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2010-Ausg. 1 Text-korr. - Freireligiöse Gemeinde Idar-Oberstein

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Ein gesundes und erfolgreiches Jahr <strong>2010</strong><br />

wünschen <strong>Gemeinde</strong>vorstand und Pfarrer<br />

Eine Chronik schreibt nur derjenige,<br />

dem die Gegenwart wichtig ist.<br />

Johann Wolfgang Goethe


Gründergeist mit Folgen: Peter Drey<br />

Auch im kollektiven Gedächtnis einer Stadt muß hin und wieder<br />

etwas aufgerufen werden. Denn ein Gründer, ist er einmal lange<br />

tot, kann in Vergessenheit geraten, während das, was er begründet<br />

hat, weiterexistiert und sich weiterentwickelt. Das liegt in der<br />

Natur der Sache. Der Turner denkt an seine Übungen, der Feuerwehrmann<br />

konzentriert sich auf das Löschen, nicht auf Peter<br />

Drey, und der Zeitungsmann schreibt über die neuesten Nachrichten<br />

des Tages.<br />

Am meisten ist Drey noch als Ladenbesitzer und Gründer des<br />

Spielzeuggeschäfts im Gedächtnis geblieben, zumal sein Name<br />

an der Hausfassade und über dem Geschäft in der <strong>Oberstein</strong>er<br />

Hauptstraße zu lesen war bis weit in die Nachkriegszeit des 20.<br />

Jahrhunderts hinein.<br />

Bereits im Jahr 2007 hatten die Vorstände des Turnvereins und<br />

der Freireligiösen <strong>Gemeinde</strong> den Antrag auf öffentliche Würdigung<br />

der Verdienste von Peter Drey gestellt. Der Stadtrat billigte<br />

diesen einstimmig. Die Fußgängerbrücke am Festhallenknoten<br />

wurde nach dem Gründervater benannt.<br />

Außerdem sollte Dreys Wirken mit einer Gedenktafel gewürdigt<br />

werden, die am 13. Oktober 2009 im Beisein von zahlreichen<br />

Ehrengästen von Oberbürgermeister Bruno Zimmer, Bernd Pohl,<br />

Vorsitzender des TVO, und Gerhard Schneider, Vorsitzender der<br />

Freireligiösen <strong>Gemeinde</strong>, feierlich enthüllt wurde. Auch die Ururenkel<br />

von Peter Drey, Gabi Federlin und ihr Bruder Peter Pielmeyer<br />

mit Familie, waren angereist. Delegationen des Turnvereins,<br />

der Freireligiösen <strong>Gemeinde</strong>, eine Abordnung der Freiwilligen<br />

Feuerwehr und zahlreiche Bürger waren zusammengekommen.<br />

„Es war wirklich an der Zeit, dass dieser bedeutende Mann eine<br />

öffentliche Würdigung erfährt“, erklärte Oberbürgermeister Zimmer<br />

und dankte den beiden Vorständen für deren Initiative. Darüber<br />

hinaus hat die Freireligiöse <strong>Gemeinde</strong> auch noch die Gedenktafel<br />

gestiftet, die von Stadtplaner Peter Priebe gestaltet<br />

wurde. Zusätzlich hat die Freireligiöse <strong>Gemeinde</strong> beiliegenden<br />

biographischen Flyer über Peter Drey vorgelegt.<br />

Peter Drey war als Lithograph bereits seit 1847 in <strong>Oberstein</strong>, ein<br />

überzeugter aktiver Turner und Anhänger der deutschkatholischen<br />

<strong>Gemeinde</strong> zu Offenbach am Main, gegründet 1845. Die<br />

Religion sollte endlich durch die Brille der Vernunft betrachtet und<br />

praktiziert werden. Alle bisher erfolglosen Reformbestrebungen in<br />

der katholischen Kirche konnten um 1845 nun gebündelt und<br />

umgesetzt werden, nicht zu einer einheitlichen Theologie, aber zu<br />

einer demokratischen Form der freien Religionsgemeinde mit<br />

vielen Strömungen. Gegen die Amtskirche, ihre unchristliche und<br />

undemokratische Glaubenspraxis, gegen ihre unglaubwürdigen<br />

Kirchendogmen setzten die Deutschkatholiken die Rückbesinnung<br />

auf die Bibel, um sie frei und selbstbestimmt in Schriften und im<br />

Gottesdienst in deutscher Sprache auszulegen.<br />

Der Abfall vom Glauben galt damals in der römisch-katholischen<br />

Kirche als größte Ketzerei. Die Deutschkatholiken waren aber<br />

auch gefährlich, weil sie der Öffentlichkeit zeigten, dass die Kirche<br />

nicht das Monopol in Sachen Religion hatte. Die Religion selbst<br />

stand nun erkennbar da als Lehre der Kirche und nicht als ewige,<br />

von Gott geoffenbarte oder vom heiligen Geist inspirierte Wahrheit.<br />

Deutschkatholisches Christentum der Bürger, Handwerker, Literaten<br />

und Tagelöhner – das war nicht mehr Vorbereitung auf die<br />

Ewigkeit, Durchgang durch ein irdisches Jammertal. Vielmehr<br />

ging es um die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden unmittelbar<br />

vor dem Ausbruch der Revolution von 1848, die vielen<br />

Deutschkatholiken als Offenbarung Gottes erschien. In jenen<br />

Tagen wurden auch politische Vorgänge noch durch die religiöse<br />

Brille gesehen.<br />

Doch der erste Demokratieversuch der Deutschen scheiterte, und<br />

so brach danach eine Periode der finsteren Reaktion und Verfolgung<br />

an. Die offizielle Gründung unserer <strong>Gemeinde</strong> erfolgte erst<br />

1876, jedoch nicht im luftleeren Raum. Organisierte Freireligiöse<br />

gab es bereits in den Jahren davor, einzelne Sympathisanten<br />

traten auch schon vor 1848 im Nahetal in Erscheinung.<br />

Einer der Veteranen der freireligiösen Bewegung war der ehemalige<br />

katholische Kaplan Johannes Ronge, der schon 1844 durch<br />

seinen Offenen Brief gegen die Ausstellung des angeblich heiligen<br />

Rockes Jesu in Trier bekannt geworden war. Ronge kehrte<br />

als verfolgter 48er Revolutionär 1861 nach einer Amnestie aus<br />

dem englischen Exil zurückt und lebte danach in Frankfurt am<br />

Main. Von dort unternahm er mit der Eisenbahn Reisen durch das<br />

Nahetal und war bei Peter Drey zu Gast.<br />

Unter den veränderten Bedingungen der neuen Zeit waren Ronges<br />

Rundreisen im Gegensatz zur Zeit vor der Revolution bescheidene<br />

Aktionen. In <strong>Idar</strong>, <strong>Oberstein</strong> und Birkenfeld gab es aber<br />

immerhin annähernd 200 Mitglieder seines religiösen Reformvereins.<br />

In seiner Innenarbeit organisierte der Verein Religionsunterricht<br />

und Feierstunden, in seiner Außenarbeit beschäftigt er sich<br />

mit Fragen der Frauenemanzipation und der Erziehung der Kleinkinder.<br />

Auch eine Zeitschrift erschien. Ronge war außerdem noch


Vor der Gedenktafel für Peter Drey: OB Bruno Zimmer, Gerhard Schneider,<br />

Vorsitzender der Freireligiösen <strong>Gemeinde</strong> und TVO-Vorsitzender Bernd Pohl<br />

Pädagoge in der Tradition Friedrich Fröbels und hatte die Kindergartenidee<br />

schon in England populär gemacht. 1871 bildete er<br />

eine <strong>Oberstein</strong>erin als Erzieherin für den hiesigen Kindergarten<br />

aus. Am 10. Dezember 1876 wurde ein besonderes Ereignis<br />

bekanntgegeben: Die Gründung der deutschkatholischen oder<br />

freireligiösen <strong>Gemeinde</strong> <strong>Oberstein</strong>. Der Nestor der <strong>Oberstein</strong>er<br />

Turnerbewegung Peter Drey wurde ihr Vorsitzender. Im Gründungsdokument<br />

bezeichnet er sich selbstbewußt als Kartonnagefabrikant.<br />

Der 52jährige genießt Vertrauen und Ansehen auch<br />

unter den jüngeren Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Heute<br />

würde man sagen: ein Mann mit Kompetenz.<br />

Die Gründung der <strong>Gemeinde</strong> 1876 in <strong>Oberstein</strong> war eine ganz<br />

und gar atypische. Denn im freireligiösen Leben in Deutschland<br />

herrschte Ebbe. Erst nach der Jahrhundertwende gab es eine<br />

neue zweite Welle des Zustromes. Umso bemerkenswerter ist<br />

diese Gründung, die von 45 Männern und 33 Frauen unterzeichnet<br />

wurde – alles <strong>Oberstein</strong>er, unter Mitwirkung des rheinpreußischen<br />

freireligiösen Predigers Dr. Bodenheim aus Bonn.<br />

Seit 1845 umfasste der Deutschkatholizismus neben ehemaligen<br />

römischen Katholiken und Protestanten aus beiden Kirchen auch<br />

liberale Juden. Jedoch tritt seit den 1860er Jahren die Wesensbezeichnung<br />

„freireligiös“ immer häufiger auf. Der innere Verwandlungsprozess<br />

in den freireligiösen <strong>Gemeinde</strong>n ist ein Ergebnis der<br />

Wirkung von Philosophie und Wissenschaft. Frei in der religiösen<br />

Selbstbestimmung mit der Vernunft als geistigem Prinzip! Die<br />

Vernunft aber steht über der Autorität mit ihrem Schriftprinzip des<br />

wortwörtlichen Glaubens. So ist die freireligiöse <strong>Gemeinde</strong> damals<br />

ein Glied in der Kette der Ketzergeschichte der Christenheit.<br />

1876 ist Jesus nicht mehr Gottessohn, sondern nur noch Ethiklehrer.<br />

Nicht der gekreuzigte und auferstandene Christus, sondern<br />

der lebendige Jesus steht im Statut der <strong>Gemeinde</strong> für die Grundlage<br />

der Moral. Und längst gibt es Zweifel, ob man als freireligiöse<br />

<strong>Gemeinde</strong> überhaupt noch das Abendmahl im altkirchlichen Sinne<br />

feiern könne.<br />

Das Wort vom Gottesdienst wird noch als Ausdruck der alten<br />

religiösen Tradition gebraucht. Nicht mehr das „Wort Gottes“ steht<br />

im Mittelpunkt, sondern die Deutung des Wortes „Gott“. Der Wandel<br />

vom persönlichen Schöpfergott im Himmel zum unpersönlichen<br />

Gottesbegriff durchzieht die Gedankenwelt der freireligiösen<br />

Zeitschriftenartikel jener Tage. Der Mainzer freireligiöse Prediger<br />

Wilhelm Hieronymi schreibt 1870 in der Zeitschrift „Morgenröthe“:<br />

Die Nachfahren von Peter Drey neben OB Zimmer:<br />

Peter Pielmeyer, Gabi Federlin, Constantin Pielmeyer<br />

Unser Cultus, unser Gottesdienst ist nicht mehr ein Dienst für die<br />

Gottheit, sondern ein Dienst für die Menschheit, nicht zur Verherrlichung<br />

Gottes, sondern zur Veredelung des Menschen. Ein<br />

Dienst für das menschlich Wahre und Gute. Fotos: Brill, Horbach<br />

NEU: Jeden Mittwoch Kindertreff mit Melanie Schüßler<br />

Hallo Kinder, die ersten von Euch waren vor Weihnachten schon<br />

da und haben sich gefreut. Jetzt geht es weiter das ganze Jahr<br />

hindurch. Wollt ihr Euch im Lauf der Jahreszeiten immer wieder<br />

neu überraschen lassen Dann bastelt im Freireligiösen <strong>Gemeinde</strong>zentrum<br />

Mainzer Straße 171 immer jeden Mittwoch von 15.30<br />

bis 17.00 Uhr. Kinderscheren und das ganze Bastelmaterial stehen<br />

für Euch kostenfrei bereit.<br />

Gefeiertes Duo „Unkraut“ im <strong>Gemeinde</strong>zentrum<br />

Das Pfälzer Duo „Unkraut“ macht schon seit über 30 Jahren in<br />

vielen Städten Musik mit Titeln wie „Sag mir wo die Blumen sind“,<br />

„You are my Sunshine“ oder „We shall not be moved“. Folksongs<br />

in der Tradition von Pete Seeger und Woody Guthry. Bald sind sie<br />

bei uns im Freireligiösen <strong>Gemeinde</strong>zentrum zu hören, und zwar<br />

am Freitag, dem 26. März <strong>2010</strong> um 19.30 Uhr. „Unkraut“ Uli<br />

Valnion und Jürgen Waschke: Ihre Instrumente sind Gitarren,<br />

Banjo, Mandoline und Mundharmonika. Ihre Lieder im zweistimmigen<br />

Gesang sind u.a. die Songs<br />

von Pete Seeger (Foto aus den<br />

60er Jahren) und Bruce Springsteen,<br />

die bei der Amtseinführung<br />

von Präsident Barack Obama<br />

aufgetreten sind. Seeger (90),<br />

Mitglied der freireligiösen Unitarier<br />

in den USA, setzte sich immer<br />

kompromisslos für Frieden und<br />

soziale Gerechtigkeit ein. Nach<br />

dem 2. Weltkrieg stand er 15<br />

Jahre lang auf der „Schwarzen Liste“ in den USA und erhielt<br />

Auftrittsverbot. Das Banjo ist, wie er sagt, seine „Maschine“, die<br />

den Hass umzingelt. 1987 traf Uli Valnion sein Vorbild in den<br />

USA. „Abends durfte ich auf sein Konzert kommen und vor den<br />

Zuschauern ein Lied mit ihm singen“. „Unkraut“ unterstützt durch<br />

seine Konzerte auch das Umweltschutzprojekt von Seeger für den<br />

Hudson-River. Der Eintritt an der Abendkasse beträgt 3 Euro.

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