Pfarrbrief Pfingsten 2013 - St. Petronilla
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Antwort zur Aktion „meine frage“<br />
Hallo, Gott! Schön, dass ich dich direkt fragen kann. Was<br />
sagst du zu dem Ausspruch ‚Religion ist Opium fürs Volk‘<br />
Ich glaube, Karl Marx hat ihn gesagt. Hat er nicht Recht<br />
Findest du meine Frage sehr frech Entschuldigung! Ich bin<br />
gespannt auf deine Antwort.“<br />
Bevor ich versuche, eine bescheiden-menschliche<br />
Antwort zu finden,<br />
eine Vorbemerkung:<br />
Als alter Mann finde ich die Frage<br />
überhaupt nicht frech. Und Gott,<br />
kann ich mir vorstellen, freut sich<br />
über eine solche Frage eines – vermute<br />
ich mal - jungen Menschen,<br />
denn sie zeigt, dass er Interesse hat<br />
auch an dem, was falsch gelaufen<br />
ist, denn daraus können ja alle nur<br />
lernen.<br />
Der Ausspruch ist mehr als 150<br />
Jahren alt und wohl so formuliert<br />
worden, weil die Glaubensboten<br />
damals wie so oft in der langen Geschichte<br />
des Christentums versagt<br />
und die armen und unterdrückten<br />
Meschen auf das Jenseits vertröstet<br />
und den Reichen nicht ins Gewissen<br />
geredet haben.<br />
Die furchtbare Wirkung des Opium<br />
war führer sicher nicht so bekannt<br />
wie heute, es wurde als Beruhigungsmittel<br />
angesehen.<br />
Aber gehen wir auf Spurensuche:<br />
Eine Fährte führt uns über Lenin<br />
und Marx zu Heinrich Heine! Der<br />
romantische Dichter hat sich unter<br />
anderem auch als sozialkritischer<br />
Journalist einen Namen gemacht.<br />
Er schreibt in seiner Denkschrift<br />
für den Kritiker Ludwig Börne 1840<br />
voller Sarkasmus: „Heil einer Religion,<br />
die dem leidenden Menschengeschlecht<br />
in den bitteren Kelch<br />
einige süße, einschläfernde Tropfen<br />
goss, geistiges Opium, einige Tropfen<br />
Liebe, Hoffnung und Glauben!“<br />
Da Heine und Marx befreundet<br />
waren, darf man annehmen, dass<br />
Marks den Gedanken in seine Kritik<br />
an der Hegelschen Rechtsphilosophie<br />
(„Die Religion ist der Seufzer<br />
der bedrängten Kreatur, das Gemüt<br />
einer herzlosen Welt, wie sie der<br />
Geist geistloser Zustände ist. Sie ist<br />
das Opium des Volkes.“) übernommen<br />
hat. Von ihm wanderte der Gedanke<br />
zu Lenin, der ihn zur Revolutionsparole<br />
„Religion ist Opium für<br />
das Volk“ erhoben hat.<br />
Eine zweite Spur führt nach England.<br />
Der anglikanische Theologe<br />
und Schriftsteller Charles Kingsley<br />
führt um 1850 in seinem Ge-<br />
42 <strong>Pfarrbrief</strong> <strong>St</strong>. <strong>Petronilla</strong> Münster | <strong>Pfingsten</strong>/<strong>2013</strong>