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№ 6 Dezember 2014 JÜDISCHE RUNDSCHAU<br />

<strong>Ein</strong>e Flutwelle des Antisemitismus<br />

<strong>Ein</strong>e Kritik aus Yad Vashem<br />

Israel<br />

17<br />

Von Robert Rozett<br />

Editorial des Vierteljahresmagazins Yad<br />

Vashem – Jerusalem, Vol. 75, Oct. 2014<br />

<strong>Ein</strong>e Flutwelle des Antisemitismus, die<br />

eng verschlungen war mit dem Missbrauch<br />

des Wortes Holocaust, schwappte<br />

über uns herein. Dies mag die treffendste<br />

Beschreibung der Atmosphäre sein, wie<br />

sie seit Beginn der Operation »Protective<br />

Edge« herrschte.<br />

Wer die Verteidigungsoperationen des<br />

israelischen Militärs der letzten Jahre verfolgt<br />

hat, sah, dass sich während der Militäraktionen<br />

jedes Mal auch der Antisemitismus<br />

verschärft und eine Verzerrung<br />

des Holocaust (»Holocaust distortion«)<br />

intensiviert hat.<br />

Aber dieses Mal haben sowohl der Umfang<br />

als auch die Bösartigkeit neue Dimensionen<br />

erreicht.<br />

Antisemitismusforscher stimmen da-<br />

Der Gebrauch der Begriffe aus dem<br />

Arsenal des Holocaust, um Israel zu<br />

attackieren – was gemeinhin als Holocaust-Umkehrung<br />

(»Holocaust inversion«)<br />

bezeichnet wird – die deutsche<br />

Entsprechung ist »Täter-Opfer-Umkehr«<br />

(d. Red.) –, ist überall präsent.<br />

Israel wird damit angegriffen wie die<br />

Nazis zu sein und einen Genozid zu verüben<br />

von so unterschiedlichen Leuten<br />

wie dem neugewählten türkischen Präsidenten<br />

Tayyip Erdoğan und der stellverstretenden<br />

Generalsekretärin des südafrikanischen<br />

ANC Jessie Duarte.<br />

Proteste in ganz Europa haben Schilder<br />

zur Schau gestellt auf denen es hieß<br />

»Juden ins Gas« oder »Hitler hat seinen<br />

Job nicht beendet«. Über Facebook und<br />

Twitter erreichten diese fixe Ideen ein<br />

Millionenpublikum. In der Presse wirkte<br />

es oftmals so, als ob Israel nicht nur verdächtigt<br />

sei, einen Genozid zu begehen,<br />

sondern als ob die Schuld dafür bereits<br />

im Unheil verkündenden Satz Heinrich<br />

von Treitschkes: »Die Juden sind unser<br />

Unglück«. Für den Nationalsozialismus<br />

waren die Juden der Erzfeind, verantwortlich<br />

für alles Schlechte auf der Welt<br />

aufrgund ihrer Rasse.<br />

Die bis heute verbreitete Lüge, die Juden<br />

seien verantwortlich für Stalins Verbrechen<br />

ist gleichfalls ein Ausdruck der<br />

Dämonisierung. In den letzten Jahren<br />

wird die Dämonisierung Israels angefeuert<br />

und zum kochen gebracht: Der jüdische<br />

Staat sei der hartnäckige Aggressor,<br />

der munter Kriegsverbrechen und »Verbrechen<br />

gegen die Menschlichkeit« begehe.<br />

In den vergangenen Wochen des<br />

Sommers wurden Juden auf der ganzen<br />

Welt mit Israel in eins gesetzt – häufiger<br />

als in meiner jüngeren Erinnerung. Als<br />

Individuen und als Gruppe wurden sie<br />

Opfer nicht nur verbaler, sondern auch<br />

tätlicher Angriffe von Sydney über Paris<br />

bis New York und einigen Orten dazwischen.<br />

Vieles wurde über die Bedeutung dieser<br />

Flutwelle des Antisemitismus gesagt.<br />

Manche haben behauptet, die Situation<br />

sei vergleichbar mit der vor der sogenannten<br />

Kristallnacht 1938 oder mit der<br />

am Vorabend des Zweiten Weltkrieges<br />

1939. Dem kann man jedoch entgegnen:<br />

Obwohl die aktuelle Situation besorgniserregend<br />

ist, darf nicht vergessen<br />

werden, dass der Antisemitismus in Nazi-<br />

Deutschland staatlich gefördert war,<br />

während heutzutage die meisten Staatsoberhäupter<br />

und Politiker in Europa und<br />

den westlichen Ländern sich deutlich<br />

gegen den Antisemitismus positioniert<br />

haben, auch wenn sie es nicht geschafft<br />

haben, ihn einzuschränken.<br />

Während des ganzen Gaza-Krieges<br />

wurden die Plattformen der sogenannten<br />

Sozialen Medien von Yad Vashem<br />

überschwemmt mit antisemitischen und<br />

Dr. Robert Rozett<br />

Foto: Yad Vashem<br />

hetzerischen Kommentaren. Yad Vashem<br />

veröffentlichte konsequente und genaue<br />

Statements und postete auf seinen<br />

Netzwerk-Seiten ein neues Set von »Frequently<br />

Asked Questions« (FAQ ) über<br />

den Antisemitismus und den Missbrauch<br />

der Symbolik des Holocaust. Die Artikel<br />

und FAQs sind seither von Tausenden<br />

gelesen und »geteilt« worden. Yad Vashem<br />

wird sich weiter damit beschäftigen,<br />

noch bessere und innovative Wege zu finden,<br />

wie man der Herausforderung der<br />

Verzerrung des Holocaust, die verbunden<br />

ist mit einem virulenten Judenhass,<br />

begegnen kann. <strong>Ein</strong>em Judenhass der in<br />

den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts<br />

endemisch bleiben wird.<br />

Dr. Robert Rozett ist der Leiter der Bibliothek<br />

der Gedenkstätte Yad Vashem in<br />

Jerusalem, Israel. Übersetzung aus dem<br />

Englischen von Susanne Wein. Abdruck<br />

mit freundlicher Genehmigung des Magazins<br />

und des Autors<br />

Die Halle der Namen in Yad Vashem<br />

rin überein, dass der israelisch-palästinensische<br />

Konflikt nicht der tief sitzende<br />

Ursprung des Judenhasses ist, aber der<br />

Konflikt löst zumeist etwas aus, öffnet<br />

die Schleusen für spezifische Argumentationen<br />

und virulente Ausdrucksweisen.<br />

Seit der Jahrtausendwende haben unterschiedliche<br />

Konstellationen von Kräften<br />

aus verschiedenen Spektren und Milieus<br />

den Hass auf Juden geschürt, und manchmal<br />

überlappten und überkreuzten sich<br />

sogar ihre Aktivitäten und ihre Rhetorik.<br />

Für viele Leute wurde dies im Verlauf<br />

der jüngsten Operation klarer als jemals<br />

zuvor.<br />

Foto: Yad Vashem<br />

rechtskräftig bewiesen sei. Besonders in<br />

Europa ist dieser Vorwurf nicht selten<br />

mit entlastenden Gefühlen für die Schuld<br />

der Shoah verbunden.<br />

<strong>Ein</strong> weiterer ganz offensichtlicher innerer<br />

Bestandteil dieser Flutwelle des Antisemitismus<br />

ist die Dämonisierung. Die<br />

Dämonisierung von Juden hat eine sehr<br />

lange Geschichte, die aus dem frühen<br />

mittelalterlichen Christentum herrührt,<br />

in dem die Juden üblicherweise mit dem<br />

Teufel assoziiert wurden. Dämonisierung<br />

war genauso bei der Entwicklung<br />

des Modernen Antisemitismus des 19.<br />

Jahrhunderts zentral, zusammengefasst<br />

Die Auswirkungen der Operation »Protective Edge« auf Yad Vashem<br />

(Textauszug)<br />

Im Juli und August 2014 bewirkten die Spannungen im Gazastreifen und an den israelischen<br />

Grenzen einen Dominoeffekt auf viele professionelle Bildungsseminare<br />

und öffentliche Touren, die auf dem Terminkalender von Yad Vashem standen und<br />

stattfanden.<br />

Die Besuchszahlen nahmen im Juli über 20 Prozent ab, und fielen im August<br />

um 50 Prozent ab im Vergleich zum August im Jahr davor. Auch wenn einige Bildungsgruppen<br />

entschieden, ihre Seminare nicht stattfinden zu lassen oder diese zu<br />

verschieben, beschlossen die meisten, ihre Programme trotz der Situation fortzusetzen.<br />

Diese entschlossenen Gruppen kamen z.B. aus Belgien, Bosnien-Herzegowina,<br />

Deutschland, Estland, Großbritannien, Irland, Kanada, Österreich, Portugal,<br />

Serbien und den USA. »Das Seminar gab uns sehr viel Arbeitsmaterial mit dem<br />

wir künftig in unserem Geschichtsunterricht arbeiten können«, sagte kürzlich ein<br />

Teilnehmer aus Estland. <strong>Ein</strong> portugiesischer Lehrer nannte die Zeit, die er auf dem<br />

Berg der Erinnerung [Synonym für Yad Vashem, d. Red.] verbrachte, »absolut beeindruckend<br />

und hilfreich sowohl für meine akademische Untersuchung als auch<br />

für mich persönlich.« Allen Besuchern wurden deutliche Anweisungen gegeben,<br />

wie sie sich bei einem Alarm zu verhalten haben und sie befanden sich dann aber<br />

real zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. »Am kostbarsten war das Zusammentreffen<br />

mit so vielen anderen Teilnehmern aus aller Welt, was uns alle miteinander verbunden<br />

hat und die Unterstützung der Anderen in schwierigen Momenten, wenn<br />

die Sirenen losheulten«, sagte eine Teilnehmerin aus Großbritannien, die an der<br />

Internationalen Bildungskonferenz im Juli teilgenommen hat. »Die Angestellten<br />

von Yad Vashem haben im Umgang mit dieser Situation einen wunderbaren Job<br />

gemacht.« <strong>Ein</strong> Teilnehmer, ein Lehrer aus Kanada, pflichtete ihr bei: »Trotz der<br />

Gefahr der Raketen habe ich meinen Plan, nach Israel zu reisen, nicht geändert. Ich<br />

würde niemals zögern wieder nach Yad Vashem zu kommen.« (…)

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