Energie
St. Gallen Business Review Sommer 2012
St. Gallen Business Review
Sommer 2012
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St.Gallen<br />
Business Review<br />
Sommer 2012<br />
<strong>Energie</strong><br />
Aufbruch in ein neues<br />
<strong>Energie</strong>zeitalter<br />
Dr. Norbert Röttgen<br />
Bundesminister für Umwelt,<br />
Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
The silent Energy<br />
[R]evolution<br />
Sven Teske<br />
Director of the Greenpeace<br />
Renewable Energy Campaign<br />
Die <strong>Energie</strong>wende<br />
erfolgreich gestalten<br />
Peter Löscher<br />
Vorstandsvorsitzender der Siemens AG
„Ich will die Welt erobern.<br />
Indem ich sie für mich gewinne.“<br />
Für die grossen Herausforderungen unserer Zeit suchen wir Menschen, die<br />
bereit sind, über sich hinauszuwachsen. Menschen, die mit Weitsicht<br />
und Verstand Massstäbe für verantwortungsvolles Handeln setzen – und<br />
dabei immer Mensch bleiben. Denn so sehr wir auf kluge Köpfe zählen,<br />
so wichtig sind uns integere, weltoffene Persönlichkeiten, die für neue<br />
Einflüsse, andere Kulturen und aussergewöhnliche Ideen offen sind.<br />
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ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Editorial<br />
Wie erzeugen wir heute<br />
die <strong>Energie</strong> von morgen?<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Die Gewährleistung einer gesicherten, umweltverträglichen<br />
und wirtschaftlichen <strong>Energie</strong>versorgung für<br />
den gegenwärtigen Wohlstand unter Berücksichtigung<br />
zukünftiger Generationen. Dieses Ziel sollte uns ebenso<br />
klar sein wie das Bewusstsein, dass der Weg kein einfacher<br />
sondern ein gemeinsamer «Kraftakt» sein wird.<br />
Nicht erst seit dem Unglück von Fukushima, den<br />
zunehmenden Folgen des Klimawandels und den politischen<br />
Spannungen aufgrund von Ressourcenkonflikten<br />
müssen wir uns eingestehen, dass neue Lösungen<br />
für das Gewinnen, das Speichern und den Verbrauch<br />
von <strong>Energie</strong> unabdingbar sind. Die Nachfrage nach<br />
<strong>Energie</strong> ist enorm. Zudem wird diese vor dem Hintergrund<br />
des Bevölkerungswachstums und zunehmender<br />
Technologisierung weiter steigen und die vorhandenen<br />
Problematiken verschärfen. Deshalb stellt sich die<br />
Frage, wie wir diesen neuen Problemfeldern innovativ<br />
begegnen können. Wie zügig gelingt es uns, den Anteil<br />
umweltfreundlicher <strong>Energie</strong>träger am <strong>Energie</strong>mix<br />
zu erhöhen? Inwieweit ist es möglich, multinationale<br />
<strong>Energie</strong>konzepte zu finanzieren und stabil auszubauen?<br />
Und welche Rolle kommt dem Endverbraucher bei<br />
diesem Prozess zu?<br />
Um hierauf tiefgreifende Antworten zu finden, bedarf<br />
es eines historisch einzigartigen Zusammenspiels<br />
aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft von der lokalen<br />
bis hin zur globalen Ebene. So reicht es beispielsweise<br />
nicht aus, neue Technologien zur nachhaltigen<br />
<strong>Energie</strong>gewinnung zu entwickeln - diese müssen auch<br />
durch die Politik unterstützt werden und zudem wirtschaftlich<br />
tragfähig sein. Aufgrund dieses trilateralen<br />
Erfordernisses lässt die St.Gallen Business Review<br />
das Titelthema <strong>Energie</strong> von renommierten Autoren<br />
aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft beleuchten.<br />
Dadurch hoffen wir, zur Entwicklung eines tieferen,<br />
vernetzten und vor allem zukunftsorientierten Blicks<br />
beitragen zu können. Denn unser heutiger Umgang mit<br />
<strong>Energie</strong> entscheidet über unsere Welt von morgen.<br />
Wir wünschen viel Spass beim Lesen!<br />
Felix Schneider<br />
Chefredakteur<br />
Philipp Westphal<br />
Chefredakteur<br />
Sommer 2012 3
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MAINSTREAMING RENEWABLES<br />
Erfolgreich in der neuen <strong>Energie</strong>welt<br />
3. St. Galler Forum für Management Erneuerbarer <strong>Energie</strong>n<br />
Der Good <strong>Energie</strong>s Lehrstuhl für<br />
Management Erneuerbarer <strong>Energie</strong>n<br />
bringt jährlich Experten und Interes -<br />
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Universität St. Gallen zusammen.<br />
Veranstaltungsdetails:<br />
Donnerstag, 24. Mai 2012:<br />
Vorprogramm & Dinner<br />
Freitag, 25. Mai 2012: Keynotes,<br />
Workshops & Panels<br />
Weitere Details: http://forum.iwoe.unisg.ch<br />
Premiumpartner<br />
Silberpartner<br />
Weitere Partner<br />
Industrielle Werke Basel - IWB<br />
Medienpartner
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Inhalt<br />
6<br />
Aufbruch in ein neues<br />
<strong>Energie</strong>zeitalter<br />
Dr. Norbert Röttgen<br />
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit<br />
41<br />
South Stream<br />
Offshore Project<br />
Sebastian Sass<br />
Head of Communications & Spokesperson,<br />
South Stream Transport AG<br />
9<br />
Die <strong>Energie</strong>wende<br />
erfolgreich gestalten<br />
Peter Löscher<br />
Vorstandsvorsitzender der Siemens AG<br />
43<br />
Beratung mal auf eine<br />
andere Art und Weise<br />
ESPRIT St.Gallen<br />
Beratung durch Studenten<br />
13<br />
20<br />
23<br />
27<br />
31<br />
35<br />
The silent Energy [R]evolution<br />
Sven Teske<br />
Director of the Greenpeace Renewable<br />
Energy Campaign<br />
Toward a Distributed-<br />
Power World<br />
Dr. Harald Rubner<br />
Senior Partner and Managing Director BCG<br />
<strong>Energie</strong>versorgung der Zukunft<br />
Ramon Werner<br />
CEO BP Switzerland<br />
Wider die nationalen<br />
Alleingänge<br />
Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge<br />
Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />
des <strong>Energie</strong>wirtschaftlichen Instituts<br />
der Universität zu Köln (EWI)<br />
<strong>Energie</strong> in der Gesellschaft<br />
von morgen<br />
Dr. Kurt Bock<br />
Vorstandsvorsitzender der BASF AG<br />
Wie wir rasch und geordnet aus<br />
der Atomenergie aussteigen<br />
Ueli Leuenberger<br />
Präsident der Grünen Schweiz<br />
44<br />
46<br />
48<br />
51<br />
55<br />
<strong>Energie</strong>versorgung und<br />
<strong>Energie</strong>management<br />
der Zukunft<br />
Georg Knoth<br />
CEO GE Switzerland/Austria & CEO<br />
Technology Enterprises Germany<br />
Das Schweizer<br />
Übertragungsnetz<br />
Pierre-Alain Graf<br />
CEO Swissgrid AG<br />
Schneller ans Netz<br />
Dr. Norbert Schwieters<br />
Partner bei PwC<br />
Dr. Thomas Ull<br />
Leiter des Bereichs Familienunternehmen<br />
und Mittelstand bei PwC<br />
<strong>Energie</strong> im Wandel der Zeit<br />
Heinz Karrer<br />
CEO Axpo Holding AG<br />
The emerging new<br />
energy world order:<br />
Which role for Europe?<br />
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen<br />
Professor of Management of Renewable<br />
<strong>Energie</strong>s (University of St. Gallen)<br />
38<br />
Beleuchtung mit LED<br />
Martin Hockemeyer<br />
Geschäftsführer der Gebrüder Thiele<br />
Gruppe und Umweltsparte GT BiomeScilt<br />
Sommer 2012 5
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Aufbruch in ein neues<br />
<strong>Energie</strong>zeitalter<br />
Dr. Norbert Röttgen<br />
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
Wer zu spät kommt, den bestraft das<br />
Leben – wir alle kennen diesen Ausspruch<br />
Michael Gorbatschows, und<br />
wohl jeder würde ihm ohne nachzudenken<br />
zustimmen. Doch unser Handeln sieht häufig<br />
ganz anders aus. Kurzfristigkeit prägt die Entscheidungen<br />
vieler Unternehmen. Die Erfolgs- und Gewinnerwartungen<br />
müssen sich innerhalb weniger Jahre, zum<br />
Teil innerhalb von Monaten realisieren. Es sind die<br />
jährlichen Bilanzen, die die Börsenkurse bestimmen,<br />
nicht die langfristigen Erfolgsaussichten. Was in der<br />
Wirtschaft der Börsenkurs ist, ist in der Politik die<br />
Wahlprognose. Erfolg muss sich bis zur nächsten Wahl<br />
zeigen, sonst droht die Strafe durch den Wähler, so zumindest<br />
die Befürchtung der Handelnden. Die Folgen<br />
dieser Logiken sind heute unübersehbar: Renditeblasen,<br />
die ganze Volkswirtschaften ins Straucheln bringen,<br />
eine Staatsverschuldung, die die Handlungsfähigkeit<br />
unserer Gemeinwesen über Jahrzehnte gefährdet,<br />
Sozialsysteme, die mitunter ungebremst in die demografische<br />
Falle laufen. Und wir wissen auch, dass unser<br />
Wohlstand auf einem hemmungslosen Verbrauch natürlicher<br />
Ressourcen beruht: Je mehr verbraucht wird,<br />
umso mehr Wohlstand gibt es. Das war und ist noch<br />
immer ein fast allgemeingültiger Zusammenhang. So<br />
kann es nicht weitergehen. Mit einem «Weiter so» des<br />
alten Wachstumspfads steuern wir unweigerlich auf die<br />
Vernichtung unserer natürlichen Lebensgrundlagen<br />
zu, auf einen ungebremsten Klimawandel, auf einen<br />
unwiederbringlichen Verlust natürlicher, aber auch<br />
kultureller Schätze, auf eine Welt der Instabilitäten<br />
und der wirtschaftlichen Verunsicherung. Ist diese Entwicklung<br />
unausweichlich? Ich bin überzeugt: Die Antwort<br />
lautet «nein». Denn wir haben klare Alternativen.<br />
Wir müssen sie nur nutzen.<br />
Politik der Zukunftsverantwortung<br />
Wir können eine stabilere, eine menschlichere,<br />
eine sicherere Ordnung schaffen, wenn wir unser Denken<br />
und Handeln langfristiger orientieren, wenn wir<br />
lernen, politisch nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten<br />
zu denken. Für die Entscheidungen, die wir heute<br />
«Was in der Wirtschaft<br />
der Börsenkurs<br />
ist, ist in der Politik<br />
die Wahlprognose.»<br />
treffen, müssen wir die Lebensbedingungen und Lebensperspektiven<br />
der nächsten Generation zum aktuellen<br />
politischen Entscheidungsmassstab machen. Das<br />
ist ausgesprochen anspruchsvoll und verlangt allen,<br />
der Politik genauso wie den Wählerinnen und Wählern,<br />
grosse politische Reife ab. Aber es ist zwingend notwendig.<br />
Denn gerade das Phänomen des Klimawandels<br />
zeigt: Wir müssen heute antizipierend Entscheidungen<br />
über Entwicklungen treffen, die teilweise erst in Jahrzehnten<br />
eintreten werden, aber nur durch Entscheidungen<br />
heute beeinflusst werden können.<br />
Ein neues Paradigma des Wachstums<br />
Im Mittelpunkt muss bei allem eine Politik für<br />
Wachstum und Fortschritt stehen. Verzicht auf Wachstum<br />
ist nicht die Lösung der Probleme des (post-) industriellen<br />
Zeitalters. Das Grundprinzip der Moderne<br />
ist und bleibt Wachstum. Nur mit Wachstum bleiben<br />
wir zukunftsfähig. Nur so bleibt unsere Gesellschaft<br />
solidarisch, denn es kann nur das verteilt werden, was<br />
auch erwirtschaftet worden ist. Allerdings kommt es<br />
auf eine neue Art des Wachstums an, auf ein Wachstum,<br />
das sich vom Verbrauch endlicher natürlicher Ressourcen<br />
entkoppelt. Die grosse Chance liegt darin, von<br />
einer Ressourcen verbrauchenden zu einer Ressourcen<br />
schonenden Wirtschafts- und Lebensweise zu gelangen.<br />
Aber – und das ist entscheidend – das geht nicht<br />
mit weniger, sondern nur mit mehr technologischem<br />
und wirtschaftlichem Fortschritt. Wachstum und Ressourcenverbrauch<br />
zu entkoppeln ist möglich.<br />
6<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Die Transformation unseres<br />
<strong>Energie</strong>systems<br />
Bis zum Jahr 2050 wollen wir in Deutschland unsere<br />
Treibhausgasemissionen um mindestens 80 Prozent<br />
senken. Gleichzeitig streben wir an, mindestens<br />
80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />
zu gewinnen. Schon 2020 sollen es 35 Prozent sein. Die<br />
<strong>Energie</strong>versorgung von Kohle, Gas, Öl und Kernkraft<br />
auf eine stabile und verantwortbare Grundlage zu stellen,<br />
ist daher das politische Gebot der Stunde, ja der<br />
vor uns liegenden Jahrzehnte. Das ist die Aufgabe einer<br />
<strong>Energie</strong>politik aus den Augen unserer Kinder. Anders<br />
als noch vor 10 oder 20 Jahren verfügen wir heute über<br />
die Möglichkeiten zu einer grundlegenden Transformation<br />
des <strong>Energie</strong>systems. Es ist möglich, aus Wind,<br />
Sonne, Biomasse und Geothermie in grossem Umfang<br />
Strom und Wärme zu erzeugen. Erste Kommunen zeigen,<br />
dass sogar die erneuerbare Selbstversorgung möglich<br />
ist. Längst können wir Strom über lange Distanzen<br />
transportieren. Die Hochspannungsgleichstromtechnik<br />
senkt die Verluste enorm. Mittlerweile ist auch<br />
die Elektromobilität keine reine Zukunftstechnologie<br />
mehr. Sie ist im Jetzt angekommen. Es gibt hunderte,<br />
ja tausende von Ideen, <strong>Energie</strong> einzusparen, und viele<br />
von ihnen rechnen sich.<br />
Dass Vieles geht, heisst natürlich nicht, dass<br />
es von allein geht. Wir wissen, dass die Kosten eines<br />
nachhaltigen <strong>Energie</strong>systems heute noch hoch liegen,<br />
und wir sind uns der technischen Herausforderungen<br />
bewusst, etwa bei der Systemintegration der Erneuerbaren<br />
und der Fortentwicklung von Speichertechnologien.<br />
Wir sind uns auch der politischen Anstrengungen<br />
bewusst, die etwa der Netzausbau mit sich bringt. Und<br />
doch bin ich sicher, dass wir es schaffen werden. Die<br />
Veränderungs- und Innovationsdynamik der letzten<br />
Jahre kann nur ermutigen.<br />
Die Veränderungsdynamik ist gross<br />
Schon heute erzeugen wir ein Fünftel unseres<br />
Stroms aus erneuerbaren Quellen, und die Wachstumsraten<br />
sind enorm. Allein von 2010 auf 2011 ist<br />
ihr Anteil an unserer Stromversorgung um etwa 3<br />
Prozent gestiegen, ein gewaltiger Schritt in nur einem<br />
Jahr. Im Rennen um die <strong>Energie</strong>führerschaft in<br />
Deutschland liegen erneuerbare <strong>Energie</strong>n mittlerweile<br />
auf dem zweiten Platz – noch vor der Kernenergie und<br />
der Steinkohle. Die Entwicklung ist erfreulich, auch<br />
weil sie Ausdruck eines Mentalitätswechsels ist. Eine<br />
immer grössere Zahl von Unternehmen betrachten<br />
Umwelt- und Klimaschutz nicht nur als ein volkswirtschaftliches<br />
Gewinnerthema – dass sich Klimaschutz<br />
volkswirtschaftlich rechnet, lässt sich heute kaum<br />
noch bestreiten –, sie versprechen sich auch betriebswirtschaftliche<br />
Vorteile. In der Tat bietet die <strong>Energie</strong>wende<br />
unseren Unternehmen enorme Chancen, wenn<br />
man sie denn vorausschauend ergreift: Erstens durch<br />
<strong>Energie</strong>- und Rohstoffeffizienz. Steigende <strong>Energie</strong>- und<br />
Rohstoffpreise machen weltweit einen immer höheren<br />
Anteil an den Produktionskosten aus. Insgesamt werden<br />
in Deutschland jährlich Materialien im Wert von<br />
rund einer halben Billion Euro verarbeitet. Wir haben<br />
im produzierenden Gewerbe in Deutschland einen<br />
durchschnittlichen Materialkostenanteil von ca. 45%.<br />
Zum Vergleich: Der Lohnkostenanteil liegt nur bei<br />
ca. 18 Prozent. Wer im internationalen Wettbewerb<br />
bestehen will, muss in die <strong>Energie</strong>- und Rohstoffeffizienz<br />
investieren, denn Effizienz bestimmt den Preis.<br />
Zweitens, weil sich die Umwelt- und Effizienztechnologien<br />
zu einem der Leitmärkte im 21. Jahrhundert<br />
entwickeln. Ihr Weltmarktvolumen liegt bereits heute<br />
bei etwa 2 Billionen Euro – mit Wachstumsraten von<br />
«Schon heute erzeugen<br />
wir ein Fünftel unseres<br />
Stroms aus erneuerbaren<br />
Quellen, und die<br />
Wachstumsraten sind<br />
enorm.»<br />
fünf bis sechs Prozent pro Jahr. Wer möchte an diesen<br />
Chancen nicht partizipieren? Deutsche Unternehmen<br />
sind heute mit einem Weltmarktanteil von 16 Prozent<br />
bereits bestens positioniert.<br />
Vorausschauende Ordnungspolitik<br />
Diese Dynamik müssen wir weiter beflügeln. Nicht<br />
durch hehre Ziele oder feierliche Absichtserklärungen,<br />
und auch nicht durch eine immer weiter um sich greifende<br />
Förderpolitik, sondern indem wir die Kräfte des<br />
Marktes intelligent nutzen. Hierfür müssen wir heute<br />
die erforderlichen Pflöcke einrammen, inhaltlich wie<br />
instrumentell – indem wir einen Ordnungsrahmen<br />
schaffen, der das, was langfristige richtig und notwendig<br />
ist, in kurzfristige Logiken übersetzt. Nur mit einer<br />
vorausschauenden Ordnungspolitik wird es uns gelingen,<br />
zukünftiges Marktversagen – um nichts anderes<br />
handelt es sich auch bei der Umwelt- und Klimakrise<br />
– zu verhindern. Sie muss sich orientieren am Verursacher-<br />
und Vorsorgeprinzip, also ökologische Risiken<br />
berücksichtigen und die Volkswirtschaft auf künftige<br />
Sommer 2012 7
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
«Das Grundprinzip<br />
der Moderne ist und<br />
bleibt Wachstum. Nur<br />
mit Wachstum bleiben<br />
wir zukunftsfähig.»<br />
Knappheiten vorbereiten. Marktkonforme Instrumente<br />
und umweltpolitische Zielvorgaben müssen an die<br />
Stelle von gut gemeinter, aber ineffizienter ökologischer<br />
Detailsteuerung treten, um den Wettbewerb als<br />
Innovationstreiber, Kostensenker und Entdeckungsverfahren<br />
für neue Technologien zu nutzen.<br />
Für einen wirkungsvollen<br />
Emissionshandel<br />
Ein gutes Beispiel dafür ist der Emissionshandel.<br />
Er ist das wichtigste marktwirtschaftliche Instrument,<br />
um das Ziel der CO 2<br />
-Minderung zu erreichen. Der Emissionshandel<br />
beruht auf der Einsicht, dass der Markt<br />
Knappheiten in der Zukunft heute noch nicht erkennt.<br />
Deshalb bedurfte es einer politischen Entscheidung,<br />
um der Emission von Treibhausgas einen Preis zu geben<br />
und damit auch Preissignale auszulösen, die Innovationen<br />
vorantreiben. Den Emissionshandel müssen<br />
wir stärken. Derzeit liegen die Zertifikatspreise niedrig,<br />
auch aufgrund konjunktureller Einbrüche in einigen<br />
EU-Staaten. Wenn sich die EU im Laufe des Jahres<br />
auf eine Anhebung des gemeinsamen Klimazieles, das<br />
heisst auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen<br />
bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent gegenüber 1990,<br />
einigt, wäre die weitere Absenkung des «Caps», also der<br />
Gesamtmenge verfügbarer Emissionszertifikate, die<br />
Folge. Steigende Zertifikatspreise könnten dann den<br />
Innovationsdruck weiter erhöhen, so dass neue Technologien,<br />
deren Blaupausen bereits in den Entwicklungsabteilungen<br />
unserer Unternehmen bereit liegen,<br />
marktfähig würden.<br />
Technologiepolitik für mehr Wettbewerb<br />
Auch in Zukunft werden wir das Erneuerbare-<br />
<strong>Energie</strong>n-Gesetz nutzen, um die erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />
gezielt in den Markt zu bringen. Aber wir müssen<br />
Technologieförderung so ausgestalten, dass sie nicht<br />
wettbewerbsfeindlich, sondern wettbewerbsfördernd<br />
ist. Einspeisevergütungen müssen so bemessen sein,<br />
dass sie technologischen Fortschritt auslösen, aber sie<br />
müssen stetig abgeschmolzen werden, wenn sich Technologien<br />
der Marktfähigkeit nähern. Das Ziel ist, die<br />
Technologien «auf eigenen Füssen» in den Markt zu<br />
entlassen. Alles andere ist weder ökologisch noch ökonomisch<br />
sinnvoll, und auch die sozialen Folgen, eine<br />
übermässige Belastung der Stromkunden, müssen vermieden<br />
werden.<br />
Die <strong>Energie</strong>wende als Modernisierungsund<br />
Bürgerprojekt<br />
Um als Volkswirtschaft langfristig im internationalen<br />
Wettbewerb eine führende Rolle zu spielen, müssen<br />
wir uns unserer Stärken und Chancen bewusst werden<br />
– und diese gezielt nutzen. Ich bin davon überzeugt,<br />
dass die <strong>Energie</strong>wende das entscheidende Innovationsund<br />
Modernisierungsprojekt unserer Volkswirtschaft<br />
sein wird. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, die<br />
effizienteste und ressourcenschonendste Volkswirtschaft<br />
der Welt zu werden. Durch eine <strong>Energie</strong>wende<br />
mit ökonomischem Verstand und sozialer Verantwortung.<br />
Hierfür haben wir eine breite gesellschaftliche<br />
Mehrheit: 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger befürworten<br />
den Ausstieg aus der Kernenergienutzung,<br />
drei Viertel gehen vom Erfolg der <strong>Energie</strong>wende aus.<br />
Ebenso viele erwarten von der <strong>Energie</strong>wende ökonomische<br />
Vorteile. Und: Die <strong>Energie</strong>wende mobilisiert.<br />
Heute ist in ländlichen Räumen neben all jenen, die mit<br />
heimischen Anlagen zu Solarpionieren geworden sind,<br />
schon jeder 20. Einwohner Mitglied eines genossenschaftlichen<br />
<strong>Energie</strong>projekts. Die <strong>Energie</strong>wende ist ein<br />
echtes Gemeinschaftsprojekt. Die Begeisterung zeugt<br />
von der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. So<br />
wird die <strong>Energie</strong>wende gelingen!<br />
Lebenslauf<br />
Dr. Norbert Röttgen wurde<br />
am 2. Juli 1965 in Meckenheim<br />
bei Bonn geboren.<br />
Nach dem Abitur studierte<br />
Röttgen Rechtswissenschaften<br />
und wurde zum<br />
Dr. jur. promoviert. Seit<br />
1994 ist Röttgen Mitglied<br />
des Deutschen Bundestages. Er war rechtspolitischer<br />
Sprecher und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer<br />
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.<br />
Seit Oktober 2010 ist Röttgen Bundesminister<br />
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.<br />
Im November 2010 wurde er zudem an die Spitze<br />
des mitgliederstärksten CDU-Landesverbandes,<br />
der CDU Nordrhein-Westfalen, und zum stellvertretenden<br />
Bundesvorsitzenden der CDU gewählt.<br />
Röttgen ist verheiratet und hat drei Kinder.<br />
8<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Die <strong>Energie</strong>wende<br />
erfolgreich gestalten<br />
Peter Löscher<br />
Vorstandsvorsitzender der Siemens AG<br />
Mehr als ein Jahr ist seit dem grossen Erdbeben<br />
und der dadurch ausgelösten Nuklearkatastrophe<br />
in Japan vergangen.<br />
Auf der ganzen Welt haben das Leid der<br />
Menschen und das Schicksal des Landes grosse Betroffenheit<br />
ausgelöst. Fukushima hat den Risiken der<br />
Kernkraft ein Gesicht gegeben. Das hat nicht nur in<br />
Deutschland, sondern auch anderswo den Blick auf die<br />
Kernenergie verändert – bei Einzelnen, in der Gesellschaft<br />
und in der Politik.<br />
Auch der Schweizer Bundesrat hat nach dem<br />
schweren Unfall im Kernkraftwerk Fukushima am 25.<br />
Mai 2011 mit der neuen <strong>Energie</strong>strategie 2050 den<br />
schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen.<br />
Beide Kammern des Schweizer Parlaments - National-<br />
und Ständerat - haben im vergangenen Herbst die<br />
Pläne der Regierung gebilligt und damit die <strong>Energie</strong>wende<br />
politisch auf den Weg gebracht. Auch in Japan<br />
ist ein Umdenken in der <strong>Energie</strong>politik zu registrieren.<br />
So ist von den 54 Kernkraftwerken, die vor dem 11.<br />
März 2011 rund 30% des japanischen Stromverbrauchs<br />
gedeckt haben, ab dem 5. Mai - wenn mit Tomari-3 auf<br />
der Nordinsel Hokkaido das letzte Kernkraftwerk wegen<br />
Wartungsarbeiten abgeschaltet wird - keines mehr<br />
am Netz. Japan ist zur Zeit quasi nuklear-frei. Statt<br />
weiter mit dem bis dato geplanten Ausbau zu rechnen,<br />
gehen Experten nunmehr von einer moderaten Rückführung<br />
der Kernenergie in Japan und einem beschleunigten<br />
Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n aus; politische<br />
Beschlüsse stehen jedoch noch aus. In Italien hat<br />
die Bevölkerung in einem Referendum Pläne für eine<br />
Wiederaufnahme der Kernenergie abgelehnt.<br />
Innerhalb von anderthalb Jahrzehnten - das erste<br />
der fünf Kernkraftwerke soll 2019 und das letzte<br />
2034 vom Netz gehen – will die Schweiz im Rahmen<br />
der <strong>Energie</strong>strategie 2050 ihre Stromproduktion aus<br />
Kernenergie Schritt für Schritt auf erneuerbare <strong>Energie</strong>n<br />
umstellen. Das ist eine grosse Herausforderung angesichts<br />
der Tatsache, dass Kernenergie rund 40% zur<br />
gesamten Stromproduktion der Schweiz beiträgt. Zur<br />
Sicherung der Versorgung sollen jetzt die erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n (Wind, Sonne, Wasser, Biomasse, Erdwärme)<br />
ausgebaut, der sparsame Umgang mit <strong>Energie</strong> vor allem<br />
durch Effizienzsteigerung bei <strong>Energie</strong>erzeugung,<br />
Die neuartige Fassade der Monte Rosa<br />
Hütte ist in Form eines Bergkristalls<br />
nach dem Thermoskannenprinzip<br />
konstruiert. Damit wird eine<br />
hervorragende Ökobilanz vom Bau<br />
bis zur Entsorgung erreicht. Im<br />
nächsten Entwicklungsschritt soll die<br />
Gebäudeautomatisierungstechnik<br />
das Raumklima abhängig von der<br />
aktuellen Wetterlage und -prognose<br />
regeln – und damit viel <strong>Energie</strong> sparen.<br />
Sommer 2012 9
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Smart-Grid-Technologie hilft durch bidirektionalen <strong>Energie</strong>fluss erneuerbare <strong>Energie</strong>quellen besser ins<br />
Netz zu integrieren. Anders als bei konventionellen Stromversorgungsnetzen steuert ein Smart Grid<br />
auch den Verbrauch – abhängig von der Verfügbarkeit der elektrischen <strong>Energie</strong> im Netz.<br />
-übertragung und -verbrauch verstärkt und die <strong>Energie</strong>forschung<br />
als wichtiger Baustein einer erfolgreichen<br />
<strong>Energie</strong>wende gefördert werden. Die schweizerische<br />
<strong>Energie</strong>politik zielt darauf ab, den Anteil des aus erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n produzierten Stroms bis zum Jahr<br />
2030 um 5.400 GWh oder 10% des heutigen Schweizer<br />
Stromverbrauchs zu erhöhen. Ein Ziel, das auf das Potenzial<br />
der Wasserkraft und einen breiter diversifizierten<br />
<strong>Energie</strong>mix setzt. Schätzungen zufolge könnte alleine<br />
die Solarenergie künftig 20% des <strong>Energie</strong>bedarfs<br />
in der Schweiz abdecken.<br />
Der Ausgangspunkt und damit die Chance für<br />
eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie ist gut, bezieht<br />
doch die Schweiz bereits den grössten Teil der<br />
Elektrizität aus der Wasserkraft und damit aus erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n. Nach Angaben des Schweizer Bundesamtes<br />
für <strong>Energie</strong> (BFE) stammen (Statistik 2007)<br />
rund 55,6% der gesamten Schweizer Stromproduktion<br />
aus erneuerbaren Quellen, wobei mit rund 96,5% der<br />
Grossteil davon aus Wasserkraftwerken stammt.<br />
Doch das alleine wird nicht genügen, um die <strong>Energie</strong>versorgung<br />
in der verfügbaren Zeit umzustellen.<br />
Fossile <strong>Energie</strong>n werden noch eine Zeit benötigt. Neben<br />
Kohle mit CO 2<br />
-Abtrennung eignen sich vor allem<br />
hocheffiziente Gaskraftwerke, um die schwankende<br />
<strong>Energie</strong>produktion der Erneuerbaren zu kompensieren.<br />
Weltmeister in Sachen Effizienz ist das Gas-und-<br />
Dampfturbinen-Kraftwerk, das wir bei E.ON im bayerischen<br />
Irsching installiert haben. Eine Gasturbine<br />
diesen Typs erzeugt im kombinierten Gas- und Dampf-<br />
Betrieb 570 Megawatt <strong>Energie</strong> bei einem Wirkungsgrad<br />
von über 60%, genügend, um eine Million Dreipersonen-Haushalte<br />
mit Elektrizität zu versorgen. Die Gasturbine<br />
SGT5-8000H hat noch einen weiteren Vorteil:<br />
Sie kann sehr schnell hochgefahren werden – 25 Minuten<br />
im Normalstart bis zur Volllast und nur 10 Minuten<br />
im Schnellstart – und so immer dann einspringen,<br />
wenn die Stromerzeugung durch Wind und Sonne dem<br />
Bedarf nicht gerecht werden kann.<br />
Intelligente Netze und <strong>Energie</strong>speicher<br />
Je mehr dezentrale Stromerzeuger auf Basis von<br />
Wind, Solar, Geothermie oder Biogasanlagen in einem<br />
Netz zusammengeschaltet werden, um so höher<br />
werden die Anforderungen an das Management eines<br />
solchen Netzes gegenüber bisherigen Strukturen aus<br />
wenigen Grosskraftwerken. Dezentrale erneuerbare<br />
<strong>Energie</strong>quellen, die vielfach nur fluktuierend verfügbar<br />
sind, können nur dann störungsfrei in das Stromnetz<br />
integriert werden, wenn Verbrauch und Erzeugung laufend<br />
aufeinander abgestimmt werden.<br />
Das Stromnetz der Zukunft wird deswegen ein<br />
intelligentes Netz, ein sogenanntes Smart Grid sein<br />
müssen, das Erzeugung und Verbrauch stabilisiert.<br />
10<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Die Stadtwerke Arbon <strong>Energie</strong> AG, ein lokaler <strong>Energie</strong>versorger<br />
am Schweizer Bodenseeufer, haben<br />
diesen Zusammenhang frühzeitig erkannt und sich<br />
aus einer ganzheitlichen Sicht entschlossen, schrittweise<br />
eine Smart-Grid-Infrastruktur aufzubauen,<br />
die den zukünftigen Anforderungen des <strong>Energie</strong>marktes<br />
gerecht wird. In Zukunft soll zum Beispiel<br />
intelligente Gebäudetechnik automatisch und ohne<br />
Komfortverlust für die <strong>Energie</strong>konsumenten Geräte<br />
ein- und ausschalten können und so den <strong>Energie</strong>verbrauch<br />
und die Kosten für jeden Kunden optimieren.<br />
Die Balance zwischen erneuerbaren und fossilen<br />
<strong>Energie</strong>n sowie dezentralen Kleinanlagen und Grosskraftwerken<br />
funktioniert nur mit Hilfe von <strong>Energie</strong>speichern.<br />
Sie können den überschüssigen Strom von<br />
fluktuierenden <strong>Energie</strong>quellen wie Solar und Wind<br />
kurzfristig zwischenspeichern und bei Bedarf zur<br />
Verfügung stellen. Pumpspeicherkraftwerke alleine<br />
genügen nicht, erst neue Technologien wie Wasserstoffspeicher<br />
sind in der Lage, wirklich grosse Mengen<br />
erneuerbaren Stroms zwischenzuspeichern.<br />
Intelligentes <strong>Energie</strong>sparen<br />
Die Aufgaben sind nicht gering, doch sie sind zu<br />
bewältigen, wenn man die nötigen Massnahmen zügig<br />
einleitet. Die <strong>Energie</strong>strategie 2050 setzt verstärkt auf<br />
<strong>Energie</strong>effizienz und das Potenzial der erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n. Dabei werden die grössten <strong>Energie</strong>-Sparpotenziale<br />
bei Gebäuden und in der Industrie gesehen.<br />
Auch die Bundesverwaltung, die Eidgenössischen Technischen<br />
Hochschulen (ETH) und die halbstaatlichen<br />
Betriebe sollen nach dem Willen der Schweizer Regierung<br />
ihren Teil dazu beitragen, indem sie den <strong>Energie</strong>verbrauch<br />
bis 2020 um 25% reduzieren. Und Vorgaben,<br />
die den EU-<strong>Energie</strong>spar-Richtlinien für elektrische<br />
Haushaltsgeräte entsprechen, hat die Schweiz bereits<br />
eingeführt.<br />
Der sauberste Strom ist noch immer der, der nicht<br />
verbraucht wird. Hier gibt es erhebliche Einsparpotenziale,<br />
etwa in der Industrie: Elektromotoren verbrauchen<br />
heute fast zwei Drittel des industriell genutzten<br />
Stroms, etwa für Antriebe oder Pumpen. Mit <strong>Energie</strong>sparmotoren<br />
und intelligenten Regelungen lässt sich<br />
deren Stromverbrauch um bis zu 60% senken – eine<br />
solche Investition rechnet sich allein durch die <strong>Energie</strong>einsparung<br />
in weniger als zwei Jahren. Auch bei Gebäuden,<br />
die weltweit mit 40% des <strong>Energie</strong>verbrauchs zu<br />
Buche schlagen, lässt sich ebenfalls viel erreichen, etwa<br />
über Wärmedämmung und Wärmepumpen, intelligente<br />
Gebäudetechnik und eine effiziente Beleuchtung.<br />
Auch Haushaltsgeräte bieten ein enormes Einsparpotenzial:<br />
Mit modernen Geräten lässt sich der Stromverbrauch<br />
gegenüber denen aus den 1990er-Jahren mehr<br />
In Zukunft kann man seinen Stromverbrauch mittels<br />
einer iPhone-App kontrollieren und bei bedarf elektrische<br />
Verbraucher über Funksteckdosen ein- und ausschalten.<br />
als halbieren. Die Leistungsfähigkeit moderner Gebäudetechnik<br />
zeigt beispielhaft das Leuchtturmprojekt<br />
«Monte Rosa Hütte», das Siemens in enger Zusammenarbeit<br />
mit der ETH Zürich entwickelt hat. Eine eigenständige<br />
<strong>Energie</strong>- und Wasserversorgung, eine neuartige<br />
Fassade nach dem Thermoskannenprinzip sowie die<br />
hervorragende Ökobilanz vom Bau bis zur Entsorgung<br />
machen die neue Monte-Rosa-Hütte zu einem ökologischen<br />
Vorreiter, der seinesgleichen sucht. Im nächsten<br />
Entwicklungsschritt soll das Gebäudeautomationssystem<br />
selbständig Belegungszahlen und Wetterprognosen<br />
berücksichtigen, um den <strong>Energie</strong>verbrauch und<br />
damit auch die Betriebskosten der zu 90% energie-autarken<br />
Berghütte nochmals deutlich zu reduzieren.<br />
Neben dem erheblichen <strong>Energie</strong>verbrauch nicht<br />
sanierter Gebäude belastet auch der zunehmende Verkehr<br />
vor allem in den Städten unser Klima. Er ist mit<br />
rund 20% an den globalen Treibhausgas-Emissionen<br />
beteiligt. Laut einer Studie von Shell wird sich die Anzahl<br />
der Pkws bis 2030 auf etwa 1,4 Milliarden verdoppeln.<br />
Auch die Schweizer Road Map Elektromobilität<br />
setzt auf Elektrofahrzeuge als Transportmittel der Zukunft.<br />
Drei Top-Prioritäten wurden definiert, nach denen<br />
erstens bis 2020 eine landesweite Ladeinfrastruktur<br />
für einen Anteil von 10% bis 30% Elektrofahrzeuge<br />
aufgebaut werden soll, zweitens die Elektrifizierung<br />
von 25% bis 50% der betrieblichen Fahrzeugflotten<br />
und drittens ein Anteil von 10% bis 30% Elektrofahrzeuge<br />
erreicht sein soll.<br />
Es genügt jedoch nicht, die Aufmerksamkeit alleine<br />
auf einen Verkehrsträger zu richten. Zur Verbesserung<br />
des Verkehrssystems insgesamt sind ganzheitliche<br />
Ansätze nötig. Deswegen verfolgt Siemens den<br />
integrierten Ansatz der Complete Mobility, bei dem alle<br />
Verkehrsträger eng vernetzt sind. Im Verkehrssystem<br />
der Zukunft kann der Nutzer nicht nur alle Fahrpläne<br />
Sommer 2012 11
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
der Verkehrsmittel Zug, Bus, Bahn, Flugzeug wie auch<br />
die aktuelle Verkehrssituation auf den Strassen über<br />
sein Smartphone in Echtzeit von einen Verkehrsserver<br />
abrufen, er erhält auch Vorschläge für seine optimale<br />
individuelle Route und kann die nötigen Tickets gleich<br />
online buchen. Die Vorteile: weniger Staus und Reiseverzögerungen.<br />
Ein erster Prototyp wurde Ende 2011<br />
auf dem 6. Deutschen Nationalen IT Gipfel in München<br />
präsentiert. Das bereits stark vernetzte Verkehrssystem<br />
der Schweiz bietet hierfür ideale Ansatzpunkte.<br />
Eine Chance für den Standort<br />
<strong>Energie</strong>ministerin Frau Doris Leuthardt bemerkte<br />
zutreffend auf dem zweitägigen Stromkongress in Bern<br />
diesen Januar, die Wirtschaft verliere an Wettbewerbsfähigkeit,<br />
wenn die Schweiz ihr <strong>Energie</strong>versorgungsund<br />
Stromsystem nicht erneuere und die Bevölkerung<br />
büsse in der Folge an Lebensqualität ein. Sie forderte<br />
die Experten und die Wirtschaft auf, mit ihrem Fachwissen<br />
die <strong>Energie</strong>wende in der Schweiz einzuleiten,<br />
die <strong>Energie</strong>effizienz aller Anwendungen zu steigern,<br />
in erneuerbare <strong>Energie</strong> zu investieren und den Weg in<br />
eine neue umweltschonende <strong>Energie</strong>versorgung der<br />
Schweiz aufzuzeigen. Siemens stellt sich dieser Herausforderung<br />
mit Nachdruck und ist seit Jahren führend<br />
bei umweltfreundlichen Technologien. Im vergangenen<br />
Jahr haben wir mit Umwelttechnologien fast 30 Milliarden<br />
Euro umgesetzt und unseren Kunden geholfen,<br />
den jährlichen Kohlenstoffdioxidausstoss um rund 317<br />
Millionen Tonnen zu reduzieren.<br />
Die <strong>Energie</strong>wende setzt ein grosses Vertrauen in<br />
die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit des<br />
Projekts, sie ist zugleich auch Herausforderung an die<br />
Innovationsfähigkeit auf den Gebieten der Stromerzeugung,<br />
Netztechnologien und <strong>Energie</strong>effizienz, die<br />
Siemens als führendes Unternehmen der <strong>Energie</strong>technik<br />
gerne annimmt. Ich habe die <strong>Energie</strong>wende schon<br />
einmal als ein «Jahrhundertprojekt voller Chancen»<br />
bezeichnet. Das ist sie auch. Sie ist eine grosse Chance<br />
für die Länder und den weiteren Ausbau ihrer starken<br />
Position auf dem Weltmarkt für <strong>Energie</strong>effizienz- und<br />
Umwelttechnologien. Alleine in Deutschland liegt nach<br />
dem Leitszenario des Bundesministeriums für Umwelt,<br />
Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) das zu erwartende<br />
Investitionsvolumen für die Erneuerung des<br />
Kraftwerkparks, in neue Stromnetze und den Ausbau<br />
der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n in einer Grössenordnung<br />
von rund 20 Milliarden Euro jährlich.<br />
Vernetztes Denken gefordert<br />
Wer den Erfolg der <strong>Energie</strong>wende will, muss in<br />
grösseren Zusammenhängen denken, für Europa und<br />
die Regionen darüber hinaus. Der <strong>Energie</strong>fahrplan<br />
2050 von EU-<strong>Energie</strong>kommissar Oettinger enthält<br />
nicht nur die wichtigen Elemente für die <strong>Energie</strong>wende<br />
- breiter <strong>Energie</strong>mix, Windparks On- und Offshore,<br />
wo der Wind ergiebig weht, und Solar da, wo die Sonnenintensität<br />
höher ist als in unseren Breiten - er legt<br />
auch dar, dass ein europäisch koordiniertes Vorgehen<br />
anzustreben und zu erreichen ist. Das ermöglicht<br />
frühzeitige Investitionen und vermeidet eine Fehlallokation<br />
von Ressourcen, auch weil die Grössenvorteile<br />
des europäischen Marktes genutzt werden können.<br />
Rasches und entschiedenes Handeln ist also von<br />
allen Beteiligten gefragt, den Verantwortlichen in Politik<br />
und Gesellschaft genauso wie in der Industrie. Eine<br />
übergreifende Koordination der <strong>Energie</strong>wende, die in<br />
enger Verzahnung zwischen den dazu entschlossenen<br />
Ländern und mit der EU die nötigen Schritte plant,<br />
vorgibt und deren zeitliche wie inhaltliche Einhaltung<br />
taktet, ist für den Erfolg der <strong>Energie</strong>wende im vorgegebenen<br />
Zeitraum unerlässlich.<br />
Grossprojekte wie die <strong>Energie</strong>wende erfordern<br />
einen Schulterschluss von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft<br />
und bieten damit auch die Chance für demokratische<br />
Partizipation. Standorte für neue (Wind-)<br />
Kraftwerke oder Leitungstrassen müssen bereits im<br />
Vorfeld öffentlich geplant und diskutiert, dann aber<br />
auch zügig entschieden und umgesetzt werden. In einer<br />
gemeinsamen Kraftanstrengung kann dieses Jahrhundertprojekt<br />
gelingen. Die grosse Chance zur Erneuerung<br />
der <strong>Energie</strong>basis unserer Nationen in einem<br />
europäischen Masterplan und ein dadurch ausgelöster<br />
Innovationsschub birgt ein grosses Wachstumspotenzial,<br />
das wir entschlossen wahrnehmen sollten. Davon<br />
profitieren wir alle, Bürger, Länder, Wirtschaftsstandorte,<br />
Natur und Umwelt. Die Chance ist da – wir sollten<br />
sie jetzt ergreifen.<br />
Lebenslauf<br />
Peter Löscher wurde am<br />
17. September 1957 in Villach<br />
in Österreich geboren.<br />
Nach seinem Abitur studierte<br />
er Ökonomie an der<br />
Universität Wien und an<br />
der Chinese University of<br />
Hong Kong. Seit 2007 ist<br />
Peter Löscher Vorstandsvorsitzender bei der Siemens<br />
AG. 2008 erhielt er den Ehrendoktortitel in<br />
Ingenieurswissenschaften von der Michigan State<br />
University und ist seit 2011 Honorarprofessor an<br />
der Tongji University in China.<br />
12<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
The silent Energy<br />
[R]evolution<br />
20 years in the making – 40 years to go<br />
Sven Teske<br />
Director of the Greenpeace Renewable Energy Campaign<br />
The bright future for renewable energy is already<br />
under way. This new Greenpeace analysis<br />
of the global power plant market shows<br />
that since the late 1990s wind and solar<br />
installations grew faster than any other power plant<br />
technology across the world - about 430,000 MW total<br />
installed capacity between 2000 and 2010. However, it<br />
is too early to claim the end of the fossil fuel based power<br />
generation, as at the same time more than 475,000<br />
MW new coal power plants, with embedded cumulative<br />
emissions of over 55 bn tonnes CO 2<br />
, are over their technical<br />
lifetime.<br />
The global market volume of renewable energies<br />
in 2010 was on average, as much as the total global<br />
energy market volume each year between 1970 and<br />
2000. The window of opportunity for renewables to<br />
both dominate new installations replacing old plants<br />
in OECD countries, as well as ongoing electrification<br />
in developing countries, closes within the next years.<br />
Good renewable energy policies and legally binding CO 2<br />
reduction targets are urgently needed.<br />
Between 1990 and 2000, the global power plant<br />
industry went through a series of changes. While OECD<br />
countries began to liberalise their electricity markets,<br />
Global Power Plant Market 1970 - 2010<br />
Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />
Sommer 2012 13
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Global power plant market 1970 - 2010 (excluding China)<br />
Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />
electricity demand did not match previous growth, so<br />
fewer new power plants were built. Capital-intensive<br />
projects with long payback times such as coal and nuclear<br />
power plants were unable to get sufficient financial<br />
support. The decade of gas power plants started.<br />
Economies of developing countries, especially in<br />
Asia, started growing during the 1990s, and a new wave<br />
of power plant projects began. Similarly to the US and<br />
Europe, most of the new markets in the ‘tiger states’ of<br />
Southeast Asia partly deregulated their power sectors.<br />
A large number of new power plants in this region were<br />
built from Independent Power Producers (IPPs), who<br />
sell the electricity mainly to state-owned utilities. The<br />
dominating new built power plant technology in liberalised<br />
power markets are gas power plants. However,<br />
over the last decade, China focused on the development<br />
of new coal power plants. Excluding China, the global<br />
power plant market has seen a phase-out of coal since<br />
the late 1990s; the growth is in gas power plants and<br />
renewables, particularly wind.<br />
«Since the year<br />
2000, the wind<br />
power market<br />
gained a growing<br />
market share.»<br />
Power plant markets in the<br />
US, Europe and China<br />
Electricity market liberalisation has a great influence<br />
on the chosen power plant technology. While<br />
the power sector in the US and Europe moved towards<br />
deregulated markets, which favour mainly gas power<br />
plants, China added a large amount of coal until 2009,<br />
with the first signs for a change in favour of renewables<br />
in 2009 and 2010.<br />
US: The liberalisation of the power sector in the<br />
US started with the Energy Policy Act 1992, and became<br />
a game changer for the entire power sector. While<br />
the US in 2010 is still far away from a fully liberalised<br />
electricity market, the effect on the chosen power plant<br />
technology has changed from coal and nuclear towards<br />
gas and wind. Since 2005, a growing number of wind<br />
power plants make up an increasing share of the new<br />
installed capacities as a result of mainly state based RE<br />
support programmes.<br />
Europe: About five years after the US began deregulating<br />
the power sector, the European Community<br />
started a similar process. Once again, the effect on the<br />
power plant market was the same. Investors backed<br />
fewer new power plants and extended the lifetime of<br />
the existing ones. New coal and nuclear power plants<br />
have seen a market share of well below 10% since than.<br />
The growing share of renewables, especially wind and<br />
solar photovoltaic, are due to a legally-binding target<br />
for renewables and the associated renewable energy<br />
14<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
USA: annual power plant market 1970 - 2010<br />
Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />
Europe (EU 27): annual power plant market 1970 - 2010<br />
Source: Platts, IEA, Breyer, Teske<br />
China: annual power plant market 1970 - 2010<br />
Source: Platts, IEA, Breyer, Teske, China Energy Bureau<br />
Sommer 2012 15
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
feed-in laws which are in force in several member states<br />
of the EU 27 since the late 1990s. Overall, new installed<br />
power plant capacity jumped to a record high, due to<br />
the repowering needs of the aged power plant fleet in<br />
Europe.<br />
China: The steady economic growth in China<br />
since the late 1990s, and the growing power demand,<br />
led to an explosion of the coal power plant market, especially<br />
after 2002. In 2006 the market hit the peak year<br />
for new coal power plants: 88% of the newly installed<br />
coal power plants worldwide were built in China. At the<br />
same time, China is trying to take its dirtiest plants<br />
offline, within 2006~2010, total 76,825 MW of small<br />
coal power plants were phased out under the «11th Five<br />
Year» programme. While coal still dominates the new<br />
added capacity, wind power is rapidly growing as well.<br />
Since 2003 the wind market doubled each year and<br />
was over 18,000 MW 1 by 2010, 49% of the global wind<br />
market. However, coal still dominates the power plant<br />
market with over 55 GW of new installed capacities in<br />
2010 alone. The Chinese government aims to increase<br />
investments into renewable energy capacity, and during<br />
2009, about US$ 25.1 billion (RMB 162.7 billion)<br />
went to wind and hydro power plants which represents<br />
44% of the overall investment in new power plants, for<br />
«China is responsible<br />
for one third of worldwide<br />
energy sector jobs<br />
in 2015»<br />
the first time larger than that of coal (RMB 149.2 billion),<br />
and in 2010 the figure was US$ 26 billion (RMB<br />
168 billion) – 4.8% more in the total investment mix<br />
compared with the previous year 2009.<br />
The global market shares<br />
in the power plant market:<br />
Renewables gaining ground<br />
Since the year 2000, the wind power market gained<br />
a growing market share within the global power plant<br />
market. At this time only a handful of countries, namely<br />
Germany, Denmark and Spain, dominated the wind<br />
Global: Annual power plant market - the past 40 years and a projection of the next 40 years<br />
Source: Platts, IEA, Breyer, Teske, DLR<br />
1 While the official statistic of the Global and Chinese Wind Industry<br />
Associations (GWEC/CREIA) adds up to 18,900 MW for<br />
2010, the National Energy Bureau speaks about 13,999 MW.<br />
Differences between sources are due to the time of grid connection,<br />
as some turbines have been installed in the last months of<br />
2010, but have been connected to the grid in 2011.<br />
16<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
market, but the wind industry now has projects in over<br />
70 countries around the world. Following the example<br />
of the wind industry, the solar photovoltaic industry<br />
experienced an equal growth since 2005. Between 2000<br />
and 2010, 26% of all new power plants worldwide were<br />
renewables – mainly wind – and 42% gas power plants.<br />
So, two-thirds of all new power plants installed globally<br />
are gas power plants and renewables, with close<br />
to one-third as coal. Nuclear remains irrelevant on a<br />
global scale with just 2% of the global market share.<br />
About 430,000 MW of new renewable energy capacity<br />
has been installed over the last decade, while 475,000<br />
MW of new coal, with embedded cumulative emissions<br />
of more than 55 billion tonnes CO 2<br />
over their technical<br />
lifetime, came online – 78% or 375,000 MW in China.<br />
Global: Regional breakdown of C0 2<br />
emissions in<br />
the advanced energy [R]evolution in 2050<br />
The advance Energy [R]evolution Scenario has a<br />
key target for the reduction of worldwide carbon dioxide<br />
emissions down to a level of around 3.5 gigatonnes<br />
a year by 2050 and takes a rather radical approach to<br />
put the emergency brakes on global emissions. It therefore<br />
assumes much shorter technical lifetimes for coalfired<br />
power plants - 20 years instead of 40 years. To fill<br />
the resulting gap, the annual growth rates of renewable<br />
energy sources, especially solar photovoltaic, wind and<br />
concentrating solar power plants, have therefore been<br />
increased. The advanced scenario also considers population<br />
and economic growth equal to the IEA World Energy<br />
Outlook 2010.<br />
In the advanced scenario, the latest market development<br />
projections of the renewable industry 2 have<br />
Global: C0 2<br />
emissions by sector in the advanced<br />
energy [R]evolution<br />
The future of the Energy [R]evolution<br />
While the trends of the renewable energy markets<br />
– especially for wind, solar photovoltaic and concentrated<br />
solar power – are very promising and a double<br />
digit growth has been maintained over the past decade,<br />
the next years will decide whether the world will move<br />
towards a 100% renewable energy supply.<br />
For seven years, Greenpeace, the European Renewable<br />
Energy Council and the German Space Agency<br />
(DLR) have published global, regional and national energy<br />
scenarios – the Energy [R]evolution - which uses<br />
the International Energy Agency’s (IEA) World Energy<br />
Outlook business as usual scenario as a reference scenario.<br />
In the first global edition published in 2007, a<br />
global renewable energy installed capacity of 156 GW<br />
by 2010 was projected, a figure that was already reached<br />
by the wind sector alone in 2009. It is evident that the<br />
energy revolution is under way and this will form a major<br />
role in combating climate change. The economics of<br />
renewables will further improve as they develop technically,<br />
as the price of fossil fuels continues to rise and the<br />
saving of carbon dioxide emissions is given a monetary<br />
value.<br />
been calculated for all sectors. The speedier uptake of<br />
electric vehicles, combined with the faster implementation<br />
of smart grids and expanding super grids (about<br />
10 years ahead of the basic version) allows a higher<br />
share of fluctuating renewable power generation (photovoltaic<br />
and wind). The threshold of a 40% proportion<br />
of renewables in global primary energy supply<br />
will therefore be passed just after 2030 (also 10 years<br />
ahead). By contrast, the quantity of biomass and large<br />
hydro power remain the same in both Energy [R]evolution<br />
scenarios, for sustainability reasons.<br />
Future investment<br />
It would require US$ 18.2 trillion in global investment<br />
for the advanced Energy [R]evolution scenario to<br />
become reality - approximately 60% higher than in the<br />
reference scenario (US$ 11.2 trillion). Under the Reference<br />
version, the levels of investment in renewable<br />
energy and fossil fuels are almost equal about US$ 5<br />
trillion each up to 2030. Under the advanced scenario,<br />
however, the world shifts about 80% of investment<br />
towards renewables; by 2030 the fossil fuel share of<br />
power sector investment would be focused mainly on<br />
2 See EREC, RE-Thinking 2050, GWEC, EPIA et all<br />
Sommer 2012 17
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
combined heat and power and efficient gas-fired power<br />
plants. The average annual investment in the power<br />
sector under the advanced Energy [R]evolution scenario<br />
between 2007 and 2030 would be approximately $<br />
782 billion. Because renewable energy has no fuel costs,<br />
however, the fuel cost savings in the advanced Energy<br />
[R]evolution scenario reach a total of $ 6.5 trillion, or $<br />
282 billion per year.<br />
Development of CO 2<br />
emissions<br />
While CO 2<br />
emissions worldwide will increase<br />
by more than 60% under the Reference scenario up<br />
to 2050, and are thus far removed from a sustainable<br />
development path, under the advanced Energy<br />
[R]evolution scenario they will decrease from 27,400<br />
million tonnes in 2007 to 3,700 in 2050, 82% below<br />
1990 levels. Annual per capita emissions will drop<br />
from 4.1 tonnes/capita to 0.4 t/capita. In spite of the<br />
phasing out of nuclear energy and a growing electricity<br />
demand, CO 2<br />
emissions will decrease enormously in<br />
the electricity sector. In the long run efficiency gains<br />
and the increased use of renewable electric vehicles, as<br />
well as a sharp expansion in public transport, will even<br />
reduce CO 2<br />
emissions in the transport sector. With a<br />
share of 42% of total emissions in 2050, the transport<br />
sector will reduce significantly but remain the largest<br />
source of CO 2<br />
emissions - followed by industry and<br />
power generation.<br />
Policies to maintain and expand<br />
the Energy [R]evolution 3<br />
Financing renewable power projects differs from<br />
financing coal or nuclear projects. While most of the RE<br />
projects are in the range of a few kilowatt and a double<br />
digit Megawatts – the finance volume is much smaller<br />
and the number of projects are far bigger compared to a<br />
few but very large scale (1000 MW and more) coal power<br />
plant projects. However the policy requirements are<br />
similar: The RE project developers need to have confidence<br />
that the entire electricity which can be generated<br />
from a project e.g. a wind farm, can be sold at a certain<br />
(minimum) price and that the access to the grid is<br />
guaranteed over the entire financing time of the power<br />
plants. This is on a par with the coal power plant finance<br />
Global: Employment under different scenarios for the energy industry (2015 - 2030)<br />
3 Source: REN 21 – Renewable Status Report 2010<br />
18<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
«Employment growth<br />
in renewable energy<br />
is so strong that<br />
there is a net gain of<br />
4.1 million jobs by<br />
2030.»<br />
concept for Independent Power Producer (IPPs), which<br />
requires a power purchase contract over the given timeframe<br />
to finance it and a guarantee for grid connection.<br />
Power plants cannot be financed on the basis of stock<br />
market prices, or on the basis of tradeable CO 2<br />
or RE<br />
certificates, if there is no guaranteed minimum price<br />
fixed, as this is not bankable. Multi-million dollar investments<br />
need reliable and secure income projections.<br />
Therefore, Greenpeace demands a feed-in tariff<br />
system – with a guaranteed buy back tariff in combination<br />
with a guaranteed and priority access to the<br />
grid. The only difference between the power purchase<br />
contract for IPPs is that the tariff is not negotiated between<br />
the IPP and the grid operator and/or utility, but<br />
‘standardised’ as small business cannot negotiate with<br />
grid operators. Feed-in tariffs are by far the most cost<br />
effective mechanisms to phase in renewables, which<br />
has been proven since the start of the wind industry<br />
in the early 1990s in Germany. Trading systems always<br />
lead to higher costs, as they add an additional ‘layer’<br />
– the traders – between the grid operator and the project<br />
developer and/or power plant operator. Traders add<br />
additional costs to the project that are not needed to<br />
implement RE and only represent an unnecessary burden<br />
for electricity bills.<br />
The Energy [R]evolution<br />
invests in jobs, not fuels<br />
If the reference scenario becomes reality, the<br />
amount of jobs in the power sector would remain on<br />
today’s level until 2030. This is despite an increase<br />
in electricity generation from coal to 40% by 2030<br />
under the reference case. The main reason is that as<br />
prosperity and labour productivity increase, jobs per<br />
MW decrease. This is reflected in the ‘regional adjustments’,<br />
which model how electricity generation tends<br />
to be more labour intensive in poorer countries than<br />
in wealthier ones. This change, based on increasing living<br />
standards in the developing world, accounts for two<br />
thirds of the reduction in coal jobs in developing countries.<br />
China is responsible for one third of worldwide<br />
energy sector jobs in 2015, more than three quarters<br />
in coal power. The change in China’s regional adjustment<br />
accounts for about 200,000 of the coal job losses<br />
projected in the reference scenario. A small expansion<br />
of the renewables sector would not counteract these<br />
losses. Jobs would not return to their 2010 levels, even<br />
combined with a 50% expansion in gas capacity.<br />
The Energy [R]evolution scenario also has job losses<br />
in coal generation, because growth in capacity is almost<br />
zero. However, employment growth in renewable<br />
energy is so strong that there is a net gain of 4.1 million<br />
jobs by 2030, relative to the 2015 reference case.<br />
The advanced case will lead to 8.5 million jobs in the<br />
renewables sector, compared to only 2.4 million in the<br />
reference case. In both Energy [R]evolution scenarios<br />
we have been cautious in the calculations and applied<br />
‘decline factors’ to represent how jobs per unit of energy<br />
can decrease over time, making the Greenpeace<br />
projections lower than in other studies. It may be the<br />
case, for example, that job creation per GWh (gigawatt<br />
hours) in energy efficiency could increase as energy<br />
efficiency options are all ‘used up’. While the Energy<br />
[R]evolution Scenarios have higher investment volumes<br />
than the reference scenarios, the actual power<br />
generation costs are on an equal level until 2030, and<br />
drop sharply after that as the majority of the power<br />
plants are written off and produce marginal costs –<br />
with no fuel costs involved. However, the ER is more<br />
labour intensive than the reference scenario, as the ER<br />
invests in people, not fuel.<br />
About the Author<br />
Sven Teske is a Diploma<br />
Engineer (Dipl.-Ing.) and<br />
Director of the Greenpeace<br />
Renewable Energy Campaign.<br />
Originally he developed<br />
the concept for a<br />
green utility and founded<br />
«Greenpeace energy eG» –<br />
Germany’s only cooperative in the power sector.<br />
Greenpeace Energy eG today employs 50 people<br />
and supplies 90.000 customers in Germany and<br />
Luxembourg with green electricity. Sven Teske is<br />
the project leader for the World Energy Scenario<br />
«Energy [R]evolution: A sustainable World Energy<br />
Outlook». The Energy [R]evolution is an independently<br />
produced report that provides a practical<br />
blueprint for how to half global CO 2<br />
emissions,<br />
while allowing for an increase in energy consumption<br />
by 2050.<br />
Sommer 2012 19
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Toward a Distributed-<br />
Power World<br />
Dr. Harald Rubner<br />
Senior Partner and Managing Director Boston Consulting Group<br />
Renewables and Smart Grids Will<br />
Reshape the Energy Sector<br />
Europe’s power utilities are entering a period<br />
of great uncertainty and change, with seismic<br />
shifts transforming the energy landscape.<br />
Energy security concerns and related worries<br />
about price and political volatility are driving governments<br />
across Europe to reexamine the source of energy<br />
supplies. Meanwhile, the climate imperative has moved<br />
up the agenda, with European policymakers expressing<br />
clear political support for the move to a low-carbon society.<br />
European Union targets for 2020 aim at reducing<br />
greenhouse gas emissions by at least 20 percent from<br />
1990 levels, applying energy-efficiency approaches to<br />
cut usage by 20 percent compared with projected levels,<br />
and having 20 percent of EU energy consumption<br />
come from renewable sources – collectively known as<br />
the 20-20-20 targets.<br />
«The current model is<br />
no longer sustainable.»<br />
To achieve these ambitious targets, the old centralized<br />
systems that deliver a one-way supply of electricity<br />
to consumers will be increasingly displaced by localized<br />
generation, and the future power landscape will include<br />
a larger proportion of small-scale sources, such as cogeneration<br />
through combined heat and power (CHP)<br />
plants. Moreover, some energy will be produced by consumers<br />
themselves, through a distributed network of<br />
power that incorporates everything from rooftop wind<br />
turbines and solar panels to CHP microplants (micro-<br />
CHPs) in consumers‘ cellars.<br />
In the process, conventional power generation will<br />
assume a less prominent position in the hierarchy of<br />
energy technologies. Utilities will need to develop new<br />
business models to maintain the profitability of traditional<br />
power generation. These will include increasing<br />
the flexibility of their generation fleet, or power plants,<br />
to enable them to profit from price fluctuations and,<br />
potentially, from fees for providing backup capacity.<br />
They will also need to invest in smaller decentralized<br />
technologies, «smart» flexible power plants, and sophisticated<br />
energy-management systems.<br />
Disruptive power changes<br />
Today, the electricity value chain is structured<br />
as a sequential, centrally organized process—from<br />
generation to retail. Large power plants are scattered<br />
across Europe’s major centers of consumption, feeding<br />
power through the grid. Business models of utilities<br />
have been based on the premise that utilities provide a<br />
simple commodity, with operational strategies focused<br />
on reliability of supply, one-way flow of power from<br />
provider to consumer, and energy sales that use simple<br />
«all-you-can-eat» pricing structures for private customers.<br />
Under this old model, companies have been able to<br />
prosper, achieving high generation margins on the back<br />
of rapid economic growth and soaring commodity and<br />
energy prices.<br />
This model is no longer sustainable. In order to<br />
maintain the current system, utilities would need to<br />
invest heavily in the renewal of their aging infrastructure.<br />
Studies of the utilities in Germany forecast investments<br />
of €40 billion to €50 billion for the renewal of<br />
the conventional generation fleet by 2020. However,<br />
the political drive toward cleaner energy is creating<br />
barriers to the construction of new power plants. These<br />
barriers are driven both by resistance to new large-scale<br />
plants and the challenges to profitability resulting from<br />
fewer expected running hours.<br />
At the same time, an increasing share of renewable<br />
and other forms of decentralized energy is entering the<br />
power supply. The Boston Consulting Group projects<br />
major growth in wind power, solar-photovoltaic (PV)<br />
power, and CHP (combined heat and power) in the European<br />
Union’s 27 member states (the EU-27) by 2020,<br />
and that decentralized generation will account for as<br />
much as 40 percent of the installed base by that date.<br />
20<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
BCG has developed a «distributed-world scenario»<br />
to demonstrate the impact on traditional power generation,<br />
based on the following four assumptions:<br />
I. By 2020, the EU-27 will be increasingly functioning<br />
as a single market for power. Northwestern<br />
Europe will be acting as a de facto «copper plate»,<br />
with countries physically linked by high-voltage<br />
transmission lines, or interconnectors.<br />
II.<br />
Renewables and other forms of decentralized<br />
generation will be backed by strong regulatory<br />
support in the form of feed-in tariffs for CHP and<br />
renewables.<br />
III. Flat power demand will be driven by further<br />
deindustrialization in Europe and concentrated<br />
efforts to increase energy efficiency.<br />
IV. There will be a moderate rise in commodity prices.<br />
Some of the renewable-energy sources present<br />
operational challenges, however. The forces of nature<br />
(wind power and solar PV) are intermittent, providing<br />
a variable energy supply with both predictable (daynight<br />
and seasonal) fluctuations and unpredictable<br />
fluctuations driven by medium-term weather conditions<br />
and forecast errors. Such intermittency will require<br />
complex power-balancing mechanisms that use<br />
alternative capacity – including conventional generation<br />
and energy storage – to fill supply gaps.<br />
Distributed Generation<br />
Without the introduction of balancing mechanisms<br />
to manage the troughs and peaks of supply and<br />
demand, the gradual increase in renewable-energy<br />
sources and distributed generation will reach a limit,<br />
threatening the stability of the power supply. This will<br />
create extreme variations in prices between the times<br />
when renewable-energy operators are feeding the system<br />
and the times when conventional plants step in.<br />
The pricing mechanism for the mid-merit plants could<br />
also move toward a flexible-capacity model rather than<br />
a production-driven model. The balancing mechanisms<br />
needed to stabilize the power supply will include expansion<br />
of transmission lines and the introduction of energy<br />
storage systems, as well as smart grids that enable<br />
sophisticated demand-side management. In addition,<br />
conventional power plants – if they can acquire new<br />
levels of flexibility – will play a critical role in providing<br />
backup capacity.<br />
When it comes to balancing fluctuating renewable<br />
and managing local power generation, new market<br />
roles are likely to emerge for transmission system operators<br />
and distribution system operators. Distribution<br />
grids could take over a larger share of the responsibility<br />
for balancing the power supply and resort to balancing<br />
themselves only through the transmission grid (see figure<br />
below).<br />
Assumption: Household with 3.5 MWh annual consumption; power price 15 ct/kWh without taxes<br />
(Source: BCG analysis based on assessment of pilot projects in USA and detailed study for Denmark)<br />
Sommer 2012 21
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
IT, which is one of the most significant form of<br />
infrastructure supporting a low-carbon world, has not<br />
traditionally been associated with the power generation<br />
sector. Smart grids carrying data and communications<br />
serve three main functions:<br />
I. Smart distribution grids are able to manage the<br />
increasing share of reverse-flow power resulting<br />
from a high proportion of electricity generated<br />
on a decentralized basis.<br />
II.<br />
Armed with wireless digital technology, the humble<br />
electricity meter becomes a powerful tool in<br />
energy management, facilitating real-time monitoring<br />
of consumption and allowing utilities to<br />
use pricing signals to influence that consumption.<br />
III. By dispatching and optimizing generation and<br />
consumption, smart grids can compensate for<br />
imbalances in the distribution grid.<br />
Despite its central role in facilitating demand-side<br />
management, the smart grid has its limitations when<br />
it comes to balancing fluctuating power sources. Pricing<br />
incentives can persuade consumers to shift some<br />
of their demand to off-peak periods, but most loads<br />
cannot be deferred for long periods of time. Moreover,<br />
demand-side management, which involves greater visibility<br />
of consumption patterns, raises issues of privacy<br />
and questions about what utilities should be allowed<br />
to do with the data they collect. Finally, the success of<br />
demand-side management relies on changes in consumption<br />
patterns, which depend on whether pricing<br />
incentives are sufficient to encourage consumers to use<br />
power at less convenient times of the day or night. For<br />
this reason, another technology – electricity storage –<br />
will be needed to assist in balancing intermittent power<br />
sources. At present, few credible forms of the technology<br />
have emerged, largely because the financial incentives<br />
for aggressive investments are absent. However,<br />
as the share of electricity from renewable rises, the<br />
pressure to develop better energy storage will increase.<br />
New Business Models<br />
«New entrants to the<br />
power sector include<br />
players in the IT sector.»<br />
New entrants to the power sector include players<br />
in the IT sector, with smart-grid and other energy<br />
start-ups joining established companies in the rush to<br />
capitalize on changes in the power landscape. These<br />
companies are focused on systems that provide the «intelligence»<br />
needed to facilitate smart-grid behavior, including<br />
power-routing, flow optimization, and pricing<br />
for feed-in and consumption. Some of the new players<br />
are also managing power distribution between centralized<br />
and decentralized producers, enabling quick responses<br />
to load changes. At the same time, established<br />
companies from the IT sector – such as IBM, SAP, and<br />
Cisco Systems – are focusing on energy in order to<br />
participate in distributed-power markets. Google, the<br />
search engine giant, is also offering a power-meter software<br />
product to track energy efficiency and has applied<br />
for an energy-trading license in the United States.<br />
The question is whether utilities can build on their<br />
strengths and take a slice of this market. The abilities<br />
required to do so are not yet among the core competencies<br />
of utilities. Meanwhile, particularly as value creation<br />
flows downstream, the next few years are likely<br />
to see nontraditional energy companies making further<br />
inroads into the power sector, putting pressure on incumbents<br />
that lack the flexibility needed to introduce<br />
new business models.<br />
Although large-scale low-carbon initiatives are<br />
likely to continue to win support, we believe that potentially<br />
disruptive changes are moving the energy<br />
industry toward a more decentralized landscape. The<br />
evolution of that landscape will not only change the<br />
relationship of the different energy-sector players to<br />
the electricity value chain, it will also change the very<br />
structure of that value chain.<br />
About the Author<br />
Dr. Harald Rubner joined<br />
the Boston Consulting<br />
Group in 1993. He is the<br />
leader of the North European<br />
Energy practice<br />
group and a core member<br />
of BCG‘s Strategy practice.<br />
Mr. Rubner worked for<br />
major utilities worldwide. His experience includes<br />
renewable energy strategies, cost optimization and<br />
M&A support. Mr. Rubner studied electrical engineering<br />
at the RWTH Aachen and business and<br />
economics at the University of St. Gallen, where he<br />
also earned his PhD.<br />
22<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
<strong>Energie</strong>versorgung<br />
der Zukunft<br />
Ramon Werner<br />
CEO BP Switzerland<br />
«Energy Outlook 2030» heisst die Studie<br />
von BP, die Anfang 2012 publiziert worden<br />
ist und die neusten Einschätzungen der<br />
Trends auf dem <strong>Energie</strong>markt präsentiert.<br />
Auf diese Erkenntnisse stützen sich weite<br />
Teile meiner folgenden Aussagen.<br />
In den letzten 60 Jahren war die Entwicklung der<br />
Weltwirtschaft auch eine Erfolgsgeschichte des<br />
günstigen Erdöls. Alles, was die Menschen heute<br />
tun, produzieren, entwickeln und bewegen,<br />
braucht <strong>Energie</strong>. Öl trägt nach wie vor über 30 % dazu<br />
bei, diesen Bedarf zu decken.<br />
Der Hunger der Welt nach <strong>Energie</strong> ist und bleibt<br />
auch in Zukunft gross – im Jahr 2010 hat der globale<br />
<strong>Energie</strong>verbrauch um 5,6 % zugenommen. Es ist das<br />
höchste Wachstum seit 1973. China hat mit 20,3 %<br />
der Weltenergie am meisten verbraucht und zum ersten<br />
Mal die USA überholt. Bis 2030 wird der Bedarf an<br />
<strong>Energie</strong> weltweit um 39 % steigen. Bevölkerungs- und<br />
Einkommenswachstum sind die beiden stärksten Treiber<br />
der <strong>Energie</strong>nachfrage – insbesondere in Ländern<br />
wie China oder Indien. Ein Wachstum der Wirtschaft<br />
sowie des Wohlstandes ist nur möglich, wenn wir es<br />
schaffen, diesen <strong>Energie</strong>bedarf bezahlbar sowie ökologisch<br />
abzudecken.<br />
<strong>Energie</strong>träger mit dem schnellsten Wachstum sind<br />
erneuerbare <strong>Energie</strong>n (inklusive Biotreibstoffe), die bis<br />
2030 voraussichtlich um jährlich 8 % wachsen. Allerdings<br />
bleibt der Anteil zur Deckung des <strong>Energie</strong>gesamtbedarfs<br />
mit nur 6 bis 7 % relativ gering. Ohne fossile<br />
<strong>Energie</strong>träger wie Gas, Kohle und Öl werden wir nicht<br />
auskommen. Unter den fossilen <strong>Energie</strong>trägern wächst<br />
Gas am schnellsten – um 2 % bis 2030.<br />
Gas und erneuerbare <strong>Energie</strong>n sind die Gewinner<br />
bei sich annähernden Marktanteilen für fossile <strong>Energie</strong>träger<br />
und einer Diversifizierung des Versorgungsmix.<br />
Die Marktanteile der drei fossilen <strong>Energie</strong>träger<br />
pendeln sich alle auf 26 bis 27 % ein. Öl verliert langfristig<br />
an Marktanteil, während Gas kontinuierlich dazugewinnt.<br />
Der Anstieg des Marktanteils bei Kohle, unterstützt<br />
durch die schnelle Industrialisierung in China<br />
und Indien, geht bis 2030 wieder zurück.<br />
Kann Öl den <strong>Energie</strong>bedarf decken?<br />
Der «Club of Rome» prognostizierte Anfang der<br />
70er Jahre, dass Öl bei bekannter Ressourcenmenge<br />
und gleicher Nachfrage noch 31 Jahre reichen werde.<br />
Trotz stark steigender Nachfrage war die Entwicklung<br />
eine andere. Stets neue Quellen werden entdeckt, und<br />
so reichen die konventionellen Ölressourcen genau wie<br />
vor 30 Jahren noch immer 40 Jahre. Neue Technologien<br />
ermöglichen zudem eine bessere Ausbeutung sowie<br />
eine Ölgewinnung an Orten, die früher nicht möglich<br />
gewesen wäre.<br />
BP erhebt jedes Jahr mit der «Statistical Review of<br />
World Energy» die weltweit gesicherten Erdölreserven.<br />
Ende 1990 hat diese Statistik 1003,2 Milliarden Barrels<br />
von gesicherten Erdölreserven ausgewiesen, 10 Jahre<br />
später waren es 1104,9. Ende 2010 waren es nochmals<br />
mehr, nämlich 1383,2 Milliarden Barrels. Dabei sind<br />
die unkonventionellen Vorkommen, zu denen unter<br />
anderem Ölschiefer, Schiefergas und kanadische Ölsande<br />
zählen, noch nicht einmal berücksichtigt. Diese<br />
zusätzlichen Quellen würden wohl reichen, unseren<br />
steigenden Bedarf über 100 Jahre zu decken.<br />
«Die Mehrheit der Ölvorkommen<br />
befindet sich in<br />
abgelegenen, konfliktreichen,<br />
politisch instabilen<br />
Gegenden.»<br />
Sommer 2012 23
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Es gibt also noch genug Öl, Gas oder auch Kohle<br />
auf der Welt. Eines ist aber wichtig zu unterscheiden:<br />
Wir sprechen von Ressourcen unter der Erde. Es sind<br />
oft politische Beschränkungen über der Erde, die den<br />
Zugang erschweren. Und langfristig dürften Klimaerwärmung<br />
und Treibhausgase sogar die grösseren Probleme<br />
darstellen.<br />
Eine grosse Herausforderung! Viele Ölvorkommen<br />
befinden sich in Venezuela, im Mittleren Osten, in Libyen,<br />
Nigeria, Russland und Kasachstan. Hier braucht<br />
es stabile Rahmenbedingungen, damit man an die Ressourcen<br />
herankommt.<br />
Das Ölzeitalter geht nicht zu Ende,<br />
weil kein Öl mehr vorhanden ist<br />
Das einfache Modell zwischen Angebot und Nachfrage<br />
hat einen viel grösseren Einfluss. Ein Ölpreis über<br />
150 USD pro Barrel lässt Alternativen besser aussehen.<br />
Der Preis wird getrieben durch die massive Nachfragesteigerung,<br />
die teueren Verfahren, das Öl abzuzapfen<br />
und auch vom Gedanken, dass es endlich ist. Weiter<br />
die politischen Rahmenbedingungen: Dazu zählt insbesondere<br />
die CO 2<br />
-Diskussion. Zusätzliche Steuern,<br />
Lenkungsabgaben und Intensivierungen für alternative<br />
<strong>Energie</strong>n werden uns weg vom Öl führen.<br />
Die Zukunft des Öls richtet sich nicht nach der<br />
Frage, wann der Peak Oil erreicht ist, sondern nach der<br />
Kostenfrage. Deshalb sollte auch nicht vom Peak Oil<br />
gesprochen werden – dem Höhepunkt der Ölproduktion<br />
–, sondern vom Nachfragehöhepunkt, dem Peak<br />
in Demand. Diesen haben einige OECD-Länder bereits<br />
erreicht, und der Ölverbrauch geht zurück.<br />
Auch BP investiert in alternative <strong>Energie</strong>n<br />
Die langfristige Antwort auf die <strong>Energie</strong>frage ist<br />
ein breiter <strong>Energie</strong>mix. Eine <strong>Energie</strong>quelle allein kann<br />
die steigende <strong>Energie</strong>nachfrage der Zukunft nicht bedienen.<br />
Stattdessen ist eine Mischung aus traditionellen<br />
<strong>Energie</strong>quellen wie Erdöl und Erdgas sowie alternativen<br />
Quellen wie Wind-, Solar-, Wasserenergie und<br />
Biotreibstoffen notwendig. Und schliesslich auch ein<br />
klares Bekenntnis zur <strong>Energie</strong>effizienz.<br />
Die BP Gruppe bietet eine Vielfalt an <strong>Energie</strong>trägern,<br />
um der Nachfrage gerecht zu werden. Als einer<br />
der weltgrössten privaten Erdgas- und Erdölproduzenten<br />
investiert BP während 10 Jahren insgesamt 8 Milliarden<br />
USD in alternative <strong>Energie</strong>n. So engagiert sich<br />
das Unternehmen unter anderem im Bereich Wind und<br />
betreibt in den USA 10 Windkraftanlagen.<br />
«Die Kostenfrage entscheidet die Zukunft des Öls.»<br />
BP betreibt in den USA 10 Windkraftanlagen<br />
24<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
«Innovation<br />
steckt in den<br />
Biotreibstoffen<br />
der nächsten<br />
Generation.»<br />
Auch Biotreibstoffe gehören zur alternativen<br />
<strong>Energie</strong>. Doch nicht überall, wo Bio draufsteht, ist<br />
auch zukunftsträchtiges Bio drin. Heute verfügbarer<br />
Biodiesel und Bioethanol aus heimischer Produktion<br />
sind Nischenprodukte und nicht mehr als eine Übergangslösung.<br />
Innovation steckt in den Biotreibstoffen<br />
der nächsten Generation, die nicht in Konkurrenz zur<br />
Nahrungsmittelproduktion stehen und eine geringere<br />
Gesamtumweltbelastung als derzeitige Biotreibstoffe<br />
aufweisen.<br />
BP beschäftigt sich mit der Herstellung von Ethanol<br />
und Butanol aus Lignocellulose sowie mit der<br />
Herstellung von Diesel aus Zuckerrohr und/oder Lignocellulose.<br />
Mit diesen Produktionswegen lassen sich<br />
gegenüber fossilem Treibstoff CO 2<br />
-Einsparungen von<br />
80 bis 90 % erzielen. Dies braucht allerdings noch Zeit,<br />
denn die grosstechnische Herstellung ist noch nicht<br />
entwickelt. Eine Erhöhung der Beimischung der Biokomponenten<br />
auf 20 % – vielleicht sogar mehr – für<br />
Diesel oder Benzin erscheint technisch mittel- bis langfristig<br />
realisierbar.<br />
CO 2<br />
-Emissionen nehmen weiter zu<br />
<strong>Energie</strong>politische Entscheidungen zur Senkung<br />
der CO 2<br />
-Emissionen zeigen allmählich Ergebnisse und<br />
werden sich bis 2030 signifikant auf den Anstieg der<br />
Emissionen auswirken. Die starke Erhöhung des <strong>Energie</strong>verbrauchs<br />
in den Nicht-OECD-Ländern führt aber<br />
zu einem weiteren Anstieg der globalen CO 2<br />
-Emissionen.<br />
Obwohl durch den Einsatz von besseren Techno-<br />
«Statt darüber zu diskutieren,<br />
wie ein CO 2<br />
-freier<br />
Verkehr bis 2050 realisierbar<br />
wäre, könnte man erst<br />
mal ganz pragmatisch die<br />
tief hängenden Früchte<br />
ernten.»<br />
Sommer 2012 25
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
logien sowie «Alternativen» das CO 2<br />
bis 2030 pro BIP-<br />
Einheit um 42 % fällt, so geht BP davon aus, dass im<br />
Jahr 2030 die globalen CO 2<br />
-Emissionen um 28 % über<br />
dem heutigen Niveau liegen.<br />
Unsere Studien zeigen ein düsteres Bild: Selbst<br />
wenn die Welt durch verschärfte Massnahmen und<br />
globale Abkommen den CO 2<br />
-Ausstoss weiter begrenzen<br />
würde, ist eine Erreichung des stabilisierenden<br />
Schwellenwerts des CO 2<br />
-Anteils in der Luft von 450<br />
ppm (parts per million/Teile von einer Million) leider<br />
nicht realistisch.<br />
Die Zukunft im Transportbereich<br />
Der Transportbereich ist äusserst energieintensiv,<br />
und deshalb braucht es in diesem Bereich <strong>Energie</strong>träger<br />
mit hohem <strong>Energie</strong>gehalt. Die Anzahl Fahrzeuge wird<br />
zudem, vor allem in den Nicht-OECD-Ländern, stark<br />
wachsen: um ganze 60 % von heute circa 1 Milliarde<br />
auf 1,6 Milliarden im Jahr 2030. Mit besserer Effizienz<br />
pro Fahrzeug brauchen wir jedoch nur circa 26 % mehr<br />
<strong>Energie</strong>, um diese Steigerung zu ermöglichen. Aufgrund<br />
des hohen <strong>Energie</strong>gehalts wird auch in Zukunft<br />
87 % durch Öl abgedeckt. Erfreulich aber ist, dass allmählich<br />
eine Diversifizierung einsetzt, die von energiepolitischen<br />
Weichenstellungen angestossen und durch<br />
technologische Entwicklungen ermöglicht wird.<br />
Zu diesen zählen der Verbrennungsmotor und<br />
die dazu gehörigen konventionellen Treibstoffe. Dieses<br />
System ist längst nicht ausgereizt. BP schätzt die<br />
Effizienzreserve des Benzin- und des Dieselmotors auf<br />
mindestens 20 bis 30 %. Moderne Hybridtechnologie<br />
und neue, hochwertige Biotreibstoffe noch nicht mitgerechnet.<br />
Schon heute holen deutsche Hersteller aus<br />
jedem Liter Treibstoff 59 % mehr Leistung und 49 %<br />
mehr transportiertes Fahrzeuggewicht heraus als noch<br />
1990.<br />
Zu den Früchten zählen auch innovative Biotreibstoffe,<br />
Hybridantriebe sowie die alternativen Treibstoffe<br />
Erdgas und Autogas, auch wenn diese Nischenprodukte<br />
bleiben. Die Technologien für einen<br />
klimafreundlicheren Verkehr sind schon heute verfügbar.<br />
Die Zukunft im Transportbereich ist eine evolutionäre<br />
Entwicklung rund um den Verbrennungsmotor.<br />
Dies ist übrigens auch der mit Abstand wirtschaftlichste<br />
Weg in eine emissionsärmere Zukunft. Dadurch wird<br />
in Europa der Treibstoffverbrauch bis 2030 um bis zu<br />
einem Drittel fallen.<br />
Ganz allein schaffen es Autobauer und Treibstoffhersteller<br />
aber nicht. In die Betrachtung einfliessen<br />
muss das gesamte Verkehrssystem. Das heisst mit Blick<br />
auf den Strassenverkehr beispielsweise Verkehrsleitsysteme,<br />
die verstärkte Nutzung der Informationstechnologie<br />
sowie der effiziente Ausbau von Verkehrswegen.<br />
Zusammenfassung der<br />
wichtigsten Punkte<br />
Der <strong>Energie</strong>verbrauch steigt, getrieben durch Bevölkerungswachstum<br />
und Wohlstand. Öl wird wichtig<br />
sein für dessen Abdeckung und es gibt ausreichende<br />
Ölressourcen. Bei diesen Ressourcen geht es vielmehr<br />
um die Frage des Zugriffs – somit um politische Beschränkungen<br />
– als um deren Vorhandensein. Die Alternativenergien<br />
haben das grösste Wachstum. Weitere<br />
Investitionen und Innovationen sind jedoch nötig,<br />
damit die «Alternativen» eine wichtigere Rolle spielen<br />
können. Mit dem Einsatz von fossilen <strong>Energie</strong>trägern<br />
steigt das CO 2<br />
weiter. Im Transportbereich sind grosse<br />
Effizienzgewinne möglich, dabei ist der richtige Einsatz<br />
von Biotreibstoffen wichtig und sinnvoll. Die Herausforderungen<br />
sind also gross; mit vereinten Kräften sollten<br />
wir sie jetzt angehen.<br />
Lebenslauf<br />
Der Schweizer Ramon<br />
Werner (Jahrgang 1969)<br />
ist verheiratet und Vater<br />
dreier Kinder. Er ist Betriebsökonom<br />
HWV und<br />
seit Januar 2007 als CEO<br />
bei der BP (Switzerland) in<br />
Zug tätig. Seine früheren<br />
Stationen:<br />
• BP London, September 2005 bis Dezember<br />
2006: Director Communication & Engagement<br />
für das Segment Refining & Marketing. Mai<br />
2004 bis August 2005: Group Vice President<br />
Advisor; verantwortlich für die Einführung der<br />
neuen Refining & Marketing-Organisation und<br />
des Delegationssystems.<br />
• BP Deutschland, Hamburg, Juni 2001 bis September<br />
2003: Channel Manager Lubricants;<br />
Führung des Schmierstoffgeschäfts für europäische<br />
Tankstellen.<br />
26<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
nationalen<br />
Wider die<br />
Alleingänge<br />
Plädoyer für eine<br />
europäische <strong>Energie</strong>politik<br />
Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge<br />
Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung des <strong>Energie</strong>wirtschaftlichen Instituts der Universität zu Köln (EWI)<br />
Auf der Tagung des Europäischen Rates im<br />
Februar des vergangenen Jahres haben sich<br />
die Staats- und Regierungschefs aus den<br />
27 EU-Staaten ausdrücklich zur «Sicherstellung<br />
einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen und<br />
sicheren <strong>Energie</strong>versorgung in Europa» bekannt. Sie<br />
haben betont, dass dafür ein funktionierender, vernetzter<br />
und integrierter EU-Binnenmarkt für <strong>Energie</strong><br />
notwendig sei. Und die Europäische Kommission hat<br />
in ihrem Strategiepapier «<strong>Energie</strong> 2020 – eine Strategie<br />
für wettbewerbsfähige, nachhaltige und sichere <strong>Energie</strong>»<br />
konkrete Schritte für die stufenweise Realisierung<br />
eines gemeinsamen Marktes für <strong>Energie</strong> in der Gemeinschaft<br />
vorgeschlagen. Ziel sei es, den Binnenmarkt für<br />
Strom und Gas bis zum Jahre 2014 zu vollenden. Zudem<br />
nimmt die Modernisierung und Erweiterung der<br />
<strong>Energie</strong>infrastruktur insbesondere für den grenzüberschreitenden<br />
Fluss von Strom und Gas in den Vorschlägen<br />
der Brüsseler Behörde einen wichtigen Platz ein.<br />
Gerade die ehrgeizigen Ziele der Politik, den Anteil<br />
der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n (EE) stark auszubauen,<br />
machen den freien Stromaustausch zwischen den europäischen<br />
Staaten noch wertvoller. Denn der Ertrag<br />
aus einer Investition in eine EE-Erzeugungsanlage<br />
richtet sich weitgehend nach den Standortbedingungen,<br />
also zum Beispiel der Sonneneinstrahlung oder<br />
den Windgeschwindigkeiten. Und in dieser Hinsicht<br />
bestehen in Europa gravierende Unterschiede. So kann<br />
beispielsweise eine PV-Anlage in Südspanien mehr als<br />
zwei Mal so viel Strom erzeugen wie dieselbe Anlage in<br />
Deutschland. Sprich: der PV-Strom ist in Spanien um<br />
mindestens die Hälfte kostengünstiger als hierzulande.<br />
Ähnliches gilt, in noch ausgeprägterem Masse für die<br />
Windenergie, wo sich regionale Standortbedingungen<br />
– beispielsweise zwischen Schottland und der Toskana<br />
- um mehrere Faktoren voneinander unterscheiden.<br />
Europäische Koordination und europäischer Stromaustausch<br />
würden also zu direkten und erheblichen Synergien<br />
führen. In einer Studie aus dem Jahre 2010 gibt<br />
das <strong>Energie</strong>wirtschaftliche Institut an der Universität<br />
zu Köln den Wert dieser Synergien mit mehr als 100<br />
Milliarden Euro für den Zeitraum 2010-2020 an.<br />
Damit diese Synergien gehoben werden können,<br />
braucht Europa dreierlei: Einen funktionierenden<br />
Strombinnenmarkt, einen gemeinsamen Ansatz zur<br />
Vergütung der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n und ein leistungsfähiges,<br />
auf die neue geographische Struktur der<br />
Erzeugung abgestimmtes Stromübertragungsnetz. Angesichts<br />
der wachsenden Bedeutung von Gaskraftwerken<br />
für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit<br />
in wind- und sonnenschwachen Zeiten braucht es zudem<br />
eine Verstärkung der Integration und Kooperation<br />
im Bereich der Gasübertragung und –speicherung, was<br />
im kalten Februar 2012 deutlich wurde, als eigentlich<br />
dringend benötigte deutsche Gaskraftwerke nicht zur<br />
Verfügung standen, weil Gasmengen in Süddeutschland<br />
fehlten. Kurz: Eigentlich bräuchte es eine gemeinsam<br />
europäische <strong>Energie</strong>politik.<br />
Doch die Realität sieht anders aus. Europa ist<br />
noch weit davon entfernt, in der <strong>Energie</strong>frage mit einer<br />
Stimme zu sprechen und die nationalen energie-<br />
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wirtschaftlichen Entscheidungen auf der europäischen<br />
Ebene abzustimmen. <strong>Energie</strong>politik wird – trotz aller<br />
Fortschritte bei der Integration der Grosshandelsmärkte<br />
– weitgehend, und sogar wieder zunehmend,<br />
auf nationaler Ebene bestimmt. Deutschland mit seiner<br />
plötzlichen, nicht mit den Nachbarn abgestimmten<br />
Abkehr von der Nutzung der Kernenergie und seinem<br />
drastischen Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n ist da<br />
ein prominentes Beispiel, aber beileibe kein Sonderfall.<br />
So setzen manche Länder auf einen Ausbau statt<br />
auf eine reduzierte Nutzung der Kernenergie. Andere<br />
Länder drängen, trotz der klimapolitischen Bedenken,<br />
auf einen fortgesetzt starken Einsatz von Kohle. Und<br />
auch mit Blick auf die mögliche Erschliessung nichtkonventioneller<br />
Gasvorkommen verfolgen die Mitgliedsstaaten<br />
diametral entgegengesetzte Strategien.<br />
Statt zu einer Europäisierung der <strong>Energie</strong>politik geht<br />
der Trend also anscheinend eher in Richtung einer Renationalisierung.<br />
Europäischer Binnenmarkt einerseits, renationalisierte<br />
<strong>Energie</strong>politik andererseits: diesen Widerspruch<br />
haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im<br />
Vertrag von Lissabon explizit angelegt. Denn in diesem<br />
Vertrag aus dem Jahre 2007 haben sich die EU-Staaten<br />
zwar auf eine stärkere Zusammenarbeit auf dem Feld<br />
der <strong>Energie</strong>wirtschaft verständigt. Doch haben sie dort<br />
zugleich festgeschrieben, dass die Zusammensetzung<br />
des nationalen <strong>Energie</strong>mix, also die Frage, welche <strong>Energie</strong>träger<br />
in welchem Umfang zum <strong>Energie</strong>verbrauch<br />
beitragen sollen, weiterhin in die nationale Souveränität<br />
fällt.<br />
Ein solches Gleichgewicht zwischen nationaler<br />
Souveränität und europäischer Integration ist, wie<br />
auch die Erfahrungen mit der gemeinsamen Währung<br />
gezeigt haben, in hohem Masse instabil. Der gemeinsame<br />
Markt löst eine zunehmende Vernetzung der europäischen<br />
Volkswirtschaften aus und führt damit zu<br />
immer stärkeren Wechselwirkungen zwischen national<br />
gemeinten Politikinstrumenten. Und was für die griechische<br />
Renten- oder die deutsche Steuerpolitik gilt,<br />
gilt analog auch in der <strong>Energie</strong>wirtschaft. Mit der Installation<br />
des europaweiten Handelssystems für Treibhausgase<br />
haben – vermittelt über den Zertifikatepreis<br />
– energiepolitische Entscheidungen in einem Land<br />
unmittelbare Auswirkungen auf die energiewirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen in allen übrigen EU-Län-<br />
Milliarden-Projekte - Optimales Strom-Übertragungsnetz<br />
in Europa zur Nutzung der Erneuerbare <strong>Energie</strong>n-Anlagen<br />
Quelle: EWI Köln<br />
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dern. Und weil es trotz noch vorhandener Friktionen<br />
einen Stromaustausch über die Grenzen hinweg gibt,<br />
bestimmt der Strompreis an der Energy Exchange-Börse<br />
(EEX) in Leipzig zunehmend auch das Preisniveau in<br />
anderen europäischen Staaten.<br />
Die Auswirkungen der sogenannten deutschen<br />
«<strong>Energie</strong>wende» auf die Nachbarländer zeigen diese<br />
Wechselwirkungen in exemplarischer Weise auf. So hat<br />
beispielsweise die spontane Abschaltung von rund 9<br />
Gigawatt Kernkraftwerkskapazität, das ist ein Zehntel<br />
der deutschen Spitzenlast, zu einem Preisanstieg von<br />
rund 10 % an allen Strombörsen in Kontinentaleuropa<br />
sowie zu einer erheblichen Erhöhung der Stromimporte<br />
nach Deutschland geführt. Sprich: der deutsche Kernkraftausstieg<br />
wird von den Stromkunden der Nachbarländer<br />
mitbezahlt. Andersherum geht es bei der<br />
Förderung der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n in Deutschland:<br />
Die daraus erzeugten Strommengen werden von den<br />
deutschen Stromkunden derzeit mit knapp 10 Milliarden<br />
Euro pro Jahr subventioniert, dann aber in den<br />
gemeinsamen europäischen Binnenmarkt eingespeist<br />
und letztlich also mit den europäischen Nachbarn geteilt.<br />
(Diese Art der Subventionierung der Stromkunden<br />
der Nachbarländer scheint den deutschen Wähler<br />
übrigens nicht zu stören, während Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister<br />
Rösler, ein Solarprogramm für<br />
Griechenland zu finanzieren statt die PV-Anlagen in<br />
Deutschland zu montieren, als Verschwendung deutscher<br />
Gelder gebrandmarkt wurde.)<br />
Gleichzeitig stellt die fluktuierende Einspeisung<br />
von Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n, vor allem Windenergie<br />
im Norden, fern der deutschen Verbrauchszentren im<br />
Westen und Süden unseres Landes die europäischen<br />
Übertragungsnetze vor erhebliche Herausforderungen.<br />
Denn wegen der Kirchhoff‘schen Gesetze sucht sich der<br />
Windstrom seinen Weg von Nord- nach Süddeutschland<br />
nicht nur durch deutsche, sondern auch durch niederländische,<br />
polnische oder tschechische Netze, was<br />
dort zu erheblichen, von der jeweils nationalen Politik<br />
– unter anderem aus Gründen der Netzstabilität - nicht<br />
erwünschten Verwerfungen führt. Konsequenz: Unsere<br />
Nachbarländer bauen sogenannte Phasenschieber in<br />
ihre Netze ein. Mit diesen teuren Einrichtungen können<br />
sie die Elektrizitätsmenge, die aus Deutschlands<br />
Norden zusätzlich durch ihre Netze fliesst, steuern –<br />
je nach Auslastung durch die eigene Stromerzeugung.<br />
In den Niederlanden wurde diese Massnahme bereits<br />
durchgeführt, in Polen und in der Tschechischen Republik<br />
wird darüber gerade diskutiert. Der einseitige,<br />
nicht auf die Nachbarländer abgestimmte deutsche<br />
Ausbau der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n untergräbt damit<br />
den europäischen Binnenmarkt, statt ihn zu fördern.<br />
Aus all dem Gesagten wird deutlich: Unter den Bedingungen<br />
eines funktionierenden Binnenmarkts gibt<br />
es nur noch einen europäischen Strommix, aber keinen<br />
inhärent «deutschen» oder «französischen» Strommix.<br />
Und: Mehr Integration bei den Marktmechanismen<br />
und den Netzen unterstützt den Umbau der europäischen<br />
Stromversorgung auf höhere Anteile Erneuerbarer<br />
<strong>Energie</strong>n. Eine rein national ausgerichtete, isolierte<br />
<strong>Energie</strong>politik in Europa ist in dieser Situation also weder<br />
möglich noch sinnvoll. Je früher die Politik dieses<br />
Spannungsfeld zugunsten einer Verstärkung der europäischen<br />
Zusammenarbeit auflöst, umso besser für den<br />
europäischen Stromkunden – sowohl mit Blick auf die<br />
Kosten als auch auf die Sicherheit der Versorgung mit<br />
Elektrizität. Der gegenteilige Weg, die Auflösung hin<br />
zur nationalen Autarkie, wird zwar derzeit von einigen<br />
(national orientierten) Politikern und Interessenvertretern<br />
ventiliert, wäre aber eine Sackgasse – sowohl<br />
für das politische Projekt «Europäische Union» als auch<br />
für die ehrgeizigen Ziele im Bereich der Erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n und des Klimaschutzes. Deutschland, als<br />
grösstem Industrieland innerhalb der Gemeinschaft,<br />
im Zentrum der Europäischen Union gelegen und energiewirtschaftlich<br />
auf das Engste mit den Nachbarländern,<br />
insbesondere auch mit der Schweiz, verbunden,<br />
kommt bei dieser Entwicklung eine besondere Verantwortung<br />
zu.<br />
Lebenslauf<br />
Prof. Dr. Marc Oliver<br />
Bettzüge ist seit 2007 ordentlicher<br />
Professor für<br />
Volkswirtschaftslehre,<br />
insbesondere <strong>Energie</strong>wirtschaft,<br />
an der Universität<br />
zu Köln sowie gleichzeitig<br />
geschäftsführender Direktor<br />
und Vorsitzender der Geschäftsleitung des <strong>Energie</strong>wirtschaftlichen<br />
Instituts an der Universität zu<br />
Köln (EWI). Nach dem Studium der Mathematik<br />
und Volkswirtschaftlehre an den Universitäten von<br />
Bonn, Cambridge und Berkeley promovierte Prof.<br />
Bettzüge im Fach Volkswirtschaftslehre mit einer<br />
Arbeit über «Financial Innovation from a General<br />
Equilibrium Perspective». Nach seiner Promotion<br />
arbeitete er sowohl als Wissenschaftler an den Universitäten<br />
von Bonn und Zürich als auch als Managementberater<br />
bei international renommierten<br />
Beratungsunternehmen. Prof. Bettzüge ist unter<br />
anderem Mitglied in der Enquete-Kommission<br />
«Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität» des Deutschen<br />
Bundestages.<br />
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30<br />
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ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
<strong>Energie</strong> in der<br />
Gesellschaft von<br />
morgen<br />
Dr. Kurt Bock<br />
Vorstandsvorsitzender der BASF AG<br />
Aus Sicht eines Chemieunternehmens wie<br />
BASF ist <strong>Energie</strong> einer der wichtigsten Faktoren<br />
für die Herstellung tausender Produkte,<br />
die wir weltweit an unsere Kunden<br />
in fast allen Industrien liefern. Öl und Gas sind unverzichtbare<br />
Rohstoffe für die Produktion chemischer<br />
Erzeugnisse wie Kunststoffe oder Lacke, Dampf und<br />
Strom liefern die notwendige <strong>Energie</strong> für den Ablauf<br />
nahezu aller chemischen Prozesse.<br />
Aber <strong>Energie</strong> bedeutet viel mehr: Sie ist eine der<br />
fundamentalen Grössen in den Naturwissenschaften<br />
Physik, Chemie und Biologie. Pflanzen, Tiere und Menschen<br />
benötigen <strong>Energie</strong>, um leben zu können. <strong>Energie</strong><br />
ist notwendig um mechanische Arbeit zu verrichten<br />
oder Substanzen zu erwärmen. Und somit ist <strong>Energie</strong><br />
ein zentraler Schlüssel für Technik und weite Teile unserer<br />
Wirtschaft - der Basis für unseren heutigen Wohlstand.<br />
In unserer ölbasierten Wirtschaft bedeutet ein<br />
mehr an Wohlstand auch immer einen grösseren Bedarf<br />
an <strong>Energie</strong>.<br />
Die Crux dabei ist: So schnell lässt sich daran auch<br />
nichts ändern. Leider kommen alle ernstzunehmenden<br />
Prognosen zu ein und demselben Ergebnis: Trotz aller<br />
Sparanstrengungen wird der <strong>Energie</strong>bedarf in den<br />
kommenden Jahrzehnten zunehmen. Denn die Zahl<br />
der Menschen auf der Erde wächst rasant. Ausgehend<br />
von einer derzeitigen Weltbevölkerung von rund sieben<br />
Milliarden Menschen, rechnen Experten für das<br />
Jahr 2050 mit einem Anstieg der Erdbevölkerung auf<br />
neun Milliarden. Das sind unter dem Strich zwei Milliarden<br />
Menschen mehr, die sich ernähren, kleiden und<br />
fortbewegen müssen.<br />
Dazu kommt, dass nahezu jeder nach einer besseren<br />
Zukunft für seine Kinder und sich selbst strebt.<br />
Dabei haben wir es gleichzeitig mit ganz unterschiedlichen<br />
Bedürfnissen zu tun: Für viele Menschen in Teilen<br />
Asiens und Afrikas heisst mehr Wohlstand zunächst<br />
einmal mehr Nahrung, Verfügbarkeit von sauberem<br />
Wasser und Elektrizität. Denn ein grosser Teil der Erdbevölkerung<br />
lebt heute weit unterhalb des Standards,<br />
den wir in Europa und Nordamerika seit vielen Jahren<br />
selbstverständlich für uns in Anspruch nehmen. In den<br />
aufstrebenden Schwellenländern steigt parallel der Anspruch<br />
nach besserem Wohnraum, Infrastruktur und<br />
Telekommunikation, während sich die Menschen in<br />
den Industrieländern hochmoderne Autos und trendige<br />
iPads kaufen möchten. Für die Produktion all dieser<br />
Güter brauchen wir neben Know-how auch Rohstoffe<br />
und <strong>Energie</strong>.<br />
«Wenn wir an unserer<br />
Lebens- und Produktionsweise<br />
nichts ändern,<br />
brauchen wir im Jahr<br />
2050 die Ressourcen von<br />
annähernd drei Erden<br />
statt einer.»<br />
Wie wir dieses Mehr an Gütern bereitstellen können,<br />
ohne dabei die Ressourcen zu erschöpfen, ist eine<br />
der wichtigsten Zukunftsfragen. Wenn wir an unserer<br />
Lebens- und Produktionsweise nichts ändern, brauchen<br />
wir im Jahr 2050 die Ressourcen von annähernd<br />
drei Erden statt einer. Um es deutlich zu sagen: Mit den<br />
heute zur Verfügung stehenden Technologien werden<br />
wir das nicht schaffen. Es bleiben nur zwei Möglichkei-<br />
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ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
ten. Eine Änderung des Verhaltens und technologische<br />
Innovationen.<br />
Auf eine Änderung des Verhaltens der Menschen<br />
können wir natürlich hoffen. Doch weder der freiwillige<br />
Verzicht auf Konsum ist realistisch, noch sind starre<br />
staatliche Regelungen wünschenswert, die Menschen<br />
vorschreiben möchten, was sie kaufen, wie sie sich<br />
fortbewegen oder sich ernähren. Aber in einem marktwirtschaftlich<br />
organisierten System können wir es<br />
schaffen, die notwendigen Technologien zu entwickeln,<br />
die uns künftig ein nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen.<br />
Die Staaten werden dafür entsprechende Rahmenbedingungen<br />
setzen – und zwar weltweit.<br />
Wie Prognosen der Internationalen <strong>Energie</strong> Agentur<br />
(IAE) verdeutlichen, liegen die Antworten auf die<br />
damit verbundenen <strong>Energie</strong>- und Klimafragen nicht<br />
alleine in den westlichen Industrieländern. Unter der<br />
Annahme, dass die heute beschlossenen Regelungen<br />
umgesetzt werden, prognostiziert die IAE folgendes:<br />
Alleingänge einzelner Länder erscheinen aus globaler<br />
Perspektive jedenfalls nicht vernünftig, denn sie führen<br />
nicht zu den gewünschten Nachahmern und können<br />
deshalb die Probleme nicht lösen.<br />
Die Erfahrung zeigt aber auch, dass politische Prozesse<br />
Zeit brauchen – zumal auf internationalem Parkett.<br />
Deshalb können wir nicht auf einen Startschuss<br />
der Politik warten, sondern müssen in Wissenschaft<br />
und Wirtschaft mit Hochdruck an der Entwicklung<br />
neuer Technologien arbeiten. Dazu zählen sowohl<br />
bessere Methoden für eine noch effizientere Nutzung<br />
vorhandener <strong>Energie</strong>ressourcen, als auch völlig neue<br />
Technologien für das Erzeugen, Speichern und Verteilen<br />
von elektrischer <strong>Energie</strong>.<br />
• Zwischen 2010 und 2035 entfallen 90% des Bevölkerungswachstums<br />
und 70% der Zunahme der<br />
Wirtschaftsleistung auf Nicht-OECD-Länder.<br />
• Im gleichen Zeitraum steigt der Weltenergieverbrauch<br />
um ein Drittel. 90% des <strong>Energie</strong>verbrauchwachstums<br />
findet in Nicht-OECD-Ländern statt.<br />
• Die Bedeutung erneuerbarer <strong>Energie</strong>n steigt weltweit.<br />
Doch gleichzeitig wird die Nachfrage nach fossilen<br />
Brennstoffen bis 2035 nicht sinken, sondern<br />
zunehmen.<br />
• Bedingt durch die Stromerzeugung in China und<br />
Indien steigt der Verbrauch von Kohle in den kommenden<br />
zehn Jahren weiter stark an.<br />
• Erdgas baut seinen Anteil am Weltenergiemix bis<br />
2035 weiter aus, da der <strong>Energie</strong>träger beim Ausbau<br />
der Erneuerbaren <strong>Energie</strong>n eine Schlüsselrolle in<br />
der flexiblen Stromerzeugung einnehmen wird.<br />
Es besteht also kein Zweifel, dass sich die Gewichte<br />
der Weltwirtschaft verschieben werden.<br />
In der <strong>Energie</strong>- und Klimapolitik wird an der Einbeziehung<br />
dynamisch wachsender Länder wie China<br />
und Indien in internationale Abkommen kein Weg<br />
vorbeiführen. Dabei müssen wir uns selbstkritisch die<br />
Frage stellen, ob unsere hohen Standards in Europa<br />
als Blaupause für die Welt taugen, oder wir nicht besser<br />
gemeinsam für alle verbindliche Lösungen finden<br />
müssen. Eine auf einseitige Verschärfungen setzende<br />
<strong>Energie</strong>- und Klimapolitik in Europa oder gar nationale<br />
<strong>Energie</strong>effizientes Dämmen am<br />
Beispiel des East Hotel Dubai<br />
Auf allen diesen Gebieten ist die Chemie eine der<br />
Schlüsselindustrien, die zur Lösung dieser Aufgaben einen<br />
entscheidenden Beitrag leisten wird. Als forschendes<br />
Chemieunternehmen arbeitet BASF bereits heute<br />
an einer ganzen Reihe von Themen rund um die <strong>Energie</strong>:<br />
Wärmedämmung: Der Bereich Bauen und<br />
Wohnen verursacht etwa 40% des weltweiten <strong>Energie</strong>verbrauchs.<br />
Diese Belastung kann durch eine höhere<br />
<strong>Energie</strong>effizienz von Gebäuden deutlich reduziert werden.<br />
Als Entwickler und Produzent von Dämmstoffen<br />
und Betonadditiven arbeitet BASF daran, die <strong>Energie</strong>-<br />
Bilanz von Häusern und Gebäuden deutlich zu verbessern.<br />
Der Einsatz unserer Produkte hat im Jahr 2011<br />
rund 280 Millionen Tonnen CO 2<br />
-Äquivalente im Gebäude-<br />
und Haushaltsbereich eingespart.<br />
32<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Katalysatoren: Für viele Produktionsprozesse<br />
in der chemischen Industrie werden Strom und<br />
Dampf eingesetzt. Durch den Einsatz von BASF-Katalysatoren<br />
lässt sich die erforderliche Wärmezufuhr für<br />
viele chemische Prozesse reduzieren. Durch den Einsatz<br />
von Katalysatoren gelingt es uns bei BASF eine Vielzahl<br />
von Chemikalien, Kunststoffen und anderen Produkten<br />
so energieeffizient wie möglich herzustellen. Gleichzeitig<br />
helfen unsere Katalysatoren auch unseren Kunden,<br />
zum Beispiel bei der Herstellung von Kraftstoffen, den<br />
<strong>Energie</strong>- und Ressourcenverbrauch zu senken.<br />
<strong>Energie</strong>management: Dahinter verbirgt<br />
sich eine grosse Zahl technologischer Entwicklungen,<br />
die zukünftig eine effizientere Verwendung von <strong>Energie</strong><br />
möglich machen soll. Vornehmlich entwickelt BASF<br />
neue Materialien für Thermoelektrik und Magnetokalorik<br />
oder Emitter für organische Leuchtdioden (OLEDs).<br />
Batterien: Es gibt nur wenige Möglichkeiten,<br />
elektrische <strong>Energie</strong> zu speichern. Man kann Wasser in<br />
Stauseen pumpen und bei Bedarf für die <strong>Energie</strong>erzeugung<br />
nutzen. Die andere Möglichkeit ist die chemische<br />
Speicherung in Batterien. BASF forscht an der Entwicklung<br />
von Materialien für neue Generationen von leistungsfähigeren<br />
Batterien, die in Elektroautos aber auch<br />
zur Speicherung von <strong>Energie</strong> in modernen Stromnetzen<br />
eingesetzt werden können. Neben der Erforschung<br />
und Produktion neuer Kathodenmaterialien konzentrieren<br />
wir uns auf Elektrolyte.<br />
«Wir zeigen auf diese<br />
Weise, dass Nachhaltigkeit<br />
und Wachstum<br />
kein Widerspruch sind<br />
– im Gegenteil. Das<br />
starke globale Bevölkerungswachstum<br />
verlangt<br />
neue nachhaltige<br />
Lösungen und bietet<br />
Chancen gerade für<br />
die Chemie.»<br />
Die Gas- und Dampfturbinen-Anlage am Verbundsstandort<br />
Ludwigshafen nutzt die entstehende<br />
Abgaswärme der Gasturbinen zum Herstellen<br />
von Dampf, der dann in den Produktionsbetrieben<br />
des Werkes für unterschiedlichste chemische Prozesse<br />
verwendet wird.<br />
Windenergie: Die Nutzung der Windkraft<br />
stellt höchste Anforderungen an die verwendeten Materialien.<br />
Bei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300<br />
Kilometern pro Stunde wirken enorme Kräfte auf die<br />
Rotorblätter, die sich an den Spitzen um mehr als einen<br />
Meter biegen. Damit die Rotorblätter Betriebszeiten<br />
von 20 Jahren bei Schnee, Regen, Hitze und UV-Strahlung<br />
überstehen, müssen sie nicht nur stabil, sondern<br />
auch witterungsbeständig sein. BASF hat bereits zahlreiche<br />
innovative Produkte für den Windenergiemarkt<br />
entwickelt, darunter Speziallacke, Epoxidharze, Klebstoffe,<br />
Schäume, Spezial-Beton für Onshore- und Offshore-Anwendungen<br />
und Getriebeöle.<br />
Auch für unsere eigene Produktion hat das Thema<br />
<strong>Energie</strong> eine sehr wichtige Bedeutung: Die chemische<br />
Industrie ist und wird eine energieintensive Branche<br />
bleiben. Denn es wird für die Herstellung neuer Produkte<br />
immer ein Mindestmass an <strong>Energie</strong>einsatz erfor-<br />
Sommer 2012 33
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
derlich sein. Unser Ziel ist es, das so effizient und damit<br />
so wirtschaftlich wie möglich zu tun.<br />
In Ludwigshafen betreibt die BASF den grössten<br />
Chemieproduktionsstandort weltweit. Dank eigener<br />
Kraftwerke können wir dort unter dem Strich unseren<br />
Strombedarf selbst decken. Die hierfür eingesetzten<br />
Gaskraftwerke gehören zu den effizientesten konventionellen<br />
Kraftwerken weltweit. In Verbindung mit<br />
Kraft-Wärme-Kopplung erreichen wir Gesamtwirkungsgrade<br />
von bis zu 90%. Zum Vergleich: Bei konventionellen<br />
Kraftwerken liegt der Wirkungsgrad je<br />
nach Technologie zwischen 35-45%. Grosse Vorteile<br />
für die <strong>Energie</strong>effizienz ergeben sich in Ludwigshafen<br />
auch durch die Produktion im Verbund: Weil unsere<br />
Anlagen miteinander vernetzt sind, können wir die Abwärme<br />
des einen Betriebs als Prozesswärme in anderen<br />
Betrieben nutzen. Weltweit betreiben wir sechs solche<br />
Verbundstandorte.<br />
Unsere Massnahmen zur energieeffizienten Produktion<br />
haben einen messbaren Erfolg: 2011 konnte<br />
die BASF die <strong>Energie</strong>effizienz ihrer Produktionsprozesse<br />
im Vergleich zum Jahr 2002 um 26% steigern.<br />
Damit haben wir unser ursprüngliches Ziel von 25%<br />
bis 2020 fast zehn Jahre früher als geplant erreicht.<br />
Trotzdem bleiben wir kontinuierlich am Ball, um weltweit<br />
alle Anlagen und Produktionsprozesse auf weitere<br />
Verbesserungen zu prüfen. Unser neues Ziel lautet<br />
deshalb, die <strong>Energie</strong>effizienz bezogen auf das Basisjahr<br />
2002 weltweit um 35 % zu steigern.<br />
Wir zeigen auf diese Weise, dass Nachhaltigkeit<br />
und Wachstum kein Widerspruch sind – im Gegenteil.<br />
Das starke globale Bevölkerungswachstum verlangt<br />
neue nachhaltige Lösungen und bietet Chancen gerade<br />
für die Chemie. Unser Unternehmenszweck lautet daher<br />
«We create chemistry for a sustainable future». Wir<br />
verknüpfen in enger Partnerschaft mit Kunden und<br />
Forschungsinstituten Kompetenzen aus der Chemie,<br />
Biologie, Physik sowie den Material- und Ingenieurwissenschaften,<br />
um innovative Lösungen für drängende<br />
Fragen zu finden. Wir werden die knappen Einsatzstoffe<br />
in unserer Produktion noch effizienter verwenden<br />
und wo immer dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll<br />
ist, erneuerbare Ressourcen nutzen.<br />
Mehr als 10.000 Mitarbeiter der BASF arbeiten<br />
heute in der Forschung und Entwicklung. Sie forschen<br />
auch an neuen Lösungen für die <strong>Energie</strong>versorgung von<br />
morgen. Als führendes Chemieunternehmen haben wir<br />
beste Voraussetzungen, die Technologien für die <strong>Energie</strong>versorgung<br />
der Zukunft und den effizienten Einsatz<br />
von Rohstoffen mit zu entwickeln und zukunftsfähige,<br />
attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Die grösstmögliche<br />
Effizienz beim Einsatz von Ressourcen liegt dabei<br />
im ureigenen Interesse der chemischen Industrie. Denn<br />
auch in 30 Jahren wird die BASF überwiegend auf fossile<br />
Rohstoffe als Basis für viele Produkte angewiesen<br />
sein. Eine sichere, bezahlbare und nachhaltige <strong>Energie</strong>versorgung<br />
ist daher eine entscheidende Voraussetzung<br />
dafür, dass wir mit innovativen Produkten und<br />
Lösungen den Bedürfnissen von künftig neun Milliarden<br />
Menschen gerecht werden können.<br />
Lebenslauf<br />
Dr. Kurt Bock wurde 1958<br />
in Rahden/Ostwestfalen<br />
geboren. Er studierte ab<br />
1977 Betriebswirtschaftslehre<br />
an den Universitäten<br />
in Münster und Köln sowie<br />
an der Pennsylvania State<br />
University in den USA<br />
und schloss das Studium 1982 in Köln als Diplom-<br />
Kaufmann ab. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter promovierte er an<br />
der Universität Bonn zum Dr. rer. pol. 1985 trat<br />
Dr. Kurt Bock in die BASF Aktiengesellschaft im<br />
Bereich Finanzen ein, wechselte jedoch 1992 zu<br />
Bosch. Dort leitete er den Bereich Finanzen und<br />
Bilanzen und übernahm dann die Geschäftsführung<br />
der brasilianischen Tochtergesellschaft. 1998<br />
kehrte Dr. Kurt Bock zurück zur BASF, zunächst<br />
als Chief Financial Officer der US-Tochter, dann<br />
als Leiter Logistik & Informatik der Konzernmutter.<br />
2003 wurde Dr. Kurt Bock Finanzvorstand der<br />
BASF Aktiengesellschaft und ist seit 2011 Vorsitzender<br />
des Vorstands.<br />
34<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Wie wir rasch und<br />
geordnet aus der<br />
Atomenergie<br />
aussteigen<br />
Ueli Leuenberger<br />
Präsident der Grünen Schweiz<br />
In Fukushima ist 25 Jahre nach Tschernobyl das<br />
Undenkbare wieder Wirklichkeit geworden. Ähnlich<br />
wie für die Menschen in Japan und in der Ukraine<br />
vor den Katastrophen ist es für uns heute<br />
kaum vorstellbar, dass etwa das Seeland – die Gemüsekammer<br />
der Schweiz nördlich des AKW Mühleberg<br />
– oder die dicht besiedelten Gebiete zwischen Zürich<br />
und Basel um die AKW Beznau, Gösgen und Leibstadt<br />
nach einer Katastrophe für Generationen nicht mehr<br />
genutzt werden können und verlassen werden müssen.<br />
Der Atomausstieg darf nicht weiter auf die lange<br />
Bank geschoben werden. Der Grundsatzentscheid von<br />
Bundesrat und Parlament, keine neuen AKW mehr in<br />
der Schweiz zuzulassen, war ein historischer Schritt<br />
und ein Erfolg auch für das jahrzehntelange Engagement<br />
der Umweltbewegung und der Grünen Partei. Die<br />
<strong>Energie</strong>wende hat begonnen.<br />
Vergessen gingen dabei aber die bestehenden<br />
AKW. Diese sollen gemäss den Plänen von Regierung<br />
und Parlament alle bis zum Ende ihrer «sicherheitstechnischen<br />
Betriebsdauer» weiterbetrieben werden.<br />
Was bedeutet das anderes, als dass alle AKW bis kurz<br />
vor dem Super-GAU weiterlaufen? Russisches Roulette<br />
mit fünf Atomreaktoren! Und wie lange ist denn eigentlich<br />
die «sicherheitstechnische Betriebsdauer»? In einer<br />
Medienmitteilung des Bundesrates ist von 50 Jahren<br />
die Rede. <strong>Energie</strong>ministerin Leuthard spricht von 60<br />
Jahren; vielleicht mehr, vielleicht auch weniger – als<br />
ob wir in einem Wettbüro wären. Da unsicher ist, wann<br />
es keinen Atomstrom mehr gibt, ist auch nicht klar, ab<br />
welchem Zeitpunkt es sich lohnt in Alternativen zu investieren.<br />
Die <strong>Energie</strong>wende wird ausgebremst.<br />
Atomausstiegsinitiative: Wir müssen Laufzeiten<br />
für die Atomkraftwerke festlegen<br />
Wer über Atomausstieg redet, kommt nicht umhin<br />
Laufzeiten für AKW zu definieren. Dazu sammeln die<br />
Grünen zusammen mit weiteren Organisationen zurzeit<br />
noch die letzten Unterschriften für die Volksinitiative<br />
«für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie».<br />
Mit der Initiative würde der Betrieb von AKW in<br />
der Schweiz verboten und für jedes bestehende Atomkraftwerk<br />
eine Laufzeit von maximal 45 Jahren verbindlich<br />
festgeschrieben werden. Wenn es die Sicherheit<br />
verlangt, müssen AKW selbstverständlich schon<br />
früher abgeschaltet werden.<br />
Die Problemstellung ist klar: Bis 2029 muss gestaffelt<br />
eine Jahresproduktion von rund 26 Terrawattstunden<br />
(TWh) Atomstrom ersetzt werden. Dazu setzt<br />
die Atomausstiegsinitiative auf Einsparungen beim<br />
<strong>Energie</strong>verbrauch, die effiziente Nutzung von <strong>Energie</strong><br />
und den Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n.<br />
<strong>Energie</strong>wende heisst vor allem:<br />
Verschwendung bekämpfen<br />
Je nach Entwicklung der Technologien und der<br />
politischen Rahmenbedingungen werden die Potenziale<br />
in den einzelnen Bereichen unterschiedlich ausgeschöpft.<br />
Das grösste Potenzial liegt sicher beim Sparen<br />
und verbesserter Effizienz. Die Schweizerische Agentur<br />
für <strong>Energie</strong>effizienz (S.A.F.E.) hat etwa die Einsparund<br />
Effizienzpotenziale verschiedener Massnahmen<br />
berechnet. Einige Beispiele aus dem Alltag:<br />
Sommer 2012 35
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Abschaltjahre für die fünf Schweizer AKW gemäss Atomausstiegsinitiative<br />
AKW<br />
kommerzielle<br />
Inbetriebnahme 1<br />
Abschaltjahr<br />
Beznau 1 1969 ein Jahr nach Annahme der Initiative<br />
Beznau 2 1972 2017<br />
Mühleberg 1972 2017<br />
Gösgen 1979 2024<br />
Leibstadt 1984 2029<br />
• Wenn alle Röhrenfernsehgeräte und die alten LCD-<br />
Geräte durch die besten LCD-Fernseher mit integrierter<br />
Settop-Box ersetzt werden würden, liesse<br />
sich jährlich 0.8 TWh Strom einsparen1.<br />
• Der Ersatz alter Kühl- und Gefriergeräte sowie weiterer<br />
stromverbrauchender Haushaltgeräte durch<br />
die jeweils energieeffizientesten Geräte auf dem<br />
Markt (<strong>Energie</strong>klasse A+++) erlaubt Einsparungen<br />
von 1.7 TWh pro Jahr.<br />
• Mit dem Ersatz von Elektrowiderstandsheizungen<br />
durch effiziente Wärmesysteme wie Wärmepumpen<br />
und bessere Isolierung könnte jährlich 1.2 TWh<br />
eingespart werden. Im Winter produzieren die AKW<br />
Beznau 1 + 2 und Mühleberg nur Strom für Elektroheizungen!<br />
• Mit dem flächendeckenden Ersatz alter Glühbirnen<br />
durch LED-Lampen können im Jahr 4.2 TWh Strom<br />
eingespart werden. Das ist mehr als eines der drei<br />
alten AKW produziert.<br />
• Sehr gross ist das Einsparpotenzial in der Industrie<br />
und im Gewerbe. Allein durch den Ersatz alter<br />
Elektromotoren könnte der Stromverbrauch um 7.8<br />
TWh pro Jahr gesenkt werden. Das entspricht fast<br />
der Produktion des AKW Gösgen.<br />
Würde beim Ersatz alter Geräte und Maschinen<br />
jeweils immer das stromsparende Bestgerät gewählt<br />
(Bestgerätestrategie), könnten gemäss S.A.F.E. bis<br />
2035 25.8 TWh Strom jährlich eingespart werden. Damit<br />
liessen sich alle AKW, die heute in Betrieb sind, ersetzen.<br />
Ökologisch verträglicher Ausbau<br />
der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />
Beinahe alle AKW lassen sich bis 2035 auch allein<br />
mit dem Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n ersetzen.<br />
Der entsprechende Ausbau der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n<br />
ist ausserdem mit dem Schutz von Natur, Umwelt und<br />
Landschaft durchaus vereinbar. Solaranlagen lassen<br />
sich etwa nicht nur auf Dächern sondern auch auf bestehenden<br />
Infrastrukturanlagen wie etwa Lawinenverbauungen<br />
oder Parkplätzen installieren. Die Umweltverbände<br />
rechnen mit einem ökologisch verträglichen<br />
Potenzial von 24.9 TWh pro Jahr Strom aus erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>quellen.<br />
Der vollständige Atomausstieg bis 2029 ist in der<br />
Schweiz machbar. In Deutschland hat die bürgerliche<br />
Regierung den Atomausstieg für das Jahr 2022 beschlossen.<br />
Allerdings hat Deutschland in den vergangenen<br />
Jahren konsequent die erneuerbaren <strong>Energie</strong>n gefördert<br />
und ausgebaut. Die Schweiz hat diesbezüglich<br />
einen grossen Nachholbedarf. Die Atomausstiegsinitiative<br />
lässt aber der Schweizer Wirtschaft genug Zeit.<br />
Der Atomausstieg ist auch bezahlbar. Die Umweltverbände<br />
rechnen mit einer Strompreiserhöhung von<br />
lediglich 5 Franken pro Haushalt und Jahr. Die neuesten<br />
Berechnungen des Bundes erwarten eine Erhöhung<br />
pro kWh von rund 15%. Bei heute jährlichen Ausgaben<br />
für den Strom eines Haushalts von etwa 700 Franken<br />
ergibt sich eine Verteuerung der Stromrechnung von<br />
etwa 100 Franken im Jahr, wobei diese Verteuerung<br />
mit Einsparungen teilweise oder ganz kompensiert<br />
werden könnten.<br />
1 Quelle: Bundesamt für <strong>Energie</strong><br />
36<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Grosse Erwartungen an die<br />
<strong>Energie</strong>strategie 2050<br />
Dazu müssen aber auch die Rahmenbedingungen<br />
stimmen. Der Bundesrat wird noch dieses Jahr seine<br />
<strong>Energie</strong>strategie 2050 für den Atomausstieg vorstellen.<br />
Zu begrüssen ist, dass in der neuen <strong>Energie</strong>strategie<br />
nicht nur der Strom, sondern der gesamte <strong>Energie</strong>verbrauch<br />
berücksichtigt wird. So werden etwa Klimaschutz<br />
und Atomausstieg nicht gegeneinander ausgespielt,<br />
sondern können in einer Strategie gemeinsam<br />
umgesetzt werden.<br />
Die Details der neuen <strong>Energie</strong>strategie sind jedoch<br />
noch nicht bekannt. Einige Schwächen zeichnen sich<br />
bereits ab: Das Einsparpotential und das Potential der<br />
Photovoltaik wird unterschätzt. Stattdessen werden<br />
unnötigerweise Gaskombikraftwerke und Netto-Stromimporte<br />
in Aussicht gestellt. Statt Strom zu importieren,<br />
sollte vielmehr die Einfuhr von stromfressenden<br />
und energieverschwendenden Geräten und Maschinen<br />
eingeschränkt werden. Immerhin haben die Fachleute<br />
des Bundes inzwischen den Ausbau der Wasserkraft<br />
richtigerweise nach unten korrigiert.<br />
Einig sind sich dagegen alle über die gesteigerten<br />
Herausforderungen an die Netzinfrastruktur und die<br />
Abstimmung von Produktion und Verbrauch. Auch hier<br />
braucht es eine Wende. Das Netz sollte in Richtung einer<br />
dezentralen Stromversorgung umgebaut werden.<br />
Es braucht weniger und nicht mehr Hochspannungsleitungen,<br />
welche die Landschaft zerstören. Mit Smart-<br />
Grids und der Entwicklung neuer Speicherlösungen<br />
sollen die Produktionsspitzen geglättet und Alternativen<br />
zu Pumpspeicherwerken zur Verfügung gestellt<br />
werden. Die Schweiz kann nicht die Batterie für ganz<br />
Europa sein, wie dies zuweilen gefordert wird.<br />
Damit der Atomausstieg gelingt und die neue<br />
<strong>Energie</strong>strategie wirksam umgesetzt werden kann,<br />
braucht es gesetzlich festgeschriebene Ziele für Einsparungen,<br />
Effizienz und Produktion. Dabei sind Massnahmen<br />
vorzusehen, die je nach Zielerreichung flexibel<br />
verschärft werden können. Dieses Vorgehen ist nicht<br />
neu. So sind etwa im neuen CO 2<br />
-Gesetz Reduktionsziele<br />
definiert, die mit den ebenfalls im Gesetz vorgesehenen<br />
Massnahmen erreicht werden sollen. Werden die<br />
Ziele nicht erreicht, kann in der Regel der Bundesrat<br />
allein die Massnahmen verschärfen.<br />
Bei den Massnahmen ist etwa an Lenkungs- und<br />
Förderabgaben, aber auch an Vorschriften für Produktionsprozesse,<br />
Produkte und Abfälle sowie für das<br />
öffentliche Beschaffungswesen zu denken. Wichtige<br />
Voraussetzung ist dabei die Förderung von Forschung,<br />
Innovation und Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen<br />
sowie der Synergien zwischen wirtschaftlichen<br />
Aktivitäten. Die Grünen haben die Volksinitiative<br />
für eine Grüne Wirtschaft lanciert, welche eine allgemeine<br />
Verfassungsgrundlage für solche Massnahmen<br />
fordert.<br />
Unnötige Debatte zur Einschränkung<br />
der Schutzinteressen<br />
Zum Schluss noch eine Bemerkung zur leidigen<br />
und falsch gestellten Frage, ob die Schutzinteressen<br />
der nachhaltigen <strong>Energie</strong>wende untergeordnet werden<br />
sollen. Selbstverständlich kann eine <strong>Energie</strong>wende,<br />
welche den Schutz von Natur und Landschaft mit Füssen<br />
tritt nicht als nachhaltig bezeichnet werden. Ein<br />
wichtiges Prinzip der Nachhaltigkeit ist das der Vorsorge.<br />
Daher sollen etwa Lebensräume und Landschaften<br />
nicht leichtfertig unwiederbringlich durch den Ausbau<br />
der erneuerbaren <strong>Energie</strong>n zerstört oder beeinträchtigt<br />
werden. Dies vor allem nicht, wenn Alternativen<br />
zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt aus diesem Grund<br />
muss eine nachhaltige <strong>Energie</strong>wende den Schwerpunkt<br />
auf die Reduktion des <strong>Energie</strong>verbrauchs setzen. Die<br />
billigste und umweltfreundlichste Kilowattstunde ist<br />
jene, die nicht verbraucht wird.<br />
Lebenslauf<br />
Ueli Leuenberger wurde<br />
am 26. März 1952 in Oberönz<br />
im Berner Mittelland<br />
geboren. In dieser Region<br />
besuchte er die Primarund<br />
Sekundarschule. 1968<br />
liess er sich in Luzern nieder<br />
und arbeitete dort zuerst<br />
in einem Luxushotel als Page und absolvierte<br />
anschliessend eine Lehre als Koch. 1972 zog Leuenberger<br />
nach Genf und arbeitete bei der Post und<br />
in der Metallindustrie. Später absolvierte er eine<br />
Zweitausbildung als Sozialarbeiter und war im sozialen<br />
Bereich tätig. Unter anderem gründete er in<br />
den neunziger Jahren die Albanische Volksuniversität<br />
(UPA) in Genf, ein allseitig anerkanntes Integrationsprojekt.<br />
Seit 2003 ist Ueli Leuenberger<br />
Mitglied des Nationalrats, war vier Jahre lang Vizepräsident<br />
und ist seit 2008 Präsident der Grünen<br />
Schweiz. Gegenwärtig präsidiert er die Staatspolitische<br />
Kommission und ist Mitglied der Geschäftsprüfungskommission.<br />
Politisch geprägt hat ihn der<br />
Kampf gegen das geplante AKW in Graben, wenige<br />
Kilometer von seinem Geburtsort entfernt, sowie<br />
der Widerstand gegen die AKW Gösgen und Creys-<br />
Malville.<br />
Sommer 2012 37
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Beleuchtung mit LED<br />
Der ökonomische Weg zum Klimaziel<br />
Martin Hockemeyer<br />
Geschäftsführer der Gebrüder Thiele Gruppe und deren Umweltsparte GT BiomeScilt<br />
Vor dem Hintergrund steigender <strong>Energie</strong>preise,<br />
verknappender Rohstoffe und gesetzter<br />
Klimaziele sind die weltweiten gesellschaftlichen<br />
Herausforderungen gewaltig. Dies<br />
allerdings nicht erst seit heute – und darüber hinaus<br />
bereits seit langem absehbar durch den rasant wachsenden<br />
Konsum und die zunehmende Mobilität weltweit.<br />
In Deutschland wird das neue «Stromzeitalter» öffentlichkeitswirksam<br />
mit all seinen vermeintlich positiven<br />
und negativen Auswirkungen auf den Endverbraucher<br />
und die Wirtschaft diskutiert, wobei sich niemand in<br />
der Lage wähnt, diese exakt abzubilden. Sicher ist: Es<br />
wird ein Kraftakt für alle. Sicher dürfte aber auch sein,<br />
dass kostenintensive Technologien bei der <strong>Energie</strong>gewinnung<br />
und –speicherung zwangsläufig zu einem gewaltigen<br />
Anreiz bei der Entwicklung kostensparender<br />
<strong>Energie</strong>spartechnologien führen. Dies vielleicht sogar<br />
mit dem verblüffenden Ergebnis, dass die Welt grüner<br />
geworden ist, dass Verbraucher ihre Konsumneigungen<br />
nur kaum spürbar verändern mussten und dass<br />
der viel befürchtete negative Arbeitsmarkteffekt sich<br />
weitestgehend mit anspruchsvollen «grünen» Arbeitsplätzen<br />
saldiert hat. Für die Gebrüder Thiele Gruppe<br />
steht bereits seit Längerem fest, dass der Weg zu einer<br />
nachhaltigeren Zukunft eine grosse Chance für die Gesellschaft,<br />
aber auch für innovative Unternehmen darstellt,<br />
die bereit sind, in längeren Zyklen zu denken.<br />
Zukunftstechnologie LED<br />
Verantwortliches Handeln und Pioniergeist sind<br />
zwei gute Verbündete, um auf der einen Seite die vor<br />
uns liegenden Anforderungen zu bewältigen und um<br />
auf der anderen Seite Unternehmen an diesen erfolgreich<br />
auszurichten. Die Gebrüder Thiele Gruppe hat<br />
die Frage, ob sich der Wunsch und die Unternehmensrichtlinien<br />
in Bezug auf nachhaltiges Handeln durch<br />
den Aufbau einer völlig neuen Umwelttechnologiesparte<br />
ökonomisch sinnvoll realisieren lassen, mit einem<br />
eindeutigen «Ja» beantwortet. In Zeiten sprunghaften<br />
technologischen Wandels können auch mittelständisch<br />
geprägte Unternehmen mit grosser Umsetzungsgeschwindigkeit<br />
und Fokus die Öffnung zu Märkten mit<br />
hohen Zugangsbeschränkungen schaffen. Mit dem<br />
Wissen, dass Stromversorgung aus regenerativem Ursprung<br />
nur eine Seite der Gleichung zur Erreichung<br />
der <strong>Energie</strong>wende darstellt und dass die Entwicklung<br />
stromsparender Technologien weniger kapitalintensiv<br />
ist, hat die Gebrüder Thiele Gruppe es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, LED Spitzentechnologie zu entwickeln,<br />
zu produzieren und attraktiv zu vermarkten. Hierfür<br />
wurde im Jahr 2006 GT BiomeScilt als LED Sparte ins<br />
Leben gerufen. Effiziente Beleuchtung ist eine wichtige<br />
Grösse, die ausgelobten energie- und umweltpolitischen<br />
Ziele zu erreichen, da fast 20 Prozent des<br />
weltweiten und 14 Prozent des europäischen Stromverbrauchs<br />
auf die Beleuchtung entfallen. In vielen Ländern<br />
stehen herkömmliche Leuchtmittel entsprechend<br />
vor dem Aus, was erhebliche natürliche Anreize schafft<br />
und so den Wandel zu LED Leuchtmitteln ohne staatliche<br />
Subventionen vorantreibt.<br />
Vorteile der LED<br />
«Licht emittierende Dioden», kurz LED, arbeiten<br />
mit Halbleiterverbindungen, die Strom direkt in Licht<br />
umwandeln. Der Vorteil: Es wird nur eine geringe elektrische<br />
Spannung benötigt. Anders als Glühbirnen<br />
strahlen LED Lampen kaum Wärme ab und verbrauchen<br />
dadurch viel weniger <strong>Energie</strong>. Sie sind ausserdem<br />
langlebig (wartungsarm), extrem robust und umweltfreundlich,<br />
da sie frei von Giftstoffen sind. Schätzungen<br />
zufolge könnte durch den Einsatz von Leuchtdioden<br />
schon heute weltweit bis zu 30 Prozent der <strong>Energie</strong> eingespart<br />
werden, die für Beleuchtung eingesetzt wird. 1<br />
Voraussetzung dafür ist, dass die LED im gewerblichen<br />
und privaten Bereich gleichermassen Anwendung<br />
findet. Durch den geringen Strombedarf von LED ist<br />
auch ein positiver Nebeneffekt auf die Machbarkeit,<br />
die Komplexität und die Skalierung dezentraler <strong>Energie</strong>-<br />
und Speichersysteme zu erwarten. In diesem Sinne<br />
werden stromsparende Technologien insgesamt einen<br />
bedeutenden Anteil an der zunehmenden Demokratisierung<br />
von <strong>Energie</strong> weltweit haben.<br />
1 Vgl. licht.wissen 17_LED: Das Licht der Zukunft<br />
38<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Wirtschaftlichkeitsberechnung: Beispiel<br />
Projekt: Musterunternehmen<br />
Investitionskosten 57‘780.00 €<br />
Preis / kWh 0.14 €<br />
Tägliche Betriebsdauer 12 Std.<br />
Tage / Jahr 252<br />
Wartungskosten / Leuchtmittel 10.00 €<br />
Beleuchtung mit<br />
Leuchtstofflampen<br />
Beleuchtung mit<br />
LED-Röhren<br />
Anzahl 1‘000 1‘000<br />
Bezeichnung Leuchtstofflampe LED Röhre Centrum 150 cm<br />
Volt (V) 230 230<br />
Watt (W) 58 27<br />
Anschlusswert Leuchte 71 27<br />
Anschlusswert<br />
Gesamt (W)<br />
71‘000 27‘000<br />
Betriebsdauer (Std.) 3‘024 3‘024<br />
Leistung (kWh) 214‘704 81‘648<br />
Engergiekosten / Jahr 30‘058.56 € 11‘430.72 €<br />
Wartung / Jahr 3‘024 € 302.40 €<br />
Summe 33‘038 € 11‘733 €<br />
Einsparung / Jahr 21‘349 €<br />
Einsparung CO 2<br />
/ Jahr<br />
Re-Invest in Jahren<br />
67.326 kg<br />
2.7 Jahre<br />
Quelle: GT BiomeScilt GmbH<br />
Sommer 2012 39
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
beim Design von Leuchten, in der Architektur und im<br />
Produktdesign im Allgemeinen. Durch ihre enorme<br />
Formbarkeit lassen sie sich nahezu überall nahtlos integrieren<br />
und werden somit viele Gegenstände des täglichen<br />
Lebens und unsere Wahrnehmung verändern.<br />
Einsparpotenziale heute nutzen<br />
Lagerbeleuchtung mit LED<br />
Rechenbare Anwendungsbereiche<br />
Vor dem Hintergrund von <strong>Energie</strong>effizienz und<br />
des sich daraus ergebenden Kostensenkungspotenziales<br />
ist die Umrüstung auf LED für Unternehmen schon<br />
heute der richtige Weg. Mit Markteinführung der von<br />
GT BiomeScilt entwickelten treiberlosen LED Technologie<br />
hat die Gebrüder Thiele Gruppe auf einer Gesamtfläche<br />
von 225.000 Quadratmetern alle bestehenden<br />
Leuchtstoffröhren durch LED Röhren ausgetauscht. So<br />
konnte der Stromverbrauch von 3,61 Millionen Kilowattstunden<br />
auf 1,25 Millionen Kilowattstunden pro<br />
Jahr gesenkt werden. Das entspricht einer Reduzierung<br />
der <strong>Energie</strong>kosten um rund 280.000 Euro und einem<br />
verringerten CO 2<br />
-Ausstoss von ca. 1.360 Tonnen<br />
jährlich. Die mittlere Lebensdauer der treiberlosen LED<br />
Röhren von 100.000 Stunden reduziert darüber hinaus<br />
die Wechsel- und Wartungskosten erheblich und<br />
unterstreicht dadurch den Nachhaltigkeitsgedanken<br />
zusätzlich. Die Umrüstung aller gewerblichen Flächen<br />
auf GT BiomeScilt LED Röhren war für die Gebrüder<br />
Thiele Gruppe insofern betriebswirtschaftlich und ökologisch<br />
alternativlos und im Sinne der Vorbildfunktion<br />
selbstverständlich. Bereits nach 3,3 Jahren haben sich<br />
die Anschaffungskosten amortisiert.<br />
Auch für Endverbraucher sind LED schon heute<br />
eine sehr gute Alternative. Ein Rechenbeispiel: Beim<br />
Austausch einer 60 Watt Glühbirne durch eine 12<br />
Watt LED Leuchte ergibt sich bei einer durchschnittlichen<br />
täglichen Nutzungsdauer von 3 Stunden und<br />
einem Strompreis von € 0,26 eine Amortisationszeit<br />
von nur circa 1,4 Jahren. LED bieten auch aus ästhetischer<br />
Sicht spannende gestalterische Möglichkeiten<br />
Die Glühbirne hat unser Leben sehr lange beherrscht<br />
und wird nun Schritt für Schritt von einer<br />
Technologie abgelöst, deren grosse Vorteile und Möglichkeiten<br />
die Geschichte des Lichts völlig neu schreiben<br />
werden. Der Einsatz moderner LED Lichttechnologie<br />
ist darüber hinaus ein wesentlicher Ansatzpunkt,<br />
den <strong>Energie</strong>verbrauch und unseren Einfluss auf den<br />
Klimawandel nachhaltig zu reduzieren. Sicherlich ist<br />
auch davon auszugehen, dass Innovationsdruck und<br />
zunehmende Nachfrage eine Motivation für sinkende<br />
LED Preise in den nächsten Jahren sein werden. Genauso<br />
wichtig ist jedoch die Weiterentwicklung der<br />
Technologie, um auch technologisch komplexen Einsatzbereichen,<br />
wie z.B. in der Automobilindustrie oder<br />
bei Strahlern mit sehr hoher Lichtleistung, gerecht zu<br />
werden. Die Bereitschaft der Anbieterseite durch entsprechende<br />
Investitionen Know-how und Kapazitäten<br />
aufzubauen, wird vergleichbar mit der Solarindustrie,<br />
die getrieben von der Grid Parity abnehmende garantierte<br />
Einspeisevergütungen kompensieren muss, sein.<br />
Anders als in der Solarindustrie steht jedoch die Motivation<br />
der Verbraucher, Geld zu sparen, ohne dafür<br />
staatliche Zuschüsse beanspruchen zu müssen, im Vordergrund.<br />
Ein exakt messbarer Effekt, der sich sofort<br />
einstellt und noch lange über die Amortisationszeit hinaus<br />
Kosten spart. Man kann es aber auch anders herum<br />
formulieren: Wer Einsparpotenziale in die Zukunft<br />
verlagert, wird unweigerlich erhebliche Opportunitätskosten<br />
zu tragen haben.<br />
Lebenslauf<br />
Martin Hockemeyer, geboren<br />
1969, ist Geschäftsführender<br />
Gesellschafter<br />
der Gebrüder Thiele Gruppe<br />
und Geschäftsführer<br />
der Umweltsparte GT<br />
BiomeScilt. Nach seinem<br />
Studium an der European<br />
Business School in London trat er 1995 in die Gebrüder<br />
Thiele Gruppe ein. Heute führt er die 1848<br />
gegründete Unternehmensgruppe in vierter Generation<br />
und verantwortet die globale Geschäftsentwicklung.<br />
Die Gebrüder Thiele Gruppe beschäftigt<br />
heute rund 1.800 Mitarbeiter an mehr als 50<br />
Standorten weltweit.<br />
40<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
South Stream<br />
Offshore Project<br />
The Bridge To a Secure Energy Future<br />
Sebastian Sass<br />
Head of Communications & Spokesperson, South Stream Transport AG<br />
Today’s concerns about the world’s energy resources<br />
are both financial and environmental.<br />
On the one hand, there is the growing<br />
difficulty of financing costly renewable energy<br />
technology from scarce public funds. On the other<br />
hand, some countries are phasing out their nuclear<br />
power stations and turning to heavily polluting coalfired<br />
power generation instead.<br />
These concerns make natural gas the obvious fuel<br />
of choice for Europe: it is climate-friendly, efficient and<br />
abundant. But, while European gas consumption is rising,<br />
the region’s domestic production is declining at the<br />
same time. Therefore, Europe needs additional gas supplies<br />
and reliable supply routes to secure its energy for<br />
future decades.<br />
With the number of external gas suppliers to the<br />
EU now growing, Russia – with one quarter of the<br />
world’s proven gas reserves – remains a key energy<br />
partner for the region. Russian gas deliveries to Europe<br />
have been stable for more than 40 years already, and<br />
continuing this long-term partnership will bring great<br />
benefit to both the EU and to Russia.<br />
It’s time for diversifying routes<br />
The relative share of Russian gas in EU imports<br />
now stands at half of its 1980 level, despite the fact<br />
that total imports from Russia have grown. This shows<br />
that sources have successfully diversified, with entry to<br />
the market by new suppliers such as Norway and Algeria,<br />
and by liquefied natural gas (LNG) technology too.<br />
Today’s deliveries of Russian gas use in majority<br />
the same routes as in the 1980s. While the first line of<br />
the Nord Stream Pipeline started delivering gas into<br />
the European grid in November 2011, there is a clear<br />
need for yet more diversification.<br />
The European Union recognises the need for increased<br />
diversification of both supply sources and<br />
routes. In fact, this is a cornerstone of its energy policy.<br />
This is where the South Stream Offshore Project<br />
comes in. Comprising a 900 km underwater pipeline<br />
from Russia to Bulgaria through the Black Sea, this new<br />
infrastructure will directly connect consumers in Europe<br />
to the world’s largest gas reserves in Russia. When<br />
fully operational, the pipeline will have a capacity of 63<br />
billion cubic metres per year, comprising of 4 lines.<br />
South Stream Transport AG is the offshore pipeline<br />
consortium that will deliver this vision, and it<br />
comprises four first-rank energy companies – OAO<br />
Gazprom, Eni S.p.A, EDF S.A. and Wintershall Holding<br />
GmbH (BASF SE).<br />
Route of the South Stream Offshore Pipeline<br />
Sommer 2012 41
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
By bringing gas from Russia through South Eastern Europe<br />
to European consumers, the South Stream Pipeline<br />
will contribute to the EU’s goals by bridging the existing<br />
gap in the region’s infrastructure development.<br />
However, the South Stream Offshore Project will<br />
not significantly increase the share of Russian gas in<br />
the EU’s supply. There are two reasons for this. Firstly,<br />
overall consumption is likely to keep growing. Secondly,<br />
the South Stream Offshore Pipeline through the Black<br />
Sea is, partially, an investment in the diversification of<br />
transport routes. The pipeline will complement older<br />
transport systems from Russia to Europe and thereby<br />
guarantee supplies even when other routes are affected<br />
by technical failures, natural disasters or other instabilities.<br />
Gas to support EU climate policy<br />
In line with the EU‘s objective of increasing Europe‘s<br />
energy security, the South Stream Offshore<br />
Pipeline will play an important role in ensuring a stable<br />
energy supply to Central and South Eastern Europe. In<br />
addition, it will contribute to the EU‘s efforts to reach<br />
its ambitious climate targets of cutting CO 2<br />
emissions<br />
by 20% by 2020.<br />
The role of natural gas as a major part of Europe’s<br />
energy future is predictable, as suggested by the title of<br />
a 2011 report by the International Energy Agency predicting<br />
what lies ahead: «Golden Age of Gas». One of the<br />
key factors underlying this scenario is that renewables<br />
will be unable to meet the EU’s energy needs for some<br />
time. In theory, the EU could achieve its CO 2<br />
target for<br />
2020 by switching half of today’s coal-fired power stations<br />
to modern gas-fired generation – something that<br />
is relatively inexpensive to do. Gas-fired power plants<br />
are the natural partners for renewable energy sources<br />
requiring back-up capacity.<br />
The South Stream Offshore Project brings together<br />
first class European and Russian companies that all<br />
have significant experience in the construction and<br />
operation of surface and submarine pipelines. Furthermore,<br />
the Environmental and Social Impact Assessments<br />
(ESIA) will be completed in accordance with all<br />
applicable national, EU, and international law. South<br />
Stream Transport AG will meet internationally recognised<br />
standards for health, safety, security as well as financial<br />
and environmental performance and apply advanced<br />
technical solutions to ensure the environmental<br />
protection of the Black Sea.<br />
Creating business opportunities in<br />
a tough economic environment<br />
In a difficult economic climate, the South Stream<br />
Offshore project will trigger significant investment<br />
also further downstream, in South Eastern Europe.<br />
Throughout the Balkan region and South Eastern Europe,<br />
this investment will contribute to the functioning<br />
of the gas market, regional cooperation and energy security.<br />
Growth rates in the Balkans have been restricted<br />
by the shortage in electricity supply, but gas-fired power<br />
generation can help to meet the growing demand for<br />
electricity – at competitive prices.<br />
South Stream Transport AG is a solid commercial<br />
project with a secure and reliable resource base:<br />
The business case does not rely on public funding. As<br />
such, it is obviously an attractive investment for major<br />
energy corporations; one that will generate economic<br />
growth and create jobs in the countries throughout the<br />
Black Sea region.<br />
A bridge for a secure future<br />
Most forecasts agree that the EU needs further gas<br />
import capacity in future; not only to meet rising longterm<br />
demand, but also to provide additional flexibility<br />
to existing transit routes. The South Stream Offshore<br />
Pipeline can help fill a part of this gap.<br />
With the increasing attractiveness of natural gas<br />
as the cleanest and most efficient fossil fuel, there is<br />
a bright future for gas and for new, reliable transport<br />
routes such as the South Stream Offshore Pipeline.<br />
About the Author<br />
Sebastian Sass is working<br />
with South Stream Transport<br />
AG since 2010. Previously<br />
Sebastian Sass has<br />
worked at Nord Stream<br />
where he held special responsibilites<br />
for relations<br />
with governments in the<br />
Baltic region. He represented the company towards<br />
the institutions and decision-makers of the European<br />
Union and he acted as spokesman for the<br />
company. Prior to joining Nord Stream, Sebastian<br />
Sass was engaged with EU and international relations<br />
in government and parliament in both Finland<br />
and in Germany. Sebastian Sass holds a State<br />
Examination of Law from Germany and a Master‘s<br />
degree in European Law (LLM) from the UK.<br />
42<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Beratung mal auf<br />
eine andere Art und Weise<br />
ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten<br />
Wer wir sind<br />
Seit seiner Gründung vor 24 Jahren hat ESP-<br />
RIT St.Gallen bereits über 300 Unternehmen<br />
fachkompetent und innovativ beraten. Zu<br />
den Kunden gehören sowohl mittelständische<br />
Unternehmen, als auch multinationale Konzerne<br />
aus verschiedensten Fachbereichen. Die individuell<br />
zusammengestellten Projektteams erlauben kreative<br />
und effektive Lösungen. Aktuelles Know-how aus der<br />
Forschung in Verbindung mit den unterschiedlichen,<br />
spezialisierten Vertiefungsmöglichkeiten an der Universität<br />
St. Gallen ermöglichen es uns konkret auf verschiedenste<br />
Kundenwünsche einzugehen.<br />
Kreative Beratung auf höchstem Niveau<br />
ESPRIT St.Gallen bietet kompetente Beratung<br />
durch erstklassige Studenten zu einem hervorragenden<br />
Preis-Leistungsverhältnis. Studierende arbeiten<br />
eng mit den Unternehmen zusammen und wenden ihr<br />
Wissen in der Praxis an. Auch Kunden, die nicht auf<br />
konventionelle Beratungsfirmen zurückgreifen würden,<br />
haben so die Möglichkeit ihr Unternehmen professionell<br />
beraten zu lassen und eröffnen somit neue<br />
Perspektiven. Grundsätzlich bieten die studentischen<br />
Berater von ESPRIT St.Gallen Lösungen für sämtliche<br />
betriebs- und volkswirtschaftliche Problemstellungen<br />
an. Über besondere Kompetenzen und langjährige Erfahrung<br />
verfügen wir in den Bereichen Marketing und<br />
Marktforschung, Controlling, Strategie und Organisation,<br />
Hochschulmarketing, Operations sowie Transaction<br />
Services. Für die Auswahl der Projektmitarbeiter<br />
kann ESPRIT St.Gallen auf einen Pool von über 6000<br />
Bachelor- und Masterstudenten sowie Doktoranden,<br />
zurückgreifen. Dies bietet die Möglichkeit, die kompetentesten<br />
Mitarbeiter für die jeweiligen Aufträge auszuwählen.<br />
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Neben der Projektarbeit ist ESPRIT St.Gallen<br />
auch Herausgeber des Wirtschaftsmagazins ESPRIT<br />
St.Gallen Business Review. Das ESGBR ist ein lebendiges<br />
Diskussionforum für hochkarätige Vertreter aus<br />
Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Es wird in einer<br />
Auflage von 11‘000 Exemplaren an die Studenten und<br />
Alumni der Universität St.Gallen, sowie an über 40 weiteren<br />
deutschsprachigen Universitäten und Unternehmen<br />
verteilt.<br />
<strong>Energie</strong> und ESPRIT St.Gallen<br />
Die Kernschmelze in Fukushima im März 2011<br />
brachte Deutschland die <strong>Energie</strong>wende und somit den<br />
Fokus auf nachhaltige <strong>Energie</strong>erzeugung. Weltweit ist<br />
das Denken für dieses Problem sensibilisiert und sowohl<br />
Länder als auch Unternehmen schlugen eine neue<br />
Richtung ein. <strong>Energie</strong> ist eine der grössten Wirtschaftsbranchen<br />
weltweit und jedes Unternehmen ist direkt<br />
oder indirekt davon betroffen.<br />
Umbrüche und Erneuerungen schaffen Unklarheiten<br />
und Probleme. Das ist der Punkt an dem ESPRIT<br />
St.Gallen ansetzt. Wir wenden die erworbene Erfahrung<br />
aus vergangenen Projekten im Bereich <strong>Energie</strong> an,<br />
um ihr Unternehmen innovativ und fachkompetent zu<br />
beraten. <strong>Energie</strong> ist nicht nur eine Ressource, <strong>Energie</strong><br />
ist ein Image, mit dem sich jedes Unternehmen auseinandersetzen<br />
muss. Es stellt sich nicht nur die Frage<br />
der Kosten, die zunehmend an Bedeutung gewinnt,<br />
sondern auch welche <strong>Energie</strong> bezogen wird und woher<br />
diese kommt.<br />
Gerne würden wir uns Ihnen persönlich vorstellen<br />
und Ihnen weitere Verbesserungspotentiale aufzeigen,<br />
sowie eine grobe Orientierung mit einem Branchenvergleich<br />
geben.<br />
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen<br />
jederzeit gerne zur Verfügung und freuen<br />
uns auf Ihre Herausforderung.<br />
ESPRIT St.Gallen<br />
Beratung durch Studenten<br />
Guisanstrasse 19<br />
9010 St. Gallen<br />
Telefon : +41 (0) 71 220 14 01<br />
www.espritsg.ch<br />
Sommer 2012 43
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
<strong>Energie</strong>versorgung<br />
und<br />
<strong>Energie</strong>management<br />
der Zukunft<br />
Die deutsche <strong>Energie</strong>wende<br />
als Trendbarometer<br />
Georg Knoth<br />
CEO GE Switzerland/Austria & CEO Technology Enterprises Germany<br />
Wenn es um die Frage der <strong>Energie</strong>versorgung<br />
und des <strong>Energie</strong>managements<br />
der Zukunft geht, dann lohnt<br />
es sich für andere europäische Länder<br />
einen Blick nach Deutschland zu werfen. Deutschland<br />
ist – was den Ausbau erneuerbarer <strong>Energie</strong>n angeht –<br />
ein Vorreiter. Und spätestens seit der Atomreaktorkatastrophe<br />
in Fukushima und dem durch die deutsche<br />
Regierung beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft,<br />
ist das Thema <strong>Energie</strong>wende in allen Köpfen angekommen.<br />
Dabei ist die deutsche <strong>Energie</strong>wende bislang<br />
noch nicht viel mehr als eine politische Entscheidung<br />
ohne technische Lösung. Kaum eine andere Branche<br />
in Deutschland fliegt derzeit so sehr auf Sicht wie die<br />
<strong>Energie</strong>branche. Zudem ist die <strong>Energie</strong>wende eines<br />
der grössten Infrastrukturvorhaben in der Geschichte<br />
Deutschlands. Sicher ist: Nichts wird bleiben, wie es<br />
war. Sämtliche Bereiche der energetischen Wertschöpfungskette<br />
– von der Erzeugung über den Transport bis<br />
hin zur Verteilung und Speicherung von <strong>Energie</strong> – stehen<br />
immensen technischen Herausforderungen gegenüber.<br />
Vielfalt bestimmt das <strong>Energie</strong>deutschland<br />
von morgen<br />
In der Folge des Atomausstiegs muss die deutsche<br />
<strong>Energie</strong>landschaft bis zum endgültigen Aus im Jahr<br />
2022 den Verlust von 20,5 Gigawatt nuklear erzeugter<br />
Grundlast ausgleichen. Der Anteil dezentral erzeugter<br />
und in der Verfügbarkeit zum Teil stark schwankender<br />
erneuerbarer <strong>Energie</strong> steigt dabei kontinuierlich an;<br />
schon jetzt beträgt er bis zu 20 Prozent der Stromversorgung.<br />
Fossile Erzeugung wird es zwar auch 2022<br />
noch geben, aber die Entwicklung führt auch hier weg<br />
von der in Deutschland traditionell üblichen Grosserzeugung<br />
und hin zu flexibel an- und abfahrbaren sowie<br />
hocheffizienten Gas- und Dampfkraftwerken.<br />
Wie genau die Struktur der deutschen Erzeugungslandschaft<br />
aussehen wird, weiss heute niemand.<br />
Die wahrscheinlichsten Szenarien veranschaulicht die<br />
interaktive Grafik «Future Energy Mix», die online unter<br />
www.invent.ge/energieszenarien abrufbar ist.<br />
Unstrittig ist: Die übersichtliche deutsche Erzeugungslandschaft<br />
aus strategisch positionierten<br />
Grundlast-, Mittellast- und Spitzenlastkraftwerken<br />
wird einer komplexeren und vielfältigeren Struktur<br />
weichen. Die Zahl der <strong>Energie</strong>erzeuger wird weiter<br />
zunehmen. Bis 2020 werden aktuellen Berechnungen<br />
zufolge bis zu 60 Prozent der neu installierten Kapazitäten<br />
dezentrale Erzeuger sein. Schon heute sind rund<br />
40 Prozent der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten<br />
in privater Hand. Die Folge: Die Lastflüsse gerade auf<br />
der Verteilebene flexibilisieren sich weiter, die Grenzen<br />
zwischen Versorger und Verbraucher werden durchlässiger,<br />
und die Verfügbarkeit sowie der Preis von <strong>Energie</strong><br />
werden stärker von den Wetterbedingungen abhängig<br />
sein als bisher.<br />
44<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
«Über den Erfolg der <strong>Energie</strong>wende wird<br />
nicht zuletzt die Fähigkeit zum konstruktiven<br />
Dialog und zur Bildung neuer Partnerschaften<br />
entscheiden.»<br />
Dialog und Partnerschaft<br />
Bei alledem ist die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft<br />
auf eine sichere Versorgung mit <strong>Energie</strong> angewiesen.<br />
Während es die Aufgabe der Politik ist, diese über<br />
ein regulatorisches Rahmenwerk zu gewährleisten, ist<br />
es dieAufgabe der Wirtschaft, das technologische Rüstzeug<br />
bereitzustellen, um energetische Versorgungssicherheit<br />
auch in einem komplexen Umfeld sicherzustellen.<br />
Dabei muss der erzeugte Strom auch bezahlbar<br />
bleiben – eine doppelte Herausforderung, der sich GE<br />
in vielfacher Hinsicht stellt.<br />
Schlüssiges Portfolio für<br />
die <strong>Energie</strong>wende<br />
Beispiel hierfür ist unter anderem die Entwicklung<br />
der GE FlexEfficency 50 Anlage. Sie besteht aus<br />
einem Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk (GuD), das<br />
mit Hilfe grosser Turbinen Strom aus Erdgas erzeugt,<br />
wodurch Abwärme als Nebenprodukt anfällt. Mit dieser<br />
Abwärme wird Dampf erzeugt, der wiederum Gasturbinen<br />
antreibt, die zusätzlich Strom generieren. Bei<br />
Ergänzung um ein Solarfeld erreicht die FlexEfficiency<br />
50 einen weltweit einzigartigen Wirkungsgrad von 70<br />
Prozent. Ausserdem fährt die Anlage doppelt so schnell<br />
hoch wie der heutige Industriestandard.<br />
Effizienz und Flexibilität sind Voraussetzung für<br />
die optimale Nutzung volatiler erneuerbarer <strong>Energie</strong>n.<br />
Dazu tragen auch unsere GE Jenbacher Gasmotoren<br />
bei, die beispielsweise bei der <strong>Energie</strong>erzeugung aus<br />
Biomasse zum Einsatz kommen. Sie bieten eine optimale<br />
Ergänzung zu GE Onshore-Windturbinen, die<br />
Strom mit höchster Effizienz bei gleichzeitig niedrigstem<br />
Lärmaufkommen gewinnen. Unsere Softwarelösungen<br />
von Digital Energy unterstützen darüber hinaus<br />
viele Stadtwerke bei der Verteilung dieses Stroms.<br />
Weltweit ist GE das einzige Unternehmen, das ein<br />
schlüssiges und zudem flexibles Produktprogramm anbietet,<br />
welches von kleinen Gasmotoren über Aeroderivate<br />
bis hin zu grossen Gasturbinen reicht. So sind wir<br />
technologisch bestens darauf vorbereitet, die <strong>Energie</strong>wende<br />
gemeinsam mit den Stadtwerken, den Kommunen<br />
und dem produzierenden Gewerbe mitzugestalten.<br />
Die technischen Herausforderungen, denen die<br />
<strong>Energie</strong>wirtschaft gegenüber gestellt ist, machen deutlich,<br />
worauf es in Zukunft ankommen wird: Über den<br />
Erfolg der <strong>Energie</strong>wende wird nicht zuletzt die Fähigkeit<br />
zum konstruktiven Dialog und zur Bildung neuer<br />
Partnerschaften entscheiden. Die alten Grenzen gelten<br />
nicht mehr. Von Waschmaschine und Fertigungsstrasse<br />
bis zum Stromzähler müssen bisher stumme Komponenten<br />
lernen, miteinander und mit ihrer technischen<br />
Umgebung zu sprechen. Auch auf institutioneller<br />
Ebene werden sich neue Allianzen bilden müssen. Die<br />
<strong>Energie</strong>wende ist nur im Schulterschluss von IT, <strong>Energie</strong>-<br />
und Netztechnik und Versorgern stemmbar. Wer<br />
wie GE grosse Teile der energetischen Wertschöpfungskette<br />
unter einem Dach vereint, ist hier im Vorteil.<br />
Die deutsche <strong>Energie</strong>wende wird gelingen. Aber<br />
sie verlangt Industrie, Verbrauchern und Politik gleichermassen<br />
ein Höchstmass an Innovations- und Anpassungskraft<br />
ab. Sie ist eine Herkulesaufgabe, zu deren<br />
Bewältigung nicht nur gesellschaftlicher Konsens,<br />
sondern auch die technologische Kompetenz notwendig<br />
ist.<br />
Lebenslauf<br />
Georg Knoth wurde im<br />
Juni 2011 zum CEO Technology<br />
Enterprises GE Germany<br />
ernannt. Aus München<br />
verantwortet er die<br />
Leitung der Technologie-<br />
Geschäftsbereiche, wie z.B.<br />
Aviation und Transportation.<br />
Darüber hinaus ist Georg Knoth für die nationalen<br />
geschäftsübergreifenden Belange von GE als<br />
CEO für die Länder Österreich und Schweiz verantwortlich.<br />
Seit seinem Eintritt in den GE Konzern<br />
1998 war Knoth in verschiedenen Führungspositionen<br />
bei GE Capital in New York tätig. Zuletzt leitete<br />
er die Kapitalmarktaktivitäten für GE in Südamerika.<br />
Seinen Abschluss als Diplomkaufmann erlangte<br />
Knoth an der Universität Nürnberg-Erlangen.<br />
Sommer 2012 45
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Das Schweizer<br />
Übertragungsnetz<br />
Wichtiges Element der <strong>Energie</strong>zukunft<br />
Pierre-Alain Graf<br />
CEO Swissgrid<br />
Swissgrid Control, Leitstelle des Schweizer Übertragungsnetzes<br />
in Laufenburg AG, im Februar<br />
2012: Auf den Kontrollmonitoren bemerken die<br />
Operatoren, dass plötzlich rund 300 Megawatt<br />
Leistung fehlen. So viel Strom wie drei grosse Wasserkraftwerke<br />
produzieren. Das ist zwar noch kein kritisches<br />
Ereignis. Doch ohne Eingriff durch Swissgrid hätte<br />
dieser plötzliche Zwischenfall zu einem Unterbruch der<br />
Schweizer Stromversorgung führen können. Diese Szene<br />
beschreibt den Alltag bei der nationalen Netzgesellschaft<br />
und ist kennzeichnend für die zunehmend angespannte<br />
Situation im Übertragungsnetz.<br />
Länderübergreifender <strong>Energie</strong>austausch<br />
Vor 50 Jahren war das noch ganz anders. Damals<br />
arbeiteten die Ingenieure daran, die Stromnetze von<br />
Deutschland, Frankreich und der Schweiz zusammenzuschliessen<br />
– ein historisches Ereignis in der Nachkriegszeit<br />
und der Geschichte der Elektrotechnik. Dieser<br />
Zusammenschluss sollte die Versorgungssicherheit<br />
der beteiligten Länder erhöhen, indem sie sich durch<br />
den länderübergreifenden <strong>Energie</strong>austausch gegenseitig<br />
aushelfen konnten. Mit der Verbindung der drei Netze<br />
wurde nicht nur eine Pionierleistung vollbracht, sondern<br />
auch die Basis für den europaweiten Stromhandel gelegt.<br />
Das Umfeld hat sich radikal verändert<br />
Zurück in 2012: Die Strommasten sehen zwar<br />
heute noch gleich aus. Doch die Anforderungen an die<br />
Übertragungsnetze haben sich grundlegend verändert.<br />
Im Wesentlichen sind sie auf folgende Entwicklungen<br />
zurück zu führen:<br />
Immer mehr Menschen brauchen immer mehr<br />
Strom. Der Verbrauch in der Schweiz ist in den letzten<br />
20 Jahren um knapp 30% gestiegen. Gemäss Bundesamt<br />
für Statistik wird die Schweizer Bevölkerung bis 2035<br />
von heute 7.8 Mio. auf 8.8 Mio. Einwohner zunehmen.<br />
Dementsprechend wird die Nachfrage nach Strom in den<br />
nächsten Jahren weiter wachsen.<br />
Strom wird heute über weite Distanzen transportiert<br />
und seit Ende der 90er Jahre in zunehmendem<br />
Masse auch grenzüberschreitend gehandelt. Die Stromproduzenten<br />
optimieren ihre Produktion über ganz Europa<br />
hinweg und orientieren ihren Kraftwerkseinsatz<br />
nicht mehr am Verbrauchsverhalten im Nahbereich der<br />
Kraftwerke, sondern an Preissignalen des Handels.<br />
Weil heute mehr und mehr Strom aus erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n wie Wind und Sonne produziert wird, kommt<br />
es im Stromnetz je nach Tages- und Jahreszeit zu grossen<br />
Schwankungen. Dies ist vor allem bei hoher Sonneneinstrahlung<br />
und starkem Wind der Fall. Während<br />
die Nachfrage anhand von Erfahrungswerten relativ gut<br />
prognostiziert werden kann, ist die wetterabhängige<br />
Stromproduktion nur in beschränktem Masse planbar.<br />
Die Stromversorgung muss drei wichtigen Zielen<br />
genügen: Sie muss sicher, kostengünstig und nachhaltig<br />
sein. Die oben skizzierten Entwicklungen bilden zudem<br />
auch die Herausforderungen im Stromtransport ab. Damit<br />
das Stromnetz sicher betrieben werden kann, muss<br />
es permanent überwacht werden. Es gilt Überlastungen<br />
mit allen Mitteln zu vermeiden.<br />
Die Situation im Netz ist angespannt<br />
Das konstante Gleichgewicht zwischen Produktion<br />
und Verbrauch ist die Voraussetzung für ein stabiles<br />
Stromnetz. Wie der kalte Winter 2012 gezeigt hat, kann<br />
ein unvorhergesehener Kälteeinbruch die üblichen Muster<br />
im Stromverbrauch sehr schnell durcheinanderbringen.<br />
In ganz Europa haben sich die Stromflüsse innert<br />
weniger Tage komplett verändert. Frankreich wurde<br />
vom Stromexporteur zum Stromimporteur und die europäischen<br />
Länder mussten sich bei der Stromversorgung<br />
durch die Lieferung von Regelenergie gegenseitig<br />
unterstützen.<br />
Auch Kapazitätsengpässe im Netz können die Sicherheit<br />
gefährden. In den vergangenen Jahren musste<br />
Swissgrid dutzende Male die Produktion von Wasserkraft<br />
einschränken, weil die Transportkapazitäten aus-<br />
46<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
geschöpft waren. Allein 2012 kam es zu 1235 Stunden<br />
Stau im Schweizer Netz!<br />
Handlungsschwerpunkt Netzumbau<br />
Basierend auf dem vom Bundesrat verabschiedeten<br />
«Strategischen Netz 2015» hat Swissgrid neun Netzausbauprogramme<br />
festgelegt, die für eine langfristige Versorgungssicherheit<br />
unerlässlich und mit höchster Priorität<br />
realisiert werden müssen. Dazu gehören sowohl<br />
Höchstspannungsleitungen, die grosse Strommengen<br />
von den Alpen ins Mittelland transportieren als auch<br />
der solide Anschluss der Westschweiz an das europäische<br />
Verbundnetz. Insgesamt muss das Netz auf einer<br />
Länge von 1000 Kilometern modernisiert werden. Zudem<br />
sind 300 Kilometer neue Leitungen vorgesehen.<br />
Für diese Massnahmen wird mit einem Investitionsvolumen<br />
von 4 bis 6 Mrd. Schweizer Franken in den<br />
nächsten 20 Jahren gerechnet. Darüber hinaus soll<br />
langfristig aber auch das restliche Schweizer Stromnetz<br />
auf eine technologisch neue Basis gestellt werden. Der<br />
Umbau der Verteilnetze zu „Smart Grids“ ist zwingend<br />
notwendig, damit der dezentral produzierte Strom aus<br />
erneuerbaren <strong>Energie</strong>n zur richtigen Zeit am richtigen<br />
Ort den Stromkonsumenten zur Verfügung steht. Dank<br />
moderner Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
kann Strom flexibel gesteuert und dadurch das<br />
Stromsystem als Ganzes effizienter gestaltet werden.<br />
Die <strong>Energie</strong>wende als<br />
Herausforderung und Chance<br />
Die von Bundesrat und Parlament beschlossene<br />
<strong>Energie</strong>wende stellt die Schweizer Strombranche vor<br />
grosse Aufgaben. Dabei kommt dem Stromnetz eine besondere<br />
Bedeutung zu. Entsprechend analysiert Swissgrid<br />
gegenwärtig die möglichen Auswirkungen eines gestaffelten<br />
Ausstiegs aus der Kernenergie auf das Netz.<br />
In enger Zusammenarbeit mit dem Bund wird derzeit<br />
eine Strategie für den langfristigen Netzausbau unter<br />
Berücksichtigung verschiedener Szenarien entwickelt.<br />
Die Ergebnisse werden 2013 präsentiert.<br />
Supergrid eröffnet neue Möglichkeiten<br />
Beim Zusammenschluss der Stromnetze 1958<br />
wurden Pionierleistungen erbracht, die wesentlich zu<br />
unserem Wohlstand beitrugen. Rund 50 Jahre später<br />
sind wiederum Pioniertaten gefragt. Denn Europa steht<br />
vor neuen Aufgaben: Mit dem Ausbau von erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>quellen, insbesondere der Windkraft, steigen<br />
die Schwankungen bei den Stromflüssen. Gleichzeitig<br />
entstehen neue Produktionsstandorte, die immer weiter<br />
von den grossen Verbrauchszentren entfernt sind.<br />
Für den Transport von Strom über sehr weite Distanzen<br />
wird eine neue Netzebene notwendig: das sogenannte<br />
Supergrid. Wenn wir es schaffen, Strom aus Wind und<br />
Sonne in die Schweiz zu leiten und dort in Bergseen zu<br />
speichern, können wir den volkswirtschaftlichen Nutzen<br />
des Stromsystems erhöhen und gleichzeitig einen<br />
wichtigen Beitrag für die <strong>Energie</strong>wende leisten. Die<br />
Schweiz als Drehscheibe für Strom- und Wasserschloss<br />
in Europa hat ein grosses Interesse, bei der Planung und<br />
dem Bau dieses Netzes mitzuarbeiten.<br />
Der Netzausbau als Gesellschaftsprojekt<br />
Wenn wir nicht auf den heutigen Komfort und<br />
Wohlstand verzichten wollen, gibt es keine Alternative<br />
zum Netzausbau. Doch dieser kommt leider nicht recht<br />
vom Fleck. In den letzten 10 Jahren konnten in der<br />
Schweiz nur gerade 150 Kilometer neue Netze gebaut<br />
werden. Viele Menschen sind im Prinzip vollkommen<br />
einverstanden mit den notwendigen Infrastrukturprojekten.<br />
Nur wenn sie selbst betroffen sind, ändert sich<br />
die Haltung oft sehr schnell. Deshalb dauern Netzausbauprojekte<br />
oft Jahre oder Jahrzehnte. Mit den heutigen<br />
langen Bewilligungsverfahren ist der notwendige<br />
Aus- und Umbau des Übertragungsnetzes kaum möglich.<br />
Bei der Erarbeitung von technologischen Lösungen<br />
ist die Stromwirtschaft gefragt. Bei den Bewilligungsverfahren<br />
liegt der Ball hingegen bei der Politik. Sie hat<br />
die dazu nötigen regulatorischen Rechtsgrundlagen und<br />
Rahmenbedingungen für einen raschen und adäquaten<br />
Netzausbau zu schaffen. Noch wichtiger ist es jedoch,<br />
die unterschiedlichen Interessen der Bevölkerung und<br />
den Umweltorganisationen in Einklang zu bringen und<br />
einen breit abgestützten, gesellschaftlichen Konsens<br />
für den Netzausbau herbeizuführen. Die <strong>Energie</strong>wende<br />
liegt vor uns. Sie bietet viele Chancen für die Schweiz.<br />
Sie erfordert aber auch viel Gestaltungswille, Disziplin<br />
und Kompromissbereitschaft sowie eine branchenübergreifende<br />
Zusammenarbeit.<br />
Lebenslauf<br />
Pierre-Alain Graf ist 49<br />
Jahre alt. An der Universität<br />
Basel schloss er eine<br />
Ausbildung als Jurist und<br />
an der Universität St. Gallen<br />
ein Zweitstudium als<br />
Betriebswirt ab. An der<br />
International Banking<br />
School in New York absolvierte Pierre-Alain Graf<br />
eine Finanzausbildung. Von 1992 bis 1997 arbeitete<br />
er bei der Credit Suisse in führenden Positionen in<br />
der IT. Im Anschluss baute er für Colt Telecom verschiedene<br />
Ländergesellschaften auf und arbeitete<br />
mehrere Jahre im Ausland. 2006 wechselte Graf zu<br />
Cisco Systems Schweiz, wo er bis 2008 General Manager<br />
war. Seit Anfang 2009 ist Pierre-Alain Graf<br />
CEO von Swissgrid.<br />
Sommer 2012 47
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Schneller ans Netz<br />
Dr. Norbert Schwieters<br />
Partner bei PwC<br />
Dr. Thomas Ull<br />
Leiter des Bereichs Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC<br />
Offshore-Windkraft wird deutschlandweit<br />
zum Wachstumsmotor – wenn die<br />
Netzanbindung gelingt<br />
Die <strong>Energie</strong>wende sorgt im Jahr Eins nach<br />
Fukushima wieder für Schlagzeilen. Auf<br />
Deutschlands Dächern werden dank Milliardensubventionen<br />
mehr Solarzellen montiert<br />
denn je, dennoch steckt die deutsche Solarindustrie<br />
in einer Existenzkrise: Im Massengeschäft können<br />
die einstigen Technologieführer nicht mehr mit der<br />
Konkurrenz aus China mithalten.<br />
Von vergleichbaren Schwierigkeiten sind die Unternehmen<br />
der deutschen Offshore-Windkraftindustrie<br />
zwar weit entfernt. Doch auch in der Windkraft<br />
läuft derzeit nicht alles rund: Weil der Netzausbau<br />
zu langsam voran kommt, verzögert sich der Bau von<br />
Windkraftanlagen. Dies gilt vor allem, wenn auch nicht<br />
ausschliesslich, für die Offshore-Windparks, die vor<br />
den deutschen Küsten errichtet werden sollen.<br />
Die Ungewissheit über die Netzanbindung ist<br />
nicht nur eine wirtschaftliche Belastung für die Unternehmen<br />
der Offshore-Windkraftbranche, sondern<br />
auch ein politisches Risiko. Denn die Stromerzeugung<br />
auf hoher See spielt im <strong>Energie</strong>konzept der Bundesregierung<br />
eine Schlüsselrolle.<br />
Ehrgeizige Zielvorgaben<br />
Damit der beschlossene Atomausstieg bis 2022 klimaneutral<br />
gelingt, sollen erneuerbare <strong>Energie</strong>quellen<br />
bis dahin gut ein Drittel des deutschen Strombedarfs<br />
decken. Die Zielvorgabe für die Offshore-Windenergie<br />
ist durchaus ehrgeizig: Bis zum Jahr 2020 sollen Offshore-Windkraftanlagen<br />
mit einer Kapazität von 10<br />
Gigawatt installiert sein. Dies entspricht einer Steigerung<br />
um den Faktor 50: Derzeit summiert sich die Gesamtkapazität<br />
der Windkraftanlagen vor Deutschlands<br />
Küsten auf weniger als 200 Megawatt.<br />
Hinzu kommt, dass der Ausbau der Offshore-<br />
Windenergie in den vergangenen Jahren trotz optimistischer<br />
Prognosen nur schleppend vorangekommen ist.<br />
Beim Testfeld «alpha ventus», dem ersten deutschen<br />
Offshore-Windpark, vergingen zwischen der Einreichung<br />
des Bauantrags und der offiziellen Inbetriebnahme<br />
2010 rund zehn Jahre. Das erste kommerzielle<br />
Projekt, «Baltic I», ging erst im Frühjahr 2011 ans Netz,<br />
und der erste deutsche Nordsee-Windpark «Bard I» ist<br />
entgegen dem Zeitplan erst teilweise in Betrieb.<br />
Gute Wachstumsperspektiven für<br />
deutsche Offshore-Windkraftindustrie<br />
Und doch geht die Kritik, Offshore-Windkraftanlagen<br />
seien zu teuer, technologisch zu anspruchsvoll<br />
und letztlich nur ein Subventionsgrab, fehl. Einer Studie<br />
zufolge, die PwC im vergangenen Jahr gemeinsam<br />
mit der Windenergie-Agentur WAB durchführte, könnten<br />
im Jahr 2021 deutsche Offshore-Windkraftparks<br />
mit einer Kapazität von mindestens 8,7 Gigawatt in<br />
Betrieb sein. Bei diesem Ausbauniveau würde über die<br />
gesamte Wertschöpfungskette der Offshore-Windkraftindustrie<br />
hinweg ein Umsatz von deutschlandweit<br />
rund 22,4 Milliarden Euro erwirtschaftet – wohlgemerkt<br />
ohne die Erlöse aus der Stromeinspeisung. Zum<br />
Vergleich: 2010 erzielte die Branche einen Umsatz von<br />
weniger als sechs Milliarden Euro.<br />
Prognosen der deutschen Offshore-Windkraftindustrie (Gesamte Wertschöpfungskette)<br />
2010 2016 2021<br />
Umsatz 5,9 Mrd. € 17,8 Mrd. € 22,4 Mrd. €<br />
Beschäftigung 14.300 24.400 33.100<br />
Gewerbesteueraufkommen 64 Mio. € 190 Mio. € 240 Mio. €<br />
Quelle: PwC, WAB 2011<br />
48<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
In diesem Szenario steigen auch die Beschäftigtenzahlen<br />
deutlich, und zwar von 14.300 im Jahr 2010<br />
auf über 33.000 im Jahr 2021. Eng verbunden mit dem<br />
Wachstum von Umsatz und Beschäftigung ist der Anstieg<br />
des Gewerbesteueraufkommens. Führten die Unternehmen<br />
im Jahr 2010 rund 64 Millionen Euro an<br />
Gewerbesteuer ab, dürfte die Summe im Jahr 2021 bei<br />
240 Millionen Euro liegen.<br />
Offshore Dividende ist breit gestreut<br />
Die Studie konnte auch die oft geäusserte Polemik<br />
entkräften, der zufolge die Förderung der Offshore-Windenergie<br />
vor allem ein Hilfsprogramm für<br />
strukturschwache Wirtschaftsstandorte im deutschen<br />
Nordosten ist. In der Realität entfällt ein Grossteil der<br />
Wertschöpfung in der Offshore-Windenergie auf Unternehmen,<br />
die hunderte Kilometer vom Meer entfernt<br />
sind. So erwirtschaften Anlagenbauer und Zulieferbetriebe,<br />
die beispielsweise Fundamentrohre, Getriebe,<br />
Generatoren oder auch die elektronische Ausrüstung<br />
der Windkraftanlagen fertigen, derzeit gut 60 Prozent<br />
des Branchenumsatzes.<br />
Von dieser Verteilung profitieren die traditionellen<br />
deutschen Industriestandorte mit ihrer hohen technologischen<br />
Kompetenz überdurchschnittlich: In Bayern,<br />
Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind<br />
fast 40 Prozent aller Unternehmen angesiedelt, die<br />
am Bau von Offshore-Windkraftparks beteiligt sind.<br />
Die Küstenländer Hamburg, Bremen, Niedersachsen,<br />
Schleswig -Holstein und Mecklenburg -Vorpommern<br />
kommen gemeinsam auf einen Anteil von 42 Prozent.<br />
Zudem kommt die Förderung der Offshore-Windparks<br />
keineswegs nur Grosskonzernen zu Gute. Im<br />
Gegenteil: Etwa 70 Prozent aller Betriebe der Offshore-<br />
Windkraftbranche zählen zum Mittelstand. Stark vertreten<br />
sind mittelständische Unternehmen vor allem in<br />
der Projektplanung und - entwicklung, im Zulieferbereich,<br />
bei Transport und Montage sowie bei Wartungsdienstleistungen.<br />
Chancen für den Mittelstand<br />
«Offshore-Windenergie<br />
spielt eine Schlüsselrolle<br />
im deutschen <strong>Energie</strong>konzept.»<br />
Der Mittelstand wird am erwarteten Marktwachstum<br />
der Offshore-Windenergiebranche auch künftig<br />
teilhaben. Allerdings steigt mit der Grösse der Projekte<br />
auch der Konsolidierungsdruck. Damit sich die<br />
mittelständischen Unternehmen gegen die wachsende<br />
Konkurrenz durch Grosskonzerne behaupten können,<br />
müssen sie zunächst ihre eigenen Stärken weiterentwickeln.<br />
An erster Stelle stehen anhaltende Investitionen<br />
in Forschung & Entwicklung, um mit grosser Innovationskraft<br />
am Markt überzeugen zu können. Zudem<br />
muss sich der Mittelstand stärker vernetzen. Strategische<br />
Partnerschaften können eine «kritische Masse»<br />
schaffen, die auf allen Stufen der Wertschöpfungskette<br />
zur Hebung von Synergien beiträgt.<br />
Darüber hinaus muss der Mittelstand der weiter<br />
wachsenden Bedeutung des Auslandsgeschäfts Rechnung<br />
tragen. Die Studie prognostiziert einen Anstieg<br />
des Exportanteils am Gesamtumsatz der deutschen<br />
Offshore -Windenergieindustrie von derzeit 30 Prozent<br />
auf bis zu 60 Prozent im Jahr 2021. Der deutsche<br />
Mittelstand braucht daher verstärkt Geschäfts und Kooperationspartner<br />
jenseits der Landesgrenze. Auch die<br />
Politik sollte einen Beitrag dazu leisten, die mittelständische<br />
Struktur der Offshore-Windenergieindustrie zu<br />
erhalten. Sinnvolle Elemente einer branchenspezifischen<br />
Mittelstandsinitiative wären beispielsweise die<br />
Förderung von Forschung & Entwicklung durch Bund<br />
und Länder, eine regionale Wirtschaftsförderung für<br />
den Neu oder Ausbau von Kapazitäten oder auch eine<br />
Unterstützung bei der Internationalisierung (z.B. durch<br />
Förderung von Messeteilnahmen oder die Vermittlung<br />
von Auslandskontakten).<br />
Netzanschluss ist Achillesferse<br />
Die prognostizierten positiven Effekte der Investitionen<br />
in die Offshore-Windenergie werden jedoch<br />
nur eintreten, wenn sich die aktuellen Probleme beim<br />
Netzanschluss bewältigen lassen. Nach Angaben der<br />
«AG Beschleunigung Offshore-Netzanbindung», in der<br />
die zuständigen Bundesbehörden, die Bundesministerien<br />
für Wirtschaft und Umwelt sowie Unternehmen<br />
und Branchenverbände zusammenarbeiten, dauert<br />
es nach der Entscheidung für die Errichtung eines<br />
Offshore-Windkraftparks derzeit 50 Monate bis zum<br />
Netzanschluss. Geplant war hingegen ein Zeitraum<br />
von 30 Monaten. Zudem hat die für den Anschluss der<br />
Offshore-Anlagen zuständige niederländische Betreibergesellschaft<br />
Tennet eingeräumt, nicht genügend<br />
Kapital für die notwendigen Investitionen zu haben.<br />
Derzeit fehlen etwa zehn Milliarden Euro – gut fünf<br />
Milliarden hat das staatliche Unternehmen bereits in<br />
die Netze investiert.<br />
Die «AG Beschleunigung» hat daher unter anderem<br />
vorgeschlagen, die bundeseigene Kreditanstalt für<br />
Wiederaufbau (KfW) in die Finanzierung der Netzan-<br />
Sommer 2012 49
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
bindung einzubinden. Zudem soll das Anschlussverfahren<br />
optimiert werden, beispielsweise in dem die Stromleitungen<br />
mehrerer Offshore-Windparks nach dem<br />
Prinzip der Mehrfachsteckdose zunächst an Knotenpunkten<br />
zusammengeführt und von dort aus mit einer<br />
gemeinsamen Leitung an das Stromnetz am Festland<br />
angeschlossen werden.<br />
«Bis 2021 könnten<br />
18.000 neue Arbeitsplätze<br />
entstehen.»<br />
Schliesslich sollen nach den Vorstellungen der Arbeitsgemeinschaft<br />
auch die Antragsverfahren erleichtert<br />
und Bearbeitungszeiten verkürzt werden, nicht<br />
zuletzt durch die Einstellung von mehr Verwaltungspersonal<br />
bei den Behörden. Die Vorschläge der «AG<br />
Beschleunigung» sollen nunmehr rasch geprüft und «so<br />
weit möglich» umgesetzt werden – das jedenfalls haben<br />
Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium<br />
zugesichert.<br />
Offshore-Windkraft steht erst am Anfang<br />
Die Diskussionen über gesetzliche Netzanschlussvorgaben<br />
und staatliche Fördermittel dürfen allerdings<br />
nicht den Eindruck erwecken, dass sich der Erfolg für<br />
die Offshore-Windkraft mit den richtigen Gesetzen<br />
und bei ausreichender Geldzufuhr von allein einstellt.<br />
Bis 2021 benötigt die Branche Tausende zusätzliche<br />
Lebenslauf<br />
Dr. Nobert Schwieters ist<br />
Wirtschaftsprüfer und Partner<br />
bei der Wirtschaftsprüfungs-<br />
und Beratungsgesellschaft<br />
PwC. Er ist<br />
Leiter des Bereichs <strong>Energie</strong><br />
in Deutschland. Sein Studium<br />
der Wirtschaftswissenschaft<br />
absolvierte Dr. Norbert Schwieters an der<br />
Ruhr-Universität Bochum und promovierte 1988.<br />
Seit 1988 ist er bei PwC, seit 1996 als Partner. Zu<br />
seinen Publikationen gehören unter anderem der<br />
Artikel «Prüfung des Konzernabschlusses» im Lexikon<br />
des Rechnungswesens (Hrsg. von Busse von<br />
Colbe, Crasselt, Pellens, 5. Aufl., München 2011).<br />
Fachkräfte, darunter nicht nur Ingenieure, sondern<br />
auch speziell geschulte und für den Einsatz auf hoher<br />
See vorbereitete Service- und Montagespezialisten.<br />
Ausserdem fehlen Spezialschiffe für die Errichtung von<br />
Fundamenten und die Montage der Windkraftanlagen.<br />
Wer einen Offshore-Windpark besucht, bekommt<br />
angesichts der Dimensionen der Bauwerke zumindest<br />
eine Ahnung von der Grösse der technischen Herausforderungen:<br />
Die Rotoren des Offshore-Windparks<br />
«alpha ventus» beschreiben einen Durchmesser von<br />
gut 120 Metern. Damit die Konstruktion auch hohen<br />
Wellen und Windstärken trotzt, ruhen die Türme der<br />
Anlage auf einem Dreifuss aus 700 Tonnen Stahl.<br />
Auch wenn «alpha ventus» die Erwartungen nicht<br />
nur erfüllt, sondern 2011 sogar deutlich mehr Strom<br />
erzeugt hat als erwartet, steht die Offshore-Windkraft<br />
in Deutschland noch am Anfang. Grössere, aerodynamisch<br />
optimierte und leichtere Rotoren können die<br />
<strong>Energie</strong>ausbeute weiter steigern. Ein intelligentes Leitungsmanagement<br />
könnte die knappen Netzkapazitäten<br />
effizienter ausnutzen und so Kostensenkungen<br />
bringen, und nicht zuletzt muss die Industrie leistungsfähige<br />
Stromspeicher entwickeln, die Überkapazitäten<br />
an windreichen Tagen aufnehmen und bei «Flaute» ins<br />
Netz abgeben können.<br />
Diese und andere Innovationen sind nicht nur die<br />
Voraussetzung dafür, dass die Offshore-Windkraft den<br />
erhofften Beitrag zur <strong>Energie</strong>wende leisten kann, sondern<br />
auch für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg<br />
im weltweiten Wettbewerb. Dass Subventionen allein<br />
nicht reichen, lehren die schmerzhaften Erfahrungen<br />
der deutschen Solarindustrie.<br />
Lebenslauf<br />
Dr. Thomas Ull ist Wirtschaftsprüfer<br />
und Leiter des<br />
Bereichs Familienunternehmen<br />
und Mittelstand bei der<br />
Wirtschaftsprüfungs- und<br />
Beratungsgesellschaft PwC<br />
für die Region Nordwest<br />
mit den Standorten Bremen<br />
und Oldenburg. Er absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />
und der Steuerwissenschaften<br />
an der Universität Osnabrück und promovierte<br />
an der Universität Bremen. Dr. Thomas Ull ist zusammen<br />
mit Prof. Dr. Norbert Winkeljohann der<br />
Herausgeber der Schriftenreihe «PwC Praxisforum<br />
Mittelstand» im Erich-Schmidt-Verlag, Berlin.<br />
50<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
<strong>Energie</strong> im<br />
Wandel der Zeit<br />
Diversifizieren heisst die Devise<br />
Heinz Karrer<br />
CEO Axpo Holding AG<br />
Der Schweizer Strommix besteht heute zu<br />
knapp 60 Prozent aus Wasserkraft und zu<br />
rund 40 Prozent aus Kernkraft. Für das<br />
Winterhalbjahr ist das Verhältnis 30 zu 70.<br />
Neue erneuerbare <strong>Energie</strong>n, darunter sind alle erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n exklusive der Grosswasserkraft zu<br />
verstehen, steuern per dato erst 2 Prozent bei, wovon<br />
wiederum drei Viertel aus Kehrichtverbrennungsanlagen<br />
stammen. Dieser Strommix lieferte bis heute sicher,<br />
günstig und nahezu CO 2<br />
-frei Strom. Dass unsere<br />
Stromversorgung auch nach «Fukushima» und der Direktive<br />
von Bundesrat und Parlament langfristig aus<br />
der Kernenergie auszusteigen, sicher, bezahlbar und<br />
klimafreundlich sein soll, darüber dürfte Konsens bestehen.<br />
Gesellschaft, Politik, Forschung und Entwicklung,<br />
Wirtschaft und die Stromproduzenten im Besonderen<br />
sind gefordert, Lösungen aufzuzeigen, wie dies<br />
technisch, wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch<br />
machbar und in der geforderten Zeit umsetzbar ist.<br />
Axpo wird alles daran setzen, Teil der Lösung zu sein.<br />
Sicherheit ist Verpflichtung<br />
Unbestritten ist, dass Sicherheit – also Sicherheit<br />
in punkto <strong>Energie</strong>erzeugung sowie Versorgungssicherheit<br />
– oberste Priorität hat. Hier gibt es keinen Verhandlungsspielraum.<br />
Die Schweiz nimmt diesbezüglich<br />
im internationalen Vergleich den 1. Platz ein. Wegen<br />
der grundlegend geänderten Rahmenbedingungen<br />
werden wir dagegen aushandeln müssen, welchen Preis<br />
wir für <strong>Energie</strong> bereit zu zahlen sind; ob als Konsumenten<br />
oder Unternehmen und mit welchen volkwirtschaftlichen<br />
Konsequenzen, und ob wir Abstriche im<br />
Klimaschutz machen wollen und wenn ja, in welchem<br />
Ausmass.<br />
Die Stromproduktionsanlagen für Bevölkerung<br />
und Umwelt jederzeit sicher zu betreiben, gilt für die<br />
Stromerzeugung aus Wasserkraft genauso wie für die<br />
<strong>Energie</strong>gewinnung aus Biomasse oder Geothermie. Vor<br />
allem aber gilt dies für Kernkraftwerke. Ein Unfall, wie<br />
er sich in Japan ereignet hat, lässt sich gemäss heutigem<br />
Wissensstand in der Schweiz ausschliessen. Die<br />
Schweizer Kernkraftwerke sind auf Extremsituationen<br />
wie Erdbeben, Hochwasser und Flugzeugabstürze ausgerichtet.<br />
Und sie investieren laufend in ihre Modernisierung<br />
und Verbesserung, um den sicheren Betrieb bis<br />
zum Ende der Betriebszeit sowie die sichere Stilllegung<br />
und Entsorgung zu gewährleisten. Die internen und<br />
externen Vorgaben sind in dieser Hinsicht für die Unternehmen<br />
klar.<br />
Strombedarf steigt<br />
Die grosse Herausforderung besteht aber darin,<br />
die Stromversorgung trotz der veränderten Vorgaben<br />
des Bundes zu sichern. Dabei bedeutet Versorgungssicherheit,<br />
dass Strom rund um die Uhr und in jeder Situation<br />
ausreichend und sicher zur Verfügung gestellt<br />
werden kann, namentlich auch im Winter. Mit dem<br />
Verzicht auf den Bau von Ersatz-Kernkraftwerken wird<br />
sich die ohnehin absehbare Stromlücke weiter vergrössern,<br />
weil ab 2020 bedeutende Mengen an Bandenergie<br />
schrittweise wegfallen. Das ist jene <strong>Energie</strong>, die rund<br />
um die Uhr bereitgestellt werden muss, um den Grundbedarf<br />
zu decken. Zudem werden ab 2016 die privilegierten<br />
Bezugsverträge mit französischen Kernkraftwerken<br />
kontinuierlich auslaufen.<br />
Dem fehlenden Angebot steht eine steigende<br />
Nachfrage gegenüber. In der Schweiz hat sich in den<br />
letzten vierzig Jahren der Bedarf an Strom mehr als<br />
verdoppelt – und das trotz dem Wegzug energieintensiver<br />
Industrien. Axpo rechnet bis 2040 mit einem Anstieg<br />
des Stromverbrauchs von etwa 1 Prozent pro Jahr,<br />
wobei der Anstieg zunächst deutlich sein wird und sich<br />
dann langfristig abschwächt. Die <strong>Energie</strong>strategie des<br />
Bundesrats geht dagegen davon aus, den Verbrauch in<br />
den nächsten Jahren zu stabilisieren und ihn ab dem<br />
Jahre 2015 gar zu reduzieren. Das soll durch Sparen<br />
und effizientere Geräte möglich sein.<br />
Aus Sicht der Axpo ist das nicht realistisch. Weshalb?<br />
Erstens wächst die Schweizer Bevölkerung auf-<br />
Sommer 2012 51
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Mit Abstand am teuersten ist nach wie vor die Fotovoltaik mit<br />
Gestehungskosten von 30 bis 55 Rappen pro Kilowattstunde (kWh).<br />
grund der Zuwanderung weiter. Gleichzeitig ist der<br />
Stromverbrauch auch immer abhängig vom Wirtschaftswachstum.<br />
Und eine wachsende Wirtschaft<br />
braucht mehr Strom. Zweitens ist es zwar richtig, dass<br />
die <strong>Energie</strong>effizienz dank technologischem Fortschritt<br />
steigt, also die gleiche Wirkung mit geringerem <strong>Energie</strong>aufwand<br />
erreicht wird. Dieser Effekt wird jedoch<br />
überkompensiert, weil fossile <strong>Energie</strong> immer mehr<br />
durch elektrische substituiert wird und weil die Zahl<br />
der Geräte pro Haushalt deutlich zunimmt, obschon<br />
heutige Geräte Strom effizienter nutzen. Unter dem<br />
Strich sparen wir <strong>Energie</strong> ein, aber der Stromverbrauch<br />
und damit der Strombedarf nehmen zu.<br />
Erneuerbare ausbauen<br />
Einig mit dem Bund geht Axpo darin, dass den<br />
neuen erneuerbaren <strong>Energie</strong>n eine zentrale Rolle zukommen<br />
muss und wird. Sie stehen seit vielen Jahren<br />
im Fokus der Axpo. Axpo ist bereits heute die grösste<br />
Produzentin neuer erneuerbare <strong>Energie</strong>n in der<br />
Schweiz und setzt hierzulande vor allem auf Biomasse<br />
(Kompogas, Holzenergie) und kleine Wasserkraftwerke.<br />
Künftig sind Investitionen in die Geothermie und<br />
in grosse Photovoltaikanlagen geplant. Im Bereich<br />
Windenergie konzentriert sich das Unternehmen dagegen<br />
zur Hauptsache auf das Ausland, wo es bereits<br />
in diverse Windanlagen investiert (La Peñuca in Spanien,<br />
WinBis in Italien, Offshore-Projekt Global Tech I in<br />
Norddeutschland). Dieses Engagement in windreichen<br />
Regionen wird ausgebaut. Weiter ist Axpo am Bau eines<br />
Geothermiekraftwerks in Deutschland beteiligt<br />
und plant, das so erworbene Wissen in die Schweiz zu<br />
transferieren. Die Tiefen-Geothermie hat grosses Potenzial<br />
und liefert im Unterschied zu Solar- und Windenergie<br />
Bandenergie. Allerdings steht die Geothermie<br />
in der Schweiz noch im Stadium der Forschung und<br />
Entwicklung.<br />
Bei allem Effort werden die neuen erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n die Stromlücke zwar verkleinern, aber noch<br />
lange nicht schliessen können. Zum einen sind sie<br />
technologisch zu wenig ausgereift und es mangelt an<br />
geeigneten Standorten für entsprechende Anlagen.<br />
Zum anderen formiert sich gegen viele Projekte allzu<br />
oft lokaler Widerstand, sodass Jahre verstreichen bis<br />
sie, wenn überhaupt, realisiert werden können. Axpo<br />
hat sich bis 2030 zum Ziel gesetzt, die Produktion im<br />
Bereich neue erneuerbare <strong>Energie</strong>n von 2,2 Terawattstunden<br />
(TWh) auf 5 TWh mehr als zu verdoppeln,<br />
wobei 1,1 TWh aus dem Inland und 3,9 TWh aus dem<br />
Ausland stammen sollen.<br />
Auslandabhängigkeit wird grösser<br />
Axpo setzt auch weiterhin auf Wasserkraft. Als<br />
grösste Betreiberin von Wasserkraftwerken in der<br />
Schweiz baut sie beispielsweise zusammen mit dem<br />
Kanton Glarus für 2,1 Milliarden Franken das Pumpspeicherkraftwerk<br />
Linth-Limmern aus («Linthal2015»).<br />
Ferner werden wir zur Verringerung der Stromlücke<br />
kaum auf Brückentechnologien verzichten können.<br />
Axpo prüft deshalb den Bau von Gas-Kombikraftwerken.<br />
Zudem spricht der hohe Wirkungsgrad für sie.<br />
Auch sind die Investitionen eher tief, weil die Hauptkomponenten<br />
weitgehend standardisiert sind. Allerdings<br />
stossen die Anlangen beachtliche Mengen CO 2<br />
aus und mit der aktuellen CO 2<br />
-Gesetzgebung ist ein<br />
Gas-Kombikraftwerk schlicht nicht wirtschaftlich zu<br />
betreiben. Bedingung für die Option Gas wäre deshalb<br />
52<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
den -import – nach oben klettern wegen des Ausbaus der<br />
neuen erneuerbaren <strong>Energie</strong>n.<br />
Umweltorganisationen betonen gerne, dass die erneuerbaren<br />
<strong>Energie</strong>n nicht so teuer seien. Der Blick auf<br />
die Stromgestehungskosten – sie bezeichnen die Kosten,<br />
die für die <strong>Energie</strong>umwandlung von einer anderen <strong>Energie</strong>form<br />
in elektrischen Strom notwendig sind – vermittelt<br />
ein anderes Bild (siehe Grafik S. 52).<br />
Investitionsfreundliche Vorgaben nötig<br />
die Anbindung an das Emissionshandelssystem Schweiz-<br />
EU (ETS). Nicht zuletzt würden wir uns mit Gas-Kombikraftwerken<br />
in die Abhängigkeit von Gaspreisen und<br />
Gaslieferungen aus dem Ausland begeben.<br />
Allerdings kommen wir um eine höhere Auslandabhängigkeit<br />
ohnehin nicht herum: Denn mit der bundesrätlichen<br />
<strong>Energie</strong>strategie 2050 hat die Schweiz die<br />
Selbstversorgungsstrategie aufgegeben. Schon heute<br />
kann unser Land den Strombedarf im Winter nur dank<br />
Importen bewältigen. In 15 Jahren dürfte der Import<br />
im Winterhalbjahr um 40 Prozent und mehr ansteigen.<br />
Dabei sind unsere Nachbarländer ebenso mit dem Problem<br />
der Stromlücke konfrontiert, auch für sie wird die<br />
Situation im Winter besonders kritisch sein. Knappheit<br />
bedeutet zudem steigende Preise. Importe sind also<br />
nicht nur eine unsichere, sondern auch eine teure Option<br />
und überdies klimapolitisch nicht unproblematisch.<br />
Deutschland versorgt sich beispielsweise noch immer<br />
mehrheitlich mit fossilen <strong>Energie</strong>trägern. Wir müssen<br />
uns somit intensiv mit den kurz-, mittel- und langfristigen<br />
Importmöglichkeiten und den damit verbundenen<br />
Konsequenzen auseinandersetzen. Das wird auch eine<br />
grosse Aufgabe für die Politik sein. Denn nebst den Herausforderungen<br />
auf der Produktionsseite sind diejenigen<br />
im Bereich der Netze nicht minder gross.<br />
Strom wird teurer<br />
Elektrizitätswerk Rheinau<br />
Dass die Strompreise steigen werden, hängt mit<br />
weiteren Faktoren zusammen. Erstens wird die Netznutzung<br />
teurer, weil Milliarden in die Netze investiert<br />
werden müssen, damit der Stromtransport dem zunehmenden<br />
Bedarf und den immer komplexeren Anforderungen<br />
gerecht werden kann. Windparks im Norden<br />
müssen mit Verbraucherzentren im Süden und mit Speicherkraftwerken<br />
in den Alpen verbunden werden. Zweitens<br />
nehmen staatliche Abgaben zu, also Steuern und<br />
Lenkungsabgaben (kostendeckende Einspeisevergütung<br />
KEV, Wasserzinsen). Drittens wird der eigentliche <strong>Energie</strong>preis<br />
– die Kosten für die Stromproduktion oder eben<br />
Die Verantwortung für die SV übernehmen, kann,<br />
angesichts der Herausforderungen, weder ein Unternehmen<br />
allein, noch die Branche selbst. Die Abhängigkeiten<br />
sind zu gross geworden. Der Einfluss der Politik und der<br />
Regulatoren ist enorm und damit die unternehmerische<br />
Freiheit stark eingeschränkt. Die Strombranche, die in<br />
der gesetzlichen Verantwortung steht, die Versorgungssicherheit<br />
zu gewährleisten, braucht aber dringend<br />
klare, langfristig ausgerichtete und damit investitionsfreundliche<br />
Rahmenbedingungen, sprich Gesetze im Zusammenhang<br />
mit der Marktöffnung und der Umsetzung<br />
der <strong>Energie</strong>strategie 2050.<br />
Ein funktionierender und effizienter Strommarkt<br />
kann nur dann entstehen, wenn der Strommarkt echt<br />
liberalisiert wird und die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen<br />
konsequent darauf ausrichtet. Visionen<br />
und Enthusiasmus sind zwar wichtig und auch sympathisch.<br />
Niemand aber kann sich über physikalische<br />
Gesetzmässigkeiten hinwegsetzen, und über marktwirtschaftliche<br />
sollten wir es zum Wohle des Landes nicht<br />
tun. Die Herausforderungen sind gross – wir nehmen sie<br />
an.<br />
Lebenslauf<br />
Heinz Karrer wurde am 10.<br />
Mai 1959 geboren. Zwischen<br />
1992 und 2002 war<br />
Heinz Karrer unter anderem<br />
Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />
bei Ringier<br />
AG und der Intersport Holding<br />
AG. 2002 wechselte er<br />
zur Axpo Hoding AG und ist seither der Vorstandsvorsitzende<br />
des Unternehmens. Heinz Karrer ist<br />
momentan Mitglied des Verwaltungsrats und hat<br />
Einsitz in verschiedenen Organen bei folgenden<br />
Unternehmen: EGL AG, Laufenburg (Präsident);<br />
Centralschwiezerische Kraftwerke AG, Luzern<br />
(Präsident); Swissgid AG; Kuoni Reisen Holding<br />
AG, Zürich; Swisselectric (Präsident); Economiesuisse<br />
(Vorstand)<br />
Sommer 2012 53
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
54<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
The emerging new<br />
energy world order:<br />
Which role for Europe?<br />
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen<br />
Professor of Management of Renewable <strong>Energie</strong>s (University of St. Gallen)<br />
After 150 years of fossil fuels, the world is embarking<br />
on a path towards cleaner energy.<br />
More than 60 % of all investment in new<br />
power generation capacity in Europe between<br />
2008 and 2010 went into renewable energies like<br />
wind, solar and biomass. Germany has seen a particularly<br />
strong growth, with more than 50’000 Megawatt<br />
of new power generation capacity now installed in wind<br />
and solar, and renewable energy accounting for 20 %<br />
of electricity consumption. Germany’s favorable policy<br />
framework, with so-called feed-in tariffs guaranteeing<br />
solar investors attractive returns for 20 years, has also<br />
resulted in 300’000 jobs being created, many of them in<br />
areas with previously high unemployment in the East<br />
of the country. Together with similar developments in<br />
countries like Denmark, Spain and Italy, the old continent<br />
seemed poised for an era of green growth. More<br />
recent headlines, however, appear to paint a gloomy picture<br />
– a number of pioneering solar firms have recently<br />
filed for bankruptcy, and popular investor magazines are<br />
publishing «death lists» of renewable energy companies.<br />
One of the reasons for the more cloudy outlook is rising<br />
competition from China: 38’000 Megawatt of wind<br />
turbines were newly installed worldwide, 50 % of which<br />
in China. In solar, Chinese manufacturers have become<br />
dominant players, exporting much of their production<br />
to Europe, notably Germany. Have German policymakers<br />
been digging the grave of their own industry by providing<br />
too generous incentives? Has the idea of green<br />
growth just been a short-lived dream for Europe, followed<br />
by a hard landing of disillusionment?<br />
Germany: Two decades of<br />
renewable energy growth<br />
In the context of our executive education programme<br />
in Renewable Energy Management (www.<br />
es.unisg.ch/rem), we recently had an opportunity to<br />
gain some fresh insights about the possible answer to<br />
these questions. Two of the eight modules of that programme<br />
took us to Germany and Asia. In Germany, we<br />
witnessed Solon’s struggle for survival – one of the pioneering<br />
companies of the photovoltaics sector, growing<br />
from humble beginnings in Berlin’s Kreuzberg district<br />
to a proud manufacturing site featuring the latest in innovative<br />
building technologies in the German capital’s<br />
Adlershof high tech cluster. We also had several sessions<br />
involving policy makers from German government and<br />
parliament. The German parliament stood at the cradle<br />
of the country’s renewable energy boom, when, in late<br />
1990, at the last session before Christmas, it voted with<br />
a surprise majority in favor of introducing the Feed-In<br />
Law. The law, initially promoted by a rare coalition of<br />
post-materialist supporters of wind energy and conservative<br />
farmers with a stake in small hydropower, initiated<br />
what in hindsight looks like a 20-year success story<br />
of growth, initially in wind. In 2000 and 2004, the then<br />
governing coalition of Greens and Social Democrats<br />
amended the law with the ambition to help solar energy<br />
follow a similar virtuous cycle of customer demand leading<br />
to mass production leading to lower cost, fuelling<br />
more demand etc. To reach that objective despite the<br />
initial obstacle of much higher power generation cost of<br />
solar, feed-in tariffs were raised from 8.5 to 59 cents per<br />
kilowatt hour, with provisions to reduce the support by<br />
a fixed percentage every year. An interesting feature of<br />
German renewable energy legislation – especially in the<br />
light of the recent Euro crisis – is that it was not directly<br />
tied to federal budgets. Instead, the additional cost of<br />
supporting renewable energy generators through the<br />
feed-in tariff was simply redistributed as a surcharge on<br />
electricity prices for all consumers (with exceptions for<br />
heavy industry). In 2012, feed-in tariffs for solar photovoltaics<br />
have come down to 13-24 ct/kWh – depending<br />
on the size of the installation – and are refinanced by a<br />
3.6 ct/kWh surcharge on electricity prices. In total, German<br />
electricity consumers have made a net investment<br />
of 40 billion Euros over the last decade to support the<br />
growth of renewables, and reduced several hundred million<br />
tons of carbon dioxide emissions along the way. In<br />
line with international trade rules, the incentives were<br />
not limited to solar cells produced domestically, and<br />
Sommer 2012 55
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Renewable energy capacity in Germany since introduction of feed-in tariff in 1990<br />
70'000<br />
60'000<br />
Installed Capacity [MW]<br />
50'000<br />
40'000<br />
30'000<br />
20'000<br />
Geothermal<br />
Waste-to-Energy<br />
Biomass<br />
Solar<br />
Wind<br />
Hydropower<br />
10'000<br />
0<br />
Source: German Federal Ministry of the Environment<br />
hence American and Chinese competitors have taken increasing<br />
shares of the German solar market. By increasing<br />
the price of electricity, the feed-in tariff has effectively<br />
worked like an indirect internalization of external<br />
cost of conventional energies – the holy grail of environmental<br />
economics, which has traditionally been hard to<br />
implement in real politics in its pure form. Nevertheless,<br />
while a majority of the population is supportive of German<br />
renewable energy policy, some parts of the public<br />
and some industry circles remain skeptical. Consequently,<br />
we witnessed during our stay in Berlin the beginning<br />
of what turned out to be a month-long struggle between<br />
the Ministry of the Environment and the Ministry of<br />
Trade and Industry about a reform of the solar incentives.<br />
While both agreed that feed-in tariffs needed to<br />
be adjusted in the light of costs for solar panels that had<br />
declined by more than 50 % in two years, their inability<br />
to reach agreement on the specific terms led – for the<br />
first time in Germany’s 20 years of successful renewable<br />
energy history – to substantial uncertainty in the market.<br />
Combined with fierce competition from China, this<br />
made life for firms like Solon not easier.<br />
Asia: Heavily investing in solar energy<br />
Switching scenes: Eight weeks after our trip to Berlin,<br />
we taught the next module of our executive education<br />
programme, this time in Singapore. We visited<br />
another solar factory, REC’s super-modern, highly automized<br />
700 Megawatt-facility, a S$2.5bn investment,<br />
supported with several hundred million dollars by Singapore’s<br />
powerful Economic Development Board. The<br />
picture that emerged here was different from Germany’s<br />
current doom and gloom. While management of REC as<br />
well as their South-East Asian government mentors obviously<br />
acknowledged the challenges arising from sharply<br />
declining market prices, the factory continued to run<br />
24/7, and succeeded in squeezing further cost out by optimizing<br />
their manufacturing lines month after month.<br />
Given the significant investment, including government<br />
aid, the firm was able to build a highly integrated factory,<br />
with wafer, cell and module manufacturing side by side<br />
on the same premises – a rare view for Europeans who<br />
are used to a more fragmented solar industry, where a<br />
lot of shipping occurs between the different steps of the<br />
value chain.<br />
Wanted: The enlightened<br />
long-term investor<br />
What can be concluded from comparing these two<br />
insights in solar markets and policies gained within our<br />
executive education programme? First, I cannot help but<br />
think of Gartner’s famous hype cycle, which suggests<br />
that development of new technologies is not a linear<br />
process, but can be characterized by a cycle of initially<br />
inflated expectations, then a trough of disillusionment,<br />
before finally embarking on sustainable growth («the<br />
slope of enlightenment» in Gartner Group’s words).<br />
Gartner’s recommendation for the trough of disillusionment<br />
is «don’t get out because it’s ‘out’», suggesting that<br />
long-term investors should look beyond the short-term<br />
volatility and sentiment. It seems that Asian investors,<br />
including governments, are currently featuring more<br />
similarities with the enlightened long-term investor à<br />
la Gartner than some of their European counterparts.<br />
For example, the Chinese government, according to the<br />
US Department of Energy, provided their solar firms<br />
with $30bn of investment subsidies in 2010 – which<br />
may be a sign that they are determined to weather the<br />
storm and further increase their share of the global solar<br />
market. Second, visiting the two factories confirmed<br />
56<br />
Sommer 2012
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
my view that the missing piece for full cost competitiveness<br />
of solar energy is not some magic technological<br />
breakthrough, but rather a continuous improvement in<br />
a straightforward, capital-intensive industrial manufacturing<br />
process. Those players that are less capital constrained<br />
will be best positioned to continue playing an<br />
active role in the future low-cost game, while those who<br />
do not have equally good access to capital will be targets<br />
in the ongoing consolidation process, leading to a different-looking,<br />
but ultimately stronger industry.<br />
Proximity to markets as<br />
Europe’s advantage<br />
Coming back to my initial question above – is the<br />
period of «green growth» already over in Europe? Are we<br />
facing sunrise in the East, and sunset in the West, when<br />
it comes to the future of the solar industry? As a European,<br />
I am actually somewhat optimistic. I believe the<br />
fundamental transition of the energy industry provides<br />
room for growth for many firms and countries. While<br />
Asian countries have a number of advantages, such as<br />
lower labor cost and a cultural openness to government<br />
involvement, European countries have some strong<br />
points on their side, too. A high awareness for energy<br />
and environmental issues, a skilled and innovative labor<br />
force, and last but not least the fact that there are already<br />
existing markets for renewable energies and real<br />
customers with a widespread willingness to invest in,<br />
for example, solar panels, provide us with a potential<br />
competitive advantage. Does that mean that all jobs will<br />
remain local? Certainly not. But does that mean the old<br />
continent can continue to play an important role as the<br />
world strives for a cleaner energy future? Yes, I think so<br />
indeed.<br />
About the Author<br />
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen<br />
is a Director of the<br />
Institute for Economy and<br />
the Environment (IWÖ-<br />
HSG) and holds the Good<br />
<strong>Energie</strong>s Chair for Management<br />
of Renewable<br />
<strong>Energie</strong>s at the University<br />
of St. Gallen. He graduated in Management Science<br />
and Engineering (TU Berlin) and holds a PhD in<br />
Business. In 2005, 2008 and 2011, respectively, he<br />
held visiting faculty positions at University of British<br />
Columbia (Vancouver), Copenhagen Business<br />
School and National University Singapore.<br />
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Sommer 2012 57
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Ausblick<br />
Sicherheit - ESPRIT St.Gallen Business Review Winter 2012<br />
In einer Welt voller Wandel und Ungewissheit ist der Wunsch nach Sicherheit seit jeher<br />
eines der tiefsten Grundbedürfnisse des Menschen. Schon immer versuchen Menschen<br />
Risiken zu kalkulieren und sich gegen diese abzusichern. Vor allem in Anbetracht<br />
der globalen und unvorhersehbaren Dynamik der Weltwirtschaft hat sich ein<br />
verstärktes Bedürfnis nach Sicherheit entwickelt. Aber was bedeutet Sicherheit im 21.<br />
Jahrhundert überhaupt? Wie können wir Sicherheit heutzutage noch gewährleisten?<br />
Und welche neuen Formen von Unsicherheit prägen uns?<br />
Die kommende Ausgabe der St.Gallen Business Review wird sich intensiv und interdisziplinär<br />
mit der Thematik «Sicherheit» auseinandersetzen und versuchen Antworten<br />
auf diese Fragen finden.<br />
Impressum<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
ESPRIT St.Gallen Business Review<br />
Guisanstrasse 19<br />
CH-9010 St. Gallen<br />
Telefon: 0041 (0) 71 220 14 01<br />
Fax: 0041 (0) 71 220 14 04<br />
E-Mail: esgbr@espritsg.ch<br />
Herausgeber:<br />
ESPRIT St.Gallen - Beratung durch Studenten<br />
Chefredaktion:<br />
Felix Schneider<br />
Philipp Westphal<br />
Stellvertretende Chefredaktion:<br />
Lennart Hinrichs<br />
Nikolas Noetzel<br />
Inserate:<br />
Axel Springer Schweiz AG<br />
Fachmedien<br />
Telefon: 0041 (0) 43 444 51 07<br />
Layout:<br />
Dejan Simic<br />
Distribution:<br />
Julian von Fischer<br />
Titelseite:<br />
© Zacarias da Mata - Fotolia.com<br />
Druck:<br />
Strube Druck & Medien OHG<br />
Auflage:<br />
11.000 Exemplare<br />
Erscheinungsweise:<br />
halbjährlich<br />
Hochschulpartner:<br />
james consulting GmbH, ETH juniors, International School of<br />
Management Dortmund (ISM), Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München, PAUL Consultants, Universität Augsburg Wirtschaftswissenschaftliche<br />
Fakultät, WWZ-Bibliothek, UniConsult, Universität<br />
Bern, MarcAurel Consult, Consult One e.V., Active e.V.,<br />
Heinrich-Heine-Consulting e.V., Universitäts- und Forschungsbibliothek<br />
Erfurt/Gotha, act e.V. - studentische Unternehmensberatung,<br />
GREEN finance consulting e.V., Consulting Network<br />
e.V., Capufaktur e.V., Janus Consultants e.V., Österreichische<br />
HochschülerInnenschaft Innsbruck, Bodensee Consulting, Campus<br />
Inform, Uni Magdeburg, berater e.V., INTEGRA e.V., Campus<br />
Consult Projektmanagement GmbH, uniClever e.V., Consiglia<br />
e.V., InOne ConsuIt, Impact Zürich, WHU - Otto Beisheim School<br />
of Management, confluentes e.V., Wirtschaftsuniversitaet Wien,<br />
whyknot, Universität St. Gallen<br />
Copyright:<br />
Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte für sämtliche Inhalte liegen<br />
bei ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten. Die Wiedergabe<br />
von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, ist nur mit<br />
Zustimmung von ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten<br />
zulässig.<br />
Disclaimer:<br />
Die Aussagen und Meinungen der Autoren sind nicht zwangsläufig<br />
deckungsgleich mit dem Standpunkt von ESPRIT St.Gallen.<br />
ESPRIT St.Gallen übernimmt keinerlei Haftung für die die Inhalte<br />
der Texte.<br />
Abobestellung:<br />
www.esgbr.ch<br />
58<br />
Sommer 2012
FOLLOW THE DEBATE<br />
AT THE ST. GALLEN SYMPOSIUM<br />
AT WWW.SYMPOSIUM.ORG<br />
Media Channel<br />
42<br />
facing risk / 42 nd st. gallen symposium<br />
3–4 may 2012
www.pwc.de/grossesbewegen<br />
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Team Großes<br />
bewegen wollen:<br />
Willkommen<br />
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Patrick Pfäffle, GRC Consulting<br />
Patrick Pfäffle sorgte als Consultant im Team Governance, Risk & Compliance bei den Bilanzen eines<br />
international aufgestellten Dienst leistungs konzerns für Durchblick. Mit einem Team aus Forensikern,<br />
Mathematikern, Prüfern und Risikomanagement-Experten ging er dem Verdacht auf Manipulation<br />
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© 2012 PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.<br />
„PwC“ bezeichnet in diesem Dokument die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der<br />
PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.