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Kleiner Traum vom großen Glück - AWH consult

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die sich ausbreitenden Liebeskatastrophen.<br />

The Cactus: Dann haben Sie also nichts gegen den Macho oder<br />

sind gar selber einer<br />

EGM: Sagen wir mal so: Ich wär gern einer. Aber leider bin ich<br />

ein Teil dieses ganzen Unglücksszenarios, aus dem ich mich nur<br />

sehr langsam herausarbeite. Doch vorerst bloß im Gesang.<br />

The Cactus: Sie singen<br />

EGM: Ja auch zu Eva Herman. Habe schon 8 Lieder zusammen.<br />

Eigentlich hätte ich gern am 17. April eins davon zum besten<br />

gegeben. Aber sie kommt ja nicht!<br />

The Cactus: Wußte Frau Herman, dass Sie singen wollten<br />

EGM: Ja, von einem Lied wußte Sie.<br />

The Cactus: Vielleicht kommt Sie deshalb nicht!<br />

EGM: Wer weiß ...<br />

Interviewerin: Janine Gerth<br />

Am Wickeltisch des Wahnsinns<br />

Ein postfeministischer Feldversuch von und mit Eva Herman<br />

Dass Bücher, die sich an der Spitze der Bestsellerlisten<br />

herumtreiben, noch lange keine gute Literatur sein müssen,<br />

ist ja nichts Neues. Mit seichter Trivialliteratur, deren<br />

Daseinsberechtigung sich überwiegend in der Selbstvermarktung<br />

und gebündelter Klischeeaufbereitung begründet, lassen sich<br />

ganz leicht mal eben ein paar<br />

hundert Seiten füllen.<br />

Das Paralleluniversum, das<br />

sich Eva Herman zwischen<br />

den zwei Buchdeckeln ihres<br />

Machwerks geschaffen hat,<br />

ist jedoch ein soziologischer<br />

Supergau. Da hat sich Mutti<br />

in den letzten hundert Jahren<br />

mutig den Weg aus der<br />

Einbauküche gebaggert, und<br />

schon wird sie zurückgepfi ffen<br />

und fi ndet ihre Aufgabe wieder<br />

darin, den Herrn des Hauses in jeder erdenklichen Weise zu<br />

„bedienen“, ihm als abhängiger Bedarfsidiot den Rücken zu<br />

stärken und brav die Eier auszubrüten. Die Spezies Frau solle<br />

öfter mal den Mund halten, sich mit den Krümeln von den<br />

Tellern der Macht zufrieden geben, sich zur unterentwickelten<br />

Minderheit stilisieren lassen. Und so holt Frau Herman aus: zum<br />

Endlos-Monolog im Beichtstuhl des Abendprogramms, mit dem<br />

die Hobbywissenschaftlerin im Lager der emanzipierten Frauen<br />

fl eißig Maulkörbe verteilt und sich mit theologischem Terminus in<br />

den Gazetten des Landes festkrallt.<br />

Ist ihr Buch wirklich „ein mutiges, überzeugendes Buch, das das<br />

Leben jeder Frau ändern wird“, wie es der bonbonbunte Einband<br />

verspricht<br />

Nun ja, zumindest lässt sich im Moment mit ein bisschen<br />

Demographie-Hokus-Pokus alles verkaufen. Kern der<br />

Geschichte: Die Frau ist schuld. Woran Von allem ein bisschen.<br />

An der Massenarbeitslosigkeit, dem Geburtenrückgang, den<br />

neuen Männern – hysterischen Sensibelchen, die schon an einer<br />

Überdosis Nasenspray jämmerlich zu Grunde gehen, und doch<br />

als Sieger <strong>vom</strong> berufl ichen Schlachtfeld schleichen.<br />

Dem in höchstem Maße wissenschaftlichen Spotlight, das Frau<br />

Herman auf sich richtet, kann sie nicht annähernd gerecht werden.<br />

Da sind Studienergebnisse allerorts nur angerissen und in der<br />

Monotonie immer wiederkehrender banaler Thesen verpackt,<br />

die wie Artefakte aus grauen Vorzeiten scheinen. „Das Eva<br />

Prinzip“ defi niert sich vorwiegend über mit neurotischer Akribie<br />

zusammengetragene Individualschicksale, die die geneigte<br />

Autorin auf den Rest der Welt ableitet. „Selbstverwirklichung“ und<br />

„Gleichberechtigung“ werden auf den Status von Schimpfwörtern<br />

degradiert, das Buch scheint streckenweise nicht mehr als ein<br />

erbitterter Feldzug gegen die Errungenschaften der Emanzipation<br />

zu sein.<br />

Nichts Neues. Nichts, was Esther Villar nicht schon vor 32 Jahren<br />

geschrieben hätte oder in „Frauenzeitschriften“ zwischen Backe-<br />

Backe-Kuchen und den geistigen Ergüssen von D-Klasse Prominenz<br />

zu lesen ist, und doch ist die Verunsicherung groß. Jeder kann<br />

mitreden, jeder muss mitreden. Von der windelkundigen Hausfrau,<br />

die ihr Leben selbstaufgebungsvoll zwischen Krabbelgruppe und<br />

Küche aufgespalten hat, bis zum kinderlosen Akademiker, der<br />

die Demographie absichtsvoll gegen den Baum fährt.<br />

So gelang es der ehemaligen Nachrichtenvorleserin ein<br />

grelles Licht auf den „soziologischen und biologischen<br />

Kontext“ zu werfen, in erster Linie auf ihren eigenen, und<br />

doch bleibt sie sich dabei selbst nicht treu: Sonst hätte<br />

sie in dem Moment sinniger Muße und Erkenntnis, dass<br />

Karriere dem „Schöpfungsauftrag“ der Frau nur schadet,<br />

nicht auch noch dieses Buch schreiben müssen. Beichte<br />

hin oder her, sie hat sich damit medien-wirksam selbst<br />

von ihrem eigenen Prinzip disqualifi ziert.<br />

Was fi ndet sich zwischen den zwei pinken<br />

Sachbuchdeckeln, die wie schwere Kirchentüren eine<br />

altertümliche Missionierungsmission zu verbergen<br />

scheinen<br />

Gesellschaftspessimistische Provokationen, viel persönliches<br />

Gefühl und aufgewärmte Klischees, einen Hauch<br />

evolutionsbiologischer Analysen und simplen Neu-Biologismus,<br />

geträumte Lösungsvorschläge, die ökonomisch gefährlich und<br />

schlicht unumsetzbar sind. Dazu Kokettieren mit ihrer späten<br />

Reue und das Spiel mit den alltäglichen Ängsten der Gegenwart<br />

– Werteverfall, Einsamkeit, Rente. Ist das Elaborat Eva Hermans<br />

stilistisch zwar eher mäßig, wird sie in rituellen TV-Auftritten<br />

nicht müde zu betonen, wie viele warme Worte und Dank sie<br />

für ihr Buch erhalten hat, wie viele Briefe rege Zustimmung<br />

verkündeten und dass Massen von Frauen sich in ihrem Werk<br />

wiedererkannten. Welche Frau freiwillig lieber verteilt auf die<br />

drei K’s – Küche, Kreissaal, Kirche - verkümmern möchte, statt<br />

auf Augenhöhe mit dem Mann gleichberechtigt und respektiert<br />

zu leben, bleibt mir persönlich ein Rätsel. Aber womöglich bin<br />

ich lediglich eine medizinische Anomalie, die keine Schönheit im<br />

Mainstream-Mantra des Patriarchats erkennen kann.<br />

Eva Herman, von ihrer ursprünglichen Profession der<br />

Nachrichtensprecherin erlöst und dann offensichtlich doch nicht<br />

bereit, der Familie 24 Stunden am Tag zu huldigen, macht mit<br />

der kommenden Aussicht eher nervös - Fortsetzung folgt. Der<br />

Hinblick auf eine Auswahl von Zuschriften und E-Mails um „die<br />

große Eiszeit“ aufzuhalten - womöglich DER Briefroman des 21.<br />

Jahrhunderts - lässt erste Wölkchen am Ereignishorizont der<br />

emanzipierten Frau aufkreuzen.<br />

In diesem Sinne, Mädels, nicht vergessen: Wer sich nicht wehrt,<br />

endet am Herd.<br />

AutorIN:<br />

Diana Ludzay, DDR-Krippenkrüppel und EMMA-Abonnentin

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