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festivalzeitung nr. 07 / 22.06.2007 - 17. Internationale Schillertage

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✶10 MORALISCHE ANSTALT FESTIVALZEITUNG 22.06.20<strong>07</strong> BESTIE MENSCH 14. INTERNATIONALE SCHILLERTAGE / NATIONALTHEATER MANNHEIM<br />

✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶<br />

KEINE KRITIK<br />

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Oh, Du meine Lichtgestalt, Du<br />

meine Freude schöner Götterfunken,<br />

ich sende Dir Nachrichten<br />

aus dem Funkloch meiner Einsamkeit,<br />

aus dem runden Loch der Nacht.<br />

Ich legte meinen Kopf heut Nacht zwischen<br />

die Sterne, damit ich die Leute in<br />

meinem Kopf nicht mehr rufen höre:<br />

„Den kriegen wir hier nicht raus!“ Ich fiel<br />

in die Nacht. Doch trotz der Bescheidenheit<br />

meiner Handlung in jedem Augenblick<br />

werde ich so nicht enden an dieser<br />

Stelle. Mein Herz ist u<strong>nr</strong>uhig. Denn ich<br />

weiß: Gemeinsam würden wir siegen!<br />

Gemeinsam zögen wir immer weniger an<br />

und würden uns überall beschriften.<br />

Das wird unsere Zeit, lass sie leuchten!<br />

Doch wo Du bist, da kann kein Anderer<br />

sein, sonst würd ich wissen, wo das<br />

ist. Ich weiß ja, wenn Du nicht hier bist,<br />

bist Du auf dem Sonnendeck, oder am<br />

Radar. Aber wo Du immer noch stehst,<br />

da ist ein Loch in der Luft und Du<br />

kommst nicht mehr zurück, weiß ich<br />

auch schon. Das schenkt mir die treue<br />

Realität.<br />

Noch nicht mal ein Bild durfte ich<br />

von Dir machen, oh Du meine Lichtgestalt,<br />

ein Foto, was ich auf meinen Nachttisch<br />

gestellt hätte, um Dich morgens als<br />

Erstes und abends als Letztes zu sehen.<br />

So bleibt mir nur Deine Stimme und ich<br />

höre Deine Lieder zum Einschlafen wie<br />

andere „Drei Fragezeichen“-Kassetten.<br />

Kein kleines Stückchen darf ich von Dir<br />

haben, als ich ein Poster mit Deinem<br />

Namen darauf mitnehmen wollte, wurde<br />

mir gesagt, Du willst das selbst behalten.<br />

Du wurdest viel verkloppt in der<br />

Schule, oder Du Mischung aus Autist<br />

und Tollpatsch, Du Poet der reinen Seele,<br />

Du hast mein kleines Herz berührt. Von<br />

unten aus dem Publikum siehst Du größer<br />

aus. Ich liebe sogar den Dodo-förmigen<br />

Schweißfleck auf Deiner Brust. Ich<br />

nehme Dich auch mit Tüte auf dem Kopf<br />

oder mit vom Kissen verdeckten Antlitz,<br />

auch wenn Du mir mit Gesicht lieber<br />

wärst. Für Dich nehme ich jede Schrulle<br />

in Kauf. Lass mich Dich dafür entschädigen,<br />

dass Du wahrscheinlich ein Flaschenkind<br />

warst, Du, mein fallender<br />

Stern. Ich schnall Dir Deinen Gitarrengurt<br />

wieder an. Wir bespucken gemeinsam<br />

den Kölner Dom und reißen den Himalaja<br />

ab! Ich werde bleiben und auf<br />

Dich warten.<br />

✶ JULE D. KÖRBER<br />

✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶<br />

SONNENSEGEL<br />

✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶✶<br />

Sonnensegel-Hängematte<br />

Als die Nacht anfängt und die<br />

Leute sich eigentlich zur Techno-<br />

Musik des DJs warm tanzen sollten,<br />

ist die Tanzfläche des Theater-Cafés<br />

leer, nur Vereinzelte stehen nah an der<br />

Wand und nicken im Takt, alle anderen<br />

sitzen in kleinen Gruppen draußen im<br />

Gras, unter Flying Tends, den Sonnensegeln.<br />

Es ist warm und riecht nach Gewitter,<br />

ein Kellner im weißen Hemd läuft<br />

Schlangenlinien durch die Menschen,<br />

sein Tablett ist voll mit leeren Gläsern.<br />

Foto: Tim Tonndorf<br />

Die Teilnehmer der Seminare waren in<br />

Heidelberg, Tüten von Plattenläden liegen<br />

neben ihnen, einer sagt: „Wer baut, der<br />

haut.“<br />

Ein junger Mann springt hoch und<br />

versucht, das Abspannseil eines Flying<br />

Tends zu erreichen, seine Freundin lacht.<br />

Die beiden holen eine Bank, stellen sich<br />

darauf und ziehen das Tuch herunter.<br />

Dann klettern sie hinein wie in eine riesige<br />

Hängematte, die Ausbeulung streift<br />

fast den Boden. Es dauert nur wenige Minuten,<br />

bis die Security kommt. Nachdem<br />

die beiden verschwunden sind, bleibt der<br />

Stoff faltig, die Ausbuchtung sichtbar.<br />

Einen Tag später ist von der Aktion nichts<br />

mehr zu sehen. Mit viel Aufwand und<br />

einer Hebebühne ist das Tend wieder an<br />

der Nationaltheaterfassade befestigt worden.<br />

Wieder ist der Rasen voller Menschen,<br />

die entweder auf Stühlen oder<br />

dem Rasen, Cocktails, Bier oder Café trinken<br />

und sich vom Tage berichten. Das<br />

Stimmengewirr sorgt für eine große Geräuschkulisse.<br />

Drinnen platzt das Foyer zwar nicht<br />

aus allen Nähten, gut gefüllt ist es dennoch.<br />

PeterLicht steht auf der Bühne.<br />

Aber davor Sitzen die Zuschauer auf<br />

dem Fußboden, ein Textblatt in der<br />

Hand. Singen mit dem Künstler zu meditativen<br />

Sitarklängen. Das polarisiert.<br />

Einem scheint das Konzert nicht zu gefallen.<br />

„PeterLicht, du bist Sch****“<br />

schreit er. Eine Zuschauerin setzt sich für<br />

ungestörten Genuss ein. Noch bevor die<br />

Situation eskaliert, wird der Störenfried<br />

zum Ausgang geleitet. Die Fans vollführen<br />

weiter ihren Sitztanz, wenige bewegen<br />

sich im Stehen. Eine gewiefte<br />

junge Frau in gelb-grünem Kleid versucht<br />

ein Partyplakat als Erinnerung mitzunehmen.<br />

Dann ist das Konzert vorbei. Die<br />

Menge strömt ins Theater-Café. Manche<br />

bleiben unterwegs am Merchandisingstand<br />

stehen, um Plakate, CDs, Bücher<br />

und T-Shirts zu erstehen. Am Cocktailstand<br />

ist das Eis ausgegangen. „Gehen<br />

Sie jetzt bitte rüber!“, bittet die Security<br />

letzte Gäste im Theaterfoyer. Die Party<br />

ist noch nicht vorbei. Im Café geht sie<br />

erst richtig los, zu dröhnenden Houseklängen.<br />

✶ MARCEL MAAS<br />

✶ LYDIA DARTSCH

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