Wesen und Struktur der Globalisierung. Eine ... - Peter Gerdsen
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Treibsätze <strong>der</strong> <strong>Globalisierung</strong><br />
Welche Triebkräfte sind es eigentlich, die bestimmte Denkformen <strong>und</strong> ihre Konsequenzen sowie<br />
auch die darauf aufbauende Zivilisation zur weltweiten Ausbreitung bringen? Hier spielt <strong>der</strong> atheistische<br />
Humanismus eine wichtige Rolle. Woher kommt <strong>der</strong> missionarische Eifer, mit dem die Vereinigten<br />
Staaten von Amerika den ›american way of life‹ über die Welt verbreiten wollen <strong>und</strong> dabei<br />
auch nicht vor militärischer Gewalt zurückschrecken? Hier ist das Phänomen ›Amerikanismus‹ zu<br />
untersuchen. Aber auch die globalen Telekommunikations- <strong>und</strong> Transportsysteme sind von Bedeutung.<br />
Atheistischer Humanismus<br />
Diese Bewegung konstituierte sich in einer radikalen Abwendung vom Christentum. Das geschah<br />
auf dem Hintergr<strong>und</strong> einer f<strong>und</strong>amentalen Bewußtseinsverän<strong>der</strong>ung in Europa. Ein kraftvoller Freiheitsimpuls<br />
wendete sich gegen die übermächtige Präsenz <strong>der</strong> katholischen Kirche, die ein absolutes<br />
Deutungsmonopol über die Inhalte des Christentums beanspruchte. So verwarfen große Teile <strong>der</strong><br />
europäischen Bevölkerung ihre Religion. Aber <strong>der</strong> Mensch ohne Religion leugnet die Existenz Gottes<br />
<strong>und</strong> erhöht damit sich selbst zu Gott, allerdings mit weitreichenden Konsequenzen. Wenn <strong>der</strong> Mensch<br />
sich selbst auf den Thron Gottes setzt, macht er sich damit zur höchsten Instanz.<br />
<strong>Eine</strong> Folge davon ist, daß er keine Autoritäten über sich ertragen kann <strong>und</strong> daß er fanatisch danach<br />
trachten muß, alle Menschen gleich zu machen. So führt die Leugnung Gottes in den Gleichheitswahn.<br />
Während im Christentum die Identität des Menschen durch die Tatsache begründet ist, daß Gott den<br />
Menschen nach seinem Bilde geschaffen <strong>und</strong> ihn als Person angesprochen hat, sieht <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Gott<br />
leugnende Mensch seine Identität außer in seinem Leibe in seiner Lebensorientierung, seinen Taten<br />
<strong>und</strong> Verhaltensweisen, obwohl diese jedoch nur den Grad seiner Abwendung von Gott kennzeichnen.<br />
Das fanatische Bemühen, alle Menschen gleich zu machen, führt zu einer <strong>Globalisierung</strong> <strong>und</strong> damit<br />
Vereinheitlichung aller Lebensweisen <strong>und</strong> aller Lebensorientierungen sowie letztlich auch aller kulturellen<br />
Bereiche, nämlich des Wirtschaftslebens, des Rechtslebens <strong>und</strong> des Geistenslebens.<br />
Das Phänomen ›Amerikanismus‹<br />
Die Ideologie <strong>der</strong> Vereinigten Staaten von Amerika o<strong>der</strong> auch die Weltanschauung <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Gesellschaft wird bestimmt durch zwei sich scheinbar wi<strong>der</strong>sprechende <strong>und</strong> sich gleichzeitig<br />
ergänzende Komponenten: durch eine beson<strong>der</strong>e Ausprägung des Christentums <strong>und</strong> durch einen<br />
hohen Uniformismus des amerikanischen Lebens. Dieser Amerikanismus erweist sich als mächtiger<br />
Treibsatz <strong>der</strong> <strong>Globalisierung</strong>; mit missionarischem Eifer verbreiten die Vereinigten Staaten von Amerika<br />
den erwähnten ›american way of life‹ über die ganze Welt.<br />
Zunächst zum Uniformismus: Da die amerikanische Nationalität auf einem Vertrag zwischen Einwan<strong>der</strong>ern<br />
verschiedener Herkunft beruht, müssen alle beson<strong>der</strong>en kulturellen Gepflogenheiten ins<br />
Private abgedrängt, das heißt aus dem staatsbürgerlichen Bereich herausgehalten werden. Dadurch<br />
entsteht eine außerordentliche Eintönigkeit <strong>der</strong> amerikanischen Gesellschaft, die bereits Tocqueville<br />
unterstrichen hat, indem er bemerkt, daß nicht einmal eine Abfolge zeitweiliger Unruhen <strong>und</strong> kurzlebiger<br />
Moden sie werde brechen können. Wer es in den Vereinigten Staaten nicht so machen will, wie<br />
es alle machen, ist so gut wie ein toter Mann. 8<br />
Und zur Bedeutung <strong>der</strong> Religion: Alle Beobachter weisen darauf hin, daß die Religion in <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Gesellschaft allgegenwärtig ist. In ›God we trust‹ steht auf allen Banknoten, <strong>und</strong> seit 1956<br />
ist es sogar ein nationaler Wahlspruch. Aber die Religion wird in einem optimistischen, man könnte<br />
sagen materialistischen Sinne umdefiniert. Das Christentum wird calvinistisch <strong>und</strong> erhält eine alttestamentarische<br />
Prägung. Der Calvinismus deutet den materiellen Erfolg als Zeichen <strong>der</strong> Gnadenwahl<br />
Gottes. In einem Brief an Thomas Law äußerte Jefferson schon 1814 die Überzeugung: »Die Natur hat<br />
den Nutzen für den Menschen zum Maß <strong>und</strong> Prüfstein <strong>der</strong> Tugend gemacht.« Der Richter Holmes<br />
8 Benoist, Alain de: Schöne vernetzte Welt - <strong>Eine</strong> Antwort auf die <strong>Globalisierung</strong>, Tübingen 2001.<br />
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