfähig bleiben soll. Die ausgeprägte<br />
Ländlichkeit, wie sie in gewissen<br />
Regionen Frankreichs ex<strong>ist</strong>iert, <strong>ist</strong> bei<br />
uns nicht mehr anzutreffen. Die Zersiedelung<br />
der Schweiz, die sehr hohe Infrastrukturausgaben<br />
pro Kopf erzeugt, führt zu einem<br />
ganz neuen Aggregatszustand, der durch<br />
das Nebeneinander und die gleichzeitige<br />
Durchdringung von städtischen, vorstädtischen<br />
und ländlichen Elementen geprägt<br />
wird. Die Visualisierungen zukünftiger<br />
Zustände sind zwar aus helvetisch-pragmatischer<br />
Sicht unreal<strong>ist</strong>isch, aber <strong>kein</strong>eswegs<br />
unverbindliche Spielerei.<br />
«Stadtland Schweiz» <strong>ist</strong> insofern also ernst zu<br />
nehmen, als es für eine nationale, gesamt-<br />
64 Credit Suisse Bulletin 6-03<br />
heitliche raumplanerische Sicht plädiert.<br />
Will Avenir Suisse den Schweizer Föderalismus<br />
abschaffen? Eher den Kern des<br />
Föderalismus retten. Tatsächlich klaffen ja<br />
Mythos und Realität immer weiter auseinander.<br />
In vielen Kantonen wird ein massgeblicher<br />
Teil des Staatshaushaltes mit<br />
Transfergeldern bestritten. Die Schweiz lebt<br />
von den städtischen Agglomerationen, in<br />
denen eine hohe Wertschöpfung erzielt wird.<br />
Diese Zentren muss man stärken, um die<br />
Position der Schweiz in der Welt zu sichern.<br />
Also mehr Schwerpunktbildung und Verdichtung<br />
als Randgebietförderung und<br />
Aufrechterhaltung der dezentralen Besiedelung<br />
um jeden Preis.<br />
Nehmen wir als konkretes Beispiel den Flughafen<br />
Kloten. Was halten Sie von der aktuellen<br />
Diskussion? Ganz sicher handelt es sich<br />
nicht um ein zürcherisches Problem. Der<br />
Flughafen <strong>ist</strong> eine nationale Infrastruktur,<br />
an der etwa sechs Prozent des Bruttoinlandprodukts<br />
hängen. Daher muss man<br />
nationale Entscheide fällen, an die sich<br />
alle zu halten haben, auch wenn dies natürlich<br />
im Einzelfall sehr unangenehm <strong>ist</strong>.<br />
Wer mit dem Fluglärm nicht leben kann, soll<br />
wegziehen? So weit würde ich nicht gehen.<br />
Aber ich habe schon sehr bewusst von<br />
«Entscheid» gesprochen und nicht von<br />
Avenir Suisse – der Think Tank der Schweizer Wirtschaft<br />
Avenir Suisse wird von folgenden Schweizer Firmen getragen: UBS, Swiss Re, Zurich<br />
Financial Services, Groupement des banquiers privés genevois, Roche, Novartis, ABB,<br />
Sulzer, Nestlé, Klaus J. Jacobs Holding, Kuoni Reisen Holding, McKinsey (Schweiz) und<br />
Credit Suisse Group. Mit einem Jahresbudget von rund 6,5 Millionen werden folgende<br />
Themenfelder bearbeitet: alternde Gesellschaft; Primarschule/Bildung, Deregulierung/<br />
Wettbewerbspolitik; Effizienz der Schweizer Institutionen/Föderalismus; Schweiz im<br />
internationalen Vergleich; Fiskalpolitik; Innovation/Technologietransfer. Avenir Suisse <strong>ist</strong><br />
unabhängig, orientiert sich aber an einem liberalen Welt- und Gesellschaftsbild.<br />
«Konsens». Die moderne Schweiz wäre<br />
nie entstanden, hätte man alle Fragen am<br />
runden Tisch behandelt, bis wirklich alle<br />
mit der Antwort zufrieden gewesen wären.<br />
In der direkten Demokratie der Schweiz, an<br />
die ich glaube, wird die ultimative Legitimation<br />
durch die Mehrheit erteilt.<br />
Um solche Legitimationsfragen geht es auch<br />
in der neusten Studie. Sie stellt das Verbandsbeschwerderecht<br />
in Frage. Nehmen wir<br />
wiederum ein konkretes Beispiel: Der VCS<br />
hat gegen das Stadion Zürich Rekurs eingelegt.<br />
Zu Recht? Der VCS nimmt seine<br />
gesetzlichen Rechte wahr. Sogar die Greina-<br />
Stiftung, die auch rekurriert hat, beruft sich<br />
auf Bundesrecht. Das zeigt doch, dass<br />
gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.<br />
Nach bald 20 Jahren Erfahrung mit dem<br />
Verbandsbeschwerderecht sollte die Politik<br />
eine kritische Bilanz ziehen. Die Gesetze<br />
wurden damals in erster Linie geschaffen,<br />
um die Berglandschaft zu schützen. Nun<br />
wendet sich das Umweltrecht mit seinem<br />
Parkplatzformalismus und seinem bürokratischen<br />
Vollzug gegen die grossen Zentren<br />
und verunmöglicht hier positive Entwicklungen.<br />
Deshalb <strong>ist</strong> es gut, dass Ständerat<br />
Hans Hofmann und Ex-Nationalrat Jakob<br />
Freund dieses Thema in parlamentarischen<br />
Initiativen aufgegriffen haben.<br />
Nach einen entsprechenden «Wink» von<br />
Avenir Suisse? Natürlich nicht. Ständerat<br />
Hofmann hatte eine Motion eingereicht,<br />
bevor es Avenir Suisse überhaupt gab.<br />
Avenir Suisse will sich nicht direkt in den<br />
politischen Prozess einmischen, sondern<br />
Grundlagenmaterial für die notwendigen<br />
Diskussionen liefern. Für die Lobbyarbeit<br />
sind wir gar nicht geeignet – darin unterscheiden<br />
wir uns grundlegend von den Wirtschaftsverbänden.<br />
Wir würden sonst<br />
Foto: Maurice Haas und Markus Bertschi