XXXXX Gérard findet einen soliden Partner, den Investor und Architekten <strong>Die</strong>ter Becken. Alles scheint ganz einfach. <strong>Die</strong> Stadt müsse ihnen nur das Grundstück überlassen. Doch das Grundstück bekommen sie nicht. <strong>Die</strong> Stadt überträgt die Koordination ihrer Realisierungsgesellschaft (ReGe). Deren Leiter, der Sozialdemokrat Hartmut Wegner, gilt als konfliktbereit und durchsetzungsfähig, als „Mann für heiße Eisen“, ein Flachland-Terminator, dem es gelungen war, auf der Elbinsel Finkenwerder den Protest von Bauern und Bürgerinitiativen gegen die Verlängerung einer Startbahn für Airbus niederzuwalzen. <strong>Die</strong>ser Mann wird nun mit der Aufgabe von eher alpiner Dimension betraut, die Koordination für das Jahrhundertbauwerk zu übernehmen. Als erstes macht er Klarschiff, drängt Gérard und Becken von Bord und zahlt die Erfinder aus. Dann bestellt er eine Machbarkeitsstudie. Sie schätzt die Baukosten auf 186,7 Millionen Euro, 77 Millionen davon sollen durch Steuern finanziert werden, nichts was die Euphorie bremsen könnte. Einstimmig beschließt die Bürgerschaft im Februar 2007 den Bau der Elbphilharmonie. * Ein Nachmittag im Schanzenviertel. Im dritten Stock des Kulturhauses 73 am Schulterblatt, gleich neben der Roten Flora, legt das <strong>Ensemble</strong> <strong>Resonanz</strong> einen seiner legendären Kavalierstarts hin. Attacke, allegro con brio. <strong>Die</strong> Bögen fliegen, der schlichte Probensaal verwandelt sich in eine musikalische Fjordlandschaft. Was für ein Sound! Edvard Griegs „Aus Holbergs Zeit.“ Sie nehmen das Stück auseinander und setzen es neu zusammen. <strong>Die</strong> „Suite im alten Stil“, Schmachtfetzen aller Wunschkonzerte, strahlt in neuem Gewand, glasklar, leicht, entrückt. <strong>Die</strong>ser Grieg hat den Groove. Das <strong>Ensemble</strong> <strong>Resonanz</strong>, elf Frauen, sieben Männer, genießt in Hamburg Kultstatus, spielt in der ersten Liga anspruchsvoller Kammerorchester, wurde schon zu den Salzburger Festspielen eingeladen und hat gerade eine Asientournee hinter sich. <strong>Die</strong> hochklassigen Streicher haben eine Nische im Konzertleben entdeckt: das ganz alte und das neue Repertoire. Sie haben sich als unabhängige gemeinnützige GmbH organisiert und spielen in der Regel ohne Dirigent; dann und wann engagieren sie einen für besonders vertrackte Stücke. Seit 2002 sind sie „<strong>Ensemble</strong> in residence“ in der Laeiszhalle und sollen das nun auch für den kleinen Saal der Elbphilharmonie werden. Kaum war der Bau beschlossen, rief das <strong>Ensemble</strong> <strong>Resonanz</strong> <strong>zur</strong> musikalischen Hausbesetzung auf: „Kaispeicher entern “. Es gab einen Senatsempfang, und die Autonomen durften den Tempel stürmen. Der Komponist Ali N. Askin hatte eigens für diesen Anlass ein Stück geschrieben „Iterations 4“. Tobias Rempe, Geschäftsführer des Orchesters, erzählt: „Wir spielten in vier Gruppen mit zwei Solisten, in den Räumen verteilt zwischen rund achthundert Leuten. Es war eine tolle Stimmung.“ <strong>Die</strong> Stimmung erfasst die Stadt. Wenn etwas Großartiges entsteht, sind Hamburger keine Pennschieter. Eine bürgerliche Sammlungsbewegung legt für die spontan gegründete Stiftung Elbphilharmonie fast 70 Millionen Euro auf den Tisch, darunter Großspenden des Unternehmerehepaares Hannelore und Helmut Greve, von Michael Otto und von der Reemtsma-Stiftung. Mehr als sechstausend Privatsponsoren öffnen ihre Schatullen, finanzieren die Orgel für den großen und die Bestuhlung für den kleinen Konzertsaal und sammeln für Flügel und Pianinos. Der Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle e. V. wirbt um Kuratoren und gesellschaftlichen Rückhalt, der Verein der Freunde der Elbphilharmonie leistet Überzeugungsarbeit. „Wir sehen es als unsere Pflicht, mit der Kraft der Zivilgesellschaft das Projekt zu vollenden“, heißt es in einem Manifest der Mäzene. Hamburg, Stiftungshauptstadt der Republik, erlebt eine neue Gründerzeit. * <strong>Die</strong> Baustelle liegt im Nebel. Wenige hundert Meter entfernt feuert der Elbphilharmonie-Infopavillon Musik aus allen Rohren, Jazz, Klassik, Solokonzerte, Chöre, was ihr wollt. Der japanische Akustiker Yasuhisa Toyota, ungekrönter Weltmeister des guten Tons, hat mit seiner Firma Nagata Acoustics weltweit rund 50 Klangräume ausgehorcht und konzertreif eingerichtet, darunter die Suntory Hall in Tokio oder die Walt Disney Hall in Los Angeles. Mit diesem Saal nun will er Maßstäbe setzen. Deshalb hat er den Konzertsaal der Elbphilharmonie als wirklichkeitsnahes Modell aus Faserplatten im Maßstab 1:10 nachbauen lassen, einschließlich Bestuhlung und rund zweitausend Filzpuppen. 2.2012 Cicero 7 anzeige
| Salon | E l B p H i l H a R M o n i E Besucher auf der „Plaza“, der Aussichtsplattform des geplanten Gebäudes Yasuhisa Toyotas tontechnisches Modell des großen Konzertsaals im Infopavillon der Elbphilharmonie 8 Cicero 2.2012