Manets kann man wohl zuviel, aber nie genug haben - Villa Grisebach
Manets kann man wohl zuviel, aber nie genug haben - Villa Grisebach
Manets kann man wohl zuviel, aber nie genug haben - Villa Grisebach
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Und was genau ist daran juristisch problematisch?<br />
Als Max Lieber<strong>man</strong>n 1935 starb, erbte seine Frau Martha<br />
die spektakuläre Kunstsammlung, die Haupt werke des<br />
französischen Impressionismus, <strong>aber</strong> auch zahlreiche<br />
Arbeiten deutscher Künstler des 19. Jahrhunderts, wie<br />
Menzel und Blechen, enthielt. Aufgrund ihres jüdischen<br />
Glaubens wurde Martha in der NS-Zeit einer per<strong>man</strong>enten<br />
Verfolgung ausgesetzt, die dazu führte, daß sie die<br />
Sammlung Stück um Stück veräußern mußte, um zu überleben.<br />
1943 entzog sie sich durch Freitod der Deportation.<br />
Danach wurde ihr gesamter restlicher Besitz vom „Reich“<br />
eingezogen. Nach heutiger Rechtslage gilt jeder Verkauf<br />
aus jüdischem Besitz, der nach dem September 1935, also<br />
nach Inkrafttreten der Nürnberger Rassengesetze, erfolgte,<br />
als „verfolgungsbedingt“. Insofern ist letztlich das Gros<br />
der Sammlung Max Lieber<strong>man</strong>ns verfolgungsbedingt<br />
ab handen gekommen, sei es durch die Notverkäufe oder<br />
die Enteignung durch Einziehung zum „Reich“.<br />
ABGESTEMPELT<br />
Das ist die neckische „Laubfroschquadrille“ von vorne – und das ist ihre<br />
außer gewöhnliche Rückseite. Neben dem martialischen Stempel der<br />
Nationalgalerie aus nationalsozialistischer Zeit steht seit dem 31. Juli 2012<br />
der Stempel „Kupferstich kabinett Berlin – Freigegeben“, mit dem Georg<br />
Josef Dietz, der Leiter der Restaurierungswerkstatt des Berliner Kupferstichkabinetts,<br />
alle Menzel-Blätter aus dem ehemaligen Besitz<br />
Lieber<strong>man</strong>ns offiziell freigegeben hat.<br />
<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2012<br />
Wie reagieren die heutigen Besitzer, wenn sie von Ihnen<br />
Post bekommen?<br />
Sehr unterschiedlich. Die Spanne reicht von verständnisvoller<br />
Kooperationsbereitschaft bis hin zu ignoranter Kälte.<br />
Aber wir freuen uns, daß jetzt in einem ersten Schritt die<br />
Ölstudie von Carl Blechen, die Hitler dem Museum in Linz<br />
einverleiben wollte und die dann als Leihgabe der Bun desrepublik<br />
in Kassel landete, an die Erben restituiert wurde.<br />
Und das gilt ebenso für ein Konvolut von vier Zeichnungen<br />
Adolph Menzels aus dem Berliner Kupfer stichkabinett<br />
sowie eine Zeichnung aus der Kunsthalle Mannheim. Aber<br />
das ist erst der Anfang: Lieber<strong>man</strong>n gehörten beispielsweise<br />
allein 80 Zeichnungen Menzels.<br />
Wollen Sie die gesamte ehemalige Sammlung an die Erben<br />
Max Lieber<strong>man</strong>ns restituieren?<br />
Was wir in erster Li<strong>nie</strong> wollen, ist etwas ganz anderes:<br />
nämlich einen offenen Umgang mit einem zum Teil<br />
beschämenden Erbe. Wichtig ist es, daß endlich die<br />
Fakten auf den Tisch kommen und das lancierte<br />
Märchen von der verschollenen Sammlung endet.<br />
Privatpersonen, die Werke aus der Sammlung besitzen,<br />
<strong>haben</strong> ohnehin rechtlich nichts zu befürchten. Es<br />
geht den Erben nicht in jedem Fall darum, Ansprüche<br />
auf die Werke geltend zu machen.<br />
Um was geht es Ihnen und den Erben dann?<br />
Es geht darum, daß die Eingemeindung Max Lieber<strong>man</strong>ns<br />
in die deutsche Geschichte nur die halbe<br />
Wahrheit reflektiert – die andere Hälfte, die antisemitische<br />
Verfolgung seiner Frau, ihr schrecklicher Tod<br />
und die rechtswidrige Zerschlagung der Sammlung,<br />
wird bis heute weitgehend ausgeblendet. Es muß endlich<br />
einen angemessenen Umgang mit diesem Teil der<br />
Geschichte der Familie Lieber<strong>man</strong>n geben. Das<br />
Schicksal der Sammlung ist auf das engste verknüpft<br />
mit dem beschämenden Ende Martha Lieber<strong>man</strong>ns.<br />
Ihre persönliche Verfolgungsgeschichte und die<br />
Geschichte der Zerschlagung der Sammlung verlaufen<br />
parallel. Das darf nicht länger verdrängt und verschleiert<br />
werden. Wir wollen die ganze Geschichte der<br />
Sammlung und ihrer Wege bis heute erzählen.<br />
Aus unserer Auktion am 28. November 2012:<br />
ADOLPH MENZEL<br />
„Laubfrosch in den Gefilden der Seligen“ (Laubfroschquadrille). 1835<br />
Tuschfeder auf Velin. 25 x 28,6 cm<br />
Schätzpreis: € 3.000 – 4.000<br />
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