DIE BIBLISCHE SPUR// HOFFNUNG IN DER BIBEL – WEIT MEHR ALS EWIGES LEBEN Hoffnung in der Bibel – weit mehr als ewiges Leben 4
DIE BIBLISCHE SPUR// LEBENDIG/ <strong>0113</strong> Denn <strong>Gott</strong> hat uns den Heiligen Geist gegeben <strong>und</strong> hat unser Herz durch ihn mit der Gewissheit erfüllt, dass er uns liebt. Rachel Binggeli-Zindel, Pfarrerin Bolligen/BE Das Alte Testament verwendet ein Wort für Hoffnung, das wörtlich mit „Seil“ oder „Faden“ übersetzt wird. Hoffnung bietet demnach Halt. Wir können uns an ihr festhalten. Während Philosophen der Antike vor Hoffnung warnten, ruft die Bibel zur Hoffnung auf. Das ist nicht zu unterschätzen. Die Botschaft ist: „Auch wenn alles danach aussieht, als ob nichts mehr zu hoffen ist, hoffe dennoch. “Christliche Hoffnung trotzt Festlegungen <strong>und</strong> Zuständen, die wir für unumstösslich <strong>und</strong> zwingend halten. Im Folgenden werde ich anhand von Römer acht einige Aspekte der christlichen Hoffnung aufzeigen. Hoffnung auf die Zukunft hin In seinem Brief an die Römer gibt Paulus der Gemeinde eine Art Minidefinition von Hoffnung. Hoffnung zeichnet sich durch ihre Zukünftigkeit aus: „Nun ist aber eine Hoffnung, die sich bereits erfüllt hat, keine Hoffnung mehr. Denn warum sollte man auf etwas hoffen, das man schon verwirklicht sieht“ (Röm. 8,24). Gerade weil sich das Erhoffte noch nicht erfüllt hat, ist Warten gefordert (Röm. 8,25). Auch im Alten Testament ist das Hoffen durch Geduldhaben, Warten <strong>und</strong> Stillesein gekennzeichnet (vgl. z.B. Psalm 39,8; Jes. 8,17). Hoffen heisst demnach vertrauen (Psalm 22,5). Tatsächlich sind Hoffnung <strong>und</strong> Vertrauen manchmal kaum voneinander zu trennen. Die Erwartung des Zukünftigen, das Vertrauen <strong>und</strong> die Geduld des Wartens gehören zusammen (vgl. die Definition von „Glaube“ in Hebr. 11,1). Paulus ermutigt die Gemeinde in Rom, zu hoffen, gerade weil sie die Erfüllung noch nicht sehen können. Die paulinische Logik mag nicht die unsrige sein. Aber Paulus sieht in Nöten, Sorgen <strong>und</strong> schwierigen Herausforderungen eine Chance, durchzuhalten <strong>und</strong> die Hoffnung zu nähren (Röm. 5,3-4). Jede Leiderfahrung trägt in sich gleichzeitig Hoffnungsmaterial. Paulus ist sich sicher: „In unserer Hoffnung werden wir nicht enttäuscht (Röm. 5,5). Die Haltung, sich der Hoffnungslosigkeit zu verweigern, bedeutet nicht Blauäugigkeit, sondern Realismus (vgl. Hiob 13,5). Hoffen auf Erlösung Worauf wird denn da so sehnlichst gehofft, gewartet <strong>und</strong> vertraut „Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird“ (Röm. 8,23). Mit der Erlösung des Körpers ist die Auferstehung zu neuem Leben gemeint. Nicht selten wird deshalb christliche Hoffnung mit dem ewigen Leben nach dem Tod gleichgesetzt. Es kursieren Vorstellungen, dass die Hoffnung darin besteht, sich zu <strong>Gott</strong> zu bekennen <strong>und</strong> dann in den Himmel gerettet zu werden. Doch hier geht es Paulus um viel mehr. Christliche Hoffnung ist viel umfassender als das individuelle Schicksal nach dem Tod. Erst einmal ist in Römer acht von der Schöpfung die Rede. Sie liegt wie eine Schwangere in Wehen <strong>und</strong> wartet auf die Erlösung ihrer Vergänglichkeit. Und in diesem Warten liegt bereits die Hoffnung auf Befreiung (Röm. 8,17-23). Da ist die Hoffnung, dass aus dem Mutterleib der alten Welt die neue Schöpfung geboren wird. Der ganze Kosmos wartet darauf, von der „Last der Vergänglichkeit befreit zu werden <strong>und</strong> an der Freiheit teilzuhaben, die den Kindern <strong>Gott</strong>es mit der künftigen Herrlichkeit geschenkt wird“ (Röm. 8,22). Gehofft wird auf die Welt, wie sie eines Tages sein soll. Dass das Böse inklusive Tod <strong>und</strong> Vergänglichkeit überw<strong>und</strong>en wird <strong>und</strong> sich die Herrlichkeit <strong>Gott</strong>es überall ausbreitet (z.B. Jes. 11,9). So dass schlussendlich alles in ihm sein wird (1. Kor. 15,28). Ein neuer Himmel <strong>und</strong> eine neue Erde (Off. 21). Die Hoffnung besteht darin, dass <strong>Gott</strong> für die ganze Schöpfung das tun wird, was er an Ostern für Jesus bereits getan hat. Und das meint nicht nur ein persönliches Leben nach dem Tod, sondern die Überwindung des Todes, des Bösen, der Sünde im eigenen Leben <strong>und</strong> in der ganzen Schöpfung. Wer in dieser hoffungsvollen Wirklichkeit lebt, blickt im Hier <strong>und</strong> Jetzt hoffnungsvoll in die Zukunft. So hat diese transzendente zukunftsorientierte Hoffnung eine konkrete Auswirkung im Alltag. Hoffen ist Gabe <strong>Gott</strong>es Paulus spricht in Römer acht vom Heiligen Geist als Erstlingsfrucht (Röm. 8,23). Beim jüdischen Pfingstfest wurden die Erstlingsfrüchte der Weizenernte als Opfer dargebracht. Diese Erstlingsfrüchte deuteten die grosse Ernte an, die noch bevorstand. An anderer Stelle bezeichnet Paulus die Auferstehung Jesu Christi als Erstlingsfrucht (1. Kor. 15). Das Bild spricht für sich: Die Auferstehung Christi <strong>und</strong> der Heilige Geist sind Vorfrüchte der bevorstehenden Ernte. „Sogar wir, denen <strong>Gott</strong> doch bereits seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle Verwirklichung dessen noch aussteht“ (Röm. 8,23). Hoffen kann der Mensch demnach nicht von sich aus, sondern der Heilige Geist bewirkt es in uns. Hoffnung ist eine Gabe <strong>Gott</strong>es (2. Thess. 2,16). Biblisches Hoffen ist also immer eine geschenkte Hoffnung von <strong>Gott</strong>. „Denn <strong>Gott</strong> hat uns den Heiligen Geist gegeben <strong>und</strong> hat unser Herz durch ihn mit der Gewissheit erfüllt, dass er uns liebt“ (Röm. 5,5). 5