Flexion, Derivation, Komposition - Universität Bielefeld
Flexion, Derivation, Komposition - Universität Bielefeld
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Morphologische Grundtermini<br />
• Wörter können einfach oder komplex aufgebaut sein.<br />
• Einfache Wörter (Simplizia, Sg.: Simplex) lassen sich nicht mehr in kleinere Einheiten mit<br />
bestimmter Lautung und Bedeutung zerlegen, z.B. Tür, schön, bei, ging.<br />
• Komplexe Wörter weisen hingegen eine interne Struktur auf und lassen sich in kleinere,<br />
sinnvolle Einheiten segmentieren, z.B. unbrauchbar (un+brauch+bar), Kinder (Kind+er),<br />
lernt (lern+t), schöner (schön+er), Gartenmöbel (Garten+Möbel).<br />
Morpheme und Morphemtypen<br />
• Die kleineren, sinnvollen Einheiten, in die sich komplexe Wörter zerlegen lassen, nennt<br />
man Morpheme.<br />
o<br />
So besteht das Wort unbrauchbar aus den drei Morphemen un, brauch und bar,<br />
das Wort lernt aus den zwei Morphemen lern und t.<br />
• Die einfachen Wörter, die Simplizia, bestehen aus einem einzigen Morphem: Tür, schön,<br />
bei.... Diese nennt man auch Wurzeln oder Wurzelmorpheme.<br />
• Grundsätzlich wird zwischen zwei Morphemtypen unterschieden: den freien und den<br />
gebundenen Morphemen:<br />
o<br />
o<br />
Freie Morpheme: Morpheme, die isoliert vorkommen können. Wurzeln sind in<br />
der Regel freie Morpheme. Freie Morpheme bilden die Basis, an die gebundene<br />
Morpheme angehängt werden können, z.B. brauch, Kind, lern, schön.<br />
Gebundene Morpheme: sind in ihrem Vorkommen nicht frei. Sie können nicht<br />
isoliert auftreten, sondern müssen immer an ein freies Morphem angehängt<br />
werden. Affixe bilden den größten Teil gebundener Morpheme, z.B. ‐bar in<br />
brauchbar, ‐er in Kinder, ‐t in lernt, ‐er in schöner.<br />
• Neben den freien (Wurzeln) und den gebundenen Morphemen (Affixen) gibt es zwei<br />
weitere Sondertypen von Morphemen: die unikalen Morpheme und die Konfixe.<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi Said Sahel Seite 1
Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
o<br />
o<br />
Unikale Morpheme: sind Morpheme, die in einem einzigen Wort auftreten, z.B.<br />
Brom<br />
in Brombeere, Heidel in Heidelbeere, Schorn in Schornstein, (i)gall in<br />
Nachtigall.<br />
Konfixe: sind Morpheme,<br />
die nicht frei vorkommen können. Sie unterscheiden<br />
sich aber von den unikalen Morphemen<br />
darin, dass sie in mehreren<br />
Wortkontextenn auftreten können und eine isolierbare Bedeutung haben. Bei den<br />
Konfixen handelt es sich vorwiegend um aus dem Lateinischen oder Griechischen<br />
entlehnte Einheiten. Beispiele für<br />
Konfixe sind: bio‐<br />
phil(o)‐ in Philosemit, ‐phil<br />
in Bibliophil. Es gibt auch einige nativ deutsche Konfixe, z.B. schwieger‐ in<br />
Schwiegervater, stief‐in Stiefsohn.<br />
in Biomüll, geo‐ in<br />
geostrategisch,<br />
, fanat‐ in fanatisch, ‐thek in Videothek, • Zusätzlich zur Eigenschaft, dass Affixe nur gebunden vorkommen, sind sie in<br />
Bezug auf<br />
die Basis positionsfest. Je nach ihrer Stellung zur Basis werden Affixe in Präfixe und<br />
Suffixe eingeteilt: Präfixe gehen der Basis voraus: un‐ in<br />
unschön, ver‐ in verkauf(en), ab‐<br />
in Absturz, vor‐ in vorgestern.<br />
o<br />
Präfixe gehen der Basis voraus: un‐ in<br />
unschön, ver‐ in verkauf(en), ab‐‐ in Absturz,<br />
vor‐‐ in vorgestern.<br />
o<br />
Morphem‐Definition: Das Morphem ist die kleinste lautliche oder graphische<br />
Einheit, die<br />
typischerweise aber nicht notwendigerweise eine Bedeutung oder eine grammatische Funktionn<br />
hat.<br />
Weiteree Termini<br />
Suffixe folgen der Basis<br />
Buchung, ‐st in steigst.<br />
nach: ‐ lich in königlich, ‐heit in Schönheit, ‐ung in<br />
• Stamm: bezeichnet die<br />
sprachliche Einheit, an die <strong>Flexion</strong>smorpheme treten können. Ein<br />
einmorphemischer Stamm ist gleichzeitig eine Wurzel, da er morphologisch nicht weiter<br />
segmentierbar ist:<br />
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Said Sahel<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
König: Stamm = Wurzel<br />
königlich: Stamm mit der Wurzel König<br />
Königspalast: Stamm mit den Wurzeln König und Palast<br />
• Lexem: abstrakte Basiseinheit des Lexikons, die in verschiedenen grammatischen<br />
Formen realisiert werden kann. Ein Lexem ist hinsichtlich grammatikalischer Merkmale<br />
neutral. Ein Lexem wird in Großbuchstaben notiert, z.B. TISCH.<br />
• Wortform: konkrete Realisierung eines Lexems. Eine Wortform ist grammatisch<br />
spezifiziert. So ist z.B. die Wortform Tisches hinsichtlich Numerus (Singular) und Kasus<br />
(Genitiv) spezifiziert. Somit ist die Wortform Tisches die konkrete Realisierung des<br />
abstrakten Lexems TISCH in Genitiv Singular.<br />
Morph vs. Morphem<br />
• Als Morph bezeichnet man die rein graphische oder lautliche Einheit. Ein Morph ist<br />
hinsichtlich seiner Funktion nicht spezifiziert.<br />
• Ein Morphem ist hinsichtlich seiner Funktion spezifiziert. So ist das Suffix ‐er ein Morph<br />
des Deutschen<br />
o<br />
o<br />
o<br />
Im Wort Kinder hat das Suffix ‐er die Funktion des Plurals: Es ist ein Plural‐<br />
Morphem;<br />
im Wort schöner hat es die Funktion der Komparation und<br />
im Wort Taucher ist es ein <strong>Derivation</strong>ssuffix, mit Hilfe dessen Substantive aus<br />
Verben abgeleitet werden können.<br />
Allomorphie<br />
• Ein Morphem kann im Deutschen durch mehrere Morphe realisiert werden. Man spricht<br />
hier von Allomorphie. Realisierungsvarianten eines Morphems, nennt man Allomorphe.<br />
• Stämme mit derselben lexikalischen Bedeutung können durch verschiedene Morphe<br />
realisiert werden: [haʊs] in Haus vs. [haʊz] in Hauses oder [haʊs] in Haus vs. [hɔɪs.lɪç] in<br />
häuslich.<br />
• Affixe mit derselben grammatischen Funktion können durch verschiedene Morphe<br />
realisiert werden. So wird das Pluralmorphem im Deutschen durch vier verschiedene<br />
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Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Morphe realisiert: ‐e wie in Tische, ‐er wie<br />
in Kinder,<br />
Schwestern<br />
bzw. Frauen.<br />
‐s wie in Autos und ‐(e)n wie in<br />
Das Nullmorphem<br />
• Typisch für<br />
das Deutsche als flektierendee Sprache ist, dass es kein 1:11 Verhältnis<br />
zwischen einem Morphem, also einer Funktion, und seiner formalen Realisierung gibt.<br />
• So wird oft<br />
ein Morphem, also eine Funktion bzw. eine <strong>Flexion</strong>skategorisierung, formal<br />
gar nicht realisiert. In diesen Fällen nehmenn einige Linguisten "ein Null‐Morphem (Ø)""<br />
an.<br />
Singular<br />
Plural<br />
aber:<br />
Singular<br />
Plural<br />
Tisch<br />
Tisch‐e<br />
Wagen<br />
Wagen‐Ø<br />
Frau<br />
Frau‐en<br />
Zettel<br />
Zettel‐Ø<br />
Kind<br />
Kind‐er<br />
Muster<br />
Muster‐Ø<br />
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Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
<strong>Flexion</strong><br />
Wortbildung<br />
vs. <strong>Flexion</strong><br />
• Die Morphologie lässt sich in zwei Großbereiche einteilen: Wortbildung und <strong>Flexion</strong>.<br />
•<br />
• Durch die Wortbildung<br />
entstehenn neue Lexeme.<br />
• Durch die <strong>Flexion</strong> entstehen verschiedene Wortformen eines Lexems.<br />
• Durch die Affigierung von Präfixen oder Suffixen an Wurzeln oder Stämme entstehen, je<br />
nachdem ob es sich um<br />
<strong>Derivation</strong>s‐ oder <strong>Flexion</strong>saffixee handelt, entweder<br />
o<br />
o<br />
neue Lexeme (Wortbildung) oder<br />
verschiedene Wortformen<br />
eines Lexems (<strong>Flexion</strong>).<br />
<strong>Flexion</strong>skategorisierungen<br />
• Die Wortformen eines Lexems unterscheidenn sich in ihren grammatischen Merkmalen.<br />
• Diese Merkmale nennt<br />
man <strong>Flexion</strong>skategorisierungen.<br />
• Eine <strong>Flexion</strong>skategorisierung ist eine Menge (mindestens zwei)<br />
von Kategorien, von<br />
denen in einer Wortform nur jeweils eine realisiert werden kann.<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
<strong>Flexion</strong>skategorisierung<br />
KASUS:<br />
NUMERUS:<br />
GENUS:<br />
<strong>Flexion</strong>skategorien<br />
Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ<br />
Singular, Plural<br />
Maskulinum, Femininum, Neutrum<br />
PERSON:: 1., 2., 3.<br />
TEMPUS:<br />
Präsens, Präteritum, (Perfekt),<br />
(Plusquamperfekt), (Futur)<br />
MODUS:<br />
GENUS VERBI:<br />
Indikativ, Konjunktiv, Imperativ<br />
Aktiv, Passiv<br />
• Die Wortformen oder <strong>Flexion</strong>sformen eines Lexems werden in 'Listen'<br />
zusammengestellt; diese werden <strong>Flexion</strong>sparadigmen genannt.<br />
Das <strong>Flexion</strong>sparadigma des Substantivs Tisch:<br />
Singular<br />
Plural<br />
Nominativ Tisch Tische<br />
Genitiv Tisches Tische<br />
Dativ Tisch Tischen<br />
Akkusativ Tisch Tische<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Das <strong>Flexion</strong>sparadigma des Verbs halten (Präsens):<br />
Singular<br />
Plural<br />
1. Person halte halten<br />
2. Person hälst haltet<br />
3. Person hält halten<br />
Synkretismus<br />
• <strong>Flexion</strong>sparadigmen des Deutschen sind durch Synkretismus gekennzeichnet; mit<br />
Synkretismus bezeichnet man den Zusammenfall von <strong>Flexion</strong>sformen mit verschiedenen<br />
<strong>Flexion</strong>skategorisierungen in eine Form.<br />
Wortarten<br />
• Die Zuordnung von Wörtern zu einer bestimmten Wortart beruht auf der Annahme, dass<br />
diese Wörter bestimmte Eigenschaften teilen. Dabei können diese Eigenschaften<br />
morphologischer, syntaktischer oder semantischer Natur sein.<br />
Klassifikation von Wortarten<br />
• Es gibt für das Deutsche keine einheitliche Klassifikation der Wortarten. Dies zeigt sich<br />
darin, dass in den Standardgrammatiken die Zahl der angenommen Wortarten z.T.<br />
erheblich variiert.<br />
o<br />
o<br />
o<br />
Glinz (1970 3 ): fünf Wortarten (Verb, Substantiv, Pronomen, Adjektiv und Partikel)<br />
Admoni (1982 4 ): dreizehn Wortarten (Verb, Substantiv, Artikel, Adjektiv,<br />
Pronomen, Numerale, Adverb, Konjunktion, Präposition, Interjektion, Negation,<br />
Modalverb, Partikel).<br />
Helbig/Buscha (1999 19 ): zwölf Wortarten (Verb, Substantiv, Adjektiv, Adverb,<br />
Artikel, Pronomen, Präposition, Konjunktion, Partikel, Modalwort, Negation,<br />
Satzäquivalent)<br />
• Diese Unterschiede hängen u.a. mit den unterschiedlichen (morphologischen,<br />
syntaktischen, semantischen) Kriterien zusammen, die den verschiedenen<br />
Klassifikationen der Wortarten zugrunde liegen sowie mit den Abgrenzungsproblemen<br />
der einzelnen Wortarten.<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Morphologische Kriterien<br />
• Die morphologische Klassifikation beruht auf dem Kriterium der Flektierbarkeit. Wörter<br />
werden eingeteilt in solche, die flektierbar (deklinierbar, konjugierbar, komparierbar)<br />
sind, und solche, die nicht flektierbar sind.<br />
•<br />
(Nach Duden 2005: 133)<br />
• Innerhalb der flektierbaren Wortarten kann wiederum durch die Heranziehung von<br />
<strong>Flexion</strong>skategorisierungen zwischen den einzelnen Wortarten unterschieden werden.<br />
Demnach wäre z.B. das Substantiv die Wortart mit festem Genus, das Adjektiv hingegen<br />
die Wortart mit dem variablen Genus.<br />
Syntaktische Kriterien<br />
• Hier spielen vor allem die Kriterien: syntaktische Eigenschaft und Distribution eine<br />
wichtige Rolle. Diese Kriterien werden vor allem bei der Einteilung der nichtflektierbaren<br />
Wortarten herangezogen.<br />
o<br />
o<br />
Syntaktische Eigenschaft: Auf der Basis dieses Kriteriums lassen sich z.B.<br />
Präpositionen von Junktionen (Konjunktionen und Subjunktionen) unterscheiden:<br />
Erstere regieren einen festen Kasus, letztere haben keine Kasusrektion.<br />
Distribution: Auf der Basis dieses Kriteriums lassen sich z.B. Adverbien von<br />
Partikeln unterscheiden: Adverbien sind vorfeldfähig, Partikeln nicht.<br />
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Wortbildung<br />
• Durch die Wortbildung entstehen neue Lexeme, die das Lexikon erweitern.<br />
• Diese Lexeme können dann Gegenstand der <strong>Flexion</strong> sein, d.h. sie können flektiert<br />
werden.<br />
• Die Wortbildung ist also ein morphologischer Prozess, mit Hilfe dessen neue Lexeme<br />
(Wurzeln oder Stämme) aus anderen (bereits existierenden) Lexemen (Wurzeln oder<br />
Stämmen) abgeleitet werden.<br />
• Es wird zwischen mehreren Wortbildungsarten unterschieden:<br />
<strong>Derivation</strong><br />
• <strong>Derivation</strong> ist die Ableitung eines Lexems aus einer (bereits vorhandenen) Wurzel bzw.<br />
einem (bereits vorhandenen) Stamm mit Hilfe eines <strong>Derivation</strong>saffixes.<br />
• Das resultierende Lexem nennt man Derivatum (Pl. Derivata).<br />
• Die Basis für die <strong>Derivation</strong> kann ein Substantiv, ein Adjektiv ein Verb oder ein Adverb<br />
sein:<br />
König ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> königlich<br />
dunkel ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Dunkelheit<br />
ess‐ ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> essbar<br />
jetzt ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> jetzig<br />
• Das Darivatum kann seinerseits ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein Verb sein:<br />
trocken ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Trockenheit<br />
Kind ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> kindisch<br />
Angst ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> ängstig(en)<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
<strong>Derivation</strong>saffixe<br />
• <strong>Derivation</strong>saffixe werden, abhängig von der Wortart, die sie bilden, in Nominal‐,<br />
Adjektiv‐ und Verbalaffixe unterschieden. Dabei überwiegen:<br />
o<br />
o<br />
o<br />
bei den Nominalaffixen (den <strong>Derivation</strong>saffixen, mit Hilfe derer Substantive<br />
gebildet werden) die Suffixe, z.B. ‐ung, ‐keit, ‐heit, ‐nis,<br />
bei en Adjektivaffixen (den <strong>Derivation</strong>saffixen, mit Hilfe derer Adjektive gebildet<br />
werden) die Suffixe, z.B ‐ig, ‐lich, ‐isch, ‐bar, und<br />
bei den Verbalaffixen (den <strong>Derivation</strong>saffixen, mit Hilfe derer Verben gebildet<br />
werden) die Präfixe, z.B. be‐, ent‐, ver‐, zer‐.<br />
• Abhängig von der Wortart der Basis, mit der sich ein <strong>Derivation</strong>saffix verbindet, wird<br />
zwischen deverbalen, denominalen und deadjektiven Präfixen bzw. Suffixen<br />
unterschieden.<br />
• Deverbale <strong>Derivation</strong>sffixe verbinden sich mit Verben, denomimale <strong>Derivation</strong>sffixe mit<br />
Substantiven und deadjektive <strong>Derivation</strong>sffixe mit Adjektiven.<br />
V‐‐‐>N deverbale Nominalsuffixe, z.B. ‐<br />
ung, ‐er<br />
trau‐<br />
lehr‐<br />
‐‐‐><br />
‐‐‐><br />
Trauung<br />
Lehrer<br />
A‐‐‐>N<br />
deadjektive Nominalsuffixe, z.B.<br />
‐keit, ‐heit<br />
übel<br />
trocken<br />
‐‐‐><br />
‐‐‐><br />
Übelkeit<br />
Trockenheit<br />
N‐‐‐>N<br />
denominale Nominalsuffixe, z.B.<br />
–schaft<br />
Mann ‐‐‐> Mannschaft<br />
N‐‐‐>V denominale Verbalsuffixe, z.B. ‐<br />
ig, ‐ier<br />
Angst<br />
Telefon<br />
‐‐‐><br />
‐‐‐><br />
ängstig(en)<br />
telefonier(en)<br />
A‐‐‐>V deadjektivische Verbalsuffixe –<br />
er<br />
schmal ‐‐‐> schmäler(n)<br />
N‐‐‐>A<br />
denominale Adjektivsuffixe, z.B.<br />
‐lich, ‐isch<br />
König ‐‐> königlich<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
V‐‐‐>N deverbale Nominalsuffixe, z.B. ‐<br />
ung, ‐er<br />
trau‐<br />
lehr‐<br />
‐‐‐><br />
‐‐‐><br />
Trauung<br />
Lehrer<br />
Kind ‐‐> kindisch<br />
V‐‐‐>A deverbale Adjektivsuffixe, z.B. –<br />
bar<br />
hör‐ ‐‐> hörbar<br />
V‐‐‐>V deverbale Verbalpräfixe, z.B.<br />
be‐, ent‐<br />
arbeit‐<br />
nehm‐<br />
‐‐‐><br />
‐‐‐><br />
bearbeit(en)<br />
entnehm(en)<br />
Konversion<br />
• Neben der <strong>Derivation</strong> und <strong>Komposition</strong> ist die Konversion eine der produktivsten<br />
Wortbildungsarten des Deutschen. Konversion ist eine Ableitung ohne <strong>Derivation</strong>saffixe:<br />
V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> N<br />
V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> N<br />
N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> V<br />
N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> V<br />
A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> N<br />
A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> N<br />
N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> A<br />
N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> A<br />
V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> A<br />
V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> A<br />
A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> V<br />
A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> V<br />
lauf ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Lauf<br />
fang ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Fang<br />
Fisch ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> fisch(en)<br />
Schulter ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> schulter(n)<br />
tief ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Tief<br />
gut ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Gut<br />
Ernst ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> ernst<br />
Klasse ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> klasse<br />
starr ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> starr<br />
wach ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> wach<br />
reif ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> reif(en)<br />
schnell ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> schnell(en)<br />
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Ableitungsrichtung<br />
• Eine eindeutige Bestimmung der Ableitungsrichtung ist nicht immer möglich, da klare<br />
Kriterien dafür fehlen.<br />
Kauf (N) ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> kauf(en) (V)<br />
kauf(en) (V) ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Kauf (N)<br />
• Einige Kriterien sind (Fleischer/Barz 1995):<br />
• Das morphologische Kriterium: Beim Vorhandensein von Präfixen (be‐ Befehl, ent‐<br />
Entzug, er‐ Erhalt, ver‐ Verzehr, zer‐ Zerfall) muss er sich um V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> N ‐Konversion<br />
handelt, da es sich bei diesen Präfixe um Affixe für Verb‐<strong>Derivation</strong> handelt.<br />
• Das Produktivitätskriterium: Bei problematischen Fällen bestimmt das produktivere<br />
Muster die Ableitungsrichtung. Beim Wortpaar Ruf und rufen handelt es sich um eine N ‐<br />
‐‐‐‐‐‐‐‐> V‐Konversion, da N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> V hochproduktiv, V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> N nur schwachproduktiv<br />
ist.<br />
• Unter Konversion fallen auch solche Ableitungen ohne <strong>Derivation</strong>saffixe, die eine<br />
Vokaländerung gegenüber der Basis aufweisen:<br />
zieh(en) ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Zug<br />
werf(en) ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Wurf<br />
• Derartige Wortbildungen werden gelegentlich als implizite <strong>Derivation</strong> bezeichnet<br />
(Fleischer/Barz 1995).<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
<strong>Komposition</strong><br />
• <strong>Komposition</strong> ist die Bildung eines neues Lexems durch die Verkettung zweier oder<br />
mehrerer Wurzeln bzw. Stämme.<br />
Haus+Tür ‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Haustür<br />
Literatur+Nobel+Preis ‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Literaturnobelpreis<br />
Verwandtschaft+Verhältnis ‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Verwandtschaftsverhältnis<br />
Typen von Komposita<br />
• Je nach der Art der Beziehung zwischen den einzelnen Komponenten eines Kompositums<br />
wird zwischen Determinativ‐ und Kopulativkomposita unterschieden:<br />
o<br />
o<br />
Determinativkomposita: Bei Determinativkomposita ist das Zweitglied nicht nur<br />
der Kopf, d.h. es bestimmt nicht nur die Wortart, das Genus und die<br />
<strong>Flexion</strong>sklasse des gesamten Kompositums, sondern es ist gleichzeitig der<br />
semantische Kern des gesamten Kompositums. So ist z.B. Haus im<br />
Determinativkompositums Holzhaus eine Art Haus, nämlich ein Haus, das aus<br />
Holz gebaut ist; rot im Determinativkompostium dunkelrot ist eine Art rot u.s.w.<br />
Kopulativkomposita: Bei Kopulativkomposita sind die einzelnen Glieder des<br />
Kompositums einander kopulativ zugeordnet: Die Bedeutung des gesamten<br />
Kompositums ergibt sich additiv aus der Bedeutung seiner einzelnen Glieder, d.h.<br />
kein Glied bildet den semantischen Kern des gesamten Kompositums, z.B.<br />
Hosenrock, taubstumm, schwarzrotgold.<br />
Kategoriale Typen von Determinativkomposita<br />
• Der Kopf eines Determinativkompositums kann ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein<br />
Verb sein.<br />
• Dementsprechend wird zwischen Nominal‐, Adjektiv‐ und Verbalkomposita<br />
unterschieden. Dabei kann das Erstglied dieser drei kategorialen Typen von<br />
Determinativkomposita ein Substantiv, ein Adjektiv, ein Verb oder eine Präposition sein:<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
N+N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Holzhaus, Kampfhund<br />
Nominalkomposita:<br />
A+N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Dunkelkammer, Rotlicht<br />
V+N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Mischehe, Malbuch<br />
P+N ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> Hinterhof, Mitgefühl<br />
N+A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> nachtblind, tierlieb<br />
Adjektivkomposita:<br />
A+A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> zartrosa, halbstark<br />
V+A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> trinkfest, tragfähig<br />
P+A ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> übermächtig, vorlaut<br />
N+V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> staubsaugen, standhalten<br />
Verbalkomposita:<br />
A+V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> liebäugeln, frohlocken<br />
V+V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> kennenlernen, stehenbleiben<br />
P+V ‐‐‐‐‐‐‐‐‐> vorstellen, mitteilen<br />
Fugenelemente<br />
• Fugenelemente sind Verbindungselemente, die an der Nahtstelle zwischen<br />
unmittelbaren Konstituenten eines Kompositums oder eines Derivatums auftreten, z.B.<br />
Universitätsabschluss, arbeitslos. Neben dem ‐s‐ gibt es im Deutschen die folgenden<br />
Fugenelemente:<br />
‐e‐ Haltestelle ‐en‐ Christentum<br />
‐n‐ Bauernhof ‐ens‐ Herzenswunsch<br />
‐er‐ Kinderwagen ‐es‐ Tagesreise<br />
• Fugenelemente gehören zur ersten unmittelbaren Konstituente eines Kompositums bzw.<br />
eines Derivatums, d.h. das Fugenelement wird von der ersten unmittelbaren<br />
Konstituente bestimmt. Im Großen und Ganzen sind Fugenelemente auf Substantivoder<br />
Verbstämme als Erstglieder beschränkt.<br />
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Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
• Fugenelemente sind, diachron gesehen, aus <strong>Flexion</strong>smorphemen hervorgegangen: So<br />
kann z.B. das Fugenelement ‐es‐ in Gotteszorn auf das <strong>Flexion</strong>smorphem für Genitiv<br />
Singular, das Fugenelement ‐er‐ in Kindergarten auf das <strong>Flexion</strong>smorphem für den Plural<br />
zurückgeführt werden.<br />
• Für die synchrone Beschreibung werden sie aber nicht als <strong>Flexion</strong>smorpheme, sondern<br />
als funktionslose Verbindungselemente analysiert.<br />
• Für diese Analyse spricht vor allem die Tatsache, dass zahlreiche Komposita und Derivata<br />
Fugenelemente enthalten, die nicht auf <strong>Flexion</strong>smorpheme zurückgeführt werden<br />
können. So kann das Fugenelement ‐s‐ in Liebesbrief nicht als <strong>Flexion</strong>smorphem für<br />
Genitiv Singular angesehen werden, da die erste unmittelbare Konstituente Liebe<br />
Femininum ist und Feminina ihren Genitiv nicht auf ‐s bilden.<br />
Das Prinzip der Rechtsköpfigkeit<br />
• Komposita und Derivata haben einen morphologischen Kopf, der die grammatischen<br />
Kategorien des gesamten Wortes bestimmt:<br />
Komposita:<br />
• die Wortart: In Hochhaus ist hoch ein Adjektiv und Haus ein Substantiv, also ist das<br />
gesamte Wort ein Substantiv.<br />
• das Genus: In Haustür ist Haus Neutrum und Tür Femininum, also ist das gesamte Wort<br />
feminin.<br />
• die <strong>Flexion</strong>sklasse: Haustür flektiert wie Tür.<br />
Derivata:<br />
• die Wortart: In haltbar ist halt ein Verb und ‐bar ein Adjektivsuffix, also ist das gesamte<br />
Wort ein Adjektiv.<br />
• das Genus: In Kritiker ist Kritik Femininum und ‐er Maskulinum, also ist das gesamte<br />
Wort maskulin.<br />
• die <strong>Flexion</strong>sklasse: Die <strong>Flexion</strong>sklasse für Kritiker wird durch das <strong>Derivation</strong>ssuffix ‐er und<br />
nicht durch die Basis Kritik bestimmt.<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi Said Sahel Seite 15
Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
• Es fällt auf,<br />
dass der morphologische Kopf das am weitesten rechts stehendee Morphem<br />
ist. Man spricht in diesem Zusammenhang<br />
vom Prinzip der Rechtsköpfigkeit: In einer<br />
Wortbildung ist das am weitesten rechts stehende Morphem der Kopf der gesamten<br />
Bildung.<br />
• Es gibt aber Derivata, bei denen der morphologische Kopf das am weitesten links<br />
stehende Morphem ist. Es handelt sich dabei um:<br />
• mit Hilfe<br />
des <strong>Derivation</strong>spräfixes Ge‐ abgeleitete Substantive: Gefühl, Geschwätz...Bei<br />
diesen Bildungen wird die Wortart (Substantiv) und das Gensus (Neutrum) durch das<br />
Präfix Ge‐, also durch das am weitesten links stehende Morphem, bestimmt.<br />
• mit Hilfe von Verbalpräfixen<br />
abgeleitete<br />
Verben:<br />
erröt(en),<br />
anfreund(en)<br />
),<br />
beruhig( (en)...Bei diesen Bildungen wird die Wortartt (Verb) durch die Präfixe er‐, an‐<br />
bzw. be‐, also durch<br />
das am weitesten links stehendee Morphem, bestimmt.<br />
• Das Prinzip der Rechtsköpfigkeit<br />
scheint für<br />
die <strong>Derivation</strong> nur eingeschränkt zu gelten.<br />
Es gilt für die Suffigierung, nicht aber für die Präfigierung.<br />
Unmittelbare Konstituenten<br />
• Unmittelbare<br />
Konstituenten<br />
sind die beiden Konstituenten, aus denen einee<br />
Konstruktion unmittelbar gebildet ist und in die sie sich<br />
auf der nächstniedrigeren Ebenee<br />
zerlegen lässt (Fleischer/Barz 1995²).<br />
• Parallel zu Sätzen und<br />
Phrasen können Komposita und Derivata<br />
Konstituenten zerlegt werden:<br />
in ihre unmittelbaren<br />
o<br />
Literatur und Nobelpreis sind die<br />
zwei unmittelbaren Konstituenten des<br />
Kompositums Literaturnobelpreis, Nobel und Preis sind die zwei unmittelbaren<br />
Konstituenten<br />
des Kompositums Nobelpreis.<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi<br />
Said Sahel<br />
Seite 16
Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
• freundlich und keit sind die zwei zwei unmittelbaren Konstituenten des Derivatums<br />
Freundlichkeit, Freund und lich<br />
sind die<br />
zwei unmittelbaren Konstituenten des<br />
Derivatums<br />
freundlich.<br />
• Es ist üblich, dass man<br />
bei der Ermittlung von unmittelbaren Konstituenten bei Derivataa<br />
und Komposita 'von unten' anfängt und einee Baumstruktur mit binären Verzweigungenn<br />
aufbaut. Das komplexe Wort wird in seine einzelnen Morpheme zerlegt und<br />
es werden<br />
je zwei unmittelbare Konstituenten zu einer höheren Konstituente<br />
zusammengefügt:<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi<br />
Said Sahel<br />
Seite 17
Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Lexikoneintrag für freie Morphemee<br />
• Im Lexikon ist jedes<br />
Lexem<br />
(Wort) u.a. hinsichtlich<br />
seiner<br />
phonologischen,<br />
morphologischen, syntaktischenn und semantischenn Merkmale spezifiziert. Diesee<br />
spezifischen<br />
Informationen werden Lexikoneintrag genannt. So kann der Lexikoneintrag<br />
für das Verb<br />
schließ‐ wie folgt dargestellt werden:<br />
Lexikoneintrag für Affixe<br />
• Die Hauptmotivation<br />
für die Annahme, dass <strong>Derivation</strong>saffixe<br />
auch Lexikoneinträgee<br />
haben, ist die Tatsache, dass auch <strong>Derivation</strong>saffixe<br />
(zumindest<br />
<strong>Derivation</strong>ssuffixe) in<br />
einer komplexen Wortbildung ihre grammatischen Eigenschaftenn (Wortart, Genus und<br />
<strong>Flexion</strong>sklasse) auf die<br />
gesamte Bildung übertragen können. Der Lexikoneintrag für das<br />
Nominalsuffix ‐ung könnte wie folgt aussehen:<br />
• Die Tatsache, dass <strong>Derivation</strong>s<br />
ssuffixe u.a. die Wortart des gesamten Derivatums<br />
bestimmen können, führt zu der Annahme, dass <strong>Derivation</strong>ssuffixe hinsichtlich ihrer<br />
Wortart spezifiziert sind.<br />
• Diesem wird in der Lexikalistischen Morphologie dadurch Rechnung getragen, indem die<br />
Notation für <strong>Derivation</strong>ssuffixe die Wortart enthält. Um<br />
freie Morpheme von<br />
Affixen bei<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi<br />
Said Sahel<br />
Seite 18
Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
der Wortartkennzeichnung zu unterscheiden, erfolgt<br />
die Wortartkennzeichnung bei<br />
Affixen durch ein zusätzliches, hochgestelltes af, z.B. N af für das Nominalsuffix ‐ung, A af<br />
für das Adjektivsuffix ‐bar....<br />
• Affixe, die<br />
keine Kopfmeisten<br />
Präfixen der Fall ist,<br />
Funktion haben, wie dies<br />
bei den<br />
werden wie folgt notiert: X af<br />
Fugenelemente<br />
im Baumdiagrammm<br />
• Fugenelemente (Fu) gehören näher zur ersten Konstituente eines Kompositums oder<br />
Derivatums<br />
und bilden daher zusammen mit dieser<br />
(der ersten Konstituente) zwei<br />
unmittelbare Konstituenten.<br />
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Seite 19
Morphologie & Syntax<br />
Sommersemester 2012<br />
<strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Zusammenbildung<br />
• Zusammenbildungen<br />
sind ein besonderer Typ von Komposita. Bei Zusammenbildungenn<br />
kommt das<br />
Zweitglied nicht frei vor: zweitürig, blauäugig, einfenstrig, Ehebrecher<br />
r,<br />
zielstrebig. ..<br />
• Zusammenbildungen<br />
analysiert werden:<br />
können daher nicht<br />
in ihre zwei unmittelbaren Konstituentenn<br />
Bei Zusammenbildungen muss eine ternäre und<br />
keine binäre Verzweigung angenommenn<br />
werden.<br />
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Seite 20
Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Der dichotomische Ansatz zur Abgrenzung von <strong>Flexion</strong> und <strong>Derivation</strong><br />
• Im Rahmen des sogenannten dichotomischen Ansatzes wird die <strong>Flexion</strong> mit<br />
Regelmäßigkeit, die <strong>Derivation</strong> mit Unregelmäßigkeit gleichgesetzt.<br />
• Diese Eigenschaften (Regelmäßigkeit von <strong>Flexion</strong> bzw. Unregelmäßigkeit von <strong>Derivation</strong>)<br />
hängen eng mit der Funktion dieser zwei morphologischen Verfahren zusammen:<br />
– <strong>Flexion</strong> dient zur Bildung von Wortformen (Grammatik),<br />
– <strong>Derivation</strong> dient zur Bildung neuer Wörter (Lexikon).<br />
• Während die Grammatik zu einem großen Teil durch Regeln erfasst werden kann, die z.B.<br />
auch im Fremdsprachenunterricht vermittelt werden können,…<br />
• … stellt das Lexikon einen idiosynkratischen Bereich dar, in dem Wörter mit ihren diversen<br />
Eigenschaften abgespeichert sind und als solche abgerufen werden müssen.<br />
<strong>Flexion</strong><br />
• Inwiefern <strong>Flexion</strong> regelmäßig, <strong>Derivation</strong> hingegen unregelmäßig ist, wird durch mehrere<br />
Merkmale erfasst, die alle zusammen „Regelmäßigkeit“ bzw. „Unregelmäßigkeit“ ergeben<br />
und sich gegenseitig bedingen.<br />
Die <strong>Flexion</strong> gilt als regelmäßig , wenn<br />
folgende Merkmale auftreten<br />
Bildung gemäß flexionsmorphologischer<br />
Regeln (keine oder wenig Beschränkungen)<br />
Bildung morphosemantisch transparent<br />
Generalität der Anwendung der Regeln<br />
(hohe Produktivität, hohe Frequenz)<br />
Die <strong>Flexion</strong> gilt als unregelmäßig , wenn<br />
folgende Merkmale auftreten<br />
Bildung nicht gemäß flexionsmorphologischer<br />
Regeln (starke Beschränkungen)<br />
Bildung morphosemantisch intransparent (z.B.<br />
Suppletion)<br />
Keine Generalität der Anwendung der Regeln<br />
(Blockierung, keine Produktivität; niedrige<br />
Frequenz)<br />
Existenz eines Paradigmas (ohne Lücken) Es existiert kein Paradigma bzw. ein<br />
lückenhaftes Paradigma (z.B. defektive Verben)<br />
Einheitlichkeit der Bildung (Bedeutungs‐<br />
Form‐Konstanz)<br />
Keine Einheitlichkeit der Bildung (keine<br />
Bedeutungs‐Form‐Konstanz)<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi Said Sahel Seite 21
Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Bildung gemäß flexionsmorphologischer Regeln (keine oder wenig Beschränkungen)<br />
• <strong>Flexion</strong>sformen werden durch die Anwendung flexionsmorphologischer Regeln erzeugt.<br />
• So wird im Deutschen die 2. Person Singular dadurch erzeugt, dass als äußerstes Flexiv ‐st an<br />
das Verb suffigiert wird.<br />
• Wie regelmäßig diese Bildung ist, zeigt sich daran, dass sie sowohl für den Indikativ als auch<br />
für den Konjunktiv und für alle Tempora gilt. Darüber hinaus erfasst sie alle Verbklassen<br />
(schwache, starke und unregelmäßige Verben.)<br />
• Beschränkung: Im Imperativ erfolgt die Bildung der 2. Person Singular nicht durch die<br />
Suffigierung von –st!<br />
Bildung morphosemantisch transparent<br />
• Die morphosemantische Transparenz ist bei <strong>Flexion</strong> typischerweise gegeben;<br />
morphosemantische Transparenz bedeutet, dass „einer bestimmten formalen Modifizierung<br />
der Ausgangsform eine bestimmte semantische Modifizierung der Ausgangsbedeutung<br />
[entspricht]“ (Wurzel 1998: 188)<br />
• Als Beispiel für morphosemantische Transparenz kann hier die Komparationsbildung bei<br />
Adjektiven angeführt werden. Durch die Suffigierung von ‐er an den Adjektivstamm entsteht<br />
eine Steigungsform im Sinne von ‚mehr‘ relativ zum Positiv: groß – größer.<br />
• Einschränkung: Suppletivformen: viel – mehr, gut – besser, gern – lieber<br />
Generalität der Anwendung von Regeln<br />
• Generalität der Anwendung von Regeln bedeutet, dass z.B. alle Vertreter einer<br />
Wortkategorie, etwa Verben, von der jeweiligen Regel betroffen sind.<br />
• Obwohl bei der <strong>Flexion</strong> die Generalität der Anwendung von Regeln im Allgemeinen gegeben<br />
ist, ist sie nicht immer absolut.<br />
• Einschränkung: Die Regel zur Bildung von präteritalen Formen durch die Suffigierung von ‐te<br />
betrifft nicht alle Verbklassen, sondern nur die schwachen Verben; hier liegt also eine<br />
eingeschränkte Generalität vor.<br />
Existenz eines Paradigmas (Paradigmatizität)<br />
• Paradigmatizität ist ein wesentliches Merkmal von <strong>Flexion</strong>. Sowohl in der Nominal‐ als auch<br />
in der Verbflexion sind in der Regel alle Positionen im Paradigma besetzt.<br />
• So verfügen (fast) alle Substantive über zwei Numeri und vier Kasus, und (fast) alle Verben<br />
können in allen relevanten grammatischen Kategorien (Person, Numerus, Tempus, Modus,<br />
Genus Verbi) gebildet werden.<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi Said Sahel Seite 22
Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
Einschränkung:<br />
• Defektive Substantive: Pluraliatantum (z.B. Ferien, Spesen); Singulariatantum (z.B. Hunger,<br />
Gold, Obst)<br />
• Defektive Verben: Witterungsverben (z.B. regnen, schneien, blitzen)<br />
<strong>Derivation</strong><br />
• Im Unterschied zur <strong>Flexion</strong> gelten in der <strong>Derivation</strong> die ‚unregelmäßigen‘ Merkmale als viel<br />
ausgeprägter als die ‚regelmäßigen‘ Merkmale.<br />
Die <strong>Derivation</strong> gilt als unregelmäßig , wenn<br />
folgende Merkmale auftreten<br />
Bildung nicht gemäß<br />
wortbildungsmorphologischer Regeln<br />
Bildung morphosemantisch intransparent<br />
Die <strong>Flexion</strong> gilt als regelmäßig , wenn<br />
folgende Merkmale auftreten<br />
Bildung<br />
gemäß<br />
wortbildungsmorphologischer Regeln<br />
Bildung morphosemantisch transparent<br />
Keine Generalität der Anwendung der<br />
Regeln<br />
Keine Paradigmatizität<br />
Generalität der Anwendung der Regeln<br />
(extrem hohe Produktivität, hohe Frequenz)<br />
Paradigmatizität<br />
Keine Einheitlichkeit (keine Bedeutungs‐<br />
Form‐Konstanz)<br />
Einheitlichkeit (Bedeutungs‐Form‐Konstanz)<br />
Bildung nicht gemäß wortbildungsmorphologischer Regeln, Bildung morphosemantisch<br />
intransparent<br />
• In der Wortbildung besteht eine Diskrepanz zwischen regelmäßiger<br />
Wortbildungsbedeutung und lexikalisierter Wortschatzbedeutung.<br />
Unmut, Rundfunk<br />
• Die Bedeutung von Unmut bzw. Rundfunk ergibt sich nicht aus der Bedeutung der<br />
beteiligten Komponenten Un‐ und Mut bzw. rund und Funk. Vielmehr muss für diese beiden<br />
komplexen Wörter je eine gesonderte Bedeutung abgespeichert sein.<br />
• Darüber hinaus gibt es eine Reihe bereits lexikalisierter Bildungen, die synchron nicht mehr<br />
als durch Wortbildungsregeln generiert erkennbar, im Sinne von morphosemantisch<br />
transparent, sind:<br />
Mädchen<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi Said Sahel Seite 23
Morphologie & Syntax Sommersemester 2012 <strong>Flexion</strong>, <strong>Derivation</strong>, <strong>Komposition</strong><br />
• Die Diminutivbildung Mädchen geht auf das Lexem Magd und das Diminutivsuffix ‐chen<br />
zurück. Durch die Tilgung von /g/ ist es synchron nicht möglich, die Wortbildung<br />
nachzuvollziehen. Weder in der Produktion noch in der Rezeption wird Mädchen aus seine<br />
zwei Wortbildungskomponenten zurückgeführt, vielmehr wird die Bildung als ein<br />
einmorphemisches Wort analysiert.<br />
Keine Generalität der Anwendung der Regeln<br />
• Die generelle Anwendung von Regeln ist in der Wortbildung stark eingeschränkt.<br />
• Diese Einschränkung entsteht u.a. dadurch, dass alternativ zu einem Wortbildungskonstrukt<br />
weitere Wortbildungsprodukte im Lexikon stehen, die die Anwendung der Regel blockieren:<br />
*Stehler vs. Dieb, *Listigkeit vs. List, *Freuung vs. Freude<br />
• Obwohl das Nominalsuffix ‐er eines der produktivsten <strong>Derivation</strong>ssuffixe im Deutschen ist,<br />
unterliegen ‐er‐Bildungen oft Einschränkungen, die <strong>Derivation</strong>sprodukte auf ‐er verhindern.<br />
Bildungen wie Stehler oder Studierer sind potentielle Wörter des Deutschen, werden aber<br />
durch bereits vorhandene Lexeme mit derselben Bedeutung Dieb bzw. Student verhindert.<br />
Man spricht hier von lexikalischer Blockierung.<br />
Keine Einheitlichkeit (keine Bedeutungs‐Form‐Konstanz)<br />
• Ein und dasselbe <strong>Derivation</strong>saffix kann mehrere Bedeutungen bzw. Funktionen haben.<br />
• Das Nominalsuffix ‐er kann z.B. drei Konzepte ausdrücken:<br />
Nomina agentis (Person): Maler<br />
Nomina instrumenti (Objekt): Bohrer<br />
Nomina acti (Vorgang): Seufzer<br />
Universität <strong>Bielefeld</strong> * LiLi Said Sahel Seite 24