festivalzeitung nr. 07 / 22.06.2007 - 17. Internationale Schillertage
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✶6 MORALISCHE ANSTALT FESTIVALZEITUNG 22.06.20<strong>07</strong> BESTIE MENSCH 14. INTERNATIONALE SCHILLERTAGE / NATIONALTHEATER MANNHEIM<br />
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SUSES PUPPENSTUBE<br />
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Suse Wächter in ihrer Puppenstube<br />
Übermäßig mitteilungsbedürftig<br />
scheint Suse Wächter nicht zu<br />
sein. Das Sprechen überlässt sie<br />
lieber ihren Puppen, die auf der Bühne<br />
zu großer Form auflaufen. Zu ihren „Abkömmlingen“<br />
scheint sie eine ganz spezielle<br />
Beziehung zu haben. Wenn eines<br />
ihrer Wesen bei den Proben einmal nicht<br />
so gut drauf ist und gerade nicht über<br />
Stufen torkeln will, wie der Regisseur<br />
sich das vorstellt, springt Suse auch schon<br />
mal persönlich ein und wankt an ihrer<br />
statt über die Bühne. Eine so enge Bindung<br />
und Vertrautheit entsteht vermutlich<br />
zwangsläufig zwischen Geschöpf<br />
und Schöpferin. Toll, so ein Leben inmitten<br />
selbst geschaffener Gefährten.<br />
Wer sich allerdings Puppen in praktisch-handlichem<br />
Pocket-Format mit<br />
freundlichen Gesichtern oder gar in<br />
Sie erschafft neue Wesen, kreiert sie nach ihren Wünschen und<br />
Vorstellungen. Und ganz nach ihrem Gutdünken haucht sie<br />
ihnen Leben und Gefühle ein. Suse Wächter ist Puppenmacherin<br />
und spielt morgen mit ihren Kreaturen in den „Helden<br />
Mannheims“.<br />
Plüschoptik zum Kuscheln vorstellt,<br />
der ist gewaltig auf dem Holzweg. Einfach<br />
gestrickte Puppen mit einfach gestrickten<br />
Charakterzügen a la „Kasperle<br />
und Seppl“ wären eine Verschwendung<br />
bei Suses außergewöhnlicher Puppenbaufertigkeit.<br />
Lebens- bis überlebensgroß,<br />
teilweise mit wahnsinnigen Fratzen, weit<br />
aufgerissenen Augen und unheimlichen<br />
Gesichtszügen, die einen scheinbar direkt<br />
anglotzen. Genauso gut könnten die<br />
Puppen Albträumen kleiner Kinder entsprungen<br />
sein.<br />
Foto: Lydia Dartsch<br />
Geboren wurde Suse Wächter 1969<br />
in Thüringen. Nach der Schule kam sie<br />
durch ein Praktikum ans Erfurter Theater<br />
– als Theatermalerin. Hauptsächlich<br />
mit Puppen beschäftigte sie sich erst später,<br />
als sie Anfang der neunziger Jahre an<br />
der Berliner Hochschule für Schauspielkunst<br />
„Ernst Busch“ Puppenspiel studierte.<br />
Schon da nimmt man Notiz von<br />
ihrem außergewöhnlichen Geschick<br />
beim Bauen und Spielen mit Puppen.<br />
Mittlerweile ist Suse Wächter eine der renommierten<br />
deutschen Puppenspielerinnen<br />
und setzt eine Tradition fort, die speziell<br />
in der DDR gepflegt wurde. Da gab<br />
es Puppentheater nach sowjetischem Vorbild.<br />
In der organisierten Kulturlandschaft<br />
der DDR verfügten viele Theater<br />
über ein eigenes Puppenspielensemble.<br />
Suse Wächter bedient sich heute allerdings<br />
nicht mehr hauptsächlich an Vorlagen<br />
der überholten sowjetischen Puppenspielära,<br />
sondern orientiert sich an noch<br />
weiter entfernten Ecke der Welt: Am japanischen<br />
„Bun Raku“-Theater des <strong>17.</strong><br />
und 18. Jahrhunderts gab es auch schon<br />
diese Spielweise, an der Suse sich anlehnt:<br />
Es gibt keine Fäden, wie etwa bei Marionetten,<br />
an denen gezogen wird. Die Spieler<br />
befinden sich mit ihren Puppen mitten<br />
auf der Bühne und mitten im Geschehen.<br />
Diese direkte Spielweise ist zu Suse<br />
Wächters Markenzeichen geworden.