7. Geothermische Fachtagung Landau - Geothermal Response Test
7. Geothermische Fachtagung Landau - Geothermal Response Test
7. Geothermische Fachtagung Landau - Geothermal Response Test
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Wulf Brandt, Thomas Hanschke & Holger Kaiser<br />
AETNA Energiesysteme GmbH Wildau, H.S.W. GmbH Rostock<br />
Zum Stand der Nutzung der oberflächennahen Geothermie in<br />
Norddeutschland<br />
Zusammenfassung<br />
In Norddeutschland sind aufgrund der spezifischen Geologie gute Bedingungen für<br />
die Nutzung der Oberflächennahen Geothermie mit erdgekoppelten Wärmepumpen<br />
gegeben.<br />
Anwendungen der oberflächennahen Geothermie bzw. die thermische Nutzung des<br />
oberflächennahen Untergrunds haben in den vergangenen 2 Jahren in<br />
Norddeutschland spürbar zugenommen. Durch die regionalen Erfahrungsträger<br />
werden jetzt verstärkt anspruchsvolle Projekte der saisonalen Speicherung von Wärme<br />
und Kälte im oberflächennahen Untergrund umgesetzt.<br />
An mehreren Beispielen wird die Umsetzung innovativer Großprojekte in<br />
Norddeutschland, die unter Mitwirkung der Autoren entstanden, vorgestellt und über<br />
erste Betriebserfahrungen berichtet. Darüber hinaus werden in Planung befindliche<br />
Vorhaben vorgestellt und ein Ausblick zur weiteren Entwicklung der innovativen<br />
Energietechnologie gegeben.<br />
Eine angepasste geologische Standorterkundung und eine anschließende<br />
Bohrlochvermessung mittels <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong> werden dargestellt. Der<br />
kompetente Einsatz spezieller numerischer Berechnungsverfahren für die Bemessung<br />
der Quellenanlagen, sowie deren neue Rolle für Prognose und Dokumentation im<br />
bergrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren werden diskutiert.<br />
Die Erfahrungen bei der Umsetzung verschiedener Anlagen haben gezeigt, dass die<br />
Nutzung der oberflächennahen Geothermie bei optimierter Auslegung für Heizen und<br />
Kühlen bereits ohne Förderung eine wirtschaftliche Alternative zu herkömmlichen<br />
Wärmeversorgungssystemen sein kann.<br />
Oberflächennahe Geothermie in Norddeutschland<br />
Durch die stete Energiepreissteigerung bei Öl und Gas hat die Nachfrage bei den<br />
oberflächennahen geothermischen Nutzungen für die wirtschaftliche und<br />
umweltgerechte Klimatisierung von Gebäuden in Norddeutschland sprunghaft<br />
zugenommen.<br />
Aufgrund der technischen Innovationen und der relativ moderaten Bohrpreise (hier:<br />
Erdwärmesonden, Brunnen) sind die wirtschaftlichen Bedingungen für die Errichtung<br />
erdgekoppelter Wärmepumpen so günstig wie nie zuvor.<br />
Gemäß Planungsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft ARGEBAU (LAG<br />
1998) sind Neubauten im öffentlichen Sektor verbindlich unter dem Gesichtspunkt der
Energieeinsparung und des Umweltschutzes zu planen. Dies beinhaltet den Einsatz<br />
regenerativer Energien, insbesondere auch der oberflächennahen Geothermie bzw. die<br />
thermische Nutzung des Untergrundes.<br />
Dank des intensiven Engagements innovativer Architekturbüros, der Investoren und<br />
Generalplaner sowie der zügigen Durchführung der Genehmigungsverfahren zeichnet<br />
sich für Norddeutschland bezüglich der Etablierung der Nutzung der<br />
oberflächennahen Geothermie eine sehr dynamische Entwicklung ab.<br />
Die gesamte bis zum Ende des Jahres 2004 im norddeutschen Raum installierte<br />
Leistung größerer Anlagen zur Nutzung der oberflächennahen Geothermie bzw. zur<br />
thermischen Nutzung des Untergrundes wird auf eine Größenordnung von 4 MW<br />
geschätzt. Weitere Großprojekte zur Nutzung der oberflächennahen<br />
Geothermie/thermische Nutzung des Untergrundes in Norddeutschland befinden sich<br />
gegenwärtig in der Planung bzw. stehen kurz vor der Realisierung.<br />
Eine Umfrage bei einigen Wärmepumpenherstellern in Norddeutschland ergab eine<br />
jährliche Steigerung der Verkaufszahlen erdgekoppelter Wärmepumpen zwischen 15<br />
und 50 %.<br />
Die Aussichten für die Folgejahre gestalten sich nach Ansicht der befragten Hersteller<br />
ähnlich optimistisch.<br />
Innovation bei der oberflächennahen Geothermie<br />
In Norddeutschland ist eine Zunahme bei der Errichtung von Energiepfahlanlagen zu<br />
beobachten. Die traditionellen Hersteller von Gründungspfählen in Norddeutschland<br />
haben die Entwicklung des Marktes erkannt und eigene Energiepfahlsysteme<br />
entwickelt bzw. betreiben gegenwärtig einen zum Teil erheblichen<br />
Entwicklungsaufwand.<br />
Technisch anspruchsvolle innovative Konzepte der Nutzung der oberflächennahen<br />
Geothermie/thermische Nutzung des Untergrundes ergeben sich vor allem bei der<br />
Kombination der Quellenanlagen (z.B. Energiepfähle, Erdwärmesonden,<br />
Oberflächenwasser, Grundwasser) aber auch durch Kombination der erdgekoppelten<br />
Wärmepumpe mit anderen umweltfreundlichen Versorgungslösungen (hier:<br />
Fernwärme, Solarthermie, Gas-Brennwerttechnik). Durch die sinnvolle Kombination<br />
der verschiedenen Energietechniken lassen sich die Investitionskosten zur Wärmeund<br />
Kälteversorgung mit erdgekoppelten Wärmepumpen häufig stark reduzieren,<br />
ohne auf einen hohen Anteil von Erdwärme in der Gesamtbilanz Heizen (Kühlen)<br />
verzichten zu müssen.<br />
Allerdings erfordern derart komplexe Anlagen einen höheren Aufwand zur Steuerung<br />
und Regelung zur effektiven Umsetzung ihrer Zielstellung zur<br />
Primärenergieeinsparung.<br />
Aktuelle Probleme<br />
Die dynamische Entwicklung auf dem norddeutschen Markt für erdgekoppelte<br />
Wärmepumpen hat aber auch zu Problemen geführt. In zunehmendem Maße<br />
beobachten wir Fehlbemessungen und eine mangelhafte Ausführungsqualität vor<br />
allem im Bereich kleinerer Erdwärmesondenanlagen.<br />
Das schwierige Marktumfeld der Heizungsinstallationsbetriebe hat dazu geführt, dass<br />
vermehrt unerfahrene Installationsbetriebe die Errichtung erdgekoppelter<br />
Wärmepumpen anbieten. Fehlende Schulung der Installateure sowie ein sich
abzeichnender Preiskampf führen teilweise dazu, dass elementare Regeln der VDI<br />
4640 bei der Anlagenerrichtung nicht beachtet werden bzw. Qualitätsanforderungen<br />
insbesondere auf der Wärmequellenseite nicht eingehalten werden können. Diese<br />
Entwicklung gefährdet ein nachhaltiges Wachstum bei der Nutzung der<br />
oberflächennahen Geothermie.<br />
Aus unserer Tätigkeit sind verschiedene Fälle fehlbemessener oder nicht<br />
gebrauchsfähiger Erdwärmesondenanlagen bekannt, die teilweise zu Rechtsstreitigkeiten<br />
zwischen Bauherrn und Installationsbetrieb geführt haben.<br />
Ziel und Intention der agierenden Planungsbüros und Genehmigungsbehörden ist eine<br />
nachhaltige Etablierung der innovativen Energietechnik. Die fachgerechte Planung<br />
und Bemessung der Anlagen, sowie die Ausführung der Bohr- und<br />
Installationsarbeiten durch qualifizierte Fachbetriebe sind die Grundlage für ein<br />
anhaltendes Wachstum des norddeutschen Erdwärmemarktes. Die Unterstützung des<br />
Bauherrn durch erfahrene Ingenieure und Geologen bei der Kontrolle der Bemessung<br />
und der Ausführung des Untertageteils hat sich als ein wirksames Instrument der<br />
Qualitätssicherung erwiesen.<br />
Geologische Bedingungen<br />
Norddeutschland weist aufgrund seiner spezifischen Geologie gute bis sehr gute<br />
Bedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Erdwärme bzw. für die<br />
thermische Nutzug des Untergrundes mit erdgekoppelten Wärmepumpen (hier<br />
Systemvarianten: Erdwärmesondenanlagen, Energiepfähle, Brunnen) auf.<br />
Regional tätige Bohrbetriebe haben in den vergangenen Jahren erfolgreich ihre<br />
Technik für die besonderen Aufgabenstellungen angepasst. Ein sehr häufig<br />
eingesetztes Bohrverfahren ist das direkte Spülbohren.<br />
Wegen der bevorzugten Nutzung pleistozäner Grundwasserleiter im norddeutschen<br />
Raum für die Trinkwassergewinnung und der teilweisen Ausbildung von artesisch<br />
gespannten Grundwasser in glaziären Depressionslagen werden von den<br />
Genehmigungsbehörden regionale Referenzen, Leistungsfähigkeit und fachliche<br />
Qualifikation bzw. eine Zertifizierung der Bohrbetriebe gefordert und durchgesetzt.<br />
In Nordostdeutschland ist in den oberflächennahen Schichten ein "normal"<br />
ausgeprägter geothermischer Gradient mit durchschnittlich folgendem<br />
Temperaturregime anzutreffen (Iffland & Lückstätt, 2001):<br />
0-100 m 9-11 ° C<br />
>100 m >11 ° C.<br />
Unterschiede der geothermischen Ergiebigkeit der Wärme- bzw. Kältequellen<br />
resultieren im Wesentlichen aus den unterschiedlichen thermohydrodynamischen<br />
Eigenschaften der pleistozänen Grundwasserleiter (Sande bis Kiese) bzw.<br />
Grundwassergeringleiter (Geschiebemergel, Ton-Schluff-Komplex, organogene<br />
Ablagerungen).<br />
<strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong>s<br />
Stratigraphie und petrographische Fazies der holozänen und pleistozänen<br />
Ablagerungen Norddeutschlands können erhebliche Unterschiede bei der thermischen<br />
Leitfähigkeit der Typussubstrate bewirken (siehe Tabelle).<br />
So sind durch verschiedene <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong>s in Norddeutschland u.a. für<br />
Geschiebemergel teilweise auf engstem Raum Werte für die thermische Leitfähigkeit
in einem Band von 1,4 bis 2,2 W/m x K nachgewiesen worden (Messungen: AETNA<br />
Energiesysteme GmbH).<br />
Unterschiedliche Lagerungsdichten aufgrund der spezifischen Genese der holozänen<br />
und pleistozänen Grundwasserleiter können ebenfalls starke Unterschiede bei der<br />
thermischen Leitfähigkeit bewirken.<br />
Die starke Schwankungsbreite der per <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong> nachgewiesenen<br />
thermischen Leitfähigkeit für die Typussubstrate im norddeutschen Raum<br />
unterstreicht die Notwendigkeit der Durchführung dieser in - situ <strong>Test</strong>s für<br />
individuelle Standorte, wenn mittlere bis große Erdwärmesondenfelder bzw.<br />
Energiepfahlanlagen realisiert werden sollen.<br />
Tabelle: Wertebereiche der Thermischen Leitfähigkeit aus geothermal response <strong>Test</strong>s<br />
für ausgewählte Typussubstrate in Norddeutschland (Messergebnisse AETNA<br />
Energiesysteme, Wildau)<br />
Typussubstrat Thermische Leitfähigkeit l /W/m x K)<br />
Geschiebemergel 1,4 - 2,25<br />
Ton, Beckenton<br />
Schluff (glazilimnisch) 1,4 - 1,9<br />
Sande (glazial, wassergesättigt) 1,6 - 2,4<br />
Mudde 0,5 - 0,8<br />
Kreide (Schreibkreide, geklüftet) 1,3 – 2,3<br />
Thermohydrodynamische Simulation der Quellenanlagen<br />
Die thermohydrodynamische Simulation mit numerischen Modellen ist für mittlere bis<br />
größere Erdwärmesondenfelder, Energiepfahlanlagen und Grundwasserwärmepumpen<br />
Stand der Technik (u.a. Empfehlung in der VDI-Richtlinie 4640).<br />
Für mittlere und große Anlagen ist ein Nachweis der Unbedenklichkeit für das<br />
Grundwasser bzw. des nachhaltig schutzgutneutralen Betriebs mit Hilfe einer<br />
numerischen Simulation des thermischen Regimes im Untergrund zwingend<br />
erforderlich. Gemäß Forderungen des §3 WHG Abs. 2 müssen für den Betrieb auch<br />
von Erdwärmeanlagen dauernde bzw. in nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche<br />
Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des<br />
Grundwassers grundsätzlich ausgeschlossen werden.<br />
Aufgrund der realisierbaren hohen zeitlichen und räumlichen Diskretisierung weisen<br />
numerische Modelle gegenüber analytischen Lösungsverfahren bei der Bemessung der<br />
Quellenanlagen erhebliche Vorteile auf. Nur wenige spezialisierte numerische<br />
Modelle berücksichtigen sowohl Wärmeleitung der Matrix als auch Wärmetransport<br />
mit dem Grundwasser (u.a. FEFLOW, FMH3, Hst 3d).<br />
Für verschiedene projektbezogene numerische Modellstudien wurde das<br />
Programmsystem FEFLOW ® 5.0 zur Prognose der potentiellen Beeinflussung des<br />
Temperaturregimes der holozänen und pleistozänen Grundwasserleiter herangezogen.<br />
Unter Ansatz der gemäß hydrogeologischen Primärdaten ausgewiesenen<br />
Grundwasserdynamik wurden die geplanten Anlagen für die Betriebszeit und eine<br />
Wiederangleichungsphase erfolgreich simuliert.<br />
Gegenwärtig laufen praxisnahe Untersuchungen zur inversen Simulation von<br />
<strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong>s mit dem Ziel, die Aussagegenauigkeit zu erhöhen und den<br />
Aufwand für die Auswertung zu reduzieren.
Die numerische thermohydrodynamische Simulation mit FEFLOW ® 5.0 ermöglicht<br />
die realistische Simulation komplexer Anwendungsfälle bezüglich anspruchsvoller<br />
Geometrien (z.B. unregelmäßige Anordnung von Erdwärmesonden im<br />
Erdwärmesondenfeld) sowie der Nachbildung hochdynamischer Lade- und<br />
Entladeprozesse von Wärme.<br />
Ein großer Vorteil ist, dass der Einfluss der Grundwasserströmung auf die<br />
geothermische Entzugsleistung bzw. den Speichernutzungsgrad verlässlich<br />
abgeschätzt werden kann. Daraus ergeben sich erhebliche potentielle Einsparungen<br />
bei den Investitionskosten der Quellenanlage.<br />
In bisherigen Anwendungen haben sich die finanziellen Aufwendungen für die<br />
Erstellung numerischer thermohydrodynamischer Modelle durch investitionsseitige<br />
Kostenreduzierungen amortisiert.<br />
Temperaturfeld im Bereich eines großen Erdwärmesondenfeldes mit Einfluss der<br />
Grundwasserströmung berechnet mit FEFLOW® 5.0, mehrschichtiges 3D<br />
Grundwassermodell, H.S.W. GmbH Rostock, 12/2002<br />
Kühlung mit dem Untergrund<br />
Aufgrund des sich vollziehenden Klimawandels und der angestrebten Verbesserung<br />
des Klimatisierungskomforts wird ein steigender Kühlbedarf für den Gebäudebestand<br />
in Deutschland vorausgesagt. Zur Kältebereitstellung bietet die umschaltbare<br />
erdgekoppelte Wärmepumpe eine sehr wirtschaftliche Lösung.
Für Büro- und Geschäftshäuser rückt gegenwärtig die Bereitstellung von Kälte durch<br />
die thermische Nutzung des Untergrundes in den Mittelpunkt des Interesses, da<br />
Betriebskosten nachhaltig gesenkt werden können.<br />
Der saisonale Wechsel von Heizen und Kühlen mit dem Untergrund erhöht die<br />
Wirtschaftlichkeit der erdgekoppelten Wärmepumpe, da Wärme und Kälte jedes Jahr<br />
„recycelt“ werden. Die Mehrkosten für den Einsatz einer reversiblen erdgekoppelten<br />
Wärmepumpe amortisieren sich durch die massive Einsparung bei den Betriebskosten<br />
(Heizung, Kühlung) bei günstigen Randbedingungen innerhalb von 4 bis 8 Jahren.<br />
Voraussetzung dafür ist eine möglichst weitgehend ausgeglichene Wärmebilanz, die<br />
durch hohe spezifische Wärmeleistungen zur Senkung der Investitionskosten im<br />
Untertageteil führt.<br />
Der nutzbare Anteil der „freien“ Kühlung über Erdwärmesonden ist dagegen wegen<br />
der geringen Temperaturdifferenzen zwischen Wärmequelle (Gebäude) und der<br />
Wärmesenke Untergrund selbst bei günstigen hydrogeologischen Randbedingungen<br />
und einem Hochtemperaturkühlsystem begrenzt.<br />
Kurzportrait einiger Großprojekte in Norddeutschland<br />
Kunsthalle Emden<br />
Das Museum erhielt 1999 einen Erweiterungsbau. In diesem Zusammenhang wurden<br />
11 Erdwärmesonden von je 250 m Tiefe zum Heizen und Kühlen unter äußerst<br />
beengten Platzverhältnissen errichtet. Sie dienen seither als Wärmequelle bzw.<br />
Wärmesenke für die in das Klimatisierungssystem eingeordneten Propan-<br />
Wärmepumpen.<br />
Quelle: www.kunsthalle.conne.net<br />
Die konservatorischen Anforderungen erfordern die Einhaltung eines hohen Standards<br />
hinsichtlich Luftfeuchte und Temperatur. Der Einsatz der Erdwärmesondenanlage<br />
ermöglicht bei einer Nutzung über einen großen Zeitraum des Jahres in Verbindung
mit der Wärmerückgewinnung die Reduzierung des Primärenergiebedarfs des<br />
Gebäudes auf ca. 50% im Vergleich zu einer konventionellen Lösung.<br />
AETNA Energiesysteme GmbH führte auf der Grundlage eines <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong><br />
<strong>Test</strong>es die Dimensionierungsrechnungen zur Anpassung an die Standortverhältnisse<br />
durch und realisierte die Anbindung an die Wärmepumpenanlage.<br />
Erdwärmesondentemperatur im Jahresgang (Quelle: www.kunsthalle.conne.net)<br />
Universitätsbibliothek Rostock<br />
Im Neubau der Universitätsbibliothek der Universität Rostock (Mecklenburg-<br />
Vorpommern) wird das Heizen (ca. 60 kW) und die sommerliche Kühlung (ca. 120<br />
kW) seit Ende 2003 für bestimmte Gebäudeteile (u.a. Büchermagazin) durch die<br />
geothermische Nutzung des Untergrunds realisiert.<br />
Die Gewinnung von Erdwärme und „Erdkälte“ erfolgen am Standort über ein<br />
Erdwärmesondenfeld von 28 Erdwärmesonden, die jeweils bis in 80 m Tiefe in das<br />
Erdreich eingebracht sind. Die Tiefe von 80 m ist von Geologen im Ergebnis der<br />
Auswertung von Erkundungen und eines <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong>s bestimmt<br />
worden.<br />
Eine wichtige Voraussetzung für die Erschließung der nahezu konstanten<br />
Erdreichtemperaturen von ca. 10 C ° bis in eine Tiefe von ca. 80 m ist durch die<br />
gebäudeseitige Bauteilaktivierung (aktive Decken) gegeben.<br />
Durch den Betrieb der Anlage können Emissionen des klimaschädigenden<br />
Treibhausgases CO 2 eingespart sowie langfristig die Betriebskosten gesenkt werden.<br />
Die Universität Rostock führt mit den Studenten verschiedener Fachbereiche<br />
wissenschaftliche Langzeitversuche an der Geothermieanlage durch.<br />
Die Erdwärmesondenanlage der neuen Universitätsbibliothek ist in Ihrem Umfang<br />
gegenwärtig die größte in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Der Generalplaner für die Geothermieanlage war die INROS Planungsgesellschaft<br />
mbH Rostock.
Bohrarbeiten am Neubau der Universitätsbibliothek Rostock (Quelle: H.S.W. GmbH<br />
Rostock)<br />
Energiepfahlanlage Silohalbinsel Hansestadt Rostock<br />
Auf der Silohalbinsel des Stadthafens der Hansestadt Rostock (Mecklenburg-<br />
Vorpommern) wurden Anfang 2004 die Arbeiten zur Modernisierung der ehemaligen<br />
Speichergebäude am Stadthafen (Silo 4 und 5) zum architektonisch sowie<br />
energietechnisch innovativen Businesscenter (Deutsche Immobilien<br />
Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG) abgeschlossen. Federführend war das<br />
Architekturbüro Beyer & Partner, Rostock.<br />
Schon in den ersten Entwürfen wurde eine Bauteilaktivierung des Businesscenters<br />
vorgesehen und damit die Voraussetzung für eine wirtschaftliche geothermische<br />
Nutzung des Untergrunds geschaffen.<br />
Die schwierigen Baugrundverhältnisse am Standort (organische Weichschichten bis<br />
ca. 15 m Mächtigkeit) erforderten die Realisierung der Gründung von notwendigen<br />
peripheren Bauwerken (u. a. Tiefgarage) als Pfahlgründung.<br />
Die 264 jeweils 19 m langen Stahlbetonfertigpfähle wurden mit Rohrleitungen belegt<br />
und dienen als Energiepfähle zur saisonal wechselnden Gewinnung von Wärme bzw.<br />
Kälte aus den oberflächennahen Schichten.<br />
Ergänzend zur Nutzung von Energiepfählen wird in optimierten Temperatur- und<br />
Zeitintervallen Oberflächenwasser aus dem Hafenbecken thermisch genutzt. Durch<br />
die Kombination von reversibler Wärmepumpenanlage und Bauteilaktivierung wird<br />
das Businesscenter auf dieser Grundlage zu jedem Zeitpunkt des Jahres sehr effizient<br />
und umweltschonend mit Wärme oder Kälte (220 kW) versorgt. Durch die Nutzung<br />
der Energiepfahlanlage zur Bereitstellung von Kälte und Wärme ergeben sich<br />
besonders bei der Gebäudekühlung erhebliche Einsparungen bei den CO 2-Emissionen<br />
sowie bei den Betriebskosten. Zur Spitzenlastabdeckung dient der Fernwärmeanschluss<br />
des Gebäudes.
Businesscenter am Stadthafen Rostock (Quelle: DEUTSCHE IMMOBILIEN AG<br />
Rostock)<br />
Erdwärmesondenanlage Nationalparkzentrum Königsstuhl<br />
(Rügen)<br />
Anfang 2004 eröffnete das Nationalparkzentrum seine interessanten<br />
Ausstellungsräume. Aus einem 1893 als Hotel errichteten Gebäude mit äußerst<br />
wechselvoller Geschichte (von 1945 bis 1990 militärische Nutzung) entstand ein<br />
Nullenergiehaus, in dem eine Erdwärmesondenanlage (8 EWS bis in 150 m Tiefe) für<br />
das Kühlen und Heizen mittels Wärmepumpe (90 kW) sorgt. Die Fotovoltaik- und die<br />
thermische Solaranlage runden das vom Ingenieurbüro Ewe, Leukersdorf, geplante<br />
Energiesystem ab.<br />
Die Durchführung der Bohrungen (NBB GmbH, Hamburg) gestaltete sich in der stark<br />
klüftigen steil stehenden Kreide des Königsstuhls durch totalen Spülungsverlust und<br />
Antreffen von Flintsteinlagen schwierig. Durch Umstellung auf belüftete Spülung<br />
konnten die Bohrungen erfolgreich abgeteuft werden.<br />
Die geologische, technologische Begleitung und Qualitätsüberwachung oblagen<br />
H.S.W. GmbH bzw. AETNA Energiesysteme GmbH.<br />
Bei der Verfüllung mit Stüwatherm mussten für eine gute thermische Anbindung der<br />
Kluftbereiche sehr große Mengen eingesetzt werden. Die Anlage wurde im Frühjahr<br />
2004 in Betrieb genommen. Die mit der installierten Gebäudeleittechnik<br />
aufgenommenen Daten bilden eine gute Grundlage für das zukünftig vorgesehene<br />
Monitoring.
Nationalparkzentrum Königsstuhl (Stubnitzhaus) (Quelle: www.koenigsstuhl.com)<br />
Mit belüfteter Spülung aus der EWS - Bohrung ausgetragene Flintsteine<br />
Kombinierte Energiepfahl- und Erdwärmesondenanlage<br />
Verwaltungsgebäude Fa. Buhlmann Bremen<br />
Im Rahmen des Bauvorhabens Neubau des Verwaltungsgebäudes Fa. Buhlmann in<br />
der Hansestadt Bremen war wegen der schwierigen Baugrundbedingungen eine<br />
Tiefgründung mit Ortbetonpfählen erforderlich.<br />
Auf Betreiben der verantwortlichen Gruppe GME Architekten + Designer Bremen<br />
wurde eine Studie zu den Möglichkeiten des wirtschaftlichen und umweltfreundlichen<br />
Heizens und Kühlens des Bürogebäudes über Energiepfähle beauftragt. Die vorläufige
geothermische Leistungsprognose ergab eine mögliche Leistung der<br />
Energiepfahlanlage von ca. 50 kW. Durch die Energiepfähle werden mineralische<br />
Ablagerungen der tidebeeinflussten pleistozänen Hochterrasse (Wesersande)<br />
angefahren. Deshalb wurden besonders hohe geothermische Entzugsleistungen<br />
erwartet. Ein <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong> in Bremen am Zentralkrankenhaus Bremen –<br />
Ost hatte dies eindrucksvoll belegt.<br />
Aufgrund der günstigen geologischen Bedingungen und verfügbarer Flächen am<br />
Standort wurden am Standort zusätzlich 13 Erdwärmesonden a 77 m in den<br />
Untergrund eingebracht.<br />
Insgesamt können so durch die Geothermiezentrale ca. 100 kW Heiz- bzw.<br />
Kühlleistung aufgebracht werden.<br />
Zur Abdeckung der Wärme-Bedarfsspitzen des Neubaus wurde ein Gaskessel<br />
installiert.<br />
Die komplette Errichtung der erdgekoppelten Wärmepumpenanlage erfolgte durch die<br />
Firma Zent Frenger. Die installierte GEOZENT-Anlage besitzt eine Heizleistung von<br />
ca. 100 kW und eine Kälteleistung von ca. 80 kW. Gegenwärtig befindet sich die<br />
Anlage im Probebetrieb.<br />
Neubau des Verwaltungsgebäudes der Firma Buhlmann in der Hansestadt Bremen<br />
(Quelle: Gruppe GME Architekten + Designer, Bremen)<br />
Kombinierte Energiepfahl- und Erdwärmesondenanlage Neubau<br />
Büro- und Geschäftshaus Doberaner Platz (Hansestadt Rostock)<br />
In der Doberaner Straße 153-155, Hansestadt Rostock (Mecklenburg-Vorpommern)<br />
entsteht bis Ende 2004 ein architektonisch sowie energietechnisch anspruchsvolles<br />
Büro- und Geschäftshaus (Bauherr Müller-Spreer). Federführend sind die<br />
Architekturbüros Matrix und Maringer + Partner, Rostock.<br />
Die Planer hatten schon in den ersten Entwürfen eine Bauteilaktivierung des Büround<br />
Geschäftshauses vorgesehen und damit die Voraussetzung für eine wirtschaftliche
geothermische Nutzung des Untergrundes geschaffen. Wärmebedarf und Kühlbedarf<br />
(50 kW Wärme und ca. 40 kW Kälte) werden zukünftig ausschließlich durch das<br />
innovative Heiz- bzw. Kühlsystem abgedeckt.<br />
Im Rahmen einer geologischen Recherche und im Ergebnis der Auswertung eines<br />
<strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong>s wurden für den Standort Möglichkeiten der<br />
geothermischen Nutzung des Untergrundes zur Bereitstellung von Wärme und Kälte<br />
untersucht.<br />
Die schwierigen Baugrundverhältnisse am Standort (organische Weichschichten bis<br />
ca. 10 m Mächtigkeit) erforderten die Realisierung einer Pfahlgründung. Hier<br />
schlugen die Planer eine geothermische Aktivierung der Gründungspfähle zu<br />
Energiepfählen vor.<br />
Die 32 jeweils ca. 10 m langen Bohrpfähle wurden mit Rohrleitungen belegt und<br />
dienen als Energiepfähle (EPF) zur saisonal wechselnden Gewinnung von Wärme<br />
bzw. Kälte aus den oberflächennahen „angefahrenen“ Schichten.<br />
Ergänzend zu den Energiepfählen werden 14 Erdwärmesonden (Gesamtlänge ca. 940<br />
m, Tiefe bis maximal 99 m) genutzt.<br />
Durch die Kombination von reversibler erdgekoppelter Wärmepumpenanlage (Heizund<br />
Kühlbetrieb) und Bauteilaktivierung wird das in Bau befindliche Büro- und<br />
Geschäftshaus zu jedem Zeitpunkt des Jahres sehr effizient und umweltschonend mit<br />
Wärme oder Kälte versorgt.<br />
Durch die geothermische Nutzung des Untergrundes zur Bereitstellung von Kälte und<br />
Wärme ergeben sich erhebliche Einsparungen bei den Betriebskosten.<br />
Das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern wird die innovative<br />
Anlagentechnik voraussichtlich mit 25 % fördern.<br />
Neubau des Büro- und Geschäftshauses Doberaner Straße Hansestadt Rostock<br />
(Quelle: Matrix Architekten, Rostock)
Zusammenfassung/Ausblick<br />
Aufgrund der fortschreitenden Verteuerung der Primärenergieträger ist zukünftig mit<br />
einer verstärkten Entwicklung bei der Nutzung der oberflächennahen Geothermie<br />
bzw. thermischen Nutzung des Untergrundes auszugehen.<br />
Nicht zuletzt die sehr erfolgreiche Realisierung von Referenzprojekten in ganz<br />
Norddeutschland hat die Bekanntheit und das öffentliche Interesse an der innovativen<br />
umweltfreundlichen Energietechnik erheblich verbessert.<br />
Für einige der gegenwärtig in Planung befindlichen Objekte mit Heizung und<br />
Kühlung aus dem Untergrund ist die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme bereits ohne<br />
umfangreiche Förderung erreichbar. Wir erwarten deshalb insbesondere aus dem<br />
privaten Sektor des Wohnungs- und Gewerbebaus zukünftig eine spürbare Zunahme<br />
der Investitionen in die neue Energietechnik.<br />
Unter Berücksichtigung der zahlenmäßigen Zunahme der Bauprojekte mit einer<br />
Nutzung der Oberflächennahen Geothermie bzw. bei der thermischen Nutzung des<br />
Untergrundes darf die strikte Einhaltung der qualitäts- und umweltrelevanten<br />
Standards (u. a. VDI 4640, W 120) nicht unberücksichtigt bleiben. Der Einsatz von<br />
Fachbohrfirmen und einer geologischen Fachbauleitung ist unabdingbar bei der<br />
Ausführung der Wärmequellenanlagen.<br />
Im Ergebnis der Auswertung von ca. 25 <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong>s aus dem<br />
norddeutschen Raum repräsentativ für holozäne und pleistozäne Typussubstrate wurde<br />
eine starke Varianz der thermischen Leitfähigkeit festgestellt, die im wesentlichen auf<br />
eine unterschiedliche Lithologie zurückzuführen ist.<br />
Damit bleibt der <strong>Geothermal</strong> <strong>Response</strong> <strong>Test</strong> unerlässlich für die wirtschaftliche<br />
Bemessung und den gesetzeskonformen Betrieb von Anlagen zur Nutzung der<br />
oberflächennahen Geothermie.