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Foto © Matt. Müncheberg<br />
Wer das Schiff des drahtigen Engländers Alex Thomson, die Open 60 HUGO BOSS, betritt,<br />
taucht augenblicklich ein in eine spartanisch-praktische, auf Effizienz und Erfolg getrimm-<br />
te Welt des Offshore-Rennsportes. „Welcome aboard“, begrüßt Alex seine Gäste, <strong>als</strong> wir<br />
die in Schwarz-Weiß gehaltene Rennflunder, ein Einrumpfboot der International Monohull<br />
Open Class Association, kurz IMOCA, betreten. Die IMOCA ist eine 1991 gegründete<br />
Vereinigung, die sich an der Organisation von Regatten und Segelweltmeisterschaften<br />
wie der Vendée Globe beteiligt, sagt Thomson, der immer gute Laune zu haben und<br />
ständig zu lachen scheint. Selbst das schlechte Abschneiden beim gerade beendeten<br />
Rolex Fastnet Race verdirbt ihm nicht die Stimmung. Die 608 Seemeilen lange Wettfahrt<br />
mit Startlinie vor der Royal Yacht Squdron in Cowes (siehe auch Beitrag über die Cowes<br />
Classic Week im SAILING JOURNAL 5/2011) und Markpunkt Fastnet Rock, der sich Jahr<br />
für Jahr die weltbesten Hochsee-Segler stellen, gilt <strong>als</strong> Reifeprüfung in der Szene.<br />
Neben Thomson mit der GER 99 im Groß stellten sich in diesem Jahr Vincent Riou auf<br />
der PRB, Jean-Pierre Dick auf VIRBAC PAPREC 3, Bernard Stamm mit der CHEMINEES<br />
POUJOULAT, Marc Thiercelin auf DCNS 1000 und Marc Guillemot auf SAFRAN. Zum<br />
Schluss reichte es für die HUGO BOSS nur für Platz fünf. Was war geschehen? „Wir sa-<br />
hen, wie ein Teilnehmerboot gekentert war, und leisteten Hilfe. Die anderen Yachten fuh-<br />
ren einfach vorbei“, sagt Thomson – und lacht wieder sein breites, gewinnendes Lachen.<br />
10<br />
om Pech verfolgt war Alex Thomson<br />
auch beim im April beendeten Barce-<br />
lona World Race. Drei Tage vor dem Start<br />
am 31. Dezember musste Skipper Alex<br />
Thomson ins Krankenhaus: Diagnose Blind-<br />
darm-Entzündung. Als Reserve-Co-Skipper sprang kur-<br />
zerhand der Holländer Wouter Verbraak ein. Ursprüng-<br />
lich sollte Verbraak auf den Kapverden wieder von Bord<br />
gehen und an Thomson übergeben. Als jedoch bei sei-<br />
nem kurz nach Neujahr zur Welt gekommenen Sohn<br />
Oskar gesundheitliche Probleme festgestellt worden<br />
waren, entschied sich der Brite, an Land zu bleiben.<br />
Bereits im Atlantik war sein Schiff in das hintere Mit-<br />
telfeld zurückgefallen. Auch bei der folgenden Etappe<br />
durch den Southern Ocean konnte die HUGO BOSS<br />
dann nicht mehr zu der Führungsgruppe aufschlie-<br />
ßen. Zwar lieferte sich das Team im Pazifik noch ein<br />
spannendes Rennen mit der GAES, technische Pro-<br />
bleme mit den Segeln zwangen die Crew jedoch bald<br />
zu einem Stopp auf den Falklandinseln. Am 21. April<br />
dieses Jahres erreichte die HUGO BOSS mit Wouter<br />
Verbraak und Andy Meiklejohn schließlich den Ziel-<br />
punkt Barcelona, ganze 18 Tage nach dem Siegschiff<br />
VIRBAC PAPREC 3. Platz sieben von neun möglichen<br />
lautete das ernüchternde Ergebnis. „Schaf im Wolfs-<br />
pelz“, bespöttelten daraufhin Kritiker den 18,28 Me-<br />
ter langen Open 60, der vorher vier Monate lang von<br />
Designer Juan Kouyoumdjian modifiziert worden war.<br />
Foto © Hugo Boss<br />
Solche Anwürfe fechten Skipper Thomson indes nicht<br />
an. Der Blick des im Jahr 1999 für den Ehrentitel<br />
„Offshore Yachtsman of the Year“ Nominierten geht<br />
nach vorn. Nachdem der jüngste Skipper, der mit<br />
dem Clipper Round the World Race 1998 eine Wett-<br />
fahrt rund um die Welt gewonnen hat, beim Vendée<br />
Globe 2000/2001 Dritter wurde und beim im gleichen<br />
Zeitraum gelaufenen Transat Jacques Vabre sogar den<br />
zweiten Platz belegt hatte (jeweils mit Skipper Roland<br />
Jourdain und dem Team Lombard Design), peilt der in<br />
Gosport/Hampshire geborene Profiskipper nun eine er-<br />
folgreiche Teilnahme beim nächsten Vendée Globe an.<br />
„Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren“,<br />
sagt Thomson, obschon mit Erscheinungsdatum die-<br />
ser Ausgabe des SAILING JOURNAL immerhin noch ein<br />
knappes Jahr verbleibt, bis das Neunzig-Tage- Extrem-<br />
rennen um die Welt am 21. Oktober angeschossen<br />
werden wird. „Das Schiff ist nach einigen Veränderun-<br />
gen nun bedeutend leistungsstärker <strong>als</strong> ihre Vorgänge-<br />
rin und andere Schiffe in ihrer Klasse“, ist sich Alexan-<br />
der Thomson, den alle nur Alex nennen, sicher. Doch<br />
auch vor den Umbauten durch „Juan K“, der schon<br />
die beiden schnellen ABN AMRO und die erfolgreiche<br />
ERICSSON 4 zeichnete, bewies das Schiff sein Poten-<br />
zial: Als ehemalige PINDAR belegte es beim letzten<br />
Vendée Globe mit Skipper Brian Thompson Platz fünf.<br />
Doch von einem fünften Platz beim nächsten „Rennen<br />
der Rennen“ will Thomson, der nach eigenen Angaben<br />
schon mehr <strong>als</strong> 120.000 Seemeilen geloggt hat, nichts<br />
wissen. „Das Schiff ist speziell auf meine Anforderungen<br />
zugeschnitten“, sagt Thomson. Es diene jetzt nur noch<br />
einem einzigen Zweck: möglichst schnell einhand die<br />
Welt zu umsegeln. Und die Zeichen, dass dies auch ge-<br />
lingen kann, stehen nicht schlecht. 380 Tage vor dem<br />
Vendée-Start ist Thomson gesund, auf dem Höhepunkt<br />
seiner mentalen und physischen Stärke, seinem Sohn<br />
Oskar geht es wieder gut und seiner sogenannten „Shot-<br />
gun-Marriage“ (einem Verwaltungsakt zur Absicherung<br />
des gemeinsamen Kindes kurz vor dem Start zum Bar-<br />
celona World Race) mit seiner hochschwangeren Freun-<br />
din Kate im Dezember letzten Jahres folgte am 21. Au-<br />
gust eine große Hochzeitsparty. Voll konzentriert nutzt<br />
Thomson in den verbleibenden elf Monaten bis zum<br />
Start nun jede sich ihm bietende Gelegenheit zum Re-<br />
gattatraining – zwischen Hospitality-, Charity- und Spon-<br />
soringausfahrten und -auftritten auf der ganzen Welt.<br />
„DAS SCHIFF IST NACH EINIGEN VERÄNDERUNGEN NUN<br />
BEDEUTEND LEISTUNGSSTÄRKER ALS IHRE VORGÄNGE RIN<br />
UND ANDERE SCHIFFE IN IHRER KLASSE.“ ALEX THOMSON<br />
Foto © Matt. Müncheberg<br />
aktuell alex thomson