Grenzenlose Bildung - E1NS-Magazin
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Mit leerem Koffer ins neue Jahr<br />
Ausnahmsweise verlassen wir hier einmal die heimischen Gefilde und berichten „grenzenlos“<br />
über spanische und chilenische Neujahrsbräuche. Der Grund: In Madrid verbrachte<br />
ich mit meiner Familie Neujahr, und da wir dort chilenische Bekannte haben, taten<br />
wir dies zugleich auf chilenische Art.<br />
Schon oft wurde hier über deutsch-schweizerische Unterschiede aller Art erzählt. Beim Feiern des<br />
Silvesters beziehungsweise Neujahrs gibt es da aber kaum wesentliche Unterschiede. Hier wie da<br />
wird im Familien- oder Freundeskreis ordentlich gegessen, vielleicht die Zukunft mittels Bleigießen<br />
vorhergesagt, vielleicht zum hundertsten Mal „Dinner for One“ geschaut. Um Mitternacht wird<br />
dann angestoßen, und Feuerwerke werden angezündet oder zumindest angeschaut. In Spanien<br />
und Chile begnügt man sich aber nicht mit gegenseitigen Glückwünschen. Dort muss man<br />
sich das Glück verdienen oder es mit den richtigen Tricks heraufbeschwören. In Spanien richten<br />
sich um Mitternacht (fast) alle Augen auf die Turmuhr des Madrider Platzes Puerta del Sol. Wer<br />
nicht selber da ist, schaltet den Fernseher ein, um die Glockenschläge zu hören. 36 Sekunden<br />
vor Mitternacht beginnen diese zu schlagen und die Spanier Trauben zu verschlingen. Zu jedem<br />
Glockenschlag muss eine Traube geschluckt werden, zu jeder Traube darf man sich etwas wünschen.<br />
Die zwölf Trauben stehen zugleich für die zwölf Monate des neuen Jahrs. Doch nur wer<br />
es schafft, im Takt des Glockenschlags alle zwölf Trauben zu schlucken, dessen Wünsche gehen<br />
auch in Erfüllung – ansonsten drohe gar Unheil. Dieser Stress mit dem Traubenschlucken hat<br />
schon öfter zum Verschlucken und sogar zu Todesfällen geführt. Um dies zu verhindern und<br />
trotzdem die Zuversicht der Spanier zu gewährleisten, wurden die Glockenschläge des Madrider<br />
Rathauses auf einen 3-Sekunden-Rhythmus verlangsamt. Zudem gibt es inzwischen auch Dosen<br />
mit zwölf geschälten und entkernten Trauben. So können dann alle Spanier beruhigt ins neue<br />
Jahr starten. Als zusätzlicher Glücksgarant dient noch ein goldener Ring im Sektglas, mit dem<br />
man anstößt – wobei ein vorsichtiges Trinken besonders ratsam ist. Um auch das Liebesglück<br />
positiv zu beeinflussen, tragen Spanierinnen an Silvester rote Unterwäsche.<br />
Ähnlich machen es die Chileninnen, welche allerdings eher an die Kraft gelber Unterwäsche<br />
glauben. Wichtig für Glück in der Liebe ist in Chile auch, dass die erste Person, die man nach<br />
Mitternacht umarmt, dem anderen Geschlecht angehört. In Chile (wie übrigens auch in Italien)<br />
isst man um Mitternacht einen Löffel Linsen. Früher ein Symbol für eine gute Ernte und Fruchtbarkeit,<br />
stehen sie heute eher für Wohlstand und Glück. Glück reicht vielen Chilenen jedoch nicht,<br />
auch Geld und Reisen müssen „bestellt“ werden. Münzen in den Schuhen oder viel Geld in den<br />
Hosentaschen sollen dafür sorgen, dass im neuen Jahr genug davon vorhanden ist. Ein weiteres<br />
Ritual, das Geld versprechen soll, ist, die Hände in Zucker zu tauchen und danach mit Champagner<br />
abzuwaschen. Wer im neuen Jahr auf eine Reise gehen will, muss einen Koffer – oder je nach<br />
Vorliebe einen Rucksack – zur Hand haben und diesen vor die Haustür stellen. Noch sicherer soll<br />
ein Gang mit dem Koffer um den Block sein. Die ganz Bequemen stellen sich mit dem Koffer in<br />
der Hand auf einen Stuhl.<br />
Da ich Silvester nun in Spanien unter Chilenen verbrachte, habe ich natürlich auch versucht, das<br />
Glück ein bisschen heraufzubeschwören. Tja, das mit den Trauben hat leider nicht geklappt, da<br />
ich den ersten Glockenschlag verpasst habe und dann beim zwölften Glockenschlag noch drei<br />
Trauben übrig hatte. Statt eines Koffers trug ich einfach eine Umhängetasche – dürfte zumindest<br />
für eine kleine Reise reichen. Aber immerhin hatte ich 50 Euro und meine Bankkarte in der<br />
Hosentasche! Naja, reich werde ich 2010 wohl nicht werden, aber vermutlich schon über die<br />
Runden kommen.<br />
Text und Bilder: Reto Dräger<br />
e1ns fragt nach:<br />
E NS Noch<br />
Was ist aus Ihren Vorsätzen für das Jahr 2009 geworden<br />
Welche Vorsätze haben Sie für 2010<br />
Ein Vorsatz für 2009 war, nach Chile zu<br />
reisen um herauszufinden, ob wir wieder<br />
zurückkehren wollen. Wir haben die Reise<br />
gemacht und uns gegen eine Rückkehr entschieden.<br />
In der Arbeit war mein Vorsatz,<br />
eine Gewerkschaft zu organisieren und diese<br />
zu leiten. Auch dies hat sich erfüllt. Mein<br />
Vorsätze für das neue Jahr sind, eine andere<br />
Arbeit zu finden und eine Ausbildung in Reflexologie<br />
zu machen. Im Sommer möchte<br />
ich nach Konstanz reisen und unseren Cousin<br />
Andrés besuchen.<br />
Luz Molina, Madrid<br />
Für 2009 hatte ich den Wunsch, von der<br />
Kunst zu leben, was jedoch nicht geklappt<br />
hat. Daneben hatte ich den Vorsatz, soviel<br />
Zeit wie möglich mit meiner Tochter zu<br />
verbringen. Das habe ich gemacht, und<br />
das werde ich weiterhin machen. Für 2010<br />
wünsche ich mir, gesund zu sein und eine<br />
sichere Stelle zu haben. Daneben möchte ich<br />
viel reisen und die Welt kennen lernen, ich<br />
wollte immer ein Weltenbummler sein<br />
Christian Rojas, Madrid<br />
Ich mache mir eigentlich keine Vorsätze,<br />
denn ich lebe im Moment. Für 2009 wollte<br />
ich jedoch ein Haus außerhalb von Madrid<br />
suchen, da die Umstände es verlangten.<br />
Daneben wollte ich eine sichere Stelle haben<br />
und einen soliden, gleichberechtigten<br />
Partner finden. Beides habe ich auch gehabt,<br />
doch ist die Beziehung wieder zu Ende<br />
gegangen. Ein Vorsatz war auch, zum Wahlrecht<br />
von Chilenen im Ausland beizutragen.<br />
Zwar haben wir das noch nicht geschafft,<br />
doch haben wir den ersten Kongress Chilenischer<br />
Organisationen in Europa organisiert.<br />
2010 möchte ich Europa kennen lernen.<br />
Schon seit langem möchte ich Italien<br />
und Griechenland bereisen und den Jakobsweg<br />
nach Santiago de Compostela laufen.<br />
Ein Wunsch ist auch, meine beiden Kinder<br />
gleichzeitig zu treffen.<br />
Nelida Molina, Madrid<br />
Für 2009 wünschte ich mir Gesundheit, gut<br />
und ohne Probleme arbeiten zu können, mit<br />
meiner Familie zusammen zu sein und dass<br />
meine Kinder und meine Frau glücklich in<br />
Spanien sind. Diese Wünsche haben sich erfüllt.<br />
Auch mein Wunsch, dass meine Kinder<br />
ein Studium oder eine Ausbildung beginnen<br />
können, ging in Erfüllung. Meine Wünsche<br />
für 2010 sind, dass ich weiterhin eine gute<br />
Arbeit habe, dass meine Familie gesund<br />
bleibt und dass wir weiterhin unsere Ziele<br />
erreichen. Ein großer Wunsch ist auch, dass<br />
meine Familie die Aufenthaltsbewilligung<br />
erhält, damit sie legal in Spanien ist und wir<br />
ruhiger leben können. Meinen Kindern wünsche<br />
ich, dass sie weiter studieren und zu arbeiten<br />
beginnen können, damit sich unsere<br />
Lebensumstände weiter verbessern.<br />
Daniel Allel Mora, Madrid