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schluss mit lustig! - Mädchenhaus Bielefeld e.V.

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<strong>schluss</strong> <strong>mit</strong> <strong>lustig</strong>!<br />

Dokumentation<br />

der Aktion »Schluss <strong>mit</strong> Lustig« gegen Belästigungen und sexualisierte<br />

Übergriffe in <strong>Bielefeld</strong>er Schwimmbädern<br />

Eine gemeinsame Aktion der Bädergesellschaft <strong>Bielefeld</strong> und des Vereins


Danksagung<br />

Das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. dankt der <strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und<br />

Freizeiteinrichtungen GmbH (BBF) für die Bereitstellung der<br />

finanziellen Mittel zur Durchführung des Kooperationsprojektes<br />

„Schluss <strong>mit</strong> Lustig - Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen<br />

in öffentlichen Schwimmbädern“ und für die konstruktive<br />

Zusammenarbeit.<br />

Der Dank gilt ebenso dem Ministerium für Frauen, Jugend, Familie<br />

und Gesundheit NRW für die Finanzierung dieser Dokumentation.


Vorwort<br />

Sexuelle Belästigungen sind – auch in Spaßbädern – kein Spaß. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Form sexualisierter Gewalt und da<strong>mit</strong><br />

um ernst zu nehmende Übergriffe. Die Persönlichkeit der Betroffenen wird durch einen solchen Übergriff missachtet. Der Handlungsspielraum<br />

sowohl von Mädchen und Jungen, die bereits Opfer geworden sind, als auch von denjenigen, die einen entsprechenden Übergriff fürchten,<br />

wird eingeschränkt. Die Opfer schweigen häufig, sie sind sprachlos und haben Scham- und Ohnmachtsgefühle. Auch ein einzelner Übergriff<br />

kann traumatisch wirken und die Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig stören.<br />

Mit dem Projekt „Schluss <strong>mit</strong> Lustig“ hat das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> das Problem aufgegriffen und in fundierter Weise nicht nur thematisiert<br />

und öffentlich gemacht, sondern durch die verschiedenen Bausteine zur Problemlösung in <strong>Bielefeld</strong>er Bädern beigetragen.<br />

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat sich zum Ziel gesetzt, sexualisierte Gewalt zu bekämpfen und den Betroffenen zu helfen.<br />

Sie fördert zahlreiche unterschiedliche Hilfeeinrichtungen, u.a. Mädchenhäuser, Mädchenberatungsstellen, Kinderschutzzentren und -ambulanzen,<br />

Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen und Einrichtungen gegen sexualisierte Gewalt sowie die Erziehungsberatungsstellen, die ebenfalls<br />

Hilfen anbieten.<br />

Zu dem entsprechenden Maßnahmenpaket gehört auch die Stärkung pädagogischer Maßnahmen, die gezielt zur Bewusstseins- und Rollenverhaltensänderung<br />

bei Jungen und Mädchen beitragen. Mit dem Initiativprogramm „Selbstbehauptung und Konflikttraining für Mädchen<br />

und Jungen an Schulen“ soll das Selbstbewusstsein insbesondere von Mädchen gestärkt und das Konfliktverhalten von Jungen verbessert<br />

werden. Auch der Umgang <strong>mit</strong> konkreten Gewaltsituationen wird dabei thematisiert.<br />

Das Projekt des <strong>Mädchenhaus</strong>es <strong>Bielefeld</strong> ist eine sinnvolle Ergänzung der Maßnahmen der Landesregierung und es ist ein gutes Beispiel,<br />

wie das Problem der sexuellen Belästigung in öffentlichen Bädern wirkungsvoll angegangen werden kann. Die Plakate <strong>mit</strong> dem Motto des<br />

Projektes sind zum Zertifikat für Spaßbäder geworden, in denen sexuelle Übergriffe nicht geduldet werden.<br />

Mein Haus hat daher gerne die Finanzierung der Projektdokumentation übernommen, in der die einzelnen Bestandteile des Konzeptes, die<br />

Umsetzung und die Erfahrungen dargestellt werden.<br />

Ich wünsche mir, dass das Projekt viele Nachahmerinnen und Nachahmer findet und dadurch öffentliche Bäder zu einem sicheren Ort für<br />

Mädchen und Jungen werden. Für die Bäder ist ein solches Projekt darüberhinaus eine effektive Werbung für einen unbeschwerten<br />

Badegenuss.<br />

Birgit Fischer, Ministerin für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen


Inhaltsverzeichnis Seite<br />

1. Einleitung 4-5<br />

2. Beschreibung der KooperationspartnerInnen <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. und <strong>Bielefeld</strong>er<br />

Bäder- und Freizeiteinrichtungen GmbH (BBF)<br />

2.1 <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. 6-8<br />

2.2 <strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und Freizeiteinrichtungen GmbH (BBF) 9-10<br />

3. Zur Entstehung des Kooperationsprojekts „Schluss <strong>mit</strong> Lustig -<br />

Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen in öffentlichen Schwimmbädern“<br />

3.1 Sexualisierte Übergriffe in Schwimmbädern aus Sicht der Mädchen<br />

3.2 Öffentlichkeitsarbeit des Vereins <strong>Mädchenhaus</strong> zum Thema „sexualisierte Gewalt<br />

11-12<br />

in Schwimmbädern“ 12-16<br />

A) Forderungen des Vereins <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. 17<br />

B) Moritatengesang 18<br />

C) Presseerklärung zum Aktionstag „Schluss <strong>mit</strong> Lustig“ 19<br />

3.3 Planung der Kooperation <strong>mit</strong> der <strong>Bielefeld</strong>er Bädergesellschaft 20-21<br />

4. Bausteine des Präventionsprojekts „ Schluss <strong>mit</strong> Lustig - Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten<br />

Übergriffen in öffentlichen Schwimmbädern“<br />

4.1 Informationsmaterial für SchwimmbadbesucherInnen 22-23<br />

4.2 Fortbildung für das Schwimmbadpersonal 23-24<br />

A) Ergebnisse aus der Befragung des Schwimmbadpersonals vor Beginn der Fortbildung 25-27


B) Qualitätsmerkmale und Ziele der Fortbildung für das Schwimmbadpersonal 28<br />

C) Organisation und Ablauf der Fortbildung für das Schwimmbadpersonal 29<br />

D) Inhalte der Fortbildung für das Schwimmbadpersonal<br />

E) Beispiele aus den Themenblöcken der Fortbildung für das Schwimmbadpersonal<br />

30<br />

E.1 Wer sind die Opfer? 31-32<br />

E.2 Wer sind die Täter?<br />

E.3 Handlungsleitlinien bei sexualisierter Gewalt in öffentlichen Schwimmbädern für<br />

32-33<br />

das Schwimmbadpersonal 34-35<br />

E.4 Grundregeln präventiver Erziehung<br />

4.3 Verbesserungen des Organisationsablaufs im Bäderbetrieb für die Arbeit gegen<br />

35-36<br />

sexualisierte Gewalt 36-37<br />

4.4 Rückmeldungen des Schwimmbadpersonals zur Fortbildung<br />

4.5 Vernetzung<br />

37-38<br />

A) Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der Polizei 39-40<br />

B) Zusammenarbeit <strong>mit</strong> spezialisierten Beratungsstellen<br />

4.6 Öffentlichkeitsarbeit<br />

41<br />

A) Aktionstage in <strong>Bielefeld</strong>er Schwimmbädern 41-42<br />

B) Pressespiegel 42-45<br />

C) Resonanz aus der Bevölkerung 46<br />

5. Ausblick<br />

5.1 Empfehlungen zur Übertragbarkeit und Durchführung des Präventionsprojekts „Schluss <strong>mit</strong> Lustig -<br />

Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen in öffentlichen Schwimmbädern“ in anderen Kommunen 46-47<br />

5.2 Informationen für Interessierte 48<br />

5.3 Adressen der KooperationspartnerInnen 48


1. Einleitung<br />

Öffentliche Schwimmbäder haben einen hohen Freizeitwert.<br />

Sie sollen ein Ort sein für Spiel, Spaß, Entspannung<br />

und Begegnung, den Mädchen und Jungen unbelästigt<br />

und uneingeschränkt von sexualisierter Gewalt genießen<br />

können. Tatsächlich finden aber auch in diesem offenen<br />

sozialen Nahraum häufig sexualisierte Übergriffe statt,<br />

denen sich die Betroffenen allein und ohne Hilfe ausgesetzt<br />

fühlen. So war die Frage „Was können wir tun, um<br />

dem Problem der sexualisierten Gewalt in unseren Bädern<br />

entgegenzutreten?“ handlungsleitend für das Präventionsprojekt:<br />

4<br />

„Schluss <strong>mit</strong> Lustig - Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten<br />

Übergriffen in öffentlichen Schwimmbädern“.<br />

Das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. ist als anerkannter<br />

Jugendhilfeträger seit 1989 spezialisiert in der Arbeit<br />

gegen sexualisierte Gewalt. Langjährige Erfahrung hat<br />

uns gelehrt, dass es oftmals der gemeinsamen Anstrengung<br />

vieler Beteiligter bedarf, ein Mädchen oder einen<br />

Jungen vor sexualisierter Gewalt zu schützen und konsequenten<br />

Opferschutz durch konsequente Arbeit gegen<br />

Täterschaft zu sichern.<br />

Dabei herrscht im öffentlichen Umgang <strong>mit</strong> dem Thema<br />

eine tiefe Kluft zwischen hoch emotionaler Empörung<br />

und der mangelnden Bereitschaft, auch im eigenen<br />

Lebens- oder Berufsumfeld der alltäglichen Gewalt couragiert<br />

Einhalt zu gebieten.<br />

Einmalige und isolierte Präventionsprogramme gegen<br />

sexualisierte Gewalt können nicht erfolgreich sein.<br />

Alltags- und lebensweltbezogene Prävention muss die<br />

jeweiligen Bedingungen und Strukturen in gesellschaftlichen<br />

Institutionen analysieren, die sexualisierte<br />

Gewalt ermöglichen und aufrechterhalten. Erst dann<br />

können nachhaltige Strategien gegen sexualisierte<br />

Übergriffe entwickelt und implementiert werden. Hier<br />

erhält ein gemeinsam getragener Handlungskonsens<br />

entscheidende Bedeutung für die erfolgreiche Arbeit<br />

gegen sexualisierte Gewalt. So können Gegebenheiten<br />

im Alltag, die gewalttätiges Handeln erleichtern, im<br />

Sinne eines wirkungsvollen Opferschutzes verändert<br />

werden.<br />

Mit dem Projekt „Schluss <strong>mit</strong> Lustig - Schluss <strong>mit</strong><br />

sexualisierten Übergriffen in öffentlichen<br />

Schwimmbädern“ sind wir diesen Weg gemeinsam <strong>mit</strong>


unserem Kooperationspartner, der <strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und<br />

Freizeiteinrichtungen GmbH & Co. Betriebs-KG (BBF),<br />

gegangen und haben ihn zu einem, wie wir meinen,<br />

erfolgreichen und auch für andere Kommunen wegweisenden<br />

Ab<strong>schluss</strong> gebracht. Unsere Erfahrungen und<br />

unser Wissen möchten wir <strong>mit</strong> dieser Dokumentation zur<br />

Verfügung stellen und nicht zuletzt zur Nachahmung<br />

anregen.<br />

Für das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V.<br />

Ellen Solari Astrid Schulze Berndt<br />

5


2. Beschreibung der<br />

KooperationspartnerInnen<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. und<br />

<strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und Freizeit<br />

einrichtungen GmbH (BBF)<br />

2.1 <strong>Mädchenhaus</strong><br />

<strong>Bielefeld</strong> e.V.<br />

Das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. ist als anerkannter<br />

Träger der Jugendhilfe eine Einrichtung für Mädchen<br />

und junge Frauen. Unter dem Dach des Vereins<br />

„<strong>Mädchenhaus</strong>“ sind drei unterschiedliche Angebote vereint:<br />

die Beratungsstelle, die Zufluchtstätte und langfristige<br />

Wohnangebote für Mädchen und junge Frauen.<br />

Ein wesentliches Prinzip der Arbeit ist die Parteilichkeit.<br />

Es ist das Ziel der Mitarbeiterinnen, die Notlage der<br />

Mädchen zu beenden, ihre Belange auf fachlicher und<br />

politischer Ebene voranzutreiben, und sie in allen<br />

Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe zu verankern.<br />

6<br />

Es wenden sich Mädchen <strong>mit</strong> unterschiedlichen<br />

Problemlagen an die Beratungsstelle, die Zufluchtstätte<br />

oder die langfristigen Wohnangebote des Vereins<br />

<strong>Mädchenhaus</strong>. Häufig liegen der Hilfesuche der Mädchen<br />

sexualisierte, emotionale sowie physische Gewalterfahrungen<br />

zugrunde.<br />

Weitere Informationen zu den unten aufgeführten<br />

Unterstützungsangeboten können Sie über die<br />

Geschäftsstelle des Vereins „<strong>Mädchenhaus</strong>“ unter<br />

folgender Anschrift beziehen:<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V.<br />

Renteistr. 14<br />

33602 <strong>Bielefeld</strong><br />

Tel.: 0521/178813 Fax: 0521/5216320<br />

e-mail: Maedchenhaus-<strong>Bielefeld</strong>@t-online.de<br />

http://www.maedchenhaus-bielefeld.de<br />

Der Verein „<strong>Mädchenhaus</strong>“ ist gemeinsam <strong>mit</strong> vier weiteren<br />

Mädchenhäusern aus anderen Kommunen und dem<br />

Handwerkerinnerhaus Köln in NRW in einer Landesarbeitsgemeinschaft<br />

<strong>mit</strong> Geschäftsstelle in Gelsenkirchen<br />

organisiert.


Beratungsstelle<br />

Die Beratungsstelle richtet sich an alle Mädchen ab<br />

12 Jahren und junge Frauen, sowie deren Angehörige,<br />

Bezugspersonen und an Fachkräfte, die beruflich <strong>mit</strong><br />

dem Thema „sexualisierte Gewalt gegen Mädchen“<br />

konfrontiert sind.<br />

Angebote der Beratungsstelle für Mädchen:<br />

� Information<br />

� Beratung<br />

� Krisenintervention<br />

� Therapie<br />

� Strafprozessbegleitung<br />

� Unterstützung bei der Kontaktaufnahme zu Ämtern,<br />

Polizei, RechtsanwältInnen etc.<br />

Bezugspersonen und Angehörige (sofern sie nicht Täter-<br />

Innen sind) sowie psychosoziale Fachkräfte werden<br />

unterstützend beraten.<br />

Die Beratung erfolgt auf der Basis der Freiwilligkeit, ist<br />

kostenlos und anonym.<br />

Prävention<br />

Das Team der Beratungsstelle bietet auf Anfrage Beratung<br />

für Institutionen, die präventiv gegen sexualisierte<br />

Gewalt vorgehen wollen. Dabei werden auf die jeweilige<br />

Problemlage abgestimmte präventive Konzepte entwickelt<br />

und durchgeführt.<br />

Das lebensweltorientierte, präventive Angebot umfasst:<br />

� Themenspezifische Gruppen für Mädchen<br />

� Fallbezogene Teamberatungen und Supervisionsgruppen<br />

� Fortbildungen für Berufsgruppen<br />

� Institutionsberatung<br />

7


Zufluchtstätte<br />

Die Zufluchtstätte bietet Mädchen und jungen Frauen<br />

zwischen 12 und 18 Jahren, die sich in einer Krise oder<br />

Notlage befinden, eine vorübergehende Wohnmöglichkeit<br />

und Schutz vor Bedrohung und Gewalt. Die Adresse<br />

der Zuflucht ist anonym.<br />

An die Zufluchtstätte können sich Mädchen und<br />

junge Frauen wenden, die nicht in ihre Familie bzw.<br />

an ihren Aufenthaltsort zurückgehen können, weil sie<br />

� massive Konflikte im Elternhaus haben,<br />

� körperlicher, seelischer und/oder sexualisierter Gewalt<br />

ausgesetzt sind,<br />

� von Verschleppung oder Zwangsverheiratung bedroht<br />

sind,<br />

� aus der Prostitution aussteigen wollen,<br />

� oder sich in einer ähnlichen Notlage befinden.<br />

8<br />

Wohnangebote für Mädchen und junge Frauen<br />

Im Rahmen der Jugendhilfe werden betreute und intensiv<br />

betreute Wohnangebote entwickelt und bereitgestellt.<br />

Mädchen und junge Frauen im Alter von 16 bis 26 Jahren<br />

finden dort nach oft jahrelanger Gewalterfahrung einen<br />

ihren Bedürfnissen angemessenen Lebensort.<br />

Durch den geschützten Rahmen soll eine selbständige<br />

Alltagsbewältigung eingeübt werden.<br />

Die Angebote umfassen Hilfen zur Verselbständigung,<br />

individuelle und flexible Betreuung, Krisenintervention,<br />

Rufbereitschaften sowie Nachbetreuung in der<br />

eigenen Wohnung.<br />

Die Bereitstellung spezifischer Angebote orientiert sich<br />

an den langjährigen, konkreten Erfahrungen aus der<br />

<strong>Mädchenhaus</strong>arbeit. Hieraus resultiert der Bedarf an<br />

langfristigen Wohnangeboten, deren Ausgestaltung sich<br />

nach den vielfältigen Lebenslagen und individuellen<br />

Bedürfnissen der Mädchen und jungen Frauen richtet.


2.2 <strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und<br />

Freizeiteinrichtungen GmbH & Co.<br />

Betriebs-KG (BBF)<br />

Organisation<br />

Die BBF – <strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und Freizeiteinrichtungen<br />

GmbH & Co. Betriebs-KG – besteht seit dem 01.01.1997.<br />

Gesellschafter sind <strong>mit</strong> einem Anteil von 90% die<br />

Stadtwerke <strong>Bielefeld</strong> GmbH und <strong>mit</strong> 10% die BGW -<br />

<strong>Bielefeld</strong>er Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH.<br />

Bis 1997 waren die Hallen- und Schwimmbäder sowie die<br />

Eisbahnen in das Sportamt der Stadt <strong>Bielefeld</strong> eingegliedert.<br />

Die Neuordnung brachte u.a. den Vorteil kürzerer und<br />

flexiblerer Entscheidungswege, anderer Finanzierungsmöglichkeiten<br />

und Synergieeffekte durch die Beteiligung<br />

von Stadtwerken und BGW.<br />

Bäder- und Freizeiteinrichtungen<br />

Die BBF betreibt zur Zeit 15 Bäder- und Eisbahnen und<br />

ist da<strong>mit</strong> einer der größten kommunalen Bäder-Anbieter<br />

in NRW:<br />

� Sport und Freizeitbad ISHARA<br />

� 2 Hallenbäder <strong>mit</strong> Saunabetrieb<br />

� 1 Traglufthallenbad<br />

� 1 Schul- und Vereinshallenbad<br />

� 8 Freibäder<br />

� 2 Eisbahnen<br />

Daneben werden noch 4 Schulschwimmbäder der Stadt<br />

<strong>Bielefeld</strong> betreut.<br />

BesucherInnenzahlen<br />

Die Anzahl der BesucherInnen beträgt <strong>mit</strong> saisonalen<br />

Schwankungen 1,4 Millionen Gäste pro Jahr.<br />

9


Personal<br />

Die BBF beschäftigt insgesamt über 130 festangestellte<br />

MitarbeiterInnnen, d.h. vorwiegend SchwimmmeisterInnen,<br />

Fachangestellte für Bäderbetriebe (vormals SchwimmmeistergehilfInnen),<br />

BadewärterInnen, KassiererInnen<br />

10<br />

und Reinigungskräfte.<br />

Darüber hinaus sind als saisonale Hilfen vorwiegend in<br />

der Freibadsaison über 60 RettungsschwimmerInnen<br />

abrufbar.<br />

Der Anteil weiblicher Beschäftigter beträgt bis zu 60%.


3. Zur Entstehung des Kooperationsprojekts<br />

„Schluss <strong>mit</strong> Lustig –<br />

Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten<br />

Übergriffen in öffentlichen<br />

Schwimmbädern“<br />

3.1 Sexualisierte Übergriffe in Schwimmbädern<br />

aus Sicht der Mädchen<br />

Immer wieder wenden sich Mädchen und auch Eltern in<br />

Sorge um ihre Töchter an die Mitarbeiterinnen der<br />

Beratungsstelle des Vereins <strong>Mädchenhaus</strong> und berichten<br />

von Belästigungen und sexualisierten Übergriffen in<br />

öffentlichen Schwimmbädern.<br />

Mädchen sind verbaler Anmache ausgesetzt, sie werden<br />

auf der Liegewiese oder im Wasser begrapscht oder ihnen<br />

wird der Bikini heruntergerissen. Es kommt immer wieder<br />

vor, dass sie in unübersichtlichen Beckenabschnitten<br />

bedrängt, umzingelt und sexuell genötigt werden.<br />

Auch kleine Jungen sind z.T. betroffen: ihnen wird die<br />

Badehose heruntergerissen, sie werden unter der Dusche<br />

beobachtet, verfolgt und zu sexuellen Handlungen<br />

gezwungen. Dies hat eindeutig nichts mehr <strong>mit</strong> Spiel<br />

und Spaß zu tun!<br />

� „Beim Schwimmen hat mich jemand belästigt. Er hat<br />

mir zwischen die Beine und an die Brust gegriffen.<br />

Als ich gesagt hab, er soll aufhören, hat er mich<br />

bedroht.“ (siebzehnjähriges Mädchen)<br />

� „Es gibt echt ätzende Typen, die ständig hinter<br />

einem her sind. Egal wo man ist, sie sind auch schon<br />

da, machen einen übel an. Am schlimmsten ist es im<br />

Whirlpool. Da sind wir schon angegrabscht worden,<br />

als wir uns aufwärmen wollten. Das macht keinen<br />

Spaß mehr. Wir überlegen schon, ob wir überhaupt<br />

noch hingehen.“ (Gruppe dreizehnjähriger Mädchen)<br />

� „In der Sammelumkleide ist es blöd. Ständig reißen<br />

irgendwelche doofen Typen die Tür auf und glotzen<br />

rein. Wenn wir sagen, die sollen abhauen, lachen die<br />

uns nur aus.“ (Gruppe fünfzehnjähriger Mädchen)<br />

� „Da war jemand, der war komisch. Der kam immer,<br />

wenn wir <strong>mit</strong> der Gruppe schwimmen waren. Er wollte<br />

immer unter uns her tauchen. Dann hat er gesagt,<br />

wir sollen das auch mal machen. Was wollte der nur?“<br />

(Gruppe elfjähriger Mädchen)<br />

11


� „Ich war allein in der Umkleide, als ein Mann herein<br />

kam. Er zeigte mir sein Glied und wollte, dass ich ihn<br />

anfasse. Ich hab mich zu Tode erschrocken.“<br />

(zwölfjähriges Mädchen)<br />

Die Mädchen und Jungen wissen oftmals nicht, von wem<br />

sie Unterstützung bekommen können, wie das Schwimmbadpersonal<br />

reagieren wird, wenn sie um Hilfe bitten oder<br />

sie trauen sich nicht, laut um Hilfe zu rufen.<br />

Selbst Badegäste, die in der Nähe sind, greifen nicht ein,<br />

weil sie die Not der Betroffenen nicht ernst nehmen.<br />

Sie ignorieren das Geschehen oder amüsieren sich darüber.<br />

Oft schämen sich die Mädchen und Jungen und erzählen<br />

gar nicht oder erst viel später von den Übergriffen.<br />

Häufig ziehen Mädchen dann die Konsequenz, Schwimmbäder<br />

ganz zu meiden.<br />

12<br />

3.2 Öffentlichkeitsarbeit des Vereins<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> zum Thema „sexualisierte<br />

Gewalt in Schwimmbädern“<br />

Im Frühjahr 1999 entschloss sich der Verein <strong>Mädchenhaus</strong>,<br />

das Problem der sexualisierten Übergriffe in öffentlichen<br />

Schwimmbädern zum Schwerpunktthema der<br />

Öffentlichkeitsarbeit für das laufende Jahr zu machen.<br />

Ziel war es, die Bevölkerung und die Kommune zu sensibilisieren,<br />

Resonanzen und Reaktionen abzufragen und<br />

<strong>mit</strong> Forderungen an die zuständigen VertreterInnen der<br />

Stadt heranzutreten. Die Gleichstellungsbeauftragte der<br />

Stadt, die <strong>Bielefeld</strong>er Bädergesellschaft und ihr<br />

Aufsichtsrat wurden im Vorfeld über das Vorhaben informiert.<br />

Es wurde deutlich, dass die Thematik auch den<br />

Betreibern der Schwimmbäder bekannt war und als problematisch<br />

erfasst wurde.<br />

Im Sommer 1999 wandten sich Mitarbeiterinnen des<br />

Vereins <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> <strong>mit</strong> einem Aktionstag in<br />

der <strong>Bielefeld</strong>er Fußgängerzone an die Bevölkerung.<br />

Mit einem Informationsstand suchten sie das Gespräch<br />

zur Problematik sexualisierter Übergriffe in öffentlichen<br />

Schwimmbädern und Freizeiteinrichtungen.


Mit einem eigens gedichteten Moritatengesang und in<br />

entsprechender Verkleidung präsentierten sie das Thema<br />

sehr anschaulich.<br />

So wurde die Neugier der PassantInnen für das Anliegen<br />

geweckt. Die Resonanz war sehr positiv. Viele Mädchen<br />

und Frauen erzählten am Informationsstand von sexuellen<br />

Belästigungen. Sie unterstützten die Forderungen gegenüber<br />

der Stadt <strong>Bielefeld</strong>, wirkungsvolle Maßnahmen<br />

gegen die sexuellen Belästigungen zu ergreifen.<br />

Mit einer umfangreichen Unterschriftenliste von über<br />

tausend UnterstützerInnen, die dem Oberbürgermeister<br />

später überreicht wurde, verliehen die <strong>Mädchenhaus</strong>-<br />

Mitarbeiterinnen ihrem Anliegen Nachdruck.<br />

13


14<br />

Neue Westfälische, 21.07.1999


Neue Westfälische, 21.07.1999<br />

Westfalen Blatt, 21.07.1999<br />

15


16<br />

Neue Westfälische, 31.07.1999


3.2 A) Forderungen des Vereins <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V.:<br />

Bäder müssen Schutz vor sexualisierten Übergriffen gewährleisten!<br />

1. Pädagogische Schulung und Fortbildung des Badepersonals zur Prävention von sexualisierten Übergriffen<br />

� Um den Mädchen als kompetente Ansprechpersonen zur Verfügung zu stehen<br />

� Um im Bedarfsfall sensibel und handlungsfähig zu reagieren<br />

� Um Schutz und Unterstützung für Mädchen in den Bereichen Umkleidekabinen, Liegewiesen und Schwimmbecken zu bieten<br />

2. Bereitstellung finanzieller Mittel zur qualifizierten Fortbildung des Badepersonals<br />

3. Das Badepersonal muss aus Männern und Frauen bestehen<br />

� Um es Mädchen zu erleichtern, sich Unterstützung zu holen, die sich in oder nach einer Belästigungssituation nicht an<br />

einen Mann wenden wollen<br />

4. Konzeptionalisierung und Durchführung von Präventionsangeboten in Schwimmbädern<br />

z.B. in Form von Aufklärungsmaterial wie Plakate und Faltblätter über die Unterstützungsmöglichkeiten von Seiten des<br />

Badepersonals und anderer Hilfseinrichtungen in <strong>Bielefeld</strong><br />

� Um den Mädchen zu verdeutlichen, welche Hilfe sie konkret in Anspruch nehmen können<br />

� Um die Bevölkerung für das Problem zu sensibilisieren<br />

5. Konsequente Verankerung von mädchen- und frauenfreundlichen Bedingungen bei der Planung und Gestaltung<br />

städtischer Freizeitbäder<br />

� Um Mädchen und Frauen die Möglichkeit zu bieten, ungestört von potentiellen Belästigungen das Freibad zu besuchen<br />

6. Einrichtung eines Mädchen- und Frauentages in öffentlichen Schwimmbädern<br />

� Um Mädchen und Frauen einen unabhängigen, uneingeschränkten und angstfreien Aufenthalt in öffentlichen Freizeitbädern<br />

zu ermöglichen<br />

17


3.2 B) Moritatengesang (Melodie nach: Mecki Messer)<br />

18<br />

An einem schönen blauen Sonntag<br />

geht’s im Schwimmbad richtig los,<br />

Mädchen wollen sich vergnügen,<br />

doch die Zahl der Spanner, die ist groß.<br />

Cousin Lukas, Bruder Christian, Opa Herbert,<br />

alle sind sie da,<br />

endlich gibt es was zu sehen,<br />

darauf warten sie das ganze Jahr.<br />

Und sie lauern vor der Kabine,<br />

jedes Mädchen denkt, welch ein Graus,<br />

diese Blicke und blöden Sprüche,<br />

warum schmeißt die denn niemand raus.<br />

Später stehen sie dann am Beckenrand,<br />

stieren jedes Mädchen an -<br />

und wenn’s gerade passt, dann<br />

machen sie sich auch noch näher ran.<br />

Unter Wasser und im Whirlpool,<br />

da sieht’s doch keiner, das ist schön,<br />

die Gelegenheit ist günstig,<br />

der Bademeister, der sieht grad nicht hin.<br />

Die Badegäste, dicht daneben<br />

sehen hin und sagen nichts,<br />

und man fragt sich, ist das möglich,<br />

sind sie feige oder wollen sie nicht.<br />

Und so mancher auf der Decke<br />

hört in der Nähe ein Mädchen schreien,<br />

bleibt einfach liegen und ignoriert es und denkt:<br />

na ja, so schlimm wird es nicht sein.<br />

Und die Mädchen und die Frauen<br />

tun sich zusammen: jetzt ist Schluss!<br />

Sie gehen zu der Frau im Rathaus,<br />

weil jetzt endlich Schluss sein muss.<br />

Wir wollen einen Tag für uns nur,<br />

an dem das Schwimmbad uns gehört!<br />

Wir wollen einen Tag für uns nur,<br />

an dem das Schwimmbad uns ungestört gehört!<br />

Drum ihr Leute zückt den Bleistift<br />

und kommt näher und unterschreibt!<br />

Wir brauchen Eure Unterstützung,<br />

da<strong>mit</strong> den Grabschern keine Chance bleibt!


3.2 C) Presseerklärung zum Aktionstag<br />

„Schluss <strong>mit</strong> <strong>lustig</strong>“<br />

1084 Bürgerinnen und Bürger, darunter viele Mädchen,<br />

unterstützten <strong>mit</strong> ihrer Unterschrift die Forderung des<br />

Vereins <strong>Mädchenhaus</strong> zur Verbesserung der Situation für<br />

Mädchen in Freizeitbädern. Zwei Vertreterinnen des Vereins<br />

überreichten am 01.12.1999 die Unterschriften dem<br />

Oberbürgermeister und der Gleichstellungsbeauftragten<br />

der Stadt <strong>Bielefeld</strong>.<br />

Mit seinem Aktionstag am 30.07.1999 hat der Verein darauf<br />

aufmerksam gemacht, dass Mädchen in Freizeitbädern<br />

sexualisierte Übergriffe erleben. Sie werden begrapscht,<br />

bedroht und sexuell genötigt. Seit Jahren wenden sich<br />

Mädchen und auch Eltern in Sorge um ihre Töchter an die<br />

Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle des Vereins <strong>Mädchenhaus</strong><br />

und berichten von Belästigungen in Freizeitbädern.<br />

Sowohl die Bädergesellschaft als auch die Polizei bestätigten<br />

diese Vorfälle.<br />

Neben der Fortbildung und Schulung des Badepersonals<br />

und der Aufklärung der Mädchen und Badegäste durch<br />

Plakate forderte der Verein <strong>Mädchenhaus</strong> unter anderem<br />

auch die Einrichtung eines Mädchen- und Frauentages in<br />

Neue Westfälische, 03.12.1999<br />

öffentlichen Freizeitbädern.<br />

Für diese politischen Forderungen hat der Verein, <strong>mit</strong><br />

Unterstützung von fünf ortsansässigen Geschäften,<br />

Unterschriften gesammelt.<br />

19


3.3 Planung der Kooperation <strong>mit</strong> der<br />

<strong>Bielefeld</strong>er Bädergesellschaft<br />

In der Folge des Aktionstages kam es im Herbst 1999 zu<br />

ausführlichen Gesprächen zwischen dem Verein <strong>Mädchenhaus</strong><br />

<strong>Bielefeld</strong> und der Geschäftsleitung der <strong>Bielefeld</strong>er<br />

Bädergesellschaft, um sich zur Thematik auszutauschen<br />

und Möglichkeiten der Kooperation zu diskutieren.<br />

Sexualisierte Übergriffe waren von den Schwimmbadbetreibern<br />

bereits problematisiert worden, und der zuständige<br />

Aufsichtsrat hatte bereits vor Beginn der Kooperationsgespräche<br />

einen privaten Wach- und Sicherheitsdienst<br />

engagiert. Dieser sollte das Personal eines<br />

Freibades im Innenstadtbereich bei der Bekämpfung aller<br />

auftretenden kriminellen Vorfälle unterstützen.<br />

Allerdings stufte die Betriebsleitung den Umgang <strong>mit</strong><br />

sexuellen Belästigungen in vielerlei Hinsicht als sehr<br />

schwierig ein und bewertete die Möglichkeiten wirkungsvoller<br />

Intervention als begrenzt. Z.B. erschwerte bereits<br />

die Fülle an Aufgaben dem Schwimmbadpersonal im normalen<br />

Badebetrieb ein effektives Handeln gegen<br />

Belästigungen und sexualisierte Übergriffe.<br />

Auch architektonische Gegebenheiten (z.B. Uneinsehbar-<br />

20<br />

keit eines Whirlpools, Einsehbarkeit der Umkleidekabinen<br />

durch unterbrochene Wandkonstruktionen) wirkten<br />

sich nachteilig aus. Hausverbote waren bereits in unterschiedlichen<br />

Fällen ausgesprochen worden, doch deren<br />

Einhaltung erwies sich als ausgesprochen schwierig.<br />

Insgesamt war in den Kooperationsgesprächen der<br />

Handlungsbedarf zur Problematik sexualisierter Gewalt<br />

unumstritten. Allerdings bestanden dem <strong>Mädchenhaus</strong><br />

gegenüber zu Anfang auch einige Vorbehalte, z.B., dass<br />

Vorfälle in der Öffentlichkeit skandalisiert würden und<br />

ein negatives Bild der Bäder entstehen könnte. Zudem<br />

fürchtete die Geschäftsführung eine zu starke Pauschalierung<br />

durch das <strong>Mädchenhaus</strong> und machte eine<br />

Zusammenarbeit auch davon abhängig, dass bei der<br />

Entwicklung von Präventionsmaßnahmen nicht nur<br />

sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen thematisiert,<br />

sondern auch die Gewalt gegen Jungen und die<br />

Pädophilen-Problematik in die geplanten Maßnahmen<br />

<strong>mit</strong> einbezogen werden.<br />

Diese und andere Bedenken einer feministischen, mädchen-<br />

und frauenparteilichen Institution gegenüber<br />

konnten im Laufe der Gespräche bereinigt werden.


Die Betriebsleitung stellte erfreut fest, dass das <strong>Mädchenhaus</strong><br />

konstruktive Vorschläge und Konzepte im<br />

Interesse der Bäder entwickelt hatte und zeigte Interesse,<br />

gemeinsam neue Wege zur Prävention sexualisierter<br />

Gewalt zu gehen. Für beide Beteiligten erwies sich der<br />

Diskussionsverlauf als produktiver Lernprozess.<br />

Auf dieser Grundlage gingen das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong><br />

e.V. und die <strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und Freizeiteinrichtungen<br />

GmbH (BBF) einen Kooperationsvertrag ein. Das <strong>Mädchenhaus</strong><br />

wurde <strong>mit</strong> der Entwicklung von präventivem<br />

Informationsmaterial für die BesucherInnen, der Durchführung<br />

von Fortbildungen für das Personal sowie der<br />

Entwicklung von Vorschlägen zu weiteren wirksamen<br />

Maßnahmen für die BBF beauftragt.<br />

Als vorrangiges Ziel wurde angestrebt, dass alle Mädchen<br />

und Frauen die Bäder uneingeschränkt und unbelästigt<br />

von sexualisierter Gewalt nutzen können.<br />

Die notwendigen, nicht unerheblichen finanziellen Mittel<br />

für die Kooperation wurden letztendlich durch die Bädergesellschaft<br />

BBF zur Verfügung gestellt, nachdem ein<br />

Projektantrag des <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. an das Land<br />

NRW abgelehnt worden war.<br />

Dem Vorschlag des <strong>Mädchenhaus</strong>es, einen Mädchen- und<br />

Frauentag in den Bädern einzuführen, wollte die<br />

Geschäftsleitung nicht nachkommen. Die Idee des<br />

<strong>Mädchenhaus</strong>es war, einen festen Tag in regelmäßigen<br />

Zeitabständen einzurichten, an dem das Schwimmbad<br />

nur für Mädchen und Frauen geöffnet ist. Hier<strong>mit</strong> sollte<br />

eine, wenn auch zeitlich begrenzte Möglichkeit geschaffen<br />

werden, dass Mädchen und Frauen ungestört, ohne<br />

Furcht vor Belästigungen, das Bad besuchen konnten.<br />

Die Bädergesellschaft wollte der Familienorientierung<br />

der Bäder nicht entgegenwirken. Sie fürchtete sowohl<br />

eine Negativwirkung für die Besucherzufriedenheit als<br />

auch eine mangelnde Auslastung der Bäder. Ebenso<br />

wurde ein Imageverlust durch die zeitweise Ausgrenzung<br />

von Männern befürchtet und eine unzumutbare<br />

Belastung des Personals durch Proteste der Badegäste.<br />

Dieser Vorschlag wurde da<strong>mit</strong> erst mal abgelehnt und<br />

bedarf einer weiteren Lobbyarbeit.<br />

21


4. Bausteine des Präventionsprojekts<br />

„Schluss <strong>mit</strong> Lustig - Schluss <strong>mit</strong><br />

sexualisierten Übergriffen in<br />

öffentlichen Schwimmbädern“<br />

4.1 Informationsmaterial für SchwimmbadbesucherInnen<br />

Bei der Gestaltung des Materials (Faltblätter, Plakate) galt<br />

es, das unumstritten schwere Thema der sexualisierten<br />

Gewalt so zu präsentieren, dass dabei nicht das Freizeitvergnügen<br />

„Schwimmbad“ und die da<strong>mit</strong> assoziierte<br />

Leichtigkeit sowie der Spaß- und Spiel-Charakter verloren<br />

gehen.<br />

Die Mädchen sollten nicht abgeschreckt, sondern ermuntert<br />

werden, den Sozialraum „Freibad“ weiterhin für sich<br />

zu nutzen, und sie sollten dafür bessere Bedingungen<br />

erhalten. Dies wird neben den Farben und dem ausgewählten<br />

Bildmaterial auch durch die Texte transportiert<br />

(siehe Faltblatt im hinteren Umschlagblatt).<br />

22<br />

Mit dem Informationsmaterial wurden folgende Ziele<br />

angestrebt:<br />

� Mädchen, Jungen und Frauen, die sexuelle Übergriffe<br />

erfahren, sollen ermutigt werden, sich zu wehren und<br />

sich Unterstützung beim Schwimmbadpersonal zu<br />

holen.<br />

� In den Faltblättern werden sexuelle Belästigungen<br />

und das Recht auf Hilfe für Betroffene klar benannt.<br />

� Es wird auf geeignete spezialisierte Beratungsstellen<br />

hingewiesen.<br />

� Potentiellen Tätern wird signalisiert, dass sexuelle<br />

Belästigungen vom Schwimmbadpersonal ernstgenommen<br />

und verfolgt werden.<br />

� SchwimmbadbesucherInnen, die eventuell ZeugInnen<br />

von sexuellen Übergriffen sind, sollen sensibilisiert<br />

werden und sind aufgefordert, betroffenen Mädchen,<br />

Jungen oder Frauen beizustehen und das Personal zu<br />

informieren.<br />

Für die Aktionstage wurden zusätzlich T–Shirts, Frisbee-<br />

Wurfscheiben und Trillerpfeifen <strong>mit</strong> dem Slogan bedruckt<br />

und an BesucherInnen des Informationsstandes verteilt.


Die Druckvorlagen für das gesamte Informationsmaterial<br />

können über das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e. V. bezogen<br />

werden.<br />

Für den Slogan „Schluss <strong>mit</strong> Lustig“ besteht Titelschutz,<br />

sodass „Schluss <strong>mit</strong> Lustig“ als Titel für alle Veröffentlichungen<br />

nur in Absprache <strong>mit</strong> dem Verein <strong>Mädchenhaus</strong><br />

<strong>Bielefeld</strong> genutzt werden darf.<br />

4.2 Fortbildung für das Schwimmbadpersonal<br />

Bevor zur Information der SchwimmbadbesucherInnen<br />

Plakate aufgehängt und Faltblätter in den Bädern verteilt<br />

wurden, war es notwendig, das Schwimmbadpersonal in<br />

Fortbildungen über die Ziele des Präventionsprojekts zu<br />

informieren und eine, von allen Beteiligten gemeinsam<br />

getragene Haltung und Handlungsfähigkeit in der Organisation<br />

zu erarbeiten.<br />

Ein bloßes Verteilen von Informationsmaterialien wäre<br />

ohne adäquate Schulung des Personals und entsprechende<br />

Veränderungen in der Organisation unverantwortlich.<br />

Die betroffenen Mädchen und Jungen würden ohne<br />

23


Unterstützung zurückgelassen, da die Handlungsunsicherheiten<br />

bei den MitarbeiterInnen weiterbestünden.<br />

Die MitarbeiterInnen wurden also über die Ziele und den<br />

Ablauf des geplanten Präventionsprojektes “Schluss <strong>mit</strong><br />

Lustig!” noch vor Beginn der Fortbildungen in „Schnupper-Gruppen”<br />

informiert. Es bestand dabei die Möglichkeit,<br />

Fragen zu stellen und Erfahrungen oder Bedenken aus der<br />

jeweiligen Perspektive der MitarbeiterInnen einzubringen.<br />

24<br />

Darüber hinaus konnten sie ihre Einstellungen, Erfahrungen<br />

und Forderungen zum Thema „sexualisierte Übergriffe<br />

in Schwimmbädern“ auch anonym in Fragebögen <strong>mit</strong>teilen.<br />

Ergebnisse aus diesen Befragungen sind im Folgenden aufgelistet.


4.2 A) Ergebnisse aus der Befragung des Schwimmbadpersonals<br />

vor Beginn der Fortbildung<br />

„Wir brauchen eine bessere Handhabe!<br />

Wir brauchen konsequente Vorgehensweisen!<br />

Wir brauchen mehr Rückendeckung durch<br />

Vorgesetzte!”(Kommentar eines Mitarbeiters zu Beginn der Befragung)<br />

� Das Schwimmbadpersonal begrüßte das Präventionskonzept<br />

und zeigte sich bis auf wenige Ausnahmen sehr<br />

motiviert und kooperativ.<br />

� Viele MitarbeiterInnen hatten sich schon lange über die<br />

Problematik sexueller Belästigungen geärgert.<br />

� Die Mehrheit der MitarbeiterInnen hatte am Arbeitsplatz<br />

Erfahrungen <strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen gegen Mädchen,<br />

Jungen und Frauen gemacht.<br />

� Viele MitarbeiterInnen waren hochmotiviert, dem Gewaltpotential<br />

in Schwimmbädern erfolgreiche Maßnahmen<br />

entgegenzusetzen.<br />

� Einzelne langjährige MitarbeiterInnen kannten bereits<br />

Möglichkeiten der Intervention.<br />

� Viele äußerten Unsicherheiten im Erkennen von problematischen<br />

Situationen und in der Intervention, da<br />

keine klaren Handlungsleitlinien und Qualitätsstandards<br />

existierten.<br />

� MitarbeiterInnen gaben an, durch die Beanspruchung<br />

im Arbeitsalltag und auch angesichts der vielen anderen<br />

Aufgaben und Belastungen <strong>mit</strong> der Wahrnehmung<br />

und Reaktion auf sexualisierte Übergriffe manchmal<br />

überfordert zu sein.<br />

� Es existierte kaum Wissen über die aktuelle Gesetzeslage<br />

� Die im Schwimmbad beschäftigten Mitarbeiterinnen<br />

berichteten, z.T. selbst sexuellen Belästigungen ausgesetzt<br />

zu sein.<br />

“Da war eine Gruppe Jugendlicher, zwei von denen<br />

kamen aus der Einzelkabine nackt heraus und haben<br />

sich vor mir aufgebaut, herum gehampelt und provoziert.“<br />

(Mitarbeiterin).<br />

„Ich verwarnte einen Jugendlichen. Dieser gab zur<br />

Antwort, dass ich doch nur <strong>mit</strong> ihm ins Bett wolle.“<br />

(Mitarbeiterin).<br />

� Bisher wurden sexualisierte Übergriffe eher gemeldet,<br />

als dass MitarbeiterInnen sie selbst beobachteten.<br />

„Wir reagieren auf Meldungen - von selbst können wir<br />

gar nicht soviel sehen!“<br />

25


� Einige MitarbeiterInnen meinten, dass Dienstkleidung<br />

bereits eine abschreckende Wirkung auf Täter haben<br />

könnte.<br />

� Einige MitarbeiterInnen gaben an, dass sie un<strong>mit</strong>telbar<br />

ZeugInnen von sexuellen Belästigungen wurden,<br />

als sie privat die Bäder nutzten.<br />

„Ich war im Wasserkanal <strong>mit</strong> 5 Mädchen und Jungen.<br />

Ich spürte, dass mich von hinten jemand umarmt. Ich<br />

habe einen Riesenschreck bekommen und bin unter<br />

Wasser gerutscht. War schrecklich wütend und hab<br />

geschrieen. Es war ein großer Mann <strong>mit</strong> Haaren auf<br />

der Brust. Er war immer nur im Kinderbecken. Er ist<br />

verschwunden. Später habe ich ihn in einem anderen<br />

Bad wiedererkannt. Er hält sich immer bei den<br />

Kindern auf.“ (Mitarbeiterin)<br />

� Mangelnde zeitliche Spielräume begrenzten das Personal<br />

in seinen Handlungsmöglichkeiten, da die vorrangige<br />

Aufgabe der Aufsichtspflicht am Beckenrand nicht vernachlässigt<br />

werden durfte. Aus Zeitgründen war es dem<br />

Personal häufig gar nicht möglich, ihren Beobachtungen<br />

gründlich nachzugehen.<br />

� Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit und ohne<br />

kollegiale Absprache treffen zu müssen, produzierte<br />

26<br />

häufig Ängste, jemanden fälschlicherweise zu verdächtigen<br />

oder keine Unterstützung zu bekommen.<br />

� MitarbeiterInnen plädierten ausdrücklich für eine<br />

ausreichende und sinnvoll eingesetzte Präsenz von<br />

Personal in Schwimmbädern.<br />

� Der Umgang <strong>mit</strong> Tatverdächtigen wurde häufig als<br />

problematisch erlebt.<br />

„Die Aussage der Polizei bei uns im Bad: »Verdacht<br />

genügt nicht! Man muß den Täter auf frischer Tat<br />

ertappen.« hat mich wütend gemacht und mich bei<br />

eventuellen Hilfestellungen verunsichert. Es wurde<br />

auch der Satz ausgesprochen: »es kann leicht<br />

Rufmord entstehen.«“ (Mitarbeiter).<br />

� Viele MitarbeiterInnen warfen den staatlichen Behörden<br />

generell mangelnden Opferschutz und ein zu geringes<br />

Strafmass vor.<br />

„Aufklärung und Vorbeugung sind gut, ein adäquates<br />

und abschreckendes Strafmaß seitens des Gesetzgebers<br />

wäre besser!!“ (Mitarbeiterin).<br />

� Andererseits berichteten MitarbeiterInnen auch, dass<br />

die zuständigen Revierstreifen schnell und unterstützend<br />

eingegriffen haben, wenn sie benachrichtigt<br />

wurden.


� Es kam bereits vor, dass MitarbeiterInnen, die schützend<br />

eingreifen wollten, selbst bedroht wurden.<br />

“Ein älterer Herr fasste ein junges Mädchen an, dieses<br />

wusste aber überhaupt nicht, was sie selbst dagegen<br />

tun sollte. Als ich dazu kam, weinte das Mädchen und<br />

der Mann wollte mir eine ziehen, dies ging aber<br />

schlecht für ihn aus – dank des Sicherheitsdienstes.“<br />

� Es erwies sich wiederholt als problematisch, Männer<br />

vom Besuch der Bäder auszuschließen, gegen die schon<br />

Hausverbote durch die Geschäftsführung vorlagen. Da<br />

genaue Personenbeschreibungen fehlten, konnten diese<br />

Männer im anonymen Massenbetrieb leicht unerkannt<br />

und unbehindert die Bäder weiterhin besuchen.<br />

� Das Personal äußerte starke Bedenken, dass aktive<br />

Konfrontationen den Bädern ein negatives Image in<br />

der Öffentlichkeit bescheren würden und zu Besucherschwund<br />

führen könnten.<br />

� MitarbeiterInnen befürchteten, dass pro-aktives<br />

Handeln zu Beschwerden von Badegästen bei der<br />

Geschäftsleitung führen und sich für sie in ihrer<br />

ArbeitnehmerInnenposition negativ auswirken könnte.<br />

Es wurde deutlich, dass MitarbeiterInnen zusätzlich zu<br />

dem in den Fortbildungen ver<strong>mit</strong>telten Wissen über<br />

Handlungsmöglichkeiten ausgesprochen deutliche und<br />

klare Dienstanweisungen durch Vorgesetzte benötigen,<br />

um die erworbenen Kompetenzen nach den Fortbildungen<br />

wirklich zum Einsatz bringen zu können.<br />

27


4.2 B) Qualitätsmerkmale und Ziele der Fortbildung<br />

für das Schwimmbadpersonal<br />

Bei der Entwicklung und Durchführung der betrieblichen<br />

Fortbildung zur Prävention sexualisierter Übergriffe in<br />

öffentlichen Schwimmbädern wurden folgende Ziele und<br />

Qualitätsmerkmale zugrundegelegt. Die Erfahrungen des<br />

Projektes „Schluss <strong>mit</strong> Lustig“ haben gezeigt, dass die<br />

Orientierung an diesen Kriterien von hoher Wichtigkeit für<br />

den Erfolg eines solchen Präventionsprojektes ist.<br />

� Berufserfahrung in der Intervention bei sexualisierter<br />

Gewalt und in der Fortbildung von Fachkräften als notwendige<br />

Voraussetzung für die Planung und Durchführung<br />

der Fortbildungskonzepte<br />

� Genaue Problemanalyse im Vorfeld zur Optimierung<br />

des Präventions- und Fortbildungskonzeptes<br />

� Partizipation der MitarbeiterInnen durch alle Hierarchieebenen<br />

und Formulierung eines gemeinsamen<br />

positiven Ziels<br />

� Integration der Erfahrungen, Befindlichkeiten und<br />

der Problemsicht des Schwimmbadpersonals in den<br />

gesamten Fortbildungsprozess<br />

28<br />

� Stärkung der Handlungsfähigkeit durch die Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

von Wissen (Empowerment)<br />

� Sensibilisierung für die Problematik der sexualisierten<br />

Gewalt im sozialen Nahraum<br />

� Verstärkte Wahrnehmung problematischer Situationen<br />

und vorausschauendes Handeln<br />

� Übernahme von Verantwortung und Sicherheit im<br />

Umgang <strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen zum Schutz<br />

betroffener Mädchen, Jungen und Frauen<br />

� Förderung der kollegialen Kommunikation, insbesondere<br />

bzgl. der Inhalte des Präventionsprojektes<br />

� Kritik und Unzufriedenheit <strong>mit</strong> vorgefundenen Bedingungen<br />

im Betrieb als Antriebselement für Qualitätsverbesserungen<br />

in der Organisation „Schwimmbad“


4.2 C) Organisation und Ablauf der Fortbildung für<br />

das Schwimmbadpersonal<br />

Die Fortbildungen wurden innerbetrieblich von der<br />

Bädergesellschaft in ihren Räumen organisiert. Vom<br />

Frühjahr 2000 bis Frühjahr 2001 nahmen insgesamt<br />

zwei Drittel aller MitarbeiterInnen an den Fortbildungsgruppen<br />

teil. Da<strong>mit</strong> konnte das Ziel erreicht werden,<br />

einen großen Teil des Schwimmbadpersonals zu Beginn<br />

der Freibadsaison und da<strong>mit</strong> zeitgleich <strong>mit</strong> der Veröffentlichung<br />

des Informationsmaterials fachlich entsprechend<br />

zu qualifizieren. Die optimale Gruppengröße<br />

für die Fortbildung lag bei ca. 10 TeilnehmerInnen pro<br />

Gruppe, da<strong>mit</strong> für alle ausreichende Möglichkeiten der<br />

aktiven Beteiligung und des kollegialen Austausches<br />

garantiert waren.<br />

Außerdem wurde angestrebt, die Fortbildungsgruppen<br />

<strong>mit</strong> MitarbeiterInnen aus verschiedenen Berufsgruppen<br />

und Hierarchieebenen zu besetzen. Dies entsprach der<br />

realen Arbeitssituation, und der Austausch wurde durch<br />

die unterschiedlichen Perspektiven bereichert. Die<br />

Kommunikation und Zusammenarbeit konnte hier<strong>mit</strong> im<br />

Querschnitt gefördert werden. Die Fortbildung dauerte<br />

insgesamt zwei volle Arbeitstage, die zeitlich möglichst<br />

nah beieinander lagen.<br />

Die Organisation der Freistellungen vom Dienst musste<br />

rechtzeitig eingeplant werden, da sonst personelle<br />

Engpässe bei der Abdeckung der Schichtdienste entstanden.<br />

Die Teilnahme war für das Personal kostenlos<br />

und galt als Arbeitszeit. Sie wurde von der Geschäftsleitung<br />

als für alle MitarbeiterInnen verpflichtend ausgeschrieben,<br />

soweit die bestehenden Dienstpläne die<br />

Teilnahme zuließen. Eine Teilnahmebescheinigung wurde<br />

ausgestellt.<br />

29


4.2 D) Inhalte der Fortbildung für das Schwimmbadpersonal<br />

Die Fortbildungsinhalte können in dieser Broschüre nicht<br />

alle ausführlich dargestellt werden. Zur Orientierung werden<br />

im An<strong>schluss</strong> an die Auflistung zumindest einzelne<br />

Themenblöcke beispielhaft ausgeführt:<br />

� Vorstellung des Projekts „Schluss <strong>mit</strong> <strong>lustig</strong>“<br />

� Definitionen und Erläuterungen zu den Themen<br />

Gewalt, Sexualität und Macht<br />

� Begriffsbestimmungen zu „sexuelle Belästigung“,<br />

„sexueller Missbrauch“, „sexualisierte Gewalt“<br />

� Häufigkeit, Ursachen und Folgen von sexualisierter<br />

Gewalt<br />

� Wer sind die Opfer? Wer sind die Täter?<br />

� Grundregeln präventiver Erziehung<br />

� Abgrenzung zwischen positivem Körperkontakt zu<br />

Mädchen und Jungen und Grenzüberschreitungen von<br />

unangenehmen Berührungen bis hin zu sexualisierten<br />

Übergriffen<br />

� Gefühle von Mädchen und Jungen un<strong>mit</strong>telbar nach<br />

einem sexuellen Übergriff<br />

30<br />

� Rechtliche Grundlagen (Strafgesetzbuch, Kinder- und<br />

Jugendhilfegesetz, arbeitsrechtliche Bestimmungen)<br />

� Umgang <strong>mit</strong> Betroffenen und deren Bezugspersonen<br />

� Umgang <strong>mit</strong> Tätern<br />

� Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Polizei, Jugendamt und spezialisierten<br />

Beratungseinrichtungen<br />

� Interne Handlungsleitlinien und Transparenz der<br />

betrieblichen Haltung (Meldeformular, Haus- und<br />

Badeordnung, Dienstanweisungen, betriebliche<br />

Philosophie)<br />

� Erprobung von Handlungsstrategien anhand von<br />

Fallbeispielen und Rollenspielen<br />

� Reflektion der Situation vor Ort anhand eigener<br />

Erfahrungen, Fragen und Unzufriedenheiten <strong>mit</strong><br />

Bedingungen im eigenen Betrieb<br />

� Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen


4.2 E) Beispiele aus den Themenblöcken der<br />

Fortbildung für das Schwimmbadpersonal<br />

E1. Wer sind die Opfer?<br />

In der Mehrzahl (zwei Drittel) der in den Bädern bekannt<br />

gewordenen sexualisierten Übergriffe waren die Opfer<br />

weiblichen Geschlechts, zumeist kindliche oder jugendliche<br />

Mädchen, teilweise auch erwachsene Frauen. Aber<br />

auch zahlreiche Jungen sind sexuell belästigt worden.<br />

Eine Auswahl von Zitaten der MitarbeiterInnen:<br />

� „Es wurde gemeldet, zwei kleine Mädchen wurden<br />

angefasst in der Dusche.“<br />

� „Ein Mann wollte <strong>mit</strong> einem Jungen duschen, dieser<br />

aber nicht. Er holte dann Hilfe, der Mann konnte leider<br />

nicht mehr gefunden werden.“<br />

� „Ältere Männer beobachten gerne Mädchen und Jungen<br />

in der Pubertät, und wenn sie sie näher kennen, werfen<br />

sie sie gern in die Höhe und fassen »rein zufällig«<br />

zwischen die Beine oder an die Brust.“<br />

� „Ein siebzigjähriger Mann hat einen 11-jährigen<br />

Jungen im Umkleidebereich vergewaltigt.“<br />

� „Persönliche Erfahrungen, in denen mehrmals Mädchen<br />

zwischen 13-17 Jahren angefasst wurden.“<br />

� „Die Mädchen haben Angst, dass sie verhauen werden,<br />

wenn sie melden.”<br />

� „Ein weiblicher Gast wurde aufgefordert, die Schenkel<br />

zu spreizen (Sauna).”<br />

� „Ein männlicher Gast ist im Whirlpool Gästen beiderlei<br />

Geschlechts <strong>mit</strong> den Füßen zwischen die Beine gegangen.“<br />

� „Zwei Mädchen, ca. 9-10 Jahre, haben sich beschwert,<br />

dass sie fotografiert würden, im Umkleidebereich, von<br />

einem uns Mitarbeitern schon sehr bekannten Mann,<br />

der immer nur <strong>mit</strong> Kindern, überwiegend <strong>mit</strong> Mädchen<br />

gespielt hat. Die Polizei wurde geholt und die Eltern.“<br />

� „Ein männlicher Gast hat vor drei weiblichen Gästen<br />

onaniert.“<br />

� „Ein älterer Herr fordert Kinder zum Tauchen auf und<br />

will von ihnen gedöppt werden. Dabei hat er diese<br />

angefasst.“<br />

� „Es hatte sich ein Mann die Hose runtergelassen und<br />

vorne rumgespielt vor zwei jungen Mädchen, in diesem<br />

Augenblick kam ich in den Raum.“<br />

31


� „Älterer Herr fand nicht den Beckenrand, fasste zwei<br />

jungen Mädchen (10 J.) abwechselnd an bzw.<br />

zwischen die Oberschenkel, verfolgte sie beim<br />

Schwimmen.“<br />

� „Z.B. ein betrunkener Badegast riss weiblichen Badegästen<br />

die Oberteile ab.“<br />

� „In unserem Bad gibt es auch viele „pädophile“ ältere<br />

Männer. Hauptsächlich stehen diese Typen auf Jungen<br />

und verschwinden gerne <strong>mit</strong> ihnen in die Umkleiden.<br />

Dieses können die Schwimmmeister leider nicht immer<br />

feststellen, da sich viel im Gebäude selber und nicht<br />

beim Baden abspielt.“<br />

� „Ein Mann hat plötzlich einer Frau den Busen<br />

begrabscht.“<br />

32<br />

E2. Wer sind die Täter?<br />

� Alle Personen, die durch sexualisierte Übergriffe in<br />

den Bädern auffällig geworden waren, sind männlichen<br />

Geschlechts.<br />

� Auch bei einer allgemein vorhandenen Fähigkeit zum<br />

Mitgefühl haben sexuelle Mißhandler kein Einfühlungsvermögen<br />

und kein Mitgefühl für das spezifische, von<br />

ihnen attackierte Opfer. Sie leugnen und bagatellisieren<br />

das, was sie getan haben (“da war nichts”) oder<br />

beschuldigen das Opfer (“die wollte das doch..”).<br />

� Täter gibt es in allen Altersgruppen. Auch Jungen im<br />

Kindesalter können massive sexuelle Übergriffe begehen.<br />

In der Regel kommen sie aus einem Elternhaus, in<br />

dem sie körperliche und/oder sexualisierte Gewalt und<br />

Vernachlässigung erleben.<br />

� Männliche Jugendliche stehen oft unter enormem inneren<br />

und äußeren Druck (Freunde, Gruppe) ihre »Männlichkeit«<br />

zu beweisen. Dies kann dazu führen, dass sie<br />

massiv sexuell belästigen. Auch hier ist es wichtig,<br />

Grenzen zu ziehen. So wurde z.B. ein massiver Übergriff<br />

auf ein 8-jähriges Mädchen von einem 12-jährigen<br />

Jungen ausgeübt. Er versuchte, das ihm unbekannte


Mädchen <strong>mit</strong> dem Finger zu penetrieren.<br />

� Die meisten Täter sind ganz »normale« Männer, kommen<br />

aus allen gesellschaftlichen Schichten und allen<br />

Berufsgruppen (Krankenpfleger, Polizisten, politische<br />

Mandatsträger).<br />

� Es gibt keine äußeren Merkmale, an denen das<br />

Personal potentielle Täter erkennen könnte.<br />

� Die Formen der sexualisierten Gewalt sind heimliches<br />

Foto- und Videografieren, Exhibitionismus und<br />

öffentliches Onanieren, unerwünschte sexuelle<br />

Anmache und die Aufforderung zu sexuellen<br />

Handlungen, unerwünschte Berührungen an Brustund<br />

Genitalbereich bis hin zu Vergewaltigungen.<br />

� Das Personal kennt männliche Badegäste, die ein<br />

ausgesprochenes Interesse an fremden Kindern zeigen:<br />

sie beobachten Mädchen oder Jungen, suchen<br />

Kontakt, stellen Beziehungen her, machen Geschenke,<br />

fangen an, <strong>mit</strong> den Kindern zu spielen, ohne dass<br />

vom Personal direkt strafbare Handlungen beobachtet<br />

werden können. Gerade hier herrschen große Unsicherheiten<br />

in der Unterscheidung zwischen normalem<br />

spielerischen Verhalten von Männern und potentieller<br />

Täterschaft. „Da kannste beobachten, bis dir<br />

die Augen aus dem Kopf fallen! Aber man hat ein<br />

ganz ungutes Gefühl....”. (Mitarbeiter)<br />

� Häufig agieren sogenannte Pädophile in der oben<br />

beschriebenen Weise schrittweise und gezielt. Mit<br />

Pädophilie oder Pädosexualität ist eine, auf das<br />

sexuell unreife, noch nicht pubertierende Kind<br />

gerichtete Sexualität gemeint. Der Pädophile ist sich<br />

über seine sexuell-erotischen Interessen an Kindern<br />

im klaren, der kindliche, nackte unbehaarte Körper<br />

erregt sein sexuelles Interesse. Er projiziert seine<br />

Wünsche auf das Kind, benutzt es für seine eigenen<br />

sexuellen Wünsche und unterstellt den Mädchen/<br />

Jungen ein eigenes Interesse.<br />

„Die beobachten Kinder im Planschbecken, schleichen<br />

sich ran, spielen <strong>mit</strong> den Kindern, fotografieren sie,<br />

berühren sie beim Spiel »zufällig« an Brust, Po,<br />

Geschlechtsteilen..., stellen sich gut <strong>mit</strong> dem<br />

Personal, da<strong>mit</strong> sie sich Freiheiten herausnehmen<br />

können.”<br />

33


E3. Handlungsleitlinien bei sexualisierter Gewalt<br />

in öffentlichen Schwimmbädern<br />

In der Fortbildung werden dem Schwimmbadpersonal<br />

konkrete Anregungen ver<strong>mit</strong>telt. Diese Handlungsleitlinien<br />

sind hilfreich für das Gespräch <strong>mit</strong> betroffenen<br />

Mädchen und Jungen und im Umgang <strong>mit</strong> Tätern.<br />

� Offenheit für und persönliche Auseinandersetzung<br />

<strong>mit</strong> dem Problem der sexualisierten Gewalt ist eine<br />

notwendige Vorraussetzung.<br />

� Es ist wichtig, Ruhe zu bewahren und überlegt zu<br />

handeln.<br />

� Wenn möglich, sind sexualisierte Bedrohungen und<br />

Übergriffe sofort zu beenden.<br />

� Dem Mädchen/Jungen ist zu ver<strong>mit</strong>teln, dass sie ein<br />

Recht auf Hilfe haben.<br />

� Empfohlen wird, nachzufragen, ob betroffene Mädchen<br />

lieber <strong>mit</strong> Mitarbeiterinnen sprechen wollen und<br />

betroffene Jungen <strong>mit</strong> Mitarbeitern.<br />

� Es ist wichtig, im Gespräch dem Mädchen/Jungen die<br />

Erlaubnis zu geben, die Übergriffe klar zu benennen.<br />

Dabei soll die Sichtweise der Betroffenen im Mittelpunkt<br />

stehen.<br />

34<br />

� Fakten müssen gesammelt und schriftlich festgehalten<br />

werden. Hierzu ist ein offizielles Meldeformular<br />

des Bäderbetriebs hilfreich.<br />

� Der Täter sollte identifiziert und <strong>mit</strong> dem vorliegenden<br />

Tatvorwurf konfrontiert werden.<br />

� Die Personalien des Täters sind festzuhalten.<br />

� Bei Bedarf (und wenn vorhanden) sollte der Sicherheitsdienst<br />

hinzugezogen werden.<br />

� Bei schwerwiegenden sexualisierten Übergriffen und<br />

wenn die Sicherheit des Mädchen/Jungen oder auch<br />

der helfenden Person gefährdet ist, ist sofort die<br />

Polizei zu rufen.<br />

� Mit dem Mädchen/Jungen sollte zusammen überlegt<br />

werden, wie sie sich situativ wehren oder schützen<br />

können.<br />

� Es ist zu klären, ob das Mädchen/der Junge unterstützende<br />

Bezugspersonen hat (Familie, Freunde etc.).<br />

� Wenn das Mädchen/der Junge sich bedroht fühlen,<br />

muss dafür gesorgt werden, dass sie sicher nach<br />

Hause zurückkehren können (sind Eltern, Freund-<br />

Innen in der Nähe? Gegebenfalls sind sie zu benachrichtigen.).


� Anhand des Faltblattes kann auf kostenlose Beratung<br />

und Unterstützung durch spezialisierte Beratungsstellen<br />

hingewiesen werden.<br />

� Das Mädchen/der Junge/die Eltern sind kurz über die<br />

Möglichkeit einer Anzeige zu informieren.<br />

E4. Grundregeln präventiver Erziehung<br />

Gesetzlich sind Mädchen und Jungen vor sexualisierter<br />

Gewalt geschützt. Folgende Erziehungsmaßstäbe müssen<br />

Erwachsene im Umgang <strong>mit</strong> Mädchen und Jungen berücksichtigen,<br />

da<strong>mit</strong> sie im Alltag tatsächlich vor sexualisierten<br />

Übergriffen geschützt werden können:<br />

1. Der eigene Körper ist wertvoll. Jedes Kind hat das<br />

Recht, ihn zu schützen.<br />

2. Ein wichtiger Maßstab für Mädchen und Jungen sind<br />

ihre eigenen Gefühle. Wenn sie eine Berührung als<br />

unangenehm, komisch oder ekelig empfinden, sollen<br />

Erwachsene diese Gefühle ernst nehmen und respektieren.<br />

3. Kinder dürfen und müssen in bestimmten Situationen<br />

Grenzen ziehen und »Nein« zu den Anforderungen<br />

Erwachsener sagen. Dafür brauchen sie die Erlaubnis,<br />

nicht immer gehorchen zu müssen und sich wehren zu<br />

dürfen.<br />

4. Mädchen und Jungen müssen erklärt bekommen, dass<br />

es gute und schlechte Geheimnisse gibt, und dass sie<br />

es auf jeden Fall „petzen“ dürfen, wenn sie sich<br />

genötigt und bedroht fühlen.<br />

35


5. Kinder haben ein Recht auf Schutz und Hilfe. Das<br />

bedeutet im ersten Schritt, es ernst zu nehmen,<br />

wenn sich ein Mädchen oder Junge <strong>mit</strong>teilt.<br />

Im Gespräch <strong>mit</strong> einem Mädchen oder Jungen, die<br />

von einem sexuellen Übergriff berichten, sollten<br />

Erwachsene daran denken, wie viel Mut schon nötig<br />

war, sie anzusprechen!<br />

Entsprechend den Punkten 1-5 ist es wichtig, dem<br />

Mädchen/Jungen zu ver<strong>mit</strong>teln:<br />

� Ich nehme ernst, was du sagst!<br />

� Du hast ein Recht, Nein zu sagen!<br />

� Du hast das Recht, dich zu wehren!<br />

� Du hast das Recht weiterzusagen,<br />

was dir passiert ist!<br />

� Du hast ein Recht auf Unterstützung und<br />

Hilfe!<br />

36<br />

4.3 Verbesserungen des Organisationsablaufs<br />

im Bäderbetrieb für die<br />

Arbeit gegen sexualisierte Gewalt<br />

Aus den intensiven Dialogen auf allen Hierarchieebenen<br />

der Organisation lassen sich Rahmenziele und strukturelle<br />

Verbesserungen für die Umsetzung des Leitziels<br />

“Keine Duldung sexualisierter Gewalt in öffentlichen<br />

Schwimmbädern” auf der Organisationsebene ableiten.<br />

Es empfiehlt sich, folgende Vorschläge in der Organisation<br />

als Qualitätsstandards verbindlich zu integrieren:<br />

� Einführung verbindlicher Leitlinien zum Umgang <strong>mit</strong><br />

sexualisierten Übergriffen innerhalb der Organisation<br />

� Differenzierte Meldeformulare zur Dokumentation von<br />

Vorfällen<br />

� Kooperation <strong>mit</strong> der Polizei (Verbesserung der Zusammenarbeit,<br />

mehr Präsenz)<br />

� Klare Profilentwicklung nach außen und nach innen<br />

� Unterstützende Maßnahmen zur Rückendeckung der<br />

MitarbeiterInnen<br />

� Verankerung der betrieblichen Haltung zum Umgang<br />

<strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen in der Badeordnung


� Strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsflusses<br />

und der Transparenz zu beobachteten<br />

Vorfällen und relevanten Meldungen in unterschiedlichen<br />

Bädern (Vorfallanzeigen, Hausverbote und<br />

Täterbeschreibungen)<br />

� Weiterentwicklung und Fortschreibung des Präventionsprogramms<br />

in dem Bäderbetrieb als Bestandteil der<br />

Organisationskultur im Arbeitsalltag. Zu berücksichtigen<br />

sind dabei die vorhandenen Möglichkeiten,<br />

Ressourcen und Stärken in der Organisation<br />

� Fortführung der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> dem Thema<br />

„Sexualisierte Gewalt“ z.B. in MitarbeiterInnenrunden.<br />

Hier können Vorfälle, bei Bedarf auch <strong>mit</strong> externer<br />

Begleitung (Supervision) besprochen werden<br />

� Gewährleistung der Kontinuität in der präventiven<br />

Arbeit der Organisation: z.B. Zuständigkeit bei der<br />

Verteilung des Informationsmaterials zum Thema<br />

„sexuelle Übergriffe“, Organisation von Arbeitskreisen<br />

zur Sicherung und Weiterentwicklung der Opferschutzarbeit<br />

4.4 Rückmeldungen des Schwimmbadpersonals<br />

zur Fortbildung<br />

Insgesamt haben fast zwei Drittel des Personals (die<br />

fest angestellte Gesamtbelegschaft besteht aus 127<br />

MitarbeiterInnen) an den Fortbildungen und Befragungen<br />

teilgenommen.<br />

Frauen waren <strong>mit</strong> etwas mehr als zwei Drittel stärker<br />

vertreten als es dem realen Anteil der Frauen bei dem<br />

Stammpersonal entspricht. Alle Befragten arbeiten in<br />

nach Geschlechts- und Berufsgruppenzugehörigkeit<br />

gemischten Teams. Die überwiegende Mehrheit der<br />

MitarbeiterInnen nahm im Rahmen ihrer Berufstätigkeit<br />

das erste Mal an einem Seminar zur Problematik teil.<br />

Der Umgang <strong>mit</strong> sexualisierter Gewalt durch Badbesucher<br />

war bei über 90% der befragten MitarbeiterInnen<br />

nicht Bestandteil der Ausbildung oder anderer Fortbildungen,<br />

doch wurden mehrheitlich sexualisierte Übergriffe<br />

als ein Problem im Berufsalltag benannt.<br />

Nach der Fortbildung bewerteten die MitarbeiterInnen<br />

anonym Inhalte und Form der Seminare. Die Resonanz<br />

der TeilnehmerInnen war durchweg positiv. Sie erlebten<br />

die Fortbildung als hilfreich und motivierend.<br />

37


Gewünscht wurde die Möglichkeit zur Auffrischung in<br />

größeren Zeitabständen und eine Kontinuität in der<br />

präventiven Arbeit.<br />

Zitate aus den Auswertungsbögen:<br />

� „Ich finde die Idee gut, das Seminar z.B. in der Firma<br />

zu machen. Da man selber relativ wenig von diesen<br />

Themen und dem Umgang da<strong>mit</strong> weiß. Die Werbung<br />

für solche Einrichtungen ist doch eher arm.<br />

Ich selber kannte Anlaufstellen nur z.B. aus Straßenbahnen.”<br />

� „Über dieses Thema sollten wesentlich mehr Fortbildungen<br />

laufen. Ich persönlich würde auch praktische<br />

Anwendungen in Form von Selbstverteidigung gut<br />

finden, oder und auch Nachspielen von Situationen in<br />

diesem Bereich.”<br />

� „Es war eine Bereicherung und Auffrischung der mir<br />

bekannten Probleme.”<br />

� „Konflikt- und Situationsbewältigungen, Arbeitsmaterialien.”<br />

� „Alles. Ich fand diese Fortbildung sehr informativ<br />

und hilfreich.”<br />

� „Die umfangreichen Informationen und Materialien.”<br />

38<br />

� „Die unterschiedlichen Fallbeispiele der Kolleginnen.”<br />

� „Dass man sich austauschen konnte – Handlungsweisen<br />

anderer – evt. Möglichkeiten – dass die Gruppe<br />

klein war, gute Atmosphäre.”<br />

� „Die Offenheit und der Austausch unter den Kollegen.”<br />

� „Jeder konnte das sagen, was er meint, denkt oder<br />

machen würde.”<br />

� „Besprechung von konkreten Situationen.”<br />

� „Dass auch über die eigenen Rechte in einer entsprechenden<br />

Situation einem möglichen Täter gegenüber<br />

gesprochen wurde.”<br />

� „Dass alle Themen ausführlich durchgesprochen<br />

wurden.”<br />

� „Dass es Hilfestellung für den Alltag war!”<br />

� „Dass das Thema überhaupt mal angesprochen wurde.<br />

Ich bin mir jetzt viel sicherer im Umgang <strong>mit</strong> dem<br />

»Täter«, hab keine Hemmungen mehr davor auch nur<br />

eine »Situation« mal anzusprechen (den Täter).”


4.5 Vernetzung<br />

4.5 A) Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der Polizei<br />

Schon bald wurde deutlich, dass Vernetzung und Kooperation<br />

<strong>mit</strong> der Polizei wichtige Bestandteile präventiven<br />

Handelns für das Personal der Bädergesellschaft sind.<br />

MitarbeiterInnen brauchen in problematischen Situationen,<br />

in denen sexualisierte Übergriffe oder andere kriminelle<br />

Handlungen gemeldet werden, schnell und<br />

unverzüglich die Unterstützung der Ordnungsmacht<br />

Polizei. Fragen zur Verbesserung der Zusammenarbeit<br />

bei Meldungen von kriminellen Vorfällen wurden in verschiedenen<br />

Gesprächen zwischen der Geschäftsleitung<br />

und Bereichsleitern der BBF, dem <strong>Mädchenhaus</strong> und der<br />

Polizei diskutiert.<br />

Eine konkrete Folge der Kooperationsgespräche war z.B.,<br />

dass die Zusammenarbeit der einzelnen Bäder <strong>mit</strong> den<br />

jeweiligen BezirksbeamtInnen der Polizei in den Stadtteilen<br />

intensiviert wurde.<br />

Im Frühjahr 2001 fand eine, vom <strong>Mädchenhaus</strong> initiierte<br />

Informationsveranstaltung für die MitarbeiterInnen<br />

der BBF statt. Hier beantwortete eine Vertreterin des<br />

Kriminalkommissariats für die Bearbeitung von Straftaten<br />

gegen die sexuelle Selbstbestimmung ungeklärte<br />

Fragen.<br />

39


Problemstellungen und Fragen in dieser Informationsveranstaltung<br />

waren:<br />

� Wie arbeitet das Kriminalkommissariat?<br />

� Anregungen der Polizei für die Täterkonfrontation<br />

durch BBF-MitarbeiterInnen<br />

� Welche Informationen braucht die Polizei von den<br />

MitarbeiterInnen der BBF (z.B. Vorfallbeschreibung/<br />

Täterbeschreibung/Personalien)?<br />

� Ist es sinnvoll, die Polizei zu benachrichtigen, wenn<br />

der Täter nicht identifiziert werden kann/wenn der<br />

Täter minderjährig ist?<br />

� Wie geht man sinnvoll <strong>mit</strong> sogenannten Bagatellfällen<br />

um, wie z.B. Spanner oder Fotofetischisten oder vermutete<br />

Pädophile?<br />

� Wie geht die Polizei <strong>mit</strong> Vorfällen um, die nicht zur<br />

Anzeige führen? Werden Meldungen trotzdem gesammelt?<br />

� Bei welchen Delikten kann es zur Strafverfolgung kommen,<br />

auch wenn die betroffene Person selbst keine<br />

Anzeige erstattet?<br />

� Wie lange werden Daten gespeichert?<br />

40<br />

� Es gibt Tätergruppen, bei denen nicht klar ist, ob der<br />

bestehende Rechtsrahmen ausreicht, um Sanktionen<br />

zu erteilen, bzw. ob es einen Konsens gibt, ab wann<br />

und in welcher Form eingeschritten werden soll (vermutete<br />

Pädophile, Spanner, Jugendliche...).<br />

Besprechnung der rechtlichen Situation


4.5 B) Zusammenarbeit <strong>mit</strong> spezialisierten<br />

Beratungsstellen<br />

Für die Opfer von sexualisierten Übergriffen und deren<br />

Angehörige ist es wichtig zu wissen, an wen sie sich<br />

wenden können, wenn sie weitergehende Beratung und<br />

Unterstützung bekommen möchten. Die entsprechenden<br />

Fachstellen sind in Absprache <strong>mit</strong> den jeweiligen<br />

Institutionen auf den Faltblättern aufgeführt.<br />

Für das Schwimmbadpersonal wiederum ist es wichtig,<br />

die Arbeitsweise dieser Einrichtungen zu kennen, um<br />

weiterverweisen zu können. Ebenfalls müssen sie darüber<br />

aufgeklärt werden, an wen sie sich selbst wenden<br />

können, wenn sie bei vermuteten Übergriffen unsicher<br />

sind. Auch kann nach massiven sexualisierten Übergriffen<br />

bei dem Personal Beratungsbedarf bestehen, sodass<br />

eine leicht zugängliche Telefonberatung, die auch den<br />

Vorteil der Anony<strong>mit</strong>ät bietet, sicherlich hilfreich ist.<br />

4.6 Öffentlichkeitsarbeit<br />

4.6 A) Aktionstage in <strong>Bielefeld</strong>er Schwimmbädern<br />

Nachdem die ersten Fortbildungen stattgefunden hatten,<br />

stellten Mitarbeiterinnen des Vereins <strong>Mädchenhaus</strong><br />

<strong>Bielefeld</strong> das Projekt Schluss <strong>mit</strong> Lustig! den<br />

BesucherInnen des größten Freibads, das zentral in der<br />

Innenstadt gelegen ist, an unterschiedlichen Tagen <strong>mit</strong><br />

einem Informationsstand vor.<br />

Auch anlässlich der Eröffnung eines neuen Erlebnisbades<br />

informierten sie das Publikum und suchten das Gespräch.<br />

Die Badegäste zeigten sich sehr interessiert und begrüßten<br />

das Präventionsprojekt. Vor allem Mütter und Väter<br />

traten an die Mitarbeiterinnen des <strong>Mädchenhaus</strong> heran,<br />

deckten sich <strong>mit</strong> Informationsmaterial ein und gaben<br />

positive Rückmeldungen. Es kamen auch viele Mädchen,<br />

die Fragen stellten und den Mitarbeiterinnen von ihren<br />

Erlebnissen erzählten.<br />

41


42<br />

4.6 B) Pressespiegel<br />

Das Interesse der Medien war ebenfalls groß.<br />

Anlässlich des Aktionstages im Stadtbad fand eine<br />

Pressekonferenz statt und der WDR berichtete in einer<br />

überregionalen Sendung über das Präventionsprojekt.<br />

MitarbeiterInnen der BBF und Mädchen, die die Bäder<br />

besuchten, hatten in Interviews die Gelegenheit, ihre<br />

Meinungen zu äußern.<br />

Neue Westfälische, 05.07.2000


Neue Westfälische, 05.07.2000<br />

43


44<br />

Stadtblatt 20.07.2000


Westfalen-Blatt 05.07.2000<br />

45


4.6 C) Resonanz aus der Bevölkerung<br />

Die Resonanz auf das Präventionsprojekt war kommunal<br />

sowie überregional positiv. Sowohl Privatpersonen wie<br />

auch die Fachöffentlichkeit begrüßten das Präventionsprogramm.<br />

Überregionale Bädergesellschaften und<br />

Ausbildungseinrichtungen für SchwimmmeisterInnen<br />

fragten Informationsmaterial an.<br />

Kommunal- und landespolitische VertreterInnen signalisierten<br />

Interesse und ihre Unterstützungsbereitschaft<br />

für weitere Vorhaben im Rahmen des Projekts.<br />

46<br />

5. Ausblick<br />

5.1 Empfehlungen zur Übertragbarkeit<br />

und Durchführung des Präventionsprojekts<br />

„Schluss <strong>mit</strong> Lustig -<br />

Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen<br />

in öffentlichen Schwimmbädern“<br />

in anderen Kommunen<br />

Das Präventionsprojekt “Schluss <strong>mit</strong> <strong>lustig</strong> - Schluss <strong>mit</strong><br />

sexualisierter Gewalt in öffentlichen Schwimmbädern”<br />

ist in dieser Form bundesweit erstmalig durchgeführt<br />

worden. Die erfolgreiche Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der<br />

<strong>Bielefeld</strong>er Bädergesellschaft wird auch in den nächsten<br />

Jahren fortgesetzt. Weitere Fortbildungen für Mitarbeiter-<br />

Innen, die noch nicht die Möglichkeit zur Teilnahme<br />

hatten, werden jeweils vor Beginn der Badesaison stattfinden.<br />

Während und nach der Saison werden aktuelle<br />

Problemfälle gemeinsam diskutiert, um Lösungswege aufzuzeigen.<br />

Ebenfalls sind vom <strong>Mädchenhaus</strong> e.V. im kommenden<br />

Jahr spezielle präventive Veranstaltungen für<br />

Mädchen und BadbesucherInnen geplant.


Auch soll das Präventionsprojekt „Schluss <strong>mit</strong> Lustig –<br />

Schluss <strong>mit</strong> sexualisierten Übergriffen in Schwimmbädern“<br />

nicht ein einmaliges, auf <strong>Bielefeld</strong> beschränktes<br />

Vorhaben bleiben, sondern als Anregung für andere<br />

Kommunen dienen, Initiative zu ergreifen und der Gewalt<br />

im sozialen Nahraum Einhalt zu gebieten. Das gesamte<br />

Projekt hat gezeigt, dass es in diesem Bereich der Freizeiteinrichtungen<br />

einen hohen Bedarf an gewaltpräventiven<br />

Maßnahmen gibt. Die Betreiber der Freizeitbäder<br />

sind nicht in der Lage, im Rahmen ihrer Badeordnung<br />

den gewalttätigen Übergriffen effektiv entgegenzuwirken.<br />

Hausverbote, die ausgesprochen werden, können<br />

nicht kontrolliert werden, und viele Vorfälle werden erst<br />

gar nicht bekannt. Diese Schwierigkeiten sind den<br />

Schwimmbadbetreibern bekannt. Doch häufig bestehen<br />

Bedenken, das Thema sexualisierter Gewalt aktiv zu problematisieren<br />

oder das nötige Wissen und Know-how<br />

fehlt.<br />

Mit dem Präventionsprojekt “Schluss <strong>mit</strong> Lustig - Schluss<br />

<strong>mit</strong> sexualisierter Gewalt in öffentlichen Schwimmbädern!”<br />

ist ein vielversprechender zukunftsweisender<br />

Weg aufgezeigt worden, wie öffentliche Einrichtungen<br />

sinnvoll präventiv handeln können. Die Auswertung des<br />

Kooperationsprojekts legen wir nun <strong>mit</strong> dieser Dokumentation<br />

vor. Die Ergebnisse sind auf andere Schwimmbäder<br />

übertragbar und können von deren Betreibern genutzt<br />

werden.<br />

Bei Interesse ist das <strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. gerne<br />

bereit, weitere Auskünfte zur Durchführung des Präventionsprogramms<br />

“Schluss <strong>mit</strong> Lustig” zu geben.<br />

Referentinnen für die Durchführung von Fortbildungen<br />

und die Beratung der Schwimmbadbetriebe sind über das<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V. zu erfragen.<br />

Die Druckvorlagen für das gesamte Informationsmaterial<br />

(Plakate, Faltblätter etc.) können über das <strong>Mädchenhaus</strong><br />

<strong>Bielefeld</strong> e.V. bezogen werden.<br />

Für den Slogan „Schluss <strong>mit</strong> Lustig“ besteht Titelschutz,<br />

sodass „Schluss <strong>mit</strong> Lustig“ als Titel für alle Veröffentlichungen<br />

nur in Absprache <strong>mit</strong> dem Verein <strong>Mädchenhaus</strong><br />

<strong>Bielefeld</strong> genutzt werden darf.<br />

47


5.2 Informationen für Interessierte<br />

Ansprechpartnerinnen für den Verein <strong>Mädchenhaus</strong> sind:<br />

48<br />

Astrid Schulze Berndt<br />

Ellen Solari<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V.<br />

Renteistr. 14<br />

33602 <strong>Bielefeld</strong><br />

Tel.: 0521/1740 11<br />

Informationen über die Erfahrungen der BBF <strong>mit</strong> dem<br />

Präventionsprojekt “Schluss <strong>mit</strong> Lustig - Schluss <strong>mit</strong><br />

sexualisierter Gewalt in öffentlichen Schwimmbädern!”<br />

erteilt:<br />

Dr. Hans Stern<br />

Tel.: 0521/511414<br />

5.3 Adressen der KooperationspartnerInnen<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V.<br />

Renteistr. 14<br />

33602 <strong>Bielefeld</strong><br />

Tel.: 0521/174011<br />

Fax: 0521/5216320<br />

e-mail: Maedchenhaus-<strong>Bielefeld</strong>@t-online.de<br />

www.maedchenhaus-bielefeld.de<br />

<strong>Bielefeld</strong>er Bäder- und Freizeiteinrichtungen<br />

GmbH & Co. Betriebs-KG<br />

Europa Platz 1<br />

33613 <strong>Bielefeld</strong><br />

Tel.: 0521/511414<br />

e-mail: hans.stern@bbf-online.de


Impressum<br />

Konzeption | Text:<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V.<br />

Fotos:<br />

<strong>Mädchenhaus</strong> <strong>Bielefeld</strong> e.V.<br />

Gestaltung | Satz:<br />

ad department<br />

Werbeagentur<br />

0521.8 94 91 80


Diese Dokumentation wurde gefördert <strong>mit</strong> Mitteln des

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