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Raum 2 Das Onsernone

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<strong>Raum</strong> 4<br />

<strong>Das</strong> <strong>Onsernone</strong> und seine Strohmanufaktur<br />

(Industria della Paglia)<br />

Die Strohindustrie ist eine Besonderheit des Valle <strong>Onsernone</strong>, die ihm in vielerlei Hinsicht<br />

eine Sonderstellung verleiht, ein Unikum in den lombardischen Alpen. Während<br />

Jahrhunderten war das <strong>Onsernone</strong> nebst Wohlen im Kanton Aargau das Zentrum der<br />

Strohindustrie der Schweiz, mit durchaus europaweiter Ausstrahlung. Den <strong>Onsernone</strong>si<br />

ist es seit dem 16. Jahrhundert bis gegen Ende des 19. Jahrhundert gelungen, die<br />

gesamte Produktions- und Vertriebskette vom Anbau des Rohstoffes bis zum Verkauf<br />

der Endprodukte (Hüten, Taschen etc.) mit ihren eigenen Ressourcen zu entwickeln,<br />

voranzutreiben und zu kontrollieren. Die intensiven Handelsbeziehungen, - die<br />

<strong>Onsernone</strong>si waren auf vielen Märkten im Piemont, in der Lombardei, in Flandern, in<br />

Frankreich und in der französischen Schweiz mit ihren Strohprodukten präsent, - führten<br />

zu einem regen Kulturaustausch. Die Strohmanufaktur hat das <strong>Onsernone</strong><br />

sozioökonomisch und soziokulturell nachhaltig geprägt.<br />

Die <strong>Onsernone</strong>si haben ihre Kräfte voll auf diesen Erwerbszweig konzentriert; er hat ihrem Tal<br />

phasenweise grossen Reichtum beschert. Der agropastorale Subsistenzwirtschaft kam unterordnete<br />

Bedeutung zu. In die Produktion und den Vertrieb waren alle involviert: sie sorgten für den Anbau und die<br />

Verarbeitung des Roggens, die Frauen verflochten den Roggenstroh zum Zwischenprodukt, der<br />

sogenannten binda, die Kinder säuberten die Strohgeflechte, die Männer vernähten die binda zu Hüten und<br />

anderen Endprodukten und vertrieben die Ware im Rahmen der saisonalen Migration auf den<br />

verschiedenen nationalen und europäischen Märkten.<br />

Organisiert und finanziert wurde das Ganze in zunehmendem Masse von einigen Patrizierfamilien, die<br />

darauf ihren Reichtum und ihren politischen und kulturellen Einfluss aufbauten. Davon zeugen einerseits<br />

die herrschaftlichen Häuser, die im 17. und 18. Jahrhundert in verschiedenen Dörfern erbaut wurden,<br />

andererseits die wertvollen Sakralgeräte und Gemälde einzelner Kirchen. Die intensiven<br />

Handelsbeziehungen, - die <strong>Onsernone</strong>si waren auf vielen Märkten im Piemont, in der Lombardei, in<br />

Flandern, in Frankreich und in der französischen Schweiz mit ihren Strohprodukten präsent, - führten zu<br />

einem regen Kulturaustausch.<br />

Die kleinen Leute konnten sich auf dieser Basis ihre Existenz sichern, gerieten aber auch oftmals in<br />

auswegslose Abhängigkeit von den „Strohbarone“. So waren die Marktfahrer oftmals gezwungen, ihre<br />

Ware den Strohherren auf mit Hypotheken abgesicherten Krediten abzukaufen – was in vielen Fällen zu<br />

übermässigen Verschuldungen und einer Zersplitterung des Eigentums an Häusern, Grund und Boden<br />

führte.<br />

Vor allem im 19. Jahrhundert resultierten daraus unterschiedlichste soziale und politische Spannungen,<br />

Konflikte zwischen einflussreichen Familien, sozialen Gruppierungen und Schichten, die nicht selten auch<br />

gewaltsam ausgetragen wurden.<br />

Der Niedergang der Strohindustrie gegen Ende des 19. Jahrhunderts war für das <strong>Onsernone</strong> von<br />

einschneidender Bedeutung, der Anfang eines grundlegenden sozioökonomischen und soziokulturellen<br />

Transformationsprozesses, der durch die Industrialisierung eine weitere Beschleunigung erfuhr und dessen<br />

Ende noch nicht absehbar ist. Neues ermutigendes Element in diesem Prozess ist seit dem Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts die Immigration von Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund, die im <strong>Onsernone</strong> ihren<br />

periodischen oder permanenten Zufluchtsort gefunden haben, angezogen von einem Tal, das abseits von<br />

urbanen Zentren seine Stille und Ruhe, den ganz besonderen Zauber von Natur und Kultur zu bewahren<br />

vermochte.<br />

© Museo <strong>Onsernone</strong>se, 2011 10

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