Demokratie leben lernen - Prof. Dr. Christian Büttner
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Linie auf die Fähigkeit, Konflikte um Bedürfnisse und Interessen<br />
in solcher Weise zu lösen, dass es zu keiner Gewalteskalation<br />
kommt bzw. dass die Gewaltimpulse in der<br />
und durch die sozialen Gemeinschaften kontrollierbar bleiben.<br />
Welche Bedeutung für das pädagogische Handeln<br />
haben also die kindlichen Bedürfnisse gegenüber den kindlichen<br />
Interessen?<br />
In der pädagogischen Forschungs- und Berufspraxis<br />
gehört der Begriff „Bedürfnis“ zu den häufig benutzten<br />
Schlagworten und wird meist in Zusammenhang mit der<br />
normativen Forderung gebracht, in der praktischen Pädagogik<br />
müsse an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen<br />
orientiert gearbeitet werden. Auf der Basis von<br />
bedürfnisbezogenen Annahmen werden beispielsweise<br />
Leitkonzepte für Bildungseinrichtungen entwickelt und<br />
formuliert, die wiederum die Grundlage für die praktische<br />
Arbeit „vor Ort” bilden. An welchen Bedürfnissen von Kindern<br />
jedoch angeknüpft werden soll, bleibt in vielen Fällen<br />
entweder unklar oder wird nicht im Einzelnen thematisiert.<br />
Der Grund dafür mag einerseits darin liegen, dass<br />
es kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu kindlichen<br />
Bedürfnissen gibt (diese Defizite sind wiederum auf die<br />
methodischen Schwierigkeiten bei Kinderbefragungen<br />
zurückzuführen), andererseits in dem Problem der Begriffsbestimmung<br />
selbst.<br />
Die Bedeutung des Begriffes in den sozialwissenschaftlichen<br />
Disziplinen variiert sehr stark, der Begriff wird selbst<br />
innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin nicht einheitlich<br />
verwendet. Dies trifft vor allem auf Beschreibungen<br />
menschlicher Grundbedürfnisse zu (z.B. in der Philosophie<br />
einerseits konkret Durst und Hunger, andererseits allgemein<br />
Streben nach Selbsterhaltung). Aus der Fülle unterschiedlich<br />
akzentuierter und aus verschiedenen wissenschaftlichen<br />
Fachbereichen stammender Definitionen lassen<br />
sich dennoch inhaltliche Gemeinsamkeiten ableiten.<br />
Dem Begriff „Bedürfnis“ kann demnach folgende Bedeutung<br />
zugeschrieben werden: Bedürfnis ist auf den Mangelzustand<br />
eines biologischen Organismus zurückzuführen,<br />
der ein bestimmtes Verhalten auslöst, das darauf ausgerichtet<br />
ist, den empfundenen Mangel zu beseitigen.<br />
Zu den bekanntesten Auffassungen dessen, was als<br />
menschliche Grundbedürfnisse zu verstehen seien, gehört<br />
vor allem das Ordnungsschema für die Unterscheidung von<br />
Bedürfnisarten des Menschen von Maslow. Die nach ihm<br />
benannte „Bedürfnispyramide” ist allgemeinpsychologischer<br />
Natur und hat die Form einer Bedürfnishierarchie.<br />
Maslow geht davon aus, dass der Mensch von zwei Bedürfnisarten<br />
beeinflusst wird, nämlich von den so genannten<br />
Wachstumsbedürfnissen und den Defizitbedürfnissen (vgl.<br />
Maslow 1985, S.15). Laut Maslow gibt es in jedem Menschen<br />
– unabhängig von seiner Entwicklungs- und Lerngeschichte<br />
– fünf Motiv- und Bedürfnisgruppen, die sich<br />
wie folgt hierarchisch ordnen lassen: physiologische Bedürfnisse:<br />
Grundbedürfnisse des Menschen, wie z. B. Nahrung<br />
etc.; Sicherheitsbedürfnisse: beinhalten die Sorge um Stabilität,<br />
Schutz und Zukunftsvorsorge; soziale Bedürfnisse:<br />
umfassen Kontakte und Zuwendung zu anderen Menschen;<br />
Geltungsbedürfnisse: bringen Anerkennung durch andere<br />
und Selbstachtung; Selbstverwirklichungsbedürfnisse: zur<br />
Entfaltung und Entwicklung der eigenen Person.<br />
Die unteren vier Bedürfniskategorien gehören zu den<br />
Defizitbedürfnissen. Die nächst höhere Stufe der Pyramide<br />
kann erst dann erreicht und aktiviert werden, wenn die<br />
Stufe darunter weitestgehend befriedigt ist. Anders formuliert:<br />
Sind die Bedürfnisse der untersten bzw. der unteren<br />
Stufen befriedigt, dann gewinnt die nächst höhere<br />
Bedürfnisstufe an Bedeutung und Vorrang. Das Modell der<br />
Bedürfnispyramide mag auf den ersten Blick plausibel<br />
erscheinen, vernachlässigt jedoch individuelle Unterschiede<br />
sowie geschichtliche und soziale Aspekte. Was für den<br />
einen unabdingbar ist, kann für den anderen als überflüssig<br />
erscheinen und umgekehrt. Die rein biologischen<br />
Bedürfnisse zur Lebenserhaltung haben alle Lebewesen<br />
gemeinsam. Der Mangelzustand muss aber nicht unbedingt<br />
biologischer Natur sein, sondern kann auf subjektiven<br />
Wünschen beruhen (z. B. die sehr unterschiedlich vorkommende<br />
Gier). Da menschliche Bedürfnisse individuelle<br />
Bedürfnisse sind und ihre Befriedigung von sozialen<br />
Regelungen abhängt, können soziale Gemeinschaften<br />
schon für ein sehr frühes Alter festlegen, wann welche<br />
Bedürfnisse befriedigt werden sollen oder wann die Befriedigung<br />
von Bedürfnissen bis zum einem gewissen Grad<br />
aufgeschoben werden muss.<br />
Die Erwartung durch <strong>Dr</strong>itte (Eltern oder Pädagogen)<br />
eines Aufschubes kann von den Adressaten, den Kindern<br />
auch als persönliche oder strukturelle Gewalt empfunden<br />
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