Die PreuÃen, Gesellschaft und Mentalität - Polnisches Ermland
Die PreuÃen, Gesellschaft und Mentalität - Polnisches Ermland
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Polska Warmia<br />
<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong><br />
<strong>Die</strong> Preußen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> <strong>und</strong> Mentalität<br />
<strong>Die</strong> Preußen zeichneten sich durch einige bemerkenswerte teils archaische, teils<br />
modern anmutende <strong>und</strong> ziemlich gegensätzliche Charaktereigenschaften aus. Sie<br />
waren<br />
• patriarchalisch (1),<br />
• angriffslustig (2),<br />
• demokratisch <strong>und</strong> freiheitsliebend (3),<br />
• gastfre<strong>und</strong>lich, fremdenfre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> hilfsbereit (4),<br />
• religiös (5).<br />
(1)<br />
Frauen hatten in der altpreußischen <strong>Gesellschaft</strong> keinen hohen Stellenwert. Alle<br />
Entscheidungsgewalt in den Familien lag beim Haushaltsvorstand, welcher sich so<br />
viele Frauen zulegen durfte, wie es seine materiellen Verhältnisse erlaubten. Bei<br />
seinem Tode fielen sie in die Erbmasse <strong>und</strong> gingen auf den ältesten Sohn als<br />
Alleinerben über. Eine Ausnahme bildete nur dessen leibliche Mutter, die als<br />
Hauptfrau mit dem Toten auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Neugeborene<br />
Mädchen wurden häufig umgebracht, da nur Söhne einen Stellenwert in der Familie<br />
hatten. Nichtsdestotrotz wurden auch Frauen nach ihrem Tode mit allen vom<br />
religiösen Ritus vorgeschriebenen <strong>und</strong> ihrer gesellschaftlichen Stellung<br />
entsprechenden Ehren beigesetzt.<br />
(2)<br />
<strong>Die</strong> wirksamste Möglichkeit, Besitz <strong>und</strong> Ansehen zu mehren, bestand in der<br />
Teilnahme an einem bewaffneten Überfall auf benachbarte Siedlungen.<br />
Voraussetzung war lediglich der Besitz eines Pferdes <strong>und</strong> eine entsprechende<br />
Kriegsausrüstung. <strong>Die</strong> Motive für derartige Aktionen waren rein materieller Art - im<br />
Vordergr<strong>und</strong> stand die zu erwartende Beute. Bei der Auswahl der Opfer spielte es<br />
daher keine Rolle, ob diese der eigenen Gruppe feindlich gesinnt, neutral eingestellt<br />
oder sogar eher befre<strong>und</strong>et waren. Wehrfähige Männer wurden an Ort <strong>und</strong> Stelle<br />
umgebracht, Frauen <strong>und</strong> Kinder als Sklaven verschleppt, die Häuser geplündert <strong>und</strong><br />
niedergebrannt. <strong>Die</strong> ständige Bedrohung durch Überfälle erforderte dabei einen<br />
wirkungsvollen Schutz des eigenen Territoriums. Hierzu dienten Wachburgen, deren<br />
Besatzung sorgfältig ausgesucht wurde <strong>und</strong> mit ihrem Leben für die Grenzsicherung<br />
haftete.<br />
Gerne ließen sich die Preußen auch als Söldner anwerben, insbesondere bei den<br />
ständig untereinander in Fehde liegenden polnischen Territorialfürsten, <strong>und</strong> auf der<br />
Ostsee traten sie als Piraten auf. Auf alle Versuche ihrer christlichen Nachbarn, ihnen<br />
fremden Glauben <strong>und</strong> fremde Herrschaft aufzuzwingen, reagierten sie äußerst<br />
wehrhaft <strong>und</strong> aggressiv.<br />
(3)<br />
„Sie dulden keinen Herren über sich" - diese von christlichen Chronisten getroffene<br />
Feststellung steht für die gr<strong>und</strong>sätzliche Abneigung der Altpreußen gegen jede Art<br />
von Hierarchien sowohl innerhalb der engeren Stammesverbände, als auch in deren<br />
Beziehungen untereinander <strong>und</strong> zu anderen Völkern. <strong>Die</strong> einzige zu Entscheidungen<br />
berechtigte Instanz war die Stammesversammlung, in der jedes freie<br />
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Polska Warmia<br />
<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong><br />
Gemeinschaftsmitglied gleiches Rede- <strong>und</strong> Stimmrecht hatte. Alle wichtigen<br />
Entscheidungen wurden bis zur allgemeinen Konsensfähigkeit ausdiskutiert, weshalb<br />
sich die Beratungen oft Tage hinzogen. <strong>Die</strong> individuelle Freiheit des Einzelnen war<br />
groß, <strong>und</strong> jeder konnte seinen Besitz <strong>und</strong> gesellschaftlichen Status außer durch<br />
Erwerb eines Pferdes <strong>und</strong> Teilnahme an einem bewaffneten Raubzug auch durch die<br />
Bewirtschaftung (<strong>und</strong> damit Inbesitznahme) herrenlosen Landes verbessern. <strong>Die</strong><br />
damit verb<strong>und</strong>ene Besitzanhäufung war aber nur auf eine Generation beschränkt, da<br />
das Erbrecht wirksame Mechanismen beinhaltete, soziale Unterschiede <strong>und</strong> damit<br />
das Entstehen feudaler Strukturen zu verhindern.<br />
Zum einen wurde der Tote im Haus über einen längeren Zeitraum aufgebahrt,<br />
während dessen der Erbe (in der Regel der älteste Sohn) die Verpflichtung hatte,<br />
jeden Gast reichlich <strong>und</strong> großzügig zu bewirteten. Mit Hilfe von im Winter<br />
eingelagertem Eis konnte sich diese Aufbahrung über Wochen bis Monate<br />
erstrecken. Was dann noch an beweglichen Gütern übrig war, wurde an die<br />
Gemeinschaft verteilt, wie zum Beispiel auf folgende Weise. <strong>Die</strong> Habe des<br />
Verstorbenen wurde im Umkreis seines Hauses deponiert: die am wenigsten<br />
wertvollen Gegenstände in der Nähe, die übrigen entsprechend ihres Wertes in<br />
zunehmender Entfernung. Jeder Besitzer eines Pferdes konnte an dem nun<br />
folgenden Wettrennen von einem einige Kilometer entfernten Startpunkt teilnehmen<br />
<strong>und</strong> alles behalten, was er als erster erreichte. Auch Söhne reicher Väter mussten<br />
danach wieder von vorne anfangen <strong>und</strong> sich Wohlstand <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Position selbst erarbeiten.<br />
<strong>Die</strong> Freiheitsliebe der Altpreußen äußerte sich auch in der Tatsache, dass die<br />
beschriebenen Beutezüge niemals mit dem Versuch verb<strong>und</strong>en waren, den Nachbarstamm<br />
zu unterwerfen, ihm Tributzahlungen aufzuzwingen oder das eigene<br />
Territorium auf seine Kosten zu vergrößern.<br />
(4)<br />
In der altpreußischen <strong>Gesellschaft</strong> brauchte niemand in Armut zu leben oder zu<br />
hungern, da jeder Bedürftige jederzeit das Recht hatte, von wohlhabenden<br />
Stammesgenossen kostenlos bewirtet zu werden, womit de facto eine Art soziales<br />
Netz bestand. <strong>Die</strong> Gastfre<strong>und</strong>schaft erstreckte sich aber auch auf Fremde,<br />
gegenüber denen die Preußen gr<strong>und</strong>sätzlich aufgeschlossen waren <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich<br />
auftraten. Voraussetzung war allerdings, dass diese ihre Gesetze, Sitten <strong>und</strong> vor<br />
allem Religion respektierten. So war auch der Tod Adalbert von Prags ( <strong>Die</strong><br />
Preußen, Geschichte bis 1225 ) nicht so märtyrerhaft wie er in der Kirchengeschichte<br />
dargestellt wird. Der Bischof wurde zunächst gastlich empfangen <strong>und</strong> beherbergt,<br />
dann aber aufgefordert, seine Bekehrungsversuche einzustellen <strong>und</strong> das Land zu<br />
verlassen. Erst nachdem er nicht nur das Rückkehrverbot ignoriert hatte, sondern<br />
zudem eine Kultstätte durch das Abhalten eines christlichen Gottesdienstes entweiht<br />
hatte, gebrauchten die Preußen Gewalt. Auch eine große Hilfsbereitschaft<br />
gegenüber in Not geratenen Landsleuten, z. B. bei Schiffbruch, war für sie<br />
bezeichnend.<br />
(5)<br />
<strong>Die</strong> Preußen glaubten an eine Seelenwanderung <strong>und</strong> Wiedergeburt <strong>und</strong> betrachteten<br />
ihr eigenes derzeitiges Leben nur als eines <strong>und</strong> nicht unbedingt das beste von vielen.<br />
Verstorbene lebten in Pflanzen <strong>und</strong> Tieren weiter, weswegen die Natur von den<br />
Geistern der Vorfahren bevölkert war <strong>und</strong> entsprechend verehrt wurde. Der<br />
Organismus, in dem man wiedergeboren wurde konnte eine höhere Stufe der<br />
Vervollkommnung darstellen oder auch einen Abstieg - in Abhängigkeit von der
Polska Warmia<br />
<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong><br />
Lebensführung des Verstorbenen. Konsequenterweise hingen die Altpreußen nicht<br />
sehr am eigenen Leben. Da beispielsweise ein ehrenvoller Tod eine günstige<br />
Wiedergeburt versprach, war es nicht ungewöhnlich, dass die Überlebenden eines<br />
verlorenen Kampfes kollektiv Selbstmord begingen. <strong>Die</strong> Durchführung der religiösen<br />
Zeremonien lag in den Händen von Geistlichen (sowohl Männer als auch Frauen),<br />
die einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hatten <strong>und</strong> unter der Aufsicht von<br />
Oberpriestern standen. Nebst zahlreichen geweihten Plätzen in der Umgebung hatte<br />
jede größere Siedlungsgemeinschaft ein zentrales Heiligtum.<br />
<strong>Die</strong> Freiheitsliebe, Basisdemokratie <strong>und</strong> religiösen Vorstellungen der Altpreußen<br />
standen in diametralem Gegensatz zum Christentum mit seinen Hierarchien <strong>und</strong><br />
feudalen <strong>Gesellschaft</strong>sstrukturen. <strong>Die</strong>s mag erklären, warum das kleine Volk ein<br />
halbes Jahrh<strong>und</strong>ert lang der geballten Militärmacht des christlichen Abendlandes<br />
standhalten konnte.<br />
<strong>Die</strong> wirtschaftliche Basis der Altpreußen bestand in bescheidenem Ackerbau,<br />
extensiver Weidewirtschaft, Jagd, Fischfang <strong>und</strong> Sammeln von Wildhonig. Letzteres<br />
war ein außerordentlich wichtiger Wirtschaftszweig, <strong>und</strong> hohle Bäume als<br />
Wohnstätten von Wildbienenvölkern galten als sehr wertvoll <strong>und</strong> wurden oft über<br />
Generationen vererbt ( <strong>Die</strong> Preußen, Namen der altpreußischen Landschaften).<br />
<strong>Die</strong> Preußen schmiedeten Eisen, gerbten Leder, stellten Lein- <strong>und</strong> Wolltextilien her<br />
<strong>und</strong> exportierten Pelze, Fische, Honig <strong>und</strong> Bernstein auf eigenen Schiffen bis nach<br />
Schleswig <strong>und</strong> Schweden.<br />
Wichtige Informationen zu diesem Abschnitt sind entnommen aus: Łucja Okulicz-Kozarin, Dzieje Prusów, Wrocław 2000<br />
<strong>Die</strong> Preußen, <strong>Gesellschaft</strong> <strong>und</strong> Mentalität / Seite 3 von 3