Raum 2 Das Onsernone
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<strong>Raum</strong> 3<br />
<strong>Das</strong> <strong>Onsernone</strong> und seine Grenzen<br />
(La questione dei confini con l’Italia: nel 1807 l’<strong>Onsernone</strong> perde definitivamente la Valle dei Bagni di<br />
Craveggia)<br />
Die <strong>Onsernone</strong>si sicherten ihre Existenz während Jahrhunderten vor allem gestützt auf<br />
ihre Strohmanifaktur, - der agropastoralen Subsistenzwirtschaft kam untergeordnete<br />
Bedeutung zu. Zu diesem Zweck nutzten die Talleute das Siedlungs- und Kulturland an<br />
den Talflanken (inklusive den sogenannten Monti), die Nutzungs- und Eigentumsrechte<br />
an ihren Alpen überliessen sie weitgehend den Nachbarn. Dies führte immer wieder zu<br />
Konflikten, die sich bisweilen zu Grenzstreitigkeiten ausweiteten. Beispiel dafür sind die<br />
Alpen des Valle dei Bagni di Craveggia (wo der <strong>Onsernone</strong> bzw. der Isorno entspringt),<br />
ein Tal, das die <strong>Onsernone</strong>si anfangs des 19. Jahrhunderts an Italien verloren.<br />
Natürliche und politische Grenzen waren und sind zu jeder Zeit und überall immer wieder Gegenstand von<br />
Auseinandersetzungen und Konflikten - auch im <strong>Onsernone</strong>tal.<br />
Historisch sind im <strong>Onsernone</strong> zwei Formen des Eigentums beziehungsweise der Nutzung von Grund und<br />
Boden zu unterscheiden: <strong>Das</strong> Siedlungs- und Kulturland an den Talflanken und -terrassen, wo sich die<br />
Dörfer und Maiensässe befanden und befinden, war im Besitz der <strong>Onsernone</strong>si und wurde von diesen<br />
einerseits genutzt für die Produktion der Güter des Alltagsbedarfs (Wein- und Obstkulturen,<br />
Kastanienhaine, Heuwiesen etc.) anderseits zur Anpflanzung von Roggen als Rohprodukt für die<br />
Strohmanufaktur. Die Alpen, die in den Sommermonaten bestossen wurden, waren grösstenteils im Besitz<br />
(mit Nutzungsrechten oder zu Eigentum) fremder Talgemeinschaften, z.B. Centovalli oder Craveggia, oder<br />
gehörten einzelnen vermögenden Familien, wie den Notablen Orelli von Locarno.<br />
Diese Eigentums- und Nutzungsverhältnisse mögen auf den ersten Augenblick erstaunen, sind aber<br />
erklärbar vor dem Hintergrund der ökonomischen Realitäten, die das <strong>Onsernone</strong> bis Ende des 19.<br />
Jahrhunderts geprägt haben: Die <strong>Onsernone</strong>si lebten von der Strohmanufaktur und konzentrierten ihre<br />
Kräfte, nebst der agropastoralen Subsistenzwirtschaft, auf die Produktion und den Vertrieb von Strohwaren<br />
(z.B. Hüte) im Rahmen der saisonalen Migration. Die Nutzungs- und häufig auch Eigentumsrechte der<br />
Alpen überliessen sie Fremden.<br />
Aus dieser Konstellation erwuchsen mannigfaltige Konflikte um Alprechte auf dem Gebiet des<br />
<strong>Onsernone</strong>tals, die sich bis zu Grenzstreitigkeiten ausweiten konnten.<br />
Historisch jüngstes Beispiel ist das Valle dei Bagni di Craveggia, wo der <strong>Onsernone</strong> beziehungsweise der<br />
Isorno entspringt, topographisch und bis 1807 auch politisch Teil des Valle <strong>Onsernone</strong>. Die zahlreichen<br />
Alpen dieses Tales wurden seit Jahrhunderten von den Bewohnern des Val Vigezzo bestossen und von<br />
den <strong>Onsernone</strong>si solange wenig beachtet, als sie nicht durch faktische und vermeintliche Übergriffe der<br />
Nachbarn dazu gezwungen wurden. Ende des 19. Jahrhunderts eskalierte wieder einmal ein derartiger<br />
Nachbarschaftskonflikt mit den Leuten von Craveggia und artete zu einem veritablen Grenzkonflikt aus, der<br />
im Rahmen der napoleonischen „Bereinigung der europäischen Landkarte“ zu Ungunsten der Schweiz<br />
beigelegt wurde. Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen der (napoleonischen) Schweiz und dem<br />
napoleonischen Königreich von Italien wurde am 15. Juli 1807 beim Oratorio dei Bagni di Craveggia eine<br />
Schlussvereinbarung unterzeichnet, bekannt als Convenzione d’Acqua calda, die den definitiven Verzicht<br />
auf das Valle dei Bagni bedeutete.<br />
Hinweise zu Exponaten<br />
1 Gebiet in den Valle dei Bagni di Craveggia (grün), das 1807 an Italien abgetreten werden musste<br />
2 Dokument des Kleinen Rats des Kantons Tessin (heute Regierungsrat), datiert Juli 1805, betreffend die<br />
Grenzstreitigkeiten mit Italien<br />
3 Fremde im Tal. Rechtsfälle und Massnahmen gegen Fremde, deren Anwesenheit auf und deren Zutritt zu<br />
schweizerischem Territorium:<br />
� Dokument zu einem Rechtsstreit in Russo 1754, betroffen ist eine in Russo ansässige Familie aus<br />
Craveggia.<br />
� Weisung des Regenten der „Magnifica Comunità di Locarno“, der alle „Schmarotzer” aus dem<br />
Hoheitsgebiet verbannt. Diese Anordnung wurde an der Versammlung der „Vicinanza delle Quattro Terre<br />
(Comologno) am 13. März 1785 verlesen.<br />
© Museo <strong>Onsernone</strong>se, 2011 6