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Infodienst Nr. 68 - Pfarramt für Ausländerarbeit

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Asyl in Rheinland-PfalzMahnwache vor dem Innenministerium in Mainzam 28.06.2006 zum Thema Bleiberecht<strong>Infodienst</strong> des Arbeitskreis-Asyl Rheinland-PfalzAusgabe <strong>Nr</strong>. <strong>68</strong>, September 2006


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006<strong>Infodienst</strong>Asyl in Rheinland-PfalzAusgabe September 20061


IMPRESSUMHerausgeberSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzArbeitskreis Asyl Rheinland-PfalzPostfach 28 5155516 Bad KreuznachTel.: 06 71 / 84 59 152Fax: 06 71 / 84 59 154E-Mail: info@asyl-rlp.orgHomepage: www.asyl-rlp.orgAnschrift:Kurhausstraße 855543 Bad Kreuznach„Asyl in Rheinland-Pfalz“ wird als Projekt vomEuropäischen Flüchtlingsfonds (EFF) finanziellgefördert.Der Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz wird finanziellgefördert von der Landesbeauftragtenfür Ausländerfragen bei der StaatskanzleiRheinland-Pfalz, Frau Maria Weber und der bundesweitenArbeitsgemeinschaft PRO ASYL.KoordinierungsgruppeMalteser Hilfsdienst MainzBehrouz AsadiParcusstr. 755116 MainzTel.: 061 31 / 22 60 42Mobil: 01 71 / 22 79 232Fax: 061 31 / 23 04 13E-Mail: fbmainz@aol.comFlüchtlingsrat MainzPierrette OnangoloMobil: 0170 / 83 34 536E-Mail: onawok@gmx.deFlüchtlingsrat MainzBernd DrükeE-Mail: spunkt@gmx.deDiakonisches Werk PfalzManfred AselKarmeliterstraße 2067342 SpeyerTel.: 062 32 / 66 42 62Fax: 062 32 / 66 42 422E-Mail: manfred.asel@diakonie-pfalz.de<strong>Pfarramt</strong> für AusländerarbeitSiegfried PickPostfach 285155516 Bad KreuznachTel.: 06 71 / 84 59 15 - 2Fax: 06 71 / 84 59 15 - 4E-Mail: S.Pick@asyl-rlp.orgEv. Dekanat Mainz,Flüchtlings- und MigrantenhilfeGisela ApitzschKaiserstrasse 3755116 MainzTel.: 061 31 / 96 00 426E-Mail: apitzsch.g@web.deZentrum für selbst bestimmtes Leben BehinderterIsmael SackanRheinstr. 43-4555116 MainzTel.: 061 31 / 14 67 45 35E-Mail: i.sackan@zsl-mainz.deHumanitäre Hilfe für Flü. IngelheimKarin Mehandru & Ingrid MeyerIm Schneckenbangert 1955263 WackernheimTel.: 061 32 / 44 03 60Fax: 061 32 / 44 03 60E-Mail: humanitaere.hilfe@gmx.de2Diakonisches Werk Mainz-BingenUli SextroBeratungszentrum IngelheimBinger Str. 21855218 IngelheimTel.: 061 32 / 789 411Fax: 061 32 / 789 410E-Mail: u.sextro@diakonie-mainz-bingen.de


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzInhaltSeptember 2006Das Wichtigste in Kürze 4Bleiberecht 5Position von Innenminister Bruch zum Bleiberecht 5Flüchtlingsrat Berlin: Abschiebestopp in Berlin 5Position des Innenministers von Sachsen-Anhalt zum Bleiberecht 6Artikel zur Kettenduldung 7Synopse zur Frage des Moratoriums in den einzelnen Bundesländern 9Standpunkt Wolfgang Schäuble 10Krieg imLibanon 13Brief an Bruch, Abschiebestop für den Libanon 13PE, Abschiebestop für den Libanon gefordert 14Brief an AK Asyl, Aussetzung von Abschiebungen in den Libanon 14Artikel: Informationsveranstaltung zur Lage im Libanon 15Lösungsansätze zum Konflikt 16Abschiebung 20ProAsyl: Abschiebehaft verletzt Menschenrechte 20Zusammenstellung zur Rückkehrberatung 21Verständnis der Landesregierung “Rückkehrberatung” 21Zuwanderungsgesetz 22Kommentar zum Evaluationsbericht zum Zuwanderungsgesetz 22Asylrecht 23OVG: Terminsaufhebung in den Berufungsverfahren 23OVG: Schiiten im Irak nicht mehr politisch verfolgt 23OVG: Kein Asylrecht für irakische Christen 24OVG: Urteile zum Widerruf des Asylstatus aus dem Irak 25Duldung als Straftatbestand 26Kosovo 28Rückführungen in das Kosovo 28Gesundheit spielt keine Rolle mehr 29Resümee der Kosovoreise 30Zahlen & Statistiken zu Flüchtlingen & Geduldeten 32Europas Grenzen 34ProAsyl: Eine kritische Beschreibung der Sachstände 34Unfaire Gerichtsverfahren dauern an 40Weltweit 41Demokratische Republik Kongo - monatlich 38.000 Tote! 41Aktualisierung des Artikels 43Termine und Sonstiges 443 Anlagen3


September 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzDas Wichtigste in KürzeBleiberecht?„Hohe Hürden vor Bleiberecht für Geduldete“ (Frankfurter Rundschau vom 23. 9. 06)Das Spitzentreffen von Innenpolitikern von Bund und Ländern am 22. 9. erbrachte keine Einigung für dieBleiberechtsregelung. Weit liegen die Vorstellungen noch auseinander.Die CDU-Innenminister wollen eine restriktive Lösung. Niedersachsen will nur eine Lösung für Familien mitschulpflichtigen Kindern. Andere Fordern ungekündigte Arbeitsverhältnisse, die den Lebensunterhalt derFamilie komplett absichern. Vielleicht gibt es eine Einigung für eine Übergangsfrist in der eine Arbeit aufgenommenwerden muss.Fazit: Bis November muss weiter Druck von unten gemacht werden. Wir bitten die Initiativen, Briefe an denInnenminister (siehe Einlage) und enstprechende Briefe auch an Abgeordnete von Bund und Land zuschreiben. Wichtig wäre auch, konkrete Fälle aus der lokalen Arbeit zu benennen.Zeitungen könnten gebeten werden, über Einzelfälle und unsere Anliegen einer weitgehenden humanitärenRegelung zu berichten.Wenn wir von neueren Entwicklungen erfahren, werden wir die Infos weitergeben.Abschiebehaft IngelheimGerade einmal dreissig Häftlinge, die meisten davon aus dem Saarland, sitzen in derzeit in der Abschiebehaft,für sie werden 150 Haftplätze bereitgehalten. Zeit, dass das Land die Einrichtung dicht macht. AmEnde sind die Wärter unter sich.Vorschlag an das Innenministerium: Abschiebehaft rechtzeitig abschaffen!Ausreisezentrum TrierIm Ausreisezentrum sind ebenfalls nur wenige Personen anzutreffen., obwohl offiziell 40 abgelehnteFlüchtlinge zugewiesen sind. Nachdem die Gerichte die Unterbringung von Familien untersagt hatten,greifen die Behörden zu einem Trick: Es werden die Familienväter in Trier kaserniert, die Frau „darf“ mitihren Kindern in der lokalen Unterbringung bleiben.Auch hier müssen wir uns wiederholen: Herr Bruch, machen Sie endlich das Ausreisezentrum dicht!Landesinitiative Rückkehr 2005Rückkehr freiwillig oder als zwangsweise freiwillige Alternative zur Abschiebung?Die „Landesinitiative Rückkehr 2005“ will bei der Förderung der „freiwilligen“ Ausreise von abgelehntenFlüchtlingen „durch eine Kombination von harter Konsequenz und Hilfen für eine Rückkehr“ Erfolge erzielen(s. unten). Der Grad der Freiwilligkeit ist damit in vielen Fällen sehr gering. Zum Erfolg beitragen sollennun Stellen zur Rückkehrberatung von Diakonie, Caritas AWO und MHD, die mit Kommunen Vereinbarungenzur Übernahme von Beratung der Rückkehrer getroffen haben. Diese Vereinbarungen scheinen unterschiedlichauszufallen, so das Ergebnis des Plenums vom 22. 9.„Freiwillige“ Rückkehr wird zu einem schillernden, unpräzisen Begriff. Es werden sowohl Flüchtlinge gefördert,die aus freier Entscheidung in ihre Heimat zurückkehren wollen als auch solche, die nur die Wahlhaben zwischen Abschiebung und unfreiwilliger Ausreise unter dem Begriff „freiwillig“. Erstaunlich: AuchAusländer mit Niederlassungserlaubnis werden aus den Mitteln gefördert. Warum das geschieht, ist rätselhaft.Muß das Innenministerium Erfolge vorweisen?Der Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz schlägt vor, dass die Verbände gemeinsam definieren, was sie unterfreiwilliger Rückkehr verstehen –oder ihre Arbeit unter anderen Begriffen firmieren lassen. Wir schlageneinen Wettbewerb vor, geeignete Begriffe zu finden – jenseits von Euphemismen.4


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006BleiberechtBleiberechtRhein-Zeitung:Position von Innenminister Bruch zum BleiberechtBruch: Bleiberecht menschlich regelnEnde der „Kettenduldung“ nach SozialprognoseRHEINLAND-PFALZ. Anderthalb Jahre nach Inkrafttretendes Zuwanderungsgesetzes steht eine, Regelungfür die sogenannten; ‚Kettenduldungen“ noch aus. InnenministerKarl Peter Bruch (SPD) schlägt vor, dieAufenthaltserlaubnis für „Altfälle“ an eine positive Sozialprognosezu knüpfen.Dabei geht es häufig um Flüchtlinge und abgelehnteAsylbewerber, die schon lange in Deutschland sind undderen Kinder hier aufwachsen. Bundesweit leben rund200 000 Menschen im Status der Duldung, in Rheinland-Pfalz6000. Sie sind ausreisepflichtig, können aberwegen Krankheit, drohender Verfolgung oder Bürgerkriegin ihrer Heimat nicht abgeschoben werden. BundesinnenministerWolfgang Schäuble (CDU) hat sich füreine humane Lösung ausgesprochen.Die Länder-Innenminister beraten im November. Familienmit minderjährigen Kindern sollen nach sechs Jahrenbleiben dürfen. Strittig ist der GesichtspunktSozialhilfe:Die Minister von Bayern und Niedersachsen, Günther_______________________Rhein-Zeitung (04.09.2006 )Beckstein (CSU) und Uwe Schünemann (CDU), wollenein Bleiberecht nur für jene, die keine Sozialleistungenerhalten. Bruch ist gegen eine starre Regel. Geduldetedürfen nur arbeiten,wenn für die Stelle kein Deutscheroder EU-Ausländer bereit steht.Bruch will weg von „Entscheidungen nach Aktenlage1‘‘ und in direkten Gesprächen beurteilen lassen, wiegut die Betreffenden integriert sind und welche Zukunftsperspektivensie haben. Straftäter werden aber„konsequent und strikt abgeschoben“, so Bruch. Rund750 waren es im vergangenen Jahr.Der Arbeitskreis Asyl fordert schon lange ein „Ende derunseligen Kettenduldungen“, so Siegfned Pick, Pfarrerfür Ausländerarbeit. Er hält die Sechs-Jahres-Frist fürzu lang: Familien sollten nach drei Jahren bleiben. Anerkennendvermerkt er, dass das Land die Spielräumedes Zuwanderungsgesetzes nutzt und bisher 3000 Aufenthaltsgenehmigungenfür Personen erteilt hat, die seitacht bis zehn Jahren hier leben. (ren)Abschiebestopp in BerlinFlüchtlingsrat BerlinBerlin erlässt Abschiebestopp bis zu einer BleiberechtsregelungPresseerklärungVorläufiger Abschiebungsstopp für Flüchtlingsfamilien und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Hinblickauf die bei der Innenministerkonferenz im November 2006 erwartete Bleiberechtsrege-lungBerlins Innensenator hat die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 28.06.06 angewiesen, einen Abschiebungsstoppfür langjährig geduldete Flüchtlingsfamilien zu erlassen (Wortlaut siehe unten).Alleinstehende sowie Familien, bei denen alle Kinder inzwischen volljährig geworden sind, sind - unabhängigvon ihrer Aufenthaltsdauer und Integration in Berlin vom Abschiebungsstopp nicht erfasst.Die Weisung der Berliner Ausländerbehörde vom 18.07.06 setzt den Abschiebungsstopp auf Seite 164 f.um, lässt den Anwendungsbereich aber durch zusätzliche, problematische Ausschlussklauseln im Ergebnisunklar (1c 3. Spiegelstrich).5


BleiberechtSenatsverwaltung für InneresI B 2 – 0345/60a28. Juni 2006Landeseinwohneramt Berlin- IV -September 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzAusländer, deren Aufenthalt über einen längeren Zeitraum geduldet wurdeDie Innenministerkonferenz wird voraussichtlich im Spätherbst 2006 eine Altfallregelung beschließen. Ummöglicherweise betroffene Personen nicht vorher abzuschieben, ordne ich gemäß § 60 a Abs. 1 AufenthGFolgendes an:Die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und Ausländern mit langjährig geduldetem Aufenthalt, dievollziehbar ausreisepflichtig sind und die mit mindestens einem minderjährigen Kind in häuslicher Gemeinschaftleben und die vor dem 1. Juni 2000 eingereist sind, wird bis zum 31. Dezember 2006 ausgesetzt.Miteinbezogen werden die während des Aufenthaltes volljährig gewordenen Kinder.Das Gleiche gilt für abgelehnte Asylbewerber sowie Ausländer, deren Aufenthalt bisher geduldet wurde, dievor dem 1. Juni 2000 als allein stehende Minderjährige eingereist sind.Den betroffenen Personen sind Duldungen zu erteilen.Ausgenommen von dieser Regelung sind Ausländer, die Ausweisungsgründe nach §§ 53, 54 und 55 Abs. 2<strong>Nr</strong>. 1-5 und 8 AufenthG (hierzu gehören auch die GE-Ident-Fälle) erfüllen sowie Ausländer, die rechtskräftigzu einer bzw. mehrerer Geldstrafen von insgesamt mehr als 90 Tagessätzen bzw. zu einer bzw. mehrerer Freiheitsstrafenvon insgesamt mehr als drei Monaten verurteilt worden sind. Bei mehrfachen Verurteilungensind die verhängten Einzel- bzw. Gesamtstrafen zu addieren.Ausländer, die unter diese Regelung fallen und noch laufende Verwaltungsstreitverfahren betreiben mit demZiel, eine Duldung zu erhalten, sind zunächst aufzufordern, die Streitverfahren durch Rücknahme zu beenden.Im AuftragDr. Vetter[Weisung der Ausländerbehörde: http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_pe.php?sid=302]Position des Innenministers von Sachsen-Anhalt zuBleiberechtAus dem PRO ASYL Newsletter 113Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. hat sich Anfang Mai 2006 an den Innenminister von Sachsen-AnhaltHolger Hövelmann gewandt und seine Unterstützung bei der Schaffung einer Bleiberechtsregelung für langjährigGeduldete eingefordert.Der Innenminister hat mit seinem Antwortschreiben vom 7. Juni 2006 bekräftigt, dass er sich im Herbst 2006bei der nächsten IMK für eine aufenthaltsrechtliche Regelung für langjährig Geduldete einsetzen wird.Aus dem Antwortschreiben des Ministers:„Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat sich die Innenministerkonferenz (IMK) bereits mehrfach mit der Frageeines Bleiberechts für langjährig Geduldete befasst. Die IMK stellte auf ihrer Sitzung im Dezember 2005 fest,dass mit dem Zuwanderungsgesetz Regelungen zur Lösung von Härtefällen im humanitären Bereich geschaffenwurden. Gleichwohl beschloss die IMK, das Zuwanderungsgesetz anhand der Anwendungspraxiszu evaluieren und zu klären, ob weitere Regelungen zur Lösung humanitärer Probleme notwendig sind. DieEvaluierung soll im Sommer dieses Jahres abgeschlossen sein. Auf dieser Grundlage wird das Thema dannerneut auf der Herbst-IMK behandelt werden. Auch ich sehe die Notwendigkeit einer aufenthaltsrechtlichen6


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006BleiberechtRegelung für langjährig Geduldete, die sich in die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse integrierthaben. Dies gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, die in Deutschland geboren oder aufgewachsensind. In diesem Sinne werde ich mich auf der Herbst-IMK einsetzen. Eine Diskriminierung vonFlüchtlingskindern gegenüber anderen Kindern aufgrund des Vorbehalts zur Kinderrechtskonvention vermagich hingegen nicht zu erkennen.“Die Rhein-PfalzArtikel zur KettenduldungVon unserer RedakteurinAnne-Susann von EhrLeben im Drei-Monats-Rhythmus200 000 Ausländer in Deutschland mit dem Status der Duldung– Ausweisung jeden Tag möglichNoch in diesem Jahr sollen Ausländer, die seit Jahren ohne rechtlichen Status in Deutschland leben, ein sicheresBleiberecht erhalten. Das jedenfalls stellt Bundesinnenminister Schäuble in Aussicht. Etwa 200.000Menschen leben als geduldete Ausländer in der Bundesrepublik. Mit welchen Problemen, Ängsten und bürokratischenHürden die Betroffenen zu kämpfen haben, zeigt das Beispiel einer Familie aus dem Kosovo.Seit einem Monat darf Sali Dervisevic wieder arbeiten.19 Monate lang war der Bosniake aus dem Kosovo zumNichtstun verurteilt, da man seine Duldung nicht verlängertund ihm somit auch die Arbeitserlaubnis entzogenhatte. Als Kriegsflüchtling kam der 33-Jährige mitFrau und Sohn im Frühjahr 2000 nach Deutschland,nach Frankenthal. Ein Asylantrag wurde abgelehnt. Seitdemlebt die inzwischen vierköpfige Familie wie200.000 andere Ausländer in Deutschland im dauerhaftenWartezustand. Rund 6000 sind es in Rheinland-Pfalz.Was Duldung heißt, liest sich auf dem Aufdruck des vonder Ausländerbehörde ausgestellten Dokumentes so:„Aussetzung der Abschiebung (Duldung).“ „Kein Aufenthaltstitel!Der Inhaber ist ausreisepflichtig!“ Wer diesenAusweis besitzt, ist zwar legal in Deutschland, abernicht gewollt. Ein Leben im Drei- oder Sechs-Monats-Rhythmus. Mit der Ausweisung muss immer gerechnetwerden, jeden Tag.Für Familie Dervisevic kam dieser Tag Ende 2004 –„nicht zum ersten Mal“, wie Sali Dervisevic berichtet. Ineinem Schreiben forderte die Ausländerbehörde Frankenthaldie Familie auf, bis zum 1. März 2005 „freiwilligauszureisen“. Anlass war ein Hinweis desrheinland-pfälzischen Innenministeriums vom Sommer2004, dass nun unter anderem die Minderheit der Bosniaken„wieder zurückgeführt“ werden könne. Aberwohin soll die Familie gehen? In ihrer Heimat, im WestenKosovos, gehören die Dervisevics zur Minderheitder Bosniaken, die Serbisch sprechen und Moslemssind. Und sie sind nach der Schilderung Dervisevics denSchikanen und der Gewalt der Kosovaren und der dortlebenden Serben ausgesetzt. Auch der Sondergesandtedes UN-Generalsekretärs hat Ende 2005 in einem Berichtgeklagt, dass die Lage im Kosovo nach wie vor äußerstangespannt sei. Eine Chance auf Asyl inDeutschland haben Flüchtlinge aus (dem früheren) Serbien-Montenegrotrotzdem nicht. Ihre Anerkennungsquotelag 2005 bei 0,15 Prozent. Denn die deutscheRechtsprechung geht meist davon aus, dass das UN-Mandat eine politische Verfolgung ausschließt.Mit 20 Jahren mitten im KriegDervisevic hingegen fürchtet bei einer Rückkehr in denKosovo um sein Leben. Selbst ein Foto von sich in derZeitung lehnt er ab. Er sieht für sich ein Abschiebehindernisnach Paragraph 60 des Aufenthaltsgesetzes: „eineerhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit“.Als Beweis zieht er einen Ordner hervor, in den eraus der Heimat geschickte Zeitungsausschnitte abgeheftethat: Berichte über rassistische Gewalttaten an Bosniaken,die Artikel über den Mord an seinem früherenNachbarn.Dazu kommt: Der Familienvater leidet unter einer aus-7


BleiberechtSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-Pfalzgeprägten posttraumatischen Belastungsstörung, diesich unter anderem in schweren Depressionen bemerkbarmacht. Das haben ihm verschiedene Gutachter bescheinigt.Über die Gründe spricht er nicht gerne. Zuviel komme dann wieder hoch, sagt er. Nur soviel: Mit18 Jahren wurde er in die serbische Armee eingezogen,mit knapp 20 war er mitten im Krieg. Nur Stichwortekommen ihm über die Lippen: tote Kinder, unsäglichesLeid, Gräueltaten, Landsleute, die aufeinander schießenmussten ...Sali Dervisevic ist trotz oder wegen dieser Vergangenheiteine Kämpfernatur, gibt nicht auf, weiß um seineRechte. Womit er sich vor allem bei den Behörden keineFreunde gemacht hat. Zum wiederholten Male schalteteer einen Rechtsanwalt ein – die Duldung wurde verlängert.Nun darf er auch wieder arbeiten. „Übrigens beiderselben Firma wie vor dem Entzug der Arbeitserlaubnis“,wirft er ein. Für den Trockenbauer ist es „unerträglich“,von staatlichen Leistungen abhängig zu sein. Sohat er bereits ein Jahr nach seiner Flucht nach Deutschland,als es ausländerrechtlich erstmals möglich war,einen Job gesucht.Kein leichtes Unterfangen, da für Menschen mit Duldungsstatusdas so genannte Nachrangigkeitsprinzipgilt. Danach bekommen Nicht-EU-Mitglieder eineStelle erst dann, wenn kein EU-Bürger dafür zu findenist. Die Prüfung ist so aufwändig, dass sie viele Arbeitgeberabschreckt. Doch Sali Dervisevic wurde fündigbei einem Bauunternehmen in der Region, dem dieserAufwand nicht zu groß war. Bei dieser Firma arbeiteteer bis zu besagtem Tag, als das Schreiben kam, mit demer zur Ausreise aufgefordert wurde. „Wir zahlten in dieserZeit alles selbst – Miete, Lebensunterhalt, Auto. Mitmeinem Lohn konnten wir gut leben“, darauf legt derFamilienvater Wert.Und die Familie aus dem Kosovo zählt zu den Tausendenvon Geduldeten, die sich integriert haben – undzwar notgedrungen ohne Sprach- und Integrationskurs.Denn darauf haben Ausländer ohne rechtlichen Statuskeinen Anspruch. Ihr Deutsch habe sie durch Bekannteund Freunde gelernt, erzählt Emira Dervisevic (28)._____________________Die Rheinpfalz (3.8.2006)Diese Deutschen unterstützen die vier auch. Eine Muttergibt beispielsweise dem Sohn Nachhilfe, der jetzt in diefünfte Klasse kommt und bei dem es mit der Rechtschreibunghapert. Andere haben in der Zeit der Arbeitslosigkeit,als die Familie mit Lebensmittelgutscheinenüber die Runden kommen musste, daseine oder andere Mal einen vollen Einkaufskorb vorbeigebracht.„Das werden wir nie vergessen“, sagt das Ehepaar.Einer, der der Familie vor allem im Umgang mit den Behördenzur Seite steht, ist Manfred Asel, Referent fürMigrationbeim Diakonischen Werk Pfalz. Er fordert fürdie Dervisevics ein Bleiberecht. Und er sieht durchausChancen. Denn Rheinland-Pfalz habe, nachdem das Zuwanderungsgesetzin Kraft getreten war, den Ausländerbehördenneue Ermessensspielräume eingeräumt. Sohätten aufgrund Paragraph 25 des Aufenthaltsgesetzesim vergangenen Jahr 2000 Ausländer eine Aufenthaltserlaubniserhalten. In dem Paragraphen heißt es, derStaat solle die subjektive Situation der Flüchtlinge stärkerbewerten als die objektive. Soll, nicht muss.Zwischen Hoffen und BangenAsel pocht wie viele Menschenrechtsgruppen und Wohlfahrtsverbändeauf ein Bleiberecht für Menschen, dieseit mehreren Jahren in Deutschland leben, Integrationsleistungenerbracht haben und für traumatisierte Kriegsopfer.Hoffnung, dass sich etwas tut, verbindet Asel mitder Absicht der rheinland-pfälzischen Regierung, sichbei der nächsten Innenministerkonferenz für eine Altfallregelung,für ein Bleiberecht für lange in Deutschlandlebende Flüchtlinge, einzusetzen.Sali Dervisevics Duldung gilt vorerst bis Oktober. Fürihn und seine Familie bedeutet das: Weiterleben zwischenHoffen und Bangen.8


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006BleiberechtAsyl Newsvom 15.08.2006Synopse zur Frage des Moratoriums in den einzelnen Bundesländernin Bezug auf eine BleiberechtsregelungABSCHIEBEN ODER NICHT- DIE AKTUELLEN VERFAHREN IN DENEINZELNEN BUNDESLÄNDERN -Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will die "Altfallregelung"im Herbst auf den Tisch bringen. Bis dahinschieben die Bundesländer ab - oder auch nicht.Gesetz gebe, werden auch die Verwaltungsvorschriftengeändert. Bis dahin: Abschiebung.Hamburg:Die Inhaber so genannter Kettenduldungen sind nachAuffassung der Innenbehörde zur Ausreise verpflichtet.Die Abschiebung werde nicht ausgesetzt.Die so genannte Altfallregelung ist in vielen Bundesländernumstritten. Familien, die seit Jahren in Deutschlandleben, die hier arbeiten, deren Kinder zur Schule gehen,werden nach jetziger Rechtslage oft nach Jahren in einLand abgeschoben, zu dem die Brücken abgebrochensind. Doch zeichnet sich vorsichtiges Umdenken ab. ImHerbst wollen die Innenminister neu beraten. Bis derenVorstellungen Gesetz werden, entscheiden die Innenministerder Bundesländer. Abschieben oder Abwarten, dasist hier die Frage.Baden-Württemberg:Einen Abschiebestopp gibt es nicht, auch wenn in Einzelfällenflexibel entschieden werden könne. Eine entsprechendeEmpfehlung an die 44 Ausländerbehördenim Land, Abschiebungen auszusetzen, wurde nicht ausgesprochen.Bayern:Eine Aussetzung der Abschiebung hält der Freistaat für"das falsche Signal". Noch wisse niemand, in welchemUmfang für welchen Personenkreis eine Neuregelungkomme. Bis dahin bleibt alles beim Alte: Abschiebung.Berlin:Bei einer ganzen Reihe von Ausreisepflichtigen hat derSenat die Abschiebung bis zum 31. Dezember ausgesetzt.Ausgenommen sind Ausländer, die rechtskräftigverurteilt worden sind.Brandenburg:Dort hält man an der Abschiebung fest. Eine einseitigeVorfestlegung sei schädlich. Sie erschwere eine Einigungund wecke bei den Betroffenen möglicherweisefalsche Hoffnungen, glaubt das Innenministerium.Bremen:Das Verfahren bleibt wie gehabt. Erst wenn es ein neuesHessen:Ein Abschiebestopp gibt es nicht. Man wolle keine falschenHoffnungen wecken.Mecklenburg-Vorpommern:Menschen, die länger als sechs Jahre in Deutschlandleben, die ihren Unterhalt selbst verdienen können undsich nichts zuschulden kommen ließen, werden vorerstnicht mehr abgeschoben. Das hat Innenminister GottfriedTimm (SPD) Ende vergangener Woche den Ausländerbehördenmitgeteilt.Niedersachsen:Abschiebungen, die rechtskräftig sind, werden auchvollzogen.Nordrhein-Westfalen:Eine Übergangsregelung gibt es nicht. Es wird abgeschobenwie gehabt.Rheinland-Pfalz:Die Ausländerbehörden haben großen Ermessensspielraum.Sprechen integrationspolitische oder humanitäreGründe dafür, sollen die Ämter zugunsten von Ausländernentscheiden.Saarland:Man wartet ab. Dem Ergebnis der Innenminister sollnicht vorgegriffen werden. Zur Ausreise verpflichteteAusländer müssen das Land verlassen.Sachsen:Es gibt keinen allgemeinen Abschiebungsstopp für potenziellBegünstigte. Allerdings hat das Innenministeriumdie Ausländerbehörden aufgefordert, jedenEinzelfall zu prüfen.9


BleiberechtSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSachsen-Anhalt:Eine Änderung der jetzigen Bleiberechtsregelung hältdas Bundesland für nötig. Weil aber nicht absehbar sei,ob und in welcher Form diese kommt, schiebt Sachsen-Anhalt vorläufig weiter ab.Schleswig-Holstein:Solange keine Konturen einer Neuregelung sichtbarsind, werden keine Vorgriffsregelungen erlassen. Ausländermüssen das Land verlassen. Doch wird demVotum der Härtefallkommissionen große Beachtung geschenkt.Innenminister Ralf Stegner (SPD) hofft, dasseine Neuregelung den "hartherzigen und beschämenden"Umgang mit lange in Deutschland lebenden Menschenbeendet.Thüringen:Ein genereller Abschiebestopp für lange Zeit Geduldetekommt für Thüringen nicht in Frage. Zu unklar sei eine"hypothetische Bleiberechtsregelung".Heidenheimer Zeitung vom 15.08.2006 (ELISA BETH ZOLL)Standpunkt Bleiberecht, Wolfgang SchäubleBundesministerium des Innern, Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble,MdBAntwortbrief an den Vorstand des Diakonischen Werkes der EKDDR. WOLFGANG SCHÄUBLE, MdBBundesminister des InnernMitglied des Vorstands desDiakonischen Werkes derEvangelischen Kirche in Deutschland e. V.Herrn Dr. Bernd SchlüterPostfach 33 02 2014172 BerlinBerlin, den September 2006Sehr geehrter Herr Dr. Schlüter,für Ihr Schreiben vom 16. August 2006, in dem Sie sich gemeinsam mit Herrn Prof. Dr. Georg Cremer mit demEvaluierungsbericht meines Ministeriums zum Zuwanderungsgesetz auseinandersetzen, danke ich Ihnen.10


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006BleiberechtDer Eva1uierungsbericht deckt das gesamte Spektrum des Zuwanderungsrechts von der Erwerbstätigkeitund der Ausbildung der Zuwanderer über die humanitären Aufenthalte, den wichtigen Bereich der Integrationbis hin zu den auch notwendigen ordnungsrechtlichen Bereichen ab. Insbesondere zu dem Thema der Integrationder Zuwanderer, das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, werden dem Gcsetzgeber wichtigeEmpfehlungen an die Hand gegeben.Wie in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD vom 11. November 2005 vereinbart, wurdeim Rahmen der Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes überprüft, ob eine befriedigende Lösung des Problemsder Kettenduldungen erreicht worden ist und ob alle humanitären Probleme, insbesondere mit Blickauf in Deutschland aufgewachsene Kinder, befriedigend gelöst sind. Die Innenministerkonferenz hat beschlossen,eine Arbeitsgruppe auf Ministerebene einzurichten, die sich mit der gesamten Problematik befassenund gegebenenfalls Verfahrensvorschläge entwickeln wird.Auf Vorschlag des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz wurde zunächst die Evaluierung desZuwanderungsgesetzes abgewartet, um auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse zu einer angemessenenund praxisgerechten Lösung kommen zu können.Vor dem Hintergrund der mit einer Bleiberechtsregelung verbundenen vielfältigen Auswirkungen ist ein abgestimmtesVorgehen von Bund und Ländern notwendig. Aus meiner Sicht soll bei Vorliegen bestimmter Kriterienein Bleiberecht gewährt werden. Dazu gehören neben einem langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet,ausreichendem Wohnraum und erfolgreichem Schulbesuch der Kinder auch angemessene Kenntnisse derdeutschen Sprache. Andererseits sollten z. B. Straftäter oder Personen die die Behörden getäuscht oder betrogenhaben nicht in den Genuss einer solchen Regelung kommen. Ich bin zuversichtlich, dass es auf dernächsten Sitzung der Innenminister von Bund und Ländern zu einer entsprechenden Einigung kommen wird.Die soziale und rechtliche Lage der in Deutschland ohne Aufenthaltsrecht lebenden Menschen wird entsprechenddem Prüfauftrag aus der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD ressortübergreifend abgearbeitet.Der entsprechende Bericht wird in Kürze vorliegen.Wie sich bei der Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes gezeigt hat, hat nicht nur die Integration der neuZugewanderten besondere Bedeutung, sondern auch die der bereits hier lebenden früheren Generationenvon Zuwanderern. Sie haben teilweise trotz eines langjährigen Aufenthalts in unserem Land noch einen mitdem eines Erstzuwanderers vergleichbaren Integrationsbedarf Ich bin daher gerne bereit, diesen Personenkreissoweit wie möglich in die Migrationserstberatung einzubeziehen. Die Inanspruchnahme der migrationsspezifischenBeratung, die insbesondere den Zuwanderern auch zu den Regeldiensten hinführen soll,wird allerdings nicht zeitlich unbefristet erfolgen können. Ich bin trotz des etwas geringeren Mittelansatzesfür die Förderung der Migrationserstberatung in diesem Jahr zuversichtlich, dass wir mit diesem Instrument,vor allem mit dem Know-how der Träger und ihrer Berater, gute Arbeit leisten werden. Hierfür bilden die imvierteljährlichen Turnus stattfindenden konstruktiven Gespräche zwischen dem Bundesamt für Migration undFlüchtlinge und den Trägern die Grundlage und tragen dazu bei, die Migrationserstberatung bedarfsgerechtweiterzuentwickeln.Die Gespräche sollten auch intensiv zur Lösung der Frage genutzt werden, wie die Zuwanderer unter Wahrungdes Prinzips der Freiwilligkeit in verstärktem Maße dafür gewonnen werden können, das Beratungsangebotzu nutzen. Die örtlichen Netzwerke mit ihren am Integrationsgeschehen beteiligten Partnern könntendabei wirksam Unterstützung leisten.Des Weiteren stimme ich mit Ihnen darin überein, dass der Integrationsgipfel ein wichtiges Ereignis für diein Deutschland lebenden Zuwanderer war und mit ihm viele Erwartungen verbunden werden. WesentlichesErgebnis des Integrationsgipfels war der Entschluss, einen nationalen Integrationsplan innerhalb eines Jahres11


BleiberechtSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-Pfalzzu erarbeiten. Dazu werden sechs Arbeitsgruppen eingerichtet, die jeweils von einem Bundesministeriumkoordiniert werden. Das BMI koordiniert die Arbeitsgruppe 1 „Integrationskurse verbessern“. Die Arbeitsgruppenhaben die Aufgabe, auf politischer Ebene bestehende Integrationsmaßnahmen weiter zu verzahnen undbesser aufeinander abzustimmen und zusätzliche Integrationsleistungen aller Beteiligten sicherzustellen.Dabei werden die wesentlichen meinungsbildenden Kräfte in Deutschland einbezogen.Ich danke Ihnen für Ihr Angebot, Ihre Erfahrungen in die weitere Diskussion zum Zuwanderungsgesetz undzur Integration einzubringen, und begrüße es sehr, dass auch ein Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaftder freien Wohlfahrtspflege Mitglied in der vom Bundesinnenministerium koordinierten Arbeitsgruppe „Integrationskurseverbessern“ ist.Herr Prof. Dr. Cremer hat ein gleich lautendes Schreiben erhalten.Mit freundlichen GrüßenWoflgang Schäuble12


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006LibanonKrieg im LibanonAbschiebestop für den LibanonSiegfried Pick für den Arbeitskreis Asyl Rheinland-PfalzBrief an den Minister Bruch vom 19.07.2006Sofortiger Abschiebestopp für den LibanonSehr geehrter Herr Minister Bruch,angesichts der dramatischen kriegerischen Entwicklung im Nahen Osten wenden wir uns heute an Sie mitder dringenden Bitte, dass Rheinland-Pfalz einen sofortigen Abschiebestopp für den Libanon erlässt, um libanesischeStaatsbürger, aber auch Kurden und Palästinenser vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zuschützen.Ein Abschiebestopp für vorerst 6 Monate ist ein erster wichtiger Schritt.Nach unseren Informationen sind bis zu 500.000 Binnenvertriebene im Libanon auf der Flucht.Im Libanon gibt es nicht genügend Kapazitäten, diese Menschen aufzunehmen und zu versorgen.Nach der Evakuierung der deutschen Staatsbürger aus dem Libanon wird es für den Fall, dass die Bombardementsund die Kämpfe weitergehen, geboten sein, auch Libanesen als Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen,vor allem diejenigen, die aus den Dörfern im Grenzgebiet zu Israel in der ehemaligenSicherheitszone kommen.Viele von ihnen haben Angehörige in Deutschland, die meist deutsche Staatsbürger sind.Diejenigen, die sich um eine Hilfe für ihre Angehörigen bemühen, brauchen eine schnelle und unbürokratischeHilfe, diese Menschen in Sicherheit zu bringen.Wir bitten Sie darum, dass Sie die Ministerien der anderen Bundesländer gewinnen, bundeseinheitlich eineRegelung zu finden.Mit freundlichen GrüßenIhr(S. Pick)für die Koordinierungsgruppe des AK Asyl Rheinland-Pfalzim Auftrag der Koordinierungsgruppedes Arbeitskreises Asyl Rheinland-Pfalz13


LibanonSeptember 2006Sabine Schmidt-Gerheim, EPD-KoblenzPresserklärung vom 19.07.2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzAbschiebestopp für Flüchtlinge aus dem Libanon gefordertBad Kreuznach (epd). Der rheinland-pfälzische Arbeitskreis Asyl hat die Landesregierung aufgefordert, einen sofortigenAbschiebestopp für Flüchtlinge aus dem Libanon für mindestens sechs Monate zu erlassen. Als nächstenSchritt müssten die Bundesländer gemeinsam die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Libanon ermöglichen,appellierte der Arbeitskreis in einem Schreiben an Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) am Mittwoch in BadKreuznach.Mit Blick auf die dramatische Flucht von Deutschen aus dem Libanon und über 400.000 Vertriebenen im Kriegsgebietsei ein Abschiebestopp aus humanitären Gründen dringend geboten, erläuterte der Bad Kreuznacher Ausländerpfarrerund Sprecher des Arbeitskreises, Siegfried Pick. Derzeit lebten in Rheinland-Pfalz etwa 200ausreisepflichtige Flüchtlinge aus dem Libanon. Darunter seien libanesischen Staatsbürger, aber auch staatenlosePalästinenser und Kurden.Unterdessen hat das Mainzer Innenministerium die rheinlandpfälzischen Ausländerbehörden “auf Grund der aktuellenkriegsähnlichen Ereignisse im Libanon“ angewiesen, die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer dorthinzunächst für die Dauer von drei Monaten auszusetzen. Die Anweisung gelte aber nicht bei schwerwiegenden Ausweisungsgründennach dem Aufenthaltsgesetz, hieß es.Rheinland-Pfalz, Ministerium des Innern und für SportDer MinisterAntwortbrief, Stellungnahme und Zusage unserer Forderung, 19.07.2006Ausländerrecht;hier: Aussetzung von Abschiebungen in den LibanonSehr geehrter Herr Pfarrer Pick,herzlichen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten undspeziell die Lage im Libanon ansprechen. Rheinland-Pfalz hat deshalb gestützt auf eine Lagebewertung desAuswärtigen Amtes am 18. Juli 2006 auf der Grundlage des § 60 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes Abschiebungenin den Libanon zunächst für die Dauer von drei Monaten ausgesetzt. Auf Ausländer, bei denen Ausweisungsgründenach den §§ 53, 54 oder 58 a des Aufenthaltsgesetzes vorliegen, findet die Regelung keineAnwendung. Ungeachtet dessen sind Abschiebungen in den Libanon gegenwärtig auch aus rein tatsächlichenGründen nicht möglich. Von dem Abschiebestopp werden in Rheinland-Pfalz ca. 130 libanesischeStaatsangehörige erfasst, die nach Auskunft des Ausländerzentrairegisters ausreisepflichtig sind.Hinsichtlich der Situation der Binnenvertriebenen im Libanon erscheint es meines Erachtens vordringlich,die militärischen Auseinandersetzungen zu beenden und so schnell wie möglich humanitäre Hilfe vor Ortdurch die internationale Staatengemeinschaft zu leisten.Ich gehe davon aus, dass ihrem Anliegen damit entsprochen wurde und darf Ihnen zugleich versichern, dassdie weitere Entwicklung im Libanon mit großer Aufmerksamkeit beobachtet wird.Mit freundlichen GrüßenIn VertretungRoger Lewentz14


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-Pfalz September 2006LibanonInformationsveranstaltung zu Lage im Libanon„Im Libanon hat keiner gewonnen“Die Lehrerin Latife Abdulaziz referiert im Netzwerk am Turm über die Lage in NahostInformationen aus erster Handsind im Nahost-Konflikt selten.Die Libanesin Latife Abdulaziz,derzeit eher unfreiwillig in BadKreuznach, erläuterte in einerVeranstaltung des Netzwerks amTurm die Konsequenzen derKampfhandlungen für das „Hausdes Friedens“ im Libanon.VonChristine JäckelDer Krieg hat das „Haus des Friedens“eingeholt: Anfang Augustwollte die Libanesin Latife Abdulazizeigentlich wieder zu Hause indem etwa 35 Kilometer südlich vonBeirut gelegenen Bergdorf Wardaniyehsein. Mit dem Konflikt zwischenIsrael und der Hisbollah warihr jedoch plötzlich der Rückwegabgeschnitten, und sie musste ihrenAufenthalt in Deutschland gezwungenermaßenverlängern.Die junge Frau ist Lehrerin für Mathematikund Physik an einem Gymnasiumim Südlibanon und leitet inihrer Freizeit das „Haus des Friedens“.Die interkulturelle Bildungseinrichtung,die auch die Begegnungmit den aktuellen Problemen des Libanonund mit der libanesischen Gegenwartskulturfördern will, wurdevor zehn Jahren in dem Dorf AlWardaniyeheröffnet. Das Haus steht fürBildungsreisegruppen, Tagungen,Sprachkurse sowie für Individuälreisendeaus aller Welt offen.Zur Vorbereitung der Studien- undMainzer Allgemeine Zeitung (04.09.2006)SpendenaktionDas Dorf Al-Wardanyeh in demdie Bildungsstätte „Haus desFriedens“ angesiedelt ist, hatwährend der jüngsten Kampfhandlungenrund 4000 Flüchtlingeaufgenommen undversorgt. Dafür hat der ArbeitskreisAsyl und das Ausländerpfarramteine überregionaleSpendenaktion ins Leben gerufen,bei der 50000 Euro zusammenkamen.Begegnungsreise in den Libanonmit Ausländerpfarrer Siegfried Pickund Teilnehmern aus dem RaumBad Kreuznach, die für Oktober geplantwar, hielt sich Abdulaziz währendder jüngsten Eskalation imNahost-Konflikt in Bad Kreuznachauf, seitdem steht sie telefonisch imKontäkt mit Verwandten in der Heimat.Bei der Informationsveranstaltungdes Netzwerks am Turm anlässlichdes Antikriegstages berichtete LatifeAbdulaziz den Teilnehmern, wie esderzeit rund um das „Haus des Friedens“aussieht. Die Bildungsstätteselbst ist noch belegt mit Flüchtlingen.Die Autobahnbrücke, die zumDorf führte, ist wie viele andere Verkehrswegezerstört. Die Preise fürLebensmittel und Gas sind sosprunghaft angestiegen, dass sichnur noch wenige Menschen warmeMahlzeiten leisten können.Abdulaziz rechnet nicht damit, dassaus dem unstabilen Waffenstillstandein schneller Frieden wird, und siebefürchtet, dass ihre Heimat auchweiterhin in dem Konflikt aufgeriebenwird. „Keiner hat gewonnen,aber die Hisbollah hat sich jetzteinen Namen gemacht“, ist ihr Resümee.Die islamistische libanesische Organisationbildete sich als Widerstandgegen die israelische Besatzung imlibanesischen Bürgerkrieg. Sie teiledie politischen Ansichten der Hisbollahnicht, unterstrich Abdulaziz,doch durch wiederholte Aggressionenund Koxhmandoaktionen der Israelishabe diese Organisation, dieauch viele soziale Projekte im Libanonbetreibe, immer mehr Anhängergefunden.Nach ihrer Ansicht wäre Israel ohnedie Rückendeckung durch die USAohnehin schon längst gezwungen,Frieden zu schließen. Auch die einseitigdas SelbstverteidigungsrechtIsraels, betonende Haltung der deutschenRegierung habe bisher nichtzu einer Lösung beigetragen. „DasLand braucht jetzt Solidarität“, warbAbdulaziz um Unterstützung für dielibanesischen Forderungen nacheinem gerechten Frieden. Dafürmüsste Israel allerdings die besetztenGebiete räumen, alle UN-Resolutionenumsetzen und alleGefangenen freilassen.15


LibanonSeptember 2006Lösungsansätze zum Konflikt<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzMuriel Asseburg, Stiftung Wissenschaft und Politik 2006Quelle: www.qantara.deInternationale Friedenstruppe für den Libanon?Nachhaltige Stabilisierung bedarf politischer KonfliktregelungIm Nahostkonflikt hat sich die Diskussion in Politikund Medien zunehmend auf den Einsatz einer internationalenStabilisierungstruppe im Südlibanon verengt.Doch welche Voraussetzungen müssen für denErfolg einer solchen Mission gewährleistet sein? MurielAsseburg fasst zusammen.Es wird darum gehen, die Hauptprobleme des ungelöstenisraelisch-arabischen Konflikts aufzugreifen,meint Muriel Asseburg. Erklärte Ziele der israelischenOperationen im Libanon sind die Befreiung der entführtenSoldaten, die Dezimierung der militärischenKapazitäten der Hizbullah, die Bildung einer Pufferzoneim Süden des Landes, um Israels Norden künftigvor Raketenbeschuss und Infiltration zu sichern,und die Demonstration der israelischen Vergeltungsbereitschaftund damit die Wiederherstellung einerwirksamen Abschreckung.Die Hizbullah ihrerseits hat die Entführungen mit demZiel begründet, in einem Gefangenenaustausch dieFreilassung libanesischer und palästinensischer Häftlingein Israel erreichen und damit auch den Palästinensernzur Hilfe eilen zu wollen. Zudem hat sie diekriegerische Auseinandersetzung mit Israel genutzt,um ihre militärischen Fähigkeiten vorzuführen.Diese Demonstration richtet sich erstens an Israel,wo die Raketen der Hizbullah zum ersten Mal auchgrenzferne Städte wie Haifa, Tiberias und Nazaretherreichen und wiederum vor allem unter der Zivilbevölkerungempfindlichen Schaden anrichten.Zweitens zielt sie auf die arabische Öffentlichkeit, dergegenüber die Hizbullah ihre Legitimität unter Beweiszu stellen sucht, indem sie sich als die einzige Widerstandsbewegunggeriert, die Israel die Stirn bietenkann.Und drittens möchte die Hizbullah der libanesischenZentralregierung ihre Stärke demonstrieren. Letzteresdient insbesondere dem Zweck, der in Sicherheitsratsresolution1559 vom September 2004geforderten (und durch SR-Resolution 1<strong>68</strong>0 vom Mai2006 bestätigten) Entwaffnung der Bewegung einenRiegel vorzuschieben.Die "zweite Front"Der Eskalation im Libanon vorausgegangen war imZusammenhang mit der Regierungsbildung derHamas im März 2006 bereits eine Zuspitzung der gewalttätigenAuseinandersetzungen zwischen Israelund den Palästinensern einerseits und der innerpalästinensischenKonflikte andererseits.Der Hamas ist es bis heute – vor dem Hintergrundder zunehmenden Anarchisierung in den palästinensischenGebieten, des mangelnden Willens derFatah, ihre Wahlniederlage zu akzeptieren, der weitgehendendiplomatischen Isolierung der Regierungund des Entzugs ihrer Ressourcen, der Abriegelungder palästinensischen Gebiete und der Wiederaufnahmevon gezielten Tötungen und Verhaftungendurch das israelische Militär – nicht gelungen, die Regierungsgeschäftetatsächlich zu führen und ein Gewaltmonopoldurchzusetzen.Plädiert für eine sofortige Waffenruhe: Muriel Asseburg,Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politikin Berlin | Als Reaktion auf die Entführung einesihrer Soldaten im Juni 2006 begann die israelischeArmee eine umfassende Militäroperation im Gaza-Streifen ("Operation Sommerregen"), deren erklärtesZiel neben der Befreiung des Soldaten auch die vollständigeBeendigung des Beschusses mit Qassam-Raketen ist.Außerdem verhaftete Israel in der West Bank Dutzendevon Abgeordneten, Ministern und Bürgermeisternder Hamas. Obwohl die Exil-Hamas unterFührung von Khaled Meshal in Damaskus sich mitder Entführung brüstete und auch von Israel als – vonDamaskus und Teheran unterstützter – Drahtzieherdes Anschlags beschuldigt wird, deutet vieles daraufhin, dass die Tat die Handlung einer lokalen Zellewar.Die Aktion hat aber durchaus die Zustimmung derjenigengefunden, die den innerpalästinensischen Aussöhnungsprozessund einen Waffenstillstand mitIsrael torpedieren wollen, der mit der Einigung von16


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006LibanonFatah und Hamas auf das so genannte "Gefangenenpapier"am Vorabend der Entführung zumindestvon palästinensischer Seite aus greifbar gewordenzu sein schien.Die Eskalation an beiden Fronten kommt nicht vonungefähr. Denn trotz des unilateralen Abzugs der israelischenSiedler und Soldaten aus dem Gaza-Streifenim August 2005 ist das Besatzungsregime dort –von der West Bank und Ost-Jerusalem ganz zuschweigen – nicht beendet.Die Lebensbedingungen in den geräumten Gebietensind vor allem aufgrund der wiederholten monatelangenAbriegelung zunehmend unerträglich geworden.Was den Südlibanon betrifft, so ist im Zuge des unilateralenAbzugs der israelischen Armee im Mai 2000der Konflikt um die Shebaa-Farmen nicht geklärt worden,also der Konflikt um das Gebiet am Fuße desMount Hermon, das von Israel nach wie vor besetztwird, das die UN als syrisches Gebiet betrachtet, Syrienund Libanon aber als libanesisches.Militärische Konfliktlösung?Angeführt von den USA hat die internationale GemeinschaftIsrael zwar zur Wahrung der Verhältnismäßigkeitund zum Schutz der Zivilbevölkerungaufgerufen, die Logik des militärischen Konfliktmanagementsaber im Wesentlichen akzeptiert.Statt eine sofortige, bedingungslose Waffenruhe zufordern – die den politischen Prozess ja nicht vorwegnehmen,sondern lediglich den Weg für einen solchenebnen würde –, hat sie darauf beharrt, dass eseinen "nachhaltigen Waffenstillstand" geben müsse.Damit hat Israel faktisch grünes Licht dafür erhalten,seine Ziele militärisch durchzusetzen. Denn ein Waffenstillstandkönne erst ausgehandelt werden, wennIsraels Kriegsziele erreicht sind.Dabei ist die Annahme, die Konflikte ließen sich militärischregeln oder auch nur nachhaltig einhegen,nicht nur vom humanitären Standpunkt aus nicht haltbar,sie beruht auch auf mehreren Denkfehlern. Dennerstens birgt die militärische Logik die Gefahr einerweiteren Eskalation – etwa durch ein Eingreifen derlibanesischen oder syrischen Armee in die Kampfhandlungen.Die Annahme, die Konflikte ließen sich militärisch regelnoder auch nur nachhaltig einhegen, ist nicht nurvom humanitären Standpunkt aus nicht haltbar, soAsseburg | Zweitens schwächen die Militäraktionendie Regierung in Beirut weiter. Die verheerendenAuswirkungen auf die libanesische Zivilbevölkerungunterminieren die Legitimität derjenigen, die für eineEntwaffnung der Hizbullah eintreten und verschaffenden Radikalen neuen Zulauf.Drittens kann eine solche Entwaffnung nicht militärischdurchgesetzt werden – weder von Israel nochvon einer internationalen Truppe –, sondern nurdurch einen politischen Prozess erreicht werden.Schließlich ist die 1982 gegen die israelische Besatzungdes Südlibanon gegründete WiderstandsbewegungHizbullah keine marginalisierte Terroreinheit,sondern umfasst neben ihrem militärischen Flügeleine im schiitischen Bevölkerungsteil tief verwurzeltesoziale Bewegung und einen politischen Arm, dernicht zuletzt in der Regierung mit zwei Ministern vertretenist.Ihre Entwaffnung wird also in einem nationalen Dialogverhandelt werden müssen. Viertens würde auchdie einseitige Einrichtung einer Pufferzone im südlichenLibanon, abgesehen von der völkerrechtlichenFragwürdigkeit einer solchen Maßnahme, keinenachhaltige Stabilisierung bringen. Dies hat nicht zuletztdie Erfahrung der vormaligen israelischen Besatzunggezeigt.Bedingungen für eine erfolgreiche StabilisierungstruppeDie internationale Diskussion hat sich schnell auf dieEntsendung einer internationalen Stabilisierungstruppemit robustem Mandat verengt, die die im Südlibanonseit 1978 stationierten, aber weitgehendineffektiven Blauhelmsoldaten der UNIFIL (UnitedNations Interim Force in Lebanon) ersetzen bzw. ergänzensollen. In Deutschland hat sich die Diskussionzunehmend auf die Frage einer deutschenBeteiligung an einer solchen Truppe fokussiert.Nach einem israelischen Angriff auf einen Öltank imLibanon wurde die libanesische Küste bis nach Syrienin Mitleidenschaft gezogen. Sinnvoll ist eine Stabilisierungstruppeallerdings nur, wenn ihr Mandaterstens über die Sicherung eines Waffenstillstandsund die Stabilisierung der Grenzregion hinausgeht.Denn es muss in erster Linie darauf ausgerichtetsein, die libanesische Regierung dabei zu unterstützen,mittels ihrer Armee das staatliche Gewaltmonopolim ganzen Libanon durchzusetzen.Zweitens muss das Mandat in einen politischen Pro-17


LibanonSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-Pfalzzess eingebunden sein, der auf eine umfassende Lösungdes israelisch-arabischen Konflikts abzielt.Drittens wird man neben denjenigen regionalen Akteuren,die sich kooperativ zeigen (Ägypten, Jordanien,Saudi-Arabien), auch die legitimen Interessenderjenigen ernst nehmen müssen, die bislang alsSpoiler auftreten – insbesondere Syrien und Iran, diezwar Hamas und Hizbullah nicht fernsteuern, aberdoch durch rhetorische, logistische und finanzielleUnterstützung bedeutenden Einfluss auf die beidenBewegungen haben.Die bisherige Isolierungspolitik gegenüber Syrien, derpalästinensischen Regierung und, zumindest vonUS-amerikanischer Seite, gegenüber dem Iran hatsich als kontraproduktiv erwiesen.Elemente einer KonfliktregelungEs wird also darum gehen, die Hauptprobleme desungelösten israelisch-arabischen Konflikts aufzugreifen– detaillierte und zum Teil in Verhandlungen bereitsdiskutierte Lösungsansätze liegen für dieverschiedenen bilateralen Dimensionen vor – und positiveAnreize für die beteiligten Akteure zu schaffen,konstruktiv zu einer Regelung beizutragen. Dies giltüber die direkten Konfliktparteien hinaus auch für denIran.Ein Plan für einen politischen Prozess sollte deshalbeine Kombination aus Sofortmaßnahmen und mittelbislängerfristigen Schritten enthalten. Er sollte die legitimenInteressen der relevanten Akteure ansprechen,allen Beteiligten Anreize bieten und so gestaltetsein, dass sich alle in ihrem wohlverstandenen Eigeninteresseauf ihn verpflichten können.Auch wenn dies angesichts der momentanen Gewalteskalationgeradezu utopisch erscheint, sollten wiruns darüber im Klaren sein, dass es auch einerTruppe mit robustem Mandat nicht gelingen wird,nachhaltig für Stabilität und Sicherheit zu sorgen,wenn einmal mehr nur Symptome behandelt werden,statt die Probleme an der Wurzel zu packen.Sofortmaßnahmen:Rückzug der israelischen Armee aus dem Libanonund dem Gaza-Streifen; umfassende und bedingungsloseWaffenruhe zwischen Israel und Hizbullahauf der einen und Israel und den palästinensischenGruppierungen auf der anderen Seite; dies nicht zuletzt,damit die humanitären Maßnahmen der internationalenGemeinschaft im Libanon und imGaza-Streifen greifen können.Elemente einer Konfliktregelung:• Gefangenenaustausch, der sowohl die entführtenisraelischen Soldaten als auch in Israel einsitzendelibanesische und palästinensische politische Häftlingeeinbezieht – allen voran die Ende Juni 2006 verhaftetenHamas-Abgeordneten und –Minister• Wiederaufnahme des palästinensischen Aussöhnungsprozesses:Bekenntnis aller Gruppierungenzum Gewaltverzicht, Klärung der Kompetenzen undHierarchien in der Palästinensischen Autorität (PA)und Einbindung der Hamas in die PLO; Unterstützungdes Prozesses durch die internationale Gemeinschaftdurch Beendigung der Isolationspolitikgegenüber der palästinensischen Regierung• Umsetzung des "Abkommens über Bewegung undZugang" vom November 2005, um in den palästinensischenGebieten überhaupt die Voraussetzung fürwirtschaftliche Entwicklung und ein annähernd normalesLeben zu schaffen; dauerhafte Präsenz einesQuartettvertreters mit umfassendem Mandat vor Ort,um die Umsetzung voranzutreiben• Intensivierung des libanesischen nationalen Dialogsmit dem Ziel, die Hizbullah zu einem dauerhaften Gewaltverzichtund der Abgabe ihrer Waffen zu bewegenund sie teilweise in die regulären Streitkräfteeinzugliedern• Regelung des Konflikts um die Shebaa-Farmen:Abzug der israelischen Armee, völkerrechtlich verbindlicheErklärung Syriens, dass es – entgegen derGrenzdemarkierung von 2000 – das Gebiet als libanesischesStaatsgebiet betrachtet und keineweiteren Ansprüche anmeldet• Verhandlungen über die von Israel besetzten Golanhöhenin Treu und Glauben mit dem Ziel, die Besatzungmittelfristig zu beenden; Inkraftsetzen desEuromed-Assoziierungsabkommens mit Syrien seitensder EU, das derzeit unter anderem wegen desHariri-Verfahrens auf Eis liegt, als weiterer Anreiz undum Syrien ökonomisch zu stabilisieren• Druck von Seiten Syriens und des Iran auf Hizbullah(sowie auf die in Damaskus ansässige Auslands-Hamas), den bewaffneten Kampf einzustellen; Beendigungder logistischen, rhetorischen und finanziellenUnterstützung für den bewaffneten Kampf• Wiederaufbau der Infrastruktur des Libanon mithilfeder Gebergemeinschaft; Minenräumung im Südliba-18


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006Libanonnon (mit Unterstützung Israels, das das entsprechendeKartenmaterial zur Verfügung stellen muss)• Einrichtung eines effektiven Konfliktlösungsmechanismus,etwa durch die Unterwerfung aller beteiligtenParteien unter eine Schiedsgerichtsbarkeit• Stationierung einer Stabilisierungstruppe, die hilft,den Waffenstillstand zu überwachen, und die libanesischenRegierungstruppen durch Training, finanzielleund logistische Unterstützung in die Lageversetzt, mittelfristig das staatliche Gewaltmonopolim ganzen Land zu sichern; eventuell Einrichtungeiner demilitarisierten Zone im israelisch-libanesischenGrenzgebiet• Endgültige Demarkierung der Grenze zwischen Libanonund Syrien• Verhandlungen über israelisch-palästinensische, israelisch-libanesischeund israelisch-syrische Endstatusabkommen;Etablierung normaler Beziehungenzwischen Israel und seinen Nachbarn bzw. – entsprechendder Arabischen Friedensinitiative von 2002 –mit allen arabischen LändernMuriel AsseburgStiftung Wissenschaft und Politik 2006_____________www.qantara.de19


AbschiebungAbschiebungSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzAbschiebehaft verletzt MenschenrechtePRO ASYLPresserklärung vom 29.08.200630. August: Jahrestag zum Gedenken an die Todesopferin AbschiebungshaftPRO ASYL und Interkultureller Rat: Abschiebungshaft verletzt MenschenrechteAnlässlich des Jahrestages zum Gedenken an die Todesopfer in Abschiebungshaft verurteilen PRO ASYL und derInterkulturelle Rat die Praxis der Abschiebungshaft in Deutschland. Auch nach sieben Jahren Rot-Grün ist dermenschenrechtliche Skandal der bis zu 1 1/2 Jahre dauernden Haft gegenüber ausreisepflichtigen Ausländern nichtbeendet worden. Aber auch bei den Oppositionsparteien stellen PRO ASYL und Interkultureller Rat eine erschrekkendeGleichgültigkeit fest. Die Abschiebungshaft stellt einen fundamentalen staatlichen Eingriff in das Recht aufpersönliche Freiheit dar. Menschenrechte gelten auch in Deutschland - ihre Missachtung darf nicht totgeschwiegenwerden!Der 30. August wirft ein schreckliches Licht auf die Praxis deutscher Behörden mit ausreisepflichtigen Flüchtlingenund Migranten: 1999 starb der Abschiebehäftling Rachid Sbaai in einer Arrestzelle der JVA Büren an einer Rauchvergiftung.Im Jahr 2000 stürzte sich der 28-jährige Mongole Altankhou Dagwasoundel bei dem Versuch, der Abschiebungshaftzu entfliehen, in den Tod. Schon 1983 hatte sich der türkische Asylbewerber Cemal Kemal Altunaus Angst vor der Abschiebung aus dem Fenster des Verwaltungsgerichts Berlin zu Tode gestürzt, 1994 starb derNigerianer Kola Bankole nach Gewalteinwirkung durch BGS-Beamte in der Lufthansa-Maschine, mit der er abgeschobenwerden sollte.Aus den tragischen Todesfällen haben Verantwortliche in Politik, Justiz und Verwaltung noch immer nicht gelernt:- Die gesetzliche Höchstdauer der Abschiebungshaft liegt mit 18 Monaten weiterhin deutlich überden gesetzlichenRegelungen anderer europäischer Staaten.- Ausreisepflichtige Flüchtlinge werden in Abschiebungshaft genommen, obwohl sie auf unabsehbare Zeitnicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können.- In vielen Bundesländern werden Abschiebehäftlinge noch immer gemeinsam mit verurteilten Straftätern untergebracht.- Traumatisierte und minderjährige Ausreisepflichtige sind nicht vor der Abschiebungshaft geschützt. Nach denunvollständigen Angaben der Landesregierungen befinden sich bundesweit alljährlich Hunderte von Minderjährigenteilweise für mehrere Monate in Abschiebungshaft.PRO ASYL und der Interkulturelle Rat fordern die Politik auf, in der kommenden Legislaturperiode das ThemaAbschiebungshaft endlich auf die politische Tagesordnung zu setzen.Marei Pelzer,PRO ASYLTorsten Jäger,Interkultureller Rat20


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006AbschiebungRückkehrberatungBeispiele zu Kooperationen zum Thema RückkehrberatungRita Behrens, Diakonisches Werk Trier1. Stadt Ludwigshafen mit allen Wohlfahrtsverbänden in Ludwigshafen, die sich mit Migrationsberatungbeschäftigen. (Kooperatinsvereinbarung)2. Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler hat mit DW Koblenz eine Stelle geschaffen, die auch nach demProjekt weiter bestehen soll.3. Rhein-Hunsrück-Kreis hat mit Beratungsstelle des evang. Kirchenkreises eine Vereinbarung (Beratungspaket)geschlossen.4. Im Süden von Rheinland-Pfalz gibt es weitere Kooperationen, teilweise mit Caritas und AWO.In allen Kooperationen finden bereits Beratungen statt. Angelika Geist hatte in Ebernburg von ihrer Arbeitetin LU berichtet. Durch ihre Beratung sei es zu zwei Folgeanträgen gekommen und eine Familie kehrte freiwilligzurück. Das ist ein gutes Beispiel für perspektivische Beratung und Ergebnisoffenheit. Denn sowohldie Rückkehr als auch ein Folgeantrag kann die Folge einer guten Beratung sein.Bericht zur “Landesinitiative Rückkehr 2005”Auschnitt aus Drucksache 14/4204, Landtag Rheinland-Pfalz, 14. WahlperiodeDefinition “Rückkehr”“Da die freiwillige Rückkehr eine individuelle Rückreiseentscheidung des betroffenen voraussetzt, der inder Regel aber das Land gerade nicht verlassen will, muss dem Betroffenen einerseits unmissverständlichdeutlich gemacht wird, dass er das Land endgültig verlassen muss und er muss andererseits Unterstützungerfahren, die ihm eine Rückkehr in Würde und möglichst ohne Gesichtsverlust ermöglicht. Nur durchdie Kombination von harter Konsequenz und Hilfen für eine Rückkehr sind nach den bisherigen ErfahrungenErfolge zu erzielen. Hier sind in erster Linie die Kommunen gefordert, die allein den unmittelbaren Zugangzu den Betroffenen haben. Um die Kommunen hierbei zu unterstützen, sollen sie künftig zusätzlicheeinerseits kompentente Beratungshilfe für die Einzelfallberatung und andererseits zusätzliche Finanzmittelerhalten, um so vor Ort Rückkehrförderung ganz individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Falles zuschneidenzu können.”21


ZuwanderungsgesetzSeptember 2006ZuwanderungsgesetzKommentar zum Evaluationsberichtzum Zuwanderungsgesetz<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzPRO ASYL & Interkultureller RatPresseerklärung vom 24. Juli 2006Bundesministerium des Innern legt Evaluationsberichtzum Zuwanderungsgesetz vorVorgeschlagene Änderungen sind ein Katalog derGrausamkeitenDie Änderungsvorschläge, die das Bundesinnenministeriumim Rahmen seines heute veröffentlichten Evaluierungsberichtszum Zuwanderungsgesetz in dieDiskussion bringt, sind ein "Katalog der asyl- und migrationspolitischenGrausamkeiten". Sie haben mit einerweltoffenen und toleranten Gesellschaft nichts zu tun.Zuwanderung wird von der großen Koalition offensichtlichnicht als Chance und Herausforderung, sondern alsBedrohung wahrgenommen, die abgewehrt werden soll.Anpassungsbedarf beim Zuwanderungsgesetz bedeutetin der Lesart des Bundesinnenministeriums regelmäßigdie Verschlechterung der Rechtsposition von Migrantenund Flüchtlingen. PRO ASYL und Interkultureller Ratwerfen dem BMI vor, mit dem Evaluierungsbericht eineweitere Verschärfungswelle im Ausländerrecht vorzubereiten.Während der Minister nach außen vorsichtigeSignale für eine Bleiberechtsregelung sendet, bereitetdie Ministerialbürokratie die harte Linie vor.Vorgeschlagen wird unter anderem:• eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Ausländer,die Leistungen nach Hartz IV beziehen, ausweisenzu können;• die allgemeine Frist für die Erlangung der Niederlassungserlaubniseinheitlich auf sieben Jahre zu verlängern;• die ausländer- und sozialrechtlichen Sanktionsmöglichkeitengegenüber den zur Teilnahme an den Integrationskursenverpflichteten Personen auszuweiten;• Ehegatten nicht mehr wie bisher nach zwei, sondernerst nach drei Jahren ein eigenständiges Aufenthaltsrechtzuzugestehen;Günter BurkhardPRO ASYL• Ausländerbehörden das Recht einzuräumen, aufenthaltsrelevanteVaterschaftsanerkennungen anzufechten;• jugendlichen und heranwachsenden Asylsuchendenaufzuerlegen, den Behörden ihre Minderjährigkeit zubeweisen;• die aufenthaltsrechtlichen Folgen von Widerrufsverfahrengegen anerkannte Flüchtlinge noch weiter zuverschärfen und• die Pflicht zur Ankündigung der Abschiebung mitAuslaufen der Duldung abzuschaffen.PRO ASYL und Interkultureller Rat betrachten den sogenannten Evaluierungsbericht als Farce. Zentrale Ergebnisseder Evaluierung werden nicht berücksichtigt.Das vom Koalitionsvertrag beabsichtigte Ziel, humanitäreHärten zu beseitigen, wird ins Gegenteil verkehrt.PRO ASYL und Interkultureller Rat fordern BundesinnenministerSchäuble auf, den Bericht zurückzuziehen.Notwendig, so Pro Asyl und Interkultureller Rat, ist angesichtsdes erbarmungswürdigen Zustandes des EinwanderungslandsDeutschland keine Fortsetzung derAusgrenzungs- und Abschottungspolitik, sondern einneuer und umfassender Politikansatz, der Einwanderungals Chance begreift und zukunftsfähig gestaltet. Hierzugehört nicht nur, aber besonders dringend auch, einegroßzügige Bleiberechtsregelung für die seit vielen Jahrenin Deutschland Geduldeten und eine Änderung desZuwanderungsgesetzes mit dem Ziel, dass in Zukunftkeine neuen Kettenduldungen "produziert" werden.Torsten JägerInterkultureller Rat22


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006AsylrechtAsylrechtOberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz- Pressestelle -Pressemeldung vom 02.11.2005 <strong>Nr</strong>. 57/2005Terminsaufhebung in den Berufungsverfahren überden Widerruf einer AsylanerkennungDas Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz hat heute den aufFreitag, den 4. November 2005, 9:25 Uhr, Sitzungssaal I,anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung in den insgesamt sechs Berufungsverfahren politischerFlüchtlinge aus dem Irak über den Widerruf ihrer Anerkennung als Asylberechtigte aufgehoben und die mündlicheVerhandlung wiedereröffnet. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht ausweislich einer Pressemitteilung vomgestrigen Tag in einem Urteil vom 1. November 2005 (BVerwG 1 C 21.04) die Frage, unter welchen Voraussetzungeneine Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nach einem Regimewechsel zu widerrufen ist, rechtsgrundsätzlichentschieden hat, hält der Senat eine erneute Erörterung der Sache mit den Beteiligten für erforderlich. Ein neuerTermin zur mündlichen Verhandlung wird von Amts wegen bestimmt und rechtzeitig bekannt gegeben.Beschlüsse vom 2. November 2005, Aktenzeichen: 10 A 10795/05.OVG u.a.Pressemeldung vom 04.09.2006 <strong>Nr</strong>. 32/2006OVG: Schiiten im Irak nicht mehr politisch verfolgtNach dem Sturz von Saddam Hussein werden Schiiten im Irak nicht mehr politisch verfolgt.Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.Im Jahre 2000 stellte das damalige Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge fest, dass die Klägerwegen politischer Verfolgung nicht in den Irak abgeschoben werden dürfen. Im Oktober 2004 widerrief das Bundesamtfür Migration und Flüchtlinge diese Entscheidung. Die hiergegen erhobene Klage hat bereits das Verwaltungsgerichtabgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte nun diese Entscheidung.Die für die Annahme einer politischen Verfolgung der Kläger maßgeblichen Umstände hätten sich erheblich verändert.Anlass für ihre Flucht aus dem Irak im Jahre 2000 sei die Gegnerschaft der schiitischen Bevölkerung zuSaddam Hussein und dessen damaligen Regime gewesen. Nach dem Sturz des früheren Diktators sei eine Verfolgungder Kläger zwischenzeitlich jedoch ausgeschlossen, so das Oberverwaltungsgericht.Urteil vom 11. August 2006; Aktenzeichen 10 A 10783/05.OVG23


AsylrechtSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzPressemeldung vom 01.02.2005 <strong>Nr</strong>. 4/2005OVG: Kein Asylrecht für irakische ChristenDen Christen im Irak droht gegenwärtig nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus religiösenGründen, entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.Klägerinnen des vorliegenden Verfahrens waren eine 52-jährige Frau mit ihrer heute 15-jährigen Tochter. Sie warenvor etwa zwei Jahren illegal auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist und hatten Asylanträge gestellt.Dabei beriefen sie sich vor allem auf ihre christlich-chaldäische Religionszugehörigkeit und machten geltend,unter den gegenwärtigen Verhältnissen werde die christliche Minderheit im Irak um ihres Glaubens willen verfolgt.Das Verwaltungsgericht Mainz wies die Klage jedoch ab, und das Oberverwaltungsgericht bestätigt dies jetzt.Nach den verfügbaren Erkenntnisquellen gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte für einen "Christenhass" im Irak,befand das Oberverwaltungsgericht. Zwar habe es im vergangenen Jahr mehrfach koordinierte Terroranschlägegegen christliche Kirchen und auch gegen Ladenlokale christlicher Inhaber gegeben. Diese fügten sich aber ein inein gewalttätiges Umfeld, in dem es bekanntermaßen generell immer wieder zu Anschlägen auch gegenüber Muslimen,seien es Sunniten oder Schiiten, und anderen Bevölkerungsgruppen komme. Selbst der Erzbischof von Kirkukhabe jüngst geäußert, dass es "im Prinzip jeden treffen" könne. Das Oberverwaltungsgericht berücksichtigtebei seiner Entscheidung auch, dass Teile der muslimischen Bevölkerung ihren christlichen Nachbarn nach Übergriffengeholfen und muslimische Würdenträger solche Anschläge auf Christen verurteilt hätten. Insgesamt bestehefür die Christen im Irak kein solches Maß an Gefahr, dass die Gewährung von politischem Asyl oder zumindestein genereller Abschiebungsschutz erforderlich sei, heißt es in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts.Beschluss aufgrund der Beratung vom 24. Januar 2005,Aktenzeichen: 10 A 10001/05.OVG24


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-Pfalz September 2006AsylrechtUrteile zum Widerruf des Asylstatus aus dem IrakOVG Rheinland-PfalzGerichtsdatenbankGericht:Ent.Art:OVG Rheinland-PfalzUrteilDatum: 19.05.2006AZ:10 A 10795/05.OVGRechtsgebiet: AsylrechtAz. VG2 K 2751/04.KOLeitsätze:Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach §51 Abs. 1 AuslG 1990 bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG ist für Kurden irakischer Staatsangehörigkeit aus dem Nordirakgrundsätzlich rechtmäßig.Für sie bestehen generell auch keine Abschiebungsverbote nach § 53 AuslG 1990 bzw. § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG.OVG Rheinland-PfalzGerichtsdatenbankGericht:Ent.Art:OVG Rheinland-PfalzUrteilDatum: 11.08.2006AZ:10 A 10783/05.OVGRechtsgebiet: AsylrechtAz. VG2 K 747/05.KOLeitsätze:Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach§ 51 Abs. 1 AuslG 1990 bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG ist für Schiiten irakischer Staatsangehörigkeit und arabischeroder persischer Herkunft aus dem Südirak grundsätzlich rechtmäßig.25


AsylrechtClearingstelle TrierFax an die Ausländerbehörden RLPSeptember 2006Duldung als Straftatbestand<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzTRIERPer TelefaxStadtverwaltung Postfach 3470, 54224 TrierStadtverwaltung TrierAmt für AusländerangelegenheitenAn alleClearingstelle für PassersatzbeschaftungAusländerbehördenund Flugabschiebungin Rheinland-Pfalz Dasbachstraße 10zuständig Herr WeyerTelefon 0651-718-2331Telefax 0651-718-2338e-Mail clearingstelle@trier.deUnter Zeichen 33/1-3-02 30.03.2006Vollzug des Aufenthaltsgesetzeshier: Passpflicht gemäß 3 Abs. 1 AufenthG 1 Straftatbestand des 95 Abs. 1 <strong>Nr</strong>. 1 AufenthGSehr geehrte Damen und Herren,nach unseren Erfahrungen wurde einem Ausländer, der wegen eines rechtlichen oder tatsächlichenAbschiebungshindernisses nicht abgeschoben werden konnte, in der Vergangenheit meist eineDuldung als Ausweisersatz erteilt, so dass er seiner Passpflicht genügte.Der mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes eingeführte Trägervordruck „Aussetzung derAbschiebung (Duldung)“ hat für den häufigen Fall der Passlosigkeit dich Ausstellung einerDuldungsbescheinigung ohne Ausweisersatz möglich gemacht. Ein Ausländer, der keinen Passbesitzt und diesen nicht erlangen kann, kann einen Ausweisersatz gemäß 55 AufenthV nur aufAntrag und nur dann erhalten, wenn er konkret nachweisen kann, dass es ihm nicht möglich oderzumutbar ist, sich einen Pass zu beschaffen.Da ein solcher Antrag in der Regel abgelehnt werden dürfte, weil in der überwiegenden Zahl der Fällejede Form der Lebenserfahrung dafür spricht, dass es den Betroffenen möglich ist, sich die für diePassausstellung erforderlichen Papiere im Heimatland zu besorgen, ist somit der Straftatbestand des95 Abs. 1 <strong>Nr</strong>. 1 AufenthG erfüllt. Die bloße Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebungnach 60a Abs. 4 AufenthG besitzt keine Ausweisfunktion.Wir sind daher in unseren Fällen bzw. Amtshilfefällen (LufA) dazu übergegangen, die BetroffenenOber die Passpflicht und die Strafbarkeit des Aufenthaltes ohne Pass bzw. Ausweisersatz zubelehren (deutsche Fassung siehe Anlage) und aufzufordern, innerhalb einer bestimmten Frist einenPass vorzulegen bzw. in der Form mitzuwirken, die ihre Identifizierung und somit Ausstellung einesPassersatzpapiers möglich macht.Wird ein Pass nicht vorgelegt bzw. eine Mitwirkung verweigert und die Unmöglichkeit /Unzumutbarkeitder Passbeschaffung nicht ausreichend dargelegt, so dass ein evtl. Antrag auf Ausstellung einesAusweisersatzes abgelehnt werden muss, macht sich der Ausländer gemäß 95 Abs. 1 <strong>Nr</strong>. 1AufenthG strafbar und wird von uns entsprechend beanzeigt.26


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006AsylrechtStadtverwaltung Trier- Ausländerbehörde -BelehrungAusländer dürfen nur in die Bundesrepublik Deutschland einreisen oder sich darin aufhalten. wenn sieeinen gültigen Pass oder Passersatz besitzen ( 3 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetz).Ein Ausländer, der keinen Pass besitzt und diesen nicht erlangen kann, kann ein deutschesAusweispapier (Ausweisersatz) erhalten. Hierzu muss er bei der zuständigenAusländerbehörde einen Antrag stellen und konkret nachweisen, dass es ihm nicht möglichoder zumutbar ist, sich einen Pass zu beschaffen.Solange Ihnen kein deutsches Ausweispapier ausgestellt worden ist, erhalten Sie nur eine Duldung(Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung). Diese Duldungsbescheinigung gilt nicht alsPass- oder Ausweisersatz.Wer sich ohne Pass oder Ausweisersatz in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, wird mitFreiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft ( 95 Abs. 1 <strong>Nr</strong>. 1 AufenthG).Der Erhalt der vorstehenden Belehrung wird hiermit bestätigt:Trier, ________________________________________(Ort), (Datum) (Unterschrift)27


KosovoKosovoSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzInnenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen07.06.2006Brief an Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und MünsterRückführungen in das KosovoUNMIK-Politik nach Aktualisierung des UNHCR-PositionspapiersMeine Erlass vom 7. und 25.4.2006 – Az.: 15 – 39.02.01 – 4 – 132 KosovoAnlg.: 3Hiermit übersende ich das Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6.7.2006 (Anlage 1), denSchriftwechsel des BMI und des deutschen Verbindungsbüros in Pristina mit der Leiterin des Office of Communities,Returns and Minority (OCRM) der UNMIK (Anlage 2) sowie das aktuelle Positionspapier desUNHCR (Anlage 3) zur Kenntnisnahme.Danach:hält UNMIK bis auf weiteres an dem individuellen Prüfverfahren („Screeningverfahren“) für dieMinderheitenangehörigen der Ashkali und Ägypter festerstreckt UNMIK die Prüfung, ob eine Person in das Kosovo zurückkehren kann, nicht mehr aufgesundheitliche Aspekte und wird daher künftig generell die Rückführung von Personen aus gesundheitlichenGründen (auch von chronisch Kranken oder anderen schwerkranken Personen, Personenmit schweren oder chronischen psychischen Erkrankungen einschließlich PosttraumatischenBelastungsstörungen (PTBS) sowie schwerbehinderten Personen einschließlich deren Betreuungspersonen)nicht mehr ablehnen, sofern dem keine anderen Gründe entgegenstehen.Dementsprechend entfällt ab sofort auch die Übermittlung von stichwortartigen Informationen überden Gesundheitszustand sowie von medizinischen Attesten oder ärztlichen Bescheinigungen.Gleichwohl bittet UNMIK aus humanitären Erwägungen:weiter um Informationen zu solchen ernsthaften Erkrankungen (z.B. ansteckende Krankheiten, notwendigeärztliche Betreuung am Flughafen etc.) von rückzuführenden Personen, die besondereVorkehrungen bei der Ankunft in Pristina erforderlich machen,die Rückzuführenden ausreichend mit den notwendigen Medikamenten zu versorgen oder derenweitere ärztliche Behandlung im Kosovo sicherzustellen.Ich bitte um Unterrichtung der Ausländerbehörden Ihres Bezirks.Im Auftraggez.(Schuk)28


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006KosovoFlüchtlingsrat Nordrhein-WestfalenKommentar zum Erlass vom 07.06.2006Gesundheit spielt bei der Zustimmung der UNMIK zuAbschiebungen keine Rolle mehr– Schwere Krankheiten sollen aber weiter der UNMIK mitgeteilt werdenNach dem Erlass des Innenministeriums NRW (Az. 15-39.02.01-5-132 Kosovo) vom 07.07.2006 "erstrecktUNMIK die Prüfung, ob eine Person in das Kosovo zurückkehren kann, nicht mehr auf gesundheitlicheAspekte, und wird daher künftig generell die Rückführung von Personen aus gesundheitlichen Gründen (auchvon chronisch Kranken oder anderen schwerkranken Personen, Personen mit schweren oder chronisch psychischenErkrankungen einschließlich Posttraumatischen Belastungsstörungen sowie schwerbehindertenPersonen einschließlich deren Betreuungspersonen) nicht mehr ablehnen, sofern dem keine andere Gründeentgegenstehen."Dementsprechend entfällt ab sofort auch die Übermittlung von stichwortartigen Informationen über den Gesundheitszustandsowie von medizinischen Attesten oder ärztlichen Bescheinigungen.Den Behörden wird aber insofern freigestellt der Bitte der UNMIK nach der Benachrichtigung über schwereErkrankungen einzelner Rückzuführender aus humanitären Gründen nachzukommen, damit eine medizinischeVersorgung in Kosovo sichergestellt werden kann.Diese Kürzung der UNMIK-Rechte folgte aus der Änderung des UNHCR-Positionspapiers von Juni 2006, dasunter der Kategorie "Humanitarian Categories" nunmehr keine krankheitsbezogene Kriterien berücksichtigt.Trotz der ausdrücklichen Warnung der UNMIK Stellevertreterin Sandra Mitchell, dass das Gesundheitswesenim Kosovo mit der medizinische Behandlung Schwerkranker an seine Grenzen stoßen könnte, ist von einergroßen Abschiebungswelle kranker Flüchtlinge in das Kosovo auszugehen.29


KosovoResümee der KosovoreiseDW-TrierSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzBeratungsstelle für die Kreise und kreisfreien Städte zurfreiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen (Förderprojekt desLandes Rheinland-Pfalz)Diakonisches Werk • Theobaldstr. 10 • 54292 TrierTelefon-Zentrale: 0651 -20 900-50Telefax: 0651-20 900-39E-Mail:sekretariat@diakonie-trier.deBankverbindung: Sparkasse TrierKto. 900 027, BLZ 585 501 30Auskunft erteilt: Herr BaumgartenUnser Zeichen: BB/KeDatum: 17. Mai 2006Resümee der Kosovo-Erkundungsreise (27.04. bis 03.05.2006)• Die politische Lage ist geprägt von der großen nationalen Frage nach dem Status(Selbstständigkeit). Die albanisch sprechenden Kosovaren, aber auch Ashkali und Ägypter,halten die Klärung der Status-Frage für eine notwendige Voraussetzung der politischen,wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.• Die Roma-Vertreter haben Angst vor der Unabhängigkeit. Sie befürchten den Abzug derSchutztruppen und neue Übergriffe sowie „die Bezahlung alter Rechnungen“. Ihnen wird dieKollaboration mit den Serben vorgeworfen. Sie drohen mit erneuter und massenhafter Flucht.• Unter den Minderheiten sind die Roma in der schlechtesten Position. Ihre Chancen zurpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Integration tendieren größtenteils gegen null.• Durchgängig hörten wir von Vertretern der unterschiedlichen Minderheiten, besonders stark vonden Roma: „Wartet mit der Rückkehr noch ca. 3 Jahre, bis a) der Status geklärt ist, b) sich dieWirtschaft etwas entwickelt hat und c) sich die Sicherheitslage geklärt hat.• Alle Gesprächspartner bejahten die zurzeit bestehende Sicherheit, allerdings mit dem Zusatz,was geschieht, wenn die KFOR-Truppen nach Klärung der Status-Frage abgezogen werden?• Das größte Problem für die Rückkehrer, (auch für die Binnenflüchtlinge), ist die Wohnraumfrage(häufigste Anfrage beim Ombudsmann).• Die Roma haben hier die meisten Probleme. Viele ihrer Häuser wurden zerstört oder sind vonAlbanern besetzt worden. Noch schlimmer sind die Roma dran, die aus Albanien geflohen sind.-2-30


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006Kosovo• An zweiter Stelle stehen die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten. Dies gilt für im Kosovo Lebendewie auch für Rückkehrer. Das soziale Netz ist sehr weitmaschig geknüpft. Die sozialeVersorgung erfolgt über die Familie/den Clan Sozialhilfe bekommen nur Mütter, Familien mitkleinen Kindern.• Die medizinische Versorgung ist sehr schlecht. Sehr viele Leistungen und Medikamente sindnur gegen Barzahlung erhältlich.• Auf unser beharrliches Fragen bei allen Gesprächspartnern, der Minderheiten und derenAngehörige wurde die freiwillige Rückkehr vor der Abschiebung als die bessere Variantegenannt. „Es ist besser, wenn die Rückkehrer nicht mit leeren Händen kommen“.• Aber zuerst muss die Wohnraumfrage geklärt sein. Diese ständig geäußerte Meinung wurdeauch von der UNMIK bestätigt.• Häufig wurde betont, die Rückkehrer sollen berufliche Erfahrungen und Kenntnisse mitbringen,sodass sie sich selbstständig machen können. Dazu gehören finanzielle Mittel für die erstenMonate, Material und auch Mittel, um ggf. im Kosovo Gebliebene beschäftigen zu können.• Wir wurden vielfach gewarnt, nur die Rückkehrer zu fördern. Eine einseitige Förderung dieserArt würde Neid fördern und die Gefahr von Übergriffen heraufbeschwören.• Um Menschen Sicherheit für die freiwillige Rückkehr zu geben, sollte ihnen öfter dieGelegenheit angeboten werden, eine lnformation/Erkundungsreise in den Kosovo machen zukönnen. Viele kennen ihre alte Heimat nur noch von Erzählungen bzw. Medienberichten.• Es wurde deutlich, dass zu jeder Rückkehrberatung eine genaue Recherche in denHerkunftsorten notwendig ist. Befragt werden müssen die unterschiedlichen Stellen nachWohnraum, Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten und nach alten Rechnungen.• Es wurde uns zudem geraten, diese Recherche über ein eigenes (vertrauenswürdiges) Büro imKosovo durchführen zu lassen. Es soll auch die Flüchtlinge wenn möglich in Empfang nehmenund auch die Nachhaltigkeit sichern, d. h. u. a. Ansprechpartner sein, wenn Fragen aufkommenund/oder das Ein oder Andere aus Deutschland (Unterlagen und Papiere) benötigt wird.• Roma benötigen besondere Unterstützung. Es fehlt an vielem, u. a. an Schulmaterial, wie einehemaliger Schulleiter berichtete.• Gut wäre ein Projekt mit Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort für Minderheiten, die im Kosovoleben und Rückkehrern, sodass beide (integrativ) miteinander lernen.31


Zahlen und StatistikSeptember 2006Zahlen und Statistik<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzBundesinnenministeriumLeichter Anstieg der Asylanträge im AugustIm August 2006 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 1.899 Asylerstanträge gestellt.Damit stieg die Zahl der Asylbewerber im Vergleich zum Vormonat um 509 Personen (36,6 Prozent). Gegenüberdem Vorjahresmonat August 2005 ging die Zahl der Asylbewerber um 524 Personen ( 21,6 Prozent)zurück.Von Januar bis August 2006 ist die Anzahl der Asylanträge im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahresum 5.069 ( 26,4 Prozent) gesunken.Die Zahlen im Einzelnen:I. Aktueller MonatBeim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben im August 2006 1.899 Personen (Vormonat 1.390Personen) Asyl beantragt.Damit ist die Zahl der Asylbewerber gegenüber dem Vormonat um 509 (36,6 Prozent) gestiegen. Gegenüberdem Vergleichsmonat im Vorjahr (August 2005: 2.423 Personen) hat sich die Zahl der Asylbewerberim August 2006 um 524 ( 21,6 Prozent) verringert.Hauptherkunftsländer im August 2006 waren:Zum Vergleich<strong>Nr</strong>. Land Personen Juni Personen Juli PersonenAugust1. Serbien u. Montenegro* 229 225 2582. Irak 158 140 2243. Türkei 149 117 1734. Russische Föderation 58 75 935. Vietnam 91 73 886. Libanon 30 50 837. Syrien 44 37 828. Indien 41 26 549. China 25 30 5110. Afghanistan 29 43 48*bis Juli 2006: Serbien und MontenegroIm August 2006 wurden neben den 1.899 Erstanträgen 703 Folgeanträge beim Bundesamt für Migrationund Flüchtlinge gestellt.Im August 2006 hat das Bundesamt über die Anträge von 2.422 Personen (Vormonat: 2.373) entschieden.Als Asylberechtigte anerkannt wurden 14 Personen (0,6 Prozent). Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1des Aufenthaltsgesetzes erhielten 75 Personen (3,1 Prozent). Abgelehnt wurden die Anträge von 1.461Personen (60,3 Prozent). Anderweitig erledigt (z.B. durch Verfahrenseinstellungen wegen Rücknahme desAsylantrages) wurden die Anträge von 872 Personen (36,0 Prozent).32


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006Zahlen und StatistikBei 62 Personen hat das Bundesamt im August 2006 Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 2,3, 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes festgestellt.II. Laufendes JahrFür den Zeitraum Januar bis August 2006 ergeben sich folgende Zahlen:In der Zeit von Januar bis August 2006 haben insgesamt 14.152 Personen in Deutschland Asyl beantragt.Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr (19.221 Personen) bedeutet dies einen Rückgang um5.069 Personen (‐26,4 Prozent).Die Hauptherkunftsländer in der Zeit von Januar bis August 2006 :<strong>Nr</strong>. Land Anzahl Personen1. Serbien* 1.975 Personen2. Türkei 1.353 Personen3. Irak 1.345 Personen4. Russische Föderation <strong>68</strong>5 Personen5. Vietnam 676 Personen6. Syrien 426 Personen7. Aserbaidschan 402 Personen8. Libanon 397 Personen9. Iran 384 Personen10. Afghanistan 379 Personen* bis Juli 2006 Serbien und MontenegroIm Zeitraum von Januar bis August 2006 wurden neben den 14.152 Erstanträgen 6.185 Folgeanträgebeim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt.Im Zeitraum von Januar bis August 2006 hat das Bundesamt 21.503 Entscheidungen (Vorjahr: 32.296) getroffen.182 Personen (0,9 Prozent) wurden als Asylberechtigte anerkannt. 662 Personen (3,1 Prozent) erhieltenAbschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes. 12.908 Asylanträge (60,0 Prozent)wurden abgelehnt. 7.751 Anträge (36,0 Prozent) wurden anderweitig erledigt.Bei 391 Personen hat das Bundesamt in der Zeit von Januar bis August 2006 Abschiebungshindernisse imSinne von § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes festgestellt.Die Zahl der Personen, über deren Anträge noch nicht entschieden wurde, betrug Ende August 200<strong>68</strong>.146, darunter 5.942 Erstanträge und 2.204 Folgeanträge (Vormonat: 7.874 anhängige Verfahren, davon5.691 Erst- und 2.183 Folgeanträge).33


Europas GrenzenSeptember 2006Europas Grenzen<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzPRO ASYL, Auszug aus der PressemappePressekonferenz zum 20 jährigen Bestehen von Pro Asyl, 7. September 2006Eine kritische Beschreibung der Sachstände1. Deutschland und zunehmend auch die EU betreiben eine Politik, die Europa zu einer flüchtlingsfreienZone zu machen droht.Die Asylzahlen in Deutschland und Europa befinden sich im freien Fall In den 25 Staaten der EuropäischenUnion wie in Gesamteuropa wurde 2005 die niedrigste Zahl von Asylsuchenden seit 1988 gezählt. In Deutschlandhandelt es sich sogar um die niedrigste Zahl seit 1983.Der drastische Rückgang der Zahl der Asylsuchendenin Europa im letzten Jahrzehnt beruht vorrangig darauf, dass seit einem Vierteljahrhundert dieZugangsmöglichkeiten nach Europa zunehmend versperrt worden sind.Die Drittstaatenregelung in Deutschland war der Anfang. Heute versteht sich ganz Europa als Kontinent, derdie Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen den Nachbarstaaten und Nachbarregionen aufbürdenwill. Die vom Europäischen Parlament kritisierte EU-Asylverfahrensrichtlinie ist hierzu ein Instrument. Es bestehtdie Gefahr, dass Flüchtlinge an den Grenzen in Drittstaaten zurückgewiesen werden, die alles andereals sicher sind. Hierbei werden elementare Prinzipien des Rechtsstaats verletzt. Ein effektiver Rechtsschutzist nicht möglich.2. Im Windschatten des so genannten Krieges gegen den Terror findet ein dramatischer Umbau desinternationalen Flüchtlings- und Menschenrechtssystems statt.Errungenschaften, die die Antwort auf die Barbarei waren und sind, drohen entsorgt zu werden. Im Zentrumder Auseinandersetzung stehen das absolute Verbot, jemanden der Folter oder unmenschlicher Behandlungauszusetzen und das Asylrecht. Diese Entwicklung spiegelt sich in den Verhandlungen zu einem europäischenAsylsystem und in der Asylpraxis der Mitgliedstaaten zunehmend wider. Folter wird in Asylverfahrenzum Teil als Ermittlungsmethode bagatellisiert. Ausländische Gerichtsurteile, in denen erfolterte Beweise dieGrundlage für die Verurteilung bilden, werden behandelt, als handele es sich um normales Strafrecht. Zunehmendwird versucht, völkerrechtliche Zusicherungen vom potentiellen Verfolgerstaat einzuholen, dass Abgeschobenenicht gefoltert oder misshandelt werden.3. Das gesellschaftliche Bewusstsein, dass Asyl ein Menschenrecht ist und Flüchtlinge Menschensind, die Schutz brauchen, ist zerstört worden.Dazu hat die Politik ihren Beitrag geleistet. Zunächst wurden Flüchtlinge als „Asylanten“ stigmatisiert. AusgrenzendeMaßnahmen wie Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, Lagerunterbringung, Arbeitsverbotehaben Vorurteile gefördert. Begründet wurden sie mit der generalisierenden Aussage, dass Flüchtlinge überwiegendaus wirtschaftlichen Gründen nach Europa wollten und auf diese Weise abgeschreckt würden. WerdenFlüchtlinge als solche bezeichnet, solange sie sich in ihrer Herkunftsregion aufhalten, so verwandeln siesich auf dem Weg nach Europa in „illegale Zuwanderer“.Die vereinfachende Darstellung insbesondere von Flüchtlingen aus afrikanischen Staaten als „Elendsflüchtlinge“verdrängt die Einsicht, dass es politische Prozesse sind, die Menschen zur Flucht zwingen. Es ist nichtim Bewusstsein, dass allein zwischen 1997 und 2002 in 27 der 53 afrikanischen Staaten Kriege und bewaff-34


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006Europas Grenzennete Konflikte zu massiven Fluchtbewegungen geführt haben. Die Festlegung willkürlicher Staatsgrenzendurch die europäischen Kolonialmächte zwischen 1870 und 1900 ist auch heute noch der Keim vieler Spannungenund Konflikte. Diktatorische Regime und die negativen Folgen einer neoliberalen Globalisierungsstrategieverschärfen die Misere. Die politische Ökonomie der Verelendungsprozesse steht in engemZusammenhang mit nach wie vor weit verbreiteter politischer Unterdrückung und Ver-folgung.4. Flüchtlinge haben besondere Rechte und Bedürfnisse – Menschenrechte aber gelten für alle Menschenin Flucht- bzw. Migrationsbewegungen.Vor dem Hintergrund der zunehmenden Entrechtung beider Gruppen hat es UNHCR im Vorfeld des hochrangigenDialogs über internationale Migration und Entwicklung, der am 14. und 15. September 2006 stattfindenwird, für nötig gehalten, darauf hinzuweisen. Die Prüfung des Schutzbedürfnisses erfordert Zugangzum Territorium und ein faires Verfahren. Die völkerrechtliche Verpflichtung, Flüchtlinge nicht in Länder zurückzuschicken,in denen sie an Leben oder Freiheit gefährdet sind, erfordert es auch sicherzustellen, dassMaßnahmen gegen irreguläre Migration nicht den Zugang zum Schutz unmöglich machen. Zugleich weistUNHCR darauf hin, dass das Recht auf Entwicklung ein unveräußerliches Menschenrecht ist, auf-grund dessenMenschen und Völker Anspruch haben, an der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Entwicklungteilzuhaben. Die Teilhabe aber an diesen Formen der Entwicklung wird vielen Menschen durch diegrößer werdenden Ungleichheiten verwehrt. Beim Versuch, diesen globalen Prozess zu verändern, geht esum die Verwirklichung von Menschenrechten – nicht um Almosen.5. An den europäischen Außengrenzen werden die Menschenrechte systematisch verletzt.Die Dramen, die sich in Ceuta, Melilla, auf den Kanaren und auf Lampedusa regelmäßig abspielen, zeigen,dass die EU-Staaten bereit sind, elementare Menschenrechtsstandards aufzugeben.Europa forciert das Outsourcing des Flüchtlingsschutzes ohne Rücksicht auf internationale Schutzabkommenoder die Menschenrechtssituation in den Transitstaaten und Herkunftsregionen.Beispiel Italien: Ohne Prüfung der Fluchtgründe wurden unter der Regierung Berlusconi seit Oktober 2004Tausende Schutzsuchende nach Libyen abgeschoben – in ein Land, das die Genfer Flüchtlingskonventionnicht unterzeichnet hat und in keiner Weise Flüchtlings-standards einhält. Die Boatpeople wurden nach ihrerAnkunft auf der Insel Lampedusa inhaftiert und dann gefesselt in Militärmaschinen nach Tripolis abgeschoben.Beispiel Spanien: Die von Spanien durchgeführten Zurückweisungen nach Marokko im Herbst 2005 bedeutetennichts anderes als den Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention.Danach müsste den Schutzsuchenden die Gelegenheit gegeben werden, einen Asylantrag zustellen, der nach fairen und rechtsstaatlichen Kriterien geprüft wird – was nicht geschehen ist.Außerdem hat Spanien die Menschenrechtskonvention verletzt, weil es mit den Abschiebungen sehendenAuges in Kauf genommen hat, dass die Betroffenen in Marokko Misshandlun-gen und menschenrechtswidrigerBehandlung ausgesetzt wurden.6. Die von der EU und ihren Mitgliedstaaten betriebene Militarisierung der Außengrenzen löst keineProbleme.Wer über Flüchtlinge und Migranten in militärischen Kategorien redet und Fluchtverhinderung mit militärischenMitteln betreibt, stößt heute kaum noch auf Widerspruch. Die Entsendung einer "schnellen Eingreiftruppe",die Verlegung von Flugzeugen und Schiffen an die afrikani-sche Küste, um dort Flüchtlinge zu orten und abzufangen,der verstärkte Einsatz von Satelli-tenüberwachung und unbemannter Überwachungsflugzeuge -so genannter Drohnen - sind Ausdruck dieser Entwicklung.Die Militarisierung der Flüchtlingsabwehr stoppt Flucht und Migration nicht – sie vergrößert die Risiken. DemokratischeGesellschaften dürfen es nicht hinnehmen, dass die Friedhöfe im Mittelmeer und im Atlantikvon Tag zu Tag größer werden.35


Europas GrenzenSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzBeispiel Fluchtweg Mauretanien – Kanarische Inseln:Nachdem es im Herbst 2005 in den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla zu massiven Menschenrechtsverletzungenund völkerrechtswidrigen Zurückweisungen kam, haben sich die Fluchtrouten in Richtung Mauretanienund Senegal verlagert. Die Folge: Die Wege nach Europa werden länger und gefährlicher. Über1200 Menschen verloren nach Angaben des spanischen Innenministeriums in den ersten drei Monaten desJahres 2006 auf der Überfahrt zu den Kanarischen Inseln ihr Leben.7. Die Konzeption der »regionalen Schutzprogramme« ist unredlich, solange die EU nicht maßgeblichdazu beiträgt, die Not und Perspektivlosigkeit in den zahlreichen Flüchtlingslagern in Afrika zubeenden.Im Zuge der Debatte über diese vermeintlichen »Schutzkonzepte« hat sich nur die Gewichtung verschoben:Europa baut Menschenrechts- und Schutzstandards ab und verlagert die Verantwortung für den Flüchtlingsschutzin Transitstaaten und noch mehr als bisher in die Herkunftsregionen.Die „heimatnahe Unterbringung“ von Flüchtlingen ist längst Realität: Über 85 Prozent aller Flüchtlinge lebenin der jeweiligen Herkunftsregion – meist in Elendslagern unter erbärmlichen Bedingungen.Beispiel Tansania: Ein Pilotprojekt soll in Tansania entstehen. Der Flüchtlingshochkommissar der UN hat diewestlichen Geberländer mehrfach darauf hingewiesen, dass beispielsweise die Essensrationen für 400.000Flüchtlinge in Tansania wegen fehlender Finanzmittel drastisch reduziert werden mussten. Dem Welternährungsprogramm(WFP) fehlten 2004 219 Millionen Dollar und dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge(UNHCR) 182 Millionen Dollar. Lebensmittelrationen für Flüchtlinge zu kürzen, ist in Afrika nicht die Ausnahme,son-dern die Regel. Die Mittel der EU zur Ermöglichung dauerhafter Lösungen für Flüchtlinge imsubsaharischen Afrika sind gelinde gesagt bescheiden – sie betragen ganze vier Millionen Euro.8. Statt der Fluchtursachen werden die Flüchtlinge bekämpft.Bekenntnisse von Politikern, dass die Fluchtursachen bekämpft werden müssten, sind unglaubwürdig, solange nicht Menschenrechtsfragen oberste Priorität in der Außen- und Wirtschafts-, und in der europäischenInnenpolitik haben und nicht ernsthaft faire Handelsbeziehungen angestrebt werden.Beispiel Entwicklungshilfe: Sie liegt bei vielen EU-Ländern immer noch weit unter der anvisierten 0,7-Prozent-Marke in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt – auch in Deutschland. Selbst wenn alle EU-Staaten wie angestrebtbis 2015 endlich die anvisierten 0,7 Prozent erreichen, wird das nicht ausreichen, um dieökonomischen Verhältnisse in Afrika grundlegend zu verändern.Beispiel Agrarsubventionen: Europa zerstört mit seinen Agrarsubventionen die Märkte auf dem afrikanischenKontinent und produziert damit Elend, Hunger und neue Fluchtursachen. Diese Subventionen und der Protektionismusgegenüber afrikanischen Produkten müssen abgebaut werden.9. Migration ist Selbsthilfe aus der Armut – legale Einwanderung könnte Risiken ver-mindern.Rücküberweisungen von Migranten sind schon seit vielen Jahren höher als die Mittel der internationalenEntwicklungshilfe. 167 Milliarden Dollar haben Auswanderer aus Entwicklungsländern im Jahr 2005 aus denIndustrieländern an ihre Familien überwiesen. Diese Summe ist fast doppelt so hoch wie die gesamte internationaleEntwicklungshilfe. Für viele Länder Afrikas sind die Überweisungen die wichtigste Devisenquelle.Auch für viele Familien sind die Auslandsüberweisungen eines migrierten Angehörigen oft die einzige Chance,die Lebenssituation Vieler, manchmal ganzer Dörfer zu verbessern. Es ist daran zu erinnern, dass auch dieeuropäischen Auswanderer des 19. Jahrhunderts große Risiken in Kauf genommen ha-ben, um ein besseresLeben für sich und ihre Familien zu erreichen. Eine legale Einwanderungsmöglichkeit ist nicht die einzige Lösung,würde aber die Zahl derer reduzieren, die bislang lebensgefährliche Wege nach Europa beschreitenmüssen.Beispiel verfehlte Fischereipolitik: Fischer im Senegal können von der Fischerei nicht mehr leben seitdem die36


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006Europas GrenzenEU mit industriellen Fangmethoden die Existenz der afrikanischen Fischer ruiniert. Hoch subventionierte Fischereiflottenschickt die EU, deren eigene Gewässer zum großen Teil leergefischt sind, vor die Küsten Afrikasund kauft den betroffenen Regierungen die Fischereirechte ab. Manche der rund 850 europäischenFischkutter außerhalb der EU-Grenzen sind schwimmende Fischfabriken. Einige holen bis zu 400 t Fisch ausdem Wasser, dafür bräuchte ein lokaler Kleinfischer 10 Jahre. Fischern aus dem Senegal bleibt oft keine andereWahl, als ihre Boote zu vermieten oder sie zu verkaufen und selbst die gefährliche Fahrt auf die kanarischenInseln anzutreten. Die EU produziert die Schleuser, deren Kriminalität sie zu bekämpfen vorgibt.10. In Europa herrscht ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit.Die Verantwortung an andere abzutreten, dieser Geist, der inzwischen die europäische Flüchtlingspolitikdurchzieht, gilt auch im Verhältnis der EU-Staaten untereinander. Bundesinnenminister Schäuble hat dieAsylzuständigkeitsregelungen (Dublin-Regelungen) als Beitrag zur Solidarität und Verantwortungsteilungunter den Mitgliedsstaaten bezeichnet. Fakt ist: Die „alten“ EU-Mitglieder im Zentrum Europas haben einAsylsystem durchgesetzt, das die Verantwortung weitgehend den Staaten an der Außengrenze aufbürdet.Das Dublinsystem ist unsolidarisch. Es überfordert in einigen Staaten die gerade erst entstandenen Infrastrukturen,die in anderen längst vorhanden sind. Darüber hinaus ist das Dublinverfahren ein großer Verschiebebahnhof,in dem Asylsuchende ohne Beachtung ihrer Bindungen dorthin zurückgeschickt werden,wo sie den ersten Gebietskontakt hatten.In Deutschland und in Europa werden aufgrund von Dublin II immer mehr Asylsuchende inhaftiert und abgeschoben.Folteropfer werden in andere EU-Länder zurückgeschickt, selbst wenn dort keine adäquaten sozialenAufnahmebedingungen und keine ausreichenden medizinischen und therapeutischenBehandlungsmöglichkeiten existieren.11. Das europäische Asylsystem gleicht einer Lotterie.Verteilt werden Asylsuchende auf der Basis einer Fiktion: Es gäbe gleiche Asylstandards in der EU. Sowohlhinsichtlich der Asylanerkennungsquoten als auch der sozialen Aufnahmebedingungen sind die Unterschiedeweiterhin groß. Ohne ein gemeinsames verbindliches europäisches Asylrecht bleibt Dublin II ein bürokratischerZuständigkeitsmechanismus.Ein Beispiel für diese europäische Schutzlotterie: Für Flüchtlinge aus Tschetschenien entscheidet die Frage,ob sie in Bratislava oder 75 Kilometer weiter in Wien ihr Asylverfahren durchlaufen müssen, über Schutzstatusoder weitgehende Rechtlosigkeit. Die Anerkennungsrate für Tschetschenen lag 2005 in Österreich bei über90 % und in der Slowakei bei unter einem Prozent.12. Die Qualität der Asylverfahren ist mangelhaft. Das Asylverfahren ist zum „Ort eines verdichtetenMisstrauens“ geworden.28.914 Personen haben in Deutschland im letzten Jahr noch Asyl beantragen können. Angesichts der Tatsache,dass politische und ethnische Verfolgung, Kriege und andere Fluchtgründe nicht abgenommen haben,bedeutet dies: Deutschland war und ist nicht willens, seinen Beitrag zur Aufnahme von Flüchtlingen zu leisten.Ganze 411 Personen haben noch den Status der Asylberechtigten erhalten (bei 48.102 Ent-scheidungeninsgesamt). Kaum besser sieht es bei der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonventionaus (§ 60 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz). 2.053 Personen (4,3 Prozent) erhielten den entsprechendenStatus. Trotz der extrem geringen Zugangs-zahlen ist die Qualität des deutschen Asylverfahrens äußerstmangelhaft.Das staatliche Interesse an einer Abschiebung der Flüchtlinge überlagert das Prüfungsverfahren bis in diein der Anhörung gestellten Fragen hinein. Die persönliche Anhörung ist das Herzstück des Asylverfahrens.Das Bundesamt erweckt den Eindruck, dass es kein wirkliches Interesse an einer gerechten Entscheidunghat, weil in der Praxis die persönliche Anhörung und die Abfassung des Bescheides häufig von zwei verschiedenenBeamten vorgenommen werden. Standardisierte Handlungsanleitungen der Amtsleitung führen37


Europas GrenzenSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-Pfalzzu Abstump-fung und Gleichgültigkeit bei den Einzelentscheidern. Statt sich mit individuellen Fluchtgründenauseinander zu setzen, werden weitgehend Textbausteine verwendet. Die persönliche Anhörung des Asylsuchendenwird darauf zugeschnitten.13. Die Praxis der in großer Zahl eingeleiteten Widerrufsverfahren gegen einmal gewährtes Asyl widersprichtden flüchtlingsrechtlichen Grundsätzen der Genfer Flüchtlingskonvention.Die Widerrufspraxis des Bundesamtes blendet die Sicherheitsbedingungen in den jeweiligen Herkunftsländernaus. Riesige Arbeitsbeschaffungsprogramme, mit denen in knapp 45.000 Widerrufsverfahren (von Anfang2003 bis Ende Juni 2006 ) Flüchtlingen der Status entzogen wurde, sind ein Verstoß gegen die GenferFlüchtlingskonvention, menschenrechtswidrig, inhuman und schaffen nach einer möglichen Bleiberechtsregelungfür die bislang Geduldeten die nächsten Geduldeten. Kein anderer EU-Staat kennt eine vergleichbarePraxis der Mas-senwiderrufe. Im wohlverstandenen öffentlichen Interesse ist es nicht, wenn Zehntausendevom gesicherten Status in die Duldung gedrängt werden, aber weder unter zumutbaren Be-dingungen ausreisenkönnen noch abgeschoben werden, weil die Bedingungen in den Herkunftsstaaten dies nicht zulassen.14. Deutschland leistet sich den fragwürdigen Luxus, 200.000 Menschen - von ihnen mehr als 120.000länger als 5 Jahre im Lande lebend - auf Abruf hier leben zu lassen.Höchst unterschiedlich setzen sich die EU-Staaten mit dem Problem derjenigen Menschen auseinander, diesich lange auf ihrem Territorium aufhalten, ohne einen entsprechenden Status erworben zu haben. InDeutschland betrifft dies in der öffentlichen Wahrnehmung zu-nächst Geduldete, in den südlichen EU-StaatenMigranten ohne Dokumente, die überwiegend keinen Asylantrag gestellt haben. Während jedoch Spanien,Portugal, Italien und Griechenland in den vergangenen Jahren bereit waren, die normative Kraft des faktischlangen Aufenthaltes zur Grundlage von Regularisierungsregelungen zu machen, tut sich Deutschland nachwie vor schwer mit einer relativ geringen Zahl von Menschen mit Dauerduldung. Eine restriktive Bleiberechtsregelungmit vielen unerfüllbaren Nebenbedingungen ist keine Lösung des Problems.Wie das Menschenrecht auf Asyl in Europagestärkt werden kannForderungen:1. Die Menschenrechte müssen oberste Priorität in der Außen-, Wirtschafts- und der europäischen Innenpolitikhaben.2. Eine solidarische, ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung bewusste Europäische Union muss ein gemeinsamesAsylsystem schaffen, das sich von dem bisherigen technokratischen Harmonisierungskonzeptgrundlegend unterscheidet. Ein solches Asylsystem muss die uneingeschränkte Anwendung der GenferFlüchtlingskonvention zur Grundlage haben und vom Gedanken der solidarischen Teilung der Verantwortungzwischen den EU-Staaten und anderen Vertragsstaaten der GFK getragen sein.3. Die bislang lediglich technokratischen Zuständigkeitsregelungen des Dublin II-Systems müssen revidiertwerden. Derjenige Staat sollte für ein Asylverfahren zuständig sein, in dem Asylsuchende ihren Antrag stellen.Entstehende Ungleichgewichte können durch finanzielle Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden.4. Kernstück der Genfer Flüchtlingskonvention ist das Gebot der Nichtzurückweisung. Dies schließt ein,dass Flüchtlinge ein Recht auf Zugang und ein faires Asylverfahren haben müssen. Der Schutz vor völkerrechtswidrigenZurückweisungen muss gewährleistet werden.5. Großzügige Aufnahmeprogramme sind für Flüchtlinge erforderlich, die in Erstaufnahmestaaten leben,ohne ihre Rechte aus der GFK wahrnehmen zu können oder aus anderen Gründen schutzbedürftig sind38


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006Europas Grenzen(Resettlement). Die Staaten und Regionen, die bereits jetzt den größten Teil der Flüchtlingsbevölkerungaufnehmen, benötigen Unterstützung. Diese Unterstützung darf allerdings nicht instrumentalisiert werden,um sie zur Beteiligung an Maßnahmen zur Fluchtverhinderung zu nötigen. Auf keinen Fall benötigen dieHauptaufnahmestaaten und –regionen weitere Flüchtlingslager, die vom Provisorium zur Dauereinrichtungwerden.6. Europa braucht legale Einwanderungsmöglichkeiten, damit Migranten nicht lebensgefährliche Wege nachEuropa beschreiten müssen.7. Die ökonomischen Ursachen für Migrationsbewegungen können nur durch einen gewaltigen, langfristigangelegten Umverteilungsprozess bisher nicht da gewesener Größenordnung reduziert werden. Dazugehört eine umfassende Reform des unfairen Welthandelssystems und eine Neuorientierung der EU-Entwicklungs-,Wirtschafts- und Außenpolitik.8. Die politische Aufgabe, Asylrecht und –verfahren europafähig zu machen, muss grundlegend anders angegangenwerden. Dazu gehört es, dass die Genfer Flüchtlingskonvention zur Leitlinie des Handelns vonBehörden und Gerichten werden muss. Deutschland ist heute noch weit davon entfernt, die Genfer Flüchtlingskonventionumfassend umzusetzen und die Beschlüsse des Exekutivkomitees des UNHCR zu achten.Völkerrechtsunfreundlich ist der im europaweiten Vergleich einzigartige Umgang Deutschlands mitdem Instrument der Widerrufsverfahren. Inakzeptabel ist der im Widerspruch zur GFK stehende Umgangmit Menschen, die exilpolitisch aktiv sind hinsichtlich der Berücksichtigung der sogenannten Nachfluchtgründeim deutschen Verfahren. Das Verhältnis Deutschlands zu den Rechten minderjähriger Flüchtlingeund zur UN-Kinderrechtskonvention ist weiterhin gestört.9. Wer sich jahrelang mit Kenntnis der Behörden in Deutschland aufhält, muss das Recht haben, auf Dauerhier zu bleiben. Der Missstand der massenhaften Kettenduldungen muss beendet werden. Eine zu kurzgreifende Bleiberechtsregelung wird dieses Problem nicht lösen. Es bedarf zusätzlich einer Neuregelungim Aufenthaltsgesetz, damit das Entstehen neuer Dauergeduldeter ausgeschlossen wird. Zu beenden istauch die schematische und völkerrechtswidrige Widerrufspraxis, die zur Folge hat, dass ein Großteil derer,denen der Flüchtlingsstatus entzogen wird, auf den Status der lediglich Geduldeten herabgedrückt wird.39


Europas GrenzenSeptember 2006 <strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzUnfaire Gerichtsverfahren dauern anAmnesty InternationalZusammenfassung des Berichts "Turkey - Justice Delayed and Denied: The persistence of protracted andunfair trials for those charged under anti-terrorismlegislation" (AI Index: EUR 44/013/2006)Unfaire Prozesse und unter Foltererpresste "Geständnisse" bleiben das große Problem der türkischen Justiz. Besonders betroffen sind Personen,die unter dem türkischen Anti-Terrorgesetz angeklagt sind. So lautet das Fazit eines heute von amnestyinternational (ai) veröffentlichten Berichts. "Trotz Reformen haben die neuen Gerichte für schwereStraftaten die Verfahrensfehler der ehemaligen Staatssicherheitsgerichte bis heute nicht korrigiert", so AmkeDietert, Türkei-Expertin der deutschen Sektion von ai. "Die Angeklagten haben kaum eine faire Chance aufVerteidigung. Außerdem werden unter Folter erpresste Aussagen weiterhin als Beweismittel zugelassen."ai dokumentiert in dem neuen Türkei-Bericht Verfahren, die teilweise seit mehr als zehn Jahren dauern. "TurgayUlu sitzt seit Mai 1996 in Untersuchungshaft", so ai-Expertin Dietert. "Der stark sehbehinderte Mannwurde der Mitgliedschaft in zwei ideologisch konkurrierenden Organisationen beschuldigt. Außerdem wurdeihm die Teilnahme an einer bewaffneten Aktion vorgeworfen. Dafür wurde er zum Tode verurteilt - obwohl dieals Zeugen geladenen Polizisten ihn nicht als Täter identifizieren konnten." Das Todesurteil ist mittlerweile ineine lebenslange Haftstrafe umgewandelt worden. Das Berufungsverfahren läuft. "Obwohl keinerlei Beweisegegen Turgay Ulu vorliegen, wurden bisher sämtliche Haftentlassungsanträge abgelehnt", kritisiert Dietert.ai fordert die türkischen Behörden auf, endlich internationale Rechtsstandards zu wahren. Jeder Foltervorwurfmuss gründlich untersucht und die Verwendung unter Folter erpresster Geständnisse unterbunden werden.Darüber hinaus muss die Türkei dafür Sorge tragen, dass die Verfahren auf der Basis umfassender und effektiverErmittlungen geführt werden, damit die Untersuchungshaft nicht endlos hinausgezögert wird.Den Bericht "Turkey - Justice Delayed and Denied: The persistence of protracted and unfair trials for thosecharged under anti-terrorism legislation" (AI Index: EUR 44/013/2006) finden Sie unter:http://web.amnesty.org/library/index/engeur44013200640


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006WeltweitWeltweitDer Schlepper <strong>Nr</strong>.34 (Frühling 2006)Pierrette Roussillat-Onangolo, KO-Gruppe AK-Asyl RLPDemokratische Republik Kongo- monatlich 38.000 Tote!„In der Demokratischen Republik Kongo findet zur Zeitdie schlimmste humanitäre Krise statt“. Diese Meldungder bekannten, britischen medizinischen Zeitschrift„The Lancet” ist wie ein beschämender Schrei, der nicht- oder kaum - gehört wird. Die Zahlen, die dort genanntwerden, sind nicht neu: seit Kriegsbeginn im August1998 beläuft sich die Zahl der Toten auf 3,9 MillionenMenschen. Nichtsdestotrotz sind Landes- und Kommunalbehördender Meinung, dass ausreisepflichtigeFlüchtlinge gefahrlos in das von Ausplünderung undKrieg ruinierte afrikanische Land zurückkehren oderdorthin abgeschoben werden können.Monat für Monat sterben in dem riesigen Land 38.000Personen an den direkten, aber auch vor allem indi-rektenFolgen des Krieges. Haupttodesursache sind Krankheiten,die aufgrund des maroden Zustandes desgesamten Gesundheitssystems nicht behandelt werdenkönnen, aber eigentlich behandelbar sind und vermiedenwerden könnten.Problematische WahlParallel dazu wird in der europäischen Offentlichkeit derangeblich stattfindende Demokratisierungspro-zess gelobtund gefeiert. Es ist natürlich richtig: Es haben inder Demokratischen Republik Kongo nach über 40 Jahren(die letzte demokratische Wahl war 1965!) am 18.und am 19. Dezember 2005 die ersten Wahlen stattgefunden.Die Kongolesen durften an diesen Tagen füroder gegen die neue Verfassung ihr Votum abgeben.Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Akteureder kongolesischen Zivilgesellschaft kritisieren in einemBericht vom 10.01.06 den Verlauf dieser Wahlen: Sehrdetailliert prangern sie Wahlbetrug und -fälschungen anund analysieren den Ablauf dieser Wahlen. Sie stellenmassiv die Rolle der „Unabhängigen Wahlkommission“(CEI) in Frage, die in ihren Augen eher eine sehr regierungsfreundlichePosition angenommen hat. Kritisiertwird u.a. die fehlende Verbreitung und Bekanntmachungdes Verfassungstextes vor den Wahlen. Laut Wahlgesetzhätte der Text „überall, in Französisch und den weiterenNationalsprachen“ verteilt werden sollen. Gedrucktwurden jedoch lediglich 500.000 Exemplare - mangelsfinanzieller Mittel, so die CEI -, eine lächerliche Zahl,wenn man bedenkt, dass die Zahl der Wahlberechtigtenauf ca.25 Millionen geschätzt wurde. Wer kannte schon denText? Wer konnte sich angesichts der alltäglichen Notund der allgemeinen katastrophalen Situation mit denInhalten dieser Verfassung beschäftigen? Viele habengewählt, ohne zu wissen, wofür sie ihre Stimme abgeben.Für sie war das Warten vor den Wahllokalen vorallem eine Möglichkeit zu signalisieren „Wir wollen vorallem Frieden, wir wollen Sicherheit und wir wollenbesser leben“.Das Ergebnis dieser Wahlen? 61,97% der Wahlberechtigtenhaben ihre Stimme abgegeben, was im Umkehrschlussbedeutet, dass sich immerhin 38,03% derStimme enthalten haben. Gesiegt hat „Ja“ mit 84,31 %.Dieses Ergebnis muss aber differenziert betrachtet werden.In einigen Regionen, u.a. in der Hauptstadt siegte„Nein“, im Osten des Landes, wo der Krieg amschlimmsten war und wo Kämpfe immer wieder aufflammen,hat das „Ja“ massiv gesiegt. Durch dieses positiveVotum für die Verfassung ist nun der Weg offenfür weitere Wahlen. Parlaments- und Präsidentschaftswahlenin den kommenden Monaten. Ob dadurch auchder Weg zu einem dauerhaften Frieden offen ist, bleibtfraglich. Ende Januar wurden erneut Kämpfe im OstenKongos gemeldet.Trotz dieser zaghaften ersten Schritte in Richtung Umsetzungder Friedensvereinbarungen sind hinsichtlichder allgemeinen Situation im Lande keine Fortschrittezu verzeichnen.41


WeltweitSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzGefängnisse in schlimmsten ZustandIm Schlepper-Artikel vom Winter 2004 wurde bereitsüber die schlimme Lage in den Gefängnissen des Landeshingewiesen. Die MONUC (Mission der UNO inKongo) hat 2005 erneut Gefängnisse unter die Lu-pe genommenund einen neuen Bericht verfasst (Rapport surles conditions de détention dans les prisons et cachotsde la RDC, Oktober 2005). Demnach sind die Haftbedingungenweiterhin „inakzeptabel“. Im Vorwort weistdie MONUC daraufhin, dass der Bericht nicht vollständigist, da die Berichterstatter aufgrund der unsicherenSituation im Lande nicht alle Regionen besuchen konntenund weil einige „Dienste“ wie die ANR (Agence Nationaleder Renseignements), die DEMIAP (DetectionMilitaires des Activités anti-Patrie) und die IPK (Inspectionprovinciale de Kinshasa) den Besuch einiger Gefängnisseverboten hatten. Die drei genannten Dienstesind Geheimdienste. Ihnen wurde im vorherigen Berichtvorgeworfen, schwere Menschenrechtsverletzungen begangenzu haben. (Schlepper <strong>Nr</strong>. 29).Wie im Jahre 2004 sind aufgrund von „gravierendenMängeln in Ernährung, Hygiene und medizinischer Versorgung'die meisten Gefängnisse immer noch „reineSterbeheime“. Laut MONUC kann die Verhängungeiner Gefängnisstrafe - auch für ein geringfügiges Delikt- einem „Todesurteil“ entsprechen, so hoch ist das Risikoim Gefängnis zu sterben. Der Staat hat sich aus derVersorgung der Gefangenen mit Lebensmitteln und Medikamentenvöllig zurückgezogen: Die Mehrheit der Inhaftiertenist in einem schlechten Gesundheitszustand,die kleinste Krankheit kann tödlich sein.Die meisten Gefängnisse sind überfüllt, da viele Gebäudezerfallen sind und nicht mehr genutzt werdenkönnen. Zugenommen hat die Zahl der „cachots“: DieMONUC stellt in ihrem Bericht fest, dass diese sich mitdem Aufbau von Polizeirevieren „vermehrt haben“.Jeder Kommandeur sucht sich einen Platz aus, den erzum „cachot“ deklariert. Es sind keine besonderen Formalitätendafür erforderlich.Entgegen allen internationalen Normen findet in denkongolesischen Gefängnissen keine Trennung zwischenMinderjährigen und Erwachsenen, politischenund nichtpolitischen Gefangenen, teilweise auch zwischenMännern und Frauen statt. Die gängigste Unterscheidung,die allerdings nicht international vorgesehenist (!), ist zwischen armen und besser situierten Gefangenen.Letztere schaffen es, sich bessere Haftbedingungenzu erkaufen, indem sie den schlecht bezahltenWächtern Geld gegen bessere Unterbringung anbieten.Dass es trotz der Wahlen im Dezember immer noch42Menschenrechtsverletzungen in Kongo gibt, wird vonmehreren kongolesischen Menschenrechtsorganisationen(MRO), darunter die Jpdh Journalistes pour la promotionet la Défense des Droits de l'hornme), beklagt.Anfang Februar hat die Jpdh erneut mehrere Fälle von„illegaler Inhaftierung, willkürlicher Verhaftung undVerschwindenlassen“ angeprangert. Der ausführlicheBericht von Jpdh zur Situation der Menschenrechte inKongo für das Jahr 2005 lag zum jetzigen Zeitpunktnoch nicht vor, dürfte aber interessante Informationenenthalten.Parallel dazu hat am 30.01.06 eine andere MRO, la Voixdes Sans Voix in einer Pressekonferenz Photos von politischenGefangenen und Verschwundenen veröffentlicht.Sie nennt dabei die Namen von Personen aus demoppositionellen Lager,die im Jahre 2005 Opfer der politischenRepression waren. Sie geben auch die Namenvon Personen an, die verschwunden sind, darunter 28Gefangene, Militärs, Zivilisten und Polizisten, denenvorgeworfen wird, einen Putsch gegen das Regime geplantzu haben.Gesundheitliche Situation schlechtIn einem Bericht von Ärzte ohne Grenzen (MSF, Accèsaux soins, mortalité et violences en République Démocratiquedu Congo, Oktober 2005) werden erschrekkendeZahlen genannt: Die Demokratische RepublikKongo liegt in der von der UNO erstellten Ranglistenach dem Entwicklungsstand auf Platz 1<strong>68</strong> (von insgesamt177 Ländern). Die Zahl der Kindersterblichkeit(Kinderunter 5 Jahren) ist hoch: 213 Tote auf 1000 lebendeGeburten, dies bedeutet, dass in der DR Kongoein lebender Neugeborener von 5 nicht das fünfte Lebensjahrerreichen wird. 30% der Kinder, die vor diesemAlter sterben, sterben an Malaria. Ca. 300.000 Kindersterben in Kongo pro Jahr an dieser KrankheitMehr als 80% der Kongolesen leben mit einem Tageseinkommenvon 0,30 US$ pro Person. So haben diemeisten Familien nicht genügend Geld, um an einemTag alle Familienmitglieder zu ernähren. Laut FAO (derErnährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO)kann 75% der kongolesischen Bevölkerung als unterernährtbetrachtet werden. Das kongolesische Gesundheitsministeriumist der Meinung, dass 16% derBevölkerung unter akuter Unterernährung leidet.Für die meisten Familien, die um ihr tägliches Überlebenkämpfen, sind Krankheiten eine Tragödie. Der Zugangzur medizinischen Grundversorgung ist einProblem. Es gibt nur noch wenige Krankenhäuser imganzen Land und die meisten sind schlecht ausgestattet.Das Budget für den medizinischen Bereich beträgt auf


<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006Weltweitdem Papier 80 Millionen US$. Bestenfalls ist das umgerechnet1 US$ pro Einwohner. Die OMS (Weltgesundheitsorganisation)geht von 34 US$ pro Jahr und proPerson für die Basisversorgung aus. Die DemokratischeRepublik Kongo ist noch weit davon entfernt. Medikamentesind nur gegen Bargeld erhältlich. Wer nicht zahlenkann, wird nicht behandelt. Und wer nicht behandeltwird, hat wenig Chancen zu überleben.In seinen Empfehlungen betont MSF, dass „es von großerBedeutung ist, die Tatsachen zu erkennen und diehohen Sterberaten nicht ausschließlich in Zusammenhangmit den andauernden Konflikten zu sehen. Gewalt,aber auch Armut und extreme Prekarität sind heute Ursachenfür das Sterben vieler Menschen in Kongo“.Genau wie schon vor vier Jahren stirbt die Mehrheit dieserOpfer „in aller Stille“ unbeachtet von der öffentlichenAufmerksamkeit.Pierrette Roussillat-Onangolo ist Mitglied des FlüchtlingsratsSchleswig-Holstein im rheinland-pfälzischenExil.______________________________Der Schlepper <strong>Nr</strong>.34 (Frühling 2006)AktualisierungPierrette Roussillat-Onangolo, KO-Gruppe AK-Asyl RLPAm 30.07.2006 fanden in der DR Kongo die ersten freien Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt.Überschattet wurden sie von drei Tagen Gewalttaten, bei denen ca. 30 Personen ums Leben kamen. Inder Tat waren nach der Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Enderbegnisses am 20.08.06 mitten in derHausptstadt Kinshasa schwere Kämpfe zwischen Soldaten von Kabila und Bemba entflammt.Der amtierende Präsident, Joseph Kabila, verfehlte mit 45% der Stimmen die absolute Mehrheit. Dadurchwurde eine Stichwahl gegen den zweitplazierten Vizepräsidenten, Jean-Pierre Bemba, notwendig. Dieserzweite Wahlgang findet 29.10.06 statt. Der Sieg von Kabila gilt als ziemlich wahrscheinlich. Offen ist, wieder Verlierer reagieren wird.43


Termine / SonstigesSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzTermineWeiterbiidungsstudium Europäische MigrationBausteine der Bürgergesellschaft -Migrantenorganisationen in Deutschland (T3)11.10.2006, 10.00 - 17.30 UhrWeiterbildungszentrum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Alte Mensa)Anmeldeschluss: 13.09.2006Seminarnr.: 11050140Leitung: Claudia Vortmann, Sibel SoyerWeiterbildungsveranstaltung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)Donnerstag, den 2. November,10:00 - 17:00 UhrZentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN, Albert-Schweizer-Str. 113, 55128 MainzLeitung: Roland Grasshoff, weitere Infos bei Ihm erhältlichWeiterbildungsstudium Europäische MigrationSchwerpunkte des Ausländer- und FlüchtlingsrechtsEntwicklungen in der Migrations-/lntegrationspolitik (TZ)15 - 16.11.06; 10.00 - 17.30 UhrWeiterbildungszentrum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Alte Mensa)Anmeldeschluss: 23.10.06Seminarnummer: 11050141Leitung: Roland Grasshoff, Jurist, lnitiativausschuss für Migrationspolitik Rheinland-PfalzPlenum des AK-Asylam 10.11.2006 ab 10:00 UhrCaritasverband für die Diözese Mainz, Holzhofstraße 8, 55116 MainzOrientierungshilfe für Kirchengemeindenzum Umgang mit Menschen ohne AufenthaltspapiereNach Schätzungen leben mehr als eine Million Menschen in Deutschland, ohne die dafür nötige Aufenthaltsgenehmigungoder zumindest eine Duldung zu besitzen. Das Kirchenamt der EKD veröffentlicht diepraxisorientierte Handreichung: „Zum Umgang mit Menschen ohneAufenthaltspapiere“ (EKD-Texte 85).Das Heft "EKD-Texte 85, Zum Umgang mit Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung", kann für 0,75 Eurozzgl. Porto und Verpackung beim Kirchenamt der EKD, Versand, Fax: 0511/2796-457, E-Mailversand@ekd.de bezogen werden.Er ist auch im im Internet kostenlos nachzulesen.http://www.ekd.de/presse/pm176_2006_menschen_ohne_aufenthaltspapiere.htmlhttp://www.ekd.de/EKD-Texte/ekd_text85.htmlAnlagen- Kopiervorlage:Schreiben an Staatsminister Bruch, Forderung einer Bleiberechtsregelung, ProAsyl e.V.- Informationsblatt:ProAsyl info, September 2006, ProAsyl e.V.- Zeitung:Zeitung gegen den Krieg, Ausgabe 2444

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