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Der Bergbau geht – die Kreuzkröte kommt - Detlef Münch

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Natur- & Artenschutz<br />

42<br />

<strong>Detlef</strong> Münch<br />

<strong>Der</strong> <strong>Bergbau</strong> <strong>geht</strong> – <strong>die</strong> Kreuzkröte <strong>kommt</strong><br />

– nebst Anmerkungen zur Gefährdung durch eine Rabenkrähen-Kolonie<br />

D<br />

urch stillgelegte Bergehalden sind für <strong>die</strong> Kreuzkröte Bufo calamita in<br />

Dortmund zahlreiche neue Sekundärlebensräume entstanden. Neben<br />

der Rekultivierung und Wiedernutzung durch Gewerbeansiedlungen ist<br />

<strong>die</strong> Kreuzkröte auf eine der Halden durch eine eher ungewöhnliche Prädation<br />

stark bedroht: durch eine Kolonie Rabenkrähen.<br />

Historische Entwicklung<br />

Die Kreuzkröte besiedelt mit ihren größten Populationen<br />

in Dortmund ausschließlich <strong>die</strong> alten<br />

Industriebrachen und Halden im Dortmunder Norden<br />

und ökologisch gestaltete Regenrückhaltebecken<br />

in ganz Dortmund. Südlich der B1 sind ihre<br />

Vorkommen äußerst selten. Dort <strong>kommt</strong> sie im<br />

Wesentlichen nur noch im RRB Eichlinghofen und<br />

auf der Industriebrache Phoenix-West in Hörde<br />

vor.<br />

Profitierte <strong>die</strong> Kreuzkröte ursprünglich in Dortmund<br />

von den durch Bau- und Abbaumaßnahmen<br />

neu geschaffenen temporären sekundären Lebensräumen,<br />

so führt heute <strong>die</strong> Bebauung und Nutzungsänderung<br />

ihrer Lebensräume in Verbindung mit<br />

Sukzession zu einem starken Rückgang insbesondere<br />

von kleinen und mittelgroßen Populationen.<br />

Von 1988 bis 2003 sind von ehemals 52 Standorten<br />

73 % von der Kreuzkröte aufgegeben worden, wobei<br />

<strong>die</strong> Gesamtindividuenzahl durch Zunahme in Großpopulationen<br />

bis 1994 weitgehend konstant geblieben<br />

ist (MÜNCH & SCHRÖER 1994) und erst im letzten<br />

Jahrzehnt kontinuierlich abnimmt. So hatte <strong>die</strong><br />

Kreuzkröte in dem 280 qkm großen Untersuchungs-<br />

Abb. 1. Solche „Mondlandschaften“ wie hier <strong>die</strong> Halde <strong>Der</strong>ne werden besonders gerne<br />

von der Kreuzkröte im Ruhrgebiet besiedelt<br />

11 (2003) Heft 3


43<br />

Natur- und Artenschutz<br />

gebiet Dortmund 1988 eine Rasterpräsenz von<br />

18,6 %, 1993 nur noch von 11,8 % und 2003 nur<br />

noch von 5,0 % (MÜNCH 2003). Seit 1992 ging<br />

allerdings <strong>die</strong> in Dortmund abgelegte Anzahl von<br />

Laichschnüren von ehemals 432 Laichschnüren<br />

(S CHRÖER 1993) um 24,1 % auf 328 Laichschnüre<br />

im Jahr 2003 zurück, wobei sich 68 % aller in<br />

Dortmund abgelegten Laichschnüre auf <strong>die</strong> Standorte<br />

Halde Ellinghausen (128 LS) und <strong>die</strong> Stahlwerksbrache<br />

Phoenix West (91LS) beschränkten.<br />

Dortmund aufgrund ihres Kreuzkrötenreichtums<br />

als „Hauptstadt der Kreuzkröten“ zu bezeichnen<br />

(GROTE mdl. Mitt.) ist aufgrund der aktuellen Kartierergebnisse<br />

nicht zutreffend. Dortmund allerdings<br />

aufgrund des erfolgreichen KKHM (Kreuzkrötenhabitatmanagement)<br />

als „Hauptstadt der Kreuzkröten“<br />

zu bezeichnen, ist dagegen sicherlich korrekt,<br />

da in kaum einer anderen Stadt in den letzten<br />

beiden Jahren so viele Biotopschutzmaßnahmen<br />

speziell für <strong>die</strong> Kreuzkröte durchgeführt worden<br />

sind. Große Populationen mit mehreren hundert<br />

rufenden Individuen befinden sich heute nur noch<br />

auf wenigen Standorten, wie Phoenix-West, Halde<br />

Ellinghausen Nord und Süd, Gewerbepark Hansa,<br />

Abb. 3. Auswahl einiger Kreuzkröten<br />

unter dem im Text erwähnten Teppich<br />

auf der Halde <strong>Der</strong>ne<br />

Abb. 2. Typisches Laichgewässer der Kreuzkröte auf Bergehalden, dessen Ufer mit<br />

Abdrücken von Krähenfüssen übersät war<br />

11 (2003) Heft 3


Natur- & Artenschutz<br />

44<br />

RRB Scharnhorst sowie Halde <strong>Der</strong>ne, und sind<br />

allesamt in trockenen Sommern durch Austrocknung<br />

(Verdunstung und Undichtigkeiten durch wuchernde<br />

Schilf- und Rohrkolbenbestände) der Laichgewässer<br />

bedroht. Dies führt in vielen Fällen zu<br />

einem Totalausfall des gesamten Kaulquappenbestandes.<br />

So konnte SCHRÖER (1993) überhaupt<br />

nur an 15 % der untersuchten Standorte eine Metamorphose<br />

beobachten. Von der fortschreitenden<br />

Sukzession und der Gewässeraustrocknung ist <strong>die</strong><br />

Kreuzkröte wesentlich stärker betroffen als <strong>die</strong><br />

Geburtshelferkröte (M ÜNCH 1997).<br />

Auf den so genannten Bergehalden, <strong>die</strong> aus<br />

steinigem Abraummaterial der ehemaligen <strong>Bergbau</strong>anlagen<br />

bestehen, haben sich in der Vergangenheit<br />

bemerkenswert starke Kreuzkröten-Lebensgemeinschaften<br />

mit mehreren hundert bis tausend Individuen<br />

entwickeln können. Eisenbahn-Gleiskörper,<br />

<strong>die</strong> meistens zu <strong>die</strong>sen Halden führen, sind beste<br />

Ausbreitungswege für <strong>die</strong>se wärmebedüftige Kröte.<br />

Seit <strong>die</strong> beiden letzten haldenschüttenden Zechen<br />

(„Minister Stein“ und „Achenbach“) ihre Förderungen<br />

vor acht und zwölf Jahren eingestellt haben,<br />

verbuschen und verkrauten <strong>die</strong> Steinflächen oder<br />

werden aufgeforstet. Die sehr anspruchslosen Sandbirken<br />

(Betula pendula) und <strong>die</strong> ungemein vermehrungsdynamischen<br />

Salweiden (Salix caprea) beschatten<br />

<strong>die</strong> Schotterböden in kürzesten Zeiträumen.<br />

Dadurch ändert sich das Mikroklima und es<br />

verschwindet der für <strong>die</strong> Kreuzkröte notwendige<br />

sonnenexponierte Lebensraum. Gleiche Entwicklungen<br />

sind auch von stillgelegten Steinbrüchen<br />

bekannt. Wenn man in Zukunft <strong>die</strong> bekannten<br />

Lebensräume der Kreuzkröte von dauerhaften<br />

Vegetationsbeschattungen frei hält und <strong>die</strong> Wasserführung<br />

ihrer Laichgewässer<br />

während der Hauptlaichzeit im<br />

Juni sichert, könnte eine weitergehende<br />

Gefährdung sicherlich<br />

verhindert werden.<br />

Aufgrund der starken Zunahme der Kreuzkröte<br />

im Dortmunder Norden war ihre Situation 1996<br />

nicht mehr so kritisch wie vor zehn Jahren, sodass<br />

eine Rückstufung ihres Gefährdungsgrades in der<br />

regionalen Roten Liste angebracht erschien (MÜNCH<br />

& HALLMANN 1997). Nutzungsänderungen, durch<br />

1988 1992 2003<br />

Geschätzte<br />

Individuenanzahl 2610 2480 1600<br />

Laichschnüre 432 328<br />

Standorte 52 33 14<br />

Rasterpräsenz 18,6 11,8 5,0<br />

Tab.1. Kenndaten zur Kreuzkröte in Dortmund<br />

atmosphärischen und landwirtschaftlichen Düngereintrag<br />

forcierte Sukzession und klimatische Extremata<br />

haben <strong>die</strong> Gefährdungssituation für <strong>die</strong> Kreuzkröte<br />

heute jedoch schon wieder stark verschärft.<br />

So werden <strong>die</strong> noch Mitte der 90er-Jahre größten<br />

Kreuzkröten-Populationen auf der Halde Ellinghausen<br />

(ca. 750 Adulte nach SCHRÖER 1993) und im<br />

Regenrückhaltebecken Scharnhorst/Dahlwiese (ca.<br />

1000 Adulte; S CHRÖER, mdl. Mitt.) heute von deutlich<br />

weniger Individuen besiedelt, da ihre Laichgewässer<br />

seit Jahren während der Hauptlaichzeit im<br />

Juni/Juli austrocknen, zugeschüttet wurden (Ellinghausen)<br />

oder der Landlebensraum völlig verbuscht<br />

ist (RRB Scharnhorst, Ellinghausen Nord). Während<br />

SCHRÖER (1993) auf der Industriebrache Phoe-<br />

Abb. 4. Beim Flüchten<br />

landete ein Jungtier auf<br />

seiner potentiellen Mutter<br />

11 (2003) Heft 3


45<br />

Natur- und Artenschutz<br />

Abb. 5. Ausschnitt aus der etwa 200 Individuen umfassenden Rabenkrähen-Kolonie<br />

auf der nahe gelegenen Mülldeponie<br />

nix-West am Westfalenpark 72 Laichschnüre nachweisen<br />

konnte, waren es in 2001 immerhin noch<br />

56. Diese waren allerdings durch Austrocknung<br />

stark bedroht. Auch 2003 erreichte <strong>die</strong> Kreuzkröte<br />

in der Frühlaichphase im Mai nur dank der Neugestaltung<br />

mit Vertiefung und besserer Abdichtung<br />

ihrer Laichgewässer auf Phoenix West, dem Gewerbepark<br />

Hansa, dem NSG Im Siesack und im RRB<br />

Eichlinghofen den notwendigen Metamorphoseerfolg.<br />

Alle größeren Vorkommen <strong>die</strong>ser Art befinden<br />

sich heute auf nicht naturschutzrechtlich gesicherten<br />

Flächen, <strong>die</strong> über kurz oder lang von Nutzungsänderungen<br />

wie der Schaffung neuer Gewerbegebiete<br />

betroffen sein werden (MÜNCH 2000). <strong>Der</strong><br />

Versuch, <strong>die</strong> Kreuzkröte im NSG Steinbruch Schüren<br />

zu erhalten (1983: 54 Laichschnüre, 1995: 0<br />

LS), ist aufgrund zu spät erfolgter Pflegemaßnahmen<br />

und fehlendem Laichgewässermanagement gescheitert<br />

(MÜNCH 1997).<br />

Laichperioden und Landhabitate<br />

Die Hauptlaichphase der Kreuzkröte in Dortmund<br />

scheint schon fast kalendergebunden nach<br />

starken Regenereignissen zu erfolgen, wenn ausreichend<br />

Niederschläge gefallen sind: 7.-9. Juni 1992<br />

(S CHRÖER 1993), 8.-10. Juni 2003. Von den von<br />

SCHRÖER (1993) in 1992 untersuchten Kreuzkröten-<br />

Standorten NSG Dellwiger Bach (1992: 32 Laichschnüre<br />

[= LS], 2003: 0 LS), NSG Buschei (1992:<br />

11 LS, 2003: 0 LS), Brache Oskarweg Wischlingen<br />

(1992: 10 LS, 2003: 0 LS), Deusen (1992: 5 LS,<br />

2003: 0 LS), Halde Ellinghausen Nord (1992: 108<br />

LS, 2003: 36 LS, Metamorphoserate 11 %.), Halde<br />

Ellinghausen Süd (1992: 12 LS, 2003: 65 LS,<br />

Metamorphoserate ca. 90 %), Achenbach (1990:<br />

20 LS, 2003: 0 LS), Halde <strong>Der</strong>ne (1992: 21 LS,<br />

2003: 31 LS), Klärwerkbaustelle & RRB Scharnhorst<br />

(1992: 67 LS, 2003: 25 LS, Metamorphoserate<br />

0 %), und Phoenix-West (1992: 72 LS, 2003:<br />

60 LS, Metamorphoserate ca. 80 %) sind <strong>die</strong> ersten<br />

vier mittlerweile komplett verbuscht und auch in<br />

der Hauptlaichphase ausgetrocknet. Seit 1993 neu<br />

besiedelte Standorte: Gewerbepark Hansa (2001:<br />

36 LS), Gewerbepark Gneisenau (2003: 3 LS),<br />

RRB Eichlinghofen (2001: 9 LS, 2003: 5 LS),<br />

Holthauser Bruch (2003: 2 LS).<br />

Eine Spätlaichphase konnte am 5.-6. Juli 2003<br />

nur an der Großpopulationsstandorten Phoenix (7<br />

LS) und Ellinghausen (Nord: 3 LS, Süd: 3 LS)<br />

sowie am 17.-18. Juli 2003 (Phoenix: 24 LS,<br />

Ellinghausen Nord, Süd: 11, 10 LS) beobachtet<br />

werden. Als spätesten Laichtermin stellten HAMANN<br />

& SCHULTE auf Phoenix (2 LS) den 22.09.2000 fest.<br />

Betrug der Anteil der in der Spätlaichphase<br />

abgelegten Laichschnüre 1992 nur 7,8 % (SCHRÖER<br />

11 (2003) Heft 3


Natur- & Artenschutz<br />

46<br />

1993), so ist er 2003 auf 20,1 % gestiegen, was<br />

möglicherweise eine klimabedingte Verschiebung<br />

darstellen kann, da <strong>die</strong> Metamorphoseraten in den<br />

letzten Jahren während der Früh- und Hauptlaichphase<br />

äußerst gering gewesen sind.<br />

Bemerkenswerte Nachweise von Kreuzkröten<br />

gelangen am 11. Juni 2001 unter einer 1×2 m<br />

großen Dachpappe auf der Halde Ellinghausen, wo<br />

12 adulte und 26 semiadulte Individuen gefunden<br />

wurden, sowie am 11. Juni 2003 unter einem<br />

2×6 m großen alten Teppich auf der Halde <strong>Der</strong>ne,<br />

wo 16 adulte und 3 semiadulte Tiere beobachtet<br />

wurden, und am 18. Juni 2003 an der Halde<br />

Ellinghausen (4 Adulte, 4 Subadulte unter einer<br />

0,6 m×0,3 m großen, schwarzen Pappe, 25. Juni<br />

und 8. Juli 2003: jeweils 4 Subadulte) sowie auf der<br />

Halde <strong>Der</strong>ne unter einem schwarzen Teppich (1<br />

subadulte, 11 adulte Kröten mit einem Geschlechterverhältnis<br />

m:w von 1,75 : 1, 25. Juni 2003, 1<br />

Subadultes, 8 Adulti m: w von 3 : 1; 8. Juli 2003:<br />

4 Männchen, 1 Weibchen).<br />

Fallbeispiel Ellinghausen<br />

Das auf der Halde Ellinghausen Süd gebaute<br />

Güterverteilzentrum hat im Nachhinein betrachtet<br />

zwar zu einer großflächigen Versiegelung geführt,<br />

ansonsten allerdings keinen bestandsgefährdenden<br />

Einfluss auf <strong>die</strong> Kreuzkröten-Population gehabt.<br />

Vielmehr sind auf der noch nicht bebauten östlichen<br />

Fläche noch zahlreiche Laichgewässer mit 44<br />

LS übrig geblieben, wohingegen <strong>die</strong> nordwestlich<br />

angelegten Ersatztümpel teilweise zu schnell austrocknen<br />

(genau wie <strong>die</strong> ursprünglich dort befindlichen<br />

Lachen), aber immerhin ca. 20 LS aufwiesen<br />

(Metamorphoserate ca. 30 %). Trotzdem ist <strong>die</strong><br />

Gestaltung des Land- und Laichlebensraumes für<br />

<strong>die</strong> Kreuzkröten im Großen und Ganzen bis auf <strong>die</strong><br />

keinen Unterschlupf bietenden Ziegelsteinhaufen<br />

und <strong>die</strong> zu dichten Anpflanzungen in den nicht als<br />

Ersatzlaichgewässern geplanten wasser- und laichführenden<br />

Pfützen gut gelungen.<br />

In den letzten zehn Jahren ist es aufgrund der<br />

weitgehenden Verbuschung der nördlichen Halde<br />

zu einer Populationsverlagerung zum südlichen<br />

Haldenbereich gekommen, wo derzeit ein großflächiges<br />

Gewerbegebiet entsteht. Laichten 1992 noch<br />

90 % der Ellinghauser Kreuzkröten nördlich des<br />

Holthauser Baches ab (SCHRÖER 1993), so sind es<br />

heute in dem geplanten Naturschutzgebiet nur noch<br />

34 %.<br />

Die als Laichgewässer genutzten Wagenspuren<br />

sowie <strong>die</strong> ursprünglich als Ersatzlaichgewässer angelegten<br />

Lachen auf Ellinghausen Nord trockneten<br />

ebenfalls zu früh aus und im Holthauser Bruch ist das<br />

Kreuzkrötengewässer durch das Klimaschutz-Aufforstungsprogramm<br />

von DEW und Stadt gefährdet.<br />

Gefährdung durch eine Rabenkrähen-<br />

Kolonie<br />

Auf der Halde <strong>Der</strong>ne wurde der Verfasser Zeuge<br />

einer bemerkenswerten Prädation der Kreuzkrötenlarven<br />

durch eine auf der in der Nähe befindlichen<br />

Mülldeponie ansässigen Kolonie von ca. 200<br />

Rabenkrähen Corvus corone corone.<br />

Diese haben den gesamten im Juni 2003 geschlüpften<br />

Kaulquappenbestand aus 31 Laichschnüren<br />

um mehr als 95 % reduziert. Zwar zählt GÜNTHER<br />

(1996) <strong>die</strong> Rabenkrähe zu den Prädatoren von Jungtieren<br />

und SINSCH (1998) auch <strong>die</strong> verwandte Saatkrähe<br />

zu den Prädatoren von Kaulquappen, doch ist<br />

ein derartiger Prädatorendruck durch Vögel noch<br />

nicht bekannt geworden. Wenngleich SINSCH (1998)<br />

Kaulquappenverluste durch aquatische Prädatoren<br />

von 89 %, 91 % und 40-100 % erwähnt.<br />

Da Verluste schon in der aquatischen Phase von<br />

mehr als 95 % kaum von der Kreuzkröten-Population<br />

auszugleichen sind, ist <strong>die</strong> Kreuzkröte an <strong>die</strong>sem<br />

Standort trotz eines geeigneten Landhabitats<br />

und im Juni 2003 nicht ausgetrockneter Laichgewässer<br />

akut vom Aussterben bedroht. Die im<br />

Vergleich zu anderen Standorten niedrige Fundanzahl<br />

von subadulten Tieren deutet ebenfalls darauf<br />

hin, dass <strong>die</strong>ser massive Prädatorendruck schon<br />

seit einigen Jahren bestehen muss. Artenschutzmaßnahmen<br />

scheinen hier nur schwer möglich zu<br />

sein, da Rabenkrähen durch Vogelscheuchen kaum<br />

zu beeindrucken sind und der Abschuss <strong>die</strong>ser<br />

ebenfalls durch <strong>die</strong> Bundesartenschutzverordnung<br />

und EU-Vogelschutzrichtlinie geschützten Tiere<br />

wenig populär ist. Die voraussichtliche Stilllegung<br />

der Deponie im Jahre 2007 wird hoffentlich <strong>die</strong>sen<br />

massiven Prädatorendruck aufheben.<br />

Gefährdungseinstufung und Perspektiven<br />

Die in der Roten Liste für den Ballungsraum<br />

Rhein-Ruhr erfolgte Bewertung der Kreuzkröte<br />

lediglich als nur gefährdet (LÖBF 1999) war schon<br />

seinerzeit zumindest für Dortmund nicht zutreffend,<br />

wenngleich kurzfristige positive Entwicklungen<br />

nicht geleugnet werden sollten. Heute hängt <strong>die</strong><br />

Kreuzkröte in Dortmund allerdings mehr denn je<br />

am künstlichen Tropf des naturschützerischen Biotopmanagements.<br />

Durch <strong>die</strong> weitgehende Entbuschung des RRB<br />

Scharnhorst durch den Lippeverband sowie <strong>die</strong><br />

Schaffung neuer Ersatzlaichgewässer auf Phoenix<br />

West und der südlichen Halde Ellinghausen durch<br />

das städtische Umweltamt sieht <strong>die</strong> Zukunft zumindest<br />

an <strong>die</strong>sen Standorten für <strong>die</strong> bezüglich<br />

ihrer Schutzanstrengeungen zunehmend Kalamitäten<br />

machenden Bufo calamita wieder positiver aus.<br />

Insgesamt setzte sich der Trend zur Konzentration<br />

auf wenige, geeignete Standorte mit hoher<br />

11 (2003) Heft 3


47<br />

Natur- und Artenschutz<br />

Laichpopulationsdichte, den M ÜNCH & SCHRÖER<br />

(1994) schon 1994 beobachteten, auch in 2003<br />

weiter fort, wobei jedoch im Gegensatz zu 1994<br />

auch ein Nettorückgang der abgelegten Laichschnüre<br />

festzustellen ist. Die langjährigen Metamorphoseausfälle<br />

haben zu einem starken Bestandsrückgang<br />

geführt, sodass der von SCHRÖER (1993 und mdl.<br />

Mitt.) geschätzte Gesamtbestand von 3000 Individuen<br />

heute deutlich niedriger anzusetzen ist und <strong>die</strong><br />

Kreuzkröte deshalb auch wieder als stark gefährdet<br />

eingestuft werden sollte.<br />

Artenschutzprogramm Kreuzkröte in<br />

Dortmund<br />

Als Schutzstrategie zum dauerhaften Erhalt der<br />

Kreuzkröte auf Dortmunder Stadtgebiet gilt es, <strong>die</strong><br />

Standorte Ellinghausen für den Dortmunder Norden<br />

und den Standort Phoenix West für den Dortmunder<br />

Süden als Ausbreitungspoole so zu entwickeln,<br />

dass alle ehemaligen Standorte und nun<br />

kreuzkrötenleeren Räume, <strong>die</strong> durch entsprechende<br />

Managementmaßnahmen als Kreuzkrötenhabitate<br />

wieder hergerichtet bzw. reaktiviert worden sind,<br />

von dort aus wieder neu besiedelt werden können.<br />

Dazu sollten folgende Biotopmanagementmaßnahmen<br />

schnellstens nach Prioritäten realisiert werden:<br />

1. Entbuschung und Entkrautung der ehemaligen<br />

Laichgewässer im LSG Dahlwiese und NSG<br />

Alte Körne.<br />

2. Nichtaufforstung des Standortes Deusen Nähe<br />

Kanal und Neuanlage von Laichgewässern in<br />

Deusen westlich und östlich (Deponie) der Emscher.<br />

3. Neuanlage eines Ersatzlaichgewässers an der<br />

Bahnlinie Gewerbepark Hansa und Neuanlage<br />

von Lachen im Bereich des Kokerei- und Zechengeländes<br />

Hansa.<br />

4. Entbuschung und Planierung eines Teilbereiches<br />

im RRB Scharnhorst.<br />

5. Totalentkrautung des Tümpels im NSG Steinbruch<br />

Schüren.<br />

6. Entbuschung und Entkrautung des Tümpels am<br />

Rüpingsbach in Menglinghausen Süd.<br />

7. Entbuschung und Entkrautung des RRB Eichlinghofen.<br />

8. Entbuschung und Entkrautung der Tümpel an<br />

der Heriberstraße im NSG Dellwiger Bach.<br />

9. Neuanlage eines Gewässers durch Entbuschung<br />

des Feuchtbereiches im RRB Alt-Schüren.<br />

10.Weitere Optimierung des Standortes Ellinghausen<br />

durch Neuanlage von Laichgewässern<br />

auf dem nördlichen Haldenbereich, Entfernung<br />

des Absperrzaunes, Ersatz der Betonsteinhaufen<br />

durch Natursteine und Entfernung der Anpflanzungen<br />

in den nordwestlichen Ersatzlaichgewässern<br />

der südlichen Halde.<br />

11.Vertreibung der Rabenkrähen von der Halde<br />

<strong>Der</strong>ne.<br />

12.Vertiefung und Lehmabdichtung eines Laichgewässers<br />

auf dem westlichen Bereich des Standortes<br />

Phoenix-West.<br />

Dank<br />

Dank an Dr. MIGUEL VENCES für <strong>die</strong> kritische<br />

Durchsicht des Manuskriptes, an meine Ratskollegen<br />

im Umweltausschuss für den Beschluss wichtiger<br />

Artenschutzmaßnahmen und dem Umweltamt für<br />

deren rasche Realisierung sowie Stadtrat ULLRICH<br />

SIERAU für sein Projekt, das 7,4 % der Dortmunder<br />

Stadtfläche unter Naturschutz stellen soll.<br />

Literatur<br />

GÜNTHER, R. (Hrsg. 1996): Die Amphibien und<br />

Reptilien Deutschlands. – Jena, Fischer, 825 S.<br />

HAMANN, M. & A. SCHULTE (2001): Begutachtung<br />

des Kreuzkrötenvorkommens auf dem Gelände<br />

des Hochofenwerkes Phoenix-West in Dortmund.<br />

– unveröfftentl. Gutachten, 28 S., Gelsenkirchen.<br />

MÜNCH, D. & G. HALLMANN (1997): Die Situation<br />

der Amphibien und Reptilien in Dortmund im<br />

Jahre 1996. – Dortmunder Beiträge zur Landeskunde<br />

31:175-190.<br />

LÖBF (1999): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen<br />

und Tiere in Nordrhein-Westfalen. – 3. Fassung,<br />

Recklinghausen.<br />

MÜNCH, D. (1997): Falsches Pflegemanagement<br />

führt zur Ausrottung von Amphibien im Naturschutzgebiet<br />

Steinbruch Schüren. – elaphe,<br />

Rheinbach, 5(4):73-75.<br />

— (2003): Die Situation der Dortmunder Amphibien<br />

und Reptilien im Jahr 2003 unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Kreuzkröte Bufo calamita.<br />

– Dortmunder Beiträge zur Landeskunde<br />

37: 50-70.<br />

MÜNCH, D. & T. SCHRÖER (1994): Gefährdung und<br />

Vernetzung von Kreuzkrötenpopulationen in der<br />

Großstadt Dortmund. – Berichte des Landesamtes<br />

Umweltschutz Sachsen-Anhalt 14:69-74.<br />

SCHRÖER, T. (1993): Vernetzung und Gefährdung<br />

von Kreuzkrötenpopulationen in der Großstadt<br />

– Beiträge zur Erforschung der Dortmunder<br />

Herpetofauna 17:1-102.<br />

SINSCH, U. (1998): Biologie und Ökologie der<br />

Kreuzkröte. – Bochum, Laurenti Verlag, 222 S.<br />

Autor<br />

<strong>Detlef</strong> Münch<br />

DGHT-Landesverband NRW<br />

Postfach 500163<br />

D-44201 Dortmund<br />

11 (2003) Heft 3

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