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Augustyna Wiewiorra de - Polnisches Ermland

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Polska Warmia<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong><strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong><strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> wur<strong>de</strong> am 22. 4. 1900 als siebtes Kind und einzige Tochter <strong>de</strong>rBauersleute Andreas und Anna <strong>Wiewiorra</strong> geb. Biermann in Bredinken geboren - einDorf im Nordosten <strong>de</strong>s Polnischen Ermlan<strong>de</strong>s, welches vier Jahrzehnte zuvorkurzzeitig in ganz Deutschland wegen <strong>de</strong>s Massakers von Bredinken berühmtgewor<strong>de</strong>n war. Um die Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong> war es noch ein vorwiegend polnischesDorf, und <strong>de</strong>r Vater selbst konnte angeblich nur zwei Worte Deutsch - ja und nein -und musste sich eines Dolmetschers bedienen, um die Geburt <strong>de</strong>r Tochter auf <strong>de</strong>mBischofsburger Stan<strong>de</strong>samt anzuzeigen. Die Mutter war katholisch, und <strong>de</strong>r Vatergehörte zu <strong>de</strong>m geringen Prozentsatz evangelischer Dorfbewohner - möglicherweisewar er aus <strong>de</strong>m benachbarten Masuren zugewan<strong>de</strong>rt.Die Mutter starb im Jahre 1908, als die Tochter gera<strong>de</strong> das erste Jahr <strong>de</strong>rDorfgrundschule been<strong>de</strong>t hatte. Seit <strong>de</strong>r Sprachenverordnung von 1873 war dieUnterrichtssprache in <strong>de</strong>n polnischsprachigen Gebieten <strong>de</strong>s Deutschen Reichesauch in <strong>de</strong>n Grundschulen ausschließlich Deutsch, und das Mädchen lernte polnischLesen und Schreiben nur zu Hause aus <strong>de</strong>m häuslichen Gebetbuch und <strong>de</strong>r GazetaOlsztyńska ( Kuba von Wartenburg), welche die Familie abonniert hatte.<strong>Augustyna</strong> Wiewiora hatte zwei Interessen, für die sie sich begeisterte:Naturbeobachtung und polnischer Patriotismus. Als Zwölfjährige schrieb sie einenBrief an die Gazeta Olstyńska, in <strong>de</strong>m sie ihre ermländischen Landsleute dazuaufrief, ihre Kin<strong>de</strong>r Polnisch sprechen, schreiben und lesen zu lehren. Dieserangesichts <strong>de</strong>r damaligen rigi<strong>de</strong>n staatlichen Germanisierungspolitik sehr mutigeSchritt hat ihr sicherlich einigen Ärger in <strong>de</strong>r Schule eingetragen.Nach <strong>de</strong>m Grundschulabschluss im Jahre 1914 verbrachte sie die nächsten Jahre imelterlichen Haushalt. Als es im Jahre 1919 offensichtlich wur<strong>de</strong>, dass im Folgejahr im<strong>Ermland</strong>, Masuren und <strong>de</strong>m Weichselgebiet Plebiszite über die weitere Zugehörigkeitdieser Gebiete zu Deutschland o<strong>de</strong>r zu Polen stattfin<strong>de</strong>n sollten, engagierte sich<strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> mit ihrer gesamten Familie aktiv auf <strong>de</strong>r polnischen Seite.Gleichzeitig begann sie eine Lehrerausbildung und belegte im Schuljahr 1919/20 inAllenstein einen Kurs für zukünftige polnische Lehrer im Polnischen <strong>Ermland</strong> nach<strong>de</strong>ssen erhofftem Anschluss an Polen. Das war, wie überhaupt ein Engagement für<strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> / Seite 1 von 5


<strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> / Seite 2 von 5Polska Warmia<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong>die polnische Sache, eine gefährliche Angelegenheit. Deutsche Schlägertruppsstörten <strong>de</strong>n Unterricht, das Haus <strong>de</strong>r Wieworras wur<strong>de</strong> mit Steinen beworfen und sieselbst schließlich physisch bedroht. In <strong>de</strong>r Nacht nach <strong>de</strong>m Plebiszit war siegezwungen aus Bredinken zu fliehen und sich in Allenstein zu verstecken, und alses auch dort zu gefährlich wur<strong>de</strong>, das <strong>Ermland</strong> zu verlassen und in Polen Asyl zusuchen. Der Kurs selbst wur<strong>de</strong> eingestellt und nie wie<strong>de</strong>r fortgesetzt.Nach kurzer Tätigkeit als häusliche Privatlehrerein absolvierte <strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong>in <strong>de</strong>n Jahren 1920/21 eine Ausbildung am Grau<strong>de</strong>nzer Lehrerseminar, nach <strong>de</strong>renAbschluss sie ihre erste Qualifikation zur Ausübung einer regulären Lehrtätigkeiterlangte. Die ersten beruflichen Stationen waren die Grundschulen in Bruchnowo(1.10.1921 - 31.8. 1922) und in Schillno (1.9.1922 - 31.8.1923) im Bezirk Thorn undin Striesau im Bezirk Kulm (1.9.1923 - 31.8.1924). Am 7. März 1924 beantragte siedie polnische Staatsbürgerschaft, die ihr vier Tage später zuerkannt wur<strong>de</strong>. Nachzwei weiteren Jahren an <strong>de</strong>r Grundschule in Klammer im Bezirk Kulm (1.9.1924 -31.8.1926) wur<strong>de</strong> sie aus nicht genau bekannten Grün<strong>de</strong>n von ihrer Lehrbefugnis inöffentlichen Schulen suspendiert. Die nächsten drei Jahre schlug sie sich mitGelegenheitsarbeiten an verschie<strong>de</strong>nen Schulen durch, bis sie am 1. September1929 ein Studium am Lehrerinnenseminar <strong>de</strong>s Marieninstituts in Krakau aufnahm. Mit<strong>de</strong>ssen Abschluss war eine höhere Ausbildungsstufe verbun<strong>de</strong>n, welcher ihr wie<strong>de</strong>reine Tätigkeit an öffentlichen Schulen erlaubte. Ihr erstes Examen bestand sie am19. Juni 1930 und das Abschlussexamen um 9. März 1934. In <strong>de</strong>r Zeit von 1930 bis1936 arbeitete sie aushilfsweise an insgesamt 7 Schulen im Bezirk Briesen(Bahrendorf, Orlowo, Plywaczewo, Siegfriedsdorf, Radowisk, Pulkowo, Briesen), unddanach bis zum Kriegsausbruch auf einer Vollzeitstelle, mit <strong>de</strong>n HauptfächernBiologie und Religion, in Kisin im Bezirk Kulm. In dieser Zeit besuchte sie einmal, zurBeerdigung ihres Vaters, das <strong>Ermland</strong>. Den Aufenthalt brach sie jedoch vorzeitig ausFurcht vor Repressalien wegen ihres Engagements zur Zeit <strong>de</strong>s Plebiszites ab.Als Lehrerin war <strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> im Zweiten Weltkrieg unmittelbar von <strong>de</strong>rErmordung <strong>de</strong>r polnischen Intelligenz durch die <strong>de</strong>utschen Besatzer bedroht. Einigeihrer Kollegen wur<strong>de</strong>n Opfer von Massenerschießungen wie zum Beispiel <strong>de</strong>nen imOktober und November 1939 in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Dorfes Klammer. Sie selbst wur<strong>de</strong>zunächst in ein Arbeitslager in Ostrometzko eingeliefert und danach alsZwangsarbeiterin in verschie<strong>de</strong>nen Ortschaften beschäftigt - Scharnese, Stolno,Groß Bolumin, Borken, Dembowicz und schließlich Kisin, <strong>de</strong>m Ort ihrer letztenLehranstellung. Nach einer schweren Erkrankung erhielt sie dank ihrer gutenDeutschkenntnisse eine Anstellung als Bürokraft bei <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Scharnese (1. 4.1942 - 30. 8. 1943), und danach in <strong>de</strong>r Molkerei von Stollno, welche die <strong>de</strong>utscheWehrmacht mit Milchprodukten versorgte. Nach einer Denunziation wegen ihrerVergangenheit als Plebiszit-Aktivistin konnte sie nur durch eine Flucht in letzterMinute <strong>de</strong>r Einlieferung in ein Konzentrationslager entgehen. In Damerau fand siedank ihrer Deutschkenntnisse, <strong>de</strong>r Tatsache, dass ihre Brü<strong>de</strong>r zur Wehrmachteingezogen wor<strong>de</strong>n waren - wo sie an <strong>de</strong>r Ostfront gefallen sind - und <strong>de</strong>rUnkenntnis <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n über ihre Vergangenheit (insbeson<strong>de</strong>re ihrer abgelegten<strong>de</strong>utschen Staatsbürgerschaft) wie<strong>de</strong>r eine Anstellung bei <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>verwaltung,wo sie bis zur Einnahme <strong>de</strong>r Ortschaft durch die Rote Armee arbeitete.Schon am 1. März 1945 mel<strong>de</strong>te sich <strong>Augustyna</strong> Wierwiorra auf einen Appell <strong>de</strong>rSchulbehör<strong>de</strong> zum Wie<strong>de</strong>raufbau <strong>de</strong>s Bildungssystems und war am Neuaufbau <strong>de</strong>rSchulen in Damerau, Kisin, Königlich Waldau und Schöneich beteiligt. Im Herbst


Polska Warmia<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong>1946 wur<strong>de</strong> sie auf eigenes Betreiben ins <strong>Ermland</strong> versetzt und mit <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>rSchule in Reussen betraut. Hier arbeitet sie mit hohem persönlichen Einsatz nichtnur für die Schule selbst, son<strong>de</strong>rn auch in vielen außerschulischen Bereichen von <strong>de</strong>rLebensmittel- und medizinischen Versorgung <strong>de</strong>s Dorfes, <strong>de</strong>m Polnischunterricht fürdie Einheimischen im Rahmen <strong>de</strong>r sog. Repolonisierungsmaßnahmen bis hin zurSchlichtung von Spannungen zwischen Einheimischen und Zugewan<strong>de</strong>rten. ImJahre 1955 erhielt sie nach zweijährigen Bemühungen aus gesundheitlichenGrün<strong>de</strong>n eine Versetzung nach Wieps, verbun<strong>de</strong>n mit einer Aufgabe <strong>de</strong>r leiten<strong>de</strong>nStellung. Hier beschäftigte sie sich außerhalb ihrer Lehrverpflichtung mit <strong>de</strong>m Aufbaueines Schulgartens, <strong>de</strong>ssen pädagogisches Konzept sie über die Dorfgrenzen undsogar die <strong>de</strong>s Ermlan<strong>de</strong>s hinaus bekannt machte und ihr in Verbindung mit ihremschulischen Engagement mehrere staatliche Auszeichnungen eintrug. Es gelang ihreine für die damaligen Verhältnisse ungewöhnliche Biologiewerkstatt einzurichten mitu. a. einem Gewächshaus, einem Alpinum und einem Versuchsgarten.Nach ihrer Pensionierung am 29. Januar 1972 sie<strong>de</strong>lte Augusta <strong>Wiewiorra</strong> nachWartenburg über, in eine beschei<strong>de</strong>ne Wohnung im zweiten Stock eines Miethauses.Hier litt die zeitlebens unverheiratete Frau unter zunehmen<strong>de</strong>r Vereinsamung,verbun<strong>de</strong>n mit Demenzerscheinungen und Angstzustän<strong>de</strong>n infolge ihrer Erlebnisseaus Plebiszit- und Kriegszeiten. In <strong>de</strong>r Nacht vom 29. auf <strong>de</strong>n 30. November 1984ertrank sie, vermutlich im Zustand geistiger Verwirrung, in <strong>de</strong>r Pissa.Polnische Namen <strong>de</strong>r in diesem Abschnitt vorkommen<strong>de</strong>n OrtschaftenDeutscher NameAllensteinBahrendorfBischofsburg(Groß) BolluminBorkenBredinkenBriesenBrombergBruchnowoDamerauDembowiczGrau<strong>de</strong>nzKisinKlammerKrakauKulmMosgowinOrlowoOstrometzkoPlywaczewoPulkowo(Klein u. Groß) RadowiskReussenPolnischer NameOlsztynNiedźwiedźBiskupiecBoluminBorkiBredynkiWąbrzeźnoBydgoszczBrąchnowoDąbrowa ChełmińskaDębowiecGrudziądzGzynKlamryKrakówChełmoMózgowinaOrłowoOstromeckoPływaczewoPułkowo(Małe i Wielkie) RadowiskaRuś<strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> / Seite 3 von 5


Polska Warmia<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong>ScharneseSchillnoSchöneichSiegfriedsdorfStollno(Groß) StriesauThorn(Königlich) WaldauWartenburgWiepsCzarzeSilnoSzynychSierakowoStolnoStrzyŜawaToruńWałdowo (Królewskie)BarczewoWipsowoDie Informationen zu diesem Abschnitt wur<strong>de</strong>n entnommen aus <strong>de</strong>m Buch „RóŜe dla Wiewiórzanki (Rosen für Wiewiorzanka)"von Wojciech Zen<strong>de</strong>rowski.<strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> vor ihrem Gewächshaus im Schulgarten von Wieps, 1960<strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> / Seite 4 von 5


Polska Warmia<strong>Polnisches</strong> <strong>Ermland</strong><strong>Augustyna</strong>-<strong>Wiewiorra</strong>-Schule in Wieps (16. 6. 2011)Ge<strong>de</strong>nktafel an <strong>de</strong>r <strong>Augustyna</strong>-<strong>Wiewiorra</strong>-Schule in Wieps (16. 6. 2011)„Hier hat in <strong>de</strong>n Jahren 1955 – 1972 <strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> für Viele die Tür zur Welt geöffnet,in<strong>de</strong>m sie Wissen mit auf <strong>de</strong>n Weg gab“<strong>Augustyna</strong> <strong>Wiewiorra</strong> / Seite 5 von 5

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