23.02.2015 Aufrufe

Energie

St. Gallen Business Review Sommer 2012

St. Gallen Business Review
Sommer 2012

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Aufbruch in ein neues<br />

<strong>Energie</strong>zeitalter<br />

Dr. Norbert Röttgen<br />

Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

Wer zu spät kommt, den bestraft das<br />

Leben – wir alle kennen diesen Ausspruch<br />

Michael Gorbatschows, und<br />

wohl jeder würde ihm ohne nachzudenken<br />

zustimmen. Doch unser Handeln sieht häufig<br />

ganz anders aus. Kurzfristigkeit prägt die Entscheidungen<br />

vieler Unternehmen. Die Erfolgs- und Gewinnerwartungen<br />

müssen sich innerhalb weniger Jahre, zum<br />

Teil innerhalb von Monaten realisieren. Es sind die<br />

jährlichen Bilanzen, die die Börsenkurse bestimmen,<br />

nicht die langfristigen Erfolgsaussichten. Was in der<br />

Wirtschaft der Börsenkurs ist, ist in der Politik die<br />

Wahlprognose. Erfolg muss sich bis zur nächsten Wahl<br />

zeigen, sonst droht die Strafe durch den Wähler, so zumindest<br />

die Befürchtung der Handelnden. Die Folgen<br />

dieser Logiken sind heute unübersehbar: Renditeblasen,<br />

die ganze Volkswirtschaften ins Straucheln bringen,<br />

eine Staatsverschuldung, die die Handlungsfähigkeit<br />

unserer Gemeinwesen über Jahrzehnte gefährdet,<br />

Sozialsysteme, die mitunter ungebremst in die demografische<br />

Falle laufen. Und wir wissen auch, dass unser<br />

Wohlstand auf einem hemmungslosen Verbrauch natürlicher<br />

Ressourcen beruht: Je mehr verbraucht wird,<br />

umso mehr Wohlstand gibt es. Das war und ist noch<br />

immer ein fast allgemeingültiger Zusammenhang. So<br />

kann es nicht weitergehen. Mit einem «Weiter so» des<br />

alten Wachstumspfads steuern wir unweigerlich auf die<br />

Vernichtung unserer natürlichen Lebensgrundlagen<br />

zu, auf einen ungebremsten Klimawandel, auf einen<br />

unwiederbringlichen Verlust natürlicher, aber auch<br />

kultureller Schätze, auf eine Welt der Instabilitäten<br />

und der wirtschaftlichen Verunsicherung. Ist diese Entwicklung<br />

unausweichlich? Ich bin überzeugt: Die Antwort<br />

lautet «nein». Denn wir haben klare Alternativen.<br />

Wir müssen sie nur nutzen.<br />

Politik der Zukunftsverantwortung<br />

Wir können eine stabilere, eine menschlichere,<br />

eine sicherere Ordnung schaffen, wenn wir unser Denken<br />

und Handeln langfristiger orientieren, wenn wir<br />

lernen, politisch nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten<br />

zu denken. Für die Entscheidungen, die wir heute<br />

«Was in der Wirtschaft<br />

der Börsenkurs<br />

ist, ist in der Politik<br />

die Wahlprognose.»<br />

treffen, müssen wir die Lebensbedingungen und Lebensperspektiven<br />

der nächsten Generation zum aktuellen<br />

politischen Entscheidungsmassstab machen. Das<br />

ist ausgesprochen anspruchsvoll und verlangt allen,<br />

der Politik genauso wie den Wählerinnen und Wählern,<br />

grosse politische Reife ab. Aber es ist zwingend notwendig.<br />

Denn gerade das Phänomen des Klimawandels<br />

zeigt: Wir müssen heute antizipierend Entscheidungen<br />

über Entwicklungen treffen, die teilweise erst in Jahrzehnten<br />

eintreten werden, aber nur durch Entscheidungen<br />

heute beeinflusst werden können.<br />

Ein neues Paradigma des Wachstums<br />

Im Mittelpunkt muss bei allem eine Politik für<br />

Wachstum und Fortschritt stehen. Verzicht auf Wachstum<br />

ist nicht die Lösung der Probleme des (post-) industriellen<br />

Zeitalters. Das Grundprinzip der Moderne<br />

ist und bleibt Wachstum. Nur mit Wachstum bleiben<br />

wir zukunftsfähig. Nur so bleibt unsere Gesellschaft<br />

solidarisch, denn es kann nur das verteilt werden, was<br />

auch erwirtschaftet worden ist. Allerdings kommt es<br />

auf eine neue Art des Wachstums an, auf ein Wachstum,<br />

das sich vom Verbrauch endlicher natürlicher Ressourcen<br />

entkoppelt. Die grosse Chance liegt darin, von<br />

einer Ressourcen verbrauchenden zu einer Ressourcen<br />

schonenden Wirtschafts- und Lebensweise zu gelangen.<br />

Aber – und das ist entscheidend – das geht nicht<br />

mit weniger, sondern nur mit mehr technologischem<br />

und wirtschaftlichem Fortschritt. Wachstum und Ressourcenverbrauch<br />

zu entkoppeln ist möglich.<br />

6<br />

Sommer 2012

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!