<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzSeptember 2006WeltweitWeltweitDer Schlepper <strong>Nr</strong>.34 (Frühling 2006)Pierrette Roussillat-Onangolo, KO-Gruppe AK-Asyl RLPDemokratische Republik Kongo- monatlich 38.000 Tote!„In der Demokratischen Republik Kongo findet zur Zeitdie schlimmste humanitäre Krise statt“. Diese Meldungder bekannten, britischen medizinischen Zeitschrift„The Lancet” ist wie ein beschämender Schrei, der nicht- oder kaum - gehört wird. Die Zahlen, die dort genanntwerden, sind nicht neu: seit Kriegsbeginn im August1998 beläuft sich die Zahl der Toten auf 3,9 MillionenMenschen. Nichtsdestotrotz sind Landes- und Kommunalbehördender Meinung, dass ausreisepflichtigeFlüchtlinge gefahrlos in das von Ausplünderung undKrieg ruinierte afrikanische Land zurückkehren oderdorthin abgeschoben werden können.Monat für Monat sterben in dem riesigen Land 38.000Personen an den direkten, aber auch vor allem indi-rektenFolgen des Krieges. Haupttodesursache sind Krankheiten,die aufgrund des maroden Zustandes desgesamten Gesundheitssystems nicht behandelt werdenkönnen, aber eigentlich behandelbar sind und vermiedenwerden könnten.Problematische WahlParallel dazu wird in der europäischen Offentlichkeit derangeblich stattfindende Demokratisierungspro-zess gelobtund gefeiert. Es ist natürlich richtig: Es haben inder Demokratischen Republik Kongo nach über 40 Jahren(die letzte demokratische Wahl war 1965!) am 18.und am 19. Dezember 2005 die ersten Wahlen stattgefunden.Die Kongolesen durften an diesen Tagen füroder gegen die neue Verfassung ihr Votum abgeben.Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Akteureder kongolesischen Zivilgesellschaft kritisieren in einemBericht vom 10.01.06 den Verlauf dieser Wahlen: Sehrdetailliert prangern sie Wahlbetrug und -fälschungen anund analysieren den Ablauf dieser Wahlen. Sie stellenmassiv die Rolle der „Unabhängigen Wahlkommission“(CEI) in Frage, die in ihren Augen eher eine sehr regierungsfreundlichePosition angenommen hat. Kritisiertwird u.a. die fehlende Verbreitung und Bekanntmachungdes Verfassungstextes vor den Wahlen. Laut Wahlgesetzhätte der Text „überall, in Französisch und den weiterenNationalsprachen“ verteilt werden sollen. Gedrucktwurden jedoch lediglich 500.000 Exemplare - mangelsfinanzieller Mittel, so die CEI -, eine lächerliche Zahl,wenn man bedenkt, dass die Zahl der Wahlberechtigtenauf ca.25 Millionen geschätzt wurde. Wer kannte schon denText? Wer konnte sich angesichts der alltäglichen Notund der allgemeinen katastrophalen Situation mit denInhalten dieser Verfassung beschäftigen? Viele habengewählt, ohne zu wissen, wofür sie ihre Stimme abgeben.Für sie war das Warten vor den Wahllokalen vorallem eine Möglichkeit zu signalisieren „Wir wollen vorallem Frieden, wir wollen Sicherheit und wir wollenbesser leben“.Das Ergebnis dieser Wahlen? 61,97% der Wahlberechtigtenhaben ihre Stimme abgegeben, was im Umkehrschlussbedeutet, dass sich immerhin 38,03% derStimme enthalten haben. Gesiegt hat „Ja“ mit 84,31 %.Dieses Ergebnis muss aber differenziert betrachtet werden.In einigen Regionen, u.a. in der Hauptstadt siegte„Nein“, im Osten des Landes, wo der Krieg amschlimmsten war und wo Kämpfe immer wieder aufflammen,hat das „Ja“ massiv gesiegt. Durch dieses positiveVotum für die Verfassung ist nun der Weg offenfür weitere Wahlen. Parlaments- und Präsidentschaftswahlenin den kommenden Monaten. Ob dadurch auchder Weg zu einem dauerhaften Frieden offen ist, bleibtfraglich. Ende Januar wurden erneut Kämpfe im OstenKongos gemeldet.Trotz dieser zaghaften ersten Schritte in Richtung Umsetzungder Friedensvereinbarungen sind hinsichtlichder allgemeinen Situation im Lande keine Fortschrittezu verzeichnen.41
WeltweitSeptember 2006<strong>Infodienst</strong> Asyl in Rheinland-PfalzGefängnisse in schlimmsten ZustandIm Schlepper-Artikel vom Winter 2004 wurde bereitsüber die schlimme Lage in den Gefängnissen des Landeshingewiesen. Die MONUC (Mission der UNO inKongo) hat 2005 erneut Gefängnisse unter die Lu-pe genommenund einen neuen Bericht verfasst (Rapport surles conditions de détention dans les prisons et cachotsde la RDC, Oktober 2005). Demnach sind die Haftbedingungenweiterhin „inakzeptabel“. Im Vorwort weistdie MONUC daraufhin, dass der Bericht nicht vollständigist, da die Berichterstatter aufgrund der unsicherenSituation im Lande nicht alle Regionen besuchen konntenund weil einige „Dienste“ wie die ANR (Agence Nationaleder Renseignements), die DEMIAP (DetectionMilitaires des Activités anti-Patrie) und die IPK (Inspectionprovinciale de Kinshasa) den Besuch einiger Gefängnisseverboten hatten. Die drei genannten Dienstesind Geheimdienste. Ihnen wurde im vorherigen Berichtvorgeworfen, schwere Menschenrechtsverletzungen begangenzu haben. (Schlepper <strong>Nr</strong>. 29).Wie im Jahre 2004 sind aufgrund von „gravierendenMängeln in Ernährung, Hygiene und medizinischer Versorgung'die meisten Gefängnisse immer noch „reineSterbeheime“. Laut MONUC kann die Verhängungeiner Gefängnisstrafe - auch für ein geringfügiges Delikt- einem „Todesurteil“ entsprechen, so hoch ist das Risikoim Gefängnis zu sterben. Der Staat hat sich aus derVersorgung der Gefangenen mit Lebensmitteln und Medikamentenvöllig zurückgezogen: Die Mehrheit der Inhaftiertenist in einem schlechten Gesundheitszustand,die kleinste Krankheit kann tödlich sein.Die meisten Gefängnisse sind überfüllt, da viele Gebäudezerfallen sind und nicht mehr genutzt werdenkönnen. Zugenommen hat die Zahl der „cachots“: DieMONUC stellt in ihrem Bericht fest, dass diese sich mitdem Aufbau von Polizeirevieren „vermehrt haben“.Jeder Kommandeur sucht sich einen Platz aus, den erzum „cachot“ deklariert. Es sind keine besonderen Formalitätendafür erforderlich.Entgegen allen internationalen Normen findet in denkongolesischen Gefängnissen keine Trennung zwischenMinderjährigen und Erwachsenen, politischenund nichtpolitischen Gefangenen, teilweise auch zwischenMännern und Frauen statt. Die gängigste Unterscheidung,die allerdings nicht international vorgesehenist (!), ist zwischen armen und besser situierten Gefangenen.Letztere schaffen es, sich bessere Haftbedingungenzu erkaufen, indem sie den schlecht bezahltenWächtern Geld gegen bessere Unterbringung anbieten.Dass es trotz der Wahlen im Dezember immer noch42Menschenrechtsverletzungen in Kongo gibt, wird vonmehreren kongolesischen Menschenrechtsorganisationen(MRO), darunter die Jpdh Journalistes pour la promotionet la Défense des Droits de l'hornme), beklagt.Anfang Februar hat die Jpdh erneut mehrere Fälle von„illegaler Inhaftierung, willkürlicher Verhaftung undVerschwindenlassen“ angeprangert. Der ausführlicheBericht von Jpdh zur Situation der Menschenrechte inKongo für das Jahr 2005 lag zum jetzigen Zeitpunktnoch nicht vor, dürfte aber interessante Informationenenthalten.Parallel dazu hat am 30.01.06 eine andere MRO, la Voixdes Sans Voix in einer Pressekonferenz Photos von politischenGefangenen und Verschwundenen veröffentlicht.Sie nennt dabei die Namen von Personen aus demoppositionellen Lager,die im Jahre 2005 Opfer der politischenRepression waren. Sie geben auch die Namenvon Personen an, die verschwunden sind, darunter 28Gefangene, Militärs, Zivilisten und Polizisten, denenvorgeworfen wird, einen Putsch gegen das Regime geplantzu haben.Gesundheitliche Situation schlechtIn einem Bericht von Ärzte ohne Grenzen (MSF, Accèsaux soins, mortalité et violences en République Démocratiquedu Congo, Oktober 2005) werden erschrekkendeZahlen genannt: Die Demokratische RepublikKongo liegt in der von der UNO erstellten Ranglistenach dem Entwicklungsstand auf Platz 1<strong>68</strong> (von insgesamt177 Ländern). Die Zahl der Kindersterblichkeit(Kinderunter 5 Jahren) ist hoch: 213 Tote auf 1000 lebendeGeburten, dies bedeutet, dass in der DR Kongoein lebender Neugeborener von 5 nicht das fünfte Lebensjahrerreichen wird. 30% der Kinder, die vor diesemAlter sterben, sterben an Malaria. Ca. 300.000 Kindersterben in Kongo pro Jahr an dieser KrankheitMehr als 80% der Kongolesen leben mit einem Tageseinkommenvon 0,30 US$ pro Person. So haben diemeisten Familien nicht genügend Geld, um an einemTag alle Familienmitglieder zu ernähren. Laut FAO (derErnährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO)kann 75% der kongolesischen Bevölkerung als unterernährtbetrachtet werden. Das kongolesische Gesundheitsministeriumist der Meinung, dass 16% derBevölkerung unter akuter Unterernährung leidet.Für die meisten Familien, die um ihr tägliches Überlebenkämpfen, sind Krankheiten eine Tragödie. Der Zugangzur medizinischen Grundversorgung ist einProblem. Es gibt nur noch wenige Krankenhäuser imganzen Land und die meisten sind schlecht ausgestattet.Das Budget für den medizinischen Bereich beträgt auf