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Energie

St. Gallen Business Review Sommer 2012

St. Gallen Business Review
Sommer 2012

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St.Gallen<br />

Business Review<br />

Sommer 2012<br />

<strong>Energie</strong><br />

Aufbruch in ein neues<br />

<strong>Energie</strong>zeitalter<br />

Dr. Norbert Röttgen<br />

Bundesminister für Umwelt,<br />

Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

The silent Energy<br />

[R]evolution<br />

Sven Teske<br />

Director of the Greenpeace<br />

Renewable Energy Campaign<br />

Die <strong>Energie</strong>wende<br />

erfolgreich gestalten<br />

Peter Löscher<br />

Vorstandsvorsitzender der Siemens AG


„Ich will die Welt erobern.<br />

Indem ich sie für mich gewinne.“<br />

Für die grossen Herausforderungen unserer Zeit suchen wir Menschen, die<br />

bereit sind, über sich hinauszuwachsen. Menschen, die mit Weitsicht<br />

und Verstand Massstäbe für verantwortungsvolles Handeln setzen – und<br />

dabei immer Mensch bleiben. Denn so sehr wir auf kluge Köpfe zählen,<br />

so wichtig sind uns integere, weltoffene Persönlichkeiten, die für neue<br />

Einflüsse, andere Kulturen und aussergewöhnliche Ideen offen sind.<br />

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ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Editorial<br />

Wie erzeugen wir heute<br />

die <strong>Energie</strong> von morgen?<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Die Gewährleistung einer gesicherten, umweltverträglichen<br />

und wirtschaftlichen <strong>Energie</strong>versorgung für<br />

den gegenwärtigen Wohlstand unter Berücksichtigung<br />

zukünftiger Generationen. Dieses Ziel sollte uns ebenso<br />

klar sein wie das Bewusstsein, dass der Weg kein einfacher<br />

sondern ein gemeinsamer «Kraftakt» sein wird.<br />

Nicht erst seit dem Unglück von Fukushima, den<br />

zunehmenden Folgen des Klimawandels und den politischen<br />

Spannungen aufgrund von Ressourcenkonflikten<br />

müssen wir uns eingestehen, dass neue Lösungen<br />

für das Gewinnen, das Speichern und den Verbrauch<br />

von <strong>Energie</strong> unabdingbar sind. Die Nachfrage nach<br />

<strong>Energie</strong> ist enorm. Zudem wird diese vor dem Hintergrund<br />

des Bevölkerungswachstums und zunehmender<br />

Technologisierung weiter steigen und die vorhandenen<br />

Problematiken verschärfen. Deshalb stellt sich die<br />

Frage, wie wir diesen neuen Problemfeldern innovativ<br />

begegnen können. Wie zügig gelingt es uns, den Anteil<br />

umweltfreundlicher <strong>Energie</strong>träger am <strong>Energie</strong>mix<br />

zu erhöhen? Inwieweit ist es möglich, multinationale<br />

<strong>Energie</strong>konzepte zu finanzieren und stabil auszubauen?<br />

Und welche Rolle kommt dem Endverbraucher bei<br />

diesem Prozess zu?<br />

Um hierauf tiefgreifende Antworten zu finden, bedarf<br />

es eines historisch einzigartigen Zusammenspiels<br />

aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft von der lokalen<br />

bis hin zur globalen Ebene. So reicht es beispielsweise<br />

nicht aus, neue Technologien zur nachhaltigen<br />

<strong>Energie</strong>gewinnung zu entwickeln - diese müssen auch<br />

durch die Politik unterstützt werden und zudem wirtschaftlich<br />

tragfähig sein. Aufgrund dieses trilateralen<br />

Erfordernisses lässt die St.Gallen Business Review<br />

das Titelthema <strong>Energie</strong> von renommierten Autoren<br />

aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft beleuchten.<br />

Dadurch hoffen wir, zur Entwicklung eines tieferen,<br />

vernetzten und vor allem zukunftsorientierten Blicks<br />

beitragen zu können. Denn unser heutiger Umgang mit<br />

<strong>Energie</strong> entscheidet über unsere Welt von morgen.<br />

Wir wünschen viel Spass beim Lesen!<br />

Felix Schneider<br />

Chefredakteur<br />

Philipp Westphal<br />

Chefredakteur<br />

Sommer 2012 3


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MAINSTREAMING RENEWABLES<br />

Erfolgreich in der neuen <strong>Energie</strong>welt<br />

3. St. Galler Forum für Management Erneuerbarer <strong>Energie</strong>n<br />

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Management Erneuerbarer <strong>Energie</strong>n<br />

bringt jährlich Experten und Interes -<br />

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Universität St. Gallen zusammen.<br />

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Donnerstag, 24. Mai 2012:<br />

Vorprogramm & Dinner<br />

Freitag, 25. Mai 2012: Keynotes,<br />

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Premiumpartner<br />

Silberpartner<br />

Weitere Partner<br />

Industrielle Werke Basel - IWB<br />

Medienpartner


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Inhalt<br />

6<br />

Aufbruch in ein neues<br />

<strong>Energie</strong>zeitalter<br />

Dr. Norbert Röttgen<br />

Bundesminister für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit<br />

41<br />

South Stream<br />

Offshore Project<br />

Sebastian Sass<br />

Head of Communications & Spokesperson,<br />

South Stream Transport AG<br />

9<br />

Die <strong>Energie</strong>wende<br />

erfolgreich gestalten<br />

Peter Löscher<br />

Vorstandsvorsitzender der Siemens AG<br />

43<br />

Beratung mal auf eine<br />

andere Art und Weise<br />

ESPRIT St.Gallen<br />

Beratung durch Studenten<br />

13<br />

20<br />

23<br />

27<br />

31<br />

35<br />

The silent Energy [R]evolution<br />

Sven Teske<br />

Director of the Greenpeace Renewable<br />

Energy Campaign<br />

Toward a Distributed-<br />

Power World<br />

Dr. Harald Rubner<br />

Senior Partner and Managing Director BCG<br />

<strong>Energie</strong>versorgung der Zukunft<br />

Ramon Werner<br />

CEO BP Switzerland<br />

Wider die nationalen<br />

Alleingänge<br />

Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge<br />

Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />

des <strong>Energie</strong>wirtschaftlichen Instituts<br />

der Universität zu Köln (EWI)<br />

<strong>Energie</strong> in der Gesellschaft<br />

von morgen<br />

Dr. Kurt Bock<br />

Vorstandsvorsitzender der BASF AG<br />

Wie wir rasch und geordnet aus<br />

der Atomenergie aussteigen<br />

Ueli Leuenberger<br />

Präsident der Grünen Schweiz<br />

44<br />

46<br />

48<br />

51<br />

55<br />

<strong>Energie</strong>versorgung und<br />

<strong>Energie</strong>management<br />

der Zukunft<br />

Georg Knoth<br />

CEO GE Switzerland/Austria & CEO<br />

Technology Enterprises Germany<br />

Das Schweizer<br />

Übertragungsnetz<br />

Pierre-Alain Graf<br />

CEO Swissgrid AG<br />

Schneller ans Netz<br />

Dr. Norbert Schwieters<br />

Partner bei PwC<br />

Dr. Thomas Ull<br />

Leiter des Bereichs Familienunternehmen<br />

und Mittelstand bei PwC<br />

<strong>Energie</strong> im Wandel der Zeit<br />

Heinz Karrer<br />

CEO Axpo Holding AG<br />

The emerging new<br />

energy world order:<br />

Which role for Europe?<br />

Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen<br />

Professor of Management of Renewable<br />

<strong>Energie</strong>s (University of St. Gallen)<br />

38<br />

Beleuchtung mit LED<br />

Martin Hockemeyer<br />

Geschäftsführer der Gebrüder Thiele<br />

Gruppe und Umweltsparte GT BiomeScilt<br />

Sommer 2012 5


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Aufbruch in ein neues<br />

<strong>Energie</strong>zeitalter<br />

Dr. Norbert Röttgen<br />

Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

Wer zu spät kommt, den bestraft das<br />

Leben – wir alle kennen diesen Ausspruch<br />

Michael Gorbatschows, und<br />

wohl jeder würde ihm ohne nachzudenken<br />

zustimmen. Doch unser Handeln sieht häufig<br />

ganz anders aus. Kurzfristigkeit prägt die Entscheidungen<br />

vieler Unternehmen. Die Erfolgs- und Gewinnerwartungen<br />

müssen sich innerhalb weniger Jahre, zum<br />

Teil innerhalb von Monaten realisieren. Es sind die<br />

jährlichen Bilanzen, die die Börsenkurse bestimmen,<br />

nicht die langfristigen Erfolgsaussichten. Was in der<br />

Wirtschaft der Börsenkurs ist, ist in der Politik die<br />

Wahlprognose. Erfolg muss sich bis zur nächsten Wahl<br />

zeigen, sonst droht die Strafe durch den Wähler, so zumindest<br />

die Befürchtung der Handelnden. Die Folgen<br />

dieser Logiken sind heute unübersehbar: Renditeblasen,<br />

die ganze Volkswirtschaften ins Straucheln bringen,<br />

eine Staatsverschuldung, die die Handlungsfähigkeit<br />

unserer Gemeinwesen über Jahrzehnte gefährdet,<br />

Sozialsysteme, die mitunter ungebremst in die demografische<br />

Falle laufen. Und wir wissen auch, dass unser<br />

Wohlstand auf einem hemmungslosen Verbrauch natürlicher<br />

Ressourcen beruht: Je mehr verbraucht wird,<br />

umso mehr Wohlstand gibt es. Das war und ist noch<br />

immer ein fast allgemeingültiger Zusammenhang. So<br />

kann es nicht weitergehen. Mit einem «Weiter so» des<br />

alten Wachstumspfads steuern wir unweigerlich auf die<br />

Vernichtung unserer natürlichen Lebensgrundlagen<br />

zu, auf einen ungebremsten Klimawandel, auf einen<br />

unwiederbringlichen Verlust natürlicher, aber auch<br />

kultureller Schätze, auf eine Welt der Instabilitäten<br />

und der wirtschaftlichen Verunsicherung. Ist diese Entwicklung<br />

unausweichlich? Ich bin überzeugt: Die Antwort<br />

lautet «nein». Denn wir haben klare Alternativen.<br />

Wir müssen sie nur nutzen.<br />

Politik der Zukunftsverantwortung<br />

Wir können eine stabilere, eine menschlichere,<br />

eine sicherere Ordnung schaffen, wenn wir unser Denken<br />

und Handeln langfristiger orientieren, wenn wir<br />

lernen, politisch nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten<br />

zu denken. Für die Entscheidungen, die wir heute<br />

«Was in der Wirtschaft<br />

der Börsenkurs<br />

ist, ist in der Politik<br />

die Wahlprognose.»<br />

treffen, müssen wir die Lebensbedingungen und Lebensperspektiven<br />

der nächsten Generation zum aktuellen<br />

politischen Entscheidungsmassstab machen. Das<br />

ist ausgesprochen anspruchsvoll und verlangt allen,<br />

der Politik genauso wie den Wählerinnen und Wählern,<br />

grosse politische Reife ab. Aber es ist zwingend notwendig.<br />

Denn gerade das Phänomen des Klimawandels<br />

zeigt: Wir müssen heute antizipierend Entscheidungen<br />

über Entwicklungen treffen, die teilweise erst in Jahrzehnten<br />

eintreten werden, aber nur durch Entscheidungen<br />

heute beeinflusst werden können.<br />

Ein neues Paradigma des Wachstums<br />

Im Mittelpunkt muss bei allem eine Politik für<br />

Wachstum und Fortschritt stehen. Verzicht auf Wachstum<br />

ist nicht die Lösung der Probleme des (post-) industriellen<br />

Zeitalters. Das Grundprinzip der Moderne<br />

ist und bleibt Wachstum. Nur mit Wachstum bleiben<br />

wir zukunftsfähig. Nur so bleibt unsere Gesellschaft<br />

solidarisch, denn es kann nur das verteilt werden, was<br />

auch erwirtschaftet worden ist. Allerdings kommt es<br />

auf eine neue Art des Wachstums an, auf ein Wachstum,<br />

das sich vom Verbrauch endlicher natürlicher Ressourcen<br />

entkoppelt. Die grosse Chance liegt darin, von<br />

einer Ressourcen verbrauchenden zu einer Ressourcen<br />

schonenden Wirtschafts- und Lebensweise zu gelangen.<br />

Aber – und das ist entscheidend – das geht nicht<br />

mit weniger, sondern nur mit mehr technologischem<br />

und wirtschaftlichem Fortschritt. Wachstum und Ressourcenverbrauch<br />

zu entkoppeln ist möglich.<br />

6<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Die Transformation unseres<br />

<strong>Energie</strong>systems<br />

Bis zum Jahr 2050 wollen wir in Deutschland unsere<br />

Treibhausgasemissionen um mindestens 80 Prozent<br />

senken. Gleichzeitig streben wir an, mindestens<br />

80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />

zu gewinnen. Schon 2020 sollen es 35 Prozent sein. Die<br />

<strong>Energie</strong>versorgung von Kohle, Gas, Öl und Kernkraft<br />

auf eine stabile und verantwortbare Grundlage zu stellen,<br />

ist daher das politische Gebot der Stunde, ja der<br />

vor uns liegenden Jahrzehnte. Das ist die Aufgabe einer<br />

<strong>Energie</strong>politik aus den Augen unserer Kinder. Anders<br />

als noch vor 10 oder 20 Jahren verfügen wir heute über<br />

die Möglichkeiten zu einer grundlegenden Transformation<br />

des <strong>Energie</strong>systems. Es ist möglich, aus Wind,<br />

Sonne, Biomasse und Geothermie in grossem Umfang<br />

Strom und Wärme zu erzeugen. Erste Kommunen zeigen,<br />

dass sogar die erneuerbare Selbstversorgung möglich<br />

ist. Längst können wir Strom über lange Distanzen<br />

transportieren. Die Hochspannungsgleichstromtechnik<br />

senkt die Verluste enorm. Mittlerweile ist auch<br />

die Elektromobilität keine reine Zukunftstechnologie<br />

mehr. Sie ist im Jetzt angekommen. Es gibt hunderte,<br />

ja tausende von Ideen, <strong>Energie</strong> einzusparen, und viele<br />

von ihnen rechnen sich.<br />

Dass Vieles geht, heisst natürlich nicht, dass<br />

es von allein geht. Wir wissen, dass die Kosten eines<br />

nachhaltigen <strong>Energie</strong>systems heute noch hoch liegen,<br />

und wir sind uns der technischen Herausforderungen<br />

bewusst, etwa bei der Systemintegration der Erneuerbaren<br />

und der Fortentwicklung von Speichertechnologien.<br />

Wir sind uns auch der politischen Anstrengungen<br />

bewusst, die etwa der Netzausbau mit sich bringt. Und<br />

doch bin ich sicher, dass wir es schaffen werden. Die<br />

Veränderungs- und Innovationsdynamik der letzten<br />

Jahre kann nur ermutigen.<br />

Die Veränderungsdynamik ist gross<br />

Schon heute erzeugen wir ein Fünftel unseres<br />

Stroms aus erneuerbaren Quellen, und die Wachstumsraten<br />

sind enorm. Allein von 2010 auf 2011 ist<br />

ihr Anteil an unserer Stromversorgung um etwa 3<br />

Prozent gestiegen, ein gewaltiger Schritt in nur einem<br />

Jahr. Im Rennen um die <strong>Energie</strong>führerschaft in<br />

Deutschland liegen erneuerbare <strong>Energie</strong>n mittlerweile<br />

auf dem zweiten Platz – noch vor der Kernenergie und<br />

der Steinkohle. Die Entwicklung ist erfreulich, auch<br />

weil sie Ausdruck eines Mentalitätswechsels ist. Eine<br />

immer grössere Zahl von Unternehmen betrachten<br />

Umwelt- und Klimaschutz nicht nur als ein volkswirtschaftliches<br />

Gewinnerthema – dass sich Klimaschutz<br />

volkswirtschaftlich rechnet, lässt sich heute kaum<br />

noch bestreiten –, sie versprechen sich auch betriebswirtschaftliche<br />

Vorteile. In der Tat bietet die <strong>Energie</strong>wende<br />

unseren Unternehmen enorme Chancen, wenn<br />

man sie denn vorausschauend ergreift: Erstens durch<br />

<strong>Energie</strong>- und Rohstoffeffizienz. Steigende <strong>Energie</strong>- und<br />

Rohstoffpreise machen weltweit einen immer höheren<br />

Anteil an den Produktionskosten aus. Insgesamt werden<br />

in Deutschland jährlich Materialien im Wert von<br />

rund einer halben Billion Euro verarbeitet. Wir haben<br />

im produzierenden Gewerbe in Deutschland einen<br />

durchschnittlichen Materialkostenanteil von ca. 45%.<br />

Zum Vergleich: Der Lohnkostenanteil liegt nur bei<br />

ca. 18 Prozent. Wer im internationalen Wettbewerb<br />

bestehen will, muss in die <strong>Energie</strong>- und Rohstoffeffizienz<br />

investieren, denn Effizienz bestimmt den Preis.<br />

Zweitens, weil sich die Umwelt- und Effizienztechnologien<br />

zu einem der Leitmärkte im 21. Jahrhundert<br />

entwickeln. Ihr Weltmarktvolumen liegt bereits heute<br />

bei etwa 2 Billionen Euro – mit Wachstumsraten von<br />

«Schon heute erzeugen<br />

wir ein Fünftel unseres<br />

Stroms aus erneuerbaren<br />

Quellen, und die<br />

Wachstumsraten sind<br />

enorm.»<br />

fünf bis sechs Prozent pro Jahr. Wer möchte an diesen<br />

Chancen nicht partizipieren? Deutsche Unternehmen<br />

sind heute mit einem Weltmarktanteil von 16 Prozent<br />

bereits bestens positioniert.<br />

Vorausschauende Ordnungspolitik<br />

Diese Dynamik müssen wir weiter beflügeln. Nicht<br />

durch hehre Ziele oder feierliche Absichtserklärungen,<br />

und auch nicht durch eine immer weiter um sich greifende<br />

Förderpolitik, sondern indem wir die Kräfte des<br />

Marktes intelligent nutzen. Hierfür müssen wir heute<br />

die erforderlichen Pflöcke einrammen, inhaltlich wie<br />

instrumentell – indem wir einen Ordnungsrahmen<br />

schaffen, der das, was langfristige richtig und notwendig<br />

ist, in kurzfristige Logiken übersetzt. Nur mit einer<br />

vorausschauenden Ordnungspolitik wird es uns gelingen,<br />

zukünftiges Marktversagen – um nichts anderes<br />

handelt es sich auch bei der Umwelt- und Klimakrise<br />

– zu verhindern. Sie muss sich orientieren am Verursacher-<br />

und Vorsorgeprinzip, also ökologische Risiken<br />

berücksichtigen und die Volkswirtschaft auf künftige<br />

Sommer 2012 7


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

«Das Grundprinzip<br />

der Moderne ist und<br />

bleibt Wachstum. Nur<br />

mit Wachstum bleiben<br />

wir zukunftsfähig.»<br />

Knappheiten vorbereiten. Marktkonforme Instrumente<br />

und umweltpolitische Zielvorgaben müssen an die<br />

Stelle von gut gemeinter, aber ineffizienter ökologischer<br />

Detailsteuerung treten, um den Wettbewerb als<br />

Innovationstreiber, Kostensenker und Entdeckungsverfahren<br />

für neue Technologien zu nutzen.<br />

Für einen wirkungsvollen<br />

Emissionshandel<br />

Ein gutes Beispiel dafür ist der Emissionshandel.<br />

Er ist das wichtigste marktwirtschaftliche Instrument,<br />

um das Ziel der CO 2<br />

-Minderung zu erreichen. Der Emissionshandel<br />

beruht auf der Einsicht, dass der Markt<br />

Knappheiten in der Zukunft heute noch nicht erkennt.<br />

Deshalb bedurfte es einer politischen Entscheidung,<br />

um der Emission von Treibhausgas einen Preis zu geben<br />

und damit auch Preissignale auszulösen, die Innovationen<br />

vorantreiben. Den Emissionshandel müssen<br />

wir stärken. Derzeit liegen die Zertifikatspreise niedrig,<br />

auch aufgrund konjunktureller Einbrüche in einigen<br />

EU-Staaten. Wenn sich die EU im Laufe des Jahres<br />

auf eine Anhebung des gemeinsamen Klimazieles, das<br />

heisst auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen<br />

bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent gegenüber 1990,<br />

einigt, wäre die weitere Absenkung des «Caps», also der<br />

Gesamtmenge verfügbarer Emissionszertifikate, die<br />

Folge. Steigende Zertifikatspreise könnten dann den<br />

Innovationsdruck weiter erhöhen, so dass neue Technologien,<br />

deren Blaupausen bereits in den Entwicklungsabteilungen<br />

unserer Unternehmen bereit liegen,<br />

marktfähig würden.<br />

Technologiepolitik für mehr Wettbewerb<br />

Auch in Zukunft werden wir das Erneuerbare-<br />

<strong>Energie</strong>n-Gesetz nutzen, um die erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />

gezielt in den Markt zu bringen. Aber wir müssen<br />

Technologieförderung so ausgestalten, dass sie nicht<br />

wettbewerbsfeindlich, sondern wettbewerbsfördernd<br />

ist. Einspeisevergütungen müssen so bemessen sein,<br />

dass sie technologischen Fortschritt auslösen, aber sie<br />

müssen stetig abgeschmolzen werden, wenn sich Technologien<br />

der Marktfähigkeit nähern. Das Ziel ist, die<br />

Technologien «auf eigenen Füssen» in den Markt zu<br />

entlassen. Alles andere ist weder ökologisch noch ökonomisch<br />

sinnvoll, und auch die sozialen Folgen, eine<br />

übermässige Belastung der Stromkunden, müssen vermieden<br />

werden.<br />

Die <strong>Energie</strong>wende als Modernisierungsund<br />

Bürgerprojekt<br />

Um als Volkswirtschaft langfristig im internationalen<br />

Wettbewerb eine führende Rolle zu spielen, müssen<br />

wir uns unserer Stärken und Chancen bewusst werden<br />

– und diese gezielt nutzen. Ich bin davon überzeugt,<br />

dass die <strong>Energie</strong>wende das entscheidende Innovationsund<br />

Modernisierungsprojekt unserer Volkswirtschaft<br />

sein wird. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, die<br />

effizienteste und ressourcenschonendste Volkswirtschaft<br />

der Welt zu werden. Durch eine <strong>Energie</strong>wende<br />

mit ökonomischem Verstand und sozialer Verantwortung.<br />

Hierfür haben wir eine breite gesellschaftliche<br />

Mehrheit: 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger befürworten<br />

den Ausstieg aus der Kernenergienutzung,<br />

drei Viertel gehen vom Erfolg der <strong>Energie</strong>wende aus.<br />

Ebenso viele erwarten von der <strong>Energie</strong>wende ökonomische<br />

Vorteile. Und: Die <strong>Energie</strong>wende mobilisiert.<br />

Heute ist in ländlichen Räumen neben all jenen, die mit<br />

heimischen Anlagen zu Solarpionieren geworden sind,<br />

schon jeder 20. Einwohner Mitglied eines genossenschaftlichen<br />

<strong>Energie</strong>projekts. Die <strong>Energie</strong>wende ist ein<br />

echtes Gemeinschaftsprojekt. Die Begeisterung zeugt<br />

von der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. So<br />

wird die <strong>Energie</strong>wende gelingen!<br />

Lebenslauf<br />

Dr. Norbert Röttgen wurde<br />

am 2. Juli 1965 in Meckenheim<br />

bei Bonn geboren.<br />

Nach dem Abitur studierte<br />

Röttgen Rechtswissenschaften<br />

und wurde zum<br />

Dr. jur. promoviert. Seit<br />

1994 ist Röttgen Mitglied<br />

des Deutschen Bundestages. Er war rechtspolitischer<br />

Sprecher und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer<br />

der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.<br />

Seit Oktober 2010 ist Röttgen Bundesminister<br />

für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.<br />

Im November 2010 wurde er zudem an die Spitze<br />

des mitgliederstärksten CDU-Landesverbandes,<br />

der CDU Nordrhein-Westfalen, und zum stellvertretenden<br />

Bundesvorsitzenden der CDU gewählt.<br />

Röttgen ist verheiratet und hat drei Kinder.<br />

8<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Die <strong>Energie</strong>wende<br />

erfolgreich gestalten<br />

Peter Löscher<br />

Vorstandsvorsitzender der Siemens AG<br />

Mehr als ein Jahr ist seit dem grossen Erdbeben<br />

und der dadurch ausgelösten Nuklearkatastrophe<br />

in Japan vergangen.<br />

Auf der ganzen Welt haben das Leid der<br />

Menschen und das Schicksal des Landes grosse Betroffenheit<br />

ausgelöst. Fukushima hat den Risiken der<br />

Kernkraft ein Gesicht gegeben. Das hat nicht nur in<br />

Deutschland, sondern auch anderswo den Blick auf die<br />

Kernenergie verändert – bei Einzelnen, in der Gesellschaft<br />

und in der Politik.<br />

Auch der Schweizer Bundesrat hat nach dem<br />

schweren Unfall im Kernkraftwerk Fukushima am 25.<br />

Mai 2011 mit der neuen <strong>Energie</strong>strategie 2050 den<br />

schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen.<br />

Beide Kammern des Schweizer Parlaments - National-<br />

und Ständerat - haben im vergangenen Herbst die<br />

Pläne der Regierung gebilligt und damit die <strong>Energie</strong>wende<br />

politisch auf den Weg gebracht. Auch in Japan<br />

ist ein Umdenken in der <strong>Energie</strong>politik zu registrieren.<br />

So ist von den 54 Kernkraftwerken, die vor dem 11.<br />

März 2011 rund 30% des japanischen Stromverbrauchs<br />

gedeckt haben, ab dem 5. Mai - wenn mit Tomari-3 auf<br />

der Nordinsel Hokkaido das letzte Kernkraftwerk wegen<br />

Wartungsarbeiten abgeschaltet wird - keines mehr<br />

am Netz. Japan ist zur Zeit quasi nuklear-frei. Statt<br />

weiter mit dem bis dato geplanten Ausbau zu rechnen,<br />

gehen Experten nunmehr von einer moderaten Rückführung<br />

der Kernenergie in Japan und einem beschleunigten<br />

Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n aus; politische<br />

Beschlüsse stehen jedoch noch aus. In Italien hat<br />

die Bevölkerung in einem Referendum Pläne für eine<br />

Wiederaufnahme der Kernenergie abgelehnt.<br />

Innerhalb von anderthalb Jahrzehnten - das erste<br />

der fünf Kernkraftwerke soll 2019 und das letzte<br />

2034 vom Netz gehen – will die Schweiz im Rahmen<br />

der <strong>Energie</strong>strategie 2050 ihre Stromproduktion aus<br />

Kernenergie Schritt für Schritt auf erneuerbare <strong>Energie</strong>n<br />

umstellen. Das ist eine grosse Herausforderung angesichts<br />

der Tatsache, dass Kernenergie rund 40% zur<br />

gesamten Stromproduktion der Schweiz beiträgt. Zur<br />

Sicherung der Versorgung sollen jetzt die erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n (Wind, Sonne, Wasser, Biomasse, Erdwärme)<br />

ausgebaut, der sparsame Umgang mit <strong>Energie</strong> vor allem<br />

durch Effizienzsteigerung bei <strong>Energie</strong>erzeugung,<br />

Die neuartige Fassade der Monte Rosa<br />

Hütte ist in Form eines Bergkristalls<br />

nach dem Thermoskannenprinzip<br />

konstruiert. Damit wird eine<br />

hervorragende Ökobilanz vom Bau<br />

bis zur Entsorgung erreicht. Im<br />

nächsten Entwicklungsschritt soll die<br />

Gebäudeautomatisierungstechnik<br />

das Raumklima abhängig von der<br />

aktuellen Wetterlage und -prognose<br />

regeln – und damit viel <strong>Energie</strong> sparen.<br />

Sommer 2012 9


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Smart-Grid-Technologie hilft durch bidirektionalen <strong>Energie</strong>fluss erneuerbare <strong>Energie</strong>quellen besser ins<br />

Netz zu integrieren. Anders als bei konventionellen Stromversorgungsnetzen steuert ein Smart Grid<br />

auch den Verbrauch – abhängig von der Verfügbarkeit der elektrischen <strong>Energie</strong> im Netz.<br />

-übertragung und -verbrauch verstärkt und die <strong>Energie</strong>forschung<br />

als wichtiger Baustein einer erfolgreichen<br />

<strong>Energie</strong>wende gefördert werden. Die schweizerische<br />

<strong>Energie</strong>politik zielt darauf ab, den Anteil des aus erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n produzierten Stroms bis zum Jahr<br />

2030 um 5.400 GWh oder 10% des heutigen Schweizer<br />

Stromverbrauchs zu erhöhen. Ein Ziel, das auf das Potenzial<br />

der Wasserkraft und einen breiter diversifizierten<br />

<strong>Energie</strong>mix setzt. Schätzungen zufolge könnte alleine<br />

die Solarenergie künftig 20% des <strong>Energie</strong>bedarfs<br />

in der Schweiz abdecken.<br />

Der Ausgangspunkt und damit die Chance für<br />

eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie ist gut, bezieht<br />

doch die Schweiz bereits den grössten Teil der<br />

Elektrizität aus der Wasserkraft und damit aus erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n. Nach Angaben des Schweizer Bundesamtes<br />

für <strong>Energie</strong> (BFE) stammen (Statistik 2007)<br />

rund 55,6% der gesamten Schweizer Stromproduktion<br />

aus erneuerbaren Quellen, wobei mit rund 96,5% der<br />

Grossteil davon aus Wasserkraftwerken stammt.<br />

Doch das alleine wird nicht genügen, um die <strong>Energie</strong>versorgung<br />

in der verfügbaren Zeit umzustellen.<br />

Fossile <strong>Energie</strong>n werden noch eine Zeit benötigt. Neben<br />

Kohle mit CO 2<br />

-Abtrennung eignen sich vor allem<br />

hocheffiziente Gaskraftwerke, um die schwankende<br />

<strong>Energie</strong>produktion der Erneuerbaren zu kompensieren.<br />

Weltmeister in Sachen Effizienz ist das Gas-und-<br />

Dampfturbinen-Kraftwerk, das wir bei E.ON im bayerischen<br />

Irsching installiert haben. Eine Gasturbine<br />

diesen Typs erzeugt im kombinierten Gas- und Dampf-<br />

Betrieb 570 Megawatt <strong>Energie</strong> bei einem Wirkungsgrad<br />

von über 60%, genügend, um eine Million Dreipersonen-Haushalte<br />

mit Elektrizität zu versorgen. Die Gasturbine<br />

SGT5-8000H hat noch einen weiteren Vorteil:<br />

Sie kann sehr schnell hochgefahren werden – 25 Minuten<br />

im Normalstart bis zur Volllast und nur 10 Minuten<br />

im Schnellstart – und so immer dann einspringen,<br />

wenn die Stromerzeugung durch Wind und Sonne dem<br />

Bedarf nicht gerecht werden kann.<br />

Intelligente Netze und <strong>Energie</strong>speicher<br />

Je mehr dezentrale Stromerzeuger auf Basis von<br />

Wind, Solar, Geothermie oder Biogasanlagen in einem<br />

Netz zusammengeschaltet werden, um so höher<br />

werden die Anforderungen an das Management eines<br />

solchen Netzes gegenüber bisherigen Strukturen aus<br />

wenigen Grosskraftwerken. Dezentrale erneuerbare<br />

<strong>Energie</strong>quellen, die vielfach nur fluktuierend verfügbar<br />

sind, können nur dann störungsfrei in das Stromnetz<br />

integriert werden, wenn Verbrauch und Erzeugung laufend<br />

aufeinander abgestimmt werden.<br />

Das Stromnetz der Zukunft wird deswegen ein<br />

intelligentes Netz, ein sogenanntes Smart Grid sein<br />

müssen, das Erzeugung und Verbrauch stabilisiert.<br />

10<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Die Stadtwerke Arbon <strong>Energie</strong> AG, ein lokaler <strong>Energie</strong>versorger<br />

am Schweizer Bodenseeufer, haben<br />

diesen Zusammenhang frühzeitig erkannt und sich<br />

aus einer ganzheitlichen Sicht entschlossen, schrittweise<br />

eine Smart-Grid-Infrastruktur aufzubauen,<br />

die den zukünftigen Anforderungen des <strong>Energie</strong>marktes<br />

gerecht wird. In Zukunft soll zum Beispiel<br />

intelligente Gebäudetechnik automatisch und ohne<br />

Komfortverlust für die <strong>Energie</strong>konsumenten Geräte<br />

ein- und ausschalten können und so den <strong>Energie</strong>verbrauch<br />

und die Kosten für jeden Kunden optimieren.<br />

Die Balance zwischen erneuerbaren und fossilen<br />

<strong>Energie</strong>n sowie dezentralen Kleinanlagen und Grosskraftwerken<br />

funktioniert nur mit Hilfe von <strong>Energie</strong>speichern.<br />

Sie können den überschüssigen Strom von<br />

fluktuierenden <strong>Energie</strong>quellen wie Solar und Wind<br />

kurzfristig zwischenspeichern und bei Bedarf zur<br />

Verfügung stellen. Pumpspeicherkraftwerke alleine<br />

genügen nicht, erst neue Technologien wie Wasserstoffspeicher<br />

sind in der Lage, wirklich grosse Mengen<br />

erneuerbaren Stroms zwischenzuspeichern.<br />

Intelligentes <strong>Energie</strong>sparen<br />

Die Aufgaben sind nicht gering, doch sie sind zu<br />

bewältigen, wenn man die nötigen Massnahmen zügig<br />

einleitet. Die <strong>Energie</strong>strategie 2050 setzt verstärkt auf<br />

<strong>Energie</strong>effizienz und das Potenzial der erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n. Dabei werden die grössten <strong>Energie</strong>-Sparpotenziale<br />

bei Gebäuden und in der Industrie gesehen.<br />

Auch die Bundesverwaltung, die Eidgenössischen Technischen<br />

Hochschulen (ETH) und die halbstaatlichen<br />

Betriebe sollen nach dem Willen der Schweizer Regierung<br />

ihren Teil dazu beitragen, indem sie den <strong>Energie</strong>verbrauch<br />

bis 2020 um 25% reduzieren. Und Vorgaben,<br />

die den EU-<strong>Energie</strong>spar-Richtlinien für elektrische<br />

Haushaltsgeräte entsprechen, hat die Schweiz bereits<br />

eingeführt.<br />

Der sauberste Strom ist noch immer der, der nicht<br />

verbraucht wird. Hier gibt es erhebliche Einsparpotenziale,<br />

etwa in der Industrie: Elektromotoren verbrauchen<br />

heute fast zwei Drittel des industriell genutzten<br />

Stroms, etwa für Antriebe oder Pumpen. Mit <strong>Energie</strong>sparmotoren<br />

und intelligenten Regelungen lässt sich<br />

deren Stromverbrauch um bis zu 60% senken – eine<br />

solche Investition rechnet sich allein durch die <strong>Energie</strong>einsparung<br />

in weniger als zwei Jahren. Auch bei Gebäuden,<br />

die weltweit mit 40% des <strong>Energie</strong>verbrauchs zu<br />

Buche schlagen, lässt sich ebenfalls viel erreichen, etwa<br />

über Wärmedämmung und Wärmepumpen, intelligente<br />

Gebäudetechnik und eine effiziente Beleuchtung.<br />

Auch Haushaltsgeräte bieten ein enormes Einsparpotenzial:<br />

Mit modernen Geräten lässt sich der Stromverbrauch<br />

gegenüber denen aus den 1990er-Jahren mehr<br />

In Zukunft kann man seinen Stromverbrauch mittels<br />

einer iPhone-App kontrollieren und bei bedarf elektrische<br />

Verbraucher über Funksteckdosen ein- und ausschalten.<br />

als halbieren. Die Leistungsfähigkeit moderner Gebäudetechnik<br />

zeigt beispielhaft das Leuchtturmprojekt<br />

«Monte Rosa Hütte», das Siemens in enger Zusammenarbeit<br />

mit der ETH Zürich entwickelt hat. Eine eigenständige<br />

<strong>Energie</strong>- und Wasserversorgung, eine neuartige<br />

Fassade nach dem Thermoskannenprinzip sowie die<br />

hervorragende Ökobilanz vom Bau bis zur Entsorgung<br />

machen die neue Monte-Rosa-Hütte zu einem ökologischen<br />

Vorreiter, der seinesgleichen sucht. Im nächsten<br />

Entwicklungsschritt soll das Gebäudeautomationssystem<br />

selbständig Belegungszahlen und Wetterprognosen<br />

berücksichtigen, um den <strong>Energie</strong>verbrauch und<br />

damit auch die Betriebskosten der zu 90% energie-autarken<br />

Berghütte nochmals deutlich zu reduzieren.<br />

Neben dem erheblichen <strong>Energie</strong>verbrauch nicht<br />

sanierter Gebäude belastet auch der zunehmende Verkehr<br />

vor allem in den Städten unser Klima. Er ist mit<br />

rund 20% an den globalen Treibhausgas-Emissionen<br />

beteiligt. Laut einer Studie von Shell wird sich die Anzahl<br />

der Pkws bis 2030 auf etwa 1,4 Milliarden verdoppeln.<br />

Auch die Schweizer Road Map Elektromobilität<br />

setzt auf Elektrofahrzeuge als Transportmittel der Zukunft.<br />

Drei Top-Prioritäten wurden definiert, nach denen<br />

erstens bis 2020 eine landesweite Ladeinfrastruktur<br />

für einen Anteil von 10% bis 30% Elektrofahrzeuge<br />

aufgebaut werden soll, zweitens die Elektrifizierung<br />

von 25% bis 50% der betrieblichen Fahrzeugflotten<br />

und drittens ein Anteil von 10% bis 30% Elektrofahrzeuge<br />

erreicht sein soll.<br />

Es genügt jedoch nicht, die Aufmerksamkeit alleine<br />

auf einen Verkehrsträger zu richten. Zur Verbesserung<br />

des Verkehrssystems insgesamt sind ganzheitliche<br />

Ansätze nötig. Deswegen verfolgt Siemens den<br />

integrierten Ansatz der Complete Mobility, bei dem alle<br />

Verkehrsträger eng vernetzt sind. Im Verkehrssystem<br />

der Zukunft kann der Nutzer nicht nur alle Fahrpläne<br />

Sommer 2012 11


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

der Verkehrsmittel Zug, Bus, Bahn, Flugzeug wie auch<br />

die aktuelle Verkehrssituation auf den Strassen über<br />

sein Smartphone in Echtzeit von einen Verkehrsserver<br />

abrufen, er erhält auch Vorschläge für seine optimale<br />

individuelle Route und kann die nötigen Tickets gleich<br />

online buchen. Die Vorteile: weniger Staus und Reiseverzögerungen.<br />

Ein erster Prototyp wurde Ende 2011<br />

auf dem 6. Deutschen Nationalen IT Gipfel in München<br />

präsentiert. Das bereits stark vernetzte Verkehrssystem<br />

der Schweiz bietet hierfür ideale Ansatzpunkte.<br />

Eine Chance für den Standort<br />

<strong>Energie</strong>ministerin Frau Doris Leuthardt bemerkte<br />

zutreffend auf dem zweitägigen Stromkongress in Bern<br />

diesen Januar, die Wirtschaft verliere an Wettbewerbsfähigkeit,<br />

wenn die Schweiz ihr <strong>Energie</strong>versorgungsund<br />

Stromsystem nicht erneuere und die Bevölkerung<br />

büsse in der Folge an Lebensqualität ein. Sie forderte<br />

die Experten und die Wirtschaft auf, mit ihrem Fachwissen<br />

die <strong>Energie</strong>wende in der Schweiz einzuleiten,<br />

die <strong>Energie</strong>effizienz aller Anwendungen zu steigern,<br />

in erneuerbare <strong>Energie</strong> zu investieren und den Weg in<br />

eine neue umweltschonende <strong>Energie</strong>versorgung der<br />

Schweiz aufzuzeigen. Siemens stellt sich dieser Herausforderung<br />

mit Nachdruck und ist seit Jahren führend<br />

bei umweltfreundlichen Technologien. Im vergangenen<br />

Jahr haben wir mit Umwelttechnologien fast 30 Milliarden<br />

Euro umgesetzt und unseren Kunden geholfen,<br />

den jährlichen Kohlenstoffdioxidausstoss um rund 317<br />

Millionen Tonnen zu reduzieren.<br />

Die <strong>Energie</strong>wende setzt ein grosses Vertrauen in<br />

die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit des<br />

Projekts, sie ist zugleich auch Herausforderung an die<br />

Innovationsfähigkeit auf den Gebieten der Stromerzeugung,<br />

Netztechnologien und <strong>Energie</strong>effizienz, die<br />

Siemens als führendes Unternehmen der <strong>Energie</strong>technik<br />

gerne annimmt. Ich habe die <strong>Energie</strong>wende schon<br />

einmal als ein «Jahrhundertprojekt voller Chancen»<br />

bezeichnet. Das ist sie auch. Sie ist eine grosse Chance<br />

für die Länder und den weiteren Ausbau ihrer starken<br />

Position auf dem Weltmarkt für <strong>Energie</strong>effizienz- und<br />

Umwelttechnologien. Alleine in Deutschland liegt nach<br />

dem Leitszenario des Bundesministeriums für Umwelt,<br />

Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) das zu erwartende<br />

Investitionsvolumen für die Erneuerung des<br />

Kraftwerkparks, in neue Stromnetze und den Ausbau<br />

der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n in einer Grössenordnung<br />

von rund 20 Milliarden Euro jährlich.<br />

Vernetztes Denken gefordert<br />

Wer den Erfolg der <strong>Energie</strong>wende will, muss in<br />

grösseren Zusammenhängen denken, für Europa und<br />

die Regionen darüber hinaus. Der <strong>Energie</strong>fahrplan<br />

2050 von EU-<strong>Energie</strong>kommissar Oettinger enthält<br />

nicht nur die wichtigen Elemente für die <strong>Energie</strong>wende<br />

- breiter <strong>Energie</strong>mix, Windparks On- und Offshore,<br />

wo der Wind ergiebig weht, und Solar da, wo die Sonnenintensität<br />

höher ist als in unseren Breiten - er legt<br />

auch dar, dass ein europäisch koordiniertes Vorgehen<br />

anzustreben und zu erreichen ist. Das ermöglicht<br />

frühzeitige Investitionen und vermeidet eine Fehlallokation<br />

von Ressourcen, auch weil die Grössenvorteile<br />

des europäischen Marktes genutzt werden können.<br />

Rasches und entschiedenes Handeln ist also von<br />

allen Beteiligten gefragt, den Verantwortlichen in Politik<br />

und Gesellschaft genauso wie in der Industrie. Eine<br />

übergreifende Koordination der <strong>Energie</strong>wende, die in<br />

enger Verzahnung zwischen den dazu entschlossenen<br />

Ländern und mit der EU die nötigen Schritte plant,<br />

vorgibt und deren zeitliche wie inhaltliche Einhaltung<br />

taktet, ist für den Erfolg der <strong>Energie</strong>wende im vorgegebenen<br />

Zeitraum unerlässlich.<br />

Grossprojekte wie die <strong>Energie</strong>wende erfordern<br />

einen Schulterschluss von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft<br />

und bieten damit auch die Chance für demokratische<br />

Partizipation. Standorte für neue (Wind-)<br />

Kraftwerke oder Leitungstrassen müssen bereits im<br />

Vorfeld öffentlich geplant und diskutiert, dann aber<br />

auch zügig entschieden und umgesetzt werden. In einer<br />

gemeinsamen Kraftanstrengung kann dieses Jahrhundertprojekt<br />

gelingen. Die grosse Chance zur Erneuerung<br />

der <strong>Energie</strong>basis unserer Nationen in einem<br />

europäischen Masterplan und ein dadurch ausgelöster<br />

Innovationsschub birgt ein grosses Wachstumspotenzial,<br />

das wir entschlossen wahrnehmen sollten. Davon<br />

profitieren wir alle, Bürger, Länder, Wirtschaftsstandorte,<br />

Natur und Umwelt. Die Chance ist da – wir sollten<br />

sie jetzt ergreifen.<br />

Lebenslauf<br />

Peter Löscher wurde am<br />

17. September 1957 in Villach<br />

in Österreich geboren.<br />

Nach seinem Abitur studierte<br />

er Ökonomie an der<br />

Universität Wien und an<br />

der Chinese University of<br />

Hong Kong. Seit 2007 ist<br />

Peter Löscher Vorstandsvorsitzender bei der Siemens<br />

AG. 2008 erhielt er den Ehrendoktortitel in<br />

Ingenieurswissenschaften von der Michigan State<br />

University und ist seit 2011 Honorarprofessor an<br />

der Tongji University in China.<br />

12<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

The silent Energy<br />

[R]evolution<br />

20 years in the making – 40 years to go<br />

Sven Teske<br />

Director of the Greenpeace Renewable Energy Campaign<br />

The bright future for renewable energy is already<br />

under way. This new Greenpeace analysis<br />

of the global power plant market shows<br />

that since the late 1990s wind and solar<br />

installations grew faster than any other power plant<br />

technology across the world - about 430,000 MW total<br />

installed capacity between 2000 and 2010. However, it<br />

is too early to claim the end of the fossil fuel based power<br />

generation, as at the same time more than 475,000<br />

MW new coal power plants, with embedded cumulative<br />

emissions of over 55 bn tonnes CO 2<br />

, are over their technical<br />

lifetime.<br />

The global market volume of renewable energies<br />

in 2010 was on average, as much as the total global<br />

energy market volume each year between 1970 and<br />

2000. The window of opportunity for renewables to<br />

both dominate new installations replacing old plants<br />

in OECD countries, as well as ongoing electrification<br />

in developing countries, closes within the next years.<br />

Good renewable energy policies and legally binding CO 2<br />

reduction targets are urgently needed.<br />

Between 1990 and 2000, the global power plant<br />

industry went through a series of changes. While OECD<br />

countries began to liberalise their electricity markets,<br />

Global Power Plant Market 1970 - 2010<br />

Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />

Sommer 2012 13


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Global power plant market 1970 - 2010 (excluding China)<br />

Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />

electricity demand did not match previous growth, so<br />

fewer new power plants were built. Capital-intensive<br />

projects with long payback times such as coal and nuclear<br />

power plants were unable to get sufficient financial<br />

support. The decade of gas power plants started.<br />

Economies of developing countries, especially in<br />

Asia, started growing during the 1990s, and a new wave<br />

of power plant projects began. Similarly to the US and<br />

Europe, most of the new markets in the ‘tiger states’ of<br />

Southeast Asia partly deregulated their power sectors.<br />

A large number of new power plants in this region were<br />

built from Independent Power Producers (IPPs), who<br />

sell the electricity mainly to state-owned utilities. The<br />

dominating new built power plant technology in liberalised<br />

power markets are gas power plants. However,<br />

over the last decade, China focused on the development<br />

of new coal power plants. Excluding China, the global<br />

power plant market has seen a phase-out of coal since<br />

the late 1990s; the growth is in gas power plants and<br />

renewables, particularly wind.<br />

«Since the year<br />

2000, the wind<br />

power market<br />

gained a growing<br />

market share.»<br />

Power plant markets in the<br />

US, Europe and China<br />

Electricity market liberalisation has a great influence<br />

on the chosen power plant technology. While<br />

the power sector in the US and Europe moved towards<br />

deregulated markets, which favour mainly gas power<br />

plants, China added a large amount of coal until 2009,<br />

with the first signs for a change in favour of renewables<br />

in 2009 and 2010.<br />

US: The liberalisation of the power sector in the<br />

US started with the Energy Policy Act 1992, and became<br />

a game changer for the entire power sector. While<br />

the US in 2010 is still far away from a fully liberalised<br />

electricity market, the effect on the chosen power plant<br />

technology has changed from coal and nuclear towards<br />

gas and wind. Since 2005, a growing number of wind<br />

power plants make up an increasing share of the new<br />

installed capacities as a result of mainly state based RE<br />

support programmes.<br />

Europe: About five years after the US began deregulating<br />

the power sector, the European Community<br />

started a similar process. Once again, the effect on the<br />

power plant market was the same. Investors backed<br />

fewer new power plants and extended the lifetime of<br />

the existing ones. New coal and nuclear power plants<br />

have seen a market share of well below 10% since than.<br />

The growing share of renewables, especially wind and<br />

solar photovoltaic, are due to a legally-binding target<br />

for renewables and the associated renewable energy<br />

14<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

USA: annual power plant market 1970 - 2010<br />

Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />

Europe (EU 27): annual power plant market 1970 - 2010<br />

Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />

China: annual power plant market 1970 - 2010<br />

Source: Platts, IEA, Breyer, Teske, China Energy Bureau<br />

Sommer 2012 15


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

feed-in laws which are in force in several member states<br />

of the EU 27 since the late 1990s. Overall, new installed<br />

power plant capacity jumped to a record high, due to<br />

the repowering needs of the aged power plant fleet in<br />

Europe.<br />

China: The steady economic growth in China<br />

since the late 1990s, and the growing power demand,<br />

led to an explosion of the coal power plant market, especially<br />

after 2002. In 2006 the market hit the peak year<br />

for new coal power plants: 88% of the newly installed<br />

coal power plants worldwide were built in China. At the<br />

same time, China is trying to take its dirtiest plants<br />

offline, within 2006~2010, total 76,825 MW of small<br />

coal power plants were phased out under the «11th Five<br />

Year» programme. While coal still dominates the new<br />

added capacity, wind power is rapidly growing as well.<br />

Since 2003 the wind market doubled each year and<br />

was over 18,000 MW 1 by 2010, 49% of the global wind<br />

market. However, coal still dominates the power plant<br />

market with over 55 GW of new installed capacities in<br />

2010 alone. The Chinese government aims to increase<br />

investments into renewable energy capacity, and during<br />

2009, about US$ 25.1 billion (RMB 162.7 billion)<br />

went to wind and hydro power plants which represents<br />

44% of the overall investment in new power plants, for<br />

«China is responsible<br />

for one third of worldwide<br />

energy sector jobs<br />

in 2015»<br />

the first time larger than that of coal (RMB 149.2 billion),<br />

and in 2010 the figure was US$ 26 billion (RMB<br />

168 billion) – 4.8% more in the total investment mix<br />

compared with the previous year 2009.<br />

The global market shares<br />

in the power plant market:<br />

Renewables gaining ground<br />

Since the year 2000, the wind power market gained<br />

a growing market share within the global power plant<br />

market. At this time only a handful of countries, namely<br />

Germany, Denmark and Spain, dominated the wind<br />

Global: Annual power plant market - the past 40 years and a projection of the next 40 years<br />

Source: Platts, IEA, Breyer, Teske, DLR<br />

1 While the official statistic of the Global and Chinese Wind Industry<br />

Associations (GWEC/CREIA) adds up to 18,900 MW for<br />

2010, the National Energy Bureau speaks about 13,999 MW.<br />

Differences between sources are due to the time of grid connection,<br />

as some turbines have been installed in the last months of<br />

2010, but have been connected to the grid in 2011.<br />

16<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

market, but the wind industry now has projects in over<br />

70 countries around the world. Following the example<br />

of the wind industry, the solar photovoltaic industry<br />

experienced an equal growth since 2005. Between 2000<br />

and 2010, 26% of all new power plants worldwide were<br />

renewables – mainly wind – and 42% gas power plants.<br />

So, two-thirds of all new power plants installed globally<br />

are gas power plants and renewables, with close<br />

to one-third as coal. Nuclear remains irrelevant on a<br />

global scale with just 2% of the global market share.<br />

About 430,000 MW of new renewable energy capacity<br />

has been installed over the last decade, while 475,000<br />

MW of new coal, with embedded cumulative emissions<br />

of more than 55 billion tonnes CO 2<br />

over their technical<br />

lifetime, came online – 78% or 375,000 MW in China.<br />

Global: Regional breakdown of C0 2<br />

emissions in<br />

the advanced energy [R]evolution in 2050<br />

The advance Energy [R]evolution Scenario has a<br />

key target for the reduction of worldwide carbon dioxide<br />

emissions down to a level of around 3.5 gigatonnes<br />

a year by 2050 and takes a rather radical approach to<br />

put the emergency brakes on global emissions. It therefore<br />

assumes much shorter technical lifetimes for coalfired<br />

power plants - 20 years instead of 40 years. To fill<br />

the resulting gap, the annual growth rates of renewable<br />

energy sources, especially solar photovoltaic, wind and<br />

concentrating solar power plants, have therefore been<br />

increased. The advanced scenario also considers population<br />

and economic growth equal to the IEA World Energy<br />

Outlook 2010.<br />

In the advanced scenario, the latest market development<br />

projections of the renewable industry 2 have<br />

Global: C0 2<br />

emissions by sector in the advanced<br />

energy [R]evolution<br />

The future of the Energy [R]evolution<br />

While the trends of the renewable energy markets<br />

– especially for wind, solar photovoltaic and concentrated<br />

solar power – are very promising and a double<br />

digit growth has been maintained over the past decade,<br />

the next years will decide whether the world will move<br />

towards a 100% renewable energy supply.<br />

For seven years, Greenpeace, the European Renewable<br />

Energy Council and the German Space Agency<br />

(DLR) have published global, regional and national energy<br />

scenarios – the Energy [R]evolution - which uses<br />

the International Energy Agency’s (IEA) World Energy<br />

Outlook business as usual scenario as a reference scenario.<br />

In the first global edition published in 2007, a<br />

global renewable energy installed capacity of 156 GW<br />

by 2010 was projected, a figure that was already reached<br />

by the wind sector alone in 2009. It is evident that the<br />

energy revolution is under way and this will form a major<br />

role in combating climate change. The economics of<br />

renewables will further improve as they develop technically,<br />

as the price of fossil fuels continues to rise and the<br />

saving of carbon dioxide emissions is given a monetary<br />

value.<br />

been calculated for all sectors. The speedier uptake of<br />

electric vehicles, combined with the faster implementation<br />

of smart grids and expanding super grids (about<br />

10 years ahead of the basic version) allows a higher<br />

share of fluctuating renewable power generation (photovoltaic<br />

and wind). The threshold of a 40% proportion<br />

of renewables in global primary energy supply<br />

will therefore be passed just after 2030 (also 10 years<br />

ahead). By contrast, the quantity of biomass and large<br />

hydro power remain the same in both Energy [R]evolution<br />

scenarios, for sustainability reasons.<br />

Future investment<br />

It would require US$ 18.2 trillion in global investment<br />

for the advanced Energy [R]evolution scenario to<br />

become reality - approximately 60% higher than in the<br />

reference scenario (US$ 11.2 trillion). Under the Reference<br />

version, the levels of investment in renewable<br />

energy and fossil fuels are almost equal about US$ 5<br />

trillion each up to 2030. Under the advanced scenario,<br />

however, the world shifts about 80% of investment<br />

towards renewables; by 2030 the fossil fuel share of<br />

power sector investment would be focused mainly on<br />

2 See EREC, RE-Thinking 2050, GWEC, EPIA et all<br />

Sommer 2012 17


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

combined heat and power and efficient gas-fired power<br />

plants. The average annual investment in the power<br />

sector under the advanced Energy [R]evolution scenario<br />

between 2007 and 2030 would be approximately $<br />

782 billion. Because renewable energy has no fuel costs,<br />

however, the fuel cost savings in the advanced Energy<br />

[R]evolution scenario reach a total of $ 6.5 trillion, or $<br />

282 billion per year.<br />

Development of CO 2<br />

emissions<br />

While CO 2<br />

emissions worldwide will increase<br />

by more than 60% under the Reference scenario up<br />

to 2050, and are thus far removed from a sustainable<br />

development path, under the advanced Energy<br />

[R]evolution scenario they will decrease from 27,400<br />

million tonnes in 2007 to 3,700 in 2050, 82% below<br />

1990 levels. Annual per capita emissions will drop<br />

from 4.1 tonnes/capita to 0.4 t/capita. In spite of the<br />

phasing out of nuclear energy and a growing electricity<br />

demand, CO 2<br />

emissions will decrease enormously in<br />

the electricity sector. In the long run efficiency gains<br />

and the increased use of renewable electric vehicles, as<br />

well as a sharp expansion in public transport, will even<br />

reduce CO 2<br />

emissions in the transport sector. With a<br />

share of 42% of total emissions in 2050, the transport<br />

sector will reduce significantly but remain the largest<br />

source of CO 2<br />

emissions - followed by industry and<br />

power generation.<br />

Policies to maintain and expand<br />

the Energy [R]evolution 3<br />

Financing renewable power projects differs from<br />

financing coal or nuclear projects. While most of the RE<br />

projects are in the range of a few kilowatt and a double<br />

digit Megawatts – the finance volume is much smaller<br />

and the number of projects are far bigger compared to a<br />

few but very large scale (1000 MW and more) coal power<br />

plant projects. However the policy requirements are<br />

similar: The RE project developers need to have confidence<br />

that the entire electricity which can be generated<br />

from a project e.g. a wind farm, can be sold at a certain<br />

(minimum) price and that the access to the grid is<br />

guaranteed over the entire financing time of the power<br />

plants. This is on a par with the coal power plant finance<br />

Global: Employment under different scenarios for the energy industry (2015 - 2030)<br />

3 Source: REN 21 – Renewable Status Report 2010<br />

18<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

«Employment growth<br />

in renewable energy<br />

is so strong that<br />

there is a net gain of<br />

4.1 million jobs by<br />

2030.»<br />

concept for Independent Power Producer (IPPs), which<br />

requires a power purchase contract over the given timeframe<br />

to finance it and a guarantee for grid connection.<br />

Power plants cannot be financed on the basis of stock<br />

market prices, or on the basis of tradeable CO 2<br />

or RE<br />

certificates, if there is no guaranteed minimum price<br />

fixed, as this is not bankable. Multi-million dollar investments<br />

need reliable and secure income projections.<br />

Therefore, Greenpeace demands a feed-in tariff<br />

system – with a guaranteed buy back tariff in combination<br />

with a guaranteed and priority access to the<br />

grid. The only difference between the power purchase<br />

contract for IPPs is that the tariff is not negotiated between<br />

the IPP and the grid operator and/or utility, but<br />

‘standardised’ as small business cannot negotiate with<br />

grid operators. Feed-in tariffs are by far the most cost<br />

effective mechanisms to phase in renewables, which<br />

has been proven since the start of the wind industry<br />

in the early 1990s in Germany. Trading systems always<br />

lead to higher costs, as they add an additional ‘layer’<br />

– the traders – between the grid operator and the project<br />

developer and/or power plant operator. Traders add<br />

additional costs to the project that are not needed to<br />

implement RE and only represent an unnecessary burden<br />

for electricity bills.<br />

The Energy [R]evolution<br />

invests in jobs, not fuels<br />

If the reference scenario becomes reality, the<br />

amount of jobs in the power sector would remain on<br />

today’s level until 2030. This is despite an increase<br />

in electricity generation from coal to 40% by 2030<br />

under the reference case. The main reason is that as<br />

prosperity and labour productivity increase, jobs per<br />

MW decrease. This is reflected in the ‘regional adjustments’,<br />

which model how electricity generation tends<br />

to be more labour intensive in poorer countries than<br />

in wealthier ones. This change, based on increasing living<br />

standards in the developing world, accounts for two<br />

thirds of the reduction in coal jobs in developing countries.<br />

China is responsible for one third of worldwide<br />

energy sector jobs in 2015, more than three quarters<br />

in coal power. The change in China’s regional adjustment<br />

accounts for about 200,000 of the coal job losses<br />

projected in the reference scenario. A small expansion<br />

of the renewables sector would not counteract these<br />

losses. Jobs would not return to their 2010 levels, even<br />

combined with a 50% expansion in gas capacity.<br />

The Energy [R]evolution scenario also has job losses<br />

in coal generation, because growth in capacity is almost<br />

zero. However, employment growth in renewable<br />

energy is so strong that there is a net gain of 4.1 million<br />

jobs by 2030, relative to the 2015 reference case.<br />

The advanced case will lead to 8.5 million jobs in the<br />

renewables sector, compared to only 2.4 million in the<br />

reference case. In both Energy [R]evolution scenarios<br />

we have been cautious in the calculations and applied<br />

‘decline factors’ to represent how jobs per unit of energy<br />

can decrease over time, making the Greenpeace<br />

projections lower than in other studies. It may be the<br />

case, for example, that job creation per GWh (gigawatt<br />

hours) in energy efficiency could increase as energy<br />

efficiency options are all ‘used up’. While the Energy<br />

[R]evolution Scenarios have higher investment volumes<br />

than the reference scenarios, the actual power<br />

generation costs are on an equal level until 2030, and<br />

drop sharply after that as the majority of the power<br />

plants are written off and produce marginal costs –<br />

with no fuel costs involved. However, the ER is more<br />

labour intensive than the reference scenario, as the ER<br />

invests in people, not fuel.<br />

About the Author<br />

Sven Teske is a Diploma<br />

Engineer (Dipl.-Ing.) and<br />

Director of the Greenpeace<br />

Renewable Energy Campaign.<br />

Originally he developed<br />

the concept for a<br />

green utility and founded<br />

«Greenpeace energy eG» –<br />

Germany’s only cooperative in the power sector.<br />

Greenpeace Energy eG today employs 50 people<br />

and supplies 90.000 customers in Germany and<br />

Luxembourg with green electricity. Sven Teske is<br />

the project leader for the World Energy Scenario<br />

«Energy [R]evolution: A sustainable World Energy<br />

Outlook». The Energy [R]evolution is an independently<br />

produced report that provides a practical<br />

blueprint for how to half global CO 2<br />

emissions,<br />

while allowing for an increase in energy consumption<br />

by 2050.<br />

Sommer 2012 19


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Toward a Distributed-<br />

Power World<br />

Dr. Harald Rubner<br />

Senior Partner and Managing Director Boston Consulting Group<br />

Renewables and Smart Grids Will<br />

Reshape the Energy Sector<br />

Europe’s power utilities are entering a period<br />

of great uncertainty and change, with seismic<br />

shifts transforming the energy landscape.<br />

Energy security concerns and related worries<br />

about price and political volatility are driving governments<br />

across Europe to reexamine the source of energy<br />

supplies. Meanwhile, the climate imperative has moved<br />

up the agenda, with European policymakers expressing<br />

clear political support for the move to a low-carbon society.<br />

European Union targets for 2020 aim at reducing<br />

greenhouse gas emissions by at least 20 percent from<br />

1990 levels, applying energy-efficiency approaches to<br />

cut usage by 20 percent compared with projected levels,<br />

and having 20 percent of EU energy consumption<br />

come from renewable sources – collectively known as<br />

the 20-20-20 targets.<br />

«The current model is<br />

no longer sustainable.»<br />

To achieve these ambitious targets, the old centralized<br />

systems that deliver a one-way supply of electricity<br />

to consumers will be increasingly displaced by localized<br />

generation, and the future power landscape will include<br />

a larger proportion of small-scale sources, such as cogeneration<br />

through combined heat and power (CHP)<br />

plants. Moreover, some energy will be produced by consumers<br />

themselves, through a distributed network of<br />

power that incorporates everything from rooftop wind<br />

turbines and solar panels to CHP microplants (micro-<br />

CHPs) in consumers‘ cellars.<br />

In the process, conventional power generation will<br />

assume a less prominent position in the hierarchy of<br />

energy technologies. Utilities will need to develop new<br />

business models to maintain the profitability of traditional<br />

power generation. These will include increasing<br />

the flexibility of their generation fleet, or power plants,<br />

to enable them to profit from price fluctuations and,<br />

potentially, from fees for providing backup capacity.<br />

They will also need to invest in smaller decentralized<br />

technologies, «smart» flexible power plants, and sophisticated<br />

energy-management systems.<br />

Disruptive power changes<br />

Today, the electricity value chain is structured<br />

as a sequential, centrally organized process—from<br />

generation to retail. Large power plants are scattered<br />

across Europe’s major centers of consumption, feeding<br />

power through the grid. Business models of utilities<br />

have been based on the premise that utilities provide a<br />

simple commodity, with operational strategies focused<br />

on reliability of supply, one-way flow of power from<br />

provider to consumer, and energy sales that use simple<br />

«all-you-can-eat» pricing structures for private customers.<br />

Under this old model, companies have been able to<br />

prosper, achieving high generation margins on the back<br />

of rapid economic growth and soaring commodity and<br />

energy prices.<br />

This model is no longer sustainable. In order to<br />

maintain the current system, utilities would need to<br />

invest heavily in the renewal of their aging infrastructure.<br />

Studies of the utilities in Germany forecast investments<br />

of €40 billion to €50 billion for the renewal of<br />

the conventional generation fleet by 2020. However,<br />

the political drive toward cleaner energy is creating<br />

barriers to the construction of new power plants. These<br />

barriers are driven both by resistance to new large-scale<br />

plants and the challenges to profitability resulting from<br />

fewer expected running hours.<br />

At the same time, an increasing share of renewable<br />

and other forms of decentralized energy is entering the<br />

power supply. The Boston Consulting Group projects<br />

major growth in wind power, solar-photovoltaic (PV)<br />

power, and CHP (combined heat and power) in the European<br />

Union’s 27 member states (the EU-27) by 2020,<br />

and that decentralized generation will account for as<br />

much as 40 percent of the installed base by that date.<br />

20<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

BCG has developed a «distributed-world scenario»<br />

to demonstrate the impact on traditional power generation,<br />

based on the following four assumptions:<br />

I. By 2020, the EU-27 will be increasingly functioning<br />

as a single market for power. Northwestern<br />

Europe will be acting as a de facto «copper plate»,<br />

with countries physically linked by high-voltage<br />

transmission lines, or interconnectors.<br />

II.<br />

Renewables and other forms of decentralized<br />

generation will be backed by strong regulatory<br />

support in the form of feed-in tariffs for CHP and<br />

renewables.<br />

III. Flat power demand will be driven by further<br />

deindustrialization in Europe and concentrated<br />

efforts to increase energy efficiency.<br />

IV. There will be a moderate rise in commodity prices.<br />

Some of the renewable-energy sources present<br />

operational challenges, however. The forces of nature<br />

(wind power and solar PV) are intermittent, providing<br />

a variable energy supply with both predictable (daynight<br />

and seasonal) fluctuations and unpredictable<br />

fluctuations driven by medium-term weather conditions<br />

and forecast errors. Such intermittency will require<br />

complex power-balancing mechanisms that use<br />

alternative capacity – including conventional generation<br />

and energy storage – to fill supply gaps.<br />

Distributed Generation<br />

Without the introduction of balancing mechanisms<br />

to manage the troughs and peaks of supply and<br />

demand, the gradual increase in renewable-energy<br />

sources and distributed generation will reach a limit,<br />

threatening the stability of the power supply. This will<br />

create extreme variations in prices between the times<br />

when renewable-energy operators are feeding the system<br />

and the times when conventional plants step in.<br />

The pricing mechanism for the mid-merit plants could<br />

also move toward a flexible-capacity model rather than<br />

a production-driven model. The balancing mechanisms<br />

needed to stabilize the power supply will include expansion<br />

of transmission lines and the introduction of energy<br />

storage systems, as well as smart grids that enable<br />

sophisticated demand-side management. In addition,<br />

conventional power plants – if they can acquire new<br />

levels of flexibility – will play a critical role in providing<br />

backup capacity.<br />

When it comes to balancing fluctuating renewable<br />

and managing local power generation, new market<br />

roles are likely to emerge for transmission system operators<br />

and distribution system operators. Distribution<br />

grids could take over a larger share of the responsibility<br />

for balancing the power supply and resort to balancing<br />

themselves only through the transmission grid (see figure<br />

below).<br />

Assumption: Household with 3.5 MWh annual consumption; power price 15 ct/kWh without taxes<br />

(Source: BCG analysis based on assessment of pilot projects in USA and detailed study for Denmark)<br />

Sommer 2012 21


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

IT, which is one of the most significant form of<br />

infrastructure supporting a low-carbon world, has not<br />

traditionally been associated with the power generation<br />

sector. Smart grids carrying data and communications<br />

serve three main functions:<br />

I. Smart distribution grids are able to manage the<br />

increasing share of reverse-flow power resulting<br />

from a high proportion of electricity generated<br />

on a decentralized basis.<br />

II.<br />

Armed with wireless digital technology, the humble<br />

electricity meter becomes a powerful tool in<br />

energy management, facilitating real-time monitoring<br />

of consumption and allowing utilities to<br />

use pricing signals to influence that consumption.<br />

III. By dispatching and optimizing generation and<br />

consumption, smart grids can compensate for<br />

imbalances in the distribution grid.<br />

Despite its central role in facilitating demand-side<br />

management, the smart grid has its limitations when<br />

it comes to balancing fluctuating power sources. Pricing<br />

incentives can persuade consumers to shift some<br />

of their demand to off-peak periods, but most loads<br />

cannot be deferred for long periods of time. Moreover,<br />

demand-side management, which involves greater visibility<br />

of consumption patterns, raises issues of privacy<br />

and questions about what utilities should be allowed<br />

to do with the data they collect. Finally, the success of<br />

demand-side management relies on changes in consumption<br />

patterns, which depend on whether pricing<br />

incentives are sufficient to encourage consumers to use<br />

power at less convenient times of the day or night. For<br />

this reason, another technology – electricity storage –<br />

will be needed to assist in balancing intermittent power<br />

sources. At present, few credible forms of the technology<br />

have emerged, largely because the financial incentives<br />

for aggressive investments are absent. However,<br />

as the share of electricity from renewable rises, the<br />

pressure to develop better energy storage will increase.<br />

New Business Models<br />

«New entrants to the<br />

power sector include<br />

players in the IT sector.»<br />

New entrants to the power sector include players<br />

in the IT sector, with smart-grid and other energy<br />

start-ups joining established companies in the rush to<br />

capitalize on changes in the power landscape. These<br />

companies are focused on systems that provide the «intelligence»<br />

needed to facilitate smart-grid behavior, including<br />

power-routing, flow optimization, and pricing<br />

for feed-in and consumption. Some of the new players<br />

are also managing power distribution between centralized<br />

and decentralized producers, enabling quick responses<br />

to load changes. At the same time, established<br />

companies from the IT sector – such as IBM, SAP, and<br />

Cisco Systems – are focusing on energy in order to<br />

participate in distributed-power markets. Google, the<br />

search engine giant, is also offering a power-meter software<br />

product to track energy efficiency and has applied<br />

for an energy-trading license in the United States.<br />

The question is whether utilities can build on their<br />

strengths and take a slice of this market. The abilities<br />

required to do so are not yet among the core competencies<br />

of utilities. Meanwhile, particularly as value creation<br />

flows downstream, the next few years are likely<br />

to see nontraditional energy companies making further<br />

inroads into the power sector, putting pressure on incumbents<br />

that lack the flexibility needed to introduce<br />

new business models.<br />

Although large-scale low-carbon initiatives are<br />

likely to continue to win support, we believe that potentially<br />

disruptive changes are moving the energy<br />

industry toward a more decentralized landscape. The<br />

evolution of that landscape will not only change the<br />

relationship of the different energy-sector players to<br />

the electricity value chain, it will also change the very<br />

structure of that value chain.<br />

About the Author<br />

Dr. Harald Rubner joined<br />

the Boston Consulting<br />

Group in 1993. He is the<br />

leader of the North European<br />

Energy practice<br />

group and a core member<br />

of BCG‘s Strategy practice.<br />

Mr. Rubner worked for<br />

major utilities worldwide. His experience includes<br />

renewable energy strategies, cost optimization and<br />

M&A support. Mr. Rubner studied electrical engineering<br />

at the RWTH Aachen and business and<br />

economics at the University of St. Gallen, where he<br />

also earned his PhD.<br />

22<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

<strong>Energie</strong>versorgung<br />

der Zukunft<br />

Ramon Werner<br />

CEO BP Switzerland<br />

«Energy Outlook 2030» heisst die Studie<br />

von BP, die Anfang 2012 publiziert worden<br />

ist und die neusten Einschätzungen der<br />

Trends auf dem <strong>Energie</strong>markt präsentiert.<br />

Auf diese Erkenntnisse stützen sich weite<br />

Teile meiner folgenden Aussagen.<br />

In den letzten 60 Jahren war die Entwicklung der<br />

Weltwirtschaft auch eine Erfolgsgeschichte des<br />

günstigen Erdöls. Alles, was die Menschen heute<br />

tun, produzieren, entwickeln und bewegen,<br />

braucht <strong>Energie</strong>. Öl trägt nach wie vor über 30 % dazu<br />

bei, diesen Bedarf zu decken.<br />

Der Hunger der Welt nach <strong>Energie</strong> ist und bleibt<br />

auch in Zukunft gross – im Jahr 2010 hat der globale<br />

<strong>Energie</strong>verbrauch um 5,6 % zugenommen. Es ist das<br />

höchste Wachstum seit 1973. China hat mit 20,3 %<br />

der Weltenergie am meisten verbraucht und zum ersten<br />

Mal die USA überholt. Bis 2030 wird der Bedarf an<br />

<strong>Energie</strong> weltweit um 39 % steigen. Bevölkerungs- und<br />

Einkommenswachstum sind die beiden stärksten Treiber<br />

der <strong>Energie</strong>nachfrage – insbesondere in Ländern<br />

wie China oder Indien. Ein Wachstum der Wirtschaft<br />

sowie des Wohlstandes ist nur möglich, wenn wir es<br />

schaffen, diesen <strong>Energie</strong>bedarf bezahlbar sowie ökologisch<br />

abzudecken.<br />

<strong>Energie</strong>träger mit dem schnellsten Wachstum sind<br />

erneuerbare <strong>Energie</strong>n (inklusive Biotreibstoffe), die bis<br />

2030 voraussichtlich um jährlich 8 % wachsen. Allerdings<br />

bleibt der Anteil zur Deckung des <strong>Energie</strong>gesamtbedarfs<br />

mit nur 6 bis 7 % relativ gering. Ohne fossile<br />

<strong>Energie</strong>träger wie Gas, Kohle und Öl werden wir nicht<br />

auskommen. Unter den fossilen <strong>Energie</strong>trägern wächst<br />

Gas am schnellsten – um 2 % bis 2030.<br />

Gas und erneuerbare <strong>Energie</strong>n sind die Gewinner<br />

bei sich annähernden Marktanteilen für fossile <strong>Energie</strong>träger<br />

und einer Diversifizierung des Versorgungsmix.<br />

Die Marktanteile der drei fossilen <strong>Energie</strong>träger<br />

pendeln sich alle auf 26 bis 27 % ein. Öl verliert langfristig<br />

an Marktanteil, während Gas kontinuierlich dazugewinnt.<br />

Der Anstieg des Marktanteils bei Kohle, unterstützt<br />

durch die schnelle Industrialisierung in China<br />

und Indien, geht bis 2030 wieder zurück.<br />

Kann Öl den <strong>Energie</strong>bedarf decken?<br />

Der «Club of Rome» prognostizierte Anfang der<br />

70er Jahre, dass Öl bei bekannter Ressourcenmenge<br />

und gleicher Nachfrage noch 31 Jahre reichen werde.<br />

Trotz stark steigender Nachfrage war die Entwicklung<br />

eine andere. Stets neue Quellen werden entdeckt, und<br />

so reichen die konventionellen Ölressourcen genau wie<br />

vor 30 Jahren noch immer 40 Jahre. Neue Technologien<br />

ermöglichen zudem eine bessere Ausbeutung sowie<br />

eine Ölgewinnung an Orten, die früher nicht möglich<br />

gewesen wäre.<br />

BP erhebt jedes Jahr mit der «Statistical Review of<br />

World Energy» die weltweit gesicherten Erdölreserven.<br />

Ende 1990 hat diese Statistik 1003,2 Milliarden Barrels<br />

von gesicherten Erdölreserven ausgewiesen, 10 Jahre<br />

später waren es 1104,9. Ende 2010 waren es nochmals<br />

mehr, nämlich 1383,2 Milliarden Barrels. Dabei sind<br />

die unkonventionellen Vorkommen, zu denen unter<br />

anderem Ölschiefer, Schiefergas und kanadische Ölsande<br />

zählen, noch nicht einmal berücksichtigt. Diese<br />

zusätzlichen Quellen würden wohl reichen, unseren<br />

steigenden Bedarf über 100 Jahre zu decken.<br />

«Die Mehrheit der Ölvorkommen<br />

befindet sich in<br />

abgelegenen, konfliktreichen,<br />

politisch instabilen<br />

Gegenden.»<br />

Sommer 2012 23


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Es gibt also noch genug Öl, Gas oder auch Kohle<br />

auf der Welt. Eines ist aber wichtig zu unterscheiden:<br />

Wir sprechen von Ressourcen unter der Erde. Es sind<br />

oft politische Beschränkungen über der Erde, die den<br />

Zugang erschweren. Und langfristig dürften Klimaerwärmung<br />

und Treibhausgase sogar die grösseren Probleme<br />

darstellen.<br />

Eine grosse Herausforderung! Viele Ölvorkommen<br />

befinden sich in Venezuela, im Mittleren Osten, in Libyen,<br />

Nigeria, Russland und Kasachstan. Hier braucht<br />

es stabile Rahmenbedingungen, damit man an die Ressourcen<br />

herankommt.<br />

Das Ölzeitalter geht nicht zu Ende,<br />

weil kein Öl mehr vorhanden ist<br />

Das einfache Modell zwischen Angebot und Nachfrage<br />

hat einen viel grösseren Einfluss. Ein Ölpreis über<br />

150 USD pro Barrel lässt Alternativen besser aussehen.<br />

Der Preis wird getrieben durch die massive Nachfragesteigerung,<br />

die teueren Verfahren, das Öl abzuzapfen<br />

und auch vom Gedanken, dass es endlich ist. Weiter<br />

die politischen Rahmenbedingungen: Dazu zählt insbesondere<br />

die CO 2<br />

-Diskussion. Zusätzliche Steuern,<br />

Lenkungsabgaben und Intensivierungen für alternative<br />

<strong>Energie</strong>n werden uns weg vom Öl führen.<br />

Die Zukunft des Öls richtet sich nicht nach der<br />

Frage, wann der Peak Oil erreicht ist, sondern nach der<br />

Kostenfrage. Deshalb sollte auch nicht vom Peak Oil<br />

gesprochen werden – dem Höhepunkt der Ölproduktion<br />

–, sondern vom Nachfragehöhepunkt, dem Peak<br />

in Demand. Diesen haben einige OECD-Länder bereits<br />

erreicht, und der Ölverbrauch geht zurück.<br />

Auch BP investiert in alternative <strong>Energie</strong>n<br />

Die langfristige Antwort auf die <strong>Energie</strong>frage ist<br />

ein breiter <strong>Energie</strong>mix. Eine <strong>Energie</strong>quelle allein kann<br />

die steigende <strong>Energie</strong>nachfrage der Zukunft nicht bedienen.<br />

Stattdessen ist eine Mischung aus traditionellen<br />

<strong>Energie</strong>quellen wie Erdöl und Erdgas sowie alternativen<br />

Quellen wie Wind-, Solar-, Wasserenergie und<br />

Biotreibstoffen notwendig. Und schliesslich auch ein<br />

klares Bekenntnis zur <strong>Energie</strong>effizienz.<br />

Die BP Gruppe bietet eine Vielfalt an <strong>Energie</strong>trägern,<br />

um der Nachfrage gerecht zu werden. Als einer<br />

der weltgrössten privaten Erdgas- und Erdölproduzenten<br />

investiert BP während 10 Jahren insgesamt 8 Milliarden<br />

USD in alternative <strong>Energie</strong>n. So engagiert sich<br />

das Unternehmen unter anderem im Bereich Wind und<br />

betreibt in den USA 10 Windkraftanlagen.<br />

«Die Kostenfrage entscheidet die Zukunft des Öls.»<br />

BP betreibt in den USA 10 Windkraftanlagen<br />

24<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

«Innovation<br />

steckt in den<br />

Biotreibstoffen<br />

der nächsten<br />

Generation.»<br />

Auch Biotreibstoffe gehören zur alternativen<br />

<strong>Energie</strong>. Doch nicht überall, wo Bio draufsteht, ist<br />

auch zukunftsträchtiges Bio drin. Heute verfügbarer<br />

Biodiesel und Bioethanol aus heimischer Produktion<br />

sind Nischenprodukte und nicht mehr als eine Übergangslösung.<br />

Innovation steckt in den Biotreibstoffen<br />

der nächsten Generation, die nicht in Konkurrenz zur<br />

Nahrungsmittelproduktion stehen und eine geringere<br />

Gesamtumweltbelastung als derzeitige Biotreibstoffe<br />

aufweisen.<br />

BP beschäftigt sich mit der Herstellung von Ethanol<br />

und Butanol aus Lignocellulose sowie mit der<br />

Herstellung von Diesel aus Zuckerrohr und/oder Lignocellulose.<br />

Mit diesen Produktionswegen lassen sich<br />

gegenüber fossilem Treibstoff CO 2<br />

-Einsparungen von<br />

80 bis 90 % erzielen. Dies braucht allerdings noch Zeit,<br />

denn die grosstechnische Herstellung ist noch nicht<br />

entwickelt. Eine Erhöhung der Beimischung der Biokomponenten<br />

auf 20 % – vielleicht sogar mehr – für<br />

Diesel oder Benzin erscheint technisch mittel- bis langfristig<br />

realisierbar.<br />

CO 2<br />

-Emissionen nehmen weiter zu<br />

<strong>Energie</strong>politische Entscheidungen zur Senkung<br />

der CO 2<br />

-Emissionen zeigen allmählich Ergebnisse und<br />

werden sich bis 2030 signifikant auf den Anstieg der<br />

Emissionen auswirken. Die starke Erhöhung des <strong>Energie</strong>verbrauchs<br />

in den Nicht-OECD-Ländern führt aber<br />

zu einem weiteren Anstieg der globalen CO 2<br />

-Emissionen.<br />

Obwohl durch den Einsatz von besseren Techno-<br />

«Statt darüber zu diskutieren,<br />

wie ein CO 2<br />

-freier<br />

Verkehr bis 2050 realisierbar<br />

wäre, könnte man erst<br />

mal ganz pragmatisch die<br />

tief hängenden Früchte<br />

ernten.»<br />

Sommer 2012 25


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

logien sowie «Alternativen» das CO 2<br />

bis 2030 pro BIP-<br />

Einheit um 42 % fällt, so geht BP davon aus, dass im<br />

Jahr 2030 die globalen CO 2<br />

-Emissionen um 28 % über<br />

dem heutigen Niveau liegen.<br />

Unsere Studien zeigen ein düsteres Bild: Selbst<br />

wenn die Welt durch verschärfte Massnahmen und<br />

globale Abkommen den CO 2<br />

-Ausstoss weiter begrenzen<br />

würde, ist eine Erreichung des stabilisierenden<br />

Schwellenwerts des CO 2<br />

-Anteils in der Luft von 450<br />

ppm (parts per million/Teile von einer Million) leider<br />

nicht realistisch.<br />

Die Zukunft im Transportbereich<br />

Der Transportbereich ist äusserst energieintensiv,<br />

und deshalb braucht es in diesem Bereich <strong>Energie</strong>träger<br />

mit hohem <strong>Energie</strong>gehalt. Die Anzahl Fahrzeuge wird<br />

zudem, vor allem in den Nicht-OECD-Ländern, stark<br />

wachsen: um ganze 60 % von heute circa 1 Milliarde<br />

auf 1,6 Milliarden im Jahr 2030. Mit besserer Effizienz<br />

pro Fahrzeug brauchen wir jedoch nur circa 26 % mehr<br />

<strong>Energie</strong>, um diese Steigerung zu ermöglichen. Aufgrund<br />

des hohen <strong>Energie</strong>gehalts wird auch in Zukunft<br />

87 % durch Öl abgedeckt. Erfreulich aber ist, dass allmählich<br />

eine Diversifizierung einsetzt, die von energiepolitischen<br />

Weichenstellungen angestossen und durch<br />

technologische Entwicklungen ermöglicht wird.<br />

Zu diesen zählen der Verbrennungsmotor und<br />

die dazu gehörigen konventionellen Treibstoffe. Dieses<br />

System ist längst nicht ausgereizt. BP schätzt die<br />

Effizienzreserve des Benzin- und des Dieselmotors auf<br />

mindestens 20 bis 30 %. Moderne Hybridtechnologie<br />

und neue, hochwertige Biotreibstoffe noch nicht mitgerechnet.<br />

Schon heute holen deutsche Hersteller aus<br />

jedem Liter Treibstoff 59 % mehr Leistung und 49 %<br />

mehr transportiertes Fahrzeuggewicht heraus als noch<br />

1990.<br />

Zu den Früchten zählen auch innovative Biotreibstoffe,<br />

Hybridantriebe sowie die alternativen Treibstoffe<br />

Erdgas und Autogas, auch wenn diese Nischenprodukte<br />

bleiben. Die Technologien für einen<br />

klimafreundlicheren Verkehr sind schon heute verfügbar.<br />

Die Zukunft im Transportbereich ist eine evolutionäre<br />

Entwicklung rund um den Verbrennungsmotor.<br />

Dies ist übrigens auch der mit Abstand wirtschaftlichste<br />

Weg in eine emissionsärmere Zukunft. Dadurch wird<br />

in Europa der Treibstoffverbrauch bis 2030 um bis zu<br />

einem Drittel fallen.<br />

Ganz allein schaffen es Autobauer und Treibstoffhersteller<br />

aber nicht. In die Betrachtung einfliessen<br />

muss das gesamte Verkehrssystem. Das heisst mit Blick<br />

auf den Strassenverkehr beispielsweise Verkehrsleitsysteme,<br />

die verstärkte Nutzung der Informationstechnologie<br />

sowie der effiziente Ausbau von Verkehrswegen.<br />

Zusammenfassung der<br />

wichtigsten Punkte<br />

Der <strong>Energie</strong>verbrauch steigt, getrieben durch Bevölkerungswachstum<br />

und Wohlstand. Öl wird wichtig<br />

sein für dessen Abdeckung und es gibt ausreichende<br />

Ölressourcen. Bei diesen Ressourcen geht es vielmehr<br />

um die Frage des Zugriffs – somit um politische Beschränkungen<br />

– als um deren Vorhandensein. Die Alternativenergien<br />

haben das grösste Wachstum. Weitere<br />

Investitionen und Innovationen sind jedoch nötig,<br />

damit die «Alternativen» eine wichtigere Rolle spielen<br />

können. Mit dem Einsatz von fossilen <strong>Energie</strong>trägern<br />

steigt das CO 2<br />

weiter. Im Transportbereich sind grosse<br />

Effizienzgewinne möglich, dabei ist der richtige Einsatz<br />

von Biotreibstoffen wichtig und sinnvoll. Die Herausforderungen<br />

sind also gross; mit vereinten Kräften sollten<br />

wir sie jetzt angehen.<br />

Lebenslauf<br />

Der Schweizer Ramon<br />

Werner (Jahrgang 1969)<br />

ist verheiratet und Vater<br />

dreier Kinder. Er ist Betriebsökonom<br />

HWV und<br />

seit Januar 2007 als CEO<br />

bei der BP (Switzerland) in<br />

Zug tätig. Seine früheren<br />

Stationen:<br />

• BP London, September 2005 bis Dezember<br />

2006: Director Communication & Engagement<br />

für das Segment Refining & Marketing. Mai<br />

2004 bis August 2005: Group Vice President<br />

Advisor; verantwortlich für die Einführung der<br />

neuen Refining & Marketing-Organisation und<br />

des Delegationssystems.<br />

• BP Deutschland, Hamburg, Juni 2001 bis September<br />

2003: Channel Manager Lubricants;<br />

Führung des Schmierstoffgeschäfts für europäische<br />

Tankstellen.<br />

26<br />

Sommer 2012


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nationalen<br />

Wider die<br />

Alleingänge<br />

Plädoyer für eine<br />

europäische <strong>Energie</strong>politik<br />

Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge<br />

Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung des <strong>Energie</strong>wirtschaftlichen Instituts der Universität zu Köln (EWI)<br />

Auf der Tagung des Europäischen Rates im<br />

Februar des vergangenen Jahres haben sich<br />

die Staats- und Regierungschefs aus den<br />

27 EU-Staaten ausdrücklich zur «Sicherstellung<br />

einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen und<br />

sicheren <strong>Energie</strong>versorgung in Europa» bekannt. Sie<br />

haben betont, dass dafür ein funktionierender, vernetzter<br />

und integrierter EU-Binnenmarkt für <strong>Energie</strong><br />

notwendig sei. Und die Europäische Kommission hat<br />

in ihrem Strategiepapier «<strong>Energie</strong> 2020 – eine Strategie<br />

für wettbewerbsfähige, nachhaltige und sichere <strong>Energie</strong>»<br />

konkrete Schritte für die stufenweise Realisierung<br />

eines gemeinsamen Marktes für <strong>Energie</strong> in der Gemeinschaft<br />

vorgeschlagen. Ziel sei es, den Binnenmarkt für<br />

Strom und Gas bis zum Jahre 2014 zu vollenden. Zudem<br />

nimmt die Modernisierung und Erweiterung der<br />

<strong>Energie</strong>infrastruktur insbesondere für den grenzüberschreitenden<br />

Fluss von Strom und Gas in den Vorschlägen<br />

der Brüsseler Behörde einen wichtigen Platz ein.<br />

Gerade die ehrgeizigen Ziele der Politik, den Anteil<br />

der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n (EE) stark auszubauen,<br />

machen den freien Stromaustausch zwischen den europäischen<br />

Staaten noch wertvoller. Denn der Ertrag<br />

aus einer Investition in eine EE-Erzeugungsanlage<br />

richtet sich weitgehend nach den Standortbedingungen,<br />

also zum Beispiel der Sonneneinstrahlung oder<br />

den Windgeschwindigkeiten. Und in dieser Hinsicht<br />

bestehen in Europa gravierende Unterschiede. So kann<br />

beispielsweise eine PV-Anlage in Südspanien mehr als<br />

zwei Mal so viel Strom erzeugen wie dieselbe Anlage in<br />

Deutschland. Sprich: der PV-Strom ist in Spanien um<br />

mindestens die Hälfte kostengünstiger als hierzulande.<br />

Ähnliches gilt, in noch ausgeprägterem Masse für die<br />

Windenergie, wo sich regionale Standortbedingungen<br />

– beispielsweise zwischen Schottland und der Toskana<br />

- um mehrere Faktoren voneinander unterscheiden.<br />

Europäische Koordination und europäischer Stromaustausch<br />

würden also zu direkten und erheblichen Synergien<br />

führen. In einer Studie aus dem Jahre 2010 gibt<br />

das <strong>Energie</strong>wirtschaftliche Institut an der Universität<br />

zu Köln den Wert dieser Synergien mit mehr als 100<br />

Milliarden Euro für den Zeitraum 2010-2020 an.<br />

Damit diese Synergien gehoben werden können,<br />

braucht Europa dreierlei: Einen funktionierenden<br />

Strombinnenmarkt, einen gemeinsamen Ansatz zur<br />

Vergütung der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n und ein leistungsfähiges,<br />

auf die neue geographische Struktur der<br />

Erzeugung abgestimmtes Stromübertragungsnetz. Angesichts<br />

der wachsenden Bedeutung von Gaskraftwerken<br />

für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit<br />

in wind- und sonnenschwachen Zeiten braucht es zudem<br />

eine Verstärkung der Integration und Kooperation<br />

im Bereich der Gasübertragung und –speicherung, was<br />

im kalten Februar 2012 deutlich wurde, als eigentlich<br />

dringend benötigte deutsche Gaskraftwerke nicht zur<br />

Verfügung standen, weil Gasmengen in Süddeutschland<br />

fehlten. Kurz: Eigentlich bräuchte es eine gemeinsam<br />

europäische <strong>Energie</strong>politik.<br />

Doch die Realität sieht anders aus. Europa ist<br />

noch weit davon entfernt, in der <strong>Energie</strong>frage mit einer<br />

Stimme zu sprechen und die nationalen energie-<br />

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ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

wirtschaftlichen Entscheidungen auf der europäischen<br />

Ebene abzustimmen. <strong>Energie</strong>politik wird – trotz aller<br />

Fortschritte bei der Integration der Grosshandelsmärkte<br />

– weitgehend, und sogar wieder zunehmend,<br />

auf nationaler Ebene bestimmt. Deutschland mit seiner<br />

plötzlichen, nicht mit den Nachbarn abgestimmten<br />

Abkehr von der Nutzung der Kernenergie und seinem<br />

drastischen Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n ist da<br />

ein prominentes Beispiel, aber beileibe kein Sonderfall.<br />

So setzen manche Länder auf einen Ausbau statt<br />

auf eine reduzierte Nutzung der Kernenergie. Andere<br />

Länder drängen, trotz der klimapolitischen Bedenken,<br />

auf einen fortgesetzt starken Einsatz von Kohle. Und<br />

auch mit Blick auf die mögliche Erschliessung nichtkonventioneller<br />

Gasvorkommen verfolgen die Mitgliedsstaaten<br />

diametral entgegengesetzte Strategien.<br />

Statt zu einer Europäisierung der <strong>Energie</strong>politik geht<br />

der Trend also anscheinend eher in Richtung einer Renationalisierung.<br />

Europäischer Binnenmarkt einerseits, renationalisierte<br />

<strong>Energie</strong>politik andererseits: diesen Widerspruch<br />

haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im<br />

Vertrag von Lissabon explizit angelegt. Denn in diesem<br />

Vertrag aus dem Jahre 2007 haben sich die EU-Staaten<br />

zwar auf eine stärkere Zusammenarbeit auf dem Feld<br />

der <strong>Energie</strong>wirtschaft verständigt. Doch haben sie dort<br />

zugleich festgeschrieben, dass die Zusammensetzung<br />

des nationalen <strong>Energie</strong>mix, also die Frage, welche <strong>Energie</strong>träger<br />

in welchem Umfang zum <strong>Energie</strong>verbrauch<br />

beitragen sollen, weiterhin in die nationale Souveränität<br />

fällt.<br />

Ein solches Gleichgewicht zwischen nationaler<br />

Souveränität und europäischer Integration ist, wie<br />

auch die Erfahrungen mit der gemeinsamen Währung<br />

gezeigt haben, in hohem Masse instabil. Der gemeinsame<br />

Markt löst eine zunehmende Vernetzung der europäischen<br />

Volkswirtschaften aus und führt damit zu<br />

immer stärkeren Wechselwirkungen zwischen national<br />

gemeinten Politikinstrumenten. Und was für die griechische<br />

Renten- oder die deutsche Steuerpolitik gilt,<br />

gilt analog auch in der <strong>Energie</strong>wirtschaft. Mit der Installation<br />

des europaweiten Handelssystems für Treibhausgase<br />

haben – vermittelt über den Zertifikatepreis<br />

– energiepolitische Entscheidungen in einem Land<br />

unmittelbare Auswirkungen auf die energiewirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen in allen übrigen EU-Län-<br />

Milliarden-Projekte - Optimales Strom-Übertragungsnetz<br />

in Europa zur Nutzung der Erneuerbare <strong>Energie</strong>n-Anlagen<br />

Quelle: EWI Köln<br />

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dern. Und weil es trotz noch vorhandener Friktionen<br />

einen Stromaustausch über die Grenzen hinweg gibt,<br />

bestimmt der Strompreis an der Energy Exchange-Börse<br />

(EEX) in Leipzig zunehmend auch das Preisniveau in<br />

anderen europäischen Staaten.<br />

Die Auswirkungen der sogenannten deutschen<br />

«<strong>Energie</strong>wende» auf die Nachbarländer zeigen diese<br />

Wechselwirkungen in exemplarischer Weise auf. So hat<br />

beispielsweise die spontane Abschaltung von rund 9<br />

Gigawatt Kernkraftwerkskapazität, das ist ein Zehntel<br />

der deutschen Spitzenlast, zu einem Preisanstieg von<br />

rund 10 % an allen Strombörsen in Kontinentaleuropa<br />

sowie zu einer erheblichen Erhöhung der Stromimporte<br />

nach Deutschland geführt. Sprich: der deutsche Kernkraftausstieg<br />

wird von den Stromkunden der Nachbarländer<br />

mitbezahlt. Andersherum geht es bei der<br />

Förderung der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n in Deutschland:<br />

Die daraus erzeugten Strommengen werden von den<br />

deutschen Stromkunden derzeit mit knapp 10 Milliarden<br />

Euro pro Jahr subventioniert, dann aber in den<br />

gemeinsamen europäischen Binnenmarkt eingespeist<br />

und letztlich also mit den europäischen Nachbarn geteilt.<br />

(Diese Art der Subventionierung der Stromkunden<br />

der Nachbarländer scheint den deutschen Wähler<br />

übrigens nicht zu stören, während Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister<br />

Rösler, ein Solarprogramm für<br />

Griechenland zu finanzieren statt die PV-Anlagen in<br />

Deutschland zu montieren, als Verschwendung deutscher<br />

Gelder gebrandmarkt wurde.)<br />

Gleichzeitig stellt die fluktuierende Einspeisung<br />

von Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n, vor allem Windenergie<br />

im Norden, fern der deutschen Verbrauchszentren im<br />

Westen und Süden unseres Landes die europäischen<br />

Übertragungsnetze vor erhebliche Herausforderungen.<br />

Denn wegen der Kirchhoff‘schen Gesetze sucht sich der<br />

Windstrom seinen Weg von Nord- nach Süddeutschland<br />

nicht nur durch deutsche, sondern auch durch niederländische,<br />

polnische oder tschechische Netze, was<br />

dort zu erheblichen, von der jeweils nationalen Politik<br />

– unter anderem aus Gründen der Netzstabilität - nicht<br />

erwünschten Verwerfungen führt. Konsequenz: Unsere<br />

Nachbarländer bauen sogenannte Phasenschieber in<br />

ihre Netze ein. Mit diesen teuren Einrichtungen können<br />

sie die Elektrizitätsmenge, die aus Deutschlands<br />

Norden zusätzlich durch ihre Netze fliesst, steuern –<br />

je nach Auslastung durch die eigene Stromerzeugung.<br />

In den Niederlanden wurde diese Massnahme bereits<br />

durchgeführt, in Polen und in der Tschechischen Republik<br />

wird darüber gerade diskutiert. Der einseitige,<br />

nicht auf die Nachbarländer abgestimmte deutsche<br />

Ausbau der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n untergräbt damit<br />

den europäischen Binnenmarkt, statt ihn zu fördern.<br />

Aus all dem Gesagten wird deutlich: Unter den Bedingungen<br />

eines funktionierenden Binnenmarkts gibt<br />

es nur noch einen europäischen Strommix, aber keinen<br />

inhärent «deutschen» oder «französischen» Strommix.<br />

Und: Mehr Integration bei den Marktmechanismen<br />

und den Netzen unterstützt den Umbau der europäischen<br />

Stromversorgung auf höhere Anteile Erneuerbarer<br />

<strong>Energie</strong>n. Eine rein national ausgerichtete, isolierte<br />

<strong>Energie</strong>politik in Europa ist in dieser Situation also weder<br />

möglich noch sinnvoll. Je früher die Politik dieses<br />

Spannungsfeld zugunsten einer Verstärkung der europäischen<br />

Zusammenarbeit auflöst, umso besser für den<br />

europäischen Stromkunden – sowohl mit Blick auf die<br />

Kosten als auch auf die Sicherheit der Versorgung mit<br />

Elektrizität. Der gegenteilige Weg, die Auflösung hin<br />

zur nationalen Autarkie, wird zwar derzeit von einigen<br />

(national orientierten) Politikern und Interessenvertretern<br />

ventiliert, wäre aber eine Sackgasse – sowohl<br />

für das politische Projekt «Europäische Union» als auch<br />

für die ehrgeizigen Ziele im Bereich der Erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n und des Klimaschutzes. Deutschland, als<br />

grösstem Industrieland innerhalb der Gemeinschaft,<br />

im Zentrum der Europäischen Union gelegen und energiewirtschaftlich<br />

auf das Engste mit den Nachbarländern,<br />

insbesondere auch mit der Schweiz, verbunden,<br />

kommt bei dieser Entwicklung eine besondere Verantwortung<br />

zu.<br />

Lebenslauf<br />

Prof. Dr. Marc Oliver<br />

Bettzüge ist seit 2007 ordentlicher<br />

Professor für<br />

Volkswirtschaftslehre,<br />

insbesondere <strong>Energie</strong>wirtschaft,<br />

an der Universität<br />

zu Köln sowie gleichzeitig<br />

geschäftsführender Direktor<br />

und Vorsitzender der Geschäftsleitung des <strong>Energie</strong>wirtschaftlichen<br />

Instituts an der Universität zu<br />

Köln (EWI). Nach dem Studium der Mathematik<br />

und Volkswirtschaftlehre an den Universitäten von<br />

Bonn, Cambridge und Berkeley promovierte Prof.<br />

Bettzüge im Fach Volkswirtschaftslehre mit einer<br />

Arbeit über «Financial Innovation from a General<br />

Equilibrium Perspective». Nach seiner Promotion<br />

arbeitete er sowohl als Wissenschaftler an den Universitäten<br />

von Bonn und Zürich als auch als Managementberater<br />

bei international renommierten<br />

Beratungsunternehmen. Prof. Bettzüge ist unter<br />

anderem Mitglied in der Enquete-Kommission<br />

«Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität» des Deutschen<br />

Bundestages.<br />

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ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

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ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

<strong>Energie</strong> in der<br />

Gesellschaft von<br />

morgen<br />

Dr. Kurt Bock<br />

Vorstandsvorsitzender der BASF AG<br />

Aus Sicht eines Chemieunternehmens wie<br />

BASF ist <strong>Energie</strong> einer der wichtigsten Faktoren<br />

für die Herstellung tausender Produkte,<br />

die wir weltweit an unsere Kunden<br />

in fast allen Industrien liefern. Öl und Gas sind unverzichtbare<br />

Rohstoffe für die Produktion chemischer<br />

Erzeugnisse wie Kunststoffe oder Lacke, Dampf und<br />

Strom liefern die notwendige <strong>Energie</strong> für den Ablauf<br />

nahezu aller chemischen Prozesse.<br />

Aber <strong>Energie</strong> bedeutet viel mehr: Sie ist eine der<br />

fundamentalen Grössen in den Naturwissenschaften<br />

Physik, Chemie und Biologie. Pflanzen, Tiere und Menschen<br />

benötigen <strong>Energie</strong>, um leben zu können. <strong>Energie</strong><br />

ist notwendig um mechanische Arbeit zu verrichten<br />

oder Substanzen zu erwärmen. Und somit ist <strong>Energie</strong><br />

ein zentraler Schlüssel für Technik und weite Teile unserer<br />

Wirtschaft - der Basis für unseren heutigen Wohlstand.<br />

In unserer ölbasierten Wirtschaft bedeutet ein<br />

mehr an Wohlstand auch immer einen grösseren Bedarf<br />

an <strong>Energie</strong>.<br />

Die Crux dabei ist: So schnell lässt sich daran auch<br />

nichts ändern. Leider kommen alle ernstzunehmenden<br />

Prognosen zu ein und demselben Ergebnis: Trotz aller<br />

Sparanstrengungen wird der <strong>Energie</strong>bedarf in den<br />

kommenden Jahrzehnten zunehmen. Denn die Zahl<br />

der Menschen auf der Erde wächst rasant. Ausgehend<br />

von einer derzeitigen Weltbevölkerung von rund sieben<br />

Milliarden Menschen, rechnen Experten für das<br />

Jahr 2050 mit einem Anstieg der Erdbevölkerung auf<br />

neun Milliarden. Das sind unter dem Strich zwei Milliarden<br />

Menschen mehr, die sich ernähren, kleiden und<br />

fortbewegen müssen.<br />

Dazu kommt, dass nahezu jeder nach einer besseren<br />

Zukunft für seine Kinder und sich selbst strebt.<br />

Dabei haben wir es gleichzeitig mit ganz unterschiedlichen<br />

Bedürfnissen zu tun: Für viele Menschen in Teilen<br />

Asiens und Afrikas heisst mehr Wohlstand zunächst<br />

einmal mehr Nahrung, Verfügbarkeit von sauberem<br />

Wasser und Elektrizität. Denn ein grosser Teil der Erdbevölkerung<br />

lebt heute weit unterhalb des Standards,<br />

den wir in Europa und Nordamerika seit vielen Jahren<br />

selbstverständlich für uns in Anspruch nehmen. In den<br />

aufstrebenden Schwellenländern steigt parallel der Anspruch<br />

nach besserem Wohnraum, Infrastruktur und<br />

Telekommunikation, während sich die Menschen in<br />

den Industrieländern hochmoderne Autos und trendige<br />

iPads kaufen möchten. Für die Produktion all dieser<br />

Güter brauchen wir neben Know-how auch Rohstoffe<br />

und <strong>Energie</strong>.<br />

«Wenn wir an unserer<br />

Lebens- und Produktionsweise<br />

nichts ändern,<br />

brauchen wir im Jahr<br />

2050 die Ressourcen von<br />

annähernd drei Erden<br />

statt einer.»<br />

Wie wir dieses Mehr an Gütern bereitstellen können,<br />

ohne dabei die Ressourcen zu erschöpfen, ist eine<br />

der wichtigsten Zukunftsfragen. Wenn wir an unserer<br />

Lebens- und Produktionsweise nichts ändern, brauchen<br />

wir im Jahr 2050 die Ressourcen von annähernd<br />

drei Erden statt einer. Um es deutlich zu sagen: Mit den<br />

heute zur Verfügung stehenden Technologien werden<br />

wir das nicht schaffen. Es bleiben nur zwei Möglichkei-<br />

Sommer 2012 31


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

ten. Eine Änderung des Verhaltens und technologische<br />

Innovationen.<br />

Auf eine Änderung des Verhaltens der Menschen<br />

können wir natürlich hoffen. Doch weder der freiwillige<br />

Verzicht auf Konsum ist realistisch, noch sind starre<br />

staatliche Regelungen wünschenswert, die Menschen<br />

vorschreiben möchten, was sie kaufen, wie sie sich<br />

fortbewegen oder sich ernähren. Aber in einem marktwirtschaftlich<br />

organisierten System können wir es<br />

schaffen, die notwendigen Technologien zu entwickeln,<br />

die uns künftig ein nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen.<br />

Die Staaten werden dafür entsprechende Rahmenbedingungen<br />

setzen – und zwar weltweit.<br />

Wie Prognosen der Internationalen <strong>Energie</strong> Agentur<br />

(IAE) verdeutlichen, liegen die Antworten auf die<br />

damit verbundenen <strong>Energie</strong>- und Klimafragen nicht<br />

alleine in den westlichen Industrieländern. Unter der<br />

Annahme, dass die heute beschlossenen Regelungen<br />

umgesetzt werden, prognostiziert die IAE folgendes:<br />

Alleingänge einzelner Länder erscheinen aus globaler<br />

Perspektive jedenfalls nicht vernünftig, denn sie führen<br />

nicht zu den gewünschten Nachahmern und können<br />

deshalb die Probleme nicht lösen.<br />

Die Erfahrung zeigt aber auch, dass politische Prozesse<br />

Zeit brauchen – zumal auf internationalem Parkett.<br />

Deshalb können wir nicht auf einen Startschuss<br />

der Politik warten, sondern müssen in Wissenschaft<br />

und Wirtschaft mit Hochdruck an der Entwicklung<br />

neuer Technologien arbeiten. Dazu zählen sowohl<br />

bessere Methoden für eine noch effizientere Nutzung<br />

vorhandener <strong>Energie</strong>ressourcen, als auch völlig neue<br />

Technologien für das Erzeugen, Speichern und Verteilen<br />

von elektrischer <strong>Energie</strong>.<br />

• Zwischen 2010 und 2035 entfallen 90% des Bevölkerungswachstums<br />

und 70% der Zunahme der<br />

Wirtschaftsleistung auf Nicht-OECD-Länder.<br />

• Im gleichen Zeitraum steigt der Weltenergieverbrauch<br />

um ein Drittel. 90% des <strong>Energie</strong>verbrauchwachstums<br />

findet in Nicht-OECD-Ländern statt.<br />

• Die Bedeutung erneuerbarer <strong>Energie</strong>n steigt weltweit.<br />

Doch gleichzeitig wird die Nachfrage nach fossilen<br />

Brennstoffen bis 2035 nicht sinken, sondern<br />

zunehmen.<br />

• Bedingt durch die Stromerzeugung in China und<br />

Indien steigt der Verbrauch von Kohle in den kommenden<br />

zehn Jahren weiter stark an.<br />

• Erdgas baut seinen Anteil am Weltenergiemix bis<br />

2035 weiter aus, da der <strong>Energie</strong>träger beim Ausbau<br />

der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n eine Schlüsselrolle in<br />

der flexiblen Stromerzeugung einnehmen wird.<br />

Es besteht also kein Zweifel, dass sich die Gewichte<br />

der Weltwirtschaft verschieben werden.<br />

In der <strong>Energie</strong>- und Klimapolitik wird an der Einbeziehung<br />

dynamisch wachsender Länder wie China<br />

und Indien in internationale Abkommen kein Weg<br />

vorbeiführen. Dabei müssen wir uns selbstkritisch die<br />

Frage stellen, ob unsere hohen Standards in Europa<br />

als Blaupause für die Welt taugen, oder wir nicht besser<br />

gemeinsam für alle verbindliche Lösungen finden<br />

müssen. Eine auf einseitige Verschärfungen setzende<br />

<strong>Energie</strong>- und Klimapolitik in Europa oder gar nationale<br />

<strong>Energie</strong>effizientes Dämmen am<br />

Beispiel des East Hotel Dubai<br />

Auf allen diesen Gebieten ist die Chemie eine der<br />

Schlüsselindustrien, die zur Lösung dieser Aufgaben einen<br />

entscheidenden Beitrag leisten wird. Als forschendes<br />

Chemieunternehmen arbeitet BASF bereits heute<br />

an einer ganzen Reihe von Themen rund um die <strong>Energie</strong>:<br />

Wärmedämmung: Der Bereich Bauen und<br />

Wohnen verursacht etwa 40% des weltweiten <strong>Energie</strong>verbrauchs.<br />

Diese Belastung kann durch eine höhere<br />

<strong>Energie</strong>effizienz von Gebäuden deutlich reduziert werden.<br />

Als Entwickler und Produzent von Dämmstoffen<br />

und Betonadditiven arbeitet BASF daran, die <strong>Energie</strong>-<br />

Bilanz von Häusern und Gebäuden deutlich zu verbessern.<br />

Der Einsatz unserer Produkte hat im Jahr 2011<br />

rund 280 Millionen Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente im Gebäude-<br />

und Haushaltsbereich eingespart.<br />

32<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Katalysatoren: Für viele Produktionsprozesse<br />

in der chemischen Industrie werden Strom und<br />

Dampf eingesetzt. Durch den Einsatz von BASF-Katalysatoren<br />

lässt sich die erforderliche Wärmezufuhr für<br />

viele chemische Prozesse reduzieren. Durch den Einsatz<br />

von Katalysatoren gelingt es uns bei BASF eine Vielzahl<br />

von Chemikalien, Kunststoffen und anderen Produkten<br />

so energieeffizient wie möglich herzustellen. Gleichzeitig<br />

helfen unsere Katalysatoren auch unseren Kunden,<br />

zum Beispiel bei der Herstellung von Kraftstoffen, den<br />

<strong>Energie</strong>- und Ressourcenverbrauch zu senken.<br />

<strong>Energie</strong>management: Dahinter verbirgt<br />

sich eine grosse Zahl technologischer Entwicklungen,<br />

die zukünftig eine effizientere Verwendung von <strong>Energie</strong><br />

möglich machen soll. Vornehmlich entwickelt BASF<br />

neue Materialien für Thermoelektrik und Magnetokalorik<br />

oder Emitter für organische Leuchtdioden (OLEDs).<br />

Batterien: Es gibt nur wenige Möglichkeiten,<br />

elektrische <strong>Energie</strong> zu speichern. Man kann Wasser in<br />

Stauseen pumpen und bei Bedarf für die <strong>Energie</strong>erzeugung<br />

nutzen. Die andere Möglichkeit ist die chemische<br />

Speicherung in Batterien. BASF forscht an der Entwicklung<br />

von Materialien für neue Generationen von leistungsfähigeren<br />

Batterien, die in Elektroautos aber auch<br />

zur Speicherung von <strong>Energie</strong> in modernen Stromnetzen<br />

eingesetzt werden können. Neben der Erforschung<br />

und Produktion neuer Kathodenmaterialien konzentrieren<br />

wir uns auf Elektrolyte.<br />

«Wir zeigen auf diese<br />

Weise, dass Nachhaltigkeit<br />

und Wachstum<br />

kein Widerspruch sind<br />

– im Gegenteil. Das<br />

starke globale Bevölkerungswachstum<br />

verlangt<br />

neue nachhaltige<br />

Lösungen und bietet<br />

Chancen gerade für<br />

die Chemie.»<br />

Die Gas- und Dampfturbinen-Anlage am Verbundsstandort<br />

Ludwigshafen nutzt die entstehende<br />

Abgaswärme der Gasturbinen zum Herstellen<br />

von Dampf, der dann in den Produktionsbetrieben<br />

des Werkes für unterschiedlichste chemische Prozesse<br />

verwendet wird.<br />

Windenergie: Die Nutzung der Windkraft<br />

stellt höchste Anforderungen an die verwendeten Materialien.<br />

Bei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300<br />

Kilometern pro Stunde wirken enorme Kräfte auf die<br />

Rotorblätter, die sich an den Spitzen um mehr als einen<br />

Meter biegen. Damit die Rotorblätter Betriebszeiten<br />

von 20 Jahren bei Schnee, Regen, Hitze und UV-Strahlung<br />

überstehen, müssen sie nicht nur stabil, sondern<br />

auch witterungsbeständig sein. BASF hat bereits zahlreiche<br />

innovative Produkte für den Windenergiemarkt<br />

entwickelt, darunter Speziallacke, Epoxidharze, Klebstoffe,<br />

Schäume, Spezial-Beton für Onshore- und Offshore-Anwendungen<br />

und Getriebeöle.<br />

Auch für unsere eigene Produktion hat das Thema<br />

<strong>Energie</strong> eine sehr wichtige Bedeutung: Die chemische<br />

Industrie ist und wird eine energieintensive Branche<br />

bleiben. Denn es wird für die Herstellung neuer Produkte<br />

immer ein Mindestmass an <strong>Energie</strong>einsatz erfor-<br />

Sommer 2012 33


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

derlich sein. Unser Ziel ist es, das so effizient und damit<br />

so wirtschaftlich wie möglich zu tun.<br />

In Ludwigshafen betreibt die BASF den grössten<br />

Chemieproduktionsstandort weltweit. Dank eigener<br />

Kraftwerke können wir dort unter dem Strich unseren<br />

Strombedarf selbst decken. Die hierfür eingesetzten<br />

Gaskraftwerke gehören zu den effizientesten konventionellen<br />

Kraftwerken weltweit. In Verbindung mit<br />

Kraft-Wärme-Kopplung erreichen wir Gesamtwirkungsgrade<br />

von bis zu 90%. Zum Vergleich: Bei konventionellen<br />

Kraftwerken liegt der Wirkungsgrad je<br />

nach Technologie zwischen 35-45%. Grosse Vorteile<br />

für die <strong>Energie</strong>effizienz ergeben sich in Ludwigshafen<br />

auch durch die Produktion im Verbund: Weil unsere<br />

Anlagen miteinander vernetzt sind, können wir die Abwärme<br />

des einen Betriebs als Prozesswärme in anderen<br />

Betrieben nutzen. Weltweit betreiben wir sechs solche<br />

Verbundstandorte.<br />

Unsere Massnahmen zur energieeffizienten Produktion<br />

haben einen messbaren Erfolg: 2011 konnte<br />

die BASF die <strong>Energie</strong>effizienz ihrer Produktionsprozesse<br />

im Vergleich zum Jahr 2002 um 26% steigern.<br />

Damit haben wir unser ursprüngliches Ziel von 25%<br />

bis 2020 fast zehn Jahre früher als geplant erreicht.<br />

Trotzdem bleiben wir kontinuierlich am Ball, um weltweit<br />

alle Anlagen und Produktionsprozesse auf weitere<br />

Verbesserungen zu prüfen. Unser neues Ziel lautet<br />

deshalb, die <strong>Energie</strong>effizienz bezogen auf das Basisjahr<br />

2002 weltweit um 35 % zu steigern.<br />

Wir zeigen auf diese Weise, dass Nachhaltigkeit<br />

und Wachstum kein Widerspruch sind – im Gegenteil.<br />

Das starke globale Bevölkerungswachstum verlangt<br />

neue nachhaltige Lösungen und bietet Chancen gerade<br />

für die Chemie. Unser Unternehmenszweck lautet daher<br />

«We create chemistry for a sustainable future». Wir<br />

verknüpfen in enger Partnerschaft mit Kunden und<br />

Forschungsinstituten Kompetenzen aus der Chemie,<br />

Biologie, Physik sowie den Material- und Ingenieurwissenschaften,<br />

um innovative Lösungen für drängende<br />

Fragen zu finden. Wir werden die knappen Einsatzstoffe<br />

in unserer Produktion noch effizienter verwenden<br />

und wo immer dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll<br />

ist, erneuerbare Ressourcen nutzen.<br />

Mehr als 10.000 Mitarbeiter der BASF arbeiten<br />

heute in der Forschung und Entwicklung. Sie forschen<br />

auch an neuen Lösungen für die <strong>Energie</strong>versorgung von<br />

morgen. Als führendes Chemieunternehmen haben wir<br />

beste Voraussetzungen, die Technologien für die <strong>Energie</strong>versorgung<br />

der Zukunft und den effizienten Einsatz<br />

von Rohstoffen mit zu entwickeln und zukunftsfähige,<br />

attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Die grösstmögliche<br />

Effizienz beim Einsatz von Ressourcen liegt dabei<br />

im ureigenen Interesse der chemischen Industrie. Denn<br />

auch in 30 Jahren wird die BASF überwiegend auf fossile<br />

Rohstoffe als Basis für viele Produkte angewiesen<br />

sein. Eine sichere, bezahlbare und nachhaltige <strong>Energie</strong>versorgung<br />

ist daher eine entscheidende Voraussetzung<br />

dafür, dass wir mit innovativen Produkten und<br />

Lösungen den Bedürfnissen von künftig neun Milliarden<br />

Menschen gerecht werden können.<br />

Lebenslauf<br />

Dr. Kurt Bock wurde 1958<br />

in Rahden/Ostwestfalen<br />

geboren. Er studierte ab<br />

1977 Betriebswirtschaftslehre<br />

an den Universitäten<br />

in Münster und Köln sowie<br />

an der Pennsylvania State<br />

University in den USA<br />

und schloss das Studium 1982 in Köln als Diplom-<br />

Kaufmann ab. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter promovierte er an<br />

der Universität Bonn zum Dr. rer. pol. 1985 trat<br />

Dr. Kurt Bock in die BASF Aktiengesellschaft im<br />

Bereich Finanzen ein, wechselte jedoch 1992 zu<br />

Bosch. Dort leitete er den Bereich Finanzen und<br />

Bilanzen und übernahm dann die Geschäftsführung<br />

der brasilianischen Tochtergesellschaft. 1998<br />

kehrte Dr. Kurt Bock zurück zur BASF, zunächst<br />

als Chief Financial Officer der US-Tochter, dann<br />

als Leiter Logistik & Informatik der Konzernmutter.<br />

2003 wurde Dr. Kurt Bock Finanzvorstand der<br />

BASF Aktiengesellschaft und ist seit 2011 Vorsitzender<br />

des Vorstands.<br />

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Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Wie wir rasch und<br />

geordnet aus der<br />

Atomenergie<br />

aussteigen<br />

Ueli Leuenberger<br />

Präsident der Grünen Schweiz<br />

In Fukushima ist 25 Jahre nach Tschernobyl das<br />

Undenkbare wieder Wirklichkeit geworden. Ähnlich<br />

wie für die Menschen in Japan und in der Ukraine<br />

vor den Katastrophen ist es für uns heute<br />

kaum vorstellbar, dass etwa das Seeland – die Gemüsekammer<br />

der Schweiz nördlich des AKW Mühleberg<br />

– oder die dicht besiedelten Gebiete zwischen Zürich<br />

und Basel um die AKW Beznau, Gösgen und Leibstadt<br />

nach einer Katastrophe für Generationen nicht mehr<br />

genutzt werden können und verlassen werden müssen.<br />

Der Atomausstieg darf nicht weiter auf die lange<br />

Bank geschoben werden. Der Grundsatzentscheid von<br />

Bundesrat und Parlament, keine neuen AKW mehr in<br />

der Schweiz zuzulassen, war ein historischer Schritt<br />

und ein Erfolg auch für das jahrzehntelange Engagement<br />

der Umweltbewegung und der Grünen Partei. Die<br />

<strong>Energie</strong>wende hat begonnen.<br />

Vergessen gingen dabei aber die bestehenden<br />

AKW. Diese sollen gemäss den Plänen von Regierung<br />

und Parlament alle bis zum Ende ihrer «sicherheitstechnischen<br />

Betriebsdauer» weiterbetrieben werden.<br />

Was bedeutet das anderes, als dass alle AKW bis kurz<br />

vor dem Super-GAU weiterlaufen? Russisches Roulette<br />

mit fünf Atomreaktoren! Und wie lange ist denn eigentlich<br />

die «sicherheitstechnische Betriebsdauer»? In einer<br />

Medienmitteilung des Bundesrates ist von 50 Jahren<br />

die Rede. <strong>Energie</strong>ministerin Leuthard spricht von 60<br />

Jahren; vielleicht mehr, vielleicht auch weniger – als<br />

ob wir in einem Wettbüro wären. Da unsicher ist, wann<br />

es keinen Atomstrom mehr gibt, ist auch nicht klar, ab<br />

welchem Zeitpunkt es sich lohnt in Alternativen zu investieren.<br />

Die <strong>Energie</strong>wende wird ausgebremst.<br />

Atomausstiegsinitiative: Wir müssen Laufzeiten<br />

für die Atomkraftwerke festlegen<br />

Wer über Atomausstieg redet, kommt nicht umhin<br />

Laufzeiten für AKW zu definieren. Dazu sammeln die<br />

Grünen zusammen mit weiteren Organisationen zurzeit<br />

noch die letzten Unterschriften für die Volksinitiative<br />

«für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie».<br />

Mit der Initiative würde der Betrieb von AKW in<br />

der Schweiz verboten und für jedes bestehende Atomkraftwerk<br />

eine Laufzeit von maximal 45 Jahren verbindlich<br />

festgeschrieben werden. Wenn es die Sicherheit<br />

verlangt, müssen AKW selbstverständlich schon<br />

früher abgeschaltet werden.<br />

Die Problemstellung ist klar: Bis 2029 muss gestaffelt<br />

eine Jahresproduktion von rund 26 Terrawattstunden<br />

(TWh) Atomstrom ersetzt werden. Dazu setzt<br />

die Atomausstiegsinitiative auf Einsparungen beim<br />

<strong>Energie</strong>verbrauch, die effiziente Nutzung von <strong>Energie</strong><br />

und den Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n.<br />

<strong>Energie</strong>wende heisst vor allem:<br />

Verschwendung bekämpfen<br />

Je nach Entwicklung der Technologien und der<br />

politischen Rahmenbedingungen werden die Potenziale<br />

in den einzelnen Bereichen unterschiedlich ausgeschöpft.<br />

Das grösste Potenzial liegt sicher beim Sparen<br />

und verbesserter Effizienz. Die Schweizerische Agentur<br />

für <strong>Energie</strong>effizienz (S.A.F.E.) hat etwa die Einsparund<br />

Effizienzpotenziale verschiedener Massnahmen<br />

berechnet. Einige Beispiele aus dem Alltag:<br />

Sommer 2012 35


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Abschaltjahre für die fünf Schweizer AKW gemäss Atomausstiegsinitiative<br />

AKW<br />

kommerzielle<br />

Inbetriebnahme 1<br />

Abschaltjahr<br />

Beznau 1 1969 ein Jahr nach Annahme der Initiative<br />

Beznau 2 1972 2017<br />

Mühleberg 1972 2017<br />

Gösgen 1979 2024<br />

Leibstadt 1984 2029<br />

• Wenn alle Röhrenfernsehgeräte und die alten LCD-<br />

Geräte durch die besten LCD-Fernseher mit integrierter<br />

Settop-Box ersetzt werden würden, liesse<br />

sich jährlich 0.8 TWh Strom einsparen1.<br />

• Der Ersatz alter Kühl- und Gefriergeräte sowie weiterer<br />

stromverbrauchender Haushaltgeräte durch<br />

die jeweils energieeffizientesten Geräte auf dem<br />

Markt (<strong>Energie</strong>klasse A+++) erlaubt Einsparungen<br />

von 1.7 TWh pro Jahr.<br />

• Mit dem Ersatz von Elektrowiderstandsheizungen<br />

durch effiziente Wärmesysteme wie Wärmepumpen<br />

und bessere Isolierung könnte jährlich 1.2 TWh<br />

eingespart werden. Im Winter produzieren die AKW<br />

Beznau 1 + 2 und Mühleberg nur Strom für Elektroheizungen!<br />

• Mit dem flächendeckenden Ersatz alter Glühbirnen<br />

durch LED-Lampen können im Jahr 4.2 TWh Strom<br />

eingespart werden. Das ist mehr als eines der drei<br />

alten AKW produziert.<br />

• Sehr gross ist das Einsparpotenzial in der Industrie<br />

und im Gewerbe. Allein durch den Ersatz alter<br />

Elektromotoren könnte der Stromverbrauch um 7.8<br />

TWh pro Jahr gesenkt werden. Das entspricht fast<br />

der Produktion des AKW Gösgen.<br />

Würde beim Ersatz alter Geräte und Maschinen<br />

jeweils immer das stromsparende Bestgerät gewählt<br />

(Bestgerätestrategie), könnten gemäss S.A.F.E. bis<br />

2035 25.8 TWh Strom jährlich eingespart werden. Damit<br />

liessen sich alle AKW, die heute in Betrieb sind, ersetzen.<br />

Ökologisch verträglicher Ausbau<br />

der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />

Beinahe alle AKW lassen sich bis 2035 auch allein<br />

mit dem Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n ersetzen.<br />

Der entsprechende Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />

ist ausserdem mit dem Schutz von Natur, Umwelt und<br />

Landschaft durchaus vereinbar. Solaranlagen lassen<br />

sich etwa nicht nur auf Dächern sondern auch auf bestehenden<br />

Infrastrukturanlagen wie etwa Lawinenverbauungen<br />

oder Parkplätzen installieren. Die Umweltverbände<br />

rechnen mit einem ökologisch verträglichen<br />

Potenzial von 24.9 TWh pro Jahr Strom aus erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>quellen.<br />

Der vollständige Atomausstieg bis 2029 ist in der<br />

Schweiz machbar. In Deutschland hat die bürgerliche<br />

Regierung den Atomausstieg für das Jahr 2022 beschlossen.<br />

Allerdings hat Deutschland in den vergangenen<br />

Jahren konsequent die erneuerbaren <strong>Energie</strong>n gefördert<br />

und ausgebaut. Die Schweiz hat diesbezüglich<br />

einen grossen Nachholbedarf. Die Atomausstiegsinitiative<br />

lässt aber der Schweizer Wirtschaft genug Zeit.<br />

Der Atomausstieg ist auch bezahlbar. Die Umweltverbände<br />

rechnen mit einer Strompreiserhöhung von<br />

lediglich 5 Franken pro Haushalt und Jahr. Die neuesten<br />

Berechnungen des Bundes erwarten eine Erhöhung<br />

pro kWh von rund 15%. Bei heute jährlichen Ausgaben<br />

für den Strom eines Haushalts von etwa 700 Franken<br />

ergibt sich eine Verteuerung der Stromrechnung von<br />

etwa 100 Franken im Jahr, wobei diese Verteuerung<br />

mit Einsparungen teilweise oder ganz kompensiert<br />

werden könnten.<br />

1 Quelle: Bundesamt für <strong>Energie</strong><br />

36<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Grosse Erwartungen an die<br />

<strong>Energie</strong>strategie 2050<br />

Dazu müssen aber auch die Rahmenbedingungen<br />

stimmen. Der Bundesrat wird noch dieses Jahr seine<br />

<strong>Energie</strong>strategie 2050 für den Atomausstieg vorstellen.<br />

Zu begrüssen ist, dass in der neuen <strong>Energie</strong>strategie<br />

nicht nur der Strom, sondern der gesamte <strong>Energie</strong>verbrauch<br />

berücksichtigt wird. So werden etwa Klimaschutz<br />

und Atomausstieg nicht gegeneinander ausgespielt,<br />

sondern können in einer Strategie gemeinsam<br />

umgesetzt werden.<br />

Die Details der neuen <strong>Energie</strong>strategie sind jedoch<br />

noch nicht bekannt. Einige Schwächen zeichnen sich<br />

bereits ab: Das Einsparpotential und das Potential der<br />

Photovoltaik wird unterschätzt. Stattdessen werden<br />

unnötigerweise Gaskombikraftwerke und Netto-Stromimporte<br />

in Aussicht gestellt. Statt Strom zu importieren,<br />

sollte vielmehr die Einfuhr von stromfressenden<br />

und energieverschwendenden Geräten und Maschinen<br />

eingeschränkt werden. Immerhin haben die Fachleute<br />

des Bundes inzwischen den Ausbau der Wasserkraft<br />

richtigerweise nach unten korrigiert.<br />

Einig sind sich dagegen alle über die gesteigerten<br />

Herausforderungen an die Netzinfrastruktur und die<br />

Abstimmung von Produktion und Verbrauch. Auch hier<br />

braucht es eine Wende. Das Netz sollte in Richtung einer<br />

dezentralen Stromversorgung umgebaut werden.<br />

Es braucht weniger und nicht mehr Hochspannungsleitungen,<br />

welche die Landschaft zerstören. Mit Smart-<br />

Grids und der Entwicklung neuer Speicherlösungen<br />

sollen die Produktionsspitzen geglättet und Alternativen<br />

zu Pumpspeicherwerken zur Verfügung gestellt<br />

werden. Die Schweiz kann nicht die Batterie für ganz<br />

Europa sein, wie dies zuweilen gefordert wird.<br />

Damit der Atomausstieg gelingt und die neue<br />

<strong>Energie</strong>strategie wirksam umgesetzt werden kann,<br />

braucht es gesetzlich festgeschriebene Ziele für Einsparungen,<br />

Effizienz und Produktion. Dabei sind Massnahmen<br />

vorzusehen, die je nach Zielerreichung flexibel<br />

verschärft werden können. Dieses Vorgehen ist nicht<br />

neu. So sind etwa im neuen CO 2<br />

-Gesetz Reduktionsziele<br />

definiert, die mit den ebenfalls im Gesetz vorgesehenen<br />

Massnahmen erreicht werden sollen. Werden die<br />

Ziele nicht erreicht, kann in der Regel der Bundesrat<br />

allein die Massnahmen verschärfen.<br />

Bei den Massnahmen ist etwa an Lenkungs- und<br />

Förderabgaben, aber auch an Vorschriften für Produktionsprozesse,<br />

Produkte und Abfälle sowie für das<br />

öffentliche Beschaffungswesen zu denken. Wichtige<br />

Voraussetzung ist dabei die Förderung von Forschung,<br />

Innovation und Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen<br />

sowie der Synergien zwischen wirtschaftlichen<br />

Aktivitäten. Die Grünen haben die Volksinitiative<br />

für eine Grüne Wirtschaft lanciert, welche eine allgemeine<br />

Verfassungsgrundlage für solche Massnahmen<br />

fordert.<br />

Unnötige Debatte zur Einschränkung<br />

der Schutzinteressen<br />

Zum Schluss noch eine Bemerkung zur leidigen<br />

und falsch gestellten Frage, ob die Schutzinteressen<br />

der nachhaltigen <strong>Energie</strong>wende untergeordnet werden<br />

sollen. Selbstverständlich kann eine <strong>Energie</strong>wende,<br />

welche den Schutz von Natur und Landschaft mit Füssen<br />

tritt nicht als nachhaltig bezeichnet werden. Ein<br />

wichtiges Prinzip der Nachhaltigkeit ist das der Vorsorge.<br />

Daher sollen etwa Lebensräume und Landschaften<br />

nicht leichtfertig unwiederbringlich durch den Ausbau<br />

der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n zerstört oder beeinträchtigt<br />

werden. Dies vor allem nicht, wenn Alternativen<br />

zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt aus diesem Grund<br />

muss eine nachhaltige <strong>Energie</strong>wende den Schwerpunkt<br />

auf die Reduktion des <strong>Energie</strong>verbrauchs setzen. Die<br />

billigste und umweltfreundlichste Kilowattstunde ist<br />

jene, die nicht verbraucht wird.<br />

Lebenslauf<br />

Ueli Leuenberger wurde<br />

am 26. März 1952 in Oberönz<br />

im Berner Mittelland<br />

geboren. In dieser Region<br />

besuchte er die Primarund<br />

Sekundarschule. 1968<br />

liess er sich in Luzern nieder<br />

und arbeitete dort zuerst<br />

in einem Luxushotel als Page und absolvierte<br />

anschliessend eine Lehre als Koch. 1972 zog Leuenberger<br />

nach Genf und arbeitete bei der Post und<br />

in der Metallindustrie. Später absolvierte er eine<br />

Zweitausbildung als Sozialarbeiter und war im sozialen<br />

Bereich tätig. Unter anderem gründete er in<br />

den neunziger Jahren die Albanische Volksuniversität<br />

(UPA) in Genf, ein allseitig anerkanntes Integrationsprojekt.<br />

Seit 2003 ist Ueli Leuenberger<br />

Mitglied des Nationalrats, war vier Jahre lang Vizepräsident<br />

und ist seit 2008 Präsident der Grünen<br />

Schweiz. Gegenwärtig präsidiert er die Staatspolitische<br />

Kommission und ist Mitglied der Geschäftsprüfungskommission.<br />

Politisch geprägt hat ihn der<br />

Kampf gegen das geplante AKW in Graben, wenige<br />

Kilometer von seinem Geburtsort entfernt, sowie<br />

der Widerstand gegen die AKW Gösgen und Creys-<br />

Malville.<br />

Sommer 2012 37


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Beleuchtung mit LED<br />

Der ökonomische Weg zum Klimaziel<br />

Martin Hockemeyer<br />

Geschäftsführer der Gebrüder Thiele Gruppe und deren Umweltsparte GT BiomeScilt<br />

Vor dem Hintergrund steigender <strong>Energie</strong>preise,<br />

verknappender Rohstoffe und gesetzter<br />

Klimaziele sind die weltweiten gesellschaftlichen<br />

Herausforderungen gewaltig. Dies<br />

allerdings nicht erst seit heute – und darüber hinaus<br />

bereits seit langem absehbar durch den rasant wachsenden<br />

Konsum und die zunehmende Mobilität weltweit.<br />

In Deutschland wird das neue «Stromzeitalter» öffentlichkeitswirksam<br />

mit all seinen vermeintlich positiven<br />

und negativen Auswirkungen auf den Endverbraucher<br />

und die Wirtschaft diskutiert, wobei sich niemand in<br />

der Lage wähnt, diese exakt abzubilden. Sicher ist: Es<br />

wird ein Kraftakt für alle. Sicher dürfte aber auch sein,<br />

dass kostenintensive Technologien bei der <strong>Energie</strong>gewinnung<br />

und –speicherung zwangsläufig zu einem gewaltigen<br />

Anreiz bei der Entwicklung kostensparender<br />

<strong>Energie</strong>spartechnologien führen. Dies vielleicht sogar<br />

mit dem verblüffenden Ergebnis, dass die Welt grüner<br />

geworden ist, dass Verbraucher ihre Konsumneigungen<br />

nur kaum spürbar verändern mussten und dass<br />

der viel befürchtete negative Arbeitsmarkteffekt sich<br />

weitestgehend mit anspruchsvollen «grünen» Arbeitsplätzen<br />

saldiert hat. Für die Gebrüder Thiele Gruppe<br />

steht bereits seit Längerem fest, dass der Weg zu einer<br />

nachhaltigeren Zukunft eine grosse Chance für die Gesellschaft,<br />

aber auch für innovative Unternehmen darstellt,<br />

die bereit sind, in längeren Zyklen zu denken.<br />

Zukunftstechnologie LED<br />

Verantwortliches Handeln und Pioniergeist sind<br />

zwei gute Verbündete, um auf der einen Seite die vor<br />

uns liegenden Anforderungen zu bewältigen und um<br />

auf der anderen Seite Unternehmen an diesen erfolgreich<br />

auszurichten. Die Gebrüder Thiele Gruppe hat<br />

die Frage, ob sich der Wunsch und die Unternehmensrichtlinien<br />

in Bezug auf nachhaltiges Handeln durch<br />

den Aufbau einer völlig neuen Umwelttechnologiesparte<br />

ökonomisch sinnvoll realisieren lassen, mit einem<br />

eindeutigen «Ja» beantwortet. In Zeiten sprunghaften<br />

technologischen Wandels können auch mittelständisch<br />

geprägte Unternehmen mit grosser Umsetzungsgeschwindigkeit<br />

und Fokus die Öffnung zu Märkten mit<br />

hohen Zugangsbeschränkungen schaffen. Mit dem<br />

Wissen, dass Stromversorgung aus regenerativem Ursprung<br />

nur eine Seite der Gleichung zur Erreichung<br />

der <strong>Energie</strong>wende darstellt und dass die Entwicklung<br />

stromsparender Technologien weniger kapitalintensiv<br />

ist, hat die Gebrüder Thiele Gruppe es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, LED Spitzentechnologie zu entwickeln,<br />

zu produzieren und attraktiv zu vermarkten. Hierfür<br />

wurde im Jahr 2006 GT BiomeScilt als LED Sparte ins<br />

Leben gerufen. Effiziente Beleuchtung ist eine wichtige<br />

Grösse, die ausgelobten energie- und umweltpolitischen<br />

Ziele zu erreichen, da fast 20 Prozent des<br />

weltweiten und 14 Prozent des europäischen Stromverbrauchs<br />

auf die Beleuchtung entfallen. In vielen Ländern<br />

stehen herkömmliche Leuchtmittel entsprechend<br />

vor dem Aus, was erhebliche natürliche Anreize schafft<br />

und so den Wandel zu LED Leuchtmitteln ohne staatliche<br />

Subventionen vorantreibt.<br />

Vorteile der LED<br />

«Licht emittierende Dioden», kurz LED, arbeiten<br />

mit Halbleiterverbindungen, die Strom direkt in Licht<br />

umwandeln. Der Vorteil: Es wird nur eine geringe elektrische<br />

Spannung benötigt. Anders als Glühbirnen<br />

strahlen LED Lampen kaum Wärme ab und verbrauchen<br />

dadurch viel weniger <strong>Energie</strong>. Sie sind ausserdem<br />

langlebig (wartungsarm), extrem robust und umweltfreundlich,<br />

da sie frei von Giftstoffen sind. Schätzungen<br />

zufolge könnte durch den Einsatz von Leuchtdioden<br />

schon heute weltweit bis zu 30 Prozent der <strong>Energie</strong> eingespart<br />

werden, die für Beleuchtung eingesetzt wird. 1<br />

Voraussetzung dafür ist, dass die LED im gewerblichen<br />

und privaten Bereich gleichermassen Anwendung<br />

findet. Durch den geringen Strombedarf von LED ist<br />

auch ein positiver Nebeneffekt auf die Machbarkeit,<br />

die Komplexität und die Skalierung dezentraler <strong>Energie</strong>-<br />

und Speichersysteme zu erwarten. In diesem Sinne<br />

werden stromsparende Technologien insgesamt einen<br />

bedeutenden Anteil an der zunehmenden Demokratisierung<br />

von <strong>Energie</strong> weltweit haben.<br />

1 Vgl. licht.wissen 17_LED: Das Licht der Zukunft<br />

38<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Wirtschaftlichkeitsberechnung: Beispiel<br />

Projekt: Musterunternehmen<br />

Investitionskosten 57‘780.00 €<br />

Preis / kWh 0.14 €<br />

Tägliche Betriebsdauer 12 Std.<br />

Tage / Jahr 252<br />

Wartungskosten / Leuchtmittel 10.00 €<br />

Beleuchtung mit<br />

Leuchtstofflampen<br />

Beleuchtung mit<br />

LED-Röhren<br />

Anzahl 1‘000 1‘000<br />

Bezeichnung Leuchtstofflampe LED Röhre Centrum 150 cm<br />

Volt (V) 230 230<br />

Watt (W) 58 27<br />

Anschlusswert Leuchte 71 27<br />

Anschlusswert<br />

Gesamt (W)<br />

71‘000 27‘000<br />

Betriebsdauer (Std.) 3‘024 3‘024<br />

Leistung (kWh) 214‘704 81‘648<br />

Engergiekosten / Jahr 30‘058.56 € 11‘430.72 €<br />

Wartung / Jahr 3‘024 € 302.40 €<br />

Summe 33‘038 € 11‘733 €<br />

Einsparung / Jahr 21‘349 €<br />

Einsparung CO 2<br />

/ Jahr<br />

Re-Invest in Jahren<br />

67.326 kg<br />

2.7 Jahre<br />

Quelle: GT BiomeScilt GmbH<br />

Sommer 2012 39


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

beim Design von Leuchten, in der Architektur und im<br />

Produktdesign im Allgemeinen. Durch ihre enorme<br />

Formbarkeit lassen sie sich nahezu überall nahtlos integrieren<br />

und werden somit viele Gegenstände des täglichen<br />

Lebens und unsere Wahrnehmung verändern.<br />

Einsparpotenziale heute nutzen<br />

Lagerbeleuchtung mit LED<br />

Rechenbare Anwendungsbereiche<br />

Vor dem Hintergrund von <strong>Energie</strong>effizienz und<br />

des sich daraus ergebenden Kostensenkungspotenziales<br />

ist die Umrüstung auf LED für Unternehmen schon<br />

heute der richtige Weg. Mit Markteinführung der von<br />

GT BiomeScilt entwickelten treiberlosen LED Technologie<br />

hat die Gebrüder Thiele Gruppe auf einer Gesamtfläche<br />

von 225.000 Quadratmetern alle bestehenden<br />

Leuchtstoffröhren durch LED Röhren ausgetauscht. So<br />

konnte der Stromverbrauch von 3,61 Millionen Kilowattstunden<br />

auf 1,25 Millionen Kilowattstunden pro<br />

Jahr gesenkt werden. Das entspricht einer Reduzierung<br />

der <strong>Energie</strong>kosten um rund 280.000 Euro und einem<br />

verringerten CO 2<br />

-Ausstoss von ca. 1.360 Tonnen<br />

jährlich. Die mittlere Lebensdauer der treiberlosen LED<br />

Röhren von 100.000 Stunden reduziert darüber hinaus<br />

die Wechsel- und Wartungskosten erheblich und<br />

unterstreicht dadurch den Nachhaltigkeitsgedanken<br />

zusätzlich. Die Umrüstung aller gewerblichen Flächen<br />

auf GT BiomeScilt LED Röhren war für die Gebrüder<br />

Thiele Gruppe insofern betriebswirtschaftlich und ökologisch<br />

alternativlos und im Sinne der Vorbildfunktion<br />

selbstverständlich. Bereits nach 3,3 Jahren haben sich<br />

die Anschaffungskosten amortisiert.<br />

Auch für Endverbraucher sind LED schon heute<br />

eine sehr gute Alternative. Ein Rechenbeispiel: Beim<br />

Austausch einer 60 Watt Glühbirne durch eine 12<br />

Watt LED Leuchte ergibt sich bei einer durchschnittlichen<br />

täglichen Nutzungsdauer von 3 Stunden und<br />

einem Strompreis von € 0,26 eine Amortisationszeit<br />

von nur circa 1,4 Jahren. LED bieten auch aus ästhetischer<br />

Sicht spannende gestalterische Möglichkeiten<br />

Die Glühbirne hat unser Leben sehr lange beherrscht<br />

und wird nun Schritt für Schritt von einer<br />

Technologie abgelöst, deren grosse Vorteile und Möglichkeiten<br />

die Geschichte des Lichts völlig neu schreiben<br />

werden. Der Einsatz moderner LED Lichttechnologie<br />

ist darüber hinaus ein wesentlicher Ansatzpunkt,<br />

den <strong>Energie</strong>verbrauch und unseren Einfluss auf den<br />

Klimawandel nachhaltig zu reduzieren. Sicherlich ist<br />

auch davon auszugehen, dass Innovationsdruck und<br />

zunehmende Nachfrage eine Motivation für sinkende<br />

LED Preise in den nächsten Jahren sein werden. Genauso<br />

wichtig ist jedoch die Weiterentwicklung der<br />

Technologie, um auch technologisch komplexen Einsatzbereichen,<br />

wie z.B. in der Automobilindustrie oder<br />

bei Strahlern mit sehr hoher Lichtleistung, gerecht zu<br />

werden. Die Bereitschaft der Anbieterseite durch entsprechende<br />

Investitionen Know-how und Kapazitäten<br />

aufzubauen, wird vergleichbar mit der Solarindustrie,<br />

die getrieben von der Grid Parity abnehmende garantierte<br />

Einspeisevergütungen kompensieren muss, sein.<br />

Anders als in der Solarindustrie steht jedoch die Motivation<br />

der Verbraucher, Geld zu sparen, ohne dafür<br />

staatliche Zuschüsse beanspruchen zu müssen, im Vordergrund.<br />

Ein exakt messbarer Effekt, der sich sofort<br />

einstellt und noch lange über die Amortisationszeit hinaus<br />

Kosten spart. Man kann es aber auch anders herum<br />

formulieren: Wer Einsparpotenziale in die Zukunft<br />

verlagert, wird unweigerlich erhebliche Opportunitätskosten<br />

zu tragen haben.<br />

Lebenslauf<br />

Martin Hockemeyer, geboren<br />

1969, ist Geschäftsführender<br />

Gesellschafter<br />

der Gebrüder Thiele Gruppe<br />

und Geschäftsführer<br />

der Umweltsparte GT<br />

BiomeScilt. Nach seinem<br />

Studium an der European<br />

Business School in London trat er 1995 in die Gebrüder<br />

Thiele Gruppe ein. Heute führt er die 1848<br />

gegründete Unternehmensgruppe in vierter Generation<br />

und verantwortet die globale Geschäftsentwicklung.<br />

Die Gebrüder Thiele Gruppe beschäftigt<br />

heute rund 1.800 Mitarbeiter an mehr als 50<br />

Standorten weltweit.<br />

40<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

South Stream<br />

Offshore Project<br />

The Bridge To a Secure Energy Future<br />

Sebastian Sass<br />

Head of Communications & Spokesperson, South Stream Transport AG<br />

Today’s concerns about the world’s energy resources<br />

are both financial and environmental.<br />

On the one hand, there is the growing<br />

difficulty of financing costly renewable energy<br />

technology from scarce public funds. On the other<br />

hand, some countries are phasing out their nuclear<br />

power stations and turning to heavily polluting coalfired<br />

power generation instead.<br />

These concerns make natural gas the obvious fuel<br />

of choice for Europe: it is climate-friendly, efficient and<br />

abundant. But, while European gas consumption is rising,<br />

the region’s domestic production is declining at the<br />

same time. Therefore, Europe needs additional gas supplies<br />

and reliable supply routes to secure its energy for<br />

future decades.<br />

With the number of external gas suppliers to the<br />

EU now growing, Russia – with one quarter of the<br />

world’s proven gas reserves – remains a key energy<br />

partner for the region. Russian gas deliveries to Europe<br />

have been stable for more than 40 years already, and<br />

continuing this long-term partnership will bring great<br />

benefit to both the EU and to Russia.<br />

It’s time for diversifying routes<br />

The relative share of Russian gas in EU imports<br />

now stands at half of its 1980 level, despite the fact<br />

that total imports from Russia have grown. This shows<br />

that sources have successfully diversified, with entry to<br />

the market by new suppliers such as Norway and Algeria,<br />

and by liquefied natural gas (LNG) technology too.<br />

Today’s deliveries of Russian gas use in majority<br />

the same routes as in the 1980s. While the first line of<br />

the Nord Stream Pipeline started delivering gas into<br />

the European grid in November 2011, there is a clear<br />

need for yet more diversification.<br />

The European Union recognises the need for increased<br />

diversification of both supply sources and<br />

routes. In fact, this is a cornerstone of its energy policy.<br />

This is where the South Stream Offshore Project<br />

comes in. Comprising a 900 km underwater pipeline<br />

from Russia to Bulgaria through the Black Sea, this new<br />

infrastructure will directly connect consumers in Europe<br />

to the world’s largest gas reserves in Russia. When<br />

fully operational, the pipeline will have a capacity of 63<br />

billion cubic metres per year, comprising of 4 lines.<br />

South Stream Transport AG is the offshore pipeline<br />

consortium that will deliver this vision, and it<br />

comprises four first-rank energy companies – OAO<br />

Gazprom, Eni S.p.A, EDF S.A. and Wintershall Holding<br />

GmbH (BASF SE).<br />

Route of the South Stream Offshore Pipeline<br />

Sommer 2012 41


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

By bringing gas from Russia through South Eastern Europe<br />

to European consumers, the South Stream Pipeline<br />

will contribute to the EU’s goals by bridging the existing<br />

gap in the region’s infrastructure development.<br />

However, the South Stream Offshore Project will<br />

not significantly increase the share of Russian gas in<br />

the EU’s supply. There are two reasons for this. Firstly,<br />

overall consumption is likely to keep growing. Secondly,<br />

the South Stream Offshore Pipeline through the Black<br />

Sea is, partially, an investment in the diversification of<br />

transport routes. The pipeline will complement older<br />

transport systems from Russia to Europe and thereby<br />

guarantee supplies even when other routes are affected<br />

by technical failures, natural disasters or other instabilities.<br />

Gas to support EU climate policy<br />

In line with the EU‘s objective of increasing Europe‘s<br />

energy security, the South Stream Offshore<br />

Pipeline will play an important role in ensuring a stable<br />

energy supply to Central and South Eastern Europe. In<br />

addition, it will contribute to the EU‘s efforts to reach<br />

its ambitious climate targets of cutting CO 2<br />

emissions<br />

by 20% by 2020.<br />

The role of natural gas as a major part of Europe’s<br />

energy future is predictable, as suggested by the title of<br />

a 2011 report by the International Energy Agency predicting<br />

what lies ahead: «Golden Age of Gas». One of the<br />

key factors underlying this scenario is that renewables<br />

will be unable to meet the EU’s energy needs for some<br />

time. In theory, the EU could achieve its CO 2<br />

target for<br />

2020 by switching half of today’s coal-fired power stations<br />

to modern gas-fired generation – something that<br />

is relatively inexpensive to do. Gas-fired power plants<br />

are the natural partners for renewable energy sources<br />

requiring back-up capacity.<br />

The South Stream Offshore Project brings together<br />

first class European and Russian companies that all<br />

have significant experience in the construction and<br />

operation of surface and submarine pipelines. Furthermore,<br />

the Environmental and Social Impact Assessments<br />

(ESIA) will be completed in accordance with all<br />

applicable national, EU, and international law. South<br />

Stream Transport AG will meet internationally recognised<br />

standards for health, safety, security as well as financial<br />

and environmental performance and apply advanced<br />

technical solutions to ensure the environmental<br />

protection of the Black Sea.<br />

Creating business opportunities in<br />

a tough economic environment<br />

In a difficult economic climate, the South Stream<br />

Offshore project will trigger significant investment<br />

also further downstream, in South Eastern Europe.<br />

Throughout the Balkan region and South Eastern Europe,<br />

this investment will contribute to the functioning<br />

of the gas market, regional cooperation and energy security.<br />

Growth rates in the Balkans have been restricted<br />

by the shortage in electricity supply, but gas-fired power<br />

generation can help to meet the growing demand for<br />

electricity – at competitive prices.<br />

South Stream Transport AG is a solid commercial<br />

project with a secure and reliable resource base:<br />

The business case does not rely on public funding. As<br />

such, it is obviously an attractive investment for major<br />

energy corporations; one that will generate economic<br />

growth and create jobs in the countries throughout the<br />

Black Sea region.<br />

A bridge for a secure future<br />

Most forecasts agree that the EU needs further gas<br />

import capacity in future; not only to meet rising longterm<br />

demand, but also to provide additional flexibility<br />

to existing transit routes. The South Stream Offshore<br />

Pipeline can help fill a part of this gap.<br />

With the increasing attractiveness of natural gas<br />

as the cleanest and most efficient fossil fuel, there is<br />

a bright future for gas and for new, reliable transport<br />

routes such as the South Stream Offshore Pipeline.<br />

About the Author<br />

Sebastian Sass is working<br />

with South Stream Transport<br />

AG since 2010. Previously<br />

Sebastian Sass has<br />

worked at Nord Stream<br />

where he held special responsibilites<br />

for relations<br />

with governments in the<br />

Baltic region. He represented the company towards<br />

the institutions and decision-makers of the European<br />

Union and he acted as spokesman for the<br />

company. Prior to joining Nord Stream, Sebastian<br />

Sass was engaged with EU and international relations<br />

in government and parliament in both Finland<br />

and in Germany. Sebastian Sass holds a State<br />

Examination of Law from Germany and a Master‘s<br />

degree in European Law (LLM) from the UK.<br />

42<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Beratung mal auf<br />

eine andere Art und Weise<br />

ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten<br />

Wer wir sind<br />

Seit seiner Gründung vor 24 Jahren hat ESP-<br />

RIT St.Gallen bereits über 300 Unternehmen<br />

fachkompetent und innovativ beraten. Zu<br />

den Kunden gehören sowohl mittelständische<br />

Unternehmen, als auch multinationale Konzerne<br />

aus verschiedensten Fachbereichen. Die individuell<br />

zusammengestellten Projektteams erlauben kreative<br />

und effektive Lösungen. Aktuelles Know-how aus der<br />

Forschung in Verbindung mit den unterschiedlichen,<br />

spezialisierten Vertiefungsmöglichkeiten an der Universität<br />

St. Gallen ermöglichen es uns konkret auf verschiedenste<br />

Kundenwünsche einzugehen.<br />

Kreative Beratung auf höchstem Niveau<br />

ESPRIT St.Gallen bietet kompetente Beratung<br />

durch erstklassige Studenten zu einem hervorragenden<br />

Preis-Leistungsverhältnis. Studierende arbeiten<br />

eng mit den Unternehmen zusammen und wenden ihr<br />

Wissen in der Praxis an. Auch Kunden, die nicht auf<br />

konventionelle Beratungsfirmen zurückgreifen würden,<br />

haben so die Möglichkeit ihr Unternehmen professionell<br />

beraten zu lassen und eröffnen somit neue<br />

Perspektiven. Grundsätzlich bieten die studentischen<br />

Berater von ESPRIT St.Gallen Lösungen für sämtliche<br />

betriebs- und volkswirtschaftliche Problemstellungen<br />

an. Über besondere Kompetenzen und langjährige Erfahrung<br />

verfügen wir in den Bereichen Marketing und<br />

Marktforschung, Controlling, Strategie und Organisation,<br />

Hochschulmarketing, Operations sowie Transaction<br />

Services. Für die Auswahl der Projektmitarbeiter<br />

kann ESPRIT St.Gallen auf einen Pool von über 6000<br />

Bachelor- und Masterstudenten sowie Doktoranden,<br />

zurückgreifen. Dies bietet die Möglichkeit, die kompetentesten<br />

Mitarbeiter für die jeweiligen Aufträge auszuwählen.<br />

ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Neben der Projektarbeit ist ESPRIT St.Gallen<br />

auch Herausgeber des Wirtschaftsmagazins ESPRIT<br />

St.Gallen Business Review. Das ESGBR ist ein lebendiges<br />

Diskussionforum für hochkarätige Vertreter aus<br />

Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Es wird in einer<br />

Auflage von 11‘000 Exemplaren an die Studenten und<br />

Alumni der Universität St.Gallen, sowie an über 40 weiteren<br />

deutschsprachigen Universitäten und Unternehmen<br />

verteilt.<br />

<strong>Energie</strong> und ESPRIT St.Gallen<br />

Die Kernschmelze in Fukushima im März 2011<br />

brachte Deutschland die <strong>Energie</strong>wende und somit den<br />

Fokus auf nachhaltige <strong>Energie</strong>erzeugung. Weltweit ist<br />

das Denken für dieses Problem sensibilisiert und sowohl<br />

Länder als auch Unternehmen schlugen eine neue<br />

Richtung ein. <strong>Energie</strong> ist eine der grössten Wirtschaftsbranchen<br />

weltweit und jedes Unternehmen ist direkt<br />

oder indirekt davon betroffen.<br />

Umbrüche und Erneuerungen schaffen Unklarheiten<br />

und Probleme. Das ist der Punkt an dem ESPRIT<br />

St.Gallen ansetzt. Wir wenden die erworbene Erfahrung<br />

aus vergangenen Projekten im Bereich <strong>Energie</strong> an,<br />

um ihr Unternehmen innovativ und fachkompetent zu<br />

beraten. <strong>Energie</strong> ist nicht nur eine Ressource, <strong>Energie</strong><br />

ist ein Image, mit dem sich jedes Unternehmen auseinandersetzen<br />

muss. Es stellt sich nicht nur die Frage<br />

der Kosten, die zunehmend an Bedeutung gewinnt,<br />

sondern auch welche <strong>Energie</strong> bezogen wird und woher<br />

diese kommt.<br />

Gerne würden wir uns Ihnen persönlich vorstellen<br />

und Ihnen weitere Verbesserungspotentiale aufzeigen,<br />

sowie eine grobe Orientierung mit einem Branchenvergleich<br />

geben.<br />

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen<br />

jederzeit gerne zur Verfügung und freuen<br />

uns auf Ihre Herausforderung.<br />

ESPRIT St.Gallen<br />

Beratung durch Studenten<br />

Guisanstrasse 19<br />

9010 St. Gallen<br />

Telefon : +41 (0) 71 220 14 01<br />

www.espritsg.ch<br />

Sommer 2012 43


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

<strong>Energie</strong>versorgung<br />

und<br />

<strong>Energie</strong>management<br />

der Zukunft<br />

Die deutsche <strong>Energie</strong>wende<br />

als Trendbarometer<br />

Georg Knoth<br />

CEO GE Switzerland/Austria & CEO Technology Enterprises Germany<br />

Wenn es um die Frage der <strong>Energie</strong>versorgung<br />

und des <strong>Energie</strong>managements<br />

der Zukunft geht, dann lohnt<br />

es sich für andere europäische Länder<br />

einen Blick nach Deutschland zu werfen. Deutschland<br />

ist – was den Ausbau erneuerbarer <strong>Energie</strong>n angeht –<br />

ein Vorreiter. Und spätestens seit der Atomreaktorkatastrophe<br />

in Fukushima und dem durch die deutsche<br />

Regierung beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft,<br />

ist das Thema <strong>Energie</strong>wende in allen Köpfen angekommen.<br />

Dabei ist die deutsche <strong>Energie</strong>wende bislang<br />

noch nicht viel mehr als eine politische Entscheidung<br />

ohne technische Lösung. Kaum eine andere Branche<br />

in Deutschland fliegt derzeit so sehr auf Sicht wie die<br />

<strong>Energie</strong>branche. Zudem ist die <strong>Energie</strong>wende eines<br />

der grössten Infrastrukturvorhaben in der Geschichte<br />

Deutschlands. Sicher ist: Nichts wird bleiben, wie es<br />

war. Sämtliche Bereiche der energetischen Wertschöpfungskette<br />

– von der Erzeugung über den Transport bis<br />

hin zur Verteilung und Speicherung von <strong>Energie</strong> – stehen<br />

immensen technischen Herausforderungen gegenüber.<br />

Vielfalt bestimmt das <strong>Energie</strong>deutschland<br />

von morgen<br />

In der Folge des Atomausstiegs muss die deutsche<br />

<strong>Energie</strong>landschaft bis zum endgültigen Aus im Jahr<br />

2022 den Verlust von 20,5 Gigawatt nuklear erzeugter<br />

Grundlast ausgleichen. Der Anteil dezentral erzeugter<br />

und in der Verfügbarkeit zum Teil stark schwankender<br />

erneuerbarer <strong>Energie</strong> steigt dabei kontinuierlich an;<br />

schon jetzt beträgt er bis zu 20 Prozent der Stromversorgung.<br />

Fossile Erzeugung wird es zwar auch 2022<br />

noch geben, aber die Entwicklung führt auch hier weg<br />

von der in Deutschland traditionell üblichen Grosserzeugung<br />

und hin zu flexibel an- und abfahrbaren sowie<br />

hocheffizienten Gas- und Dampfkraftwerken.<br />

Wie genau die Struktur der deutschen Erzeugungslandschaft<br />

aussehen wird, weiss heute niemand.<br />

Die wahrscheinlichsten Szenarien veranschaulicht die<br />

interaktive Grafik «Future Energy Mix», die online unter<br />

www.invent.ge/energieszenarien abrufbar ist.<br />

Unstrittig ist: Die übersichtliche deutsche Erzeugungslandschaft<br />

aus strategisch positionierten<br />

Grundlast-, Mittellast- und Spitzenlastkraftwerken<br />

wird einer komplexeren und vielfältigeren Struktur<br />

weichen. Die Zahl der <strong>Energie</strong>erzeuger wird weiter<br />

zunehmen. Bis 2020 werden aktuellen Berechnungen<br />

zufolge bis zu 60 Prozent der neu installierten Kapazitäten<br />

dezentrale Erzeuger sein. Schon heute sind rund<br />

40 Prozent der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten<br />

in privater Hand. Die Folge: Die Lastflüsse gerade auf<br />

der Verteilebene flexibilisieren sich weiter, die Grenzen<br />

zwischen Versorger und Verbraucher werden durchlässiger,<br />

und die Verfügbarkeit sowie der Preis von <strong>Energie</strong><br />

werden stärker von den Wetterbedingungen abhängig<br />

sein als bisher.<br />

44<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

«Über den Erfolg der <strong>Energie</strong>wende wird<br />

nicht zuletzt die Fähigkeit zum konstruktiven<br />

Dialog und zur Bildung neuer Partnerschaften<br />

entscheiden.»<br />

Dialog und Partnerschaft<br />

Bei alledem ist die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft<br />

auf eine sichere Versorgung mit <strong>Energie</strong> angewiesen.<br />

Während es die Aufgabe der Politik ist, diese über<br />

ein regulatorisches Rahmenwerk zu gewährleisten, ist<br />

es dieAufgabe der Wirtschaft, das technologische Rüstzeug<br />

bereitzustellen, um energetische Versorgungssicherheit<br />

auch in einem komplexen Umfeld sicherzustellen.<br />

Dabei muss der erzeugte Strom auch bezahlbar<br />

bleiben – eine doppelte Herausforderung, der sich GE<br />

in vielfacher Hinsicht stellt.<br />

Schlüssiges Portfolio für<br />

die <strong>Energie</strong>wende<br />

Beispiel hierfür ist unter anderem die Entwicklung<br />

der GE FlexEfficency 50 Anlage. Sie besteht aus<br />

einem Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk (GuD), das<br />

mit Hilfe grosser Turbinen Strom aus Erdgas erzeugt,<br />

wodurch Abwärme als Nebenprodukt anfällt. Mit dieser<br />

Abwärme wird Dampf erzeugt, der wiederum Gasturbinen<br />

antreibt, die zusätzlich Strom generieren. Bei<br />

Ergänzung um ein Solarfeld erreicht die FlexEfficiency<br />

50 einen weltweit einzigartigen Wirkungsgrad von 70<br />

Prozent. Ausserdem fährt die Anlage doppelt so schnell<br />

hoch wie der heutige Industriestandard.<br />

Effizienz und Flexibilität sind Voraussetzung für<br />

die optimale Nutzung volatiler erneuerbarer <strong>Energie</strong>n.<br />

Dazu tragen auch unsere GE Jenbacher Gasmotoren<br />

bei, die beispielsweise bei der <strong>Energie</strong>erzeugung aus<br />

Biomasse zum Einsatz kommen. Sie bieten eine optimale<br />

Ergänzung zu GE Onshore-Windturbinen, die<br />

Strom mit höchster Effizienz bei gleichzeitig niedrigstem<br />

Lärmaufkommen gewinnen. Unsere Softwarelösungen<br />

von Digital Energy unterstützen darüber hinaus<br />

viele Stadtwerke bei der Verteilung dieses Stroms.<br />

Weltweit ist GE das einzige Unternehmen, das ein<br />

schlüssiges und zudem flexibles Produktprogramm anbietet,<br />

welches von kleinen Gasmotoren über Aeroderivate<br />

bis hin zu grossen Gasturbinen reicht. So sind wir<br />

technologisch bestens darauf vorbereitet, die <strong>Energie</strong>wende<br />

gemeinsam mit den Stadtwerken, den Kommunen<br />

und dem produzierenden Gewerbe mitzugestalten.<br />

Die technischen Herausforderungen, denen die<br />

<strong>Energie</strong>wirtschaft gegenüber gestellt ist, machen deutlich,<br />

worauf es in Zukunft ankommen wird: Über den<br />

Erfolg der <strong>Energie</strong>wende wird nicht zuletzt die Fähigkeit<br />

zum konstruktiven Dialog und zur Bildung neuer<br />

Partnerschaften entscheiden. Die alten Grenzen gelten<br />

nicht mehr. Von Waschmaschine und Fertigungsstrasse<br />

bis zum Stromzähler müssen bisher stumme Komponenten<br />

lernen, miteinander und mit ihrer technischen<br />

Umgebung zu sprechen. Auch auf institutioneller<br />

Ebene werden sich neue Allianzen bilden müssen. Die<br />

<strong>Energie</strong>wende ist nur im Schulterschluss von IT, <strong>Energie</strong>-<br />

und Netztechnik und Versorgern stemmbar. Wer<br />

wie GE grosse Teile der energetischen Wertschöpfungskette<br />

unter einem Dach vereint, ist hier im Vorteil.<br />

Die deutsche <strong>Energie</strong>wende wird gelingen. Aber<br />

sie verlangt Industrie, Verbrauchern und Politik gleichermassen<br />

ein Höchstmass an Innovations- und Anpassungskraft<br />

ab. Sie ist eine Herkulesaufgabe, zu deren<br />

Bewältigung nicht nur gesellschaftlicher Konsens,<br />

sondern auch die technologische Kompetenz notwendig<br />

ist.<br />

Lebenslauf<br />

Georg Knoth wurde im<br />

Juni 2011 zum CEO Technology<br />

Enterprises GE Germany<br />

ernannt. Aus München<br />

verantwortet er die<br />

Leitung der Technologie-<br />

Geschäftsbereiche, wie z.B.<br />

Aviation und Transportation.<br />

Darüber hinaus ist Georg Knoth für die nationalen<br />

geschäftsübergreifenden Belange von GE als<br />

CEO für die Länder Österreich und Schweiz verantwortlich.<br />

Seit seinem Eintritt in den GE Konzern<br />

1998 war Knoth in verschiedenen Führungspositionen<br />

bei GE Capital in New York tätig. Zuletzt leitete<br />

er die Kapitalmarktaktivitäten für GE in Südamerika.<br />

Seinen Abschluss als Diplomkaufmann erlangte<br />

Knoth an der Universität Nürnberg-Erlangen.<br />

Sommer 2012 45


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Das Schweizer<br />

Übertragungsnetz<br />

Wichtiges Element der <strong>Energie</strong>zukunft<br />

Pierre-Alain Graf<br />

CEO Swissgrid<br />

Swissgrid Control, Leitstelle des Schweizer Übertragungsnetzes<br />

in Laufenburg AG, im Februar<br />

2012: Auf den Kontrollmonitoren bemerken die<br />

Operatoren, dass plötzlich rund 300 Megawatt<br />

Leistung fehlen. So viel Strom wie drei grosse Wasserkraftwerke<br />

produzieren. Das ist zwar noch kein kritisches<br />

Ereignis. Doch ohne Eingriff durch Swissgrid hätte<br />

dieser plötzliche Zwischenfall zu einem Unterbruch der<br />

Schweizer Stromversorgung führen können. Diese Szene<br />

beschreibt den Alltag bei der nationalen Netzgesellschaft<br />

und ist kennzeichnend für die zunehmend angespannte<br />

Situation im Übertragungsnetz.<br />

Länderübergreifender <strong>Energie</strong>austausch<br />

Vor 50 Jahren war das noch ganz anders. Damals<br />

arbeiteten die Ingenieure daran, die Stromnetze von<br />

Deutschland, Frankreich und der Schweiz zusammenzuschliessen<br />

– ein historisches Ereignis in der Nachkriegszeit<br />

und der Geschichte der Elektrotechnik. Dieser<br />

Zusammenschluss sollte die Versorgungssicherheit<br />

der beteiligten Länder erhöhen, indem sie sich durch<br />

den länderübergreifenden <strong>Energie</strong>austausch gegenseitig<br />

aushelfen konnten. Mit der Verbindung der drei Netze<br />

wurde nicht nur eine Pionierleistung vollbracht, sondern<br />

auch die Basis für den europaweiten Stromhandel gelegt.<br />

Das Umfeld hat sich radikal verändert<br />

Zurück in 2012: Die Strommasten sehen zwar<br />

heute noch gleich aus. Doch die Anforderungen an die<br />

Übertragungsnetze haben sich grundlegend verändert.<br />

Im Wesentlichen sind sie auf folgende Entwicklungen<br />

zurück zu führen:<br />

Immer mehr Menschen brauchen immer mehr<br />

Strom. Der Verbrauch in der Schweiz ist in den letzten<br />

20 Jahren um knapp 30% gestiegen. Gemäss Bundesamt<br />

für Statistik wird die Schweizer Bevölkerung bis 2035<br />

von heute 7.8 Mio. auf 8.8 Mio. Einwohner zunehmen.<br />

Dementsprechend wird die Nachfrage nach Strom in den<br />

nächsten Jahren weiter wachsen.<br />

Strom wird heute über weite Distanzen transportiert<br />

und seit Ende der 90er Jahre in zunehmendem<br />

Masse auch grenzüberschreitend gehandelt. Die Stromproduzenten<br />

optimieren ihre Produktion über ganz Europa<br />

hinweg und orientieren ihren Kraftwerkseinsatz<br />

nicht mehr am Verbrauchsverhalten im Nahbereich der<br />

Kraftwerke, sondern an Preissignalen des Handels.<br />

Weil heute mehr und mehr Strom aus erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n wie Wind und Sonne produziert wird, kommt<br />

es im Stromnetz je nach Tages- und Jahreszeit zu grossen<br />

Schwankungen. Dies ist vor allem bei hoher Sonneneinstrahlung<br />

und starkem Wind der Fall. Während<br />

die Nachfrage anhand von Erfahrungswerten relativ gut<br />

prognostiziert werden kann, ist die wetterabhängige<br />

Stromproduktion nur in beschränktem Masse planbar.<br />

Die Stromversorgung muss drei wichtigen Zielen<br />

genügen: Sie muss sicher, kostengünstig und nachhaltig<br />

sein. Die oben skizzierten Entwicklungen bilden zudem<br />

auch die Herausforderungen im Stromtransport ab. Damit<br />

das Stromnetz sicher betrieben werden kann, muss<br />

es permanent überwacht werden. Es gilt Überlastungen<br />

mit allen Mitteln zu vermeiden.<br />

Die Situation im Netz ist angespannt<br />

Das konstante Gleichgewicht zwischen Produktion<br />

und Verbrauch ist die Voraussetzung für ein stabiles<br />

Stromnetz. Wie der kalte Winter 2012 gezeigt hat, kann<br />

ein unvorhergesehener Kälteeinbruch die üblichen Muster<br />

im Stromverbrauch sehr schnell durcheinanderbringen.<br />

In ganz Europa haben sich die Stromflüsse innert<br />

weniger Tage komplett verändert. Frankreich wurde<br />

vom Stromexporteur zum Stromimporteur und die europäischen<br />

Länder mussten sich bei der Stromversorgung<br />

durch die Lieferung von Regelenergie gegenseitig<br />

unterstützen.<br />

Auch Kapazitätsengpässe im Netz können die Sicherheit<br />

gefährden. In den vergangenen Jahren musste<br />

Swissgrid dutzende Male die Produktion von Wasserkraft<br />

einschränken, weil die Transportkapazitäten aus-<br />

46<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

geschöpft waren. Allein 2012 kam es zu 1235 Stunden<br />

Stau im Schweizer Netz!<br />

Handlungsschwerpunkt Netzumbau<br />

Basierend auf dem vom Bundesrat verabschiedeten<br />

«Strategischen Netz 2015» hat Swissgrid neun Netzausbauprogramme<br />

festgelegt, die für eine langfristige Versorgungssicherheit<br />

unerlässlich und mit höchster Priorität<br />

realisiert werden müssen. Dazu gehören sowohl<br />

Höchstspannungsleitungen, die grosse Strommengen<br />

von den Alpen ins Mittelland transportieren als auch<br />

der solide Anschluss der Westschweiz an das europäische<br />

Verbundnetz. Insgesamt muss das Netz auf einer<br />

Länge von 1000 Kilometern modernisiert werden. Zudem<br />

sind 300 Kilometer neue Leitungen vorgesehen.<br />

Für diese Massnahmen wird mit einem Investitionsvolumen<br />

von 4 bis 6 Mrd. Schweizer Franken in den<br />

nächsten 20 Jahren gerechnet. Darüber hinaus soll<br />

langfristig aber auch das restliche Schweizer Stromnetz<br />

auf eine technologisch neue Basis gestellt werden. Der<br />

Umbau der Verteilnetze zu „Smart Grids“ ist zwingend<br />

notwendig, damit der dezentral produzierte Strom aus<br />

erneuerbaren <strong>Energie</strong>n zur richtigen Zeit am richtigen<br />

Ort den Stromkonsumenten zur Verfügung steht. Dank<br />

moderner Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

kann Strom flexibel gesteuert und dadurch das<br />

Stromsystem als Ganzes effizienter gestaltet werden.<br />

Die <strong>Energie</strong>wende als<br />

Herausforderung und Chance<br />

Die von Bundesrat und Parlament beschlossene<br />

<strong>Energie</strong>wende stellt die Schweizer Strombranche vor<br />

grosse Aufgaben. Dabei kommt dem Stromnetz eine besondere<br />

Bedeutung zu. Entsprechend analysiert Swissgrid<br />

gegenwärtig die möglichen Auswirkungen eines gestaffelten<br />

Ausstiegs aus der Kernenergie auf das Netz.<br />

In enger Zusammenarbeit mit dem Bund wird derzeit<br />

eine Strategie für den langfristigen Netzausbau unter<br />

Berücksichtigung verschiedener Szenarien entwickelt.<br />

Die Ergebnisse werden 2013 präsentiert.<br />

Supergrid eröffnet neue Möglichkeiten<br />

Beim Zusammenschluss der Stromnetze 1958<br />

wurden Pionierleistungen erbracht, die wesentlich zu<br />

unserem Wohlstand beitrugen. Rund 50 Jahre später<br />

sind wiederum Pioniertaten gefragt. Denn Europa steht<br />

vor neuen Aufgaben: Mit dem Ausbau von erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>quellen, insbesondere der Windkraft, steigen<br />

die Schwankungen bei den Stromflüssen. Gleichzeitig<br />

entstehen neue Produktionsstandorte, die immer weiter<br />

von den grossen Verbrauchszentren entfernt sind.<br />

Für den Transport von Strom über sehr weite Distanzen<br />

wird eine neue Netzebene notwendig: das sogenannte<br />

Supergrid. Wenn wir es schaffen, Strom aus Wind und<br />

Sonne in die Schweiz zu leiten und dort in Bergseen zu<br />

speichern, können wir den volkswirtschaftlichen Nutzen<br />

des Stromsystems erhöhen und gleichzeitig einen<br />

wichtigen Beitrag für die <strong>Energie</strong>wende leisten. Die<br />

Schweiz als Drehscheibe für Strom- und Wasserschloss<br />

in Europa hat ein grosses Interesse, bei der Planung und<br />

dem Bau dieses Netzes mitzuarbeiten.<br />

Der Netzausbau als Gesellschaftsprojekt<br />

Wenn wir nicht auf den heutigen Komfort und<br />

Wohlstand verzichten wollen, gibt es keine Alternative<br />

zum Netzausbau. Doch dieser kommt leider nicht recht<br />

vom Fleck. In den letzten 10 Jahren konnten in der<br />

Schweiz nur gerade 150 Kilometer neue Netze gebaut<br />

werden. Viele Menschen sind im Prinzip vollkommen<br />

einverstanden mit den notwendigen Infrastrukturprojekten.<br />

Nur wenn sie selbst betroffen sind, ändert sich<br />

die Haltung oft sehr schnell. Deshalb dauern Netzausbauprojekte<br />

oft Jahre oder Jahrzehnte. Mit den heutigen<br />

langen Bewilligungsverfahren ist der notwendige<br />

Aus- und Umbau des Übertragungsnetzes kaum möglich.<br />

Bei der Erarbeitung von technologischen Lösungen<br />

ist die Stromwirtschaft gefragt. Bei den Bewilligungsverfahren<br />

liegt der Ball hingegen bei der Politik. Sie hat<br />

die dazu nötigen regulatorischen Rechtsgrundlagen und<br />

Rahmenbedingungen für einen raschen und adäquaten<br />

Netzausbau zu schaffen. Noch wichtiger ist es jedoch,<br />

die unterschiedlichen Interessen der Bevölkerung und<br />

den Umweltorganisationen in Einklang zu bringen und<br />

einen breit abgestützten, gesellschaftlichen Konsens<br />

für den Netzausbau herbeizuführen. Die <strong>Energie</strong>wende<br />

liegt vor uns. Sie bietet viele Chancen für die Schweiz.<br />

Sie erfordert aber auch viel Gestaltungswille, Disziplin<br />

und Kompromissbereitschaft sowie eine branchenübergreifende<br />

Zusammenarbeit.<br />

Lebenslauf<br />

Pierre-Alain Graf ist 49<br />

Jahre alt. An der Universität<br />

Basel schloss er eine<br />

Ausbildung als Jurist und<br />

an der Universität St. Gallen<br />

ein Zweitstudium als<br />

Betriebswirt ab. An der<br />

International Banking<br />

School in New York absolvierte Pierre-Alain Graf<br />

eine Finanzausbildung. Von 1992 bis 1997 arbeitete<br />

er bei der Credit Suisse in führenden Positionen in<br />

der IT. Im Anschluss baute er für Colt Telecom verschiedene<br />

Ländergesellschaften auf und arbeitete<br />

mehrere Jahre im Ausland. 2006 wechselte Graf zu<br />

Cisco Systems Schweiz, wo er bis 2008 General Manager<br />

war. Seit Anfang 2009 ist Pierre-Alain Graf<br />

CEO von Swissgrid.<br />

Sommer 2012 47


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Schneller ans Netz<br />

Dr. Norbert Schwieters<br />

Partner bei PwC<br />

Dr. Thomas Ull<br />

Leiter des Bereichs Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC<br />

Offshore-Windkraft wird deutschlandweit<br />

zum Wachstumsmotor – wenn die<br />

Netzanbindung gelingt<br />

Die <strong>Energie</strong>wende sorgt im Jahr Eins nach<br />

Fukushima wieder für Schlagzeilen. Auf<br />

Deutschlands Dächern werden dank Milliardensubventionen<br />

mehr Solarzellen montiert<br />

denn je, dennoch steckt die deutsche Solarindustrie<br />

in einer Existenzkrise: Im Massengeschäft können<br />

die einstigen Technologieführer nicht mehr mit der<br />

Konkurrenz aus China mithalten.<br />

Von vergleichbaren Schwierigkeiten sind die Unternehmen<br />

der deutschen Offshore-Windkraftindustrie<br />

zwar weit entfernt. Doch auch in der Windkraft<br />

läuft derzeit nicht alles rund: Weil der Netzausbau<br />

zu langsam voran kommt, verzögert sich der Bau von<br />

Windkraftanlagen. Dies gilt vor allem, wenn auch nicht<br />

ausschliesslich, für die Offshore-Windparks, die vor<br />

den deutschen Küsten errichtet werden sollen.<br />

Die Ungewissheit über die Netzanbindung ist<br />

nicht nur eine wirtschaftliche Belastung für die Unternehmen<br />

der Offshore-Windkraftbranche, sondern<br />

auch ein politisches Risiko. Denn die Stromerzeugung<br />

auf hoher See spielt im <strong>Energie</strong>konzept der Bundesregierung<br />

eine Schlüsselrolle.<br />

Ehrgeizige Zielvorgaben<br />

Damit der beschlossene Atomausstieg bis 2022 klimaneutral<br />

gelingt, sollen erneuerbare <strong>Energie</strong>quellen<br />

bis dahin gut ein Drittel des deutschen Strombedarfs<br />

decken. Die Zielvorgabe für die Offshore-Windenergie<br />

ist durchaus ehrgeizig: Bis zum Jahr 2020 sollen Offshore-Windkraftanlagen<br />

mit einer Kapazität von 10<br />

Gigawatt installiert sein. Dies entspricht einer Steigerung<br />

um den Faktor 50: Derzeit summiert sich die Gesamtkapazität<br />

der Windkraftanlagen vor Deutschlands<br />

Küsten auf weniger als 200 Megawatt.<br />

Hinzu kommt, dass der Ausbau der Offshore-<br />

Windenergie in den vergangenen Jahren trotz optimistischer<br />

Prognosen nur schleppend vorangekommen ist.<br />

Beim Testfeld «alpha ventus», dem ersten deutschen<br />

Offshore-Windpark, vergingen zwischen der Einreichung<br />

des Bauantrags und der offiziellen Inbetriebnahme<br />

2010 rund zehn Jahre. Das erste kommerzielle<br />

Projekt, «Baltic I», ging erst im Frühjahr 2011 ans Netz,<br />

und der erste deutsche Nordsee-Windpark «Bard I» ist<br />

entgegen dem Zeitplan erst teilweise in Betrieb.<br />

Gute Wachstumsperspektiven für<br />

deutsche Offshore-Windkraftindustrie<br />

Und doch geht die Kritik, Offshore-Windkraftanlagen<br />

seien zu teuer, technologisch zu anspruchsvoll<br />

und letztlich nur ein Subventionsgrab, fehl. Einer Studie<br />

zufolge, die PwC im vergangenen Jahr gemeinsam<br />

mit der Windenergie-Agentur WAB durchführte, könnten<br />

im Jahr 2021 deutsche Offshore-Windkraftparks<br />

mit einer Kapazität von mindestens 8,7 Gigawatt in<br />

Betrieb sein. Bei diesem Ausbauniveau würde über die<br />

gesamte Wertschöpfungskette der Offshore-Windkraftindustrie<br />

hinweg ein Umsatz von deutschlandweit<br />

rund 22,4 Milliarden Euro erwirtschaftet – wohlgemerkt<br />

ohne die Erlöse aus der Stromeinspeisung. Zum<br />

Vergleich: 2010 erzielte die Branche einen Umsatz von<br />

weniger als sechs Milliarden Euro.<br />

Prognosen der deutschen Offshore-Windkraftindustrie (Gesamte Wertschöpfungskette)<br />

2010 2016 2021<br />

Umsatz 5,9 Mrd. € 17,8 Mrd. € 22,4 Mrd. €<br />

Beschäftigung 14.300 24.400 33.100<br />

Gewerbesteueraufkommen 64 Mio. € 190 Mio. € 240 Mio. €<br />

Quelle: PwC, WAB 2011<br />

48<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

In diesem Szenario steigen auch die Beschäftigtenzahlen<br />

deutlich, und zwar von 14.300 im Jahr 2010<br />

auf über 33.000 im Jahr 2021. Eng verbunden mit dem<br />

Wachstum von Umsatz und Beschäftigung ist der Anstieg<br />

des Gewerbesteueraufkommens. Führten die Unternehmen<br />

im Jahr 2010 rund 64 Millionen Euro an<br />

Gewerbesteuer ab, dürfte die Summe im Jahr 2021 bei<br />

240 Millionen Euro liegen.<br />

Offshore Dividende ist breit gestreut<br />

Die Studie konnte auch die oft geäusserte Polemik<br />

entkräften, der zufolge die Förderung der Offshore-Windenergie<br />

vor allem ein Hilfsprogramm für<br />

strukturschwache Wirtschaftsstandorte im deutschen<br />

Nordosten ist. In der Realität entfällt ein Grossteil der<br />

Wertschöpfung in der Offshore-Windenergie auf Unternehmen,<br />

die hunderte Kilometer vom Meer entfernt<br />

sind. So erwirtschaften Anlagenbauer und Zulieferbetriebe,<br />

die beispielsweise Fundamentrohre, Getriebe,<br />

Generatoren oder auch die elektronische Ausrüstung<br />

der Windkraftanlagen fertigen, derzeit gut 60 Prozent<br />

des Branchenumsatzes.<br />

Von dieser Verteilung profitieren die traditionellen<br />

deutschen Industriestandorte mit ihrer hohen technologischen<br />

Kompetenz überdurchschnittlich: In Bayern,<br />

Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind<br />

fast 40 Prozent aller Unternehmen angesiedelt, die<br />

am Bau von Offshore-Windkraftparks beteiligt sind.<br />

Die Küstenländer Hamburg, Bremen, Niedersachsen,<br />

Schleswig -Holstein und Mecklenburg -Vorpommern<br />

kommen gemeinsam auf einen Anteil von 42 Prozent.<br />

Zudem kommt die Förderung der Offshore-Windparks<br />

keineswegs nur Grosskonzernen zu Gute. Im<br />

Gegenteil: Etwa 70 Prozent aller Betriebe der Offshore-<br />

Windkraftbranche zählen zum Mittelstand. Stark vertreten<br />

sind mittelständische Unternehmen vor allem in<br />

der Projektplanung und - entwicklung, im Zulieferbereich,<br />

bei Transport und Montage sowie bei Wartungsdienstleistungen.<br />

Chancen für den Mittelstand<br />

«Offshore-Windenergie<br />

spielt eine Schlüsselrolle<br />

im deutschen <strong>Energie</strong>konzept.»<br />

Der Mittelstand wird am erwarteten Marktwachstum<br />

der Offshore-Windenergiebranche auch künftig<br />

teilhaben. Allerdings steigt mit der Grösse der Projekte<br />

auch der Konsolidierungsdruck. Damit sich die<br />

mittelständischen Unternehmen gegen die wachsende<br />

Konkurrenz durch Grosskonzerne behaupten können,<br />

müssen sie zunächst ihre eigenen Stärken weiterentwickeln.<br />

An erster Stelle stehen anhaltende Investitionen<br />

in Forschung & Entwicklung, um mit grosser Innovationskraft<br />

am Markt überzeugen zu können. Zudem<br />

muss sich der Mittelstand stärker vernetzen. Strategische<br />

Partnerschaften können eine «kritische Masse»<br />

schaffen, die auf allen Stufen der Wertschöpfungskette<br />

zur Hebung von Synergien beiträgt.<br />

Darüber hinaus muss der Mittelstand der weiter<br />

wachsenden Bedeutung des Auslandsgeschäfts Rechnung<br />

tragen. Die Studie prognostiziert einen Anstieg<br />

des Exportanteils am Gesamtumsatz der deutschen<br />

Offshore -Windenergieindustrie von derzeit 30 Prozent<br />

auf bis zu 60 Prozent im Jahr 2021. Der deutsche<br />

Mittelstand braucht daher verstärkt Geschäfts und Kooperationspartner<br />

jenseits der Landesgrenze. Auch die<br />

Politik sollte einen Beitrag dazu leisten, die mittelständische<br />

Struktur der Offshore-Windenergieindustrie zu<br />

erhalten. Sinnvolle Elemente einer branchenspezifischen<br />

Mittelstandsinitiative wären beispielsweise die<br />

Förderung von Forschung & Entwicklung durch Bund<br />

und Länder, eine regionale Wirtschaftsförderung für<br />

den Neu oder Ausbau von Kapazitäten oder auch eine<br />

Unterstützung bei der Internationalisierung (z.B. durch<br />

Förderung von Messeteilnahmen oder die Vermittlung<br />

von Auslandskontakten).<br />

Netzanschluss ist Achillesferse<br />

Die prognostizierten positiven Effekte der Investitionen<br />

in die Offshore-Windenergie werden jedoch<br />

nur eintreten, wenn sich die aktuellen Probleme beim<br />

Netzanschluss bewältigen lassen. Nach Angaben der<br />

«AG Beschleunigung Offshore-Netzanbindung», in der<br />

die zuständigen Bundesbehörden, die Bundesministerien<br />

für Wirtschaft und Umwelt sowie Unternehmen<br />

und Branchenverbände zusammenarbeiten, dauert<br />

es nach der Entscheidung für die Errichtung eines<br />

Offshore-Windkraftparks derzeit 50 Monate bis zum<br />

Netzanschluss. Geplant war hingegen ein Zeitraum<br />

von 30 Monaten. Zudem hat die für den Anschluss der<br />

Offshore-Anlagen zuständige niederländische Betreibergesellschaft<br />

Tennet eingeräumt, nicht genügend<br />

Kapital für die notwendigen Investitionen zu haben.<br />

Derzeit fehlen etwa zehn Milliarden Euro – gut fünf<br />

Milliarden hat das staatliche Unternehmen bereits in<br />

die Netze investiert.<br />

Die «AG Beschleunigung» hat daher unter anderem<br />

vorgeschlagen, die bundeseigene Kreditanstalt für<br />

Wiederaufbau (KfW) in die Finanzierung der Netzan-<br />

Sommer 2012 49


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

bindung einzubinden. Zudem soll das Anschlussverfahren<br />

optimiert werden, beispielsweise in dem die Stromleitungen<br />

mehrerer Offshore-Windparks nach dem<br />

Prinzip der Mehrfachsteckdose zunächst an Knotenpunkten<br />

zusammengeführt und von dort aus mit einer<br />

gemeinsamen Leitung an das Stromnetz am Festland<br />

angeschlossen werden.<br />

«Bis 2021 könnten<br />

18.000 neue Arbeitsplätze<br />

entstehen.»<br />

Schliesslich sollen nach den Vorstellungen der Arbeitsgemeinschaft<br />

auch die Antragsverfahren erleichtert<br />

und Bearbeitungszeiten verkürzt werden, nicht<br />

zuletzt durch die Einstellung von mehr Verwaltungspersonal<br />

bei den Behörden. Die Vorschläge der «AG<br />

Beschleunigung» sollen nunmehr rasch geprüft und «so<br />

weit möglich» umgesetzt werden – das jedenfalls haben<br />

Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium<br />

zugesichert.<br />

Offshore-Windkraft steht erst am Anfang<br />

Die Diskussionen über gesetzliche Netzanschlussvorgaben<br />

und staatliche Fördermittel dürfen allerdings<br />

nicht den Eindruck erwecken, dass sich der Erfolg für<br />

die Offshore-Windkraft mit den richtigen Gesetzen<br />

und bei ausreichender Geldzufuhr von allein einstellt.<br />

Bis 2021 benötigt die Branche Tausende zusätzliche<br />

Lebenslauf<br />

Dr. Nobert Schwieters ist<br />

Wirtschaftsprüfer und Partner<br />

bei der Wirtschaftsprüfungs-<br />

und Beratungsgesellschaft<br />

PwC. Er ist<br />

Leiter des Bereichs <strong>Energie</strong><br />

in Deutschland. Sein Studium<br />

der Wirtschaftswissenschaft<br />

absolvierte Dr. Norbert Schwieters an der<br />

Ruhr-Universität Bochum und promovierte 1988.<br />

Seit 1988 ist er bei PwC, seit 1996 als Partner. Zu<br />

seinen Publikationen gehören unter anderem der<br />

Artikel «Prüfung des Konzernabschlusses» im Lexikon<br />

des Rechnungswesens (Hrsg. von Busse von<br />

Colbe, Crasselt, Pellens, 5. Aufl., München 2011).<br />

Fachkräfte, darunter nicht nur Ingenieure, sondern<br />

auch speziell geschulte und für den Einsatz auf hoher<br />

See vorbereitete Service- und Montagespezialisten.<br />

Ausserdem fehlen Spezialschiffe für die Errichtung von<br />

Fundamenten und die Montage der Windkraftanlagen.<br />

Wer einen Offshore-Windpark besucht, bekommt<br />

angesichts der Dimensionen der Bauwerke zumindest<br />

eine Ahnung von der Grösse der technischen Herausforderungen:<br />

Die Rotoren des Offshore-Windparks<br />

«alpha ventus» beschreiben einen Durchmesser von<br />

gut 120 Metern. Damit die Konstruktion auch hohen<br />

Wellen und Windstärken trotzt, ruhen die Türme der<br />

Anlage auf einem Dreifuss aus 700 Tonnen Stahl.<br />

Auch wenn «alpha ventus» die Erwartungen nicht<br />

nur erfüllt, sondern 2011 sogar deutlich mehr Strom<br />

erzeugt hat als erwartet, steht die Offshore-Windkraft<br />

in Deutschland noch am Anfang. Grössere, aerodynamisch<br />

optimierte und leichtere Rotoren können die<br />

<strong>Energie</strong>ausbeute weiter steigern. Ein intelligentes Leitungsmanagement<br />

könnte die knappen Netzkapazitäten<br />

effizienter ausnutzen und so Kostensenkungen<br />

bringen, und nicht zuletzt muss die Industrie leistungsfähige<br />

Stromspeicher entwickeln, die Überkapazitäten<br />

an windreichen Tagen aufnehmen und bei «Flaute» ins<br />

Netz abgeben können.<br />

Diese und andere Innovationen sind nicht nur die<br />

Voraussetzung dafür, dass die Offshore-Windkraft den<br />

erhofften Beitrag zur <strong>Energie</strong>wende leisten kann, sondern<br />

auch für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg<br />

im weltweiten Wettbewerb. Dass Subventionen allein<br />

nicht reichen, lehren die schmerzhaften Erfahrungen<br />

der deutschen Solarindustrie.<br />

Lebenslauf<br />

Dr. Thomas Ull ist Wirtschaftsprüfer<br />

und Leiter des<br />

Bereichs Familienunternehmen<br />

und Mittelstand bei der<br />

Wirtschaftsprüfungs- und<br />

Beratungsgesellschaft PwC<br />

für die Region Nordwest<br />

mit den Standorten Bremen<br />

und Oldenburg. Er absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />

und der Steuerwissenschaften<br />

an der Universität Osnabrück und promovierte<br />

an der Universität Bremen. Dr. Thomas Ull ist zusammen<br />

mit Prof. Dr. Norbert Winkeljohann der<br />

Herausgeber der Schriftenreihe «PwC Praxisforum<br />

Mittelstand» im Erich-Schmidt-Verlag, Berlin.<br />

50<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

<strong>Energie</strong> im<br />

Wandel der Zeit<br />

Diversifizieren heisst die Devise<br />

Heinz Karrer<br />

CEO Axpo Holding AG<br />

Der Schweizer Strommix besteht heute zu<br />

knapp 60 Prozent aus Wasserkraft und zu<br />

rund 40 Prozent aus Kernkraft. Für das<br />

Winterhalbjahr ist das Verhältnis 30 zu 70.<br />

Neue erneuerbare <strong>Energie</strong>n, darunter sind alle erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n exklusive der Grosswasserkraft zu<br />

verstehen, steuern per dato erst 2 Prozent bei, wovon<br />

wiederum drei Viertel aus Kehrichtverbrennungsanlagen<br />

stammen. Dieser Strommix lieferte bis heute sicher,<br />

günstig und nahezu CO 2<br />

-frei Strom. Dass unsere<br />

Stromversorgung auch nach «Fukushima» und der Direktive<br />

von Bundesrat und Parlament langfristig aus<br />

der Kernenergie auszusteigen, sicher, bezahlbar und<br />

klimafreundlich sein soll, darüber dürfte Konsens bestehen.<br />

Gesellschaft, Politik, Forschung und Entwicklung,<br />

Wirtschaft und die Stromproduzenten im Besonderen<br />

sind gefordert, Lösungen aufzuzeigen, wie dies<br />

technisch, wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch<br />

machbar und in der geforderten Zeit umsetzbar ist.<br />

Axpo wird alles daran setzen, Teil der Lösung zu sein.<br />

Sicherheit ist Verpflichtung<br />

Unbestritten ist, dass Sicherheit – also Sicherheit<br />

in punkto <strong>Energie</strong>erzeugung sowie Versorgungssicherheit<br />

– oberste Priorität hat. Hier gibt es keinen Verhandlungsspielraum.<br />

Die Schweiz nimmt diesbezüglich<br />

im internationalen Vergleich den 1. Platz ein. Wegen<br />

der grundlegend geänderten Rahmenbedingungen<br />

werden wir dagegen aushandeln müssen, welchen Preis<br />

wir für <strong>Energie</strong> bereit zu zahlen sind; ob als Konsumenten<br />

oder Unternehmen und mit welchen volkwirtschaftlichen<br />

Konsequenzen, und ob wir Abstriche im<br />

Klimaschutz machen wollen und wenn ja, in welchem<br />

Ausmass.<br />

Die Stromproduktionsanlagen für Bevölkerung<br />

und Umwelt jederzeit sicher zu betreiben, gilt für die<br />

Stromerzeugung aus Wasserkraft genauso wie für die<br />

<strong>Energie</strong>gewinnung aus Biomasse oder Geothermie. Vor<br />

allem aber gilt dies für Kernkraftwerke. Ein Unfall, wie<br />

er sich in Japan ereignet hat, lässt sich gemäss heutigem<br />

Wissensstand in der Schweiz ausschliessen. Die<br />

Schweizer Kernkraftwerke sind auf Extremsituationen<br />

wie Erdbeben, Hochwasser und Flugzeugabstürze ausgerichtet.<br />

Und sie investieren laufend in ihre Modernisierung<br />

und Verbesserung, um den sicheren Betrieb bis<br />

zum Ende der Betriebszeit sowie die sichere Stilllegung<br />

und Entsorgung zu gewährleisten. Die internen und<br />

externen Vorgaben sind in dieser Hinsicht für die Unternehmen<br />

klar.<br />

Strombedarf steigt<br />

Die grosse Herausforderung besteht aber darin,<br />

die Stromversorgung trotz der veränderten Vorgaben<br />

des Bundes zu sichern. Dabei bedeutet Versorgungssicherheit,<br />

dass Strom rund um die Uhr und in jeder Situation<br />

ausreichend und sicher zur Verfügung gestellt<br />

werden kann, namentlich auch im Winter. Mit dem<br />

Verzicht auf den Bau von Ersatz-Kernkraftwerken wird<br />

sich die ohnehin absehbare Stromlücke weiter vergrössern,<br />

weil ab 2020 bedeutende Mengen an Bandenergie<br />

schrittweise wegfallen. Das ist jene <strong>Energie</strong>, die rund<br />

um die Uhr bereitgestellt werden muss, um den Grundbedarf<br />

zu decken. Zudem werden ab 2016 die privilegierten<br />

Bezugsverträge mit französischen Kernkraftwerken<br />

kontinuierlich auslaufen.<br />

Dem fehlenden Angebot steht eine steigende<br />

Nachfrage gegenüber. In der Schweiz hat sich in den<br />

letzten vierzig Jahren der Bedarf an Strom mehr als<br />

verdoppelt – und das trotz dem Wegzug energieintensiver<br />

Industrien. Axpo rechnet bis 2040 mit einem Anstieg<br />

des Stromverbrauchs von etwa 1 Prozent pro Jahr,<br />

wobei der Anstieg zunächst deutlich sein wird und sich<br />

dann langfristig abschwächt. Die <strong>Energie</strong>strategie des<br />

Bundesrats geht dagegen davon aus, den Verbrauch in<br />

den nächsten Jahren zu stabilisieren und ihn ab dem<br />

Jahre 2015 gar zu reduzieren. Das soll durch Sparen<br />

und effizientere Geräte möglich sein.<br />

Aus Sicht der Axpo ist das nicht realistisch. Weshalb?<br />

Erstens wächst die Schweizer Bevölkerung auf-<br />

Sommer 2012 51


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Mit Abstand am teuersten ist nach wie vor die Fotovoltaik mit<br />

Gestehungskosten von 30 bis 55 Rappen pro Kilowattstunde (kWh).<br />

grund der Zuwanderung weiter. Gleichzeitig ist der<br />

Stromverbrauch auch immer abhängig vom Wirtschaftswachstum.<br />

Und eine wachsende Wirtschaft<br />

braucht mehr Strom. Zweitens ist es zwar richtig, dass<br />

die <strong>Energie</strong>effizienz dank technologischem Fortschritt<br />

steigt, also die gleiche Wirkung mit geringerem <strong>Energie</strong>aufwand<br />

erreicht wird. Dieser Effekt wird jedoch<br />

überkompensiert, weil fossile <strong>Energie</strong> immer mehr<br />

durch elektrische substituiert wird und weil die Zahl<br />

der Geräte pro Haushalt deutlich zunimmt, obschon<br />

heutige Geräte Strom effizienter nutzen. Unter dem<br />

Strich sparen wir <strong>Energie</strong> ein, aber der Stromverbrauch<br />

und damit der Strombedarf nehmen zu.<br />

Erneuerbare ausbauen<br />

Einig mit dem Bund geht Axpo darin, dass den<br />

neuen erneuerbaren <strong>Energie</strong>n eine zentrale Rolle zukommen<br />

muss und wird. Sie stehen seit vielen Jahren<br />

im Fokus der Axpo. Axpo ist bereits heute die grösste<br />

Produzentin neuer erneuerbare <strong>Energie</strong>n in der<br />

Schweiz und setzt hierzulande vor allem auf Biomasse<br />

(Kompogas, Holzenergie) und kleine Wasserkraftwerke.<br />

Künftig sind Investitionen in die Geothermie und<br />

in grosse Photovoltaikanlagen geplant. Im Bereich<br />

Windenergie konzentriert sich das Unternehmen dagegen<br />

zur Hauptsache auf das Ausland, wo es bereits<br />

in diverse Windanlagen investiert (La Peñuca in Spanien,<br />

WinBis in Italien, Offshore-Projekt Global Tech I in<br />

Norddeutschland). Dieses Engagement in windreichen<br />

Regionen wird ausgebaut. Weiter ist Axpo am Bau eines<br />

Geothermiekraftwerks in Deutschland beteiligt<br />

und plant, das so erworbene Wissen in die Schweiz zu<br />

transferieren. Die Tiefen-Geothermie hat grosses Potenzial<br />

und liefert im Unterschied zu Solar- und Windenergie<br />

Bandenergie. Allerdings steht die Geothermie<br />

in der Schweiz noch im Stadium der Forschung und<br />

Entwicklung.<br />

Bei allem Effort werden die neuen erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n die Stromlücke zwar verkleinern, aber noch<br />

lange nicht schliessen können. Zum einen sind sie<br />

technologisch zu wenig ausgereift und es mangelt an<br />

geeigneten Standorten für entsprechende Anlagen.<br />

Zum anderen formiert sich gegen viele Projekte allzu<br />

oft lokaler Widerstand, sodass Jahre verstreichen bis<br />

sie, wenn überhaupt, realisiert werden können. Axpo<br />

hat sich bis 2030 zum Ziel gesetzt, die Produktion im<br />

Bereich neue erneuerbare <strong>Energie</strong>n von 2,2 Terawattstunden<br />

(TWh) auf 5 TWh mehr als zu verdoppeln,<br />

wobei 1,1 TWh aus dem Inland und 3,9 TWh aus dem<br />

Ausland stammen sollen.<br />

Auslandabhängigkeit wird grösser<br />

Axpo setzt auch weiterhin auf Wasserkraft. Als<br />

grösste Betreiberin von Wasserkraftwerken in der<br />

Schweiz baut sie beispielsweise zusammen mit dem<br />

Kanton Glarus für 2,1 Milliarden Franken das Pumpspeicherkraftwerk<br />

Linth-Limmern aus («Linthal2015»).<br />

Ferner werden wir zur Verringerung der Stromlücke<br />

kaum auf Brückentechnologien verzichten können.<br />

Axpo prüft deshalb den Bau von Gas-Kombikraftwerken.<br />

Zudem spricht der hohe Wirkungsgrad für sie.<br />

Auch sind die Investitionen eher tief, weil die Hauptkomponenten<br />

weitgehend standardisiert sind. Allerdings<br />

stossen die Anlangen beachtliche Mengen CO 2<br />

aus und mit der aktuellen CO 2<br />

-Gesetzgebung ist ein<br />

Gas-Kombikraftwerk schlicht nicht wirtschaftlich zu<br />

betreiben. Bedingung für die Option Gas wäre deshalb<br />

52<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

den -import – nach oben klettern wegen des Ausbaus der<br />

neuen erneuerbaren <strong>Energie</strong>n.<br />

Umweltorganisationen betonen gerne, dass die erneuerbaren<br />

<strong>Energie</strong>n nicht so teuer seien. Der Blick auf<br />

die Stromgestehungskosten – sie bezeichnen die Kosten,<br />

die für die <strong>Energie</strong>umwandlung von einer anderen <strong>Energie</strong>form<br />

in elektrischen Strom notwendig sind – vermittelt<br />

ein anderes Bild (siehe Grafik S. 52).<br />

Investitionsfreundliche Vorgaben nötig<br />

die Anbindung an das Emissionshandelssystem Schweiz-<br />

EU (ETS). Nicht zuletzt würden wir uns mit Gas-Kombikraftwerken<br />

in die Abhängigkeit von Gaspreisen und<br />

Gaslieferungen aus dem Ausland begeben.<br />

Allerdings kommen wir um eine höhere Auslandabhängigkeit<br />

ohnehin nicht herum: Denn mit der bundesrätlichen<br />

<strong>Energie</strong>strategie 2050 hat die Schweiz die<br />

Selbstversorgungsstrategie aufgegeben. Schon heute<br />

kann unser Land den Strombedarf im Winter nur dank<br />

Importen bewältigen. In 15 Jahren dürfte der Import<br />

im Winterhalbjahr um 40 Prozent und mehr ansteigen.<br />

Dabei sind unsere Nachbarländer ebenso mit dem Problem<br />

der Stromlücke konfrontiert, auch für sie wird die<br />

Situation im Winter besonders kritisch sein. Knappheit<br />

bedeutet zudem steigende Preise. Importe sind also<br />

nicht nur eine unsichere, sondern auch eine teure Option<br />

und überdies klimapolitisch nicht unproblematisch.<br />

Deutschland versorgt sich beispielsweise noch immer<br />

mehrheitlich mit fossilen <strong>Energie</strong>trägern. Wir müssen<br />

uns somit intensiv mit den kurz-, mittel- und langfristigen<br />

Importmöglichkeiten und den damit verbundenen<br />

Konsequenzen auseinandersetzen. Das wird auch eine<br />

grosse Aufgabe für die Politik sein. Denn nebst den Herausforderungen<br />

auf der Produktionsseite sind diejenigen<br />

im Bereich der Netze nicht minder gross.<br />

Strom wird teurer<br />

Elektrizitätswerk Rheinau<br />

Dass die Strompreise steigen werden, hängt mit<br />

weiteren Faktoren zusammen. Erstens wird die Netznutzung<br />

teurer, weil Milliarden in die Netze investiert<br />

werden müssen, damit der Stromtransport dem zunehmenden<br />

Bedarf und den immer komplexeren Anforderungen<br />

gerecht werden kann. Windparks im Norden<br />

müssen mit Verbraucherzentren im Süden und mit Speicherkraftwerken<br />

in den Alpen verbunden werden. Zweitens<br />

nehmen staatliche Abgaben zu, also Steuern und<br />

Lenkungsabgaben (kostendeckende Einspeisevergütung<br />

KEV, Wasserzinsen). Drittens wird der eigentliche <strong>Energie</strong>preis<br />

– die Kosten für die Stromproduktion oder eben<br />

Die Verantwortung für die SV übernehmen, kann,<br />

angesichts der Herausforderungen, weder ein Unternehmen<br />

allein, noch die Branche selbst. Die Abhängigkeiten<br />

sind zu gross geworden. Der Einfluss der Politik und der<br />

Regulatoren ist enorm und damit die unternehmerische<br />

Freiheit stark eingeschränkt. Die Strombranche, die in<br />

der gesetzlichen Verantwortung steht, die Versorgungssicherheit<br />

zu gewährleisten, braucht aber dringend<br />

klare, langfristig ausgerichtete und damit investitionsfreundliche<br />

Rahmenbedingungen, sprich Gesetze im Zusammenhang<br />

mit der Marktöffnung und der Umsetzung<br />

der <strong>Energie</strong>strategie 2050.<br />

Ein funktionierender und effizienter Strommarkt<br />

kann nur dann entstehen, wenn der Strommarkt echt<br />

liberalisiert wird und die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen<br />

konsequent darauf ausrichtet. Visionen<br />

und Enthusiasmus sind zwar wichtig und auch sympathisch.<br />

Niemand aber kann sich über physikalische<br />

Gesetzmässigkeiten hinwegsetzen, und über marktwirtschaftliche<br />

sollten wir es zum Wohle des Landes nicht<br />

tun. Die Herausforderungen sind gross – wir nehmen sie<br />

an.<br />

Lebenslauf<br />

Heinz Karrer wurde am 10.<br />

Mai 1959 geboren. Zwischen<br />

1992 und 2002 war<br />

Heinz Karrer unter anderem<br />

Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />

bei Ringier<br />

AG und der Intersport Holding<br />

AG. 2002 wechselte er<br />

zur Axpo Hoding AG und ist seither der Vorstandsvorsitzende<br />

des Unternehmens. Heinz Karrer ist<br />

momentan Mitglied des Verwaltungsrats und hat<br />

Einsitz in verschiedenen Organen bei folgenden<br />

Unternehmen: EGL AG, Laufenburg (Präsident);<br />

Centralschwiezerische Kraftwerke AG, Luzern<br />

(Präsident); Swissgid AG; Kuoni Reisen Holding<br />

AG, Zürich; Swisselectric (Präsident); Economiesuisse<br />

(Vorstand)<br />

Sommer 2012 53


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

54<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

The emerging new<br />

energy world order:<br />

Which role for Europe?<br />

Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen<br />

Professor of Management of Renewable <strong>Energie</strong>s (University of St. Gallen)<br />

After 150 years of fossil fuels, the world is embarking<br />

on a path towards cleaner energy.<br />

More than 60 % of all investment in new<br />

power generation capacity in Europe between<br />

2008 and 2010 went into renewable energies like<br />

wind, solar and biomass. Germany has seen a particularly<br />

strong growth, with more than 50’000 Megawatt<br />

of new power generation capacity now installed in wind<br />

and solar, and renewable energy accounting for 20 %<br />

of electricity consumption. Germany’s favorable policy<br />

framework, with so-called feed-in tariffs guaranteeing<br />

solar investors attractive returns for 20 years, has also<br />

resulted in 300’000 jobs being created, many of them in<br />

areas with previously high unemployment in the East<br />

of the country. Together with similar developments in<br />

countries like Denmark, Spain and Italy, the old continent<br />

seemed poised for an era of green growth. More<br />

recent headlines, however, appear to paint a gloomy picture<br />

– a number of pioneering solar firms have recently<br />

filed for bankruptcy, and popular investor magazines are<br />

publishing «death lists» of renewable energy companies.<br />

One of the reasons for the more cloudy outlook is rising<br />

competition from China: 38’000 Megawatt of wind<br />

turbines were newly installed worldwide, 50 % of which<br />

in China. In solar, Chinese manufacturers have become<br />

dominant players, exporting much of their production<br />

to Europe, notably Germany. Have German policymakers<br />

been digging the grave of their own industry by providing<br />

too generous incentives? Has the idea of green<br />

growth just been a short-lived dream for Europe, followed<br />

by a hard landing of disillusionment?<br />

Germany: Two decades of<br />

renewable energy growth<br />

In the context of our executive education programme<br />

in Renewable Energy Management (www.<br />

es.unisg.ch/rem), we recently had an opportunity to<br />

gain some fresh insights about the possible answer to<br />

these questions. Two of the eight modules of that programme<br />

took us to Germany and Asia. In Germany, we<br />

witnessed Solon’s struggle for survival – one of the pioneering<br />

companies of the photovoltaics sector, growing<br />

from humble beginnings in Berlin’s Kreuzberg district<br />

to a proud manufacturing site featuring the latest in innovative<br />

building technologies in the German capital’s<br />

Adlershof high tech cluster. We also had several sessions<br />

involving policy makers from German government and<br />

parliament. The German parliament stood at the cradle<br />

of the country’s renewable energy boom, when, in late<br />

1990, at the last session before Christmas, it voted with<br />

a surprise majority in favor of introducing the Feed-In<br />

Law. The law, initially promoted by a rare coalition of<br />

post-materialist supporters of wind energy and conservative<br />

farmers with a stake in small hydropower, initiated<br />

what in hindsight looks like a 20-year success story<br />

of growth, initially in wind. In 2000 and 2004, the then<br />

governing coalition of Greens and Social Democrats<br />

amended the law with the ambition to help solar energy<br />

follow a similar virtuous cycle of customer demand leading<br />

to mass production leading to lower cost, fuelling<br />

more demand etc. To reach that objective despite the<br />

initial obstacle of much higher power generation cost of<br />

solar, feed-in tariffs were raised from 8.5 to 59 cents per<br />

kilowatt hour, with provisions to reduce the support by<br />

a fixed percentage every year. An interesting feature of<br />

German renewable energy legislation – especially in the<br />

light of the recent Euro crisis – is that it was not directly<br />

tied to federal budgets. Instead, the additional cost of<br />

supporting renewable energy generators through the<br />

feed-in tariff was simply redistributed as a surcharge on<br />

electricity prices for all consumers (with exceptions for<br />

heavy industry). In 2012, feed-in tariffs for solar photovoltaics<br />

have come down to 13-24 ct/kWh – depending<br />

on the size of the installation – and are refinanced by a<br />

3.6 ct/kWh surcharge on electricity prices. In total, German<br />

electricity consumers have made a net investment<br />

of 40 billion Euros over the last decade to support the<br />

growth of renewables, and reduced several hundred million<br />

tons of carbon dioxide emissions along the way. In<br />

line with international trade rules, the incentives were<br />

not limited to solar cells produced domestically, and<br />

Sommer 2012 55


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Renewable energy capacity in Germany since introduction of feed-in tariff in 1990<br />

70'000<br />

60'000<br />

Installed Capacity [MW]<br />

50'000<br />

40'000<br />

30'000<br />

20'000<br />

Geothermal<br />

Waste-to-Energy<br />

Biomass<br />

Solar<br />

Wind<br />

Hydropower<br />

10'000<br />

0<br />

Source: German Federal Ministry of the Environment<br />

hence American and Chinese competitors have taken increasing<br />

shares of the German solar market. By increasing<br />

the price of electricity, the feed-in tariff has effectively<br />

worked like an indirect internalization of external<br />

cost of conventional energies – the holy grail of environmental<br />

economics, which has traditionally been hard to<br />

implement in real politics in its pure form. Nevertheless,<br />

while a majority of the population is supportive of German<br />

renewable energy policy, some parts of the public<br />

and some industry circles remain skeptical. Consequently,<br />

we witnessed during our stay in Berlin the beginning<br />

of what turned out to be a month-long struggle between<br />

the Ministry of the Environment and the Ministry of<br />

Trade and Industry about a reform of the solar incentives.<br />

While both agreed that feed-in tariffs needed to<br />

be adjusted in the light of costs for solar panels that had<br />

declined by more than 50 % in two years, their inability<br />

to reach agreement on the specific terms led – for the<br />

first time in Germany’s 20 years of successful renewable<br />

energy history – to substantial uncertainty in the market.<br />

Combined with fierce competition from China, this<br />

made life for firms like Solon not easier.<br />

Asia: Heavily investing in solar energy<br />

Switching scenes: Eight weeks after our trip to Berlin,<br />

we taught the next module of our executive education<br />

programme, this time in Singapore. We visited<br />

another solar factory, REC’s super-modern, highly automized<br />

700 Megawatt-facility, a S$2.5bn investment,<br />

supported with several hundred million dollars by Singapore’s<br />

powerful Economic Development Board. The<br />

picture that emerged here was different from Germany’s<br />

current doom and gloom. While management of REC as<br />

well as their South-East Asian government mentors obviously<br />

acknowledged the challenges arising from sharply<br />

declining market prices, the factory continued to run<br />

24/7, and succeeded in squeezing further cost out by optimizing<br />

their manufacturing lines month after month.<br />

Given the significant investment, including government<br />

aid, the firm was able to build a highly integrated factory,<br />

with wafer, cell and module manufacturing side by side<br />

on the same premises – a rare view for Europeans who<br />

are used to a more fragmented solar industry, where a<br />

lot of shipping occurs between the different steps of the<br />

value chain.<br />

Wanted: The enlightened<br />

long-term investor<br />

What can be concluded from comparing these two<br />

insights in solar markets and policies gained within our<br />

executive education programme? First, I cannot help but<br />

think of Gartner’s famous hype cycle, which suggests<br />

that development of new technologies is not a linear<br />

process, but can be characterized by a cycle of initially<br />

inflated expectations, then a trough of disillusionment,<br />

before finally embarking on sustainable growth («the<br />

slope of enlightenment» in Gartner Group’s words).<br />

Gartner’s recommendation for the trough of disillusionment<br />

is «don’t get out because it’s ‘out’», suggesting that<br />

long-term investors should look beyond the short-term<br />

volatility and sentiment. It seems that Asian investors,<br />

including governments, are currently featuring more<br />

similarities with the enlightened long-term investor à<br />

la Gartner than some of their European counterparts.<br />

For example, the Chinese government, according to the<br />

US Department of Energy, provided their solar firms<br />

with $30bn of investment subsidies in 2010 – which<br />

may be a sign that they are determined to weather the<br />

storm and further increase their share of the global solar<br />

market. Second, visiting the two factories confirmed<br />

56<br />

Sommer 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

my view that the missing piece for full cost competitiveness<br />

of solar energy is not some magic technological<br />

breakthrough, but rather a continuous improvement in<br />

a straightforward, capital-intensive industrial manufacturing<br />

process. Those players that are less capital constrained<br />

will be best positioned to continue playing an<br />

active role in the future low-cost game, while those who<br />

do not have equally good access to capital will be targets<br />

in the ongoing consolidation process, leading to a different-looking,<br />

but ultimately stronger industry.<br />

Proximity to markets as<br />

Europe’s advantage<br />

Coming back to my initial question above – is the<br />

period of «green growth» already over in Europe? Are we<br />

facing sunrise in the East, and sunset in the West, when<br />

it comes to the future of the solar industry? As a European,<br />

I am actually somewhat optimistic. I believe the<br />

fundamental transition of the energy industry provides<br />

room for growth for many firms and countries. While<br />

Asian countries have a number of advantages, such as<br />

lower labor cost and a cultural openness to government<br />

involvement, European countries have some strong<br />

points on their side, too. A high awareness for energy<br />

and environmental issues, a skilled and innovative labor<br />

force, and last but not least the fact that there are already<br />

existing markets for renewable energies and real<br />

customers with a widespread willingness to invest in,<br />

for example, solar panels, provide us with a potential<br />

competitive advantage. Does that mean that all jobs will<br />

remain local? Certainly not. But does that mean the old<br />

continent can continue to play an important role as the<br />

world strives for a cleaner energy future? Yes, I think so<br />

indeed.<br />

About the Author<br />

Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen<br />

is a Director of the<br />

Institute for Economy and<br />

the Environment (IWÖ-<br />

HSG) and holds the Good<br />

<strong>Energie</strong>s Chair for Management<br />

of Renewable<br />

<strong>Energie</strong>s at the University<br />

of St. Gallen. He graduated in Management Science<br />

and Engineering (TU Berlin) and holds a PhD in<br />

Business. In 2005, 2008 and 2011, respectively, he<br />

held visiting faculty positions at University of British<br />

Columbia (Vancouver), Copenhagen Business<br />

School and National University Singapore.<br />

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das Herz Ihres Autos.<br />

Sommer 2012 57


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Ausblick<br />

Sicherheit - ESPRIT St.Gallen Business Review Winter 2012<br />

In einer Welt voller Wandel und Ungewissheit ist der Wunsch nach Sicherheit seit jeher<br />

eines der tiefsten Grundbedürfnisse des Menschen. Schon immer versuchen Menschen<br />

Risiken zu kalkulieren und sich gegen diese abzusichern. Vor allem in Anbetracht<br />

der globalen und unvorhersehbaren Dynamik der Weltwirtschaft hat sich ein<br />

verstärktes Bedürfnis nach Sicherheit entwickelt. Aber was bedeutet Sicherheit im 21.<br />

Jahrhundert überhaupt? Wie können wir Sicherheit heutzutage noch gewährleisten?<br />

Und welche neuen Formen von Unsicherheit prägen uns?<br />

Die kommende Ausgabe der St.Gallen Business Review wird sich intensiv und interdisziplinär<br />

mit der Thematik «Sicherheit» auseinandersetzen und versuchen Antworten<br />

auf diese Fragen finden.<br />

Impressum<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Guisanstrasse 19<br />

CH-9010 St. Gallen<br />

Telefon: 0041 (0) 71 220 14 01<br />

Fax: 0041 (0) 71 220 14 04<br />

E-Mail: esgbr@espritsg.ch<br />

Herausgeber:<br />

ESPRIT St.Gallen - Beratung durch Studenten<br />

Chefredaktion:<br />

Felix Schneider<br />

Philipp Westphal<br />

Stellvertretende Chefredaktion:<br />

Lennart Hinrichs<br />

Nikolas Noetzel<br />

Inserate:<br />

Axel Springer Schweiz AG<br />

Fachmedien<br />

Telefon: 0041 (0) 43 444 51 07<br />

Layout:<br />

Dejan Simic<br />

Distribution:<br />

Julian von Fischer<br />

Titelseite:<br />

© Zacarias da Mata - Fotolia.com<br />

Druck:<br />

Strube Druck & Medien OHG<br />

Auflage:<br />

11.000 Exemplare<br />

Erscheinungsweise:<br />

halbjährlich<br />

Hochschulpartner:<br />

james consulting GmbH, ETH juniors, International School of<br />

Management Dortmund (ISM), Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München, PAUL Consultants, Universität Augsburg Wirtschaftswissenschaftliche<br />

Fakultät, WWZ-Bibliothek, UniConsult, Universität<br />

Bern, MarcAurel Consult, Consult One e.V., Active e.V.,<br />

Heinrich-Heine-Consulting e.V., Universitäts- und Forschungsbibliothek<br />

Erfurt/Gotha, act e.V. - studentische Unternehmensberatung,<br />

GREEN finance consulting e.V., Consulting Network<br />

e.V., Capufaktur e.V., Janus Consultants e.V., Österreichische<br />

HochschülerInnenschaft Innsbruck, Bodensee Consulting, Campus<br />

Inform, Uni Magdeburg, berater e.V., INTEGRA e.V., Campus<br />

Consult Projektmanagement GmbH, uniClever e.V., Consiglia<br />

e.V., InOne ConsuIt, Impact Zürich, WHU - Otto Beisheim School<br />

of Management, confluentes e.V., Wirtschaftsuniversitaet Wien,<br />

whyknot, Universität St. Gallen<br />

Copyright:<br />

Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte für sämtliche Inhalte liegen<br />

bei ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten. Die Wiedergabe<br />

von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, ist nur mit<br />

Zustimmung von ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten<br />

zulässig.<br />

Disclaimer:<br />

Die Aussagen und Meinungen der Autoren sind nicht zwangsläufig<br />

deckungsgleich mit dem Standpunkt von ESPRIT St.Gallen.<br />

ESPRIT St.Gallen übernimmt keinerlei Haftung für die die Inhalte<br />

der Texte.<br />

Abobestellung:<br />

www.esgbr.ch<br />

58<br />

Sommer 2012


FOLLOW THE DEBATE<br />

AT THE ST. GALLEN SYMPOSIUM<br />

AT WWW.SYMPOSIUM.ORG<br />

Media Channel<br />

42<br />

facing risk / 42 nd st. gallen symposium<br />

3–4 may 2012


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Willkommen<br />

bei PwC.<br />

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Patrick Pfäffle sorgte als Consultant im Team Governance, Risk & Compliance bei den Bilanzen eines<br />

international aufgestellten Dienst leistungs konzerns für Durchblick. Mit einem Team aus Forensikern,<br />

Mathematikern, Prüfern und Risikomanagement-Experten ging er dem Verdacht auf Manipulation<br />

nach. Und konnte dem Aufsichtsrat nach einer konzern weiten Datenanalyse und zielgerichteten<br />

Einzel prüfungen die erhoffte Entwarnung geben. Wenn auch Sie in einem exzellenten Team<br />

langfristige Werte schaffen möchten, dann starten Sie Ihre Karriere bei PwC.<br />

© 2012 PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.<br />

„PwC“ bezeichnet in diesem Dokument die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der<br />

PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.

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