TV-Medium der Zukunft: Wohin geht die Reise? - publisuisse
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<strong>TV</strong> – <strong>Medium</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
<strong>Wohin</strong> <strong>geht</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>Reise</strong><br />
Experten,<br />
Konsumenten und<br />
Werber schätzen <strong>die</strong><br />
<strong>Zukunft</strong> des<br />
Fernsehens recht<br />
unterschiedlich ein.<br />
Dies zeigt <strong>die</strong><br />
Beurteilung <strong>der</strong> elf<br />
Trends aus <strong>der</strong><br />
Delphi-Stu<strong>die</strong> <strong>der</strong><br />
Publisuisse.<br />
Trotzdem lässt sich<br />
ein eindeutiges<br />
Fazit ziehen.<br />
Als Auftakt zu einer ganzen Reihe von Stu<strong>die</strong>n und Befragungen führte <strong>die</strong><br />
Zehnvier Marketingberatung im Auftrag <strong>der</strong> Publisuisse im ersten Quartal <strong>die</strong>ses<br />
Jahres eine schriftliche, standardisierte Expertenbefragung in zwei<br />
Befragungsrunden durch. Daraus gingen unter an<strong>der</strong>em insgesamt elf Trends<br />
hervor. Mehr dazu ist in Digi Trend 2-06 (in MTJ 5-06) ab Seite 18 zu lesen.<br />
Die elf Trends wurden sowohl von den Experten als auch von den Exponenten<br />
<strong>der</strong> Werbebranche (Vertreter von Werbetreibenden, Media- und<br />
Werbeagenturen) danach bewertet, in welchem Ausmass sie <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>nlandschaft<br />
<strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> verän<strong>der</strong>n werden. Dazu stand eine Skala von 1 (gering) bis<br />
5 (gross) zur Verfügung. Im Sinne einer Zusammenfassung zeigen wir in <strong>die</strong>ser<br />
Ausgabe <strong>die</strong> teilweise unterschiedlichen Beurteilungen <strong>die</strong>ser Trends durch<br />
Experten und Exponenten <strong>der</strong> Werbebranche auf und was sich daraus ableiten<br />
lässt. Ausserdem werfen wir einen Seitenblick auf <strong>die</strong> Einschätzung durch <strong>die</strong><br />
Konsumenten, <strong>die</strong> aber keine Noten vergaben. Der Vergleich zeigt, dass sich <strong>die</strong><br />
Trends in drei Gruppen glie<strong>der</strong>n: Solche mit grossen, solche mit mittleren und<br />
solche mit kleinen Abweichungen (siehe Grafiken auf Seite 24).<br />
«Freeriding»: Gefragt ist, was gratis ist<br />
Am stärksten gehen <strong>die</strong> Beurteilungen des Trends «Freeriding» auseinan<strong>der</strong>. Er<br />
stellt <strong>die</strong> Gratisnutzung in den Vor<strong>der</strong>grund. Die Me<strong>die</strong>nkonsumenten, und <strong>die</strong>s<br />
gelte beson<strong>der</strong>s für den <strong>TV</strong>-Sektor, seien es heute weitgehend gewohnt, dass sie<br />
einen (quasi) kostenlosen Zugriff auf Inhalte o<strong>der</strong> Me<strong>die</strong>nangebote hätten. Sie<br />
würden deshalb auch künftig alles unternehmen, was <strong>die</strong>sen kostenlosen<br />
Konsum ermöglicht bzw. gewährleistet.<br />
Dieser Trend wurde von den Experten mit einem Mittelwert von 2,7 an <strong>die</strong><br />
zweitletzte Stelle gesetzt. Werbetreibende sowie Vertreter von Media- und<br />
Werbeagenturen geben dagegen Note 4,0 bzw. 3,9. Bei ihnen liegt <strong>die</strong>ser Trend<br />
damit genau im Mittelfeld. Wie eine Spezialauswertung für Digi Trend zeigt,<br />
waren sich aber schon <strong>die</strong> Experten untereinan<strong>der</strong> sehr uneinig. Vor allem <strong>die</strong><br />
drei Vertreter von Werbe- und Media-Agenturen schätzten <strong>die</strong>sen Trend deutlich<br />
wichtiger ein, während <strong>die</strong> zwölf Vertreter von Forschung, Beratung und Me<strong>die</strong>n<br />
ihn für noch unwichtiger halten als <strong>der</strong> Durchschnitt. Die Konsumenten sind in<br />
<strong>die</strong>ser Frage eher gespalten. Einerseits wollen sie nicht noch mehr bezahlen,<br />
an<strong>der</strong>erseits geben sie für Qualität durchaus Geld aus.<br />
«Insperience»: <strong>TV</strong> wird zum Heimevent<br />
Recht unterschiedlich wird auch <strong>die</strong>ser Trend bewertet. Er besagt, dass <strong>der</strong><br />
Konsument – zumindest von Zeit zu Zeit – nach beson<strong>der</strong>en Me<strong>die</strong>nerlebnissen<br />
DIGITREND<br />
<strong>TV</strong> – <strong>Medium</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> 21
Illustration: Doris Oberne<strong>der</strong><br />
… in seine Einzelteile.<br />
Die Konsumenten<br />
sind auch hier<br />
gespalten.<br />
strebe, und zwar innerhalb <strong>der</strong> eigenen vier Wände. Daher komme allen<br />
Endgeräten und Angeboten eine spezielle Bedeutung zu, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se beson<strong>der</strong>en<br />
Erlebnisse zu Hause möglich machen. Im Mittelpunkt stehen zum Beispiel eine<br />
bessere Bildqualität durch HD<strong>TV</strong>, grosse LCD-Screens o<strong>der</strong> «Hometheater»-<br />
Lösungen.<br />
Das Bild ist hier sehr ähnlich wie beim «Freeriding». Die Exponenten<br />
<strong>der</strong> Werbewirtschaft beurteilen den Einfluss <strong>die</strong>ses Trends deutlich höher<br />
als <strong>die</strong> Experten. Und auch bezüglich Insperience ging das Urteil <strong>der</strong><br />
Experten ziemlich weit auseinan<strong>der</strong>. Die Agenturvertreter unter den Experten<br />
beurteilten den Trend genau gleich wie ihre Kollegen im Sample <strong>der</strong><br />
Werbewirtschaft. Die vier Experten aus dem Bereich Infrastruktur, Kabel<br />
und Telco gestehen <strong>die</strong>sem Trend nur eine sehr tiefe Bedeutung zu.<br />
Und <strong>die</strong> Konsumenten sind auch hier gespalten: Einen <strong>TV</strong>-Event (wie<br />
zum Beispiel eine Sportübertragung) in Gesellschaft zu geniessen,<br />
spricht dafür, das Bedürfnis, beim Fernsehen abzuschalten, spricht eher<br />
dagegen.<br />
22 <strong>TV</strong> – <strong>Medium</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> DIGITREND
«Lifestyling»: Geräte als Statussymbole<br />
Gleich stark wie bei «Insperience» weicht <strong>die</strong> Einschätzung bei <strong>die</strong>sem Trend ab.<br />
Er sieht Me<strong>die</strong>n-Endgeräte – ob iPod o<strong>der</strong> Flatscreen – als Lifestyle-Produkte. Im<br />
Bereich des Wohnumfeldes äussere sich das in <strong>der</strong> Haushaltausstattung mit<br />
dezenter Me<strong>die</strong>nelektronik. Der Fernseher werde flach, hänge gar wie ein Bild an<br />
<strong>der</strong> Wand, das Design trete in den Vor<strong>der</strong>grund. Die Me<strong>die</strong>nzukunft sei kabellos.<br />
Breitbandige, drahtlose Technologien würden sich durchsetzen, <strong>die</strong><br />
Konsumenten seien nicht gewillt, neue Verkabelungen in Kauf zu nehmen. Die<br />
Penetration von neuen Endgeräten werde zu einem erheblichen Teil vom<br />
Lifestyle-Beitrag getrieben. Die Anschaffung von LCD-<strong>TV</strong>-Geräten erfolge etwa<br />
primär, weil Flachbildschirme attraktiv und sichtbar hochpreisig seien – und nur<br />
am Rande, weil sie HD-Signale empfangen können.<br />
Auch das «Lifestyling» bewerten <strong>die</strong> Exponenten <strong>der</strong> Werbewirtschaft<br />
deutlich höher als <strong>die</strong> Experten, bei denen vor allem <strong>die</strong> Vertreter aus dem<br />
Bereich Infrastruktur, Kabel und Telco durch eine deutlich tiefere Bewertung<br />
auffallen. Die Konsumenten stimmen dem Trend nur bedingt zu. Für sie stehen<br />
<strong>die</strong> technischen Rahmenbedingungen und das Preis-/Leistungsverhältnis vor<br />
dem Design. Es ist allerdings bekannt, dass <strong>die</strong> Konsumenten dazu neigen, ihr<br />
Verhalten rationaler einzuschätzen, als es tatsächlich ist. Dies trifft ganz beson<strong>der</strong>s<br />
auf Männer im Zusammenhang mit technischen Geräten zu.<br />
«Simplicity»: Einfache Be<strong>die</strong>nung und Nutzung<br />
Uneinig sind sich Experten und Werbevertreter auch bezüglich des Trends, dass<br />
Me<strong>die</strong>nkonsumenten vermehrt das Bedürfnis nach Einfachheit und einer höheren<br />
Qualität ihres ohnehin schon knappen Zeitbudgets haben werden. Sie würden<br />
sich daher nach Endgeräten und Angeboten sehnen, <strong>die</strong> ihnen das tägliche<br />
Leben erleichtern und sich durch einfache Nutzungsmöglichkeit auszeichnen. So<br />
zum Beispiel einfach funktionierende Systemlösungen wie <strong>die</strong> iPod-Familie o<strong>der</strong><br />
Suchhilfen für Inhalte.<br />
Auch hier gehen <strong>die</strong> Meinungen bei den Experten zum Teil deutlich auseinan<strong>der</strong>.<br />
Während <strong>die</strong> Agenturvertreter analog zu den Befragten <strong>der</strong> Werbewirtschaft<br />
dem Trend einen vergleichsweise hohen Einfluss zubilligen, ist er für<br />
<strong>die</strong> Experten aus dem Bereich Forschung, Beratung, Me<strong>die</strong>n eher unwichtig. Dies<br />
ganz im Gegensatz zu den Konsumenten, für <strong>die</strong> Simplicity (gemeinsam mit<br />
Interestification) <strong>die</strong> zweithöchste Bedeutung hat.<br />
Für <strong>die</strong><br />
Konsumenten hat<br />
«Simplicity» <strong>die</strong><br />
zweithöchste<br />
Bedeutung.<br />
«Interestification»: Inhalt wichtiger als Anbieter<br />
Eine nur noch mittlere Abweichung ergibt sich beim Trend, dass im Mittelpunkt<br />
<strong>der</strong> Me<strong>die</strong>nnutzung künftig <strong>die</strong> inhaltlichen Interessen <strong>der</strong> Konsumenten stünden.<br />
Der Fokus liege noch stärker auf bestimmten, bevorzugten Inhalten (zum<br />
Beispiel Lieblingsserien). Der Anbieter <strong>der</strong> Inhalte sei weniger wichtig.<br />
Angebotsformen, <strong>die</strong> einen gezielteren Konsum interessieren<strong>der</strong> Inhalte ermöglichen,<br />
würden vorne liegen – zum Beispiel Video on Demand, fokussierte<br />
Spartenkanäle o<strong>der</strong> Internetservices wie Google Video.<br />
Am stärksten auf <strong>die</strong>sen Trend fahren <strong>die</strong> Werbetreibenden ab. Knapp vor<br />
Simplicity setzen sie ihn auf den Spitzenplatz. Die Beurteilung <strong>der</strong> Media- und<br />
Werbeagenturen liegt etwa zwischen <strong>die</strong>ser und <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> Experten.<br />
Interessanterweise beurteilen <strong>die</strong> 14 Experten aus dem Bereich <strong>TV</strong>-Sen<strong>der</strong> und<br />
Werbevermarkter <strong>die</strong>sen leicht unterdurchschnittlich. Sie wären davon auch am<br />
stärksten betroffen. Bei den Konsumenten erhält <strong>die</strong>ser Trend dagegen zusammen<br />
mit <strong>der</strong> Simplicity <strong>die</strong> zweithöchste Zustimmung.<br />
«Polarization»: Hochwertig o<strong>der</strong> einfach<br />
Bereits recht homogen wird <strong>die</strong>ser Trend eingeschätzt, <strong>der</strong> sich an an<strong>der</strong>en<br />
Sektoren (zum Beispiel Lebensmittel) orientiert und davon aus<strong>geht</strong>, dass auch im<br />
DIGITREND<br />
<strong>TV</strong> – <strong>Medium</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> 23
Trends mit grosser Abweichung<br />
Freeriding<br />
2,7<br />
4,0<br />
3,9<br />
3,9<br />
Insperience<br />
3,0<br />
3,8<br />
4,0<br />
4,0<br />
Lifestyling<br />
3,1<br />
3,9<br />
4,1<br />
4,1<br />
Simplicity<br />
3,5<br />
4,1<br />
4,2<br />
4,4<br />
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0<br />
Werbetreibende Werbeagenturen Mediaagenturen Experten<br />
1 = geringer, 5 = grosser Einfluss auf <strong>die</strong> <strong>TV</strong>-Landschaft <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Vor allem bezüglich «Freeriding» (Gratiszugang) sind sich Experten und Werbeleute uneinig.<br />
Trends mit mittlerer Abweichung<br />
Interestification<br />
3,7<br />
4,2<br />
4,1<br />
4,4<br />
Polarization<br />
3,2<br />
3,5<br />
3,7<br />
3,8<br />
Lighthousing<br />
2,5<br />
2,7<br />
2,9<br />
3,1<br />
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0<br />
Werbetreibende Werbeagenturen Mediaagenturen Experten<br />
1 = geringer, 5 = grosser Einfluss auf <strong>die</strong> <strong>TV</strong>-Landschaft <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Die These <strong>der</strong> Orientierung an den grossen Sen<strong>der</strong>n («Lighthousing») stösst generell auf wenig<br />
Zustimmung.<br />
Trends mit kleiner Abweichung<br />
Single-ization<br />
Interactionism<br />
Multiplicity<br />
De-Anchoring<br />
3,0<br />
3,0<br />
3,3<br />
3,3<br />
4,1<br />
4,1<br />
3,8<br />
3,8<br />
4,0<br />
3,8<br />
3,8<br />
3,8<br />
3,8<br />
3,8<br />
3,6<br />
3,7<br />
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0<br />
Werbetreibende Werbeagenturen Mediaagenturen Experten<br />
1 = geringer, 5 = grosser Einfluss auf <strong>die</strong> <strong>TV</strong>-Landschaft <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
Der von Ort und Zeit gelöste Me<strong>die</strong>nkonsum («De-Anchoring») wird von Fachleuten sehr homogen als<br />
wichtig beurteilt, stösst bei Konsumenten aber auf wenig Echo.<br />
Quelle: Delphi-Stu<strong>die</strong>, Publisuisse<br />
24 <strong>TV</strong> – <strong>Medium</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> DIGITREND
Me<strong>die</strong>nsektor noch deutlicher eine Polarisierung des Angebots erfolgen werde –<br />
nicht zuletzt auch durch den höheren Wettbewerbsdruck. Hochwertige, aufwendig<br />
produzierte Inhalte würden einfachen, massenhaften Inhalten für je<strong>der</strong>mann<br />
gegenüberstehen. Hochwertige Inhalte könnten dabei gegen Bezahlung angeboten<br />
werden, aber auch werbefinanziert, wenn <strong>die</strong> Inhalte eine qualifizierte und<br />
interessante Zielgruppe erreichen. Die Polarisierung gelte aber auch für Endgeräte:<br />
Einfachen, kostengünstigen Lösungen würden High-End-Systeme gegenüber<br />
stehen.<br />
Interessant ist hier vor allem <strong>der</strong> Aspekt, dass Konsumenten, <strong>die</strong> mit <strong>die</strong>sem<br />
Trend konfrontiert werden, ihn teilweise als «unsozial» kritisieren. Dem ist<br />
allerdings beizufügen, dass <strong>die</strong> Konsumenten ihn im Alltag nie wirklich bewusst<br />
erleben werden. Denn <strong>die</strong> Tatsache, dass bestimmte, speziell gefragte o<strong>der</strong> wertvolle<br />
Güter und Dienstleistungen teurer sind als an<strong>der</strong>e, ist ja schon längst<br />
Alltag und ein Grundpfeiler <strong>der</strong> Marktwirtschaft.<br />
«Lighthousing»: Grosse Sen<strong>der</strong> bleiben wichtig<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>die</strong>ses Trends gehen <strong>die</strong> Meinungen vor allem innerhalb <strong>der</strong><br />
Exponenten <strong>der</strong> Werbebranche auseinan<strong>der</strong>. Er besagt, dass sich <strong>der</strong> Me<strong>die</strong>nkonsument<br />
angesichts <strong>der</strong> technischen Schnelllebigkeit, Unübersichtlichkeit und<br />
Intransparenz an wenigen medialen Leuchttürmen orientiere. Dazu zählten <strong>die</strong><br />
klassischen, etablierten drei bis fünf grossen <strong>TV</strong>-Sen<strong>der</strong>, auf <strong>die</strong> ungeachtet des<br />
Kommens und Gehens von Spartensen<strong>der</strong>n weiterhin ein Grossteil des <strong>TV</strong>-Konsums<br />
entfallen werde. Als Orientierungsschemata <strong>die</strong>nten auch <strong>die</strong> Sendepläne<br />
und damit <strong>die</strong> klassische, lineare und passive <strong>TV</strong>-Nutzung, <strong>die</strong> dem Konsumenten<br />
ein «Abschalten» ermögliche.<br />
Interessanterweise messen <strong>die</strong> Werbetreibenden aus <strong>der</strong> Wirtschaft <strong>die</strong>sem<br />
Trend einen deutlich höheren Einfluss auf <strong>die</strong> Entwicklung des Fernsehens zu als<br />
<strong>die</strong> Fachleute in den Media-Agenturen. Die Experten sind sich hier dagegen weitgehend<br />
einig. Die Konsumenten sehen <strong>die</strong>sen Trend auch – aber nicht absolut.<br />
Solange ihr bevorzugtes Set an bevorzugten Sen<strong>der</strong>n ein befriedigendes Angebot<br />
hat, orientieren sie sich tatsächlich an <strong>die</strong>sem Angebot. Wenn das aber nicht <strong>der</strong><br />
Fall ist, wird ausgewichen. Dazu ist anzumerken, dass <strong>die</strong>s angesichts <strong>der</strong> immer<br />
weiter divergierenden Publikumsinteressen auch immer häufiger vorkommen wird.<br />
«Single-ization»: Individualisierter Me<strong>die</strong>nkonsum<br />
Von allen Gruppen hoch bewertet wird <strong>der</strong> Trend, dass <strong>der</strong> Me<strong>die</strong>nkonsum in<br />
hohem Masse individualisiert werde. Je<strong>der</strong> einzelne Konsument entscheide als<br />
«Programmdirektor», was er wann und wo konsumiert. Dies könne zum Beispiel<br />
mit Hilfe eines «personalized device» erfolgen, das heisst mit einem einzigen<br />
Gerät für Empfang, Wie<strong>der</strong>gabe und Austausch von unterschiedlichen Me<strong>die</strong>ninhalten<br />
(wie Audio, Video, Game usw.). Durchsetzen würden sich insbeson<strong>der</strong>e<br />
Hilfsmittel und Services zur Zusammenstellung von Inhalten nach individuellen<br />
Präferenzen sowie Technologien und Angebote, <strong>die</strong> den zeitversetzten und<br />
mobilen Me<strong>die</strong>nkonsum unterstützten.<br />
Hier sind sich Experten, Exponenten <strong>der</strong> Werbebranche und Konsumenten<br />
einig. Die Konsumenten stimmen <strong>die</strong>sem Trend als einzigem in hohem Mass zu.<br />
Vielleicht ist das tatsächlich <strong>der</strong> wichtigste Trend.<br />
«Polarization»<br />
wird recht homogen<br />
eingeschätzt.<br />
Die Konsumenten<br />
sehen <strong>die</strong>sen<br />
Trend auch – aber<br />
nicht absolut.<br />
Vielleicht ist das<br />
<strong>der</strong> wichtigste<br />
Trend.<br />
«Interactionism»: einkaufen und mitgestalten<br />
Im Gegensatz zur Single-ization stimmen <strong>die</strong> Konsumenten <strong>die</strong>sem Trend überhaupt<br />
nicht zu. Er besagt, dass Konsumenten in zunehmendem Masse<br />
Interaktionsmöglichkeiten in Anspruch nehmen und gezielt nach interaktiven<br />
Angeboten und Services Ausschau halten würden. Dabei gehe es einerseits um<br />
interaktive Angebote wie Wettbewerbe, Gewinnspiele o<strong>der</strong> Einkaufsmöglichkeiten.<br />
An<strong>der</strong>erseits gehe es aber auch um <strong>die</strong> Auswahl von «Content on<br />
DIGITREND<br />
<strong>TV</strong> – <strong>Medium</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> 25
Kaum Unterschiede<br />
gibt es bei <strong>der</strong><br />
«Multiplicity».<br />
demand» (zum Beispiel dadurch, dass man mitbestimmt, wie eine Lieblingsserie<br />
weiter<strong>geht</strong>) und <strong>die</strong> aktive Mitgestaltung des Angebots (indem man beispielsweise<br />
eigene Vorschläge zum Plotverlauf einbringen kann). Interaktion wird<br />
dabei über verschiedene Endgeräte und Rückkanäle erfolgen.<br />
Sowohl Experten als auch <strong>die</strong> Exponenten <strong>der</strong> Werbebranche billigen <strong>die</strong>sem<br />
Trend einen vergleichsweise geringen Einfluss auf <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>nlandschaft zu.<br />
Sie stimmen also weitgehend mit den Konsumenten überein. Die Swisscom hat<br />
es in <strong>der</strong> Hand, mit ihrem Betty-<strong>TV</strong> das Gegenteil zu beweisen.<br />
«Multiplicity»: Mehr Angebote und Angebotsmodelle<br />
Kaum Unterschiede gibt es bei <strong>der</strong> Multiplicity, <strong>die</strong> davon aus<strong>geht</strong>, dass <strong>die</strong><br />
Me<strong>die</strong>nlandschaft künftig von einer Vielzahl koexistieren<strong>der</strong> Angebotsmodelle<br />
geprägt sein werde. Pay-<strong>TV</strong> gewinne neben dem Free-<strong>TV</strong> an Bedeutung. Video on<br />
demand werde für breite Nutzerschichten alltäglich, Abonnements<strong>die</strong>nste stünden<br />
dabei an <strong>der</strong> Seite von Pay-per-View-Angeboten. Die <strong>TV</strong>-Landschaft sei durch<br />
eine Vielfalt an Spartenprogrammen gekennzeichnet, von Themenkanälen für spezielle<br />
Interessen über Lokalfernsehen bis hin zu Community-Sen<strong>der</strong>n. Dieser Trend<br />
betrifft vor allem <strong>die</strong> Anbieterseite und <strong>die</strong> Marktstruktur. Nach Einschätzung <strong>der</strong><br />
Zehnvier Marketingberatung, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>nrealisierung verantwortlich ist,<br />
kann er deshalb nicht sinnvoll mit den Konsumenten diskutiert werden.<br />
«De-Anchoring»: Befreiung von Raum und Zeit<br />
Praktisch einheitlich wird auch das «De-Anchoring» beurteilt. Der Trend <strong>geht</strong> davon<br />
aus, dass <strong>die</strong> heutigen räumlichen und zeitlichen Verankerungen des Me<strong>die</strong>nkonsums<br />
umfassend gelöst würden. Einerseits durch eine «Enträumlichung», indem<br />
er ortsunabhängig und überall möglich werde. An<strong>der</strong>erseits gehe damit eine<br />
Auflösung <strong>der</strong> zeitlichen Bindungen einher. Konsumiert werden könne je<strong>der</strong>zeit,<br />
zeitversetzt, ganz nach Bedarf. Daher würden sich Technologien durchsetzen, <strong>die</strong><br />
den räumlich und zeitlich unabhängigen Me<strong>die</strong>nkonsum unterstützten. Bei den<br />
Endgeräten etwa Mobile Viewer, <strong>TV</strong>-Handys und PVR, im Angebotsbereich speziell<br />
auf den mobilen Me<strong>die</strong>nkonsum zugeschnittene Formate. Dieser bei Experten an<br />
dritter Stelle und bei Werbevertretern immerhin im Mittelfeld platzierte Trend findet<br />
bei den Konsumenten kein grosses Echo. Tiefer bewertet werden von ihnen nur<br />
noch <strong>die</strong> Polarization und <strong>der</strong> Interactionism. Die Konsumenten bewerteten es in<br />
den Gruppengesprächen sogar positiv, dass es auch Orte mit Ruhe vor dem <strong>TV</strong> gibt.<br />
Die <strong>Zukunft</strong><br />
gehört <strong>der</strong><br />
«Single-ization».<br />
Die <strong>Zukunft</strong> gehört dem individualisierten Me<strong>die</strong>nkonsum<br />
Will man aus den oben zusammengefassten Einschätzungen ein Fazit ziehen,<br />
kann man <strong>die</strong> These aufstellen, dass <strong>die</strong> am einheitlichsten beurteilten Trends<br />
auch <strong>die</strong> grösste Wahrscheinlichkeit haben, <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>nlandschaft <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> zu<br />
beeinflussen. Stimmt <strong>die</strong>se These, gehört <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> eindeutig <strong>der</strong> Single-ization,<br />
also dem individualisierten Me<strong>die</strong>nkonsum. Die Konsumenten beurteilen<br />
ihn in hohem Mass als für sie selber relevant, zutreffend o<strong>der</strong> wünschenswert. Die<br />
Experten setzen ihn zusammen mit <strong>der</strong> Multiplicity (<strong>die</strong> <strong>der</strong> Single-ization in keiner<br />
Weise wi<strong>der</strong>spricht) auf Platz eins. Bei den Vertretern <strong>der</strong> Werbebranche<br />
kommt <strong>die</strong> Single-ization immerhin (zusammen mit dem Lifestyling) auf den dritten<br />
Platz. Als deutlich wichtiger beurteilen <strong>die</strong> Werbevertreter <strong>die</strong> Simplicity<br />
(einfache Be<strong>die</strong>nung und Nutzen) sowie <strong>die</strong> Interestification (Inhalt wichtiger<br />
als Anbieter). Beide Trends stehen bei den Konsumenten gemeinsam auf Platz<br />
zwei. Auch <strong>die</strong>s kein Wi<strong>der</strong>spruch. Denn bei näherer Betrachtung unterscheidet<br />
sich <strong>die</strong> Interestification nur in Nuancen von <strong>der</strong> Single-ization. Und <strong>die</strong><br />
Simplicity liegt ja auch bei den Konsumenten auf Rang zwei.<br />
Zusammengefasst lässt sich folgendes Fazit ziehen: Dem individualisierten<br />
Me<strong>die</strong>nkonsum gehört <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong>, sofern es den Anbietern gelingt, den Zugang<br />
sehr einfach zu gestalten.<br />
■<br />
26 <strong>TV</strong> – <strong>Medium</strong> <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> DIGITREND