28.02.2015 Aufrufe

Auswanderung in das Ruhrgebiet.pdf - Polnisches Ermland

Auswanderung in das Ruhrgebiet.pdf - Polnisches Ermland

Auswanderung in das Ruhrgebiet.pdf - Polnisches Ermland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Polska Warmia<br />

<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong><br />

<strong>Auswanderung</strong> <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong><br />

Als <strong>in</strong> den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die <strong>in</strong>dustrielle Entwicklung des<br />

<strong>Ruhrgebiet</strong>es e<strong>in</strong>en immer stärkeren Aufschwung nahm, konnte dessen<br />

Arbeitskräftebedarf nicht mehr aus der näheren Umgebung gedeckt werden. Die<br />

Zechen versuchten auf vielfältige Weise Arbeitskräfte im Osten anzuwerben, wie zum<br />

Beispiel die Zeche Hibernia <strong>in</strong> Gelsenkirchen mit e<strong>in</strong>em Schreiben an die Gastwirte<br />

<strong>in</strong> Ostpreußen:<br />

Streng vertraulich! Wir bitten die Herren Gastwirte dafür zu sorgen, <strong>das</strong>s möglichst<br />

viele Arbeiter unter 26 Jahren, möglichst unverheiratet, hierher ziehen. Für jeden aus<br />

ihrer Ortschaft zuziehenden Arbeiter zahlen wir Ihnen MK. 3.<br />

Psychologisch besonders geschickt war der an die Masuren gerichtete Aufruf der<br />

Zeche Viktoria <strong>in</strong> Castrop-Rauxel:<br />

Masuren! In rhe<strong>in</strong>ländischer Gegend, umgeben von Feldern, Wiesen und Wäldern,<br />

den Vorbed<strong>in</strong>gungen guter Luft, liegt, ganz wie e<strong>in</strong> masurisches Dorf, abseits vom<br />

großen Getriebe des westfälischen Industriegebietes, e<strong>in</strong>e reizende, ganz neu<br />

erbaute Kolonie der Zeche Viktoria bei Rauxel. Diese Kolonie besteht vorläufig aus<br />

über 40 Häusern und wird später auf über 65 Häuser erweitert werden. In jedem<br />

Haus s<strong>in</strong>d nur vier Wohnungen, zwei oben, zwei unten. Zu jeder Wohnung gehören<br />

etwa 3 - 4 Zimmer. Die Decken s<strong>in</strong>d 3 m hoch, die Länge bzw. die Breite des<br />

Fußbodens beträgt 3 m. Zu jeder Wohnung gehört e<strong>in</strong> sehr guter und trockener<br />

Keller, so <strong>das</strong>s sich die e<strong>in</strong>gelagerten Früchte, Kartoffeln usw. dort sehr gut halten<br />

werden. Ferner gehört dazu e<strong>in</strong> geräumiger Stall, wo sich jeder se<strong>in</strong> Schwe<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>e<br />

Ziege oder se<strong>in</strong>e Hühner halten kann.<br />

Die Aussicht auf e<strong>in</strong> besseres Leben im Westen löste Ende des 19. Jahrhunderts<br />

e<strong>in</strong>e Massenwanderung aus Posen, West- und Ostpreußen, Schlesien sowie dem<br />

unter russischer Herrschaft stehenden Kongresspolen <strong>in</strong> <strong>das</strong> westfälische<br />

Bergbaurevier aus. Masuren und Polnische Ermländer wurden dabei zu e<strong>in</strong>em Teil<br />

der als „Ruhrpolen" bezeichneten slawischen Bevölkerungsströme. Die e<strong>in</strong>heimische<br />

deutsche Bevölkerung konnte nicht zwischen den e<strong>in</strong>zelnen sprachlichen Gruppen<br />

der Zuwanderer unterscheiden und fasste sie daher der E<strong>in</strong>fachheit halber alle unter<br />

der Sammelbezeichnung „Polen" zusammen. Das war <strong>in</strong>sbesondere für die Masuren<br />

e<strong>in</strong>e Beleidigung, da sie wegen ihrer Konfession und geschichtlichen Tradition als<br />

Bürger des Herzogtums und später Königreiches Preußen (woraus e<strong>in</strong>e starke<br />

emotionelle B<strong>in</strong>dung an <strong>das</strong> Herrscherhaus der Hohenzollern resultierte) auf e<strong>in</strong>e<br />

Abgrenzung gegen die Polen äußersten Wert legten. Selbst bezeichneten sie sich<br />

als „Altpreußen" und gebrauchten <strong>das</strong> wertneutrale Wort „Polak" (poln. = Pole) als<br />

Schimpfwort, als welches es mit der Schreibweise „Polack“ <strong>in</strong> der deutschen Sprache<br />

auch heute noch gilt.<br />

Nach dem 1. Weltkrieg kehrte e<strong>in</strong> großer Teil der aus Westpreußen, Posen und<br />

Kongresspolen e<strong>in</strong>gewanderten Polen <strong>in</strong> den neu gegründeten polnischen Staat<br />

zurück oder zog <strong>in</strong> die nordfranzösischen Kohlenreviere. Masuren und Polnische<br />

Ermländer dagegen blieben größtenteils im Revier, wo sie e<strong>in</strong>er praktisch<br />

vollständigen Assimilierung unterlagen. Die Dynamik der damals im Revier verbreitet<br />

ablaufenden Assimilierung polnischer Bevölkerungsgruppen wird besonders deutlich<br />

an den zahlreichen Anträgen auf Änderungen slawischer <strong>in</strong> deutsche<br />

Familiennamen. Damit war <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> kollektiver Verdrängungsprozess<br />

verbunden, so <strong>das</strong>s von e<strong>in</strong>er auf die andere Generation <strong>das</strong> Bewusstse<strong>in</strong> über die<br />

<strong>Auswanderung</strong> <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> / Seite 1 von 2


Polska Warmia<br />

<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong><br />

eigene Herkunft verloren g<strong>in</strong>g. Von behördlicher Seite waren Anträge auf derartige<br />

Namensänderungen als Zeichen erfolgreicher Germanisierung gerne gesehen. So<br />

schrieb der preußische Innenm<strong>in</strong>ister an den Regierungspräsidenten von Münster im<br />

Jahre 1901:<br />

...Ich nehme an, <strong>das</strong>s Namensänderungen der gedachten Art, welche die<br />

Verschmelzung des polnischen Elementes mit dem deutschen zu fördern geeignet<br />

s<strong>in</strong>d, von Seiten der Behörden jede Unterstützung und Erleichterung erfahren<br />

werden...<br />

Die e<strong>in</strong>fachste Art der Namensänderung war e<strong>in</strong> Wechsel der Schreibart, wobei der<br />

neue Name meist ohne Schwierigkeiten noch als e<strong>in</strong> slawischer zu erkennen war:<br />

Balcerewicz Balzerewitz Baudisz Baudisch Szymanski Schimanski<br />

Frydecki Friedetzki Janecki Janetzki Toczek Totzek<br />

Kozakiewicz Kozakewitz Markiewicz Markewitz Mlynarek Mynarek<br />

Mojzysz Meusisch Piszczolka Pizolka Przygoda Prygoda<br />

Rozewicz Rosewitz Senczek Senzek Strzelec Strelec<br />

Femec Femes Zombecki Sombetzki Majchrzak Maischak<br />

Der eigentliche Beweggrund für solche Änderungen war wohl weniger e<strong>in</strong><br />

bestimmtes Nationalitätenbewusstse<strong>in</strong> als vielmehr allgeme<strong>in</strong>e Schwierigkeiten im<br />

täglichen Leben, <strong>in</strong>sbesondere beim Umgang mit Behörden, wo die Namen notorisch<br />

falsch geschrieben wurden und immer wieder buchstabiert werden mussten.<br />

Am häufigsten wurde der slawische Familienname durch e<strong>in</strong>en ähnlich kl<strong>in</strong>genden<br />

deutschen ersetzt:<br />

Grzeskowiak Grote Kricanofski Krieger Majchrzak Mertens<br />

Nowakowski Nolte Schimanski Schmidt Smol<strong>in</strong>ski Schiller<br />

Gurniaczyk Gutrecht Przybylski Preißner Korytkowski Korth<br />

Golus<strong>in</strong>ski Golder Grzesiak Gretz Targowski Tar<strong>in</strong>ger<br />

Maciejezyk Molibach Wojciechowski Wöhr<strong>in</strong>g Zurawski Zurner<br />

Manchmal wurde der Name auch s<strong>in</strong>ngemäß <strong>in</strong>s Deutsche übersetzt:<br />

Owsianowski <br />

Havermann<br />

Pawlowski <br />

Paulsen<br />

Prus<strong>in</strong>owski<br />

Preußmann<br />

Czerw<strong>in</strong>ski <br />

Rothardt<br />

E<strong>in</strong> oft anzutreffendes Schema bei der Neubildung war die Beibehaltung des<br />

Anlautes des alten Namens, an den dann e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> deutsche Endung wie z. B. -hof, -<br />

berg, -feld, -bach, -mann usw. angehängt wurde:<br />

Drozdz<strong>in</strong>ski Droberg Jerzewski Jetzfeld Kostrzewa Kostberg<br />

Lawicki Landsfeld Maciejak Matthöfer Poniowski Ponhöfer<br />

Jankowski Jankenberg Radajewski Ramberg Ratajczak Ratfeld<br />

Solarczyk Solberg Gizelski Gisberg Kurzawski Kurzbach<br />

Pawlicki Pahlmann Mikolajczak Milchherr Sombetzki Sonnberger<br />

Koperski Kopmann Dombrowski Dombrück Jozwiak Jönfeld<br />

Majchrzak Maischatz Rajski Reimann Strebiel<strong>in</strong>ski Streb<strong>in</strong>ger<br />

Regelski Reckmann Grzondziel Grundmann Jesewski Jehöver<br />

Die Informationen zu den Namensänderungen wurden entnommen aus: W. Burghard, Namensänderungen slawischer<br />

Familiennamen im <strong>Ruhrgebiet</strong> <strong>in</strong>: Festschrift für Karl Bischoff zum 70. Geburtstag, Köln 1975<br />

<strong>Auswanderung</strong> <strong>in</strong> <strong>das</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> / Seite 2 von 2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!