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Asyl in Rheinland- Pfalz - Pfarramt für Ausländerarbeit

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<strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong><br />

20 Jahre Arbeitskreis-<strong>Asyl</strong> Neustadt<br />

Dr. Wiegräbe, Innenm<strong>in</strong>ister Karl Peter Bruch<br />

Infodienst des Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Mai 2005, Nr.61


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

MONAT JAHR<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Postfach 28 51<br />

55516 Bad Kreuznach<br />

Tel: 0671 / 8459152<br />

Fax: 0671 / 8459154<br />

E-Mail: <strong>in</strong>fo@asyl-rlp.org<br />

Internet: www.asyl-rlp.org<br />

Anschrift:<br />

Kurhausstraße 8<br />

55543 Bad Kreuznach<br />

„<strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>“ wird als Projekt<br />

vom Europäischen Flüchtl<strong>in</strong>gsfonds (EFF)<br />

f<strong>in</strong>anziell gefördert.<br />

Der Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> wird<br />

f<strong>in</strong>anziell gefördert von der Landesbeauftragten<br />

für Ausländerfragen bei der Staatskanzlei<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, Frau Maria Weber<br />

und der bundesweiten Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

PRO ASYL.<br />

Koord<strong>in</strong>ierungsgruppe<br />

Malteser Hilfsdienst Ma<strong>in</strong>z<br />

Behrouz Asadi<br />

Dagobertstraße 1c<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

Tel. 06131 / 226042<br />

Mobil: 0171 / 2279232<br />

Fax: 06131 / 230413<br />

E-Mail: fbma<strong>in</strong>z@aol.com<br />

Humanitäre Hilfe für <strong>Asyl</strong>bewerber Ingelheim<br />

Ingrid Meyer und Kar<strong>in</strong> Mehandru<br />

Im Schneckenbangert 19<br />

55263 Wackenheim<br />

Tel. 06132 / 440360<br />

Fax: 06132 / 440360<br />

E-Mail: humanitaere.hilfe@gmx.de<br />

Zentrum für selbstbestimmtes<br />

Leben Beh<strong>in</strong>derter<br />

Ismael Sackan<br />

Rhe<strong>in</strong>str. 43-45<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

Tel. 06131 / 14674535<br />

E-Mail: i.sackan@zsl-ma<strong>in</strong>z.de<br />

Diakonisches Werk <strong>Pfalz</strong><br />

Manfred Asel<br />

Karmeliterstraße 20<br />

67346 Speyer<br />

Tel. 06232 / 664262<br />

Fax: 06232 / 6642422<br />

E-Mail: manfred.asel@diakonie-pfalz.de<br />

<strong>Pfarramt</strong> für Ausländerarbeit<br />

Siegfried Pick<br />

Postfach 2851<br />

55543 Bad Kreuznach<br />

Tel. 0671 / 8459152<br />

Fax. 0671 / 8459154<br />

E-Mail: s.pick@asyl-rlp.org<br />

Ev. Dekanat Ma<strong>in</strong>z,<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gs- und Migrationshilfe<br />

Gisela Apitzsch<br />

Kaiserstrasse 37<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

Tel : 06131/9600426<br />

Mail: apitzsch.g@web.de<br />

Ma<strong>in</strong>zer Flüchtl<strong>in</strong>gsrat<br />

Bernd Drücke<br />

E-Mail: spunkt@gmx.de<br />

- 2 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Inhalt<br />

Wichtigstes <strong>in</strong> Kürze 4<br />

AK-<strong>Asyl</strong> RLP<br />

Abschiebestopp und Bleiberecht (Togo, Kosovo, Afghanistan) 5<br />

Infos aus der Rede des RLP Innenm<strong>in</strong>isters Bruch auf der Feier „20 Jahre AK-<strong>Asyl</strong> Neustadt 7<br />

Dr. W<strong>in</strong>fried Wiegräbe – Rede zur Feier „20 Jahre AK-<strong>Asyl</strong> Neustadt“ 8<br />

Rückblickauf das Plenum vom 15.4.05<br />

3 Artikel von Abdel Mottaleb El Husse<strong>in</strong>i:<br />

- Neue Töne aus Damaskus 11<br />

- Nach dem Kampf mit den Waffen 12<br />

- Überraschung im Libanon 14<br />

Kerst<strong>in</strong> Müller (Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> im AA) an den Berl<strong>in</strong>er Abgeordneten Herrn Volker Ratzmann 15<br />

Arabische Länder wollen nicht zwangsdemokratisiert werden (Frankfurter Rundschau, 20.4.2005) 16<br />

Neue Härtefallkommission <strong>in</strong> RLP (Bericht aus der Rhe<strong>in</strong>-<strong>Pfalz</strong>, 13.4.05) 17<br />

Theorie und Praxis des § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG (R. Wendl) 18<br />

Migration und Beh<strong>in</strong>derung - Ismael Sackan berichtet vom Projekt 20<br />

Erlasse und Beschlüsse<br />

Rückführungen von Kosovo-Albanern und Angehörigen ethnischer M<strong>in</strong>derheiten <strong>in</strong> das Kosovo 21<br />

Aufenthaltserlaubnisse für Angehörige ethnischer M<strong>in</strong>derheiten aus dem Kosovo (§ 25 Abs. 5 AufenthG) 24<br />

Aufenthaltsrechtlicher Status von jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion 25<br />

Landtag RLP - Kle<strong>in</strong>e Anfrage 27<br />

IM NRW- Mitwirkung von Ärzt<strong>in</strong>nen und Ärzten bei Rückführungsmaßnahmen 33<br />

BMI - Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes 36<br />

Zuwanderungsgesetz<br />

Kettenduldung - Neue Härten für Ausländer (Frankfurter Rundschau, 30.4.05 / Vera Gaserow) 37<br />

Rechtsanwalt R. M. Hofmann - Merkblatt für <strong>Asyl</strong>berechtigte und Konventionsflüchtl<strong>in</strong>ge 39<br />

Länder und Herkunftsländer<br />

Verwaltungsgericht Stuttgart – Abschiebungsverbot 41<br />

Streit über Abschiebung - Druck auf Afghanen <strong>in</strong> Hamburg (Frankfurter Rundschau, 3.5.2005) 44<br />

Pro <strong>Asyl</strong><br />

Presseerklärung von PRO ASYL 19.3.2005 - Internationaler Antirassismustag 45<br />

Rückkehrberatung für Flüchtl<strong>in</strong>ge 46<br />

Sonstiges<br />

BAG „<strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> der Kirche" e. V. 47<br />

- 3 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Wichtiges <strong>in</strong> Kürze<br />

Härtefallkommission nimmt Arbeit auf<br />

Am 17.6.05 f<strong>in</strong>det die konstituierende Sitzung der Härtefall-Kommission statt. Dabei sollen nach unseren Informationen<br />

vom Innenm<strong>in</strong>isterium Kriterien für Härtefälle vorgestellt werden.<br />

Beim Plenum am 10.Juni <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z wollen wir mite<strong>in</strong>ander über das Thema arbeiten und uns mit Mitgliedern<br />

der Kommission über das Vorgehen von Gruppen und Flüchtl<strong>in</strong>gen austauschen.<br />

M<strong>in</strong>derheiten aus dem Kosovo: Erste Ashkali-Famlie aus Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> abgeschoben<br />

Mit Datum 11. Mai 2005 hat das Innenm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rundschreiben „Rückführungen von Kosovo-<br />

Albanern und Angehörigen ethnischer M<strong>in</strong>derheiten“ geregelt: Noch im Mai sollen bundesweit bis zu 100 weitere<br />

Ashkali und Ägypter u.a. kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheiten-Gruppen abgeschoben werden. Nach den Vere<strong>in</strong>barungen<br />

mit der UNMIK sollten bundesweit im Juni bis zu 300, ab Juli dann 500 Personen, davon also bis 25 zu Personen<br />

aus Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> abgeschoben werden.<br />

H<strong>in</strong>tergrund ist die „Abgestimmte Niederschrift über Gespräche zur Rückführung von M<strong>in</strong>derheiten <strong>in</strong> das Kosovo<br />

am 25. und 26. April <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>“ (Anlage zum Erlass, siehe unten). Roma und Serben sollen weiter geduldet<br />

werden, allerd<strong>in</strong>gs sollen Juli bis September <strong>in</strong>sgesamt 70 Roma zur Abschiebung anstehen, danach soll auch<br />

die Zahl der abgeschobenen Roma steigen.<br />

Am Donnerstag, 19.5.05 wurden von Düsseldorf aus 37 Personen nach Prist<strong>in</strong>a abgeschoben, darunter 5 Ashkali,<br />

e<strong>in</strong>e vierköpfige Familie aus Ludwigshafen und e<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong>stehende Frau aus NRW. Die Familie aus Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

war aufgrund e<strong>in</strong>er früheren Vere<strong>in</strong>barung für die Rückübernahme vorgesehen und fällt unter die<br />

früheren Rückübernahme-Regelungen.<br />

Unsere E<strong>in</strong>schätzung: Durch diese Abschiebungen soll der Ausreisedruck erhöht werden. Bleiberechtsregelungen<br />

werden damit <strong>in</strong> vielen Fällen unmöglich. Bei Plenum am 10. Juni werden wir beraten, wie wir reagieren<br />

können.<br />

Zahlen (Stand 31. 12. 04):<br />

Ausreisepflichtige <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>: Kosovo-Albaner 1184, Serben 72, Roma1741, Ashkali 737, Ägypter 97,<br />

Gorani/Torbesh 16, Bosniaken 54, Türken 2, Sonstige 67 (M<strong>in</strong>derheiten <strong>in</strong>sgesamt: 2786)<br />

Bleiberecht für Flüchtl<strong>in</strong>ge mit langjährigem Aufenthalt<br />

Das Thema ist vom (kle<strong>in</strong>er gewordenen) Kreis der SPD-regierten Länder („A-Länder“) auf die Tagesordnung<br />

der IMK 24./25.6. <strong>in</strong> Stuttgart gesetzt. Die politische Lage nach den Wahlergebnissen <strong>in</strong> NRW ist für e<strong>in</strong>e baldige<br />

Lösung nicht günstiger geworden. Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> will vor allem e<strong>in</strong>e Lösung für „Balkanflüchtl<strong>in</strong>ge“, so<br />

Innenm<strong>in</strong>ister Bruch.<br />

Term<strong>in</strong>e:<br />

Freitag, 10.6.05:<br />

Samstag, 16.7.05, ab 13 Uhr:<br />

Freitag, 01.07.05, ab 17 Uhr<br />

Plenum des AK <strong>Asyl</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z,<br />

Caritas für die Diözese Ma<strong>in</strong>z, Holzhofstr. 8<br />

Demo gegen Abschiebehaft, Ingelheim<br />

veranstalten das DW und die Humanitäre Hilfe Ingelheim e<strong>in</strong> Solifest<br />

zur Unterstützung der Gefangenen und zur Information mit e<strong>in</strong>er Ausstellung<br />

von Bildern aus dem Knast und Infos von Leuten die dr<strong>in</strong>nen<br />

für die Gefangenen arbeiten.<br />

im i-punkt Ingelheim , h<strong>in</strong>ter der Ohrenbrücke 37. live band ,<br />

cocktails und politics<br />

- 4 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

AK-<strong>Asyl</strong><br />

Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> – Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

AK <strong>Asyl</strong> RLP ♦ Postfach 2851 ♦ 55516 Bad Kreuznach<br />

M<strong>in</strong>isterium des Innern und für Sport<br />

Herrn Staatsm<strong>in</strong>ister Karl Peter Bruch<br />

Schillerplatz 3-5<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

Postfach 2851<br />

55516 Bad Kreuznach<br />

Tel: 0671/ 8459153<br />

Fax: 0671-8459154<br />

E-mail: <strong>in</strong>fo@asyl-rlp.org<br />

Homepage: www.asyl-rlp.org<br />

9. 5. 2005<br />

Abschiebestopps und Bleiberecht<br />

Sehr geehrter Herr M<strong>in</strong>ister Bruch,<br />

wir wenden uns heute an Sie, weil wir uns um die Sicherheit e<strong>in</strong>iger von Abschiebung bedrohter Flüchtl<strong>in</strong>gsgruppen<br />

sorgen.<br />

Togo<br />

Die aktuelle Entwicklung <strong>in</strong> Togo nach der faktischen Machtübernahme von Eyadema Junior ist geprägt von<br />

massiver Repression und Verfolgung von Regimegegnern, es soll <strong>in</strong> den letzten Wochen bis zu 100 Tote und<br />

zahlreiche Verletzte gegeben haben. Mehr als 10.000 Togoer s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Nachbarländer geflohen.<br />

Wir halten e<strong>in</strong>en sechsmonatigen Abschiebungsstopp für Togo für dr<strong>in</strong>gend geboten. Es muss sichergestellt<br />

se<strong>in</strong>, dass jetzt ke<strong>in</strong>e abgelehnten Flüchtl<strong>in</strong>ge abgeschoben werden. Sollten derzeit Togoer <strong>in</strong> Abschiebehaft<br />

e<strong>in</strong>sitzen, müssen sie freigelassen werden. Wir bitten Sie, dass sich Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> der Initiative des Bundeslandes<br />

Kiel für e<strong>in</strong>en bundesweiten Abschiebestopp anschließt.<br />

M<strong>in</strong>derheiten aus dem Kosovo<br />

Die Lage im Kosovo hat sich für alle M<strong>in</strong>derheitengruppen seit den blutigen Unruhen im März 2004 nicht<br />

grundlegend geändert. Die schweren Sicherheitsvorfälle haben zu e<strong>in</strong>er Eskalation ethnisch motivierter Gewalt<br />

im gesamten Kosovo geführt und die Region an den Rand e<strong>in</strong>es bewaffneten Konflikts geführt. Es gab 20 Tote,<br />

mehr als 1000 Verletzte, Zerstörung von Eigentum und Vertreibung von mehr als 4000 Kosovo-Serben, Ashkali,<br />

Roma und Angehöriger anderer M<strong>in</strong>derheiten. Weder KFOR und UNMIK konnten die M<strong>in</strong>derheiten-<br />

Angehörigen schützen.<br />

Die beim Treffen von UNMIK-Vertretern mit e<strong>in</strong>er Delegation von BMI und Ländervertretern <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> am 25.<br />

und 26. April 05 getroffenen Vere<strong>in</strong>barungen zur Abschiebung von Kont<strong>in</strong>genten von M<strong>in</strong>derheiten, beg<strong>in</strong>nend<br />

im Mai 2005, halten wir für e<strong>in</strong>en krassen Verstoß gegen die Menschenrechte der M<strong>in</strong>derheiten-<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsgruppen: E<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong> Sicherheit und mit e<strong>in</strong>er langfristigen Lebensperspektive ist derzeit und<br />

auch <strong>in</strong> der nächsten Zukunft nicht gegeben. E<strong>in</strong> Leben im von der KFOR bewachten Ghetto oder im Lager ist<br />

ke<strong>in</strong>e Lösung. E<strong>in</strong>e an humanitären Kriterien ausgerichtete Flüchtl<strong>in</strong>gspolitik müsste als Grundlage für die<br />

Rückkehr der M<strong>in</strong>derheitenangehörigen e<strong>in</strong> funktionierendes friedliches Zusammenleben aller ethnischen<br />

Gruppen im Kosovo voraussetzen. Alles andere ist unverantwortlich. Dass die UNMIK trotz anderer Lagebeurteilung<br />

durch den UHNCR auf den Abschiebungsdruck aus Deutschland, besonders aus dem Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isterium<br />

e<strong>in</strong>schwenkt, ist e<strong>in</strong> Armutszeugnis für die europäische Kosovo-Politik.<br />

Wir wissen, dass Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> e<strong>in</strong>e andere Haltung zur Frage der Rückkehr der M<strong>in</strong>derheiten-angehörigen<br />

e<strong>in</strong>nimmt.<br />

- 5 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Wir bitten Sie e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich, dass Sie sich im Kreise der Innenm<strong>in</strong>ister gegen die unverantwortliche Abschiebepolitik<br />

Position beziehen. Aus Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> darf ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Angehöriger der M<strong>in</strong>derheiten abgeschoben<br />

werden!<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge aus Afghanistan<br />

Nicht nachvollziehen können wir auch, dass Hamburg auf die « Rückführung » von abgelehnten Flüchtl<strong>in</strong>gen<br />

aus Afghanistan drängt. Die Zahl der Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Hamburg darf ke<strong>in</strong> Maßstab für e<strong>in</strong>e politische Entscheidung<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Wir verweisen auf die Lagebeurteilung von Rechtsanwalt Viktor Pfaff, Mitglied von Pro <strong>Asyl</strong> :<br />

„Es gibt <strong>in</strong> Afghanistan ke<strong>in</strong>e Stimme von Seiten der Regierung oder der Nichtregierungsorganisationen, die<br />

Abschiebungen zum jetzigen Zeitpunkt für vertretbar hält. Auch <strong>in</strong> der Hauptstadt ist weder e<strong>in</strong>e Unterbr<strong>in</strong>gung<br />

von Rückkehrern möglich, die ke<strong>in</strong> Obdach haben, noch besteht e<strong>in</strong>e ausreichende mediz<strong>in</strong>ische Grundversorgung<br />

<strong>in</strong> den Lagern, <strong>in</strong> denen sich schon jetzt Rückkehrer aus Iran und Pakistan sowie B<strong>in</strong>nenvertriebene aufhalten.<br />

Die Sicherheitslage hat sich <strong>in</strong> den letzten Wochen und Monaten kont<strong>in</strong>uierlich verschlechtert. Dies betrifft<br />

nicht nur das gestiegene Anschlagsrisiko, sondern auch die Gefahr, Opfer organisierter Krim<strong>in</strong>alität zu<br />

werden. E<strong>in</strong> Vertreter der ISAF hat darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass es e<strong>in</strong>e sehr hohe Zahl von K<strong>in</strong>desentführungen <strong>in</strong><br />

Afghanistan gibt. Mehr als 100 Fälle s<strong>in</strong>d dokumentiert. Es besteht der Verdacht, dass diese Entführungen <strong>in</strong><br />

vielen Fällen stattf<strong>in</strong>den, um den Opfern Organe für Transplantationen zu entnehmen.<br />

E<strong>in</strong> weiteres, bislang völlig ungelöstes Problem besteht dar<strong>in</strong>, dass im gesamten Bereich von Justiz, Polizei und<br />

Krankenversorgung nichts ohne die Zahlung hoher Bestechungssummen erreicht werden kann.“ (zitiert aus der<br />

Presseerklärung von Pro <strong>Asyl</strong> vom 20. 4. 05).<br />

Wir bitten Sie e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich darum, dass Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> weiterh<strong>in</strong> gefährdete Flüchtl<strong>in</strong>gsgruppen vor Abschiebung<br />

schützt. Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> muss auch bundesweit der derzeit grassierenden Politik der Abschiebungen um<br />

jeden Preis E<strong>in</strong>halt gebieten. Wir regen an, dass statt der unverantwortlichen Rückführungs-Pläne Bleiberechtsregelungen<br />

auf die Tagesordnung der Innenm<strong>in</strong>isterkonferenz im Juni gesetzt werden.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Ihr<br />

S. Pick<br />

im Auftrag der Koord<strong>in</strong>ierungsgruppe<br />

des Arbeitskreises <strong>Asyl</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

- 6 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> – Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Postfach 2851<br />

55516 Bad Kreuznach<br />

Tel: 0671-8459153<br />

Fax: 0671-8459154<br />

E-mail: <strong>in</strong>fo@asyl-rlp.org<br />

Homepage: www.asyl-rlp.org<br />

12. 5.05<br />

Innenm<strong>in</strong>ister Bruch hält se<strong>in</strong>e „Antrittsrede“ zur <strong>Asyl</strong>politik <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> vor Flüchtl<strong>in</strong>gs<strong>in</strong>itiativen<br />

<strong>in</strong> Neustadt<br />

Bei der Festveranstaltung des Arbeitskreises Humanitäre Hilfe für <strong>Asyl</strong>bewerber e.V. Neustadt zum Thema 20<br />

Jahre Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> Neustadt a.d. We<strong>in</strong>straße – E<strong>in</strong> Grund zum Feiern hielt Staatsm<strong>in</strong>ister Karl Peter Bruch<br />

die Festrede.<br />

Hier e<strong>in</strong>ige Punkte aus se<strong>in</strong>em Vortrag:<br />

Innenm<strong>in</strong>ister Bruch betonte, dass der erste Anstoß zu e<strong>in</strong>er Reform des Zuwanderungsgesetzes durch die Bundesrats<strong>in</strong>itiative<br />

von Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> im Jahr 1998 gegeben habe, an der er neben den M<strong>in</strong>istern Caesar und<br />

Zuber mitgearbeitet habe.<br />

Neben e<strong>in</strong>igen positiven Aspekten des neuen Rechtes (geschlechtsspezifische Verfolgung und nichtstaatliche<br />

Verfolgung als <strong>Asyl</strong>grund) fehle leider die von Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> geforderte gesetzliche Altfallregelung.<br />

Nach wie vor wolle Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> e<strong>in</strong>e bundesweite Regelung, es gäbe auch andere Bundesländer, die die<br />

Initiative unterstützen. Bei der Innenm<strong>in</strong>isterkonferenz <strong>in</strong> Stuttgart im Juni werde Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> erneut e<strong>in</strong>e<br />

Bleiberechtsregelung fordern.<br />

E<strong>in</strong> erster Schritt soll e<strong>in</strong>e Regelung für Flüchtl<strong>in</strong>ge aus dem Kosovo (beziehungsweise Rest-Jugoslawien Herr<br />

Bruch sprach von Balkanflüchtl<strong>in</strong>gen) se<strong>in</strong>. Es g<strong>in</strong>ge nicht an, diese Flüchtl<strong>in</strong>ge weiter <strong>in</strong> der Unsicherheit zu<br />

lassen.<br />

Der rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Erlass vom 17. 12. 04 habe es möglich gemacht, dass die Ausländerbehörden ihr Ermessen<br />

ausüben, und dass sei auch <strong>in</strong> vielen E<strong>in</strong>zelfällen geschehen.<br />

Die Härtefallkommission werde am 17. Juni erstmals zusammentreten. Er sei sich bewusst, dass die Regelung<br />

für die HFK nicht überall auf Zustimmung gestoßen sei, was die Zusammensetzung und die 2/3-Mehrheit der<br />

Entscheidungen angehe.<br />

Die Härtefall-Regelung sei e<strong>in</strong> Gnadenrecht, und man brauche als Grundlage für die Erteilung e<strong>in</strong>er Aufenthaltserlaubnis<br />

durch den M<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong> breites Votum der Kommission, das dann aber auch den M<strong>in</strong>ister b<strong>in</strong>den<br />

solle. Es gehe bei der Mehrheitsregelung um die Akzeptanz der Entscheidung.<br />

Im Zuwanderungsgesetz werde die Integration neu geregelt. Herr Bruch hält es für notwendig, dass <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

zwischen den verschiedenen an Integrationsaufgaben beteiligten M<strong>in</strong>isterien die Zuständigkeiten neu<br />

geregelt werden.<br />

Staatsm<strong>in</strong>ister Bruch würdigte das E<strong>in</strong>treten für Flüchtl<strong>in</strong>ge als wichtigen Beitrag für den Frieden <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de.<br />

Er dankte dem Neustadter Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> für se<strong>in</strong>e jahrlange ehrenamtliche Arbeit und schloss mit<br />

e<strong>in</strong>em Zitat von Friedrich Schiller„Wer nicht für andere tut, tut nichts für sich.“<br />

S. Pick<br />

- 7 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Rede zur Jubiläumsveranstaltung<br />

„20 Jahre AK-<strong>Asyl</strong> – Neustadt“, 11. Mai 2005<br />

Von Dr. W<strong>in</strong>fried Wiegräbe<br />

Zwanzig Jahre Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> Neustadt - e<strong>in</strong><br />

Grund zum Feiern Die Überschrift zu unserer heutigen<br />

Veranstaltung endet mit e<strong>in</strong>em Fragezeichen,<br />

und das ist nicht rhetorisch geme<strong>in</strong>t. Aber wie Sie<br />

sich denken können, lässt sich die selbst gestellte<br />

Frage sowohl mit Ne<strong>in</strong> – ke<strong>in</strong> Grund zum Feiern –<br />

als auch mit Ja beantworten, und damit ist auch<br />

schon der Rahmen abgesteckt, <strong>in</strong> dem ich mich mit<br />

me<strong>in</strong>en Ausführungen bewegen will.<br />

Weltweites Flüchtl<strong>in</strong>gselend<br />

Natürlich können wir nicht feiern, dass Menschen<br />

aus aller Welt gezwungen waren und s<strong>in</strong>d, vor<br />

Krieg, Verfolgung oder auswegloser Not ihre Heimat<br />

zu verlassen. UNHCR, die Flüchtl<strong>in</strong>gsorganisation<br />

der Vere<strong>in</strong>ten Nationen, beziffert die Zahl der<br />

Menschen, die sich im Jahre 2004 weltweit auf der<br />

Flucht befanden, mit 40 Millionen – stellen Sie sich<br />

das e<strong>in</strong>mal vor, das entspricht der Hälfte der deutschen<br />

Bevölkerung! E<strong>in</strong> großer Teil dieser Völkerwanderung<br />

zieht allerd<strong>in</strong>gs im eigenen Land<br />

umher, denken Sie an die ständigen Bürgerkriege<br />

im Kongo oder Sudan.<br />

Nur e<strong>in</strong>e knappe Million von ihnen suchte <strong>in</strong> anderen<br />

Ländern um <strong>Asyl</strong> nach, betrachteten sich also<br />

m<strong>in</strong>destens selbst als Verfolgte im S<strong>in</strong>ne der Genfer<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention – was noch lange nicht bedeutet,<br />

dass sie auch als solche anerkannt werden.<br />

Bis nach Deutschland schafften es letztes Jahr dann<br />

35.600 <strong>Asyl</strong>bewerber. Für ihre Verteilung über die<br />

Bundesrepublik gibt es e<strong>in</strong>en Schlüssel, und nach<br />

dem waren es rechnerisch 24 Menschen, die am<br />

Ende hier <strong>in</strong> unserer Stadt landeten. Also ke<strong>in</strong><br />

Grund zur Panik.<br />

Die Fluchtgründe liegen <strong>in</strong> den Heimatländern<br />

Hier gilt es nun, zwei Legenden zu entkräften: Die<br />

erste: Die <strong>Asyl</strong>bewerber kommen, weil sie von den<br />

Verlockungen der reichen Länder angezogen werden.<br />

Es gab e<strong>in</strong>e historische Situation, <strong>in</strong> der diese<br />

Auffassung e<strong>in</strong>e gewisse Berechtigung hatte, das<br />

war nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs, als<br />

Hunderttausende aus den Ländern des ehemaligen<br />

Ostblocks <strong>in</strong> den Westen strömten. Natürlich handelte<br />

es sich so gut wie nie um politisch Verfolgte,<br />

sie hatten e<strong>in</strong>fach Jahre lang im Fernsehen den Goldenen<br />

Westen gezeigt bekommen und wollten nun<br />

dort ihr Glück suchen. Fast alle s<strong>in</strong>d längst wieder<br />

<strong>in</strong> ihrer Heimat, aber damals entstand das Unwort<br />

von der „<strong>Asyl</strong>antenschwemme“, das sich bis heute<br />

hartnäckig <strong>in</strong> vielen Köpfen hält.<br />

Generell gilt: Flüchtl<strong>in</strong>gsströme werden erzeugt von<br />

den Problemen <strong>in</strong> den Herkunftsländern. Es muss<br />

e<strong>in</strong>em Menschen schon sehr schlecht gehen, bis er<br />

Haus und Hof und Familie verlässt. In den achtziger<br />

Jahren waren es Boat-people aus Vietnam, Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

aus den Bürgerkriegen im Libanon und Sri<br />

Lanka, danach kamen die Menschen aus Afghanistan,<br />

aus dem Irak, es kamen Kurden aus der Türkei<br />

- aus all diesen Ländern ist der Strom heute nahezu<br />

versiegt, seit sich die Verhältnisse <strong>in</strong> den Herkunftsländern<br />

verbessert haben. Bekämpfung der Fluchtursachen<br />

ist zweifellos die bessere Methode, die<br />

Zahl der <strong>Asyl</strong>bewerber zu verr<strong>in</strong>gern, als Lager <strong>in</strong><br />

Nordafrika.<br />

Deshalb sollte die Politik endlich von der populistischen<br />

These Abschied nehmen, man müsse nur die<br />

„Anreize“ verr<strong>in</strong>gern, mit denen <strong>Asyl</strong>bewerber<br />

„angelockt“ werden, also ihnen das Leben hier recht<br />

unangenehm machen, damit sich <strong>in</strong> ihrer Heimat<br />

herumspricht: „Geht bloß nicht nach Deutschland“.<br />

Konkret also: e<strong>in</strong> Jahr völliges Arbeitsverbot, auch<br />

danach e<strong>in</strong> Bündel von Arbeitsverh<strong>in</strong>derungsmaßnahmen,<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunterkünften,<br />

Unterhaltsleistungen vorzugsweise <strong>in</strong> Naturalien<br />

oder Gutsche<strong>in</strong>en (<strong>in</strong> Neustadt hat nur die<br />

Gutsche<strong>in</strong>wirtschaft noch überlebt). All diese Schikanen<br />

werden auch <strong>in</strong> Zukunft Menschen nicht<br />

h<strong>in</strong>dern, die Festung Europa zu stürmen. Wohl aber<br />

h<strong>in</strong>dern sie die Flüchtl<strong>in</strong>ge, bei uns e<strong>in</strong> menschenwürdiges,<br />

selbstverantwortliches Leben zu führen.<br />

Und, ganz nebenbei: Wer se<strong>in</strong>en Lebensunterhalt<br />

nicht selbst verdienen darf, der lebt von Sozialhilfe,<br />

also von unseren Steuern.<br />

Auch abgelehnte <strong>Asyl</strong>bewerber leben viele Jahre<br />

bei uns<br />

Die zweite Legende: Da ja die allermeisten <strong>Asyl</strong>bewerber<br />

<strong>in</strong> Wirklichkeit gar nicht politisch verfolgt<br />

s<strong>in</strong>d, werden sie umgehend wieder ausgewiesen,<br />

also s<strong>in</strong>d Integrationsbemühungen fehl am Platz.<br />

Dazu erstens: So wenige s<strong>in</strong>d es gar nicht, die hier<br />

am Ende ihres Verfahrens Schutz erhalten. Verlässliche<br />

Zahlen darüber gibt es nicht, wir schätzen,<br />

dass 2004 etwa 15% der <strong>Asyl</strong>bewerber entweder als<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

politisch Verfolgte anerkannt wurden oder Abschiebeschutz<br />

erhielten. Und weiter: Nicht alle, die<br />

vom Bundesamt für Flüchtl<strong>in</strong>ge und den Verwaltungsgerichten<br />

abgelehnt werden, betrachten sich zu<br />

Unrecht als politisch Verfolgte. Dazu muss man die<br />

Fe<strong>in</strong>heiten unserer Rechtsprechung kennen. Verfolgen,<br />

so die jahrzehntelange Rechtsprechung, kann<br />

immer nur der Staat. So wurden von den Taliban<br />

Verfolgte aus Afghanistan mit dem Argument abgelehnt,<br />

die Taliban seien ke<strong>in</strong>e Regierung – bis das<br />

Bundesverfassungsgericht dem e<strong>in</strong>en Riegel vorschob;<br />

ganz ähnlich g<strong>in</strong>g es Algeriern, die vor den<br />

fundamentalistischen Mordbanden Sicherheit suchten.<br />

Oder verfolgte Kurden unter Saddam wurden<br />

abgelehnt mit dem Argument, sie könnten ja <strong>in</strong> dem<br />

kurdisch verwalteten Norden Zuflucht f<strong>in</strong>den – das<br />

hieß <strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gslagern unter erbärmlichsten Verhältnissen.<br />

Diese Beispiele ließen sich vermehren.<br />

Und zweitens: Es dauert schon Monate bis Jahre,<br />

bis das Bundesamt <strong>in</strong> Trier als erste Instanz über<br />

den <strong>Asyl</strong>antrag entschieden hat. Dann geht es <strong>in</strong><br />

aller Regel <strong>in</strong> die nächste Runde vor das Verwaltungsgericht<br />

hier <strong>in</strong> Neustadt, wo viele auch Erfolg<br />

haben. Wer endgültig abgelehnt wurde, ist damit<br />

noch längst nicht außer Landes. Denn er braucht<br />

Ausreisepapiere, die viele Länder ihren geflohenen<br />

Bürgern verweigern; er braucht e<strong>in</strong>e Verkehrsverb<strong>in</strong>dung,<br />

die es zur Zeit – jedenfalls unter zumutbaren<br />

Bed<strong>in</strong>gungen – weder nach Bagdad noch nach<br />

Kabul gibt. Oder es drohen ihm <strong>in</strong> der Heimat<br />

ernsthafte Gefahren für Freiheit und Leben, wie<br />

etwa ethnischen M<strong>in</strong>derheiten im Kosovo. Nicht<br />

verschwiegen sei, dass manch e<strong>in</strong>er auch große<br />

Virtuosität entfaltet, um se<strong>in</strong>e wahre Identität oder<br />

Herkunft zu verschleiern. Das können wir natürlich<br />

nicht unterstützen.<br />

Fazit: In aller Regel bleibt selbst e<strong>in</strong> abgelehnter<br />

<strong>Asyl</strong>bewerber viele Jahre hier. Und da haben wir<br />

e<strong>in</strong> klares Pr<strong>in</strong>zip: Wer hier als Flüchtl<strong>in</strong>g lebt und<br />

uns um Hilfe bittet, der bekommt sie, unabhängig<br />

davon, welchen Status er gerade hat. Richtige Ganoven,<br />

die das nicht verdienen, gibt es tatsächlich<br />

wenige, oder wir lernen sie nicht kennen. Wir s<strong>in</strong>d<br />

ke<strong>in</strong>e Illusionisten: Wir können natürlich nicht alle<br />

Elenden dieser Welt bei uns aufnehmen, aber wer<br />

es bis zu uns geschafft hat, der verdient unsere Hilfe.<br />

Zwischen diesen beiden Sätzen vollzieht sich<br />

praktische <strong>Asyl</strong>arbeit.<br />

Über die menschlichen Schicksale schweigt die<br />

Statistik<br />

Ich musste Ihnen diese Fakten erzählen, denn über<br />

kaum e<strong>in</strong> Gebiet gibt es so viele Legenden und<br />

Vorurteile, wie über <strong>Asyl</strong>bewerber <strong>in</strong> unserem<br />

Land. Aber alle Statistiken sagen e<strong>in</strong>es nicht: Was<br />

es für e<strong>in</strong>en Menschen bedeutet, se<strong>in</strong>e Heimat verlassen<br />

zu müssen und um Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

fremden Land zu bitten. Wie viel Angst, ja, Traumatisierung<br />

erleben wir da, schreckliches Heimweh,<br />

Demütigungen, Hoffnungen, die immer wieder<br />

enttäuscht werden. Was bedeutet es wohl für<br />

e<strong>in</strong>e Familie, wenn sie von der dafür zuständigen<br />

Clear<strong>in</strong>g-Stelle fünf mal <strong>in</strong> verschiedenen Botschaften<br />

vorgeführt wird, nur um immer wieder gesagt<br />

zu kriegen, dass man sie nicht wolle – aber natürlich<br />

nicht so, dass die deutschen Beamten das hören<br />

Was fühlt e<strong>in</strong> Mann, der <strong>in</strong> Tschetschenien von<br />

russischen Soldaten schwer misshandelt wurde,<br />

wenn ihm durch zwei Instanzen gesagt wird, er und<br />

se<strong>in</strong>e Familie könnten ja im weiten Russland Zuflucht<br />

f<strong>in</strong>den, im Land se<strong>in</strong>er Pe<strong>in</strong>iger Oder e<strong>in</strong>e<br />

Frau, die aus der Bürgerkriegshölle von Liberia<br />

entfliehen konnte, nur um hier zu erfahren, dass sie<br />

genau da h<strong>in</strong> zurück müsse<br />

Ne<strong>in</strong>, all diese Schicksale geben wahrlich ke<strong>in</strong>en<br />

Grund zu Feierlaune. Aber sie s<strong>in</strong>d unser Motiv, zu<br />

helfen, wo immer wir das können, und das seit über<br />

zwanzig Jahren. Vielen konnten wir praktische<br />

Hilfe geben, anderen wenigstens das Gefühl, dass<br />

wir ihre Sorgen ernst nehmen, dass sie hier nicht<br />

alle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong>iges hat sich bei uns ja auch verbessert<br />

Es ist ja vieles besser geworden <strong>in</strong> dieser Zeit. Das<br />

neue Zuwanderungsgesetz hat manche Uns<strong>in</strong>nigkeiten<br />

und Ungerechtigkeiten des alten Ausländergesetzes<br />

korrigiert und der Integration e<strong>in</strong> neues Gewicht<br />

gegeben. Unsere Behörden haben gelernt, mit<br />

den Problemen umzugehen. Der Umgangston ist<br />

deutlich höflicher geworden. Die Arbeit ganz an der<br />

Front <strong>in</strong> Sozial- oder Ausländerämtern gehört sicher<br />

nicht zu den bequemsten Arbeitsplätzen. Mangelnde<br />

Sprachkenntnisse bei den ausländischen „Kunden“,<br />

Misstrauen, falsche Informationen von Landsleuten<br />

führen immer wieder zu Eskalationen. Da<br />

s<strong>in</strong>d die zuständigem Mitarbeiter oft bestimmt nicht<br />

zu beneiden und der kommunale Arbeitgeber tut<br />

auch wenig, sie für diese spezielle Aufgabe zu qualifizieren.<br />

Wünschen würden wir uns bei den Behörden<br />

dennoch oft mehr Geduld, mehr Pragmatismus,<br />

ja Humanität bei den Entscheidungen; es gibt<br />

Ermessensspielräume, die man so oder so ausnützen<br />

kann. Darum bleiben kontroverse Diskussionen<br />

auch uns – und unseren Gesprächspartnern – nicht<br />

erspart. Wir versuchen, sie unter Ausschluss der<br />

Öffentlichkeit auszutragen, was freilich nicht immer<br />

gel<strong>in</strong>gt.<br />

Unsere Rolle und unsere Kompetenz<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Es geht hier auch um das richtige Rollenverständnis.<br />

Man spricht heute gern von NGOs, Nicht-<br />

Regierungs-Organisationen. Dar<strong>in</strong> liegt e<strong>in</strong>erseits<br />

e<strong>in</strong>e klare Abgrenzung – wir s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Behörde,<br />

dazu fehlen uns die Kompetenzen. Wir s<strong>in</strong>d aber<br />

auch nicht irgendwelche Gutmenschen oder Bittsteller,<br />

die den Behörden lästig fallen. Ehrenamtliches<br />

Engagement ist heute e<strong>in</strong> selbstverständlicher,<br />

unverzichtbarer Bestandteil e<strong>in</strong>er funktionierenden<br />

Bürgergesellschaft, und die „Hauptamtlichen“ s<strong>in</strong>d<br />

gut beraten, sie zu nutzen. Wir können ja auch etwas<br />

bieten: Sprachkenntnisse etwa, mehr Zeit für<br />

den E<strong>in</strong>zelfall, manchmal haben wir auch bessere<br />

Informationen. Und vor allem: Die Menschen haben<br />

Vertrauen zu uns. E<strong>in</strong>er Behörde begegnen die<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> der Regel mit Misstrauen, oft mit<br />

Angst, ob berechtigt oder nicht, auch aus böser<br />

Erfahrung aus dem Heimatland. Dass sie uns vertrauen,<br />

ist unsere Chance.<br />

Was wir vor allem verh<strong>in</strong>dern wollen, s<strong>in</strong>d Entwicklungen<br />

wie <strong>in</strong> Sol<strong>in</strong>gen oder Hoyerswerda, wie<br />

wir sie aus den Anfangsjahren unserer Tätigkeit<br />

kennen. Wir wollen helfen, unserer Stadt den <strong>in</strong>neren<br />

Frieden zu erhalten. Dem diente auch unser<br />

Engagement <strong>in</strong> der Aufnahmee<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> der<br />

Turenne-Kaserne, dem dient unser „Runder Tisch“<br />

mit den Behörden. Jeder hat se<strong>in</strong>e spezifische Aufgabe<br />

und Vorgehensweise. Aber wir sollten uns<br />

über die Richtung unseres Handelns e<strong>in</strong>ig se<strong>in</strong>.<br />

Hier <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> haben wir recht gute Voraussetzungen,<br />

auch schwierige Fälle <strong>in</strong> humanitärem<br />

S<strong>in</strong>ne zu lösen. Im Dezember letzten Jahres<br />

gab es e<strong>in</strong>en Erlass des Innenm<strong>in</strong>isteriums zur Umsetzung<br />

des neuen Zuwanderungsgesetzes, der den<br />

Ausländerbehörden e<strong>in</strong>en weiten Ermessensspielraum<br />

für humanitäre Entscheidungen e<strong>in</strong>räumt. Er<br />

sollte genutzt werden. Wir s<strong>in</strong>d froh, dass unser<br />

Land e<strong>in</strong>es der ersten war, das im Rahmen des neuen<br />

Zuwanderungsgesetzes e<strong>in</strong>e Härtefall-<br />

Kommission e<strong>in</strong>gerichtet hat. Es gibt wohl kaum<br />

e<strong>in</strong> anderes Rechtsgebiet, wo der Gnadenweg – und<br />

nichts anderes ist e<strong>in</strong>e Härtefall-Kommission - so<br />

notwendig ist, wie beim <strong>Asyl</strong>recht. Freilich: Würden<br />

die Ausländerbehörden ihren Ermessensspielraum<br />

ausschöpfen, würde die Härtefall-<br />

Kommission schnell arbeitslos.<br />

In diesem Umfeld also arbeiten wir seit zwanzig<br />

Jahren, und das ist dann doch e<strong>in</strong> Grund zum Feiern:<br />

Wir s<strong>in</strong>d stolz darauf, dass e<strong>in</strong> solches Projekt<br />

über so lange Zeit kont<strong>in</strong>uierlich lebendig geblieben<br />

ist, mit vielen ehrenamtlichen Helfern, von der<br />

Schüler<strong>in</strong> bis zum Pensionär, mit vielen Unterstützern,<br />

von deren Spenden wir leben, mit viel Rückhalt<br />

<strong>in</strong> der Öffentlichkeit, mit f<strong>in</strong>anzieller Hilfe von<br />

Stadt, Land und Diakonischem Werk. Wir arbeiten<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Netzwerk gleich ges<strong>in</strong>nter Initiativen, vor<br />

allem die enge Zusammenarbeit mit amnesty <strong>in</strong>ternational<br />

ist uns e<strong>in</strong>e unverzichtbare Hilfe. Für all<br />

das s<strong>in</strong>d wir sehr dankbar, damit können wir viel<br />

helfen. Ich empfehle Ihnen, sich unsere Ausstellung<br />

<strong>in</strong> der Stadtbücherei anzusehen, da ist anschaulich<br />

dargestellt, was wir <strong>in</strong> all den Jahren getan haben<br />

und noch tun.<br />

Es wäre schön, wenn wir nun, nach zwanzig Jahren,<br />

sagen könnten: Aufgabe erfüllt, jetzt tun wir mal<br />

etwas anderes. Aber ich fürchte, wir müssen mit<br />

Bert Brecht sagen: Die Verhältnisse, die s<strong>in</strong>d nicht<br />

so. Also hoffen wir, dass uns auch <strong>in</strong> den nächsten<br />

Jahren Kraft, Idealismus und die Unterstützung der<br />

Öffentlichkeit nicht ausgehen, um auf diesem Felde<br />

weiter zu ackern und den Menschen, die unsere<br />

Hilfe brauchen, zur Seite zu stehen.<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Rückblick auf das Plenum<br />

vom 15.4.2005<br />

Überraschung im Libanon<br />

Die "Intifada der Unabhängigkeit" ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er günstigen Lage: Niemand stellt sich ihr entgegen.<br />

Neuwahlen und Reformen s<strong>in</strong>d die nächsten Schritte<br />

von Abdel Mottaleb El Husse<strong>in</strong>i<br />

Die Libanesen haben <strong>in</strong> ihrer jüngsten Geschichte<br />

stets die übrige Welt überrascht. Mitte der siebziger<br />

Jahre schockierte der Bürgerkrieg mit se<strong>in</strong>er Brutalität<br />

die <strong>in</strong>ternationale Öffentlichkeit, die den Libanon<br />

damals als „Schweiz des Orients“ betrachtete.<br />

Die Hauptstadt Beirut - damals e<strong>in</strong>e Oase der Offenheit<br />

und der Toleranz <strong>in</strong> der arabischen Welt und<br />

e<strong>in</strong> Treffpunkt von Orient und Okzident - wurde<br />

durch Religionskriege materiell und geistig verwüstet.<br />

Das Land galt im letzten Jahrzehnt trotz se<strong>in</strong>er<br />

Befriedung als politisch apathisch und zugleich<br />

unberechenbar. Die Syrer saßen fest im Sattel und<br />

fungierten vor aller Welt als Garanten des <strong>in</strong>neren<br />

Friedens <strong>in</strong> Libanon.<br />

Jetzt erlebt die Welt die nächste Überraschung. Die<br />

Ermordung des ehemaligen M<strong>in</strong>isterpräsidenten Al<br />

Hariri löste ke<strong>in</strong>en Bürgerkrieg aus, sondern e<strong>in</strong>e<br />

beispiellose demokratische Bewegung. Von den<br />

ehemaligen Schauplätzen der Kämpfe der Milizen<br />

im Beiruter Zentrum donnern nicht Kanonen, sondern<br />

es erkl<strong>in</strong>gen Rufe nach Freiheit und Unabhängigkeit.<br />

Die von der Opposition geführte „Intifada<br />

der Unabhängigkeit“ konnte sogar die pro-syrische<br />

Regierung stürzen. Und dies alles <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Region,<br />

<strong>in</strong> der Gewalt und Terror die Politik beherrschen.<br />

E<strong>in</strong>e Demokratie bahnt sich ihren Weg, ohne die<br />

Hilfe der US-Panzer <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen. Warum<br />

ist dazu gekommen, was hat diese Bewegung<br />

für e<strong>in</strong>e Perspektive und was s<strong>in</strong>d ihre Konsequenzen<br />

für die ganze nahöstliche Region Grosse Fragen,<br />

die weit ab von jeglicher Vere<strong>in</strong>fachung beantwortet<br />

werden müssen, damit die Politik auf sie<br />

adäquat reagieren kann.<br />

Nach Außen erwecken die Proteste der Libanesen<br />

den falschen Sche<strong>in</strong>, als ob sie ausschließlich antisyrisch<br />

wären. Sie s<strong>in</strong>d aber hauptsächlich nicht<br />

gegen das syrische Volk gerichtet, sondern gegen<br />

die Diktatur, die das ganze politische Leben seit<br />

dreißig Jahren bestimmt. Der Abzug der Syrer aus<br />

dem Libanon sollte aufgrund des Attaif-<br />

Abkommens von 1989, der den Bürgerkrieg beendete,<br />

<strong>in</strong>nerhalb von zwei Jahren geschehen. Stattdessen<br />

machte Syrien se<strong>in</strong>e militärische Präsenz <strong>in</strong><br />

Libanon von der Lösung des Nahostkonfliktes abhängig.<br />

Besonders seit dem israelischen Abzug aus<br />

dem Süden des Landes im Mai 2000 ist der Libanon<br />

<strong>in</strong> die feste Hand der libanesisch-syrischen Geheimdienste<br />

geraten. Die Machthaber <strong>in</strong> Damaskus<br />

waren zuletzt so arrogant, dass sie selbst ihre libanesischen<br />

Verbündeten als bloße Befehlsempfänger<br />

behandelten. Die hochgepriesene Bruderschaft zwischen<br />

Libanon und Syrien hat sich als e<strong>in</strong> Verhältnis<br />

zwischen Herrschern und Beherrschten entpuppt.<br />

Das syrische Regime setzt se<strong>in</strong>e Präsenz <strong>in</strong> Libanon<br />

als Karte <strong>in</strong> den Verhandlungen mit Israel und den<br />

USA über se<strong>in</strong>e Rolle im Irak und über die Rückgabe<br />

der von Israel seit 1967 besetzten Golanhöhen<br />

e<strong>in</strong>. Diese Politik erreichte ihren Höhepunkt mit der<br />

Verlängerung des Mandats des libanesischen Präsidenten<br />

Lahoud im vorigen Jahr gegen den Willen<br />

der Mehrheit der Libanesen und unter Bruch der<br />

libanesischen Verfassung, die nur e<strong>in</strong>e Amtsperiode<br />

des Staatschefs vorsieht. Die syrische Rechnung<br />

g<strong>in</strong>g aber angesichts des Übergangs des e<strong>in</strong>flussreichen<br />

Drusenführers Jumblat zur offenen Opposition<br />

nicht auf. Es formierte sich allmählich e<strong>in</strong>e überkonfessionelle,<br />

breite demokratische und nationale<br />

Bewegung, die das Ende der syrischen Besatzung<br />

verlangt. Der Übergang des früheren M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />

Al Hariri zur Opposition machte sie für das<br />

syrische Regime und se<strong>in</strong>e libanesischen Satelliten<br />

noch bedrohlicher. Die Ermordung Al Hariris, die<br />

unabhängig von der Identität ihrer H<strong>in</strong>termänner<br />

auf die Zerschlagung der Opposition abzielte,<br />

brachte nach dem Mordanschlag gegen den oppositionellen<br />

Politiker Marwan Hamade im vorigen<br />

Herbst das Fass zum Überlaufen. Damit verloren<br />

die Syrer den Rückhalt unter der Mehrheit der Li-<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

banesen. Selbst die Hisbollah und die schiitische<br />

Amal-Bewegung, die wichtigsten politischen Stützen<br />

der Syrer <strong>in</strong> Libanon, s<strong>in</strong>d bisher nicht bereit<br />

gewesen, auf e<strong>in</strong>en totalen Konfrontationskurs zur<br />

Opposition zu gehen. Die Unzufriedenheit mit der<br />

syrischen Präsenz erreicht <strong>in</strong>zwischen alle Schichten<br />

der libanesischen Bevölkerung. Deshalb haben<br />

die Forderungen nach Abzug der syrischen Armee<br />

aus dem Libanon e<strong>in</strong>en emanzipatorischen Charakter.<br />

Sie br<strong>in</strong>gen den Willen der Libanesen nach<br />

Selbstbestimmung und Freiheit zum Ausdruck.<br />

Die Befürchtung, die Beendigung der syrischen<br />

Herrschaft <strong>in</strong> Libanon könne e<strong>in</strong>e unmittelbare<br />

Rückkehr des Bürgerkrieges zur Folge haben, ist<br />

nicht begründet. E<strong>in</strong> politisches Vakuum ist so gut<br />

wie ausgeschlossen, da alle politischen Kräfte des<br />

Landes das Abkommen von Attaif, das die Macht<br />

zwischen den verschiedenen Religionsgeme<strong>in</strong>schaften<br />

verteilt, verwirklichen wollen. Dieser politische<br />

Konsens existierte nicht am Vorabend des Bürgerkrieges<br />

von 1975 bis 1990. Außerdem betonen die<br />

Vertreter aller politischen Kräfte trotz ihrer politischen<br />

Spaltung ihr Festhalten an der friedlichen<br />

Lösung ihrer Konflikte. Dies schließt nicht aus,<br />

dass bestimmte Gruppierungen versuchen, durch<br />

Terror und Gewalt die Opposition von ihrem friedlichen<br />

Kurs abzubr<strong>in</strong>gen. Die Erfolgschancen solcher<br />

Kräfte bleiben niedrig, weil sie, zum<strong>in</strong>dest<br />

gegenwärtig, weder regionale noch <strong>in</strong>ternationale<br />

Helfer haben. Die arabische Welt bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Zustand der Lähmung, so dass ke<strong>in</strong> Staat e<strong>in</strong><br />

Interesse an der Destabilisierung des Libanon haben<br />

könnte. Selbstverständlich beunruhigen die politischen<br />

Erfolge der Libanesen die arabischen Despoten.<br />

Sie bef<strong>in</strong>den sich jedoch <strong>in</strong>nenpolitisch <strong>in</strong> der<br />

Defensive. Die erfolgreiche Durchführung der<br />

Wahlen <strong>in</strong> Irak und Paläst<strong>in</strong>a zeigt, dass die Bush-<br />

Adm<strong>in</strong>istration beg<strong>in</strong>nt, die alten Bündnisse der<br />

USA mit arabischen Diktaturen zu überdenken. Ob<br />

dies zu e<strong>in</strong>er Unterstützung der Demokratisierung<br />

der Region führen wird, bleibt abzuwarten.<br />

Die <strong>in</strong>ternationalen Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>en syrischen<br />

Abzug aus dem Libanon s<strong>in</strong>d gegenwärtig<br />

sehr günstig. Die Verabschiedung der Resolution<br />

1559 durch den UN-Sicherheitsrat im vorigen Jahr<br />

br<strong>in</strong>gt die Annährung zwischen Frankreich und den<br />

USA <strong>in</strong> der Frage der Wiederherstellung der vollen<br />

libanesischen Souveränität zum Ausdruck. Das<br />

syrische Regime hat so gut wie ke<strong>in</strong>e Möglichkeiten,<br />

zu manövrieren. Se<strong>in</strong>e Truppen müssen den<br />

Libanon verlassen. Dadurch würde der Weg frei für<br />

die Bildung e<strong>in</strong>er Übergangsregierung, die freie<br />

Parlamentswahlen im nächsten Mai durchführen<br />

kann.<br />

Die „Intifada der Unabhängigkeit“ zeigt, dass der<br />

Libanon e<strong>in</strong>deutige Zeichen für e<strong>in</strong>e Anfälligkeit<br />

gegenüber Demokratie und Intoleranz gegenüber<br />

Diktatur <strong>in</strong> sich trägt. Ihr zum Durchbruch zu verhelfen<br />

verlangt das Festhalten an der gewaltlosen<br />

Form der Proteste und die Öffnung zu allen Demokratiebewegungen<br />

<strong>in</strong> der Region. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

müssen die Libanesen ihr politisches System reformieren,<br />

damit der Staat die Bürger <strong>in</strong>tegriert, statt<br />

sie nach ihrer religiösen Zugehörigkeit zu spalten.<br />

Denn der Abzug der Syrer ist der Beg<strong>in</strong>n, und nicht<br />

das Ende der Demokratisierung des Libanon.<br />

veröffentlicht <strong>in</strong> der TAZ vom 4.3.2005<br />

Nach dem Kampf mit Waffen<br />

Der Abzug der syrischen Truppen aus Libanon bietet der Hisbollah die Chance zum Wandel<br />

h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er gewichtigen politischen Partei<br />

von Abdel Mottaleb El Husse<strong>in</strong>i<br />

"Wir sagen den jungen Libanesen am Märtyrerplatz:<br />

Wir respektieren Euren Willen und hören Eure Stimmen."<br />

Mit dieser verspäteten Botschaft hat der Generalsekretär<br />

der Hisbollah versucht, die antisyrische<br />

Opposition zu beruhigen. Scheich Hassan Nasrallah<br />

meldete sich drei Wochen nach dem Mord am früheren<br />

libanesischen Premier Rafik Hariri <strong>in</strong> der politischen<br />

Arena zurück. Damit setzte er dem Rätseln von<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Politikern und Experten darüber, welche Rolle die<br />

schiitische Hisbollah <strong>in</strong> der gegenwärtigen Krise ü-<br />

bernehmen werde, e<strong>in</strong> Ende. Die Frage, ob Damaskus<br />

die stärkste und e<strong>in</strong>zige bewaffnete Partei <strong>in</strong> Libanon<br />

e<strong>in</strong>setzt, um die Opposition e<strong>in</strong>zuschüchtern, lässt sich<br />

vorerst mit Ne<strong>in</strong> beantworten.<br />

Statt <strong>in</strong> den Krieg zu ziehen, nimmt die Hisbollah an<br />

der politischen Balz teil. Mit e<strong>in</strong>er Großdemonstration<br />

verabschiedete sie am Dienstag die syrische Armee.<br />

Dabei g<strong>in</strong>g es der Organisation zugleich auch darum,<br />

gegen die UN-Resolution 1559 und e<strong>in</strong>en möglichen<br />

Friedensvertrag mit Israel zu protestieren, der zu ihrer<br />

Entwaffnung und zum Verbleib der paläst<strong>in</strong>ensischen<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Libanon führen würde. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

s<strong>in</strong>d ihre Forderungen, den Mord an Hariri zu klären,<br />

das Taif-Abkommen durchzusetzen und Libanon zu<br />

befrieden, nicht von den Losungen der Opposition zu<br />

unterscheiden. Trotz der Sympathiebekundungen für<br />

die zum Abzug gezwungenen Kampfgefährten dürfte<br />

sich die politische Lage der Hisbollah nach Ende der<br />

syrischen Ära eher verbessern als verschlechtern.<br />

Besonders seit der erfolgreichen Vertreibung der Israelis<br />

aus Südlibanon im Mai 2000 ist die Hisbollah<br />

nicht mehr auf Syrien angewiesen. Sie konnte ihren<br />

Sieg politisch nutzen und Akzeptanz unter allen libanesischen<br />

Bevölkerungsgruppen gew<strong>in</strong>nen. Die Frage<br />

ihrer Entwaffnung ist für die überwiegende Mehrheit<br />

deshalb nicht auf der Tagesordnung. Die antisyrische<br />

Opposition, zu der e<strong>in</strong>flussreiche Verbündete der Hisbollah<br />

wie der Drusenführer Walid Dschumblatt gehören,<br />

verfolgte bisher e<strong>in</strong>e erfolgreiche Taktik, jede<br />

politische Konfrontation mit der Hisbollah zu vermeiden<br />

und auf Dialog mit ihr zu setzen. Die pragmatische<br />

Führung der Partei konnte diese Konstellation<br />

genießen, ohne ihre Allianz mit Syrien <strong>in</strong> Frage zu<br />

stellen. Dies erklärt, warum die Hisbollah nach der<br />

Ermordung Hariris erst e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Deckung g<strong>in</strong>g.<br />

Erst nach der Ankündigung des Abzugs der syrischen<br />

Truppen meldete die schiitische Partei ihren Anspruch<br />

an, die Rolle des politischen Gegengewichts zur Opposition<br />

zu spielen und für die Forderungen e<strong>in</strong>iger<br />

Kräfte des antisyrischen Lagers ihre roten L<strong>in</strong>ien aufzuzeigen:<br />

E<strong>in</strong> klares Ne<strong>in</strong> zur Entwaffnung der Hisbollah<br />

und zu e<strong>in</strong>em Friedensvertrag mit Israel. Die<br />

Organisation will die von Israel noch besetzten Chabaa-Farmen<br />

befreien und weiterh<strong>in</strong> als Garant der<br />

territorialen Integrität gegenüber dem "zionistischen<br />

Fe<strong>in</strong>d" fungieren. Dies s<strong>in</strong>d aus ihrer Sicht die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

für den <strong>in</strong>neren Frieden <strong>in</strong> Libanon.<br />

Ob die Gottespartei, die angesichts der religiösen und<br />

konfessionellen Vielfalt ke<strong>in</strong>e Theokratie fordert, dazu<br />

beitragen kann, e<strong>in</strong>en nationalen Konsens zwischen<br />

dem Regierungslager und der Opposition herzustellen,<br />

hängt nicht nur von den <strong>in</strong>neren politischen Kräften <strong>in</strong><br />

Libanon, sondern auch von den regionalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />

Faktoren ab, die zu der gegenwärtigen<br />

Eskalation geführt haben. Die Hisbollah wird mit<br />

Sicherheit den Verlust des syrischen Verbündeten<br />

nahezu schadlos verkraften, weil sie <strong>in</strong> ihren politischen<br />

Allianzen nie monogam gewesen ist. Ihr strategischer<br />

Partner und Glaubensbruder bleibt das islamische<br />

Regime <strong>in</strong> Iran, das zu ihrer Entstehung vor mehr<br />

als zwei Jahrzehnten und zu ihrem politischen Aufstieg<br />

zur stärksten politischen Kraft <strong>in</strong> Libanon beigetragen<br />

hat.<br />

Ausweitung der Kampfzonen<br />

Und gerade <strong>in</strong> diesem Zusammenhang lauert die Gefahr,<br />

dass man die Konfrontation zwischen Teheran<br />

und Wash<strong>in</strong>gton sowie Israel auf Libanon ausweitet.<br />

Die Bush-Adm<strong>in</strong>istration verlangt den Abzug der<br />

Syrer nicht aus purem Altruismus oder aus Sorge um<br />

die Verbreitung der Demokratie. Es geht ihr vor allem<br />

um e<strong>in</strong>e Neuordnung der politischen Karte des Nahen<br />

Ostens nach der Besatzung Iraks. Dabei will man das<br />

iranische Regime schwächen, das unter dem Verdacht<br />

der Entwicklung atomarer Waffen steht. Iran soll nicht<br />

imstande se<strong>in</strong>, im Falle e<strong>in</strong>es israelischen oder amerikanischen<br />

Angriffs mit massiven Gegenschlägen der<br />

Hisbollah gegen Israel zu reagieren.<br />

Die Führung der Gottespartei muss somit zwischen<br />

den Interessen ihrer regionalen Verbündeten und den<br />

Bedürfnissen ihrer Basis im Volk balancieren. Unter<br />

den Schiiten ist die Hisbollah zwar die stärkste politische<br />

Kraft, sie hat jedoch nicht zu unterschätzende<br />

politische Konkurrenten, die sich aus Vertretern der<br />

Zivilgesellschaft und der anderen demokratischen<br />

Parteien rekrutieren. Die schiitische Basis <strong>in</strong> Libanon<br />

drängt, wie die Mehrheit aller Libanesen, nach Demokratie,<br />

politischer Stabilität und Lösung der akuten<br />

Wirtschaftskrise.<br />

E<strong>in</strong>e Konfrontation mit der antisyrischen Opposition<br />

kann sich die Hisbollah nicht leisten. Deshalb wird sie<br />

besonders <strong>in</strong> der Innenpolitik kompromissbereit bleiben<br />

und trotz ihrer lauten pro-syrischen und antiamerikanischen<br />

Losungen nicht auf Gewalt setzen.<br />

Mit dem Rückzug der Syrer aus dem Zedernland s<strong>in</strong>d<br />

die Chancen e<strong>in</strong>er allmählichen Wandlung der Hisbollah<br />

von e<strong>in</strong>er bewaffneten Bewegung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e libanesischen<br />

politische Partei, die die demokratischen Spielregeln<br />

respektiert, größer geworden. Voraussetzung<br />

hierfür ist aber e<strong>in</strong>e realistische Selbste<strong>in</strong>schätzung<br />

der Organisation und ihrer eigenen Fähigkeit, die<br />

politischen Veränderungen <strong>in</strong> Libanon und <strong>in</strong> der<br />

Region als solche zu erkennen.<br />

(c) Dr. Abdel Mottaleb El Husse<strong>in</strong>i, veröffentlicht <strong>in</strong><br />

der Frankfurter Rundschau vom 9.3.2005<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Neue Töne aus Damaskus<br />

von Abdel Mottaleb El Husse<strong>in</strong>i<br />

"Erst jetzt", daran lässt Tayeb Tajs<strong>in</strong>i, e<strong>in</strong> syrischer Denker,<br />

bei der Beurteilung von Ursachen und Folgen des<br />

politischen Desasters se<strong>in</strong>es Landes <strong>in</strong> Libanon ke<strong>in</strong>en<br />

Zweifel, "erst jetzt beg<strong>in</strong>nt die syrisch-libanesische Geschichte."<br />

In der libanesischen Zeitung Annahar nahmen<br />

kürzlich 23 syrische Intellektuelle zur politischen Lage <strong>in</strong><br />

ihrer Heimat nach dem Ende der 29 Jahre währenden<br />

syrischen Ära im Nachbarland Stellung. Ungewöhnliche,<br />

bis vor kurzem unvorstellbare Töne aus Damaskus gab<br />

es.<br />

Dort erstickt die Baath-Partei seit 1963 jede oppositionelle<br />

Stimme gewaltsam. Das Land bef<strong>in</strong>det sich seit<br />

Jahrzehnten im permanenten Ausnahmezustand. Die<br />

politische Opposition hatte nur die Wahl zwischen Gefängnis<br />

und Exil. Repression und Korruption lähmten die<br />

syrische Zivilgesellschaft. Folglich erlebt das Land e<strong>in</strong>e<br />

der längsten materiellen und geistigen Dürreperioden<br />

se<strong>in</strong>er Geschichte.<br />

Nach der Ermordung des früheren libanesischen M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />

Rafik al Hariri bahnt sich aber wohl e<strong>in</strong>e<br />

Wende an. Der libanesische Aufstand gegen die syrische<br />

Besatzung sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>en Dom<strong>in</strong>o-Effekt zu haben. Die<br />

totale Herrschaft des syrischen Regimes im eigenen Land<br />

bekommt erste Risse. Und wie schon <strong>in</strong> den fünfziger<br />

und sechziger Jahren bietet die liberale Atmosphäre <strong>in</strong><br />

Libanon syrischen Demokraten die Möglichkeit, sich<br />

über die Zustände im eigenen Land frei zu äußern.<br />

Die Intellektuellen s<strong>in</strong>d sich <strong>in</strong> ihrer Diagnose der syrischen<br />

Misere e<strong>in</strong>ig: Ursache des Übels ist die Diktatur<br />

des Militärs, die im Namen der führenden Baath-Partei<br />

alle Bereiche des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen<br />

Lebens kontrolliert. Tayeb Tais<strong>in</strong>i sieht die Folgen<br />

dieser Politik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er "wachsenden wirtschaftlichen<br />

Verarmung und e<strong>in</strong>er politischen Unterdrückung durch<br />

die Monopolisierung des nationalen Reichtums und der<br />

politischen Macht". Zugleich würden Kultur, Bildung,<br />

Information und Wissenschaft im Namen des Wahrheitsanspruchs<br />

der Herrscher ausgetrocknet. E<strong>in</strong>e Alternative<br />

zu diesen Missständen, die die nationale Unabhängigkeit<br />

gefährden, wäre nach Ansicht Tays<strong>in</strong>is die Beendigung<br />

des Ausnahmezustands und der Erlass demokratischer<br />

Gesetze für Parteien, Medien und Wahlen. An diesem<br />

demokratischen Projekt müssten alle politischen Kräfte<br />

beteiligt werden.<br />

Der Schriftsteller Burhan Galiun sieht se<strong>in</strong>e Erwartungen<br />

an den Präsidenten Baschar Al Assad enttäuscht. Er<br />

zweifelt an der Reformfähigkeit des Regimes und glaubt<br />

fest daran, dass dessen Auflösung nötig sei. Dies ließe<br />

sich mit ger<strong>in</strong>gem Schaden <strong>in</strong> Gang setzen, wenn die<br />

demokratischen Kräfte nach Verbündeten <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Regimes suchen würden. Galiun erteilt den Bemühungen<br />

der USA, das Regime <strong>in</strong> Syrien zu ihren Gunsten zu<br />

verändern, e<strong>in</strong>e klare Absage. Die syrische Opposition<br />

müsse an der demokratischen Alternative und an der<br />

Volkssouveränität festhalten. Galiun fordert die Intellektuellen<br />

auf, für demokratische Veränderungen auch zu<br />

kämpfen.<br />

Mohammad Ali Al Atassi appelliert an die syrische Opposition,<br />

ihre bisherige Politik zu überdenken, ihre <strong>in</strong>neren<br />

Streitigkeiten zu überw<strong>in</strong>den und sich am Volk zu<br />

orientieren. Er betont, es sei notwendig, dass sich Vertreter<br />

des politischen Islams am politischen Prozess beteiligten.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs müsse auch die Muslimische Bruderschaft,<br />

die sich mit dem Regime <strong>in</strong> den siebziger und<br />

achtziger Jahren blutige Kämpfe geliefert hatte, demokratische<br />

Spielregeln achten. Atassi betont deshalb die<br />

friedlichen Mittel im politischen Kampf.<br />

Und er sieht e<strong>in</strong>e Diskrepanz zwischen der Entscheidung<br />

oppositioneller Kräfte für die Demokratie und ihren<br />

organisatorischen und ideologischen Strukturen, die <strong>in</strong><br />

den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden<br />

s<strong>in</strong>d. Die Tatsache, dass mehr als 60 Prozent der<br />

syrischen Bevölkerung heute jünger als 30 Jahre s<strong>in</strong>d,<br />

verlange e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung des politischen Diskurses<br />

zunächst <strong>in</strong>nerhalb der Opposition, um die Jugend<br />

überhaupt erreichen zu können. Al Atassi plädiert für<br />

e<strong>in</strong>e friedliche Veränderung Syriens nach dem libanesischen<br />

Vorbild. Der blutige, von außen erzwungene<br />

Machtwechsel wie <strong>in</strong> Irak kommt für ihn ke<strong>in</strong>esfalls <strong>in</strong><br />

Frage.<br />

Der syrische Dichter Adonis, der als Regimekritiker bis<br />

zum Ausbruch des Bürgerkrieges 1975 <strong>in</strong> Libanon lebte<br />

und frei arbeiten konnte, sieht die Oppositionsbewegungen<br />

<strong>in</strong> allen arabischen Ländern mit Kritik und Besorgnis<br />

zugleich. In e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> der saudischen Zeitung Al Hayat<br />

erschienenen Essay schreibt er: "Die Opposition braucht<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere, demokratische und freie Revolution, damit<br />

sie nicht nur e<strong>in</strong>e Opposition gegenüber der politischen<br />

Macht bleibt. Sie muss dies überw<strong>in</strong>den und gegen das<br />

System selbst als Kultur, Wert und Vision auftreten." Sie<br />

solle für e<strong>in</strong> anderes System und e<strong>in</strong>e andere Gesellschaft<br />

streiten.<br />

Der syrische Abzug aus Libanon sche<strong>in</strong>t wohl nicht das<br />

letzte Wort im Verhältnis zwischen den beiden Ländern<br />

gewesen zu se<strong>in</strong>. Die vom Militär erzwungene Verbrüderung<br />

führte dazu, dass beide Völker nur <strong>in</strong> der Unterwerfung<br />

zusammen standen. Die syrischen Intellektuellen<br />

plädieren statt dessen für e<strong>in</strong> Bündnis der Demokraten<br />

und für e<strong>in</strong> neues Kapitel <strong>in</strong> den syrisch-libanesischen<br />

Beziehungen.<br />

(c) Abdel Mottaleb El Husse<strong>in</strong>i, veröffentlicht <strong>in</strong> der<br />

Frankfurter Rundschau am 18.05.2005<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Abschiebungen <strong>in</strong> den Libanon<br />

Kerst<strong>in</strong> Müller Berl<strong>in</strong>, den 18.2.2005<br />

Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> im Auswärtigen Amt<br />

An das Mitglied des<br />

Abgeordnetenhauses von Berl<strong>in</strong><br />

Herrn Volker Ratzmann<br />

Niederkirchnerstr. 5<br />

Berl<strong>in</strong><br />

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,<br />

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 20.1.2005, mit dem Sie sich nach dem Sachstand bei Rückführungen von<br />

Personen paläst<strong>in</strong>ensischer Volkszugehörigkeit <strong>in</strong> den Libanon erkundigen.<br />

Die Bundesregierung verhandelt derzeit unter Federführung des Bundesm<strong>in</strong>isteriums des Inneren mit dem Libanon<br />

über den Abschluss e<strong>in</strong>es Rückübernahmeabkommens. Die Verhandlungen stehen kurz vor dem Abschluss.<br />

Nach dem Abkommen verpflichtet sich die libanesische Regierung, eigene Staatsangehörige zurückzunehmen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus verpflichtet sich die libanesische Seite, alle im Libanon offiziell registrierten paläst<strong>in</strong>ensischen<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge zurückzunehmen, deren Herkunft aus dem Libanon nachgewiesen werden kann.<br />

Nach Mitteilung der Innenbehörden, die für die Durchführung von Rückführungen zuständig s<strong>in</strong>d, hat sich die<br />

libanesische Regierung schon vor Inkrafttreten des Abkommens durch vorherige Verfahrensabsprachen bereit<br />

erklärt, paläst<strong>in</strong>ensische Volkszugehöige nach den oben genannten Kriterien zurückzunehmen. Insofern ist die<br />

von Ihnen zitierte Passage me<strong>in</strong>es Schreibens vom 05.07.2003 überholt<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

26


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Arabische Länder wollen nicht zwangsdemokratisiert werden<br />

Auch gemäßigte Kräfte lehnen. den E<strong>in</strong>fluss des Westens und militärische Interventionen ab/ Gesellschaft wandelt<br />

sich allmählich<br />

VON MICHAEL LÜDERS (BERLIN)<br />

Die Serie der Anschläge <strong>in</strong> Irak reißt nicht ab. Noch<br />

immer sterben täglich Menschen, ist e<strong>in</strong> Ende der<br />

Gewalt nicht <strong>in</strong> Sicht. Die anhaltende Instabilität ist<br />

erstaunlich: Aus westlicher Sicht waren die Wahlen<br />

im Januar e<strong>in</strong> Sieg der Demokratie nicht nur für Irak,<br />

sondern für den gesamten Nahen und Mittleren Osten.<br />

Handelt es sich bei dem anhaltenden Terror somit um<br />

das letzte Aufgebot von Dschihad- und Saddam-<br />

Milizen<br />

„Das Problem liegt tiefer", glaubt Abdel Barri Atwan,<br />

Chefredakteur der <strong>in</strong> London ersche<strong>in</strong>enden Zeitung<br />

Al-Quds al-Arabi. „Die Milizen mögen über kurz oder<br />

lang an Unterstützung unter den Sunniten verlieren.<br />

Doch die Abneigung gegen den gewaltsamen<br />

Demokratie-Export <strong>in</strong> die arabische Welt nimmt zu,<br />

auch unter gemäßigten Kräften." Sie lehnten nicht<br />

Demokratie als Staats- und Regierungsform ab, aber<br />

„die Araber s<strong>in</strong>d es Schlichtweg leid, ständig große<br />

Worte zu hören, im Alltag aber zu erleben, dass<br />

Europäer wie Amerikaner <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die<br />

Durchsetzung eigener machtpolitischer Interessen<br />

me<strong>in</strong>en", sagt Atwan.<br />

Beispiel Ägypten: Die Bush-Adm<strong>in</strong>istration<br />

gratulierte der Regierung von Hosni Mu<br />

barak zu ihrer Bereitschaft, bei den nächsten<br />

Parlamentswahlen mehrere Parteien zuzulassen; diese<br />

Entscheidung sei unmittelbar auf den demokratischen<br />

Aufbruch <strong>in</strong> Irak zurückzuführen. Wahlen mit<br />

mehreren Parteien s<strong>in</strong>d jedoch bedeutungslos, solange<br />

es ke<strong>in</strong>en gleichberechtigten Zugang zu den Medien<br />

und ke<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ungsfreiheit gibt. Die Pluralität bleibt<br />

folglich von oben gelenkt und somit Fassade.<br />

Kaum jemand <strong>in</strong> Ägypten geht davon aus, dass<br />

Wash<strong>in</strong>gton E<strong>in</strong>wände erheben wird, wenn Präsident<br />

Mubarak die Macht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Jahren an se<strong>in</strong>en<br />

charismatischen und politisch talentierten Sohn Gamal<br />

übertragen wird. Mit Demokratie freilich hat das<br />

nichts zu tun.<br />

In diese Kerbe schlägt auch der jüngste „Arabische<br />

Bericht zur menschlichen Entwicklung", der von den<br />

Vere<strong>in</strong>ten Nationen herausgegeben wird. Er kritisiert<br />

das erlahmende Reformtempo <strong>in</strong> den arabischen<br />

Ländern, f<strong>in</strong>det aber auch klare Worte an die Adresse<br />

der „führenden Weltmächte". Sie neigten dazu,<br />

Menschenrechtsverletzungen <strong>in</strong> von ihnen<br />

protegierten Ländern zu beschönigen, solange diese<br />

Länder ihre Interessen nicht bedrohten. Auch die Lage<br />

<strong>in</strong> Irak beurteilen die arabischen Autoren der Studie<br />

anders als die USA: Die Diktatur Saddam Husse<strong>in</strong>s sei<br />

zwar beseitigt, dem Land e<strong>in</strong>e neue Perspektive<br />

eröffnet worden. Doch gleichzeitig fiel Irak „unter<br />

e<strong>in</strong>e Fremdbesatzung, unter der die Menschen noch<br />

stärker zu leiden haben". Die anhaltende Besatzung<br />

Iraks und der paläst<strong>in</strong>ensischen Gebiete schaffe e<strong>in</strong>en<br />

Nährboden für immer neue Gewalt.<br />

Die Stimmung <strong>in</strong> der arabischen Welt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Satz:<br />

Demokratie ja, aber nicht mit Hilfe militärischer<br />

Interventionen aus dem Westen. Als langfristig Erfolg<br />

versprechender gilt es, die <strong>in</strong> den jeweiligen Ländern<br />

vorhandenen Reformbewegungen zu unterstützen.<br />

„Die Öffnung der arabischen Gesellschaften hat <strong>in</strong> den<br />

letzten zehn Jahren enorm an Tempo zugelegt”; betont<br />

Amr alFaisal, Kommentator der Arab News aus<br />

Dschidda <strong>in</strong> Saudi-Arabien. Die Feudalgesellschaft<br />

verwandele sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e städtische<br />

Industriegesellschaft, die Pluralität e<strong>in</strong>fordere. Das<br />

Internet, vor allem aber regierungskritische arabische<br />

Satellitensender wie Al Dschasira, „haben e<strong>in</strong>en neuen<br />

Horizont eröffnet. Die Menschen erhalten nunmehr<br />

Informationen aus allen Teilen der Welt und bilden<br />

sich ihr eigenes politisches Urteil", sagt al-Faisal.<br />

Welche Richtung diese Entwicklung nimmt, ist<br />

gegenwärtig völlig offen. Ob der neue Pluralismus den<br />

Islamisten nutzt oder sich am Ende säkulare Kräfte<br />

durchsetzen, das entscheiden die Araber nicht alle<strong>in</strong>.<br />

Solange westliche Akteure die Region alle<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e<br />

strategische Verfügungsmasse betrachten, werden die<br />

radikalen Kräfte dort nicht an E<strong>in</strong>fluss verlieren.<br />

“Frankfurter Runschau” vom 20.4.2005<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Letzte Instanz aus Mitgefühl oder unnötige Bürokratie <br />

Neue Härtefallkommission soll im Zweifelsfall über Bleiberecht von Ausländern bef<strong>in</strong>den - Krist<br />

und Müller une<strong>in</strong>s<br />

Im neuen Aufenthaltsgesetz von 2004, das den Zuzug von Ausländern <strong>in</strong> die Bundesrepublik regelt, wird den Bundesländern<br />

die Möglichkeit e<strong>in</strong>geräumt, e<strong>in</strong>e Härtefallkommission für besonders schwierige Fälle e<strong>in</strong>zurichten. Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

hat dies kürzlich getan – zum Missfallen des für die Neustädter Ausländerbehörde zuständigen Beigeordneten<br />

Georg Krist (FWG), der sich zuvor <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stellungnahme an das rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Innenm<strong>in</strong>isterium gegen die<br />

Kommission ausgesprochen hatte.<br />

Krist hält die Kommission für überflüssig, sie br<strong>in</strong>ge<br />

zusätzliche Belastungen für Kommunen und Landkreise.<br />

Es gebe im Aufenthaltsgesetz bereits e<strong>in</strong>e große Zahl<br />

von Regelungen für Härtefälle, den kommunalen Ausländerbehörden<br />

bleibe ausreichend Spielraum.<br />

Der Landesbeauftragte für <strong>Asyl</strong>fragen von Amnesty<br />

International, Heiko Müller aus Neustadt, der Mitglied<br />

der Kommission ist, hält entgegen, dass <strong>in</strong> der Landesverordnung<br />

zur E<strong>in</strong>richtung der Härtefallkommission<br />

ausdrücklich festgelegt sei, dass diese sich ausschließlich<br />

mit Personen befasse, die alle sonstigen Möglichkeiten<br />

ausgeschöpft hätten und für die es aufgrund der bestehenden<br />

Rechtslage ke<strong>in</strong>e Möglichkeit für e<strong>in</strong>en weiteren<br />

Aufenthalt <strong>in</strong> Deutschland gebe. Müller berichtet aus<br />

se<strong>in</strong>er Erfahrung, dass dies <strong>in</strong> der Regel Menschen s<strong>in</strong>d,<br />

die schon seit vielen Jahren <strong>in</strong> Deutschland leben, aber<br />

ke<strong>in</strong>en <strong>Asyl</strong>status mehr für sich <strong>in</strong> Anspruch nehmen<br />

können, für die ihre Rückführung <strong>in</strong> die Heimat aber<br />

trotzdem e<strong>in</strong>e unverhältnismäßige Härte darstelle. Als<br />

e<strong>in</strong> Beispiel nennt Müller Menschen aus dem Libanon,<br />

die wegen des Krieges und der politischen Zustände <strong>in</strong><br />

ihrer Heimat schon vo Jahren nach Deutschland gekommen<br />

s<strong>in</strong>d. Die jetzige politische Situation im Libanon<br />

rechtfertige nicht mehr die Gewährung von <strong>Asyl</strong>, die<br />

Menschen hätten sich jedoch <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong> Leben<br />

aufgebaut und ihre K<strong>in</strong>der seien hier geboren. Nach<br />

Angaben von Müller gibt es <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> etwa<br />

1000 bis 1500 Personen, für die die Härtefallkommission<br />

aktiv werden könnte.<br />

Die Zusammensetzung der Härtefallkommission ist e<strong>in</strong><br />

weiterer Kritikpunkt Krists, weil nur zwei kommunale<br />

Vertreter <strong>in</strong> der aus neun Mitgliedern und e<strong>in</strong>em beratenden<br />

Mitglied bestehenden Kommission vertreten<br />

seien. Betroffen von den Entscheidungen des Gremiums<br />

seien jedoch die Städte und Landkreise. Krist wertet es<br />

als „Verletzung des Demokratiepr<strong>in</strong>zips“, dass Kirchen,<br />

Freie Wohlfahrtsverbände und Amnesty vier Mitglieder<br />

entsenden und damit exekutive Entscheidungsgewalt<br />

haben, obwohl sie nicht demokratisch gewählt s<strong>in</strong>d.<br />

Müller will diese Argument nicht gelten lassen und verweist<br />

darauf, dass die Härtefallkommission lediglich<br />

Empfehlungen ausspreche, die endgültige Entscheidung<br />

aber beim Innenm<strong>in</strong>isterium liege.<br />

Krist sieht e<strong>in</strong>e zusätzliche Arbeitsbelastung auf die<br />

Ausländerbehörden vor Ort zukommen und spricht von<br />

Überbürokratisierung. Es gebe doch schon den Bürgerbeauftragten,<br />

an den sich Betroffene wenden könnten.<br />

Müller entgegnet, dass der Bürgerbeauftragte auch Mitglied<br />

der Härtefallkommission ist.<br />

Aufgrund von Empfehlungen der Kommission kämen<br />

auch zusätzliche Kosten auf die Kommunen zu, fürchtet<br />

Krist, und damit werde das Konnexitätspr<strong>in</strong>zip verletzt.<br />

Denn es könne so auch Menschen e<strong>in</strong> Aufenthaltsrecht<br />

gewährt werden, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst<br />

sichern könnten. Den vom Land für solche Fälle e<strong>in</strong>gerichteten<br />

Härtefallfond hält er nicht für ausreichend.<br />

Müller rechnet <strong>in</strong>des nur mit wenigen E<strong>in</strong>zelfällen, bei<br />

denen auf e<strong>in</strong>zelne Kommunen Kosten zukämen.<br />

Auch die Sicherheit der Kommunen sieht Krist bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />

E<strong>in</strong>er der Gründe, die e<strong>in</strong>e Anerkennung als<br />

Härtefall ausschließen, seien schwere Straftaten. Krist ist<br />

der Ansicht, dass bereits ab e<strong>in</strong>er Verurteilung zu 60<br />

Tagessätzen e<strong>in</strong> Ausschluss für die Anerkennung als<br />

Härtefall vorliege.<br />

Krists Bedenken werden <strong>in</strong> der Region nur teilweise<br />

geteilt. „Krim<strong>in</strong>elle Energie wird die Kommission sicher<br />

nicht schützen“, ist der Ludwigshafener Bürgermeister<br />

Wilhelm Zeiser (SPD) überzeugt. Er sieht <strong>in</strong> der – im<br />

Übrigen von den Kommunen geforderten – Härtefallkommission<br />

sogar e<strong>in</strong>e Entlastung der kommunalen<br />

Ausländerbehörden. Es gebe „menschlich schwere<br />

Schicksale“, die nicht von e<strong>in</strong>em Behördenangestellten,<br />

sondern e<strong>in</strong>er Gruppe von Experten entschieden werden<br />

sollten, me<strong>in</strong>t Zeiser.<br />

Auch der Landauer Bürgermeister Hans-Dieter Schlimmer<br />

(SPD) sieht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er übergeordneten Stelle beim<br />

Land „durchaus S<strong>in</strong>n“. Die Ausländerbehörde von Landau<br />

mache zwar von ihrem Ermessenspielraum<br />

Gebrauch, doch <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen sei die Kommission hilfreich.<br />

Für „entbehrlich“ hält dagegen der Speyerer Beigeordnete<br />

Rolf Wunder (Speyerer Wählergruppe) die<br />

E<strong>in</strong>richtung. Er ist der Ansicht, dass das Aufenthaltsgesetz<br />

den Ausländerbehörden ausreichend Möglichkeiten<br />

bietet, <strong>in</strong> Härtefällen e<strong>in</strong>e Lösung zu f<strong>in</strong>den. Der<br />

„rechtswidrige Aufenthalt von ausreisepflichtigen Personen“<br />

dürfe nicht verlängert werden.<br />

Patrice Huth, Leiter des Referats Recht und Ordnung der<br />

Stadt Kaiserslautern, will erst e<strong>in</strong>mal abwarten, wie die<br />

Kommission arbeitet. Er befürchtet jedoch auch e<strong>in</strong>e<br />

Überbürokratisierung. Zudem gebe es bereits ausreichend<br />

andere Möglichkeiten, wie den Rechtsweg oder<br />

die E<strong>in</strong>schaltung des Bürger- und des Ausländerbeauftragten<br />

des Landes. (ann)<br />

„Rhe<strong>in</strong> <strong>Pfalz</strong>“ vom 13.4.2005<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Theorie und Praxis<br />

des § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG<br />

Re<strong>in</strong>hold Wendl<br />

1. Vorbemerkung:<br />

Der § 25 des AufenthG sollte die Aufenthaltserlaubnis <strong>in</strong> Fällen des Aufenthaltes aus humanitären Gründen regeln.<br />

Insbesondere § 25 Abs. 4 und § 25 Abs. 5 sollen hier die Situation der geduldeten Personen verbessern.<br />

Der Gesetzgeber hat dies damit begründet, dass den bisher geduldeten Personen e<strong>in</strong>e befristete Aufenthaltserlaubnis<br />

erteilt werden kann, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen e<strong>in</strong>e Abschiebung längerfristig nicht möglich<br />

ist und somit die Erteilung e<strong>in</strong>er Aufenthaltsbefugnis zum Regelfall gemacht wird und die Zahl der Duldungen auf<br />

wenige Ausnahmen begrenzt wird. Sowohl SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen haben betont, dass der unwürdige<br />

Zustand langjähriger Kettenduldungen e<strong>in</strong> Ende haben muss.<br />

Das Land Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> hat im Erlass vom 17.12.2004 hierzu verschiedene H<strong>in</strong>weise gegeben, die ich als bekannt<br />

voraussetze und die durchaus e<strong>in</strong>e humanitäre Interpretation des § 25 Abs. 4 und des § 25 Abs. 5 AufenthG zu lassen.<br />

Nicht ganz so rosig ist die Situation durch die vorläufigen Anwendungsh<strong>in</strong>weise, die vom Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isterium<br />

heraus gegeben worden s<strong>in</strong>d. Das gleich gilt erstrecht für den Erlass des Hessischen M<strong>in</strong>isteriums des Innern vom<br />

07.02.2005. Auf diese e<strong>in</strong>zelnen Erlasse bzw. auf die Anwendungsh<strong>in</strong>weise werde ich noch gesondert e<strong>in</strong>gehen.<br />

2. Vorübergehender Aufenthalt aus wichtigem Grund nach § 25 Abs. 4 AufenthG<br />

Diese Vorschrift regelt nach Satz 1 die Erteilung e<strong>in</strong>er Aufenthaltserlaubnis für e<strong>in</strong>en vorübergehenden Aufenthalt<br />

aus bestimmten Gründen. Hier können beispielsweise ärztliche oder therapeutische Behandlungen e<strong>in</strong>er schweren<br />

Krankheit von Bedeutung se<strong>in</strong>. Auch dr<strong>in</strong>gende persönliche Gründe, wie e<strong>in</strong>e unmittelbar bevorstehende Heirat mit<br />

e<strong>in</strong>em deutschen oder bleibeberechtigten Ausländer, die Betreuung e<strong>in</strong>es schwer erkrankten Familienangehörigen,<br />

der Abschluss e<strong>in</strong>er Schul- oder Berufsausbildung, kann darunter verstanden werden.<br />

Der Unterschied gegenüber dem § 30 Abs. 2 des alten AuslG besteht dar<strong>in</strong>, dass sich der Ausländer nicht bereits<br />

rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten muss, sondern es genügt, dass er geduldet wird.<br />

In Den vorläufigen Anwendungsh<strong>in</strong>weisen, die hier die Ansicht vertreten, dass der betreffende Ausländer noch nicht<br />

vollziehbar ausreisepflichtig se<strong>in</strong> darf, kann nicht gefolgt werden. Dies würde den Anwendungsbereich der Vorschrift<br />

zur Bedeutungslosigkeit reduzieren und würde den gesetzgeberischen Willen widerlaufen. Außerdem ist das Kriterium<br />

des rechtmäßigen Aufenthaltes im Gegensatz zur Vorschrift des § 30 Abs. 2 AuslG <strong>in</strong> § 25 Abs. 4 AufenthG nicht<br />

aufgenommen worden.<br />

Satz 2 von § 25 Abs. 4 AufenthG spricht davon, dass e<strong>in</strong>em Ausländer aufgrund besonderer Umstände des E<strong>in</strong>zelfalls<br />

die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden kann, wenn aufgrund besonderer Umstände des E<strong>in</strong>zelfalls das Verlassen<br />

des Bundesgebiets für den Ausländer e<strong>in</strong>e außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Es ist somit e<strong>in</strong>e Möglichkeit für<br />

die Ausländerbehörden geschaffen worden, hier im Ermessenswege tätig zu werden. Allerd<strong>in</strong>gs ist mir klar, dass sich<br />

der Begriff der „außergewöhnlichen Härte" sich nur sehr schwer def<strong>in</strong>ieren lässt. Nach me<strong>in</strong>er Ansicht lässt sich hier<br />

vielleicht e<strong>in</strong>e Möglichkeit f<strong>in</strong>den, beispielsweise Bürgerkriegsflüchtl<strong>in</strong>ge, die sich faktisch<br />

<strong>in</strong>tegriert haben, aber wegen ihres jahrelangen schlechten ausländerrechtlichen Statuses nicht alle Erfordernisse für<br />

die Erteilung e<strong>in</strong>es Aufenthaltstitels erfüllen, um e<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Vielleicht könnte man diese<br />

Vorschrift als Generalklausel für e<strong>in</strong> großzügiges Ermessen ansehen.<br />

3. Übergang von der Duldung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG (1. Fallgruppe)<br />

E<strong>in</strong>errjAusländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG ~ dem Ermessenswege<br />

e<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn se<strong>in</strong>e Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich<br />

ist und mit dem Wegfall des Ausreish<strong>in</strong>dernisses nicht zu rechnen ist. E<strong>in</strong>e solche Formulierung ist <strong>in</strong> der Tat mehr<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

als <strong>in</strong>terpretationsfähig. Geht man dem Wortlaut nach, so tritt dieser Fall so gut wie e<strong>in</strong>, denn abgesehen vom Fall<br />

e<strong>in</strong>es Ausreiseverbotes nach § 46 Abs. 2 AufenthG steht e<strong>in</strong>er Ausreise, also dem Verlassen der Bundesrepublik<br />

Deutschland ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis nach deutschem Recht entgegen. Aufgrund der Gesetzesbegründung wird man jedoch<br />

etwas schlauer. Dort heißt es:<br />

„Bei der Frage, ob e<strong>in</strong>e Ausreisemöglichkeit besteht, ist auch die subjektive Möglichkeit und damit implizit<br />

auch die Zumutbarkeit der Ausreise zu prüfen. Die Unmöglichkeit der Ausreise aus rechtlichen Gründen umfasst<br />

<strong>in</strong>landsbezogene Ausreiseh<strong>in</strong>dernisse, soweit diese nicht bereits durch § 25 Abs. 3 AufenthG abgedeckt<br />

werden, beispielsweise aus den Art. 1 und 2 GG bei schwerer Krankheit oder Schwangerschaft. "<br />

Es kommt also darauf an, ob die Ausreise nicht mehr möglich, sondern für den Betroffenen auch zumutbar ist. Entsprechendes<br />

ist dann auch im Erlass vom 17.12.2004 des Landes Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> festgehalten worden.<br />

Es wird auch die Ansicht vertreten, dass e<strong>in</strong> solches Ausreiseh<strong>in</strong>dernis auch dann vorliegt, wenn nicht nur krankheitsbed<strong>in</strong>gte<br />

Gründe gegeben s<strong>in</strong>d, sondern wenn es dem Ausländer nicht zu zumuten ist, se<strong>in</strong>e hier bestehenden<br />

familiären oder sonst schätzenswerten persönlichen Beziehungen durch se<strong>in</strong>e Ausreise zu unterbrechen. Hier liegt e<strong>in</strong><br />

derartiges zw<strong>in</strong>gendes von ihm nicht zu vertretenden H<strong>in</strong>dernisses vor.<br />

Dazu gehört beispielsweise das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Vaters mit se<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Deutschland lebenden<br />

K<strong>in</strong>d. Das K<strong>in</strong>dschaftsreformgesetz hat dies zum Ausdruck gebracht. Es hat die Rolle des nicht sorgeberechtigten<br />

Vaters verstärkt. Im H<strong>in</strong>blick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK liegt somit e<strong>in</strong> rechtliches Ausreiseh<strong>in</strong>dernis vor.<br />

E<strong>in</strong>e Ausreise ist dann nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG tatsächlich unmöglich, wenn e<strong>in</strong>e Reiseunfähigkeit oder e<strong>in</strong>e<br />

Passlosigkeit oder unterbrochene Verkehrsverb<strong>in</strong>dungen bestehen. Als absehbare Zeit dieser Vorschrift ist allgeme<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Zeitraum von sechs Monaten anzusehen.<br />

4. Längerfristig Geduldete und Erteilung e<strong>in</strong>er Aufenthaltserlaubnis § 25 Abs. 5 S. 2 AufenthG (2. Fallkruppe)<br />

Zu Gunsten von Personen, die seit m<strong>in</strong>destens 18 Monaten geduldet werden, reduziert § 25 Abs. 5 S. 2 AufenthG das<br />

Ermessen der Ausländerbehörde auf e<strong>in</strong> Soll. Dies bedeutet, dass im Regelfall e<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis zu erteilen<br />

ist.<br />

Die Frist der 18 Monate beg<strong>in</strong>nt nicht mit dem Zeitpunkt seit dem Ausländer unverschuldet an der Ausreise geh<strong>in</strong>dert<br />

ist, sondern entsprechend des klaren Wortlautes mit dem Zeitpunkt, sobald die Duldung erstmalig erteilt worden ist.<br />

E<strong>in</strong>e andere Auslegung würde auch nicht dem S<strong>in</strong>ne der Gesetzesbegründung entsprechen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs erfolgt hier e<strong>in</strong>e, E<strong>in</strong>schränkung durch § 25 Abs. 5 S. 3 AufenthG. Die Ausreiseh<strong>in</strong>dernisse dürfen nicht<br />

vom Betroffenen selbst verschuldet se<strong>in</strong>. Satz 4 nennt hier e<strong>in</strong>ige Beispiele, nämlich falsche Angaben, Täuschung<br />

über se<strong>in</strong>e Identität oder Staatsangehörigkeit. Allerd<strong>in</strong>gs bleibt offen, was als e<strong>in</strong>e zumutbare Anforderung an die<br />

Beseitigung des Ausreiseh<strong>in</strong>dernisses zu bezeichnen ist.<br />

Hier stellt sich das Problem der Passlosigkeit. Bisher ist immer davon ausgegangen worden, dass e<strong>in</strong> vernichten des<br />

Passes bei der E<strong>in</strong>reise oder se<strong>in</strong>er Rückgabe an den Schlepper als e<strong>in</strong> schuldhaftes Verhalten des Ausländers zu<br />

bezeichnen ist. Ich me<strong>in</strong>e jedoch, wenn dieser alles Erdenkliche unternimmt, um wieder e<strong>in</strong>en Pass zu erhalten, dies<br />

jedoch nicht möglich ist, kann unter Beachtung des Verhältnisur.äßigkeitsgrundsatzes die Passlosigkeit nicht als Ausschlussgrund<br />

angesehen werden.<br />

Als Ergebnis ist festzuhalten, dass § 25 abs. 4 und 5 AufenthG den Behörden e<strong>in</strong>en großen Spielraum für humanitäre<br />

Lösungen gibt. Es bleibt zu hoffen, dass dies entsprechend genutzt wird.<br />

Re<strong>in</strong>hold Wendl<br />

Rechtsanwalt<br />

- 19 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Migration und Beh<strong>in</strong>derung<br />

von Ismael Sackan<br />

Das ZsL, Zentrum für selbstbestimmtes Leben beh<strong>in</strong>derter<br />

Menschen Ma<strong>in</strong>z e.V., beschäftigt sich<br />

bereits seit Jahren mit der Situation von beh<strong>in</strong>derten<br />

Menschen <strong>in</strong>nerhalb unserer Gesellschaft. Mit zahlreichen<br />

Projekten und Beratungsangeboten werden<br />

weite Teile beh<strong>in</strong>derter Menschen erfasst. E<strong>in</strong>e<br />

Gruppe schien jedoch bislang gänzlich unterrepräsentiert<br />

und beg<strong>in</strong>nt erst langsam <strong>in</strong> den Fokus unserer<br />

Beratungsarbeit zu rücken: Es handelt sich<br />

hierbei um beh<strong>in</strong>derte Migranten. Im Fall dieser<br />

Menschen spricht man deshalb auch von e<strong>in</strong>er<br />

„doppelten Hürde“. Die Barrieren, die sich beh<strong>in</strong>derten<br />

Menschen stellen, s<strong>in</strong>d für diese Personen<br />

noch weitaus schwieriger zu überw<strong>in</strong>den. Auch im<br />

wissenschaftlichen Diskurs spielen Migranten mit<br />

Beh<strong>in</strong>derung noch ke<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Fachliteratur<br />

zu diesem Thema gibt es nur <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem<br />

Umfang.<br />

Das ZsL Ma<strong>in</strong>z bietet im Rahmen des Projekts BEA<br />

- Beratung und Vernetzung, Arbeit für Beh<strong>in</strong>derte -<br />

dem Projekt, welches beh<strong>in</strong>derte Menschen zu Fragen<br />

der Arbeit berät, seit e<strong>in</strong>em Jahr auch Beratung<br />

zum Thema Migration und Beh<strong>in</strong>derung an. Die<br />

Beratung wird durch den Sozialpädagogen Ismail<br />

Sackan durchgeführt. Er kennt die Situation von<br />

beh<strong>in</strong>derten Migranten aus eigener Erfahrung.<br />

Die Fragestellungen <strong>in</strong>nerhalb der Arbeit mit beh<strong>in</strong>derten<br />

Migranten s<strong>in</strong>d neben rechtlichen Aspekten<br />

auch stark vom jeweiligen kulturellen H<strong>in</strong>tergrund<br />

geprägt.Als besondere Herausforderung für<br />

den Berater gilt es, die für beh<strong>in</strong>derte Menschen<br />

allgeme<strong>in</strong> gültigen Gesetze und Bestimmungen mit<br />

Mit den besten Grüßen<br />

Ihr ZsL Ma<strong>in</strong>z<br />

den ausländerrechtlichen Erlassen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu<br />

br<strong>in</strong>gen.<br />

Da die Beratung von e<strong>in</strong>em Mitarbeiter angeboten<br />

wird, der selbst e<strong>in</strong> beh<strong>in</strong>derter Migrant ist, ist es<br />

für ihn leichter, auf die besonderen Wünsche und<br />

Bedürfnisse von beh<strong>in</strong>derten Migranten e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Die Angebote für diese Menschen müssen <strong>in</strong><br />

Zukunft stärker <strong>in</strong> den Mittelpunkt unserer Arbeit<br />

aufgenommen werden, da sie sonst Gefahr laufen,<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft zwischen allen Stühlen zu stehen.<br />

Um diese Dienstleistung bekannter zu machen, s<strong>in</strong>d<br />

wir auf die Unterstützung unserer Sozialpartner<br />

angewiesen. Wir möchten im Rahmen unserer Vernetzungsarbeit<br />

Behörden, Wohlfahrtsverbände,<br />

Krankenkassen, Kulturvere<strong>in</strong>e sowie Beratungsstellen<br />

dafür gew<strong>in</strong>nen, mit uns <strong>in</strong> diesem Bereich stärker<br />

zusammenzuarbeiten. E<strong>in</strong>ige Ansätze haben<br />

sich bereits als erfolgreich erwiesen: So ist es zu<br />

e<strong>in</strong>er engen Vernetzung zwischen dem ZsL und<br />

dem Arbeitskreis <strong>Asyl</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> gekommen.<br />

Auch das türkische Generalkonsulat <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z<br />

möchte mit uns zusammenarbeiten.<br />

Die Mitarbeiter des ZsL s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, Beratungen<br />

<strong>in</strong> Englisch, Türkisch, Arabisch, Polnisch und<br />

Spanisch durchzuführen.<br />

Wir würden uns freuen, zu diesem Thema – natürlich<br />

auch zu allen weiteren Themen – Kooperationsangebote,<br />

Zuschriften, sonstige Rückmeldungen<br />

von Ihrer Organisation oder Ihrem Vere<strong>in</strong> zu erhalten.<br />

Unser Ziel ist es, diesem wichtigen Anliegen<br />

e<strong>in</strong>e Zukunft auf breiterer Basis zu verschaffen.<br />

Kontakt:<br />

ZsL Ma<strong>in</strong>z<br />

Zentrum für selbstbestimmtes Leben<br />

beh<strong>in</strong>derter Menschen Ma<strong>in</strong>z e.V.<br />

Rhe<strong>in</strong>str. 43-45<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

Fon: (06131) 14 674 - 530<br />

Fax: (06131) 14 674 - 440<br />

e-Mail: <strong>in</strong>fo@zsl-ma<strong>in</strong>z.de<br />

Web: www.zsl-ma<strong>in</strong>z.de<br />

Ansprechpartner für den Bereich Migration und Beh<strong>in</strong>derung:<br />

Ismail Sackan<br />

Durchwahl: (06131) 14 674 - 535<br />

e-Mail: i.sackan@zsl-ma<strong>in</strong>z.de<br />

- 20 -


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Erlasse<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

M<strong>in</strong>isterium des Innern<br />

und für Sport<br />

Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />

Postfach 1320 Schillerplatz 3 - 5<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

55290 Trier Telefon 0 61 31 / 16 - 0<br />

Telefax 0 61 31 / 16 35 95<br />

M<strong>in</strong>isterium des Innern und für Sport • Postfach 3280 • 55022 Ma<strong>in</strong>z<br />

- mit Überdrucken für die Kreisverwaltungen/<br />

Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte -<br />

Datum und Zeichen Me<strong>in</strong> Zeichen, Bearbeiter<strong>in</strong>/ E-Mail (pers.) Datum<br />

Ihres Schreibens Me<strong>in</strong>e Nachricht vom Telefon I Fax (pers.)<br />

19 350:316 Stephan.Bremann@ism.rlp.de 11. Mai 2005<br />

JUGOSLAWIEN -3216 / -173216<br />

Ausländerrecht:<br />

Rückführungen von Kosovo-Albanern und Angehörigen ethnischer M<strong>in</strong>derheiten <strong>in</strong> das Kosovo<br />

Am 25. und 26. April 2005 fand zwischen Vertretern der UNMIK und der Bundesrepublik Deutschland e<strong>in</strong> weiteres<br />

Expertengespräch bezüglich der Rückführung <strong>in</strong> das Kosovo statt. Die dabei erzielten Ergebnisse bitte ich der beigefügten<br />

Niederschrift zu entnehmen. Im Wesentlichen konnte Folgendes erreicht werden:<br />

1. Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Wie sich aus Nr. 5 der Niederschrift ergibt, können alle bisher angemeldeten Personen, gegen deren Rückführung<br />

UNMIK ke<strong>in</strong>e Bedenken erhoben hatte, die jedoch aus tatsächlichen Gründen nicht zurückgeführt werden konnten,<br />

ohne erneutes Prüfverfahren durch UNMIK zurückgeführt werden.<br />

2. Ashkali und Ägypter<br />

Nach Nr. 3 der Niederschrift kann ab sofort mit der Wiederaufnahme der Rückführungen von Ashkali und Ägyptern<br />

begonnen werden. Die Zahl der Anmeldungen ist zunächst bundesweit auf monatlich 300 Personen, ab Juli 2005 auf<br />

monatlich 500 Personen, beschränkt. Ab Januar 2006 kann mit dem Wegfall der zahlenmäßigen Beschränkungen<br />

gerechnet werden.<br />

21


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Die Rückführung dieser Personen soll mit e<strong>in</strong>er Frist von 40 Tagen vor dem geplanten Rückkehrterm<strong>in</strong> angekündigt<br />

werden. Die Rückführung kann erfolgen, sofern UNMIK nicht spätestens 7 Tage vor dem geplanten Rückkehrterm<strong>in</strong><br />

begründete Bedenken erhebt.<br />

3. Roma<br />

Nach Nr. 6 der Niederschrift wird UNMIK <strong>in</strong> den Monaten Juli bis September 2005 die Rücknahme von bundesweit<br />

zunächst 70 Roma-Straftätern, die zu e<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe von m<strong>in</strong>destens zwei Jahren oder mehreren Freiheitsstrafen<br />

von <strong>in</strong>sgesamt m<strong>in</strong>destens zwei Jahren verurteilt worden und nicht schutzbedürftig s<strong>in</strong>d, prüfen. Ab September<br />

2005 s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Erhöhung der Anzahl sowie die Ausweitung des Personenkreises beabsichtigt.<br />

Für die Koord<strong>in</strong>ierung der Rückführung aus Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> ist auch h<strong>in</strong>sichtlich des vorgenannten Personenkreises<br />

ausschließlich die Clear<strong>in</strong>gstelle für Passbeschaffung und Flugabschiebung Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> bei der Stadtverwaltung<br />

Trier zuständig.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf das derzeit noch begrenzte Rückführungskont<strong>in</strong>gent s<strong>in</strong>d der Clear<strong>in</strong>gstelle bis zu e<strong>in</strong>er anderweitigen<br />

Regelung - soweit es die Angehörigen der Ashkali und Ägypter betrifft - nur folgende Personen zur Rückführung<br />

zu melden:<br />

- Personen, die wegen e<strong>in</strong>er im Bundesgebiet begangenen Straftat verurteilt wurden, wobei Geldstrafen von<br />

bis zu 50 Tagessätzen außer Betracht bleiben können,<br />

- Empfänger von Sozialhilfe oder von Leistungen nach dem <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetz. Dabei s<strong>in</strong>d Familien<br />

oder Alle<strong>in</strong>erziehende mit m<strong>in</strong>derjährigen K<strong>in</strong>dern oder unbegleitete M<strong>in</strong>derjährige, die im Kosovo ke<strong>in</strong>e nahen<br />

Angehörigen haben, nachrangig gegenüber alle<strong>in</strong> stehenden Erwachsenen oder Ehegatten ohne K<strong>in</strong>der zur Rückführung<br />

anzumelden. In jedem Fall ist bei Familien mit schulpflichtigen K<strong>in</strong>dern zu gewährleisten, dass den K<strong>in</strong>dern<br />

Gelegenheit gegeben wird, das Schuljahr 2004/2005 zu beenden.<br />

Im Übrigen wird h<strong>in</strong>sichtlich des Verfahrens auf die allgeme<strong>in</strong>e Erlasslage zur Rückführung <strong>in</strong> das Kosovo verwiesen.<br />

Nach erfolgter Anmeldung zur Abschiebung haben die Ausländerbehörden der Clear<strong>in</strong>gstelle unverzüglich alle für<br />

die Abschiebung relevanten Veränderungen mitzuteilen. Hierbei ist vor allem wichtig, dass alle e<strong>in</strong>e Abschiebung<br />

ausschließenden Gründe mitgeteilt werden, um diese Personen - vorübergehend oder endgültig - aus den weiteren<br />

Planungen herauszunehmen<br />

Im Auftrag<br />

Stephan Breman<br />

Anlage:<br />

Arbeitsübersetzung<br />

Abgestimmte Niederschrift<br />

über Gespräche zur Rückführung von M<strong>in</strong>derheiten <strong>in</strong> das Kosovo<br />

am 25, und 26. April 2005 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

1. Am 25. und 26. April 2005 fanden Gespräche zwischen e<strong>in</strong>er deutschen Delegation und Vertretern von UNMIK zu<br />

Fragen der Rückführung von M<strong>in</strong>derheiten <strong>in</strong> das Kosovo statt. Die Gespräche verliefen <strong>in</strong> offener und konstruktiver<br />

Atmosphäre.<br />

E<strong>in</strong>e Teilnehmerliste ist <strong>in</strong> der Anlage beigefügt.<br />

2. Beide Seiten erörterten die aktuelle Situation im Kosovo. In Anerkennung der positiven Entwicklung der Sicher-<br />

22


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

heitslage im Kosovo vere<strong>in</strong>barten beide Seiten die Weiterentwicklung und häufige Überprüfung des Rückführungsprozesses<br />

von M<strong>in</strong>derheiten aus dem Kosovo, beg<strong>in</strong>nend mit den nachstehenden Festlegungen.<br />

3. In Anbetracht des Umstandes, dass Mitglieder der Volksgruppe der Ashkali und Ägypter zur Zeit nicht grundsätzlich<br />

als <strong>in</strong>ternational schutzbedürftig gelten, s<strong>in</strong>d UNMIK und die deutsche Seite übere<strong>in</strong>gekommen, dass die deutsche<br />

Seite ab Mai monatlich bis zu 300 Mitglieder der Volksgruppe der Ashkali und Ägypter aus dem Kosovo zur<br />

Rückführung anmelden wird. In dem Verständnis und aufgrund der Erfahrung der Vergangenheit, dass durchschnittlich<br />

nur ungefähr 20% der angemeldeten Personen auch tatsächlich zurückgeführt werden, kann die Zahl der monatlichen<br />

Anmeldungen ab Juli 2005 auf 500 Personen angehoben werden. Abhängig davon, wie sich die Sicherheitslage<br />

für die Mitglieder dieser Volksgruppe entwickelt, erwarten Deutschland und UNMIK, dass ab Januar 2006 ke<strong>in</strong>e<br />

zahlenmäßige Begrenzung bei den Anmeldungen mehr erforderlich se<strong>in</strong> wird. Personen dieser Volksgruppe werden<br />

abhängig von den Ergebnissen e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dividuellen von UNMIK durchgeführten Prüfverfahrens zurückgeführt Die<br />

deutsche Seite wird UNMIK die Rückführung von Ashkali und Ägyptern mit e<strong>in</strong>er Frist von 40 Tagen vor dem geplanten<br />

Rückkehrterm<strong>in</strong> ankündigen.<br />

Sofern UNMIK nicht spätestens 7 Tage vor dem geplanten Rückkehrterm<strong>in</strong> dem deutschen Verb<strong>in</strong>dungsbüro <strong>in</strong><br />

Prist<strong>in</strong>a begründete Bedenken gegen die Rückführung der betreffenden Person mitteilt, kann die deutsche Seite die<br />

Rückführung unverzüglich vornehmen.<br />

4. Beide Seiten stimmen ferner übere<strong>in</strong>, dass die deutsche Seite von den Ashkal und Ägyptern, gegen deren Rückführung<br />

UNMIK <strong>in</strong> der Vergangenheit ke<strong>in</strong>e Bedenken erhoben hatte, die aber wegen der Ereignisse vom März 2004 im<br />

Kosovo bisher nicht zurückgeführt werden konnten (sog. Rückführungspool), nunmehr <strong>in</strong> der 18. Kalenderwoche<br />

2005 bis zu 100 Personen pro Flug zur Rückführung an den im Mai 2005 vorgesehenen zwei Flugterm<strong>in</strong>en anmelden<br />

kann. UNMIK wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em beschleunigten Prüfverfahren feststellen, ob e<strong>in</strong>e Rückführung dieser Personen zu diesem<br />

Zeitpunkt nach wie vor möglich ist. Die deutsche Seite meldet alle anderen Personen aus diesem „Rückführungspool"<br />

erneut entsprechend den unter Ziffer 3 festgelegten Modalitäten zur Rückführung an.<br />

5. Personen, gegen deren Rückführung UNMIK ke<strong>in</strong>e Bedenken erhoben hat, dis aber aus tatsächlichen Gründen<br />

nicht zurückgeführt worden s<strong>in</strong>d, können von der deutschen Seite zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt ohne erneutes Prüfverfahren<br />

im Rahmen der bereits geplanten regelmäßigen Rückführungsflüge zurückgeführt werden. Auf der Grundlage<br />

der Erwartung, dass sich die Lage weiter stabilisieren wird, wird erwartet, dass nach September 2005 zusätzliche<br />

Flüge <strong>in</strong> enger Absprache mit UNMIK vorgenommen werden können.<br />

6. Angesichts der erwarteten Verbesserung der Lage der Kannen Roma <strong>in</strong> Kosovo, stimmt UNMIK der Möglichkeit<br />

zu, die Rückführung von Straftätern der Roma-Volksgruppe zuzulassen, die zu e<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe von m<strong>in</strong>destens<br />

zwei Jahren oder zu mehreren Freiheitsstrafen von <strong>in</strong>sgesamt m<strong>in</strong>destens 2 Jahren verurteilt worden und nicht<br />

schutzbedürftig s<strong>in</strong>d. Die deutsche Seite wird anfangs bis zu 40 Personen pro Monat mit dem Ziel ankündigen, abhängig<br />

von dem Ergebnis des von UNMIK durchgeführten Prüfverfahrens <strong>in</strong> den Monaten Juli und August 2005<br />

jeweils 20 Personen zurückzuführen; die Anzahl der Ankündigungen kann auf der Grundlage von Erfahrungen so<br />

angepasst werden, dass es der deutschen Seite ermöglicht wird, die Zahl der Rückführungen ab September 2005 auf<br />

30 zu erhöhen. Ziel beider Seiten ist es, danach e<strong>in</strong>e weitere Steigerung dieser Rückführungen und e<strong>in</strong>e Erweiterung<br />

des rückzuführenden Personenkreises anzustreben.<br />

Es gelten dieselben Verfahren zur Ankündigung bzw. Rückführung, die unter Ziffer 3 festgelegt s<strong>in</strong>d. Die deutsche<br />

Seite wird UNMIK im Rahmen der Ankündigungen den Strafgrund und das Strafmaß mitteilen.<br />

7. Beide Seiten evaluierten die Praxis der Übermittlung relevanter mediz<strong>in</strong>ischer Informationen durch die deutschen<br />

Behörden an UNMIK und stimmten übere<strong>in</strong>, dass weitere Gespräche erforderlich s<strong>in</strong>d, um das Verfahren effizienter<br />

zu gestalten.<br />

8. Beide Seiten beabsichtigen, sich zum nächsten Expertengespräch Anfang September 2005 <strong>in</strong> Prist<strong>in</strong>a zu treffen.<br />

Geschehen zu Berl<strong>in</strong> am 26. April 2C05 <strong>in</strong> englischer Fassung.<br />

Für die deutsche Seite<br />

Cornelia Rogall-Grothe<br />

23<br />

Für UNMIK<br />

Kilian Kle<strong>in</strong>schmidt


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

M<strong>in</strong>isterium des Innern und für Sport • Postfach 3280 • 55022 Ma<strong>in</strong>z<br />

Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />

24<br />

M<strong>in</strong>isterium des Innern<br />

und für Sport<br />

Schillerplatz 3 - 5<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

54290 Trier Telefon 0 61 31 / 16 - 0<br />

Telefax 0 61 31 / 16 35 95<br />

- mit Überdrucken für die Kreisverwaltungen/<br />

Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte -<br />

Datum und Zeichen Me<strong>in</strong> Zeichen, Bearbeiter<strong>in</strong>/ E-Mail (pers.) Datum<br />

Ihres Schreibens Me<strong>in</strong>e Nachricht vom Telefon I Fax (pers.)<br />

19 300-7:316 Horst.Muth@ism.rlp.de 03. März 2005<br />

0 -3373 / -<br />

Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG an Angehörige ethnischer M<strong>in</strong>derheiten<br />

aus dem Kosovo<br />

Aus der ausländerbehördlichen Praxis ist mehrfach die Frage an das M<strong>in</strong>isterium herangetragen worden, ob<br />

Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG an Angehörige der ethnischen M<strong>in</strong>derheiten aus dem Kosovo,<br />

die gegenwärtig nicht von der UNMIK zurückgenommen werden, erteilt werden können.<br />

Es ist unverändert davon auszugehen, dass e<strong>in</strong>e freiwillige Ausreise <strong>in</strong> das Kosovo grundsätzlich möglich und<br />

zumutbar ist. Damit scheidet zum<strong>in</strong>dest gruppenbezogen, die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25<br />

Abs. 5 AufenthG für diesen Personenkreis aus.<br />

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der freiwilligen Ausreise kann nicht alle<strong>in</strong> entscheidungserheblich auf die<br />

Situation im Kosovo abgestellt werden, weil es sich bei genauer Betrachtung hierbei um die Prüfung e<strong>in</strong>es zielstaatsbezogenen<br />

Abschiebungsh<strong>in</strong>dernisses handelt und hier ggfls. die Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration<br />

und Flüchtl<strong>in</strong>ge sowie die B<strong>in</strong>dungswirkung des § 42 AsyIVfG zu beachten ist bzw. das Beteiligungserfordernis<br />

des § 72 Abs. 2 AufenthG besteht.<br />

Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG für den vorgenannten Personenkreis ist<br />

somit nur e<strong>in</strong>zelfallbezogen möglich, sofern e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Abschiebungsh<strong>in</strong>dernis vorliegt, welches der Betroffene<br />

nicht zu vertreten hat, bzw. sofern die freiwillige Ausreise wegen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Sondersituation<br />

nicht vertretbar ersche<strong>in</strong>t. Insoweit wird auf me<strong>in</strong> Rundschreiben vom 17.12.2004 verwiesen.<br />

Es ist bekannt, dass vere<strong>in</strong>zelt <strong>in</strong> Baden-Württemberg abweichende Gerichtsentscheidungen bestehen, die jedoch<br />

nicht verallgeme<strong>in</strong>erungsfähig s<strong>in</strong>d, da entscheidungserheblich auf die Situation der März-Unruhen im<br />

Jahre 2004 abgestellt wurde.<br />

In den letzten Expertengesprächen.mit UNMIK am 25./26. April 2005 konnte ferner die begrenzte Aufnahme<br />

der Rückführung von M<strong>in</strong>derheitenangehörigen der Ashkali vere<strong>in</strong>bart werden. Hierzu ergeht e<strong>in</strong> gesondertes<br />

Rundschreiben.<br />

Im Auftrag<br />

Horst Muth


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

M<strong>in</strong>isterium des Innern<br />

und für Sport<br />

Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />

Postfach 1320 Schillerplatz 3 - 5<br />

55116 Ma<strong>in</strong>z<br />

55290 Trier Telefon 0 61 31 / 16 - 0<br />

Telefax 0 61 31 / 16 35 95<br />

M<strong>in</strong>isterium des Innern und für Sport • Postfach 3280 • 55022 Ma<strong>in</strong>z<br />

- mit Überdrucken für die Kreisverwaltungen/<br />

Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte -<br />

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Ihres Schreibens Me<strong>in</strong>e Nachricht vom Telefon I Fax (pers.)<br />

19 354:316 Heidelore.Pauly@ism.rlp.de 30. März 2005<br />

22.06.2001 -3383 / -173383<br />

Aufenthaltsrechtlicher Status von jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion<br />

Die aufenthaltsgesetzliche Rechtsstellung und daran anknüpfende Ansprüche werden für jüdische Emigranten<br />

durch das AufenthG neu geregelt. § 23 Abs. 2 AufenthG ersetzt das Kont<strong>in</strong>gentflüchtl<strong>in</strong>gsgesetz und bietet e<strong>in</strong>e<br />

Rechtsgrundlage <strong>in</strong>sbesondere für die Aufnahme jüdischer Emigranten, die bisher nur <strong>in</strong> analoger Anwendung<br />

des Kont<strong>in</strong>gentflüchtl<strong>in</strong>gsgesetzes auf der Basis e<strong>in</strong>es Beschlusses der M<strong>in</strong>isterpräsidentenkonferenz vom 9.<br />

Januar 1991 vorgenommen wurde. Die e<strong>in</strong>em jüdischen Emigranten vor In-Kraft-Treten des AufenthG erteilte<br />

unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt gemäß § 101 S. 2 AufenthG als Niederlassungserlaubnis gemäß § 23 Abs.<br />

2 AufenthG fort.<br />

Die vorliegende Rechtsprechung geht überwiegend davon aus, dass jüdische Emigranten entgegen e<strong>in</strong>er evtl.<br />

ausgestellten Besche<strong>in</strong>igung die Rechtsstellung nach § 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen<br />

humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtl<strong>in</strong>ge (HumHAG) nicht erwerben konnten und ihnen deshalb<br />

auch ke<strong>in</strong> besonderer Ausweisungsschutz zukommt.<br />

Bei im geregelten Verfahren aufgenommenen jüdischen Emigranten kann grundsätzlich nicht davon<br />

ausgegangen werden, dass sie <strong>in</strong> ihrem Heimatland aufgrund ihrer jüdischen Volkszugehörigkeit verfolgt oder<br />

bedroht werden. Sie s<strong>in</strong>d auch nicht aus ihrem Heimatland geflohen, sondern mit dessen Billigung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

geregelten Verfahren ausgewandert. E<strong>in</strong> Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG besteht deshalb nicht.<br />

Insbesondere haben sie nicht die Rechtsstellung e<strong>in</strong>es Kont<strong>in</strong>gentflüchtl<strong>in</strong>gs nach dem HumHAG. Dies setzt<br />

gemäß § 1 Abs. 1 HumHAG voraus, dass der Antragsteller im Rahmen e<strong>in</strong>er humanitären Hilfsaktion der<br />

Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Erteilung e<strong>in</strong>er Aufenthaltserlaubnis vor der E<strong>in</strong>reise <strong>in</strong> der Form des<br />

Sichtvermerks oder aufgrund e<strong>in</strong>er Übernahmeerklärung nach § 33 Abs. 1 AusIG <strong>in</strong> der Bundesrepublik<br />

25


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Deutschland aufgenommen worden ist. Das ist nach den Feststellungen der Gerichte nicht der Fall. Jüdische<br />

Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion fanden alle<strong>in</strong> aufgrund e<strong>in</strong>es Beschlusses der<br />

M<strong>in</strong>isterpräsidentenkonferenz vom 09.01.1991 ohne unmittelbar anwendbare gesetzliche Grundlage, vielmehr<br />

lediglich <strong>in</strong> entsprechende Anwendung der Vorschriften des HumHAG Aufnahme <strong>in</strong> der Bundesrepublik (vgl.<br />

Ziffer 2 des Rundschreibens des ISM vom 22.06.2001). Demzufolge wurde den betroffenen Personen ke<strong>in</strong><br />

Reiseausweis nach der Genfer Konvention ausgestellt. Durch die Ausstellung von Reiseausweisen wäre dieser<br />

Personenkreis als politisch verfolgt gekennzeichnet worden, obwohl e<strong>in</strong>e Verfolgung staatlicherseits nicht<br />

vorlag.<br />

Der amtlichen Besche<strong>in</strong>igung, die gemäß § 2 HumHAG e<strong>in</strong> "Flüchtl<strong>in</strong>g im S<strong>in</strong>ne des § 1" zum Nachweis se<strong>in</strong>er<br />

Rechtsstellung erhalten hat und die auch jüdischen Emigranten ausgestellt wurde, kommt nur deklaratorische<br />

Bedeutung zu (OVG Rhe<strong>in</strong>land<strong>Pfalz</strong>, Beschluss vom 26.11.1999 - 11 A11523/99; VG Augsburg, Urteil vom<br />

18.09.2001 -Au 1 K 01.451). Die Rechtsstellung nach § 1 Abs. 1 HumHAG entstand nämlich ausschließlich<br />

kraft Gesetzes, da es e<strong>in</strong> diesbezügliches Anerkennungs- und Feststellungsverfahren nicht gab (BVerwG, Urt.<br />

vom 27.02.1996 - 9 C 145.95). Vielmehr sollte der Erwerb der Rechtsstellung gerade nicht von dem Ergebnis<br />

e<strong>in</strong>es Anerkennungsverfahrens abhängen. Die ausländischen Flüchtl<strong>in</strong>ge sollten nach Abschluss des<br />

Sichtvermerks- oder Übernahmeverfahrens nicht e<strong>in</strong> nochmaliges Verwaltungsverfahren durchlaufen müssen,<br />

um Start- und E<strong>in</strong>gliederungshilfen zu bekommen, sondern diese "sofort nach ihrem E<strong>in</strong>treffen <strong>in</strong> der<br />

Bundesrepublik Deutschland <strong>in</strong> Anspruch nehmen können", und deshalb "mit der Aufnahme im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

humanitären Hilfsaktion <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland ...die Rechtsstellung nach der Genfer<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention" erhalten (siehe Amtliche Begründung, Allgeme<strong>in</strong>er Teil BT-Drs. 8/3752). Nach dem<br />

Urteil des BVerwG vom 27.02.1996 - BVerwG 9 C 145.95 - wurde die Entscheidung, ob e<strong>in</strong> Ausländer nach §<br />

33 AusIG auf Dauer übernommen wurde und damit die Rechtsstellung e<strong>in</strong>es Kont<strong>in</strong>gentflüchtl<strong>in</strong>gs besaß, nur<br />

vom Bundesm<strong>in</strong>isterium des Innern getroffen. Die Aufnahme Jüdischer Emigranten erfolgte jedoch aufgrund<br />

konkreter Aufnahmezusagen e<strong>in</strong>zelner Bundesländer. Ich gebe deshalb me<strong>in</strong>en bisher vertretenen Standpunkt,<br />

dass e<strong>in</strong> aufgenommener jüdischer Emigrant <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland die Rechtsstellung e<strong>in</strong>es<br />

ausländischen Flüchtl<strong>in</strong>gs genießt, auf und schließe mich der geschilderten Auffassung der Gerichte an.<br />

Soweit jüdische Emigranten die Tatbestandsvoraussetzungen für e<strong>in</strong>e Ausweisung erfüllen, ist zu beachten, dass<br />

Inhaber e<strong>in</strong>er Niederlassungserlaubnis gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erst dann e<strong>in</strong>en besonderen<br />

Aufweisungsschutz genießen, wenn sie sich seit m<strong>in</strong>destens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.<br />

Sie können dann nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen<br />

werden. Laut Gesetzesbegründung zu § 56 Abs. 1 bezieht sich das durch das AufenthG neu e<strong>in</strong>gefügte<br />

Erfordernis des fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts auf die Fälle, <strong>in</strong> denen von Anfang an e<strong>in</strong>e<br />

Niederlassungserlaubnis erteilt wird. Der damit verbundene weitgehende Ausweisungsschutz wird erst nach<br />

e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destaufenthaltsdauer von fünf Jahren gewährt.<br />

Im Auftrag<br />

Horst Muth<br />

26


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Kle<strong>in</strong>e Anfragen<br />

LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Drucksache 14/3548 14.<br />

Wahlperiode 08.11.2004<br />

Kle<strong>in</strong>e Anfrage<br />

des Abgeordneten Michael Hörter (CDU)<br />

und<br />

Antwort<br />

des M<strong>in</strong>isteriums des Innern und für Sport<br />

Unternehmerbetriebe <strong>in</strong> Gewahrsamse<strong>in</strong>richtungen für Ausreisepflichtige <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Die Kle<strong>in</strong>e Anfrage 2064 vom 18. Oktober 2004 hat folgenden Wortlaut:<br />

Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion plant die E<strong>in</strong>richtung von Unternehmerbetrieben auch <strong>in</strong> Gewahrsamse<strong>in</strong>richtungen<br />

für Ausreisepflichtige.<br />

Ich frage die Landesregierung:<br />

1. Wie ist der Sachstand im H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>richtung von Unternehmerbetrieben <strong>in</strong> Gewahrsamse<strong>in</strong>richtungen<br />

für Ausreisepflichtige<br />

2. Wie viele Arbeitsplätze sollen auf diese Art und Weise <strong>in</strong> den Gewahrsamse<strong>in</strong>richtungen für Ausreisepflichtige<br />

entstehen<br />

3. Wird der Aufenthalt der abzuschiebenden Personen durch e<strong>in</strong>e Arbeit <strong>in</strong> den Unternehmerbetrieben verlängert<br />

4. Welche Entlohnung ist für die Arbeiter <strong>in</strong> diesen E<strong>in</strong>richtungen vorgesehen<br />

Das M<strong>in</strong>isterium des Innern und für Sport hat die Kle<strong>in</strong>e Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben<br />

vom 5. November 2004 wie folgt beantwortet:<br />

Nach § 149 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Justizvollzugsanstalten Arbeitsbetriebe sowie E<strong>in</strong>richtungen<br />

zur beruflichen Bildung und arbeitstherapeutischen Beschäftigung vorzusehen. Dabei kann im E<strong>in</strong>zelnen die<br />

technische und fachliche Leitung privaten Unternehmen übertragen werden.<br />

Während jedoch Strafgefangene nach § 41 StVollzG verpflichtet s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e zugewiesene, den jeweiligen körperlichen<br />

Fähigkeiten angemessene Arbeit auszuüben, um so den Gefangenen zu befähigen, künftig <strong>in</strong> sozialer Verantwortung<br />

e<strong>in</strong> Leben ohne Straftaten zu führen, besteht e<strong>in</strong>e solche Verpflichtung für Personen nicht, die nach § 57 des Ausländergesetzes<br />

(AuslG) auf richterliche Anordnung zur Vorbereitung der Ausweisung oder Abschiebung <strong>in</strong> Abschiebungshaft<br />

genommen s<strong>in</strong>d.<br />

Davon unabhängig sieht § 5 des <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetzes (<strong>Asyl</strong>bLG) vor, dass <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen, <strong>in</strong> denen<br />

Leistungsberechtigte nach diesem Gesetz untergebracht s<strong>in</strong>d, Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung gestellt werden.<br />

Abschiebungshäftl<strong>in</strong>ge beziehen ~ regelmäßig Leistungen nach dem <strong>Asyl</strong>bLG.<br />

Da geme<strong>in</strong>nützige Tätigkeiten sowie notwendige Tätigkeiten zur Selbstversorgung auf Grund der e<strong>in</strong>richtungsspezifischen<br />

Gegebenheiten nur sehr beschränkt angeboten werden können, wurde die für den Vollzug von Abschiebungshaft<br />

außerhalb von Justizvollzugsanstalten zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) gebeten<br />

zu prüfen, ob zusätzliche Arbeitsgelegenheiten im Zusammenwirken mit privaten Unternehmen geschaffen werden<br />

können.<br />

Nach Abwägung aller Argumente wurde allerd<strong>in</strong>gs entschieden, hiervon zurzeit Abstand zu nehmen.<br />

Zu 1. bis 4.:<br />

Auf die vorangehenden Ausführungen wird verwiesen.<br />

In Vertretung: Karl Peter Bruch Staatssekretär<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Drucksache 14/354<br />

14. Wahlperiode 15. 10.2004<br />

Kle<strong>in</strong>e Anfrage<br />

der Abgeordneten Friedel Grützmacher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

und<br />

Antwort<br />

des M<strong>in</strong>isteriums des Innern und für Sport<br />

Zulässigkeit der Übermittlung von Daten arabischer Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten durch Ausländerbehörden<br />

an die Polizei<br />

Die Kle<strong>in</strong>e Anfrage 2033 vom 24. September 2004 hat folgenden Wortlaut:<br />

Wie die „Rhe<strong>in</strong>pfalz" vom 23. September berichtet, hat die rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Polizei bereits seit e<strong>in</strong>iger Zeit<br />

die Ausländerbehörden <strong>in</strong> die Suche nach potenziellen Terroristen e<strong>in</strong>geschaltet. Sie sollen Personen, vornehmlich<br />

Araber und Muslime, mit besonderen Merkmalen melden.<br />

Ich frage die Landesregierung:<br />

1. Welchen Inhalt hat dieses Merkblatt<br />

2. Wie viele und welche Rückmeldungen der Ausländerbehörden hat es auf der Grundlage dieses<br />

Merkblattes gegeben<br />

3. Welchen Staaten und welchen Religionen gehörten die rückgemeldeten Personen an<br />

4. Wie wurden die übermittelten Daten weiterverarbeitet und welche Maßnahmen wurden daraufh<strong>in</strong><br />

ergriffen<br />

5. Welche Rechtsgrundlage besteht für derartige Meldungen<br />

6. Hat es vor Ausgabe des Merkblattes e<strong>in</strong>e datenschutzrechtliche Prüfung gegeben und zu welchem Ergebnis<br />

ist sie gekommen<br />

Das M<strong>in</strong>isterium des Innern und für Sport hat die Kle<strong>in</strong>e Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben<br />

vom 14. Oktober - 2004 wie folgt beantwortet:<br />

Vorbemerkung:<br />

Die terroristischen Ereignisse des 11. September 2001 <strong>in</strong> den USA, bei denen etwa 3000 Menschen getötet wurden,<br />

forderte auch von den rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Sicherheitsbehörden e<strong>in</strong>e sofortige Reaktion, zumal bereits<br />

kurz nach diesen Anschlägen feststand, dass drei der Attentäter zuvor legal <strong>in</strong> Deutschland lebten, bis sie zur<br />

Durchführung der Anschläge <strong>in</strong> die USA reisten. Nach der damaligen Beurteilung der Sicherheitslage, die auch<br />

heute noch Gültigkeit besitzt, musste davon ausgegangen werden, dass sich weitere, noch nicht identifizierte<br />

Personen <strong>in</strong> Deutschland aufhalten und weitere Anschläge vorbereiten. Zudem lagen Anhaltspunkte dafür vor,<br />

dass weitere <strong>in</strong> Deutschland lebende Personen an den Vorbereitungen zu den Anschlägen des 11. September<br />

2001 beteiligt waren.<br />

Nach den ersten Erkenntnissen über die Ereignisse des 11. September 2001 handelte es sich bei den Terroristen<br />

um Personen, die normalerweise Kontakte zu Ausländerbehörden haben. Dies galt und gilt auch für potenzielle<br />

Terroristen, was die Vermutung nahe legte, dass sich aus Kontakten von Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern der<br />

Ausländerbehörden mit Personen aus arabischen Ländern u. U. wertvolle H<strong>in</strong>weise auf potenzielle islamistische<br />

Gewalttäter ergeben könnten. Unmittelbar nach den Anschlägen <strong>in</strong>tensivierte die Polizei deshalb u. a. auch die<br />

Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden.<br />

Im Oktober 2001 hat das Landeskrim<strong>in</strong>alamt zur Sensibilisierung der bei den Ausländerbehörden tätigen Mitar-<br />

28


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

beiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter e<strong>in</strong> Tischpapier verfasst und verteilt. Auf Bundesebene wurde im Jahre 2002 e<strong>in</strong><br />

Merkblatt für Ausländerbehörden „Kriterien der Verdachtsgew<strong>in</strong>nung im H<strong>in</strong>blick auf terroristische Gewalttäter"<br />

erarbeitet, welches <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> jedoch nicht verteilt wurde, da das Ziel der Sensibilisierung mit dem<br />

rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen „Tischpapier für Ausländerbehörden" erreicht wurde.<br />

Das Tischpapier, welches kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 entstand und auf der damaligen<br />

ersten Erkenntnislage aufbaute, ist heute nicht mehr aktuell.<br />

Auf Bundesebene wird derzeit der Entwurf e<strong>in</strong>es auf aktuellen Kenntnissen aufbauenden Merkblattes für Ausländerbehörden<br />

beraten.<br />

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen wie folgt:<br />

Zu Frage 1:<br />

Das im Oktober 2001 an die Ausländerbehörden verteilte Tischpapier ist als Anlage beigefügt.<br />

Die Weitergabe des Tischpapiers an die Ausländerbehörden erfolgte im Rahmen e<strong>in</strong>er begleitenden Informationsveranstaltung<br />

mit den Leitern der Ausländerämter, <strong>in</strong> der darauf h<strong>in</strong>gewiesen wurde, dass dieses Tischpapier<br />

ke<strong>in</strong> starres Schema darstellt und der Sensibilisierung der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter der Ausländerämter<br />

zur Erkennung von Auffälligkeiten dienen und <strong>in</strong>sbesondere auch dazu beitragen soll, dem Aufkommen e<strong>in</strong>es<br />

Generalverdachts gegen bestimmte ethnische Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken.<br />

Zu Fragen 2 bis 4:<br />

E<strong>in</strong>e statistische Erfassung von Rückmeldungen der Ausländerbehörden, die auf das Tischpapier zurückzuführen<br />

waren, erfolgte nicht.<br />

Zu Frage 5:<br />

Die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch die Ausländerbehörden erfolgt nur im konkreten Verdachtsfall.<br />

Die Zulässigkeit der Datenübermittlung wurde überprüft und ergibt sich aus den e<strong>in</strong>schlägigen Bestimmungen<br />

des Landesdatenschutzgesetzes.<br />

Danach dürfen personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermittelt werden, wenn sie der rechtmäßigen<br />

Erfüllung der Aufgaben der Stelle dienen, der die Daten übermittelt werden. Dies ist nach den Bestimmungen<br />

des Landesdatenschutzgesetzes dann der Fall, wenn die Datenübermittlung zur Bekämpfung von Straftaten erforderlich<br />

ist (§ 14 Abs. 1 <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit § 13 Abs. 2 Nr. 2 Landesdatenschutzgesetz).<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch die Ausländerbehörden an die Polizei<br />

auch dann zulässig, wenn die Datenübermittlung zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Geme<strong>in</strong>wohl oder<br />

e<strong>in</strong>er sonst unmittelbar drohenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist (§ 14 Abs. 1 <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit § 12 Abs. 4 Nr. 4 Landesdatenschutzgesetz). Ferner ist auch auf die Bestimmungen des Polizei- und<br />

Ordnungsbehördengesetzes h<strong>in</strong>zuweisen, wonach zwischen allgeme<strong>in</strong>en Ordnungsbehörden (Ausländerbehörden)<br />

und der Polizei personenbezogene Daten übermittelt werden können, soweit dies zur Erfüllung polizeilicher<br />

oder ordnungsbehördlicher Aufgaben notwendig ist (§ 34 Abs. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz).<br />

Zu Frage 6:<br />

Am 28. November 2002 erörterte das Landeskrim<strong>in</strong>alamt mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz<br />

(LfD) Fragen zur Rasterfahndung. Dabei wurde auch das bundesweite Merkblatt für Ausländerbehörden „Kriterien<br />

der Verdachtsgew<strong>in</strong>nung im H<strong>in</strong>blick auf terroristische Gewalttäter" thematisiert. Den Vertretern des LfD<br />

wurde zudem das rhe<strong>in</strong>land-pfälzische „Tischpapier für Ausländerbehörden ausgehändigt. E<strong>in</strong>e Rückäußerung<br />

des LfD ist nicht erfolgt.<br />

Walter Zuber<br />

Staatsm<strong>in</strong>ister<br />

Anlage:<br />

29


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Landeskrim<strong>in</strong>alamt Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Tischpapier<br />

für die<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

der Ausländerämter<br />

Kriterien der Verdachtsgew<strong>in</strong>nung im H<strong>in</strong>blick auf Terroristische Gewalttäter<br />

1. Ausgangslage:<br />

Am 11. September 2001 wurden <strong>in</strong> den USA <strong>in</strong>sgesamt vier Verkehrsflugzeuge entführt und gezielt zur Begehung<br />

terroristischer Anschläge benutzt. Hierbei haben nach bisherigem Stand m<strong>in</strong>destens 5 000 Menschen ihr<br />

Leben verloren, darunter auch deutsche Staatsangehörige.<br />

Die Art und Weise der Begehung der Anschläge sowie die <strong>in</strong> der Folge durch die us-amerikanischen Ermittlungsbehörden<br />

gewonnenen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass es sich bei den Tätern dieser Anschläge<br />

um e<strong>in</strong>e Gruppierung islamistischer Extremisten handelt.<br />

Die Ermittlungen der amerikanischen und deutschen Ermittlungsbehörden haben zur Identifizierung von drei<br />

Tatverdächtigen geführt, die zum<strong>in</strong>dest teilweise <strong>in</strong> Deutschland gelebt haben.<br />

Der Generalbundesanwalt hat gegen e<strong>in</strong>en deutschen Staatsangehörigen und weitere unbekannte Täter e<strong>in</strong> Ermittlungsverfahren<br />

wegen Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er terroristischen Vere<strong>in</strong>igung gem. § 129 a StGB (Bildung e<strong>in</strong>er<br />

terroristischen Vere<strong>in</strong>igung) e<strong>in</strong>geleitet und das Bundeskrim<strong>in</strong>alamt mit der Wahrnehmung der polizeilichen<br />

Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung beauftragt.<br />

Die <strong>in</strong> den USA begangenen Anschläge dürften als die weltweit bislang spektakulärsten und schwersten Fanaltaten<br />

terroristischer Gewalttäter anzusehen se<strong>in</strong>. Die offenbar koord<strong>in</strong>ierte Vorgehensweise von Selbstmordattentätern,<br />

lässt auf das Vorgehen e<strong>in</strong>er professionell gesteuerten Gruppierung schließen. Von besonderer Bedeutung<br />

ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, dass von den bislang 19 <strong>in</strong> den USA identifizierten Tatverdächtigen<br />

16 vor den Anschlägen über europäische Staaten e<strong>in</strong>gereist se<strong>in</strong> sollen und m<strong>in</strong>destens drei Personen <strong>in</strong><br />

Deutschland gelebt bzw. sich hier aufgehalten haben.<br />

Auch muss vermutet werden, dass <strong>in</strong> Deutschland weitere noch nicht identifizierte Personen wohnhaft oder<br />

aufenthältig s<strong>in</strong>d, die diesem Täterprofil (so genannte Schläfer") entsprechen und zur Begehung vergleichbarer<br />

Taten aufgerufen werden können.<br />

Nach derzeitigem Stand der polizeilichen Erkenntnisse kann die Gefahr e<strong>in</strong>es terroristischen Anschlages durch<br />

die <strong>in</strong> Rede stehenden Täter nicht ausgeschlossen werden.<br />

2. Kriterien der Verdachtsgew<strong>in</strong>nung<br />

Auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse könnte es sich bei potenziellen Gefährdern oder Unterstützern um<br />

Personen handeln, die folgende Merkmale erfüllen:<br />

- männlich,<br />

- m<strong>in</strong>destens 18 und nicht älter als 40 Jahre,<br />

- islamische Religionszugehörigkeit,<br />

- Student,<br />

- legaler Aufenthaltsstatus (ohne räumliche Beschränkung),<br />

- Staatsangehörigkeit/Nationalität (siehe Anlage A),<br />

- auffallende Reisetätigkeit <strong>in</strong> islamische Länder (Afghanistan, Pakistan, Jemen, usw.).<br />

30


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Hierbei handelt es sich um e<strong>in</strong>en Personenkreis, der normalerweise Kontakte zu den Ausländerämtern hat.<br />

Aus diesem Grund wird darum gebeten, die Sachbearbeiter<strong>in</strong>nen und Sachbearbeiter <strong>in</strong> den Ausländerämtern für<br />

diesen Personenkreis zu sensibilisieren und anzuhalten, im Verdachtsfall Meldungen über die Amtsleitung an<br />

die örtlich zuständige Krim<strong>in</strong>aldirektion - Kommissariat 12 - zu erstatten.<br />

Stand: 4. Oktober 2001<br />

Staatsangehörigkeit:<br />

Geburtsland oder Nationalität (auch mehrfach)<br />

- Afghanistan<br />

- Pakistan<br />

- Paläst<strong>in</strong>a<br />

- Libanon<br />

- Libyen<br />

- Ägypten<br />

- Algerien<br />

- Bahre<strong>in</strong><br />

- Irak<br />

- Iran<br />

- Jemen<br />

- Vere<strong>in</strong>igte Arabische Emirate<br />

- Jordanien<br />

- Kuwait<br />

- Marokko<br />

- Oman<br />

- Saudi-Arabien<br />

- Somalia<br />

- Sudan<br />

- Syrien<br />

- Tunesien<br />

- Staatenlose oder - „ohne Angaben"<br />

- Israel (Erfassungskriterium Paläst<strong>in</strong>enser)<br />

- Bangladesch<br />

- Eritrea<br />

- Mauretanien<br />

- Indonesien<br />

Druck: Landtag Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, 9. November 2004<br />

31


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Innenm<strong>in</strong>isterium des Landes Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />

16.12.2004<br />

Rundschreiben: Mitwirkung von Ärzt<strong>in</strong>nen und Ärzten<br />

bei Rückführungsmaßnahmen<br />

(Bezug: Erlass vom 22.1.2003 Az.: 14.1NI 2.3114.3 IMK-Beschluss vom 19.11.2004 zu TOP 3.2)<br />

Anlagen: Informations- und Kriterienkatalog<br />

I.<br />

E<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Arbeitsgruppe von Ländervertretern und Vertretern der Bundesärztekammer zu Fragen der ärztlichen<br />

Mitwirkung bei Rückführungsfragen hat den als Anlage 1 beiliegenden modifizierten Informations- und Kriterienkatalog<br />

erarbeitet, den die Innenm<strong>in</strong>ister und -senatoren der Länder <strong>in</strong> ihrer Konferenz am 19.11.2004 zur<br />

Kenntnis genommen hat. Der Katalog ist am 26.11.2004 von dem Vorstand der Bundesärztekammer gebilligt worden.<br />

Hiermit hebe ich den Bezugserlass vom 22.1.2003 auf und bitte, ab sofort nach diesem Informations- und Kriterienkatalog<br />

zu verfahren. Auf Folgendes weise ich besonders h<strong>in</strong>:<br />

- Bevor der Arzt um e<strong>in</strong> Votum zur (Flug)Reisetauglichkeit gebeten wird, muss für die Ausländerbehörde feststehen,<br />

dass weder e<strong>in</strong> zielstaatsbezogenes Abschiebungsh<strong>in</strong>dernis noch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>landsbezogenes Vollstreckungsh<strong>in</strong>dernis<br />

vorliegt.<br />

- Dies muss dem Arzt nachvollziehbar vorgetragen werden. Ggf. s<strong>in</strong>d dem Arzt alle aus e<strong>in</strong>em vorangegangenen<br />

<strong>Asyl</strong>verfahren und auf sonstige Weise bekannt gewordenen gesundheitlichen Informationen vorzulegen.<br />

- Soweit der Arzt im Rahmen der Exploration Veranlassung sieht, neben der Prüfung der (Flug)Reisetauglichkeit<br />

e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung zu aus Krankheiten resultierenden, vor oder während der Abschiebung drohenden Gesundheitsgefahren<br />

abzugeben, die <strong>in</strong> vorausgegangenen Verfahren noch nicht geprüft wurden, hat die zuständige Behörde<br />

diese Vorträge tatsächlich und rechtlich zu würdigen.<br />

- Im Übrigen muss beachtlichen Vorträgen von gesundheitlichen Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong> jedem Stadium des Vorgangs<br />

e<strong>in</strong>er Abschiebung nachgegangen werden.<br />

- Dies gilt auch für Vorträge e<strong>in</strong>er konkreten (nicht nur theoretischen) Gefahr e<strong>in</strong>er Retraumatisierung im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er erheblichen Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes, auch wenn diese erheblichen Gesundheitsprobleme<br />

erst beim Vollzug der Abschiebung selbst auftreten.<br />

- Die Entscheidung über das Vorliegen e<strong>in</strong>es zielstaatsbezogenen Abschiebungsh<strong>in</strong>demisses im <strong>Asyl</strong>verfahren<br />

trifft ausschließlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtl<strong>in</strong>ge (ab 1.1.2005 Bundesamt für<br />

Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge); die Entscheidung über das Vorliegen e<strong>in</strong>es zielstaatsbezogenen Abschiebungsh<strong>in</strong>dernisses<br />

außerhalb des <strong>Asyl</strong>verfahrens sowie über das Vorliegen e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>landsbezogenen Vollstreckungsh<strong>in</strong>dernisses<br />

trifft die Ausländerbehörde. Sie ist gern. § 42 Abs. 2 <strong>Asyl</strong>VfG an die Entscheidung des Bundesamtes (oder<br />

des Verwaltungsgerichts) gebunden. Ärztliche Atteste und Gutachten stützen daher lediglich die Entscheidung<br />

der jeweils zuständigen Behörde.<br />

II.<br />

Die Innenm<strong>in</strong>isterkonferenz hat um e<strong>in</strong>en Bericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jahr gebeten, ob die dr<strong>in</strong>gend gebotenen Verbesserungen<br />

erreicht werden können. Hierauf werde ich gesondert zurückkommen.<br />

Im Auftrag<br />

Block<br />

32


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Informations- und Kriterienkatalog<br />

I. Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise<br />

Vor der zwangsweisen Durchsetzung e<strong>in</strong>er bestehenden Ausreiseverpflichtung ist zu jedem Zeitpunkt beachtlichen<br />

Indizien für e<strong>in</strong>e gesundheitliche Bee<strong>in</strong>trächtigung des Betroffenen nachzugehen, die e<strong>in</strong> Vollstreckungsh<strong>in</strong>dernis<br />

darstellen könnten.<br />

Im Regelfall wurde das Vorliegen von zielstaats- und/oder auch <strong>in</strong>landsbezogenen Abschiebungsh<strong>in</strong>dernissen aufgrund<br />

von gesundheitlichen Bee<strong>in</strong>trächtigungen, die von den Betroffenen geltend gemacht oder den zuständigen<br />

Behörden auf andere Weise bekannt wurden, <strong>in</strong> den der Rückführung vorausgegangenen abgeschlossenen asylrechtlichen,<br />

ausländerrechtlichen und ggf. verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft und verne<strong>in</strong>t. Der "Informationsund<br />

Kriterienkatalog" soll den zuständigen Ausländerbehörden Hilfestellung für die Fälle geben, <strong>in</strong> denen die nicht<br />

freiwillig ausreisenden Ausländer<strong>in</strong>nen und Ausländer erst kurz vor e<strong>in</strong>er Abschiebung zielstaatsbezogene Abschiebungsh<strong>in</strong>dernisse<br />

oder <strong>in</strong>landsbezogene Vollstreckungsh<strong>in</strong>dernisse aus gesundheitlichen Gründen geltend machen.<br />

Ist <strong>in</strong> den vorausgegangenen Verfahren das Vorliegen solcher H<strong>in</strong>dernisse bereits verne<strong>in</strong>t worden worden, geht es <strong>in</strong><br />

diesem Verfahrensstadium im Normalfall nur noch um die Prüfung der Frage, ob aufgrund der geltend gemachten<br />

gesundheitlichen Gründe durch den Vorgang der Abschiebung ( im wesentlichen die Flugreise) e<strong>in</strong>e erhebliche Gefahr<br />

für Gesundheit oder Leben des Betroffenen zu befürchten ist. Der Prüfauftrag beschränkt sich daher <strong>in</strong> diesen<br />

Fällen auf diese Prüfung. Fragen mit Zielstaatsbezug, also z. B. die Frage der mediz<strong>in</strong>ischen Versorgungslage im<br />

Zielstaat haben <strong>in</strong> diesem Rahmen ke<strong>in</strong>e Entscheidungsrelevanz, wenn die entsprechenden mediz<strong>in</strong>ischen Fragen <strong>in</strong><br />

den vorangegangenen Verfahren bereits geklärt worden s<strong>in</strong>d und dies dem untersuchenden ärztlichen, ggf. psychologisch<br />

psychotherapeutischen Sachverständigen nachvollziehbar vorgetragen wird (siehe auch Ausführungen zu III. -<br />

letzten beiden Sätze).<br />

Vielmehr ist, soweit der ärztliche, ggf. psychologisch psychotherapeutische Sachverständige im Rahmen der Exploration<br />

Veranlassung sieht, neben der Prüfung der Flugreisetauglichkeit e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung zu eventuellen zielstaatsbezogenen<br />

und <strong>in</strong> den vorausgegangenen asylrechtlichen Verfahren noch nicht geprüften Abschiebungsh<strong>in</strong>dernissen<br />

abzugeben, dies gegenüber dem wegen des Zielstaatsbezugs zuständigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge (BAFI) (ab 1.1.2005 Bundesamt für Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge - BAMF) vorzutragen.<br />

Hierzu hatte e<strong>in</strong>e Bund-Länder-Arbeitsgruppe <strong>in</strong> Umsetzung e<strong>in</strong>es Auftrages der Innenm<strong>in</strong>isterkonferenz unter Beteiligung<br />

mediz<strong>in</strong>ischer Experten e<strong>in</strong>en ersten Informations und Kriterienkatalog entwickelt, der von e<strong>in</strong>er weiteren<br />

Arbeitsgruppe mit Vertretern der Bundesärztekammer und der Innenm<strong>in</strong>isterkonferenz evaluiert wurde und auf dessen<br />

Inhalte sich die Ausländerbehörden bei der Erteilung von Aufträgen an ärztliche, ggf, psychologisch psychotherapeutische<br />

Sachverständige stützen können. Dieser Katalog ist dem ärztlichen, ggf. psychologisch psychotherapeutischen<br />

Sachverständigen zusammen mit dem Auftrag zu übermitteln.<br />

II. Informations- und Kriterienkatalog<br />

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtl<strong>in</strong>ge (BAFI) - im Falle e<strong>in</strong>es gestellten, ggf. auch bereits<br />

abgelehnten <strong>Asyl</strong>antrages, ansonsten die Ausländerbehörden s<strong>in</strong>d für die abschließende Entscheidung zuständig, ob<br />

vom Betroffenen geltend gemachte oder von Amts wegen zu prüfende Erkenntnisse zu Erkrankungen als zielstaatsbezogenes<br />

Abschiebungsh<strong>in</strong>dernis dem zwangsweisen Vollzug e<strong>in</strong>er ansonsten bestehenden Ausreiseverpflichtung<br />

entgegenstehen.<br />

Für die Prüfung und Entscheidung der Frage, ob wegen der Gefahr e<strong>in</strong>er erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes<br />

<strong>in</strong>folge der Abschiebung e<strong>in</strong> Vollstreckungsh<strong>in</strong>dernis vorliegt, ist stets die Ausländerbehörde zuständig.<br />

Bei der Prüfung möglicher gesundheitlicher Abschiebungsh<strong>in</strong>denisse ist also aus Rechtsgründen stets zu unterscheiden<br />

zwischen<br />

33


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

(1.) e<strong>in</strong>em sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungsh<strong>in</strong>dernis wegen e<strong>in</strong>er im Zielstaat drohenden konkreten und erheblichen<br />

Gefahr für Gesundheit oder Leben (z.B. wegen e<strong>in</strong>er nicht möglichen, unzureichenden oder nicht zugänglichen<br />

Behandlungsmöglichkeit im Heimatland) und<br />

(2.) e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>landsbezogenen Vollstreckungsh<strong>in</strong>dernis - beispielsweise <strong>in</strong> Form der Flugreiseuntauglichkeit - d.h.<br />

e<strong>in</strong>er durch den Vorgang der Abschiebung konkret drohenden erheblichen Gesundheitsgefährdung bis zur Ankunft<br />

im Zielstaat.<br />

II.1. Zielstaatsbezogene Abschiebungsh<strong>in</strong>dernisse<br />

• Inhaltliche Erläuterungen:<br />

Erheblich ist die Gefahr, wenn sich der Gesundheitszustand im Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich<br />

verschlechtern würde und dies auch nicht durch e<strong>in</strong>e dort zugängliche zureichende Behandlungsmöglichkeit abgewendet<br />

werden kann.<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Zuwanderungsgesetz - Duldung und Arbeit<br />

Dr. Gerold Lehnguth<br />

M<strong>in</strong>isterialdirektor<br />

Leiter der Abteilung Migration, Flüchtl<strong>in</strong>ge, Integration und Europäische Harmonisierung<br />

Bundesm<strong>in</strong>isterium des Innern, 11011 Berl<strong>in</strong><br />

An die<br />

Innenm<strong>in</strong>isterien und Senatsverwaltungen<br />

Für Inneres der Länder<br />

Bundesm<strong>in</strong>isterium des Innern<br />

Berl<strong>in</strong>, den 18 März 2005<br />

Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes<br />

Beschäftigung von Ausländern mit Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG)<br />

Aus gegebenem Anlass halte ich es für erforderlich, Erläuterungen zum Verständnis der Regelung von § 11 Beschäftigungsverfahrensverordnung<br />

(BeschVerfV) zu geben.<br />

Ausländern, die im Besitz e<strong>in</strong>er Duldung nach § 60a AufenthG s<strong>in</strong>d und sich bereits seit e<strong>in</strong>em Jahr erlaubt oder geduldet<br />

im Bundesgebiet aufhalten, kann nach dem Grundsatz des § 10 BeschVerfV mit Zustimmung der Bundesagentur<br />

für Arbeit die Bestätigung erlaubt werden. Die Ausübung der Beschäftigung darf jedoch nach § 11 BeschVerfV<br />

denjenigen Ausländern nicht erlaubt werden, die sich <strong>in</strong> das Inland begeben haben, um Leistungen nach dem <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetz<br />

zu empfangen oder bei denen aus ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende<br />

Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Versagungsgründe entsprechen denen der bisherigen Regelung des<br />

§ 5 Nr. 5 Arbeitgenehmigungsverordnung (ArGV) was bedeutet, dass ke<strong>in</strong>e Änderung der materiellen Rechtslage<br />

e<strong>in</strong>getreten ist. Zur näheren Bestimmung des Verschuldens wurden Kriterien des § 25 Absatz. 5 Satz 4 AufenthG<br />

übernommen.<br />

Die Versagungsgründe von § 25 Absatz 5 Satz 3,4 AufenthG unterscheiden sich jedoch <strong>in</strong> Folgendem von denen<br />

nach § 11 BeschVerfV. E<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG kommt nicht <strong>in</strong> Betracht, wenn dem<br />

Ausländer e<strong>in</strong>e freiwillige Ausreise möglich und zumutbar ist. Nach §25 Abs. 5 Satz3,4 AufenthG darf e<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis<br />

auch dann nicht erteilt werden, wenn aus von ihm zu vertretenden Gründen e<strong>in</strong>e Ausreise, nicht möglich<br />

ist. Dies gilt sowohl für die zwangsweise Rückführung als auch für die freiwillige Ausreise. Im Gegensatz, dazu<br />

erfordert der Versagungsgrund des §11 BeschVerfV, dass bei dem Ausländer aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus<br />

von ihm zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können. Das bedeutet, dass Ausländern, denen zwar die<br />

Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen e<strong>in</strong>es Versagungsgrundes nach § 25 Abs. 5 Satz 3, 4 AufenthG<br />

nicht erteilt werden kann und deshalb weiterh<strong>in</strong><br />

im Besitz e<strong>in</strong>er Duldung se<strong>in</strong> werden, dennoch die Aufnahme e<strong>in</strong>er Beschäftigung werden kann, wenn nicht auch<br />

gleichzeitig die Unmöglichkeit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung von ihnen verschuldet wird.<br />

Die Beschäftigung kann damit denjenigen Ausländern nach Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erlaubt werden,<br />

die zwar freiwillig ausreisen könnten, aber nicht abgeschoben werden können. Die Versagungsgründe des § 25<br />

Absatz 5 Satz 3,4 AufenthG führen folglich nicht auch gleichzeitig zu e<strong>in</strong>er Versagung der Aufnahme oder Fortführung<br />

e<strong>in</strong>er bisherigen Beschäftigung.<br />

Vor jeder Verlängerung e<strong>in</strong>er Duldung ist zu prüfen, ob <strong>in</strong> der Zwischenzeit Sachverhaltsänderungen durch das Verhalten<br />

Geduldeter e<strong>in</strong>getreten s<strong>in</strong>d, die die bisherige E<strong>in</strong>schätzung ändern und so gegebenenfalls zur Versagung der<br />

Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung aufgrund von § 11 BeschVerfV führen können.<br />

35


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

VON VERA GASEROW<br />

Zuwanderungsgesetz<br />

Neue Härten für Ausländer<br />

Behörden unterlaufen Zuwanderungsgesetz<br />

Politiker von SPD und Grünen schlagen Alarm: Die Behörden legten das Zuwanderungsgesetz oft so aus,<br />

dass Ausländern das Leben erschwert werde. Die Intention des Gesetzes werde dadurch <strong>in</strong> ihr Gegenteil<br />

verkehrt.<br />

Das vor vier Monaten <strong>in</strong> Kraft getretene Zuwanderungsgesetz<br />

sollte unter anderem die Praxis der<br />

Kettenduldungen für viele der rund 230000 über<br />

Jahre lediglich Geduldeten e<strong>in</strong>schränken. Wenn die<br />

Rückkehr <strong>in</strong> die Heimat <strong>in</strong> den vergangenen 18<br />

Monaten ohne Verschulden der Ausländer nicht<br />

möglich war, sollten sie e<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis<br />

erhalten.<br />

In der Praxis akzeptieren die Behörden vieler Länder<br />

aber nur schwere Krankheit als Ausreiseh<strong>in</strong>dernis,<br />

das den Aufenthalt rechtfertigt. In zahlreichen<br />

Fällen entzogen die Ausländerbehörden Geduldeten,<br />

bei denen sie ke<strong>in</strong> Ausreiseh<strong>in</strong>dernis sahen,<br />

auch gleich die Arbeitserlaubnis. Früher waren<br />

dafür die Arbeitsämter zuständig.<br />

Von „niederschmetternden Erfahrungen" sprechen<br />

die Flüchtl<strong>in</strong>gsräte. Auch die Bundesmigrationsbeauftragte<br />

Marieluise Beck zieht besorgt Bilanz:<br />

Es seien „nur sehr, sehr wenige Fälle bekannt, wo<br />

das Ziel umgesetzt ist, die Kettenduldung zu beenden“:<br />

„Die Errungenschaften des Zuwanderungsgesetzes<br />

BERLIN • 29. APRIL •<br />

zerr<strong>in</strong>nen uns zwischen den F<strong>in</strong>gern", warnt der<br />

<strong>in</strong>nenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter<br />

Wiefelspütz. Er habe „noch nie erlebt, dass e<strong>in</strong> Gesetz<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er zentralen Bereiche so anders<br />

umgesetzt wurde als es <strong>in</strong>tendiert war", sagte er der<br />

FR. Die E<strong>in</strong>schränkung der Kettenduldungen sei<br />

beim Zuwanderungskompromiss parteiübergreifend<br />

Konsens gewesen. Viele <strong>in</strong> der Koalition hätten vor<br />

allem deswegen ihre Bedenken zurückgestellt. In<br />

der Praxis werde die Idee des Gesetz „ausgehebelt":<br />

„Das stellt auf den Kopf, was wir alle vere<strong>in</strong>bart<br />

hatten".<br />

Schily soll nachbessern<br />

Auch der Grünen-Migrationspolitiker Josef W<strong>in</strong>kler<br />

warnt vor e<strong>in</strong>er „Verschiebung des Zuwanderungskompromisses<br />

zu Lasten der Ausländer". Er fordert<br />

Innenm<strong>in</strong>ister Otto Schily (SPD) zu Korrekturen an<br />

se<strong>in</strong>en Anwendungsh<strong>in</strong>weisen zum Gesetz auf. Der<br />

Bund müsse unmissverständlich klar stellen, „wer<br />

mit dem Gesetz <strong>in</strong>tendiert war."<br />

In der Schl<strong>in</strong>ge des Ermessens<br />

Das Zuwanderungsgesetz sollte die „Kettenduldung" lange <strong>in</strong> Deutschland lebender Ausländer beenden,<br />

die Praxis sieht anders aus<br />

VON VERA GASEROW (BERLIN)<br />

Ruben T. aus Äthiopien war e<strong>in</strong> Putzmann, von<br />

dem se<strong>in</strong> Arbeitgeber schwärmte. Zuverlässig.<br />

Gründlich. Mit Arbeitsabläufen und Kundenwünschen<br />

bestens vertraut. Und das seit nunmehr fünf<br />

Jahren. Nur allzu gern würde man den 43-Jährigen<br />

weiterbeschäftigen, schrieben se<strong>in</strong>e Chefs an die<br />

Behörden. Doch seit Februar muss die Frankfurter<br />

Re<strong>in</strong>igungsfirma auf die bewährte Putzkraft verzichten.<br />

„Erwerbstätigkeit nicht gestattet", steht<br />

erstmals seit fünf, Jahren auf dem Dokument, mit<br />

26<br />

dem die Ausländerbehörde die Duldung des Äthiopiers<br />

um drei Monate verlängerte. Ruben T. wird<br />

auch danach <strong>in</strong> Frankfurt bleiben. Nur se<strong>in</strong>en Job ist<br />

er los.<br />

So wie ihm geht es seit Jahresanfang unzähligen<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gen. „Flächendeckend“, kritisiert der<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsrat Niedersachen, verhängten jetzt e<strong>in</strong>ige<br />

Kommunen Arbeitsverbote für geduldete Flüchtl<strong>in</strong>ge.<br />

„Das s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelfälle", weiß auch Volker<br />

Roßocha, Referatsleiter für Migrationspolitik beim<br />

DGB. Gerade hat er e<strong>in</strong>en Musterbeschwerdebrief


Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

geschickt an Betriebsräte, die sich dafür stark machen<br />

wollen, dass ihre ehemaligen Kollegen bleiben<br />

dürfen.<br />

Zu verdanken haben die Betroffenen den Verlust<br />

ihres Jobs e<strong>in</strong>er eigenwilligen Auslegung ausgerechnet<br />

des Gesetzes, das ihnen mehr Sicherheit<br />

und Rechte geben sollte. „Durch die ... Regelung<br />

soll sichergestellt werden, dass die Praxis der Kettenduldung<br />

beendet wird`; heißt es im Zuwanderungsgesetz.<br />

Darüber war man sich vor e<strong>in</strong>em Jahr<br />

über alle Parteigrenzen e<strong>in</strong>ig. Flüchtl<strong>in</strong>ge, die oft<br />

über Jahre h<strong>in</strong>weg immer nur von Monat zu Monat<br />

geduldet waren, sollten nicht länger auf Abruf <strong>in</strong><br />

Deutschland leben müssen. Wenn ihre Rückkehr <strong>in</strong><br />

die Heimat <strong>in</strong> den vergangenen 18 Monaten nicht<br />

möglich war und sie selbst daran ke<strong>in</strong>e Schuld<br />

trugen, dann sollten sie künftig die sicherere Aufenthaltserlaubnis<br />

erhalten, versprach das Gesetz.<br />

Vor allem ihren oft hier geborenen K<strong>in</strong>dern wollte<br />

man e<strong>in</strong>e sichere Perspektive schaffen.<br />

Seit vier Monaten gilt das Gesetz und mittlerweile<br />

macht sich nicht nur bei Betroffenen und Flüchtl<strong>in</strong>gsgruppen<br />

Ernüchterung breit. Die Praxis s<strong>in</strong>d<br />

vor allem Erlasse und Verordnungen der Länder,<br />

die den Ermessensspielsraum des Zuwanderungsgesetzes<br />

so eng wie möglich und meist zu Lasten der<br />

Geduldeten auslegen. Dabei gibt es landauf, landab<br />

e<strong>in</strong> durchgängiges Muster: die Behörden sehen<br />

„ke<strong>in</strong>e Ausreiseh<strong>in</strong>dernisse" und damit ke<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />

für das Ende der leidigenKettenduldung.<br />

Objektive Ausreiseh<strong>in</strong>dernisse, so argumentiert<br />

etwa Hessen, gebe es eigentlich nur bei schwerer<br />

Krankheit. Und subjektive Gründe wie der langjährige<br />

Aufenthalt <strong>in</strong> Deutschland oder die Tatsache,<br />

dass die K<strong>in</strong>der hier seit Jahren zur Schule gehen,<br />

seien „ke<strong>in</strong> Kriterium“ gibt Hessens Innenm<strong>in</strong>isterium<br />

se<strong>in</strong>en Ausländerbehörden vor.<br />

So bleibt auch die armenische Hochschullehrer<strong>in</strong> L.<br />

weiter an die Duldung gekettet. „Das Ausreiseh<strong>in</strong>dernis<br />

wird <strong>in</strong> absehbarer Zeit wegfallen“, befand<br />

die Gießener Ausländerbehörde - ohne Begründung.<br />

L.s Tochter kennt das Land nicht, von dem die Rede<br />

ist. Sie wurde vor zwölf Jahren hier geboren.<br />

Selbst Flüchtl<strong>in</strong>ge aus Afghanistan und Kosovo,<br />

deren Abschiebung aus Sicherheitsgründen nicht<br />

möglich ist, bekommen meist, anders als vom Gesetz<br />

versprochen, weiter nur e<strong>in</strong>e Duldung. Begründung:<br />

Sie könnten ja freiwillig zurückgehen. E<strong>in</strong>zig<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> rät se<strong>in</strong>en Ausländerbehörden zu<br />

prüfen, ob nach langjährigem Aufenthalt e<strong>in</strong>e Ausreise<br />

auch „subjektiv zumutbar" sei und deshalb<br />

nicht - wie vom Zuwanderungsgesetz <strong>in</strong>tendiert -<br />

e<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste.<br />

Die restriktive Fortführung der Praxis der Kettenduldungen<br />

hat fatale Folgen. Denn mit dem neuen<br />

Zuwanderungsgesetz s<strong>in</strong>d nun die Ausländerbehörden<br />

auch für die Arbeitserlaubnis Geduldeter zuständig.<br />

Und frei nach ihrer Logik, der Ausreise der<br />

Betroffenen stünden ke<strong>in</strong>e objektiven H<strong>in</strong>dernisse<br />

entgegen, „kassieren" jetzt viele Behörden die zuvor<br />

erteilten Arbeitsgenehmigungen.<br />

Per Rundschreiben hat das Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isterium<br />

jetzt zwar klar gestellt, dass derlei Arbeitsverbote<br />

nicht im S<strong>in</strong>ne des Zu- ei Wanderungsgesetzes<br />

seien. Doch selbst, s wenn diese Empfehlung zu den<br />

Ausländerbehörden durchdr<strong>in</strong>gt, für viele kommt<br />

sie zu spät. Ruben T.s Job zum Beispiel ist längst an<br />

e<strong>in</strong>en anderen vergeben.<br />

ZUWANDERUNGSGESETZ<br />

Nur mit e<strong>in</strong>er Duldung leben 230 000 Ausländer <strong>in</strong><br />

Deutschland, dem unsichersten Aufenthaltsstatus<br />

des Ausländerrechts kennt. Die Duldungen werden<br />

jeweils um drei bis sechs Monate verlängert. Über<br />

100000 Geduldete, so schätzt Pro <strong>Asyl</strong>, leben schon<br />

länger als fünf Jahre <strong>in</strong> Deutschland. Das Zuwanderungsgesetz,<br />

seit 1. Januar 2005 <strong>in</strong> Kraft, wollte mit<br />

se<strong>in</strong>em Paragrafen 25 die umstrittene Praxis der<br />

Kettenduldungen zum<strong>in</strong>dest für e<strong>in</strong>en Teil der Betroffenen<br />

beenden. Denn 27 Prozent s<strong>in</strong>d mehrmals<br />

zwölf Jahre hier. Für langjährig Geduldete und<br />

M<strong>in</strong>derjährige sollte bei der Auslegung der Regelungen,<br />

so die Begründung, e<strong>in</strong> „positiver<br />

Ermessensgebrauch" gelten. Vgo<br />

„Frankfurter Rundschau“ 30.4.05<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Rechtsanwalt Ra<strong>in</strong>er M. Hofmann, Hofhaus - Alsenstr. 17, D-52068 Aachen<br />

MERKBLATT FÜR ASYLBERECHTIGTE UND<br />

KONVENTIONSFLÜCHTLINGE<br />

Sie s<strong>in</strong>d endlich, oft nach langer Wartezeit, anerkannt. Ich freue mich darüber mit Ihnen. Hier etwas an Informationen<br />

zu Ihren Rechten:<br />

l. Die Ausländerbehörde muss Ihnen e<strong>in</strong>en "blauen Flüchtl<strong>in</strong>gspass" (Reiseausweis nach der Genfer Flüchtl<strong>in</strong>gskonvention)<br />

ausstellen. In den Pass wird e<strong>in</strong>e "Rückkehrberechtigung" nach Deutschland aufgenommen. Achten Sie<br />

darauf, dass diese immer gültig ist, wenn Sie das Bundesgebiet verlassen!<br />

Sie erhalten nun zunächst e<strong>in</strong>e auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis.<br />

Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfolgt gebührenfrei (§ 52 Absatz 3 Aufenthaltsverordnung).<br />

Natürlich können Sie sich dann mit Ihrem Flüchtl<strong>in</strong>gspass sowohl <strong>in</strong> der Bundesrepublik, als auch im Ausland (außer<br />

dem Verfolgerstaat) ziemlich frei bewegen: Die meisten westeuropäischen Staaten und viele Mitgliedstaaten des<br />

Europarates verlangen von anerkannten Flüchtl<strong>in</strong>gen mit deutschem Reiseausweis ke<strong>in</strong> Visum. Auch <strong>in</strong> den sog.<br />

"Schongen-Staaten" können Sie sich bis zu drei Monate aufhalten, so lange Sie e<strong>in</strong>e deutsche Aufenthaltsgenehmigung<br />

haben. Andere Staaten allerd<strong>in</strong>gs verlangen e<strong>in</strong> Visum. Vor e<strong>in</strong>er Reise <strong>in</strong>s Ausland müssen Sie sich beim Konsulat<br />

unbed<strong>in</strong>gt erkundigen, ob Sie e<strong>in</strong> Visum benötigen oder nicht.<br />

2. Als anerkannter Flüchtl<strong>in</strong>g dürfen Sie auch erwerbstätig se<strong>in</strong>. Erwerbstätigkeit bedeutet sowohl selbständige als<br />

auch unselbständige Tätigkeit. Dies muss Ihnen die Ausländerbehörde <strong>in</strong> Ihrer Aufenthaltserlaubnis bestätigen. Mit<br />

der "Agentur für Arbeit" haben Sie im H<strong>in</strong>blick auf die Genehmigung zur Ausübung e<strong>in</strong>er Erwerbstätigkeit nichts<br />

mehr zu tun. Zusätzliche Arbeitserlaubnisse s<strong>in</strong>d abgeschafft.<br />

3.Wenn Sie e<strong>in</strong>en Ehegatten oder m<strong>in</strong>derjährige K<strong>in</strong>der im Ausland haben, dürfen diese nunmehr, zu Ihnen <strong>in</strong><br />

die Bundesrepublik ziehen. Allerd<strong>in</strong>gs sollte vor der E<strong>in</strong>reise e<strong>in</strong> Visum bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung<br />

(Konsulat oder Botschaft) beantragt werden. Nach E<strong>in</strong>reise können diese Familienangehörigen ebenfalls anerkannt<br />

werden, wenn sie unverzüglich e<strong>in</strong>en <strong>Asyl</strong>antrag stellen und wenn der Status des bereits hier lebenden Ehegatten/Elternteils<br />

nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Sollten Sie deswegen Zweifel haben, lassen Sie sich<br />

bitte beraten! Nicht selten kommt es nämlich vor, dass neu e<strong>in</strong>gereiste Familienangehörige e<strong>in</strong>en <strong>Asyl</strong>antrag (Familienasyl)<br />

stellen und dann zur großen Überraschung die <strong>Asyl</strong>anerkennung des schon hier bef<strong>in</strong>dlichen Familienangehörigen<br />

widerrufen wird.<br />

4. Sie haben auch Anspruch auf Teilnahme an e<strong>in</strong>em Integrationskurs. Das s<strong>in</strong>d Kurse, <strong>in</strong> denen Sprache und Informationen<br />

über das System der Bundesrepublik vermittelt werden. Zur Teilnahme müssen Sie e<strong>in</strong>en Antrag stellen.<br />

Zuständig dafür ist auch das Bundesamt für Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge. E<strong>in</strong> Antragsformular und weitere Informationen<br />

erhalten Sie z. B. im Internet auf der Seite www.bamf.de oder bei Ihrer Ausländerbehörde.<br />

5. Sie können auch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zum Studium erhalten, wenn Sie<br />

nicht genügend eigenes E<strong>in</strong>kommen haben und studieren wollen.<br />

6. Sofern Sie K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Deutschland haben, haben Sie Anspruch auf K<strong>in</strong>dergeld. Auch rückwirkend, bis zu vier Jahren.<br />

Wenn Sie <strong>in</strong> der Vergangenheit Sozialhilfe oder Leistungen nach dem <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetz erhalten<br />

hatten, wird sich allerd<strong>in</strong>gs das Sozialamt das K<strong>in</strong>derfeld für den Zeitraum, <strong>in</strong> dem Sie Leistungen erhielten, von der<br />

K<strong>in</strong>dergeldstelle auszahlen lassen. Wenn Sie während Ihres <strong>Asyl</strong>verfahrens ke<strong>in</strong>en Antrag auf K<strong>in</strong>dergeld gestellt<br />

hatten, dann müssen Sie dies spätestens jetzt sofort tun.<br />

7. Sie können nunmehr auch Erziehungsgeld erhalten, wenn Sie K<strong>in</strong>der im entsprechenden Alter haben. Auch hierzu<br />

muss sofort e<strong>in</strong> Antrag gestellt werden.<br />

8. In vielen anderen D<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d Sie jetzt ebenfalls Deutschen gleichgestellt: Vom Arbeitsamt können Sie unter gewissen<br />

Voraussetzungen "Berufsausbildungsbeihilfe" erhalten. Sie haben spätestens jetzt Anspruch auf Erteilung<br />

e<strong>in</strong>es "Wohnberechtigungssche<strong>in</strong>", wenn Sie unter bestimmten E<strong>in</strong>kommensgrenzen liegen. Hiermit können Sie<br />

leichter an preisgünstige Wohnungen kommen. Sollten Sie noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Übergangswohnheim oder e<strong>in</strong>em <strong>Asyl</strong>lager<br />

wohnen, so kann man Sie nunmehr hierzu nun endgültig nicht mehr zw<strong>in</strong>gen. Auch wenn Sie Sozialleistungen beziehen,<br />

muss Ihnen e<strong>in</strong>e Wohnung bezahlt werden, die Sie auf dem freien Wohnungsmarkt gefunden haben, sofern die<br />

Miete bestimmten Höchstgrenzen nicht überschreitet. Vor Anmietung e<strong>in</strong>er Wohnung sollten Sie aber immer den<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Sozialleistungsträger fragen.<br />

9. Für K<strong>in</strong>der, die nach der Anerkennung <strong>in</strong> Deutschland geboren s<strong>in</strong>d, muss spätestens e<strong>in</strong> Jahr nach der Geburt der<br />

<strong>Asyl</strong>antrag gestellt werden, damit diese auch "Familienasyl" erhalten. Aber Achtung: Auch hier gilt, dass dann ü-<br />

berprüft wird, ob Ihr Status nicht zu widerrufen ist. Wenn Ihre Anerkennung schon länger zurückliegt, besser vorher<br />

Rechtsrat e<strong>in</strong>holen.<br />

10. Das Staatsbürgerschaftsrecht ist geändert und e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>bürgerung ist erleichtert worden: Flüchtl<strong>in</strong>ge und Staatenlose<br />

können nunmehr nach sechs Jahren e<strong>in</strong>gebürgert werden, wenn weitere Voraussetzungen (z. B. ke<strong>in</strong> Bezuo<br />

von Sozialleistungen!) vorliegen (Ermessense<strong>in</strong>bürgerung). Nach acht Jahren Aufenthalt haben Sie sogar Anspruch<br />

auf E<strong>in</strong>bürgerung, wiederum müssen weitere Voraussetzungen vorliegen. In Deutschland geborene K<strong>in</strong>der werden<br />

durch Geburt Deutsche. wenn sich e<strong>in</strong> Elternteil im Zeitpunkt der Geburt hier seit acht Jahren rechtmäßig aufgehalten<br />

hat (das <strong>Asyl</strong>verfahren gilt bei Anerkannten als rechtmäßiger Aufenthalt). Im Zeitpunkt der Geburt muss dieser Elternteil<br />

aber zusätzlich im Besitz der Niederlassungserlaubnis se<strong>in</strong>. In diesem Fall braucht für das K<strong>in</strong>d natürlich ke<strong>in</strong><br />

<strong>Asyl</strong>antrag gestellt werden. Ganz wichtig: Von <strong>Asyl</strong>berechtigten und Konventionsflüchtl<strong>in</strong>gen wird nicht mehr verlangt,<br />

dass sie ihre Heimatstaatsangehörigkeit aufgeben. Diese Personen können also, wenn die zeitlichen und sonstigen<br />

Voraussetzungen vorliegen, e<strong>in</strong>gebürgert werden, ohne Kontakt mit den Heimatbehörden aufnehmen zu müssen.<br />

Die K<strong>in</strong>der von <strong>Asyl</strong>berechtigten müssen auch nicht mit dem 18. Lebensjahr e<strong>in</strong>e Entscheidung darüber treffen, ob<br />

sie die deutsche Staatsangehörigkeit behalten wollen oder nicht.<br />

11. Die Anerkennung ist allerd<strong>in</strong>gs zunächst nur auf Zeit erfolgt. Drei Jahre nach Anerkennung muss das zuständige<br />

"Bundesamt für Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge" überprüfen, ob die <strong>Asyl</strong>gründe fortbestehen. Wenn es z. B. positive Veränderungen<br />

im Verfolgerland gegeben hat, kann das e<strong>in</strong> Grund se<strong>in</strong>, vorn Wegfall der Anerkennungsgründe auszugehen.<br />

Geht das Bundesamt vorn Fortbestehen der Fluchtgründe aus, teilt es dies der Ausländerbehörde mit. Geht das<br />

Bundesamt davon aus, dass die Fluchtgründe weggefallen s<strong>in</strong>d. teilt es dies dem Ausländeramt mit und leitet e<strong>in</strong><br />

Widerrufsverfahren e<strong>in</strong>. Im Rahmen dieses Widerrufsverfahrens muss man Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme<br />

geben. Da dies neue gesetzliche Vorschriften s<strong>in</strong>d, kann der genaue Ablauf des Überprüfungsverfahrens noch nicht<br />

im e<strong>in</strong>zelnen vorhergesagt werden. Das gleiche gilt für die Frage, wie lange das Bundesamt für se<strong>in</strong>e Entscheidung<br />

braucht. Spätestens dann, wenn e<strong>in</strong> Widerrufsverfahren e<strong>in</strong>geleitet wurde, sollten Sie unbed<strong>in</strong>gt anwaltliche Hilfe <strong>in</strong><br />

Anspruch nehmen.<br />

12. Hat das Bundesamt für Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge festgestellt, dass ke<strong>in</strong> Widerrufsverfahren e<strong>in</strong>geleitet wird.<br />

muss Ihnen die Ausländerbehörde jetzt e<strong>in</strong>en unbefristeten Aufenthaltstitel, e<strong>in</strong>e Niederlassungserlaubnis erteilen.<br />

Hat das Bundesamt allerd<strong>in</strong>gs noch nicht entschieden, ob e<strong>in</strong> Widerspruchsverfahren e<strong>in</strong>geleitet werden wird oder<br />

läuft hierüber noch e<strong>in</strong> Verfahren, darf di. Niederlassungserlaubnis nach drei Jahren nicht erteilt werden. Sollte das<br />

Überprüfungsverfahren oder e<strong>in</strong> Widerrufsverfahren beim Bundesamt länger dauern, muss die Ausländerbehörde<br />

Ihnen dann allerd<strong>in</strong>gs zum<strong>in</strong>dest die befristete Aufenthaltserlaubnis verlängern. Lassen Sie sich nicht über längere<br />

Zeit nur mit e<strong>in</strong>er "Fiktionsbesche<strong>in</strong>igung" abspeisen. Sollte e<strong>in</strong>e Ausländerbehörde nicht zum<strong>in</strong>dest zeitnah über die<br />

Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnis entscheiden. ist zur Untätigkeitsklage zu raten. Da zum jetzigen<br />

Zeitpunkt noch nicht vollends klar ist, wie die Abstimmung zwischen Ausländerbehörde und Bundesamt genau vonstatten<br />

geht, muss derzeit der Rat gegeben werden, vorsorglich vor der Beantragung e<strong>in</strong>er Niederlassungserlaubnis<br />

fachlichen Rat e<strong>in</strong>zuholen.<br />

Das Gesetz sieht alternativ nämlich noch e<strong>in</strong>e weitere Möglichkeit für die Erteilung e<strong>in</strong>er Niederlassungserlaubnis<br />

vor. Dies dauert allerd<strong>in</strong>gs länger: Personen mit e<strong>in</strong>er humanitären Aufenthaltserlaubnis (dazu zählen auch anerkannte<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge) können nämlich nach sieben Jahren Aufenthalt ohne Befassung des Bundesamtes e<strong>in</strong>e Niederlassungserlaubnis<br />

erhalten. In die Zeit des Aufenthalts wird die Dauer des <strong>Asyl</strong>verfahrens e<strong>in</strong>gerechnet. Es kann ratsam<br />

se<strong>in</strong>, diesen Weg zu wählen und mit dem Antrag auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis bis dah<strong>in</strong> zu warten. Auch<br />

<strong>in</strong> diesen Fällen allerd<strong>in</strong>gs, ist Rechtsrat angezeigt.<br />

Bitte beachten Sie unbed<strong>in</strong>gt, dass die <strong>Asyl</strong>anerkennung auch erlöschen kann. Sie dürfen unter gar ke<strong>in</strong>en Umständen<br />

e<strong>in</strong>e Reise <strong>in</strong> das Verfolgerland unternehmen oder sich e<strong>in</strong>en Pass von der Botschaft des Verfolgerstaates ausstellen<br />

lassen - auch nicht für anerkannte Familienangehörige! In letzter Zeit mehren sich die Fälle, <strong>in</strong> denen Ausländerbehörden<br />

aufgrund von Reisen <strong>in</strong> das Herkunftsland oder aufgrund von Passausstellungen die Rückgabe des Konventionspasses<br />

e<strong>in</strong>fordern mit der Begründung, die Anerkennung sei erloschen. Sollte e<strong>in</strong> solcher Fall bei Ihnen vorliegen,<br />

müssen Sie dr<strong>in</strong>gend anwaltliche Hilfe suchen. Sie sollten allerd<strong>in</strong>gs auch wissen, dass das Erlöschen der <strong>Asyl</strong>anerkennung<br />

nicht automatisch auch das Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zur Konsequenz<br />

hat. Hierüber muss die Ausländerbehörde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesonderten Verfahren<br />

entscheiden.<br />

Stand: März 2005<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Länder und Herkunftsländer<br />

Anerkennung e<strong>in</strong>er Ashkali-Familie <strong>in</strong> Baden-Württemberg<br />

Az.: A 13 K 12978104<br />

VERWALTUNGSGERICHT STUTTGART<br />

Im Namen des Volkes<br />

Urteil<br />

In der Verwaltungsrechtssache<br />

-Kläger<br />

prozessbevollmächtigt:<br />

Rechtsanwälte Baiker und Fozouni,<br />

Cannstatter Straße 117, 70734 Fellbach, Az: 03/00543 B/sf<br />

gegen<br />

-Beklagte<br />

Bundesrepublik Deutschland,<br />

vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge dieses vertreten durch den Leiter/die Leiter<strong>in</strong> der<br />

Außenstelle Reutl<strong>in</strong>gen des Bundesamtes,<br />

R<strong>in</strong>gelbachstr. 195/41, 72762 Reutl<strong>in</strong>gen, Az: 5 052 443-132<br />

wegen<br />

Abschiebungsverbot<br />

hat die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. März<br />

2005 durch<br />

die Vorsitzende Richter<strong>in</strong> am Verwaltungsgericht Schwäble als E<strong>in</strong>zelrichter<strong>in</strong><br />

am 22. März 2005 für Recht erkannt:<br />

Der Bescheid der Beklagten vom 10.09.2004 wird aufgehoben.<br />

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass im Fall des Klägers e<strong>in</strong> Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

AufenthG vorliegt.<br />

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.<br />

Tatbestand<br />

Der Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro und gehört der Volksgruppe der Ashkali an.<br />

Nach se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>reise im Jahre 1989 beantragte er mehrfach erfolglos se<strong>in</strong>e Anerkennung als <strong>Asyl</strong>berechtigter.<br />

Den zweiten Folgeantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtl<strong>in</strong>ge durch Bescheid<br />

vom 15.04.2002 ab, die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 09.12.2002 - A 8<br />

K 11139102 -).<br />

Mit Schreiben se<strong>in</strong>es Bevollmächtigten vom 23.09.2003 beantragte der Kläger die „Wiederaufnahme des Verfahrens<br />

gemäß § 53 AuslG" mit der Begründung, angesichts se<strong>in</strong>er jüngsten exilpolitischen Aktivitäten sei er im<br />

Fall der Rückkehr nach Serbien und Montenegro Leib und Leben gefährdenden Übergriffen durch albanische<br />

Volkszugehörige ausgesetzt.<br />

Durch Bescheid vom 10.09.2004 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtl<strong>in</strong>ge den<br />

Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 15.04,2002 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab.<br />

Gegen den am 13.09.2004 zugestellten Bescheid hät der Kläger am 15.09.2004 Klage erhoben.<br />

Er beantragt,<br />

den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtl<strong>in</strong>ge vom 10.09.2004 aufzuheben<br />

und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass e<strong>in</strong> Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG<br />

vorliegt.<br />

Die Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen.<br />

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben: Als leitendes Mitglied der PDASHK, die die Interessen<br />

der Ashkali vertrete, sei er <strong>in</strong> den beiden vergangenen Jahren mehrfach an hervorgehobener Stelle öffentlich<br />

aufgetreten. So habe er im Mai 2003 zwei Demonstrationen <strong>in</strong> Erfurt organisiert und geleitet. Dabei habe er <strong>in</strong><br />

öffentlichen Reden auf die Diskrim<strong>in</strong>ierungen und Gewalttaten h<strong>in</strong>gewiesen, denen die Ashkali durch die Albaner<br />

im Kosovo ausgesetzt seien. Diese Vorgänge seien auch von albanischen Spitzeln beobachtet worden. Außerdem<br />

habe er versucht, bei deutschen Entscheidungsträgern darauf h<strong>in</strong>zuwirken, dass Abschiebungen der<br />

Ashkali <strong>in</strong> den Kosovo angesichts der Situation dort unterblieben. Anlässlich der Demonstration <strong>in</strong> Erfurt sei er<br />

auch vom Vertreter des Innenm<strong>in</strong>isters empfangen worden und habe über die Vertreibungssituation im Kosovo<br />

berichtet. Im November 2003 habe er bei e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>istersitzung <strong>in</strong> Jena als Repräsentant se<strong>in</strong>er Gruppierung<br />

erneut deren Anliegen vortragen und erneut öffentlich darauf h<strong>in</strong>weisen müssen, dass die Menschenrechte der<br />

M<strong>in</strong>derheiten im Kosovo mit Füßen getreten würden. Nach den Ereignissen im März 2004 habe er e<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Versammlung <strong>in</strong> Stuttgart veranstaltet, auf der er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rede die damaligen Vorkommnisse und das Verhaften<br />

der Albaner verurteilt habe. Seit März 2004 vertrete er auch im Internet die Belange der Ashkali und<br />

weise auf das Unrecht h<strong>in</strong>, das die Albaner an ihnen beg<strong>in</strong>gen. Auf der Grundlage von Gesprächen mit nach<br />

1999 aus dem Kosovo geflohenen Ashkali erstelle er Berichte über die Vertreibungsmaßnahmen der Albaner,<br />

die über die Gesellschaft für bedrohte Völker veröffentlicht würden. Als Folge dieser und weiterer vergleichbarer<br />

Tätigkeiten habe er seit Ende 2003 viele anonyme Drohanrufe bekommen, <strong>in</strong> denen er mit dem Tod bedroht<br />

worden sei. Die Anrufer kenne er naturgemäß nicht, aus dem Inhalt der Gespräche ergebe sich aber, dass<br />

es Albaner seien, denen bekannt sei, dass er gegen Albaner öffentlich aufgetreten sei. Nach Mitteilungen, die er<br />

aus dem Kosovo habe, sei beabsichtigt, ihn zu elim<strong>in</strong>ieren, da er das Vorgehen der Albaner angeprangert habe.<br />

Das Gericht hat <strong>in</strong> der mündlichen Verhandlung außerdem den Flüchtl<strong>in</strong>gsbeauftragten des Erzbistums Freiburg,<br />

Nicolaus von Holtey, <strong>in</strong>formatorisch angehört.<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Wegen der weiteren E<strong>in</strong>zelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.<br />

Entscheidungsgründe<br />

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens e<strong>in</strong>es Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden,<br />

weil <strong>in</strong> der ordnungsgemäßen Ladung darauf h<strong>in</strong>gewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).<br />

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat e<strong>in</strong>en Anspruch auf Feststellung e<strong>in</strong>es Abschiebeverbots<br />

nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (früher: § 53 Abs. 6 Satz 1 AusIG), weil er im Fall der Rückkehr <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />

Heimatland e<strong>in</strong>er erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre.<br />

So besteht zunächst ke<strong>in</strong> Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben des Klägers über se<strong>in</strong> politisches<br />

Engagement für die Belange der Ashkali <strong>in</strong> den vergangenen beiden Jahren. Der Kläger hat hierüber <strong>in</strong> der<br />

mündlichen Verhandlung glaubhaft und widerspruchsfrei berichtet. Dabei ist er <strong>in</strong>sbesondere auch nicht der<br />

Versuchung erlegen, se<strong>in</strong>e Tätigkeit aufzubauschen, vielmehr war se<strong>in</strong> Vortrag sichtlich von Sachlichkeit und<br />

Zurückhaltung geprägt. Nach dem Vorbr<strong>in</strong>gen des Klägers steht für das Gericht auch fest, dass se<strong>in</strong> öffentlicher<br />

E<strong>in</strong>satz für die Belange der Ashkali, der aus se<strong>in</strong>er Sicht unausweichlich mit ebenso öffentlich geäußerter, massiver<br />

Kritik an dem Verhalten der albanischen Bevölkerungsmehrheit des Kosovo gegenüber dieser M<strong>in</strong>derheit<br />

verbunden war, unter den Albanern sowohl im Bundesgebiet als auch im Kosovo bekannt geworden ist und -<br />

bereits jetzt - zu den vom Kläger ebenfalls glaubhaft geschilderten Bedrohungen geführt hat. Schon vor diesem<br />

<strong>in</strong>dividuellen H<strong>in</strong>tergrund ist mit beachtlicher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit davon auszugehen, dass der Kläger im Fall<br />

der Rückkehr <strong>in</strong> den Kosovo Opfer von Racheakten <strong>in</strong>sbesondere albanischer Untergrundgruppen werden kann,<br />

aus deren Sicht er die Ehre der Albaner öffentlich und <strong>in</strong> hervorgehobener Position <strong>in</strong> den Schmutz gezogen hat.<br />

Diese E<strong>in</strong>schätzung hat auch der <strong>in</strong> der mündlichen Verhandlung <strong>in</strong>formatorisch gehörte Flüchtl<strong>in</strong>gsbeauftragte<br />

des Erzbistums Freiburg nachdrücklich und überzeugend vertreten. Angesichts der Gegnerschaft, die der Kläger<br />

auf sich gezogen hat, ließe sich die für ihn bestehende Gefahr auch nicht <strong>in</strong> relevanter Weise dadurch m<strong>in</strong>dern,<br />

dass er sich außerhalb des Kosovo <strong>in</strong> Serbien und Montenegro niederlässt.<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwG4, § 83 b Abs. 1 <strong>Asyl</strong>VfG.<br />

Rechtsmittelbelehrung:<br />

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgerichtshof Baden-<br />

Württemberg zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist <strong>in</strong>nerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des<br />

Urteils zu beantragen. Der Antrag ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart, Augustenstraße 5, 70178 Stuttgart oder<br />

Postfach 105052, 70044 Stuttgart, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag s<strong>in</strong>d<br />

die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn die<br />

Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von e<strong>in</strong>er Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts,<br />

des Bundesverwaltungsgerichts, des Geme<strong>in</strong>samen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts<br />

abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder e<strong>in</strong> <strong>in</strong> § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel<br />

geltend gemacht wird und vorliegt.<br />

Lässt der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt.<br />

Vor dem Verwaltungsgerichtshof muss sich jeder Beteiligte, soweit er e<strong>in</strong>en Antrag stellt, durch e<strong>in</strong>en Rechtsanwalt<br />

oder Rechtslehrer an e<strong>in</strong>er deutschen Hochschule im S<strong>in</strong>ne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung<br />

zum Richteramt vertreten lassen. Das gilt auch für das Stellen des Antrags auf Zulassung der Berufung<br />

beim Verwaltungsgericht Stuttgart, Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich<br />

auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst<br />

vertreten lassen.<br />

gez. Schwäble<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Streit über Abschiebung<br />

Druck auf Afghanen <strong>in</strong> Hamburg<br />

Hamburg · 2. Mai · jöb · Mit se<strong>in</strong>en Plänen, alle<strong>in</strong><br />

stehende afghanische Männer abzuschieben, stößt<br />

Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) auf<br />

massive Kritik. Die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete<br />

Antje Möller kritisierte die Darstellung Nagels,<br />

die Flüchtl<strong>in</strong>ge könnten <strong>in</strong> ihr Heimatland zurückkehren.<br />

Dies sei das Ergebnis se<strong>in</strong>er viertägigen<br />

Afghanistan-Reise, hatte Nagel gesagt. Dieses Ergebnis<br />

sei durch nichts zu belegen, erwiderte Möller.<br />

Laut Innenbehörde hatte sich der afghanische<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsm<strong>in</strong>ister Azam Dadfar bei Nagels Besuch<br />

"aufgeschlossen" gegenüber den Hamburger<br />

Plänen gezeigt, nun mit der Rückführung zu beg<strong>in</strong>nen.<br />

Dadfar sehe ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>dernisse für e<strong>in</strong>e<br />

Rückführung der ausreisepflichtigen Afghanen,<br />

hieß es. Die Gespräche seien "sehr positiv, offen<br />

und vertrauensvoll" gewesen, berichtete der<br />

Innensenator.<br />

Kabuler M<strong>in</strong>ister widerspricht<br />

Dem widerspricht der afghanische Flüchtl<strong>in</strong>gsm<strong>in</strong>ister<br />

nun im Spiegel. Dadfar sagte dem Hamburger<br />

Nachrichtenmagaz<strong>in</strong>, er halte Abschiebungen für<br />

kontraproduktiv und habe Nagel gebeten, darauf zu<br />

verzichten. In der Hamburger Innenbehörde kann<br />

man sich die widersprechenden Nachrichten nur als<br />

"Zuspitzung e<strong>in</strong>es Redakteurs" erklären oder als<br />

"Kehrtwende am Wochenende <strong>in</strong> Afghanistan", wie<br />

Nagels Sprecher sagte.<br />

Hamburg ist wegen langjähriger Handelsbeziehungen<br />

die deutsche Stadt mit den prozentual meisten<br />

Afghanen. E<strong>in</strong> Drittel der 15 000 hier lebenden<br />

Afghanen gilt laut Innenbehörde als ausreisepflichtig.<br />

Daher hatte die CDU-Regierung der Hansestadt<br />

<strong>in</strong> den Innenm<strong>in</strong>isterkonferenzen immer wieder<br />

darauf gedrungen, mit der Abschiebung bald zu<br />

beg<strong>in</strong>nen.<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge vorgeladen<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sollen nicht sofort alle 5000 Afghanen<br />

abgeschoben werden, sondern zunächst "etwa 200<br />

alle<strong>in</strong> stehende Männer zwischen 18 und 60 Jahren",<br />

so der Sprecher der Innenbehörde. Im März<br />

ließ die Behörde ausreisepflichtige Afghanen vorladen,<br />

um sie zu e<strong>in</strong>er freiwilligen Rückkehr zu bewegen<br />

und sie auf die anstehende zwangsweise<br />

Abschiebung h<strong>in</strong>zuweisen. 19 Straftäter s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen<br />

von Hamburg zwangsweise nach Afghanistan<br />

abgeschoben worden.<br />

In der Hansestadt stößt der parteilose Innensenator<br />

auf die Kritik e<strong>in</strong>es breiten Bündnisses aus Parteien,<br />

Kirchenkreisen und Mitarbeitern aus Flüchtl<strong>in</strong>gs<strong>in</strong>itiativen.<br />

Die haben nun die Grünen-Politiker<strong>in</strong> Möller<br />

und die Flüchtl<strong>in</strong>gspastor<strong>in</strong> der nordelbischen<br />

Kirche, Fanny Dethloff, auserkoren, um von Mittwoch<br />

an ebenfalls vor Ort die Lage <strong>in</strong> Afghanistan<br />

zu erkunden. Die große Hamburger Geme<strong>in</strong>de der<br />

Afghanen habe Angst vor e<strong>in</strong>er Rückkehr, sagte<br />

Möller. Die Flüchtl<strong>in</strong>gspastor<strong>in</strong> registrierte e<strong>in</strong>e<br />

deutlich steigende Nachfrage von Afghanen für den<br />

Schutz im Kirchenasyl.<br />

Copyright © Frankfurter Rundschau onl<strong>in</strong>e 2005<br />

Dokument erstellt am 02.05.2005 um 17:20:33 Uhr<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsdatum 03.05.2005<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Pro <strong>Asyl</strong><br />

PRO ASYL<br />

Presseerklärung<br />

19. März 2005<br />

Internationaler Antirassismustag<br />

PRO ASYL fordert: Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz nicht zu parteitaktischen<br />

Inszenierungen missbrauchen<br />

Anlässlich des Antirassismustages der Vere<strong>in</strong>ten Nationen am 21. März 2005 fordert PRO ASYL die Politik<br />

auf, die Schaffung e<strong>in</strong>es Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetzes nicht weiter zu torpedieren. Das geplante Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz<br />

dürfe nicht zwischen den parteipolitischen Interessen zerrieben werden. Das h<strong>in</strong>ter dem Gesetzesentwurf<br />

stehende Anliegen, vor Diskrim<strong>in</strong>ierung besser zu schützen, tauge nicht zu parteitaktischen Inszenierungen.<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierungen von hier lebenden Migrant<strong>in</strong>nen, Migranten und Flüchtl<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d traurige Realität. Noch<br />

immer werden Menschen zum Beispiel alle<strong>in</strong> wegen ihrer Hautfarbe von Arbeitgebern abgewiesen. Bei der<br />

Wohnungssuche werden Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten oftmals alle<strong>in</strong> schon wegen ihres nichtdeutsch kl<strong>in</strong>genden<br />

Namens aussortiert. Derartige Diskrim<strong>in</strong>ierungserfahrungen s<strong>in</strong>d für die Betroffenen demütigend und schließen<br />

sie von e<strong>in</strong>er gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aus. E<strong>in</strong> wirksames Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz ist<br />

deswegen e<strong>in</strong> wichtiges Instrument zur Überw<strong>in</strong>dung von Rassismus.<br />

Bei den von Union, der FDP und Teilen der SPD vorgebrachten E<strong>in</strong>wänden, das Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz<br />

beseitige die Vertragsfreiheit, befördere Bürokratie und vernichte Arbeitsplätze, handelt es sich um unsachliche<br />

Polemik.<br />

Wer die Vertragsfreiheit <strong>in</strong>s Felde führt, ignoriert, dass Opfer von Rassismus gerade nicht frei am Zivilrechtsverkehr<br />

teilnehmen können. Den Betroffenen werden die bürgerlichen Freiheiten vorenthalten, wenn ihnen aus<br />

rassistischen Motiven der Vertragsabschluss verweigert wird. Das Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz ist e<strong>in</strong> erster<br />

Schritt zu e<strong>in</strong>er liberaleren Gesellschaft, <strong>in</strong> der Individuen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft oder anderen<br />

unveräußerlichen Merkmalen gleich behandelt werden.<br />

Auch bei dem Bürokratievorwurf handelt es sich um bloße Polemik. Der Vorwurf richtet sich <strong>in</strong>sbesondere gegen<br />

die dem Arbeitgeber im Gesetzentwurf auferlegten Pflichten zur Vermeidung von Diskrim<strong>in</strong>ierung am Arbeitsplatz.<br />

Die Bestimmungen konkretisieren jedoch lediglich die aus menschenrechtlicher Sicht selbstverständliche<br />

Pflicht des Arbeitgebers, am Arbeitsplatz für Diskrim<strong>in</strong>ierungsfreiheit zu sorgen.<br />

Mit dem Versuch, das Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz für zunehmende Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen,<br />

sollen ganz offensichtlich soziale Ängste <strong>in</strong> der Bevölkerung gegen das Gesetz mobilisiert werden. PRO ASYL<br />

mahnt e<strong>in</strong>e sachliche Ause<strong>in</strong>andersetzung an und ruft die Kritiker des Gesetzes dazu auf, nicht länger auf denn<br />

Rücken der von Diskrim<strong>in</strong>ierungen Betroffenen parteipolitische Kalküle zu verfolgen.<br />

PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf, das Gesetz nicht nur als Pflichtübung zur Umsetzung von EU-<br />

Richtl<strong>in</strong>ien zu begreifen, sondern mit Überzeugung für e<strong>in</strong>e umfassende Antidiskrim<strong>in</strong>ierungspolitik zu sorgen.<br />

E<strong>in</strong> umfassender Ansatz zur Bekämpfung von Diskrim<strong>in</strong>ierung kann sich nicht nur auf den Privat- und Beschäftigungsbereich<br />

beschränken, sondern muss auch gegen staatliche Diskrim<strong>in</strong>ierung vorgehen. Daher müssen<br />

Gesetze abgeschafft werden, die M<strong>in</strong>derheiten diskrim<strong>in</strong>ieren und ausgrenzen. Hierzu gehören mit Blick auf<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge, Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten:<br />

- die Pflicht für <strong>Asyl</strong>suchende und Geduldete, e<strong>in</strong>en bestimmten Wohnbezirk nicht zu verlassen (s.g.<br />

Residenzpflicht),<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

denzpflicht),<br />

- sozialrechtliche Benachteiligungen für <strong>Asyl</strong>bewerber<strong>in</strong>nen, <strong>Asyl</strong>bewerber und Geduldete durch das <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetz,<br />

die zu e<strong>in</strong>em Leben unterhalb des Existenzm<strong>in</strong>imums führen,<br />

- das (faktische) Arbeitsverbot für <strong>Asyl</strong>suchende und Geduldete,<br />

- die Kopftuchverbotsgesetze für muslimische Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der Schule.<br />

PRO ASYL ruft anlässlich des <strong>in</strong>ternationalen Antirassismustages alle gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen<br />

dazu auf, sich für den Abbau von Diskrim<strong>in</strong>ierungen, Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit und Rassismus und für e<strong>in</strong><br />

wirksames Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

gez. Marei Pelzer<br />

Referent<strong>in</strong><br />

Vorlage von: Kar<strong>in</strong> Asboe, Stephan Dünnwald, Stefan Keßler,<br />

überarbeitet von Norbert Grehl-Schmitt<br />

Rückkehrberatung für Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

Thesenpapier für die Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Pro <strong>Asyl</strong><br />

1. Rückkehrberatung ist <strong>in</strong>tegrierter Bestandteil der Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung.<br />

Problemstellungen <strong>in</strong> der Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung umfassen regelmäßig asyl- und aufenthaltsrechtliche Fragen, <strong>in</strong>tegrative<br />

Aspekte und Fragestellungen zur Rückkehr. Die Beratung - <strong>in</strong>sbesondere bei Fragen zur Rückkehr -<br />

setzt den Aufbau e<strong>in</strong>es Vertrauensverhältnisses zwischen Ratsuchendem und Beratendem voraus. Dies dürfte <strong>in</strong><br />

der Regel dann gegeben se<strong>in</strong>, wenn schon zuvor durch die Beratenden Hilfestellungen im asyl- bzw. ausländerrechtlichen<br />

Verfahren geleistet worden s<strong>in</strong>d.<br />

2. Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung ist immer ergebnisoffene Perspektivberatung.<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung muss den jeweiligen Flüchtl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> die Lage versetzen, <strong>in</strong> voller Kenntnis der Sachlage über<br />

das weitere Vorgehen <strong>in</strong> der jeweiligen Problemstellung entscheiden zu können. Sie hat die Aufgabe, alle erforderlichen<br />

Informationen zu vermitteln, die im Spannungsfeld Aufenthaltsperspektive <strong>in</strong> Deutschland und Re-<br />

Integrationschancen im Herkunftsland oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Drittstaat von Bedeutung s<strong>in</strong>d. Rückkehrberatung als <strong>in</strong>tegrierter<br />

Bestandteil der Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung ist somit nicht zu verstehen als Gewährung von Rückkehrhilfen.<br />

3. Rückkehrberatung muss auf Freiwilligkeit und Unabhängigkeit beruhen.<br />

Rückkehrberatung als <strong>in</strong>tegrierter Bestandteil der Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung setzt die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme<br />

durch den Ratsuchenden und die Unabhängigkeit der Berater<strong>in</strong>nen voraus. Der Rat suchende Flüchtl<strong>in</strong>g<br />

ist <strong>in</strong> jedem Stadium Subjekt der Beratung. Das bedeutet unter anderem:<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

• Flüchtl<strong>in</strong>ge dürfen nicht (ausländer-, sozialrechtlich) gezwungen werden, e<strong>in</strong>e Rückkehrberatung <strong>in</strong> Anspruch<br />

zu nehmen.<br />

• E<strong>in</strong> isoliertes Angebot e<strong>in</strong>er Rückkehrberatung darf nicht zur Voraussetzung für die (öffentliche) Förderung<br />

e<strong>in</strong>er Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung gemacht werden.<br />

4. Rückkehrberatung setzt die Aneignung entsprechender Kenntnisse voraus.<br />

Die Beratenden müssen sich neben umfassendem ausländer-, sozial- und flüchtl<strong>in</strong>gsrechtlichem Detailwissen<br />

vor allem objektive rückkehrrelevante Informationen zum Herkunftsland und den Rahmenbed<strong>in</strong>gungen im deutschen<br />

Recht (z. B. Erlasslage) aneignen.<br />

5. Es darf ke<strong>in</strong>e isolierte öffentliche Förderung von Rückkehrhilfen geben.<br />

Rückkehrberatung setzt e<strong>in</strong>e entsprechende Professionalisierung (siehe These 4) voraus und ist gleichwohl nur<br />

s<strong>in</strong>nvoll im Rahmen e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung (siehe These 1). Aufbau bzw. öffentliche Förderung<br />

von Rückkehrhilfeprojekten macht deshalb nur dann S<strong>in</strong>n, wenn <strong>in</strong> gleichem Maße e<strong>in</strong>e unabhängige Flüchtl<strong>in</strong>gsberatung<br />

als Voraussetzung zur Durchführung von Rückkehrhilfeprojekten gefördert wird.<br />

6. Rückkehrberatung ist nur effektiv, wenn e<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong> Würde möglich ist.<br />

Ziel e<strong>in</strong>er effektiven Rückkehrberatung ist es, e<strong>in</strong>en Flüchtl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> die Lage zu versetzen, <strong>in</strong> voller Kenntnis der<br />

Sachlage e<strong>in</strong>e Entscheidung über se<strong>in</strong>e Zukunft fällen zu können. Dort, wo e<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>g ke<strong>in</strong>e Aufenthaltsperspektive<br />

<strong>in</strong> Deutschland (mehr) sieht, muss sie dazu beitragen, den Aufbau e<strong>in</strong>er eigenständigen Existenz im<br />

Herkunftsland zu ermöglichen. Dies setzt Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong> Würde voraus, die mehr<br />

se<strong>in</strong> muss als „Rückkehr ohne Abschiebung". Dazu gehören:<br />

• „Orientierungsreisen", d. h. kurzzeitige Aufenthalte im Herkunftsland zur Erkundung der dortigen<br />

Möglichkeiten und Verhältnisse, verbunden mit e<strong>in</strong>er Wiedere<strong>in</strong>reisemöglichkeit nach Deutschland;<br />

• aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten, die dem Flüchtl<strong>in</strong>g die notwendige Zeit zur Informationssammlung,<br />

Entscheidungsf<strong>in</strong>dung und -umsetzung geben;<br />

• die Möglichkeit und Bereitschaft bei Ausländerbehörden, auf die geme<strong>in</strong>sam von Flüchtl<strong>in</strong>g und Beratungsstelle<br />

ernsthaft getroffene und nachvollziehbar begründete Feststellung, e<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong><br />

das Herkunftsland sei unmöglich/unzumutbar, mit der Erteilung e<strong>in</strong>es Bleiberechts zu reagieren, 1<br />

• Rückkehrhilfen, wie<br />

• Ausbildungsangebote,<br />

• materielle Förderung zum Aufbau e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Existenz im Herkunftsland;<br />

• Übernahme von Rückreisekosten,<br />

• Vermittlung von Kontakten zu Anlaufstellen im Rückkehrland.<br />

1<br />

Es ist allerd<strong>in</strong>gs zu bezweifeln, dass das gegenwärtige Recht solche Möglichkeiten e<strong>in</strong>räumt.<br />

7. Rückkehrer s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e „Verräter".<br />

E<strong>in</strong>e Rückkehr kann von e<strong>in</strong>er Ausländerbehörde immer als „Präzedenzfall" gesehen und dazu genutzt werden,<br />

Druck auf andere Flüchtl<strong>in</strong>ge auszuüben. Für e<strong>in</strong> solches Verhalten muss sich aber immer die Ausländerbehörde<br />

rechtfertigen, nicht der Flüchtl<strong>in</strong>g, der sich zur Rückkehr entschlossen hat.<br />

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Infodienst <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Mai 2005<br />

Kirchenasyl<br />

Ökumenische Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> der Kirche<br />

BAG „<strong>Asyl</strong> <strong>in</strong> der Kirche" e. V • Berl<strong>in</strong>er Freiheit 16 - 53111 Bonn<br />

An den<br />

AK <strong>Asyl</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> Postfach 2851<br />

55516 Kreuznach<br />

Bonn, 23. März 2005<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

wir möchten Ihnen herzlich für Ihren Förderbeitrag und Ihre Unterstützung im letzten Jahr danken. Gleichzeitig<br />

möchten wir Sie über e<strong>in</strong>ige Veränderungen <strong>in</strong> der Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong>formieren.<br />

Seit September letzten Jahres gab es Veränderungen im Vorstand. Prof. Dr. Just hat nach vielen Jahren nicht<br />

mehr für den Vorstand kandidiert, bleibt unserer Arbeit, die er so entscheidend mit geprägt hat, allerd<strong>in</strong>gs eng<br />

verbunden.<br />

Als se<strong>in</strong>e Nachfolger<strong>in</strong> wurde ich, Pastor<strong>in</strong> Fanny Dethloff, gewählt. Ich arbeite als Flüchtl<strong>in</strong>gsbeauftragte der<br />

Nordelbischen Kirche und b<strong>in</strong> seit langem <strong>in</strong> der Kirchenasylbewegung <strong>in</strong> Nordelbien engagiert.<br />

Auch <strong>in</strong> der Geschäftsstelle gibt es e<strong>in</strong>en Wechsel. Beate Sträter wird ab dem 1. April e<strong>in</strong>e andere Stelle antreten<br />

und deshalb ausscheiden. Ihre Nachfolger<strong>in</strong> Verena Mittermaier wird ab dann die Geschäftsführung der<br />

Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft übernehmen. Unser Büro wird nach Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Jerusalems-Zentrum umziehen.<br />

Die neue Adresse lautet:<br />

L<strong>in</strong>denstr.85 <strong>in</strong> 10969 Berl<strong>in</strong><br />

Tel: 030-25898891, Fax: 030-25898964<br />

Unsere Bankverb<strong>in</strong>dungen und unsere e-mail werden gleich bleiben.<br />

Schließlich möchten wir sie noch herzlich zu unserer Bundestagung nach Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>laden. E<strong>in</strong> Programm haben<br />

wir beigelegt. Wir würden uns freuen, wenn Sie an unserer Tagung teilnehmen. In diesem Jahr wird es um e<strong>in</strong>e<br />

Auswertung der ersten Erfahrungen mit dem Zuwanderungsgesetz und den daraus zu entwickelnden Perspektiven<br />

gehen. Auch die Situation von Menschen ohne Papiere wird e<strong>in</strong> wichtiger Schwerpunkt der Tagung se<strong>in</strong>.<br />

Berl<strong>in</strong>er Freiheit 16 53111 Bonn<br />

Te1.: 0228/9650342 Fax.: 0228/9650343<br />

e-mail <strong>in</strong>fo@kirchenasyl.de<br />

Bankverb<strong>in</strong>dung:<br />

Bank für Kirche und Diakonie<br />

BLZ 350 601 90 Kto.-Nr. 1013169019<br />

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