Raum 2 Das Onsernone
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Leben und Werk des Stukkateurs und Bildhauers Ermenegildo Degiorgi Peverada und des Malers Carlo<br />
Agostino Meletta sind exemplarisch für Gemeinsamkeiten und Unterschiede <strong>Onsernone</strong>ser Künstler des<br />
19. Jahrhunderts:<br />
Über das Lebens von Carlo Agostino Meletta (Loco 1800 – Bormio 1875) wissen wir wenig. Als Maler war<br />
er Autodidakt. Tätig war er sowohl als Porträtist als auch als „Baumaler“ in privatem oder kirchlichem<br />
Auftrag, wo er sämtliche Arbeiten ausführte, von der einfachen Flachmalerei bis zu anspruchsvollen<br />
dekorativen und figurativen künstlerischen Ausgestaltungen und Darstellungen.<br />
Aktiv war er einerseits in Loco, wo er sich vor allem in den Wintermonaten aufhielt und die Leute des<br />
<strong>Onsernone</strong> und des Pedemonte porträtierte. In der wärmeren Jahreszeit lebte er in Norditalien, vor allem in<br />
der Valtellina, wo er Kirchen und Paläste dekorativ gestaltete. Von seiner intensiven Aktivität als<br />
Porträtmaler zeugen noch heute zahlreiche seiner Arbeiten, die innerhalb und ausserhalb des Tales in<br />
Museen und bei Privaten zu finden sind. Spuren seines Wirkens in Norditalien, hier meist als Teil einer<br />
Handwerker- und Künstlergruppe, sind nur noch in Mondadizza erhalten.<br />
Zeugnisse seiner dekorativen Wandmalerei finden sich auch in Loco, zum Beispiel das Zifferblatt des<br />
Campanile und höchstwahrscheinlich Malereien in der Kapelle Moretti am Saumpfad, der zum Passo della<br />
Garina führt. Meletta erhielt auch bedeutende Aufträge für religiöse Darstellungen: eines dieser Werke<br />
findet sich in der Pfarrkirche von Loco, zwei andere in der Kirche von Gordevio. Von seiner Hand sind auch<br />
sehr schöne Exvoto.<br />
Meletta war zudem einige Jahre Zeichenlehrer in der Schule von Loco (belegt ist dies für die Zeit von 1863<br />
bis 1870). Zu seinen Schülern gehörte auch sein Sohn Giovanni Samuele, der als Maler in die Fussstapfen<br />
seines Vaters trat, ohne aber dessen künstlerisches Niveau zu erreichen.<br />
Carlo Agostino Meletta blieb bis ins hohe Alter aktiv, er starb als 75jähriger bei einem Sturz vom Gerüst in<br />
der Kirche San Nicolao in Bormio.<br />
Der Stukkateur und Bildhauer Ermenegildo Degiorgi Peverada (Loco 1866 – 1900) wurde in Loco<br />
geboren und wuchs in Turin auf, wohin seine Mutter als junge Witwe emigriert war und wo sie den<br />
<strong>Onsernone</strong>ser Stukkateur Pacifico Peverada heiratete. In der piemontesischen Hauptstadt, damals ein<br />
bedeutendes urbanes Zentrum, besuchte Gildo (wie er genannt wurde) die Accademia Albertina, die ihn<br />
bereits mit 16 Jahren für seine künstlerische Begabung und Leistung auszeichnete. Eine Bildungsreise<br />
nach Florenz, Rom und Neapel machte ihn mit dem Verismus vertraut und vermittelte ihm die Sensibilität<br />
für die Menschen und ihr alltägliches Leben, die viele seiner Arbeiten charakterisiert. Zurück in Turin<br />
arbeitete er einige Jahre in der Werkstatt seines Stiefvaters Pacifico Peverada und sammelte vielfältige<br />
Erfahrungen bei Turiner Bauvorhaben. Zusammen mit seiner Frau zog er dann nach Bern, um dort eine<br />
Filiale des väterlichen Betriebs zu eröffnen. Die Bundeshauptstadt erlebte zu dieser Zeit einen grossen<br />
Aufschwung, dies auch dank des bedeutendsten helvetischen Bauvorhabens des 19. Jahrhunderts: dem<br />
Bundeshaus, an dem Degiorgi Peverada nebst anderen Tessinern mitwirkte. Die Mühsal des Alltagslebens<br />
in Bern belastete ihn und liess wenig Spielraum für freies künstlerisches Schaffen. Dazu kam gegen Ende<br />
des 19. Jahrhunderts seine Tuberkulose-Erkrankung, die schon bald zu seinem frühen Tod mit nur 33<br />
Jahren führte.<br />
Ermenegildo Degiorgi Peverada blieb dem <strong>Onsernone</strong> sein Leben lang eng verbunden: als Kind kam er<br />
zusammen mit seinem Stiefvater regelmässig ins Tal, als Erwachsener flüchtete er bei jeder sich bietenden<br />
Gelegenheit in seine Heimat, wohin in den letzten Jahren seines Berner Lebens auch seine Familie zog.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Onsernone</strong> war ihm Ort der Inspiration, fernab dem städtischen Leben. Während seiner Aufenthalte<br />
notierte und skizzierte er Motive, denen er dann - zurück im Alltag - orientiert am sozialen Realismus ihre<br />
beeindruckende und berührende Gestalt verlieh.<br />
Häufiges Motiv seiner Arbeit sind Frauen, Frauenfiguren interpretiert und dargestellt in ihrer<br />
Unterschiedlichkeit und Vielschichtigkeit: Sinnlichkeit und Behinderung, Gebet und Arbeit, Macht und<br />
Leichtfertigkeit. Frauen waren das bevorzugte Motiv seiner Studien und Arbeiten im und über das<br />
<strong>Onsernone</strong>: fasziniert von ihrem Mut und ihrer Kraft stellte er ihren harten Alltag dar, oftmals schuf er einen<br />
Kontrast zu den für ihn so ganz anderen Turiner Frauen.<br />
© Museo <strong>Onsernone</strong>se, 2011 16