ZUKUNFT GEIST
Berufsperspektiven für Studierende der Geistes- und Kulturwissenschaften
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<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />
STUDIUM – UND NUN?<br />
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„VOR NEUEM HAT<br />
MAN KEINE ANGST“<br />
© Christian Tepper | Landeshauptstadt<br />
Hannover, Museum August Kestner<br />
INTERVIEW: SILKE FEUCHTINGER<br />
MUSEUMSKURATORIN DR. SIMONE VOGT<br />
RÄT ZU EINEM STUDIUM DER NEUGIER<br />
UND DER INTERESSEN<br />
© shutterstock | ULKASTUDIO<br />
Simone Vogt hat ihr Studium der Klassischen<br />
Archäologie im Jahr 1998 an der<br />
Philosophischen Fakultät der Universität<br />
zu Köln mit dem Magister Artium abgeschlossen.<br />
Drei Jahre später hat sie mit<br />
einer Dissertation über „Römische Idealplastik<br />
in Oberitalien“ außerdem den<br />
Doktorgrad erworben. Nach einer Station<br />
als Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am Deutschen Archäologischen Institut<br />
in Rom fand sie 2002 den Einstieg in<br />
den Museumsbetrieb bei der Museumslandschaft<br />
Hessen Kassel. Nach einem<br />
Volontariat und verschiedenen Stellen als<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie seit<br />
mehr als sieben Jahren Kuratorin am Museum<br />
August Kestner in Hannover.<br />
Frau Vogt, warum liegen<br />
Ihnen die Geisteswissenschaften<br />
am Herzen?<br />
Unsere Gesellschaft ist immer<br />
stärker an Kosten-/Nutzenrechnungen<br />
orientiert. Selbstverständlich<br />
gibt es Bereiche, in denen das<br />
nötig ist. Aber auf der anderen Seite geht<br />
auch vieles an intellektuellem Reichtum<br />
verloren, wenn wir alles durchökonomisieren.<br />
Das freie Denken, die Neugier und<br />
die Leidenschaft für eine Arbeit dürfen<br />
wir nicht verlieren. Das tut auf lange Sicht<br />
auch der Entwicklung einer Gesellschaft<br />
gut – in jeder Hinsicht. Die Geisteswissenschaften<br />
leisten hier einen wichtigen<br />
Beitrag, weil sie sich mit Gebieten befassen,<br />
die nicht schon von vornherein einen<br />
zweckgebundenen Ansatz verfolgen. Sich<br />
von der eigenen Begeisterung tragen zu<br />
lassen, kann oft der richtige Wegweiser<br />
sein. Der ‚Nutzen‘ zeigt sich dann manchmal<br />
erst in der Rückschau.<br />
Wie muss man sich Ihr jetziges Tätigkeitsfeld<br />
vorstellen?<br />
Ich bin Kuratorin des Bereiches ‚Münzen<br />
und Medaillen‘ im Museum August Kestner<br />
in Hannover. Unser Museum umfasst<br />
eine reiche, kulturgeschichtliche Sammlung<br />
vom 4. Jahrtausend v. Chr. bis in unsere<br />
heutige Zeit. Wir zeigen altägyptische<br />
Objekte, griechisch-römische Kunst sowie<br />
mittelalterliche Gegenstände bis hin zu<br />
modernem Design. Die Münzsammlung,<br />
die ich betreue, umfasst Prägungen aus<br />
dem antiken Griechenland, aus dem Römischen<br />
Reich und aus Deutschland vom<br />
Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Wir<br />
präsentieren also 2500 Jahre Geldgeschichte.<br />
Meine Tätigkeit ist dabei eine<br />
ganz klassische Kuratorenaufgabe: Sammeln,<br />
Bewahren, Forschen, Ausstellen,<br />
Vermitteln – so formuliert der Deutsche<br />
Museumsbund unsere Standards. Für unsere<br />
verschiedenen Ausstellungen bereite<br />
ich die Sammlung immer wieder so auf,<br />
dass die Besucher ihr Wissen bereichern<br />
und etwas mitnehmen aus ihrem Besuch<br />
bei uns – sei es nun durch die Art der Präsentation,<br />
durch erklärende Texte oder<br />
durch Führungen. Ich empfinde es als<br />
großes Glück, eine Arbeit zu haben, die<br />
mir Freude macht und die auch anderen<br />
Menschen etwas mitgibt.<br />
„Das freie<br />
Denken, die<br />
Neugier<br />
und die<br />
Leidenschaft<br />
für eine<br />
Arbeit dürfen<br />
wir nicht<br />
verlieren.“<br />
Haben Sie als Geisteswissenschaftlerin<br />
spezielle Fähigkeiten, die Ihnen<br />
dabei besonders von Nutzen sind?<br />
Mit Münzen und Medaillen habe ich mich<br />
während meines Studiums nur ganz am<br />
Rande befasst. Dennoch hat mich meine<br />
Universitätsausbildung sehr gut auf meinen<br />
Beruf vorbereitet. Als Geisteswissenschaftlerin<br />
kann ich mich schnell auf neue<br />
Bereiche einstellen, Texte und Themen<br />
schnell erfassen, strukturiert denken und<br />
arbeiten. Mein Studium hat mir hierfür<br />
eine ganze Bandbreite an ‚Werkzeug‘ an<br />
die Hand gegeben, auf das ich immer wieder<br />
zurückgreife. Das hat mich durch meine<br />
gesamte berufliche Laufbahn getragen<br />
und mir ein stabiles Selbstbewusstsein<br />
gegeben. Als Geisteswissenschaftlerin hat<br />
man vor Neuem keine Angst – man weiß,<br />
dass man mit fast allem wird umgehen<br />
können.<br />
Würden Sie aus heutiger Sich dasselbe<br />
noch einmal studieren? Gibt es etwas,<br />
das Sie anders machen würden?<br />
Tatsächlich würde ich mehr oder weniger<br />
alles genauso wiedermachen. Sicherlich<br />
habe ich einen langen Atem gebraucht,<br />
um schließlich in meinem Wunschberuf<br />
arbeiten zu können – aber es hat sich gelohnt.<br />
Hatten Sie zu Beginn Ihres Studiums<br />
ein klares berufliches Ziel vor Augen?<br />
Nein, mit 19 Jahren hatte ich das tatsächlich<br />
noch nicht. Archäologie hat mich<br />
zunächst einmal ganz grundsätzlich interessiert<br />
und fasziniert. Die Frage, was<br />
ich damit machen werde, habe ich mir<br />
so konkret zunächst gar nicht gestellt. Ich<br />
finde, Studierende sollten grundsätzlich<br />
die Zeit und die Möglichkeit bekommen,<br />
in verschiedene Schwerpunkte hineinzuschnuppern<br />
und auch durch Praktika<br />
und Jobs in andere Arbeitsfelder Einblick<br />
zu erhalten. Man muss sich ausprobieren<br />
während des Studiums. Dann fällt einem<br />
hinterher vieles leichter.<br />
Wann haben Sie sich für den Museumsbereich<br />
entschieden?<br />
Als Studentin war ich auf mehreren archäologischen<br />
Grabungen, das hat mir<br />
viel Spaß gemacht. Aber als berufliche<br />
Perspektive kam das für mich nicht in Frage<br />
– auch wegen der enormen Reisetätigkeit,<br />
die damit verbunden ist. Für mich<br />
selbst wurde schnell klar, dass ich mich<br />
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