Macher - WirtschaftsEcho
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D79227 3.Jahrgang /Nummer 3 MAGAZIN FÜR MACHER UND MÄRKTE IN SÜDHESSEN<br />
Juni/Juli 2010 3,50 Euro<br />
<strong>Macher</strong> &Märkte<br />
Flotte Flotten<br />
Der Fuhrpark ist für Firmen ein<br />
Thema mit vielen Facetten. Kosten,<br />
Ökologie, Image: Beispiele<br />
aus der Praxis. Seiten 4bis 8<br />
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Gemeinwohlorientiertes Wirken<br />
vonStiftungen ist vielen ein Buch<br />
mit sieben Siegeln. Dabei ist deren<br />
Zahl auf Rekordniveau. Seite 19<br />
Kraftstoffverbrauch kombiniertinl/100 km: 5,6 (innerorts 7,1/außerorts 4,8); CO 2-Emissionen: 148 g/km<br />
nach dem vorgeschriebenen EU-Messverfahren.<br />
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den Datendschungel. Seite 27<br />
Life &Style<br />
Ein Jahr Budersand<br />
Die Investition der Darmstädter<br />
Unternehmerfamilie Ebert in das<br />
Luxus-Golfhotel hat den Süden<br />
vonSylt verändert. Seite 39<br />
Miteinem<br />
Lachen<br />
zumErfolg<br />
Karl Elektronikbau – Rosemarie Karl ist<br />
Ausnahmsweise<br />
keinePhrase:<br />
Krisen sind Chancen.<br />
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Seite 10<br />
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ECHO Zeitungen GmbH /Holzhofallee 25–31 /64295 Darmstadt<br />
Telefon: Zentrale 06151387-1 / Redaktion: Fax387-307 /Abo-Service: Telefon 387-431,Fax 387-505 / Anzeigen: Telefon 387-387, Fax 387-448<br />
Internet: www.wirtschafts-echo.de /www.echo-online.de<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Editorial & Index 2<br />
Editorial<br />
Preu: Lieber Herr Riebartsch, haben Sie denn schon mit der<br />
Ihnen eigenen Akribie und dem Adlerauge des Durchblickers<br />
wasentdeckt?<br />
Riebartsch: Auf was soll ich denn überhaupt achten bei<br />
meinem Blick durchs Fernglas? Etwas mehr Präzision in der<br />
Fragestellung ist da schon nötig, bitteschön.<br />
Preu: Um das zarte Wachstumspflänzchen können wir uns<br />
später im Labor kümmern –mit dem Mikroskop. Das meine<br />
ich diesmal nicht. Es geht vorallem darum: Sehen Sie irgendwo<br />
Land?<br />
Impressum<br />
Verlag<br />
Echo Zeitungen GmbH<br />
Verleger und Geschäftsführer<br />
Dr. Hans-Peter Bach<br />
Chefredakteur und verantwortlich<br />
für den redaktionellen Teil<br />
JörgRiebartsch<br />
Redaktionsleitung<br />
Achim Preu<br />
Index<br />
FIRMEN<br />
� Altes Gewürzamt 36/37<br />
� Anonyme Insolvenzler 16<br />
� Autohaus Brass 4<br />
� Autohaus Wiest 6<br />
� AV Markt 30<br />
� Bankhaus Metzler 14/15<br />
� BMW-Niederlassung Darmstadt 5<br />
� D&B Deutschland 32<br />
� Didacta 12<br />
� Entega 29<br />
� FSV Mainz 05 29<br />
� G&G Eventmarketing 11<br />
� Hotel Budersand 39<br />
� Intelligent Views 27<br />
� Karl Elektronikbau 10<br />
� Krämer GmbH 34<br />
� Lexus-Forum Darmstadt 38<br />
� MaskeAutovermietung 5<br />
� Mercedes Niederlassung Darmstadt 6<br />
� Merck 7<br />
� Nirwana 22<br />
� Rhein-Main-Zentrum für Diagnostik 28<br />
� Richter +Frenzel 26<br />
Redaktion<br />
Johannes Breckner, Sabine Eisenmann,<br />
Ilka Ennen, Hans Dieter Erlenbach,<br />
Tino Friederich, Daniel-Patrick Görisch,<br />
Bruno Hidding, Dirk Janowitz,<br />
Sonja Jordans,Silke Jungbluth-Sepp,<br />
Ute Kernbach, Helen Knust, Julia Lumma,<br />
Birgit Reuther, Nina Voigt<br />
Umbruchredaktion/Layout<br />
Christian Meister<br />
Riebartsch: Land, welches Land? Ich seh nix.<br />
Preu: Irgend eines. Eben nur festen Boden, einen Orientierungspunkt.<br />
Denn die ausufernde Verschuldung allerorten<br />
ist beängstigend. Keiner weiß wirklich, was’ne Milliarde ist,<br />
aber alle reden drüber wie über Peanuts.<br />
Riebartsch: Es bleibt dabei: Ich sehe nix. Die Wellen sind<br />
noch zu hoch. Rettungsringe nicht zu orten, geschweige<br />
denn mehr.<br />
Preu: Dabei hat doch Roland Koch Wegweisendes von sich<br />
gegeben. Ich meine nicht den Sensations-Wechsel in die<br />
Wirtschaft. Ich meine sein Statement vor einiger Zeit in<br />
Darmstadt beim ECHO-Podium. Wenn das<br />
Geld nicht langt, so Hessens (noch) Oberster,<br />
müsse ein Privater den Gürtel eben<br />
enger schnallen, umdenken. Oder eine<br />
Bank überfallen. Der Staat habe es da<br />
einfacher.Der holt es sich einfach<br />
von den Bürgern.<br />
Riebartsch: Sie meinen also<br />
Steuererhöhungen, statt<br />
-senkungen? Mehr Ab-<br />
Ich sehe was,<br />
was dunicht siehst:<br />
Achim Preu (links) und<br />
Jörg Riebartsch auf der Suche<br />
nach finanzieller Solidität.<br />
FOTO: HANS DIETER ERLENBACH<br />
Fotografie<br />
Alexander Heimann<br />
Grafik<br />
Nicole Wunder<br />
Verlagsleitung<br />
Heike Findeis<br />
Verantwortlich<br />
für den Anzeigenteil<br />
Andreas Wohlfart<br />
� Robolution 24/25<br />
� Rosenparkklinik 9<br />
� Seat Deutschland 4<br />
� Skoda Auto Deutschland 4<br />
� Zimmer und Kreim 23<br />
NAMEN<br />
� Bandholz, Stephan 29<br />
� Baumer, Claudia 27<br />
� Brand, Matthias 26<br />
� Bungert, Niko 29<br />
� Carroccia, Orlando 35<br />
� Dölger,Gosbert 35<br />
� Dold, Thomas 32<br />
� Ebert, Claudia 39<br />
� Ebert, Simon 39<br />
� Edling, Lisa 35<br />
� Eisele, Karl 35<br />
� Elbert, Clemens 26<br />
� Emert, Wolfgang 23<br />
� Erdogan, Ernek 38<br />
� Ersü, Enis 35<br />
� Grossmann, Frank Friedrich 11<br />
gaben auf Gemeindeebene, sodass der Hundehaufen bald<br />
für den Halter zum wertvollen Anlagegut wird?<br />
Preu: Exakt. Anders kommen wir aus der Nummer nicht<br />
mehr raus. Denn die systemische Relevanz, die Banken,<br />
Staaten und andere für sich reklamieren, ist der perfekte<br />
Hebel, Verluste auf den kleinen Steuerzahler abwälzen zu<br />
können. Und Nullen produzieren eben gerne Nullen.<br />
Riebartsch: Aber FrauMerkel will doch die Banken nach all<br />
den Erfahrungen enger an die Kandare nehmen. Ordnung<br />
schaffen wie eine richtige Hausfrau. Den Commerzbank-Vorstand,<br />
mit 18 Milliarden Steuerknete gepampert, an seine<br />
gedeckelten Bezüge vonschlappen 500000 Europro Kopf und<br />
Jahr erinnern. Die denken ja schon wieder viel weiter. Unglaublich.<br />
Eigentlich nur für Porsche eine gute Nachricht.<br />
Projektleitung<br />
Dagmar Bensch, Heike Röver<br />
Vertrieb<br />
Peter Kemper<br />
Technische Leitung<br />
Dr. Michael Horn<br />
Ladungsfähige Anschrift<br />
für Verlag, Verleger und alle<br />
Preu: Ja, super Idee von der Merkel. Aber darf man<br />
Hoffnung auf was Wasserdichtes haben? Betreutes<br />
Betrügen könnte man das auch<br />
nennen, wasdarauskommt.<br />
Riebartsch: Währenddessen können die Unternehmen<br />
und Unternehmer schauen,<br />
was sich überhaupt noch unternehmen<br />
lässt, um nicht unterzugehen,<br />
oder doch Unterlassen<br />
nicht sinnvoller ist. Warum<br />
wirdnicht in Berlin<br />
ausnahmsweise<br />
mal über Ausgabensenkungennachgedacht?<br />
Preu: Wie<br />
wahr. Aber<br />
wer beraubt<br />
sich bei einer Halbierung<br />
des Bundestages<br />
denn schon gern des<br />
eigenen Jobs –zumal man<br />
nebenbei noch ganz normal<br />
und entspannt weiterarbeiten<br />
kann als Rechtsanwalt<br />
� Gutfried, Thiemo 11<br />
� Holland, Ingo 33/36<br />
� Holle, Harald 39<br />
� Jennert,Heike 28<br />
� Karl, Rosemarie 1/10<br />
� König, Wolfgang 21/24<br />
� Koslitz,Reinhard 12<br />
� Krämer,Ralf 34<br />
� Krammig, Sascha 6<br />
� Lau, Alexander 30<br />
� Löhr-Müller,Katja 8<br />
� Mahr,Michael 35<br />
� Martens, Hans-Erwin 6<br />
� Matthies, Florian 29<br />
� Metzler,Friedrich, von 14<br />
� Oehm, Stefan 28<br />
� Rau, Rolf 22<br />
� Reckmann, Bernd 35<br />
� Reichenberger,Klaus 27<br />
� Ruch, Martin 28<br />
� Sattler,Sonja 3/9<br />
� Uhland, Eberhard 35<br />
� Unruh, Attila, von 16<br />
� Ziethmann, Jörn 7<br />
im Impressum genannten<br />
Verantwortlichen<br />
ECHO Zeitungen GmbH<br />
<strong>WirtschaftsEcho</strong><br />
Holzhofallee 25–31, 64295 Darmstadt<br />
Druck<br />
Echo Druck und Service GmbH<br />
Holzhofallee 25–31, 64295 Darmstadt<br />
Telefon 06151 387-1<br />
oder was immer. Und nicht mal sagen muss, was man konkret<br />
einsackt. Dann doch lieber bei der Bildung sparen.<br />
Riebartsch: Genau. Zumal das unsereeinzige Ressource ist.<br />
Und das käme der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse<br />
entgegen, Chancengleichheit würde produziert. Denn die<br />
Casting-Shows und deren Erfolg belegen das dominierende<br />
IQ-Niveau auf Zimmertemperatur.Schlecht geheizte Räume<br />
meine ich. Und wie steht es um die Fusion von Bundesländern,<br />
oder das Ende für chinesische Entwicklungshilfe?<br />
Preu: Die Schlagloch-Schuster in Südhessen dürfte es freuen,<br />
wenn sie mehr Füllmasse bekämen. Aber auch den<br />
Stadtkämmerer von Darmstadt, Chef über viel finanzielles<br />
Nichts. Mit Taschenrechnern könnte man denen zu Weihnachten<br />
sicher viel Freude machen. Insgesamt aber ist das<br />
Beharrungsvermögen enorm. Motto: Nimm, wasgeht. Und:<br />
Nach mir die Sintflut. Dieses Geschäftsmodell boomt.<br />
Riebartsch: In der Tat. Zum Glück fragt niemand nach der<br />
Bonität von Kommunen wie Darmstadt.<br />
Preu: Ja ja, irgendwie haben wir doch alle Dreck am Stecken,<br />
also stehen irgendwo bei irgendwem in der Schuld. So<br />
schlimm wie mit Griechenland muss es ja hoffentlich nicht<br />
kommen.<br />
Riebartsch: Danke für das Stichwort. Raten Sie mal, was<br />
Griechenland und ich gemein haben?<br />
Preu: Oh nein.<br />
Riebartsch: Oh doch. Ich bin auch Kunde bei der KfW.<br />
Preu: Und wer bürgt für Sie?<br />
Riebartsch: Niemand. Aber ich habe ja auch die eins vorm<br />
Komma beim Zinssatz.<br />
Preu: Respekt. Das heißt, dass IhreBonität etwazehnmal so<br />
gut ist wie die vonGriechenland.<br />
Riebartsch: Volltreffer, Herr Preu. Waidmannsheil.<br />
Preu: Waidmannsdank.<br />
»Durchblicker«<br />
E-Mail<br />
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Nachdruck vorbehalten, Zitate nur mit Quellenangabe<br />
Wirtschaftsecho und Wirtschaftsjunioren Südhessen<br />
sind Kooperationspartner
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 3<br />
<strong>Macher</strong> & Märkte<br />
Seite 9<br />
Frau im Hintergrund<br />
Die Hautärztin und Schönheitsverkäuferin<br />
Sonja Sattler kümmert sich in der Rosenparkklinik um<br />
Finanzen, Personal und Organisation.<br />
»Trends lassen sich –wie Pferde –<br />
leichter in jene Richtung lenken,<br />
in die sie sich ohnehin bewegen«<br />
John Naisbitt, amerikanischer Prognostiker<br />
Seite 7<br />
Herr der Autos<br />
Jörn Ziethmann ist beim<br />
Dax-Konzern Merck als Car-<br />
Fleet-Manager Herr über 630<br />
Fahrzeuge: Deutsch, Dunkel,<br />
Diesel lautet die Losung.<br />
Seite 8<br />
Miss Fuhrpark<br />
Deutschlandweit als Institution<br />
bei allen Themen ums<br />
Fuhrparkrecht gilt die promovierte<br />
Rüsselsheimer Anwältin<br />
Katja Löhr-Müller.<br />
Seite 11<br />
Immer schön locker<br />
Die G&G Eventmarketing<br />
GmbH bringt Rock 'n' Roll<br />
und seriöses Business,also<br />
Lederjacke und Anzug, erfolgreich<br />
unter einen Hut.<br />
Seite 12<br />
Bildung über alles<br />
Der Didacta-Verband, 90<br />
Jahre alt, hat seinen Sitz in<br />
Darmstadt und versucht den<br />
Spagat zwischen guter Bildung<br />
und guten Geschäften.<br />
Hohe Aufnahmefähigkeit für bessere Bildung.<br />
Möglichst viel Wissen aufzusaugen, ist eine Lebensaufgabe. Doch damit Bildung in allen Lebensphasen und auf<br />
allen Wissensstufen gelingen kann, braucht es qualitativ hochwertige Lehr- und Lernmittel und eine bedarfsgerechte<br />
Einrichtung und Ausstattung aller Lernorte –national wie international. Genau dafür machen wir uns stark.<br />
Seit 90 Jahren vertreten wir die Interessen der deutschen Bildungswirtschaft. Zuunseren Mitgliedern zählen mehr als 215<br />
Unternehmen und Organisationen. Sie sind es, die mit ihren Angeboten das gesamte Spektrum des lebenslangen Lernens<br />
abdecken und weltweit Qualitätsstandards in verschiedenen Branchen setzen. Durch unsere Verbandsarbeit erhält die<br />
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Sonja Sattler FOTO: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 4<br />
FOTO: AP<br />
Die Fuhrparks werden<br />
umweltfreundlicher<br />
Während das Privatkundengeschäft<br />
durch die staatliche Abwrackprämie Rückenwind<br />
bekam, hatte das Geschäftmit<br />
der gewerblichen Kundschaft 2009<br />
Zündaussetzer. Nun aber geht es wieder<br />
deutlich voran. Nach Erhebungen von<br />
Dataforce, Marktforschungs- und Beratungsunternehmen<br />
für den deutschen<br />
Flottenmarkt, wurden in den ersten vier<br />
Monaten 4,2 Prozent mehr Fahrzeugezugelassen<br />
als im Vorjahreszeitraum. Sieben<br />
Prozent der Befragten wollen nicht<br />
nur Ersatzinvestitionen vornehmen, sondern<br />
die Flotte erweitern. Das soll mit<br />
umfangreichen Servicepaketen auch für<br />
Kunden mit nur wenigen Fahrzeugen gelingen.<br />
VW, Audi, Ford oder BMW haben<br />
hier spezielle Lösungen geschnürt.<br />
Wenigerist manchmal mehr<br />
Stimmen von Anbietern – Kleinere Motoren, niedrigerer Verbrauch –Der Trend geht zum Downsizing<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Geräumige Kombi-Fahrzeuge<br />
mit sparsamen Dieselmotoren<br />
sind bei Firmenflotten<br />
gefragt. In diesem Sektor<br />
können Marken wie Skoda<br />
durchaus mithalten. Die VW-<br />
Tochter hat sich im gewerblichen<br />
Geschäft auf kleinere Flotten bis<br />
zu zehn Fahrzeuge spezialisiert<br />
und den Skoda Octavia Combi gut<br />
etabliert, sagt Christoph Ludewig<br />
von der Unternehmenskommunikation<br />
der Skoda Auto Deutschland<br />
mit Sitz in Weiterstadt.<br />
„Auch für den Superb Combi, in<br />
dessen Segment Skoda erstmalig<br />
ein Fahrzeug anbietet, verzeich-<br />
Schwerpunktthema –Hohe Spritkosten sorgenfür neue Politik –<br />
Leasing die bevorzugte Finanzierungsform –Servicepakete gefragt<br />
nen wir ausgezeichnete Auftragseingänge“,<br />
sagt Ludewig weiter.<br />
Für Skoda scheint das gewerbliche<br />
Geschäft im Jahr 2010 sehr gut<br />
angelaufen. Der Autobauer belegt<br />
dies mit Zahlen: „Im ersten Quartal<br />
dieses Jahres konnten wir den<br />
Marktanteil im Großkundengeschäft<br />
von3,1 Prozent auf 4,7 Prozent<br />
steigern. 2009 erzielten wir<br />
40 000 der 190 000 Zulassungen<br />
in diesem Geschäftsbereich. Der<br />
Anteil der Privatkunden im vergangenen<br />
Jahr wardurch den Anreiz<br />
der Abwrackprämie besonders<br />
hoch.“<br />
Auch die VW-Tochter Seat<br />
zählt zu Gewinnern im Flottengeschäft.<br />
Mit einer Steigerung von<br />
Auf diesem, von heimischen Herstellern<br />
dominierten Markt (Importeursanteil<br />
rund 20 Prozent), sind aber auch<br />
weitereTrends erkennbar.Und das nicht<br />
nur, umKosten zu sparen. Bei einem<br />
Fuhrpark von 50Autos und einer jährlichen<br />
Fahrleistung von je40000 Kilometern<br />
können allein 20 000 Euro dadurch<br />
gespart werden, wenn es gelingt<br />
die Kosten je Kilometer um einen Cent<br />
zu senken.<br />
Über den Verbrauch geht das rasch,<br />
was zugleich natürlich den CO 2-Ausstoß<br />
senkt, der auf diesem Markt nur noch159<br />
Gramm je Kilometer betragen soll. Elektromobilität<br />
spielt bei alldem nochkeine<br />
Rolle. Aber jeder fünfte deutsche Flottenentscheider<br />
will zumindest bis 2013 sol-<br />
160 Prozent bei Flottenkunden<br />
gehört Seat zur am stärksten<br />
wachsenden Marke in Deutschland.<br />
Das Ziel: „Mittelfristig etwa<br />
20 Prozent des Gesamtvolumens<br />
in diesem Sektor abzudecken“,<br />
beschreibt Volker Werner (43),<br />
Leiter der Sparte Großkunden bei<br />
Seat Deutschland in Mörfelden-<br />
Walldorf. Erfolge bescheren vor<br />
allem Fahrzeuge der Mittelklasse<br />
wie der Kombi Exeo ST. Auch der<br />
Alhambraist seit vielen Jahren im<br />
gewerblichen Sektor beliebt. „Der<br />
Trend geht eindeutig zum Downsizing“,<br />
sagt Werner. Die Einstellung<br />
zum Thema Image habe sich<br />
klar gewandelt. „Es muss nicht<br />
immer ein Premium-Produkt sein,<br />
cheStromer nutzen. Bei dann geringeren<br />
Anschaffungskosten und größerer Batterie-Reichweite,<br />
versteht sich.<br />
Zunächst aber bestehen trotz der erhältlichen<br />
Hybrid- oder Gasantriebe die<br />
„grüner“ gewordenen Flotten aus Fahrzeugen<br />
mit optimierten Motoren, Karosserien<br />
und Reifen. Die laufen beispielsweise<br />
unter den Öko-Labels Bluemotion<br />
(VW), Efficent Dynamics (BMW), Blue Efficiency<br />
(Mercedes) oder Ecoflex (Opel).<br />
Diese Fahrzeugefinden sichbereits in 22<br />
Prozent aller Fuhrparks, wie die aktuelle<br />
Studie „CVO-Barometer 2010 –Trends im<br />
Fuhrparkmanagement“ zeigt, hinter der<br />
Arval als ein führendes Leasingunternehmen<br />
unter dem Dachder Bank BNP Paribas<br />
steht.<br />
wenn man für weniger Geld ein<br />
vergleichbares Produkt bekommt.“<br />
Auch auf die Frage der<br />
Umweltverträglichkeit hat sich<br />
die VW-Tochter eingestellt und<br />
bietet zum Beispiel Common-<br />
Rail-Dieselmotoren mit Start-<br />
Stopp-Automatik an. Der neue<br />
Seat Ibiza ST Ecomotive 1.2 TDI<br />
sei ein vollwertiger flottentauglicher<br />
Kombi, der auf 100Kilometer<br />
nur 3,6 Liter Diesel verbrauche.<br />
In Sachen Umweltschutz kann<br />
auch Skoda punkten: „Es wirdbesondersauf<br />
die Wirtschaftlichkeit<br />
und umweltschonende Antriebstechnik<br />
geachtet. Vor allem der<br />
CO 2-Ausstoß steht dabei im Mittelpunkt.<br />
Hier ist Skoda durch mo-<br />
derne Motorentechnik besonders<br />
gut aufgestellt. Der Verbrauch unserer<br />
Greenline-Modelle beginnt<br />
bei 3,4 Litern auf 100Kilometer,“<br />
so Ludewig.<br />
„Leasing von SUVs<br />
geht gegen Null“<br />
Wie esdort weiter heißt, hat sich Leasing<br />
hierzulande zuletzt als beliebteste<br />
Finanzierungsmethode erwiesen vordem<br />
Kauf (44 zu 43 Prozent). Die Anschaffung<br />
über einen Autokredit bleibe mit 13<br />
Prozent konstant niedrig. Bei der Anschaffung<br />
der Fahrzeugeräumt die Mehrheit<br />
der Unternehmen den Beschäftigten<br />
übrigens kein Mitspracherecht ein. Ein<br />
Drittel darfsichinnerhalb eines vorgegebenen<br />
finanziellen Rahmens frei entscheiden.<br />
Aufden folgenden vier Seiten kommen<br />
Fachleute aus der Praxis zu Wort –von<br />
der Angebots- sowie von der Nachfrageseite.<br />
Ergänzt wird das Ganze um einen<br />
juristischen Gastbeitrag für Flottenmanager.<br />
apd<br />
Großvolumige Fahrzeuge mit hohem<br />
Verbrauch sind out, sagt<br />
Wolfgang Ley(43), Verkaufsleiter<br />
beim Autohaus Brass in Darmstadt.<br />
„Leasing von SUVs gehen<br />
gegen Null“. Ein Firmenchef, der<br />
mit einem bulligen Auto vorfahre,<br />
sei nicht unbedingt ein Vorbild.<br />
„Das Image von sparsameren<br />
Kombi-Fahrzeugen ist allemal<br />
besser“, so die Erfahrung des Verkaufsleiters.<br />
Der Anteil an Kombi-<br />
Fahrzeugen, die Brass an Großkunden<br />
abgebe, betrage rund 95<br />
Prozent. Ausnahmen gebe es: Mit<br />
dem Opel Insignia hätten die Rüsselsheimer<br />
Autobauer zum Beispiel<br />
ein konkurrenzfähiges Fahrzeug<br />
in der oberen Mittelklasse<br />
auf den Markt gebracht. „Vor allem<br />
die Diesel-Limousine mit 160<br />
PS läuft gut.“ Das neue Flaggschiff<br />
von Opel lasse sich zudem sehr<br />
gut mit ökologischen Ansprüchen<br />
vereinbaren. Unterbodenverkleidung,<br />
Optimierung der Getriebeabstimmung<br />
und Leichtlaufreifen<br />
reduzierten bei den „Ecoflex-Modellen“<br />
von Opel den Schadstoff-
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 5<br />
Betriebskosten<br />
Marke/Modell/Version<br />
ausstoß.Damit könne der Insignia<br />
mit beliebten Flottenfahrzeugen<br />
vonBMW in dieser Fahrzeugklasse<br />
mithalten, sagt Ley. Rund 50<br />
Prozent aller Fahrzeuge,die Brass<br />
für Firmenflotten bereitstellt, sind<br />
von Opel. Kleingewerbe bevorzuge<br />
kleinereModelle wie Corsa, beliebt<br />
bei Pflegediensten sei der<br />
Smart, den Mehrmarken-Händler<br />
Brass ebenfalls im Portfolio hat.<br />
Im Sektor der Nutzfahrzeuge sind<br />
neben dem Opel Vivaro auch<br />
Fahrzeuge wie der Peugeot Boxer<br />
beliebt.<br />
Doch mit dem Angebot allein<br />
sei es heute längst nicht mehr getan.<br />
Fast ebenso viel Wert wie auf<br />
geeignete Fahrzeuge legten Kun-<br />
Betriebskosten in Euro/km bei einer Haltedauer von 36 Monaten und einer Jahreslaufleistung von 40.000 km<br />
Neupreis<br />
in Euro<br />
Wertverlust<br />
in Euro<br />
Kraftstoff-<br />
Verbrauch<br />
in Euro<br />
Wartung/<br />
Inst.-halt./<br />
Reparatur<br />
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Renault Twingo RIP Curl 1.2 LEV 16V 75 (3-Türer) 12.190 9.777 8.874 2.980 0,21<br />
Kleinwagen<br />
Skoda Fabia 1,2 (5-Türer) 10.580 7.512 9.918 2.623 0,20<br />
Opel Corsa 1.2 Twinport EcoFlex Selection (3-Türer) 11.300 7.910 9.222 2.849 0,21<br />
VW Polo 1.2 Trendline (44 kW/5-Türer) 13.015 9.241 9.570 2.535 0,22<br />
Ford Fiesta 1.25 Trend (60 kW/5-Türer) 13.800 9.522 9.744 2.801 0,23<br />
Peugeot 207 1.4 16V Filou 95 VTI (3-Türer) 13.100 9.301 10.266 2.805 0,23<br />
Renault Clio Expression 1.2 16V 75 Eco2 (3-Türer) 11.900 8.687 10.266 3.443 0,23<br />
Seat Ibiza 1.4 16V Reference (5-Türer) 13.750 9.625 10.440 3.284 0,24<br />
Kompaktklasse<br />
Opel Astra 1.4 EcoFlex Selection (64 kW/5-Türer) 15.900 10.176 9.570 2.782 0,24<br />
VW Golf 1.4 Trendline (5-Türer) 17.600 11.792 11.136 2.904 0,27<br />
Skoda Octavia Combi 1.6 Tour (5-Türer) 15.490 10.998 12.702 3.090 0,28<br />
VW Golf Plus 1.4 Trendline (5-Türer) 18.325 12.095 10.092 3.246 0,30<br />
BMW 118i (5-Türer) 24.700 17.043 10.614 3.337 0,33<br />
Mittelklasse<br />
VW Passat Variant 2.0 TDI DPF Trendline (5-Türer) 29.325 19.061 8.550 3.074 0,33<br />
Opel Insignia Sports Tourer 2.0 CDTI EcoFlex Selection (5-Türer) 28.690 18.075 7.950 3.196 0,33<br />
Ford Mondeo Turnier 2.0 TDCI DPF Trend (103 kW/5-Türer) 29.800 19.668 7.950 3.881 0,34<br />
Audi A4 2.0 Avant TDI (DPF) Attraction (5-Türer) 33.050 20.491 7.800 3.592 0,35<br />
Mercedes C 180 BlueEfficiency Autom. (4-Türer) 34.445 23.074 6.750 4.480 0,35<br />
Audi A5 3.0 TDI (DPF) Tiptronic quattro (2-Türer) 49.050 30.411 10.350 4.101 0,50<br />
Obere Mittelklasse<br />
Mercedes E 220 CDI BlueEfficiency Autom. (4-Türer) 44.328 26.126 8.700 5.108 0,44<br />
BMW 520d Touring Autom. (5-Türer) 44.800 29.467 7.950 4.891 0,47<br />
Audi A4 allroad quattro 3.0 TDI (DPF) (5-Türer) 45.900 30.753 10.800 4.014 0,50<br />
Chrysler 300C 3.0 CRD Auto (4-Türer) 40.890 28.623 11.550 6.346 0,50<br />
Audi A6 3.0 Avant TDI (DPF) Tiptronic quattro (5-Türer) 51.400 34.952 10.650 4.288 0,54<br />
Luxusklasse<br />
BMW 730d (4-Türer) 73.300 45.446 10.200 5.600 0,69<br />
Mercedes S 350 CDI BlueEfficiency (4-Türer) 73.721 42.758 11.400 9.618 0,72<br />
Audi A8 4.2 TDI Tiptronic quattro (4-Türer) 90.800 61.744 11.400 9.580 0,90<br />
Vans<br />
Nissan Qashqai 1.6 Visia 19.490 13.448 11.484 3.736 0,30<br />
Ford C-Max 1.6 Style+ 21.025 14.928 12.006 3.103 0,31<br />
Opel Zafira 1.8 Selection 22.095 14.804 12.876 2.964 0,32<br />
Mercedes B 180 1.7 BlueEfficiency 25.823 17.301 11.136 4.004 0,34<br />
SUV<br />
VW Tiguan 2.0 TDI 4Motion Trend & Fun 29.600 17.168 9.600 3.021 0,33<br />
Ford Kuga 2.0 TDCI 4WD Trend (103 kW) 29.000 17.690 9.000 3.886 0,36<br />
BMW X3 2.0 xDrive 38.600 22.774 9.750 3.843 0,42<br />
BMW X5 3.0 xDrive 54.200 30.894 11.100 5.836 0,55<br />
Mercedes ML 300 CDI 4Matic BlueEfficiency 53.074 32.375 12.600 7.096 0,59<br />
Quellen: Jato Dynamics, Bähr & Fess Forecasts, AuDaCon / Tabelle: ukb<br />
den auf den Service,sagt Ley. „Beratung<br />
wird immer wichtiger.<br />
Kunden erwarten beim Leasing<br />
heute einen Full-Service.“<br />
Gelassen blickt Matthias Magdon<br />
(36), Verkaufsleiter der<br />
BMW-Niederlassung in Darmstadt,<br />
auf das Leasing-Geschäft.<br />
„Von Krise ist keine Spur“, sagt er<br />
zufrieden. BMW könne sich auf<br />
die Markentreue seiner Kunden<br />
verlassen. Alternativen zur sportlichen<br />
Marke mit hohem Fahrkomfort<br />
gebe es nicht. Mit innovativer<br />
Technik habe man schon<br />
überzeugen können, bevor Themen<br />
wie Schadstoffausstoß aktuell<br />
wurden. „Mit unserer Start-<br />
Stopp-Automatik haben wir seit<br />
Jahren die Nase vorn. Da hat uns<br />
das CO 2-Thema super in den Kram<br />
gepasst.“ Auch Bremsenergie-<br />
Rückgewinnung bei zahlreichen<br />
Modellen und weitere umweltfreundliche<br />
Maßnahmen unter<br />
dem Motto „Efficient Dynamics“<br />
seien längst bei den Kunden etabliert<br />
und gefragt. Diesel-Fahrzeuge<br />
haben im Flottengeschäft auch<br />
bei BMW die Nase vorn. Anders<br />
als bei anderen Marken punktet<br />
hier jedoch die Limousine der<br />
Dreier-Serie, sagt Magdorn. Der<br />
Trend gehe zu kleineren Motoren.<br />
„Wir bedienen mehr Nischen als<br />
früher“, sagt Magdorn weiter. Als<br />
Beispiel nennt er den Vollhybriden<br />
X6 activ hybrid. Die Nachfra-<br />
ge sei zwar noch nicht allzu groß.<br />
„Aber mit diesem Fahrzeug sind<br />
wir in der Lage,auch diesen Markt<br />
zu bedienen.“<br />
Maskesetzt auf<br />
besondereAngebote<br />
„Autos liefern kann jeder. Mit Nischenfahrzeugen<br />
und besonderen<br />
Angeboten kann man heute in der<br />
Autovermietung punkten“, sagt<br />
Kai Marnet (41), Verkaufsleiter<br />
Region Mitte beim Unternehmen<br />
MaskeAutovermietung in Darmstadt.<br />
Das Unternehmen bietet<br />
Firmenflotten mit Fahrzeugen unterschiedlicher<br />
Marken an. Seit<br />
der Wirtschaftskrise drehen die<br />
Kunden an der Kostenschraube,<br />
wollen mehr Service, ist Marnets<br />
Erfahrung. Hol- und Bringservice<br />
bundesweit, punktgenaues Tauschen<br />
der Leasingfahrzeuge,Sonderwünsche<br />
bei der Ausstattung –<br />
auch Fahrzeuge mit Bluetooth für<br />
iPhones seien für Kunden von<br />
Leasingfahrzeugen heute schon<br />
fast selbstverständlich. Gleichzeitig<br />
sei bei der Motorisierung eine<br />
neue Bescheidenheit in. „Geschäftsführer<br />
fahren heute aus<br />
Überzeugung sparsame Autos,<br />
das ist auch gut so“, sagt Marnet.<br />
SUVs wie Touareg oder Q7 und X5<br />
fänden allenfalls auf dem privaten<br />
Sektor Abnehmer. Die Markentreue<br />
habe insgesamt nachgelas-<br />
sen. „Es gibt Alternativen.“ Mit<br />
dem Seat Exeo und dem Opel Insignia<br />
seien in der mittleren Oberklasse<br />
tolle Fahrzeuge auf dem<br />
Markt. Gefragt sei auch der VW<br />
Caddy, der als Neunsitzer oft als<br />
Baustellenfahrzeug eingesetzt<br />
werde. „In dieser Branche darf<br />
man nicht stehenbleiben“, sagt<br />
Marnet. Er berät Fuhrparkleiter in<br />
Sachen Ladungssicherung und<br />
Führerscheinkontrolle der Kollegen.<br />
Die „Geiz-ist-geil-Mentalität“<br />
führeoft zu schiefen Angeboten<br />
auf dem Markt. „Eine Full-Service-Rate<br />
ist nicht gleich eine Full-<br />
Service-Rate. Man sollte die Module<br />
des Angebots immer hinterfragen,<br />
erst dann gibt es ein Bild.“<br />
Folgekostenkönnen schnell<br />
zumEuro-Fresserwerden<br />
Betriebskosten – Da gibt es deutliche Unterschiede pro Kilometer, was übers Jahr einige tausend Eurobedeutet<br />
VON UTE KERNBACH<br />
Gerade für den Fuhrparkverantwortlichen<br />
sind die<br />
Betriebskosten ein wichtiges<br />
Kriterium, um sich für die Anschaffung<br />
bestimmter Modellreihen<br />
zu entscheiden. Selbstverständlich<br />
wird sich der Firmenberechtigte<br />
nicht für den Volkswagen<br />
Fox umstimmen lassen, wenn er<br />
für die automobile Oberklasse berechtigt<br />
ist. Dann kann der Blick in<br />
die Betriebskostentabelle aber<br />
durchaus dazu führen, dass anstatt<br />
eines Audi A6 quattroein Fünfer-BMW<br />
angeschafft wird. Selbstverständlich<br />
müssen die Ausstat-<br />
tung des Fahrzeuges, seine Farbe<br />
und einige andere Kriterien ebenfalls<br />
in die Überlegungen bei einer<br />
Neuanschaffung einbezogen werden.<br />
Die Betriebskosten darf man<br />
allerdings nie außer Acht lassen.<br />
Sonst ist die Gefahr sehr groß,dass<br />
aus einer vermeintlich günstigen<br />
Anschaffung ein Euro-Fresser<br />
werden kann.<br />
Zeiten haben<br />
sich geändert<br />
„Es gab Zeiten, da hat<br />
der Flottenmanager<br />
blind auf einen oder<br />
zwei Markennamen<br />
vertraut und die Autos ohne weiteres<br />
bestellt, davon ausgehend,<br />
dass er keine hohen Verluste mit<br />
Firmenwagen dieser Marke machen<br />
könnte. Geachtet wurde<br />
höchstens auf Dieselmotorisierung<br />
und die Leasingrate.Das war<br />
aber gestern“, sagt der Geschäftsführer<br />
von Jato Dynamics<br />
Deutschland Nick Margetts. Jato<br />
Dynamics bietet weltweit Automobildaten<br />
mit genauen, umfassenden<br />
und aktuellen Spezifikations-<br />
und Preisdaten an. An diesem<br />
Punkt arbeiten die Jato-Analysten,<br />
um jede Ecke der fälligen<br />
Gesamtkosten darzustellen, von<br />
Versicherung bis Wertverlust bei<br />
Sonderausstattungen, von Ölkapazitäten<br />
und Inspektionsintervallen<br />
bis hin zu Zins- und Verwaltungskosten.<br />
Und die Gesamtkosten<br />
in Cent proKilometer nehmen<br />
heutzutage auch die guten<br />
Flottenmanager unter die Lupe,<br />
bevor sie auf „Verbindlich bestellen“<br />
klicken.<br />
„Es geht nicht mehr nur um<br />
Verbrauchs- und CO 2-Werte. Obwohl<br />
die sogenannte grüne Bewegung<br />
bei Fuhrparkmanagern aus<br />
unternehmenspolitischen Gründen<br />
Fußgefasst hat, werden Fahrzeuge<br />
immer häufiger vorder Anschaffung<br />
auf eine umfassendere<br />
Kostenprobe gestellt, um die versteckten<br />
Geldvernichter auszufiltern,<br />
bevor sie in den Firmenbestand<br />
kommen können“, so Nick<br />
Margetts weiter.<br />
Die Besten aus jeder<br />
Fahrzeugklasse<br />
Anhand von Volumenfahrzeugen<br />
verschiedener Fahrzeugklassen<br />
(siehe Tabelle) haben die Experten<br />
vonAuDaCon, Jato Dynamics<br />
und Bähr &Fess Forecasts die Betriebskosten<br />
pro Kilometer bei einer<br />
Haltedauer von 36Monaten<br />
errechnet. Viele Komponenten<br />
wie Anschaffungspreis, Wertverlust,<br />
Verbrauch, Versicherung,<br />
Steuern und anderes spielen hier<br />
eine Rolle.<br />
Schaut man sich in den einzelnen<br />
Fahrzeugklassen mal genauer<br />
um, so kann mit der richtigen<br />
Wahl doch der ein oder andere<br />
Cent pro Kilometer gespart werden.<br />
Bei der Auswahl der Modelle<br />
wurden die volumenstärksten<br />
Autos des jeweiligen Segments<br />
und davon die am häufigsten zugelassenen<br />
Motorversionen ausgewählt.<br />
Bei den Minicars reichen die<br />
Betriebskosten von jeweils 18<br />
Cent proKilometer für den Toyota<br />
Aygo und Citroën C1 bis 21 Cent<br />
für die Besitzer des Renault Twingo.<br />
Bei den Kleinwagen öffnet sich<br />
die Kostenschere bereits um vier<br />
Cent pro Kilometer: Die geringsten<br />
Kosten mit 20 Cent – also<br />
schon einem Cent weniger als<br />
beim Kleinwagen Twingo –werden<br />
für den Skoda Fabia aufgerufen<br />
und 24 Cent lautet das Ergebnis<br />
für den Seat Ibiza. In der Kompaktklasse<br />
ermittelten die Experten<br />
24 Cent Betriebskosten für den<br />
Rüsselsheimer Ecoflex Astra, der<br />
Pilot des Wolfsburger Konkurrenten<br />
Golf muss dagegen 27 Cent<br />
pro Kilometer hinblättern. Legt<br />
der Fahrer Wert auf einen Premium-Kompaktwagen<br />
wie den fünftürigen<br />
BMW 118i lauten die Folgekosten<br />
33 Cent pro Kilometer.<br />
Das bedeutet in der Kompaktklasse<br />
einen Unterschied vonelf Cent<br />
proKilometer zwischen dem Rüsselsheimer<br />
und dem Münchner.In<br />
der Mittelklasse liegen mit einem<br />
Folgekostenunterschied von 17<br />
Cent für den VW Passat Variant<br />
beziehungsweise dem Opel Insignia<br />
Sports Tourer mit je 33 Cent<br />
und dem Audi Coupe A5 3.0 TDI<br />
Tip-tronic quattro (50 Cent) fast<br />
ARCHIVFOTO: AP<br />
Welten oder auf ein Jahr hochgerechnet<br />
6800 Euro.<br />
Ab der oberen Mittelklasse<br />
schießen die Betriebskosten in die<br />
Höhe. Unter 40 Cent pro Kilometer<br />
läuft nichts mehr. Mit Folgekosten<br />
von44Cent hat die E-Klasse<br />
Limousine E220 CDI Blue Efficiency<br />
von Mercedes in Sachen<br />
Betriebskosten die Nase vorn.<br />
Drei Cent mehr proKilometer kostet<br />
der BMW 520d Touring und für<br />
einen Audi A6 3.0 Avant TDI mit<br />
Tiptronic und Allrad werden sogar<br />
54 Cent nötig. Sofern man in<br />
der Luxusklasse mitfahren will,<br />
muss man mit 69 Cent proKilometer<br />
für einen 730d vonBMW rechnen.<br />
In Sachen Betriebskosten dominiert<br />
hier der Ingolstädter A8<br />
vonAudi mit 90 Cent Betriebskosten<br />
proKilometer.<br />
Bei den Vans dagegen geht es<br />
noch recht beschaulich zu. 30<br />
Cent betragen die Folgekosten für<br />
einen Nissan Qashqai und dann<br />
geht es in Cent-Schritten mit dem<br />
Ford C-Max (31Cent), Opel Zafira<br />
(32 Cent) und Mercedes B180 (34<br />
Cent) weiter.Bei den SUVs sind in<br />
Sachen Folgekosten der VW Tiguan<br />
und Ford Kuga auf der Gewinnerseite.<br />
Die Betriebskosten des<br />
Wolfsburger liegen mit 33 Cent<br />
um drei Cent niedriger als beim<br />
Zweitplazierten Kuga (36 Cent).<br />
Bei den größeren Geländegängern<br />
wird esteurer: So müssen beim<br />
BMW X5 55 Cent einkalkuliert<br />
werden und beim Mercedes ML<br />
300sogar 59 Cent.<br />
Gibt es durchgehende Gewinner<br />
unter den Marken? „Nur bedingt<br />
–erst bei näherer Betrachtung<br />
der Zahlen weiß man, ob ein<br />
heimisches oder importiertes Auto<br />
wirklich den besten Wert unter<br />
dem Strich haben wird“, sagt Jato-Deutschland-Chef<br />
Nick Margetts.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 6<br />
Rabattesind nurdie halbeWahrheit<br />
Mercedes-Niederlassung – Total Cost of Ownership<br />
die entscheidende Größe –60Prozent gewerbliches Geschäft<br />
Hans-Erwin Martens (57), Pkw-<br />
Verkaufsleiter bei der Mercedes-<br />
Niederlassung in Darmstadt<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Herr<br />
Martens, welchen Stellenwert<br />
nimmt das gewerbliche Geschäft<br />
derzeit ein?<br />
HANS-ERWIN MARTENS: Etwa<br />
60 Prozent beträgt der Anteil an<br />
gewerblichem Leasing in unserer<br />
Niederlassung in Darmstadt. Das<br />
entspricht etwa dem bundesweiten<br />
Trend bei Mercedes. Imvergangenen<br />
Jahr gab es eine Zurückhaltung<br />
der Kunden. Viele<br />
Leasingverträge wurden verlängert.<br />
Doch die Großkunden lösen<br />
den Stau auf.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Kombi<br />
oder Limousine, Diesel oder Benziner<br />
–was wirdvon den Kunden<br />
am häufigsten angefragt?<br />
MARTENS: Wer viel fährt, entscheidet<br />
sich aus Kostengründen<br />
nach wie vor für einen Diesel.<br />
Dauerbrenner ist bei uns zum einen<br />
das C-Klasse T-Modell als Diesel-Kombi.<br />
Es wird durch alle<br />
Branchen hinweg gerne genommen.<br />
Ein weiterer Favorit unter<br />
den Außendienstfahrzeugen ist<br />
der C220 CDI, eine geräumige Limousine.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Was<br />
macht den Kombi so attraktiv?<br />
Flottenmarkt<br />
festindeutscher Hand<br />
Marktüberblick – VW auf vordereRänge abonniert, aber Mercedes-Image unangefochten gut<br />
VON UTE KERNBACH<br />
Der Flottenmarkt gewinnt<br />
seit Jahren zunehmend an<br />
Bedeutung für die Autohersteller.<br />
„Die gewerblichen Zulassungen<br />
spielen eine enorme<br />
Rolle für die Wirtschaft und für die<br />
Fahrzeughersteller, ihr Anteil betrug<br />
im ersten Quartal 2010 wieder<br />
über 50 Prozent aller neuen Pkw in<br />
Deutschland, mit steigender Tendenz.<br />
Schon in der Designphase<br />
werden die kritischen Wünsche<br />
der Flottenmanager berücksichtigt.<br />
Günstige Betriebskosten, typische<br />
Vielfahrerausstattungen und<br />
leistungsfähige Dieselaggregate<br />
sind nur wenige der wichtigen Forderungen,<br />
damit Großkunden der<br />
Marke weiterhin treu bleiben“, so<br />
Jato-Deutschland-Chef Nick Margetts.Nicht<br />
nur großzügige Rabattierungen<br />
sind es, mit denen die<br />
Hans-Erwin Martens<br />
ARCHIVFOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
MARTENS: Das Platzangebot<br />
und der Lifestyle-Aspekt. Viele<br />
Kunden nutzen den Wagen nicht<br />
nur als Arbeitsplatz, sondern<br />
auch privat für die Familie.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ist das<br />
Leasing-Geschäft schwieriger geworden?<br />
MARTENS: Es war schon immer<br />
schwierig. Wir müssen auf jeden<br />
Fall viel Überzeugungsarbeit leisten.<br />
WIRTSCHAFTECHO: Inwiefern?<br />
MARTENS: Es werden viele Rabattschlachten<br />
geführt und oft orientieren<br />
sich Kunden an dem Listenpreis<br />
eines Fahrzeugs.Aber eine<br />
Beurteilung nach Listenpreis<br />
wird völlig schief und Rabatte<br />
sind nur die halbe Wahrheit. Relevant<br />
sind die „Total Costs of Ownership“,<br />
also die Kosten, die insgesamt<br />
anfallen und unter anderemauch<br />
den Restwert eines Fahrzeugsberücksichtigen.<br />
Und<br />
da können wir<br />
ganz klar<br />
punkten.<br />
WIRT-<br />
SCHAFTS-<br />
ECHO: Sind<br />
ökologische<br />
Aspekte Themen<br />
bei Leasingfahrzeugen?<br />
MARTENS:<br />
Auf jeden Fall.<br />
Schon allein<br />
deshalb, weil<br />
Großkunden<br />
mit ihrer FahrzeugflottegesetzlicheVorgabeneinhalten<br />
müssen,<br />
wasden CO 2-<br />
Ausstoß betrifft.<br />
Mit unserenBlue-Efficiency-Modellen<br />
bieten wir<br />
zahlreiche Maßnahmenpakete<br />
an, die zum Beispiel durch Getriebeabstufung,Gewichtseinsparung<br />
und verbesserte Aerodynamik<br />
Kraftstoffverbrauch und<br />
Emissionen optimieren.<br />
Das Interview führte<br />
Sabine Eisenmann<br />
Produzenten auf Kundenfang gehen;<br />
auch Sondermodelle, die mit<br />
speziellen „Flottenausstattungen“<br />
versehen werden, drängen immer<br />
häufiger auf diesen viel umkämpften<br />
Markt.<br />
Welches Fahrzeug aus dieser<br />
schier unüberschaubaren Angebotsvielfalt<br />
letztlich das Richtige<br />
ist, verrät nach wie vor der Blick<br />
auf die allgemeine Zulassungsstatistik.<br />
Hier treten die „üblichen<br />
Verdächtigen“ gegeneinander an:<br />
Golf und Co., BMW, Audi und<br />
Mercedes. Insofern keine Überraschungen.<br />
Unangenehme Überraschungen<br />
hingegen kann es geben,<br />
wenn die Kenntnisse über<br />
den zukünftigen Wertverlust nur<br />
unzureichend sind oder gar fehlen.<br />
Dann werden, je nach Größe<br />
der Flotte, schnell ein paar hunderttausend<br />
Euroinder Kasse fehlen.<br />
„Kunden wollen<br />
Service und Beratung“<br />
Flott im Geschäft: Der Skoda Superb Combi findet zunehmend als Firmenfahrzeug Absatz. FOTO: SKODA<br />
VW-Vielfalt – Sascha Krammig vom Autohaus Wiest ist<br />
nicht nur Verkaufsleiter,sondern auch Fuhrparkmanager<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Die Flaute im Flottengeschäft<br />
scheint überwunden.<br />
Bis zu 50 Prozent beträgt<br />
der Anteil am gewerblichen<br />
Geschäft. Doch gerade Anbieter<br />
der großen Marken müssen Überzeugungsarbeit<br />
leisten. Neben<br />
Prestige rücken Kosten und Service<br />
immer mehr in den Vordergrund.<br />
„Die Kunden sind anspruchsvoller<br />
geworden, es wird<br />
härter verhandelt“, ist die Erfahrung<br />
von Sascha Krammig (40),<br />
Verkaufsleiter beim Autohaus<br />
Wiest in Darmstadt. Neben Volkswagen<br />
und Audi führt das Unternehmen<br />
die Marke Skoda. Mit<br />
wachsendem Erfolg, wie Krammig<br />
sagt. „Fahrzeuge von Volkswagen<br />
und Audi genießen nach<br />
wie vor einen hohen Stellenwert<br />
am Markt. Der Audi A4 Avant ist<br />
zum Beispiel eines unserer Volu-<br />
Tendenzen im Flottenmarkt<br />
können auch regelmäßigen Befragungen<br />
der Flottenverantwortlichen<br />
entnommen werden, die ihre<br />
automobilen Präferenzen für<br />
die nächsten zwei bis drei Jahre<br />
kundtun. Dies wird sicherlich zu<br />
Verschiebungen innerhalb der<br />
ersten zehn Ränge führen, allerdings<br />
kann es als ausgeschlossen<br />
gelten, dass es wirklich neue Fahrzeuge<br />
in die TopTen schaffen werden.<br />
Die Dominanz der heimischen<br />
Automobilhersteller ist dafür<br />
einfach zu groß.Esscheint, als<br />
ob VW auf die vorderen Ränge<br />
abonniert sei.<br />
Mercedes, sokönnte man meinen,<br />
hat an Nimbus verloren,<br />
glaubt man der veröffentlichten<br />
Meinung. Dieter Fess, Mitinhaber<br />
der „Bähr & Fess Forecasts“ in<br />
Saarbrücken, hat hierzu eine etwas<br />
differenziertere Einstellung:<br />
menmodelle.Aber Fahrzeuge von<br />
Skoda wie der Superb werden immer<br />
häufiger als Firmenfahrzeuge<br />
eingesetzt. Aus Kostengründen<br />
und weil sie mittlerweile ein gutes<br />
Image haben.“<br />
Gefragt seien nach wie vorDieselfahrzeuge<br />
mit einer Motorisierung<br />
zwischen 105 und 170 PS.<br />
Bei der Karosserie schlägt bei<br />
Wiest der Kombi klar die Limousine.„Die<br />
Fahrzeuge haben längst<br />
nicht mehr das Handwerker-<br />
Image.Sie sind hübsch, praktisch<br />
und vor allem multifunktional.<br />
Außendienstmitarbeiter brauchen<br />
Platz, ganz gleich, welcher<br />
Branche sie angehören. Sie haben<br />
immer mehr im Gepäck als ein<br />
Notebook. Keine Kompromisse<br />
machten die Kunden – zumeist<br />
seien dies Außendienstmitarbeiter<br />
in der IT-Branche – bei der<br />
„Die Deutschen neigen, in allen<br />
Bereichen des gesellschaftlichen,<br />
wirtschaftlichen und politischen<br />
Lebens dazu, ihrer eigenen Ikonen<br />
überdrüssig zu werden. Die Tatsache,<br />
dass ein Automobilhersteller,<br />
der wie kein anderer seit Jahrzehnten<br />
mit Solidität und Sicherheit in<br />
Verbindung gebracht wird, wie<br />
eben Mercedes, zu schwächeln<br />
scheint, wirdmit etwas übertriebener<br />
Genugtuung und geradezu genüsslich<br />
in der Öffentlichkeit ausgeschlachtet.<br />
Dennoch ist das Markenimage,<br />
das zeigen Untersuchungen<br />
unterschiedlichster Provenienz,<br />
nach wie vor unangefochten<br />
gut. Dies alleine,inVerbindung<br />
mit den Anstrengungen, die<br />
bei Mercedes unternommen werden,<br />
sorgt dafür, dass auch in Zukunft<br />
mit den Untertürkheimern<br />
zu rechnen sein wird –vielleicht<br />
noch mehr als schon bisher!“<br />
Wahl der Farbe: „Schwarz und Silber<br />
sind die Favoriten“, sagt<br />
Krammig. Immer häufiger entschieden<br />
ökologische Aspekte bei<br />
der Wahl der Firmenflotte. „Bluemotion“<br />
heißt das Ausstattungspaket,<br />
mit dem Volkswagen bei<br />
seinen Modellen den CO 2-Ausstoß<br />
verringert. Leichtlaufreifen, die<br />
den Verbrauch senken, gehören<br />
dazu. Und vor allem Service sei<br />
gefragt. Hol- und Bringservice sei<br />
mittlerweile selbstverständlich.<br />
Zusätzlich bietet Wiest einen separaten<br />
Service-Schalter für Geschäftskunden<br />
an. „Sie geben das<br />
Fahrzeug ab und bekommen umgehend<br />
ein Ersatzfahrzeug, so<br />
dass sie keine langen Wartezeiten<br />
haben.“ Verkaufsleiter Sascha<br />
Krammig ist zugleich zertifizierter<br />
Image scheint auch das Stichwort<br />
und die Erklärung dafür zu<br />
sein, warum im Ausland renommierte<br />
Marken wie Peugeot, Alfa<br />
und Lexus hierzulande im Flottenmarkt,<br />
aber auch generell, nur ein<br />
Mauerblümchendasein fristen.<br />
Der durchschnittliche Firmenwagenfahrer<br />
scheint geradezu „reflexmäßig“<br />
auf die deutschen Marken<br />
zurückzugreifen und findet<br />
sich damit durchaus repräsentativ<br />
im allgemeinen deutschen Zulassungsklima<br />
wieder.InFrankreich,<br />
wie generell im europäischen<br />
Ausland, sehen die Bestückungen<br />
im Flottenmarkt ähnlich aus, das<br />
heißt auch hier sind die deutschen<br />
Fabrikate in den Spitzenpositionen<br />
zu finden, aber die lokalen<br />
„Einsprengsel“ von Peugeot 607<br />
und 407 sowie Renault Megane<br />
und anderen sind deutlicher als<br />
dies hierzulande der Fall ist.<br />
Sascha Krammig FOTO: WIEST<br />
Fuhrparkmanagement-Berater<br />
und versorgt seine Kunden nicht<br />
nur mit den geeigneten Fahrzeugen,<br />
sondern auch mit nützlichen<br />
Tipps und Infos rund um das Thema<br />
Fuhrpark und Firmenflotte.<br />
„Das wird heutzutage erwartet.<br />
Unser Beratungsangebot ist<br />
enorm gestiegen.“<br />
Flottenmarkt<br />
VW liegt vorn<br />
Durch die Abwrackprämie kam2009<br />
der deutsche Automarkt ordentlich<br />
auf Touren: Plus 23,2 Prozent auf<br />
mehr als 3,8 Millionen Neuzulassungen.<br />
Das Flottengeschäft aber legte<br />
den Rückwärtsgang ein –minus 22,4<br />
Prozent. Insgesamt wurden nur noch<br />
knapp 537 800 Flotten-Pkw verkauft<br />
nach 692 600 im Jahr davor.<br />
Stärkste Marke war hierzulande<br />
erneut VW mit 132 300Zulassungen<br />
und 24,6 Prozent Marktanteil. Es folgen<br />
Audi (81700/15,2 Prozent),<br />
BMW (64 200/11,9), Mercedes<br />
(51 700/9,6), Opel (44 200/8,2), Ford<br />
(43 300/8,1), Skoda (16 900/3,2),<br />
Renault (15 600/2,9), Peugeot<br />
(9300/1,7) und Volvo (8800/1,6).<br />
Das Ranking der gefragtesten Modelle<br />
führt der VW Passat an mit<br />
40 200Neuzulassungen vorAudi A4<br />
(33 200) und VW Golf (31100).<br />
[Infobox]
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 7<br />
Jörn Ziethmann<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
JörnZiethmann (43) arbeitet seit 2001 beim<br />
Darmstädter Dax-KonzernMerck KGaA. Der<br />
Leasing-Fachwirtist dortals Car-Fleet-Manager<br />
für 630 Fahrzeuge zuständig. Underhat eine<br />
internationale Koordinierungsfunktion inne für<br />
4500 Fahrzeuge. Zuvor warZiethmann bei Leasing-Gesellschaften<br />
tätig. Wirsprachen mit ihm<br />
über Kriterien bei der Anschaffung von Autos,<br />
ökologische Aspekte und die Untiefen des Alltags<br />
in diesem Job.<br />
Beispiel Merck –<br />
Flottenmanager Jörn Ziethmann hat stets auch<br />
den Verbrauch im Blick –Beschränkung auf<br />
wenige Hersteller –Meist Full-Service-Leasing<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Herr<br />
Ziethmann, welche Kriterien haben<br />
bei der Anschaffung von<br />
Fahrzeugen in ihrem Haus Priorität?<br />
JÖRN ZIETHMANN: Wir haben<br />
die Hersteller begrenzt auf Volkswagen,<br />
Audi, Mercedes und<br />
BMW in erster Linie. Als Abteilungsfahrzeuge<br />
kommen Opel-<br />
Modelle hinzu. Der Hintergrund<br />
ist der: In der Breite bekommen<br />
wir keine guten Nachlässe. Hier<br />
zu bündeln ist von Vorteil. Deutsche<br />
Marken werden bevorzugt<br />
aufgrund der vielen Incentive-<br />
Themen. Und deutsche Nutzer<br />
wollen in erster Linie deutsche<br />
Fahrzeuge fahren.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Warum<br />
ist dem so?<br />
ZIETHMANN: Es gibt teilweise<br />
eben auch einen Qualitätsunterschied.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: In welcher<br />
Beziehung?<br />
ZIETHMANN: Wir hatten mal für<br />
eine gewisse Zeit auch Peugeot<br />
aufgenommen und da einige<br />
Probleme. Beispielsweise bei Ersatzteillieferungen<br />
bis hin zur Karosserieform<br />
und dem Umstand,<br />
dass die Kennzeichen tief angebracht<br />
warenund regelmäßig verloren<br />
gegangen sind.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Hat die<br />
Beschränkung auch einen Grund<br />
darin, dass sie die Komplexität in<br />
der eigenen Werkstatt verringern<br />
wollen; oder gehen alle Fahrzeuge<br />
zur Wartung nach draußen?<br />
ZIETHMANN: Das ist nicht von<br />
der Hand zu weisen. Für unsere<br />
Management-Fahrzeuge haben<br />
wir in Darmstadt eine eigene<br />
Werkstatt. Der größte Teil der<br />
Flotte ist im Full-Service-Leasing<br />
untergebracht. Das beinhaltet Instandhaltung,<br />
Reifenersatz,<br />
Kraftstoffbezug und das durch<br />
Externe, weil unser Außendienst<br />
ja auch bundesweit unterwegs ist<br />
und wir das nicht regional lösen<br />
können.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Arbeiten<br />
sie da mit mehreren Leasinggesellschaften<br />
zusammen?<br />
ZIETHMANN: Ja, momentan<br />
sind es drei. Wir schreiben sozusagen<br />
in kleinerem Rahmen aus<br />
pro Fahrzeugbestellung. Wir haben<br />
da ein gutes System aufgebaut<br />
und können die Administration<br />
klein halten. UnsereLeasing-<br />
geber sind Daimler Fleet, Alphabet<br />
für BMW und Leaseplan.<br />
Deutsche<br />
Fahrzeuge<br />
mit Dieselmotor<br />
in dunklen Farben<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Zurück<br />
zu den Kriterien, um etwas mehr<br />
Tiefenschärfe reinzubringen hinsichtlich<br />
Spritverbrauch respektive<br />
CO 2-Ausstoß. Wie wichtig ist<br />
das Thema geworden?<br />
ZIETHMANN: Es ist für Merck sicher<br />
wichtiger geworden, als es<br />
früher war. Wir haben mittlerweile<br />
auch im Managementbereich<br />
CO 2-Beschränkungen sowie eine<br />
Malusvereinbarung mit den Mitarbeitern.<br />
Ab 180 Gramm CO 2 je<br />
Kilometer kostet es einen Aufschlag<br />
pro Gramm.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie teuer<br />
ist da jedes Gramm?<br />
ZIETHMANN: Fünf Euro. Beispiel:<br />
Wenn jemand einen Mercedes<br />
E350 nehmen würde, T-Modell,<br />
Benziner, dann liegt er 19<br />
Gramm drüber,was also rund 100<br />
Euro imMonat kostet. Das ist beträchtlich.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Gibt es<br />
dennoch genug Interessenten für<br />
solche Autos?<br />
ZIETHMANN: Wir konnten fast<br />
alle dazu bringen, Dieselfahrzeuge<br />
zu wählen. Die liegen hier<br />
deutlich günstiger durch ihren geringen<br />
Verbrauch.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie hoch<br />
ist die Dieselquote?<br />
ZIETHMANN: Die liegt bei 95<br />
Prozent.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Das heißt<br />
im Umkehrschluss, alternative<br />
Antriebe wie Hybrid oder Gas<br />
sind kein Thema?<br />
ZIETHMANN: Wir haben alles<br />
geprüft. So sind die Leasingkonditionen<br />
bei Flüssiggas-Autos nicht<br />
günstig, weil diese Fahrzeuge<br />
beim Wiederverkauf nicht mehr<br />
viel bringen, der Restwert niedrig<br />
ist. Der bestimmt ja die monatliche<br />
Rate. Auch die Leistungseffektivität<br />
spricht für den Selbstzünder.<br />
Nachlässe für Gasautos<br />
durch die Energiewirtschaft ändern<br />
an der Betrachtung nichts.<br />
Zudem ist das Netz an Tankstellen<br />
für Flüssiggas immer noch nicht<br />
groß genug, um flächendeckend<br />
zu sein für Außendienstler.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Befassen<br />
sie sich schon mit Elektromobilität?<br />
ZIETHMANN: Die verfügbaren<br />
Fahrzeuge sind momentan leider<br />
noch unwirtschaftlich. Reine E-<br />
Autos ohnehin, aber auch Hybridmodelle<br />
sind noch zu teuer. Zudem<br />
haben diese höhereKosten in<br />
der Instandhaltung und bieten<br />
teilweise weniger Platz wegen der<br />
großen Batterien.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie hoch<br />
ist der Spritkostenanteil denn bei<br />
Merck?<br />
ZIETHMANN: Der liegt bei einem<br />
Drittel.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Bisweilen<br />
sollen es in anderen Firmen<br />
schon 50 Prozent sein. Gibt es<br />
Spritspartrainings, schauen sie<br />
sich die individuellen Verbräuche<br />
an?<br />
ZIETHMANN: Wir haben vor einigen<br />
Jahren entsprechende Trainings<br />
durchgeführt, hatten kurzfristig<br />
auch Erfolg. Ohne dauerhafte<br />
Kommunikation verpufft<br />
derlei aber schnell. Da sind wir<br />
noch nicht soweit. Wir haben jedoch<br />
alles im Blick, wenn es Ausreißer<br />
beim Verbrauch gibt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Waswäre<br />
ein Ausreißer?<br />
ZIETHMANN: Die Hersteller liegen<br />
mit ihren Angaben ja regelmäßig<br />
zu tief. Tatsächlich sind es<br />
mindestens ein bis 1,5 Liter mehr.<br />
Wenn jemand mehr als zwei Liter<br />
je 100 Kilometer darüber liegt,<br />
dann wirderangesprochen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Und neben<br />
dem Verbrauch, wie steht es<br />
ums automobile Image.Ist das ein<br />
Faktor?<br />
ZIETHMANN: Ja. Das Imagethema<br />
spielt bei Merck wie bei allen<br />
anderen Gesellschaften eine große<br />
Rolle.Deshalb hat es beispielsweise<br />
Opel schwer,Fuß zu fassen.<br />
Obwohl die Rüsselsheimer mit ihrer<br />
neuen Modellpolitik auf dem<br />
richtigen Weg sind. Wir haben<br />
aber auch sehr gute Rahmenvertragskonditionen<br />
mit den anderen<br />
deutschen Herstellern. Der Dreier-BMW<br />
ist für uns das günstigste<br />
Fahrzeug momentan.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wassind<br />
die beliebtesten Modelle?<br />
ZIETHMANN: Der 320 Touring<br />
von BMW ist das Referenzfahrzeug<br />
für den Außendienst. Im Management<br />
spielt der 520diese Rolle.<br />
Bei Mercedes ist es die C-Klasse,T-Modell,<br />
also auch Kombi beziehungsweise<br />
der E350.Bei Audi<br />
ist es A4 Avant 2.0 mit 140 PS und<br />
der A6 2.7 beziehungsweise 3.0<br />
TDi. Volkswagen und Audi nehmen<br />
den Hauptanteil ein, über 50<br />
Prozent. BMW kommt auf 20 Pro-<br />
zent, Daimler auf 18 Prozent,<br />
Opel auf acht Prozent. BMW und<br />
Mercedes aber holen auf.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Und wie<br />
steht es um die Individualisierung,<br />
etwadie Farbe?<br />
ZIETHMANN: Da müssen wir<br />
schauen, was die Leasinggesellschaften<br />
vorgeben. Die Farbe<br />
weiß –obwohl sie als trendy gilt –<br />
ist nach wie vornicht möglich wegen<br />
der Restwertproblematik. Andere<br />
Farben, die unseriös daherkommen,<br />
schließen wir auch aus.<br />
Beispiel: Feuerwehrrot.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Aber es<br />
gibt keine Corporate Identity-Vorgabe,<br />
etwablau mit Schriftzug?<br />
ZIETHMANN: Nein. Gibt es definitiv<br />
nicht. Es sollten jedoch bevorzugt<br />
dunkle Farben gewählt<br />
werden. Oder Silber.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Und wie<br />
steht es mit Sicherheitsfeatures.<br />
Machen Sie hier Vorgaben?<br />
ZIETHMANN: Die sind ja fast alle<br />
Serie wie ESP oder ABS. Vorgeschrieben<br />
wirddurch uns die Einparkhilfe<br />
Parc Distance Control.<br />
Denn wir haben wie andere auch<br />
eine Menge Einparkschäden.<br />
Gleichwohl ist die Schadensquote<br />
über alles von65Prozent gut.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Gibt es Limits<br />
bei den Kaufpreisen?<br />
ZIETHMANN: Die Limits sind<br />
durch das Referenzfahrzeug gegeben.<br />
Auf dieses Fahrzeug darf<br />
höchstens 100Europro Monat zugezahlt<br />
werden. Es geht also über<br />
die monatliche Rate, nicht über<br />
den Listenpreis.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie stufen<br />
sie die Qualität der Fahrzeuge<br />
generell ein?<br />
ZIETHMANN: Alle relativ ähnlich<br />
bei Audi, BMW und Mercedes.Die<br />
Qualität wechselt immer mal wieder<br />
ab. Wir haben Probleme gehabt<br />
bei Mercedes mit der E-Klasse.Mit<br />
Audi haben wir kontinuierlich<br />
gute Erfahrungen, ungleichmäßiger<br />
Reifenverschleiß einmal<br />
ausgenommen. Bei BMW ist mir in<br />
den letzten Jahren nichts bekannt<br />
geworden. Die Fahrzeuge sind ja<br />
auch maximal 3,5 Jahre alt im<br />
Schnitt bei einer Laufleistung von<br />
150000 Kilometern im Außenund<br />
rund 100000 im Innendienst.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie halten<br />
sie es als Fuhrpark-Chef mit<br />
der Kontrolle der aktuellen Fahrerlaubnis?<br />
ZIETHMANN: Dafür sind die Geschäftsführer<br />
der Tochtergesellschaften<br />
verantwortlich, auf die<br />
die Fahrzeuge zugelassen sind.<br />
Die Führerscheinkontrolle führen<br />
wir zweimal pro Jahr inhouse<br />
durch. Wir schauen uns gerade<br />
an, was extern möglich ist über<br />
spezielle Dienstleister.<br />
Das Interviewführte<br />
Achim Preu
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 8<br />
VON KATJA LÖHR-MÜLLER<br />
Welche rechtlichen<br />
Pflichten treffen einen<br />
Fuhrparkleiter? Diese<br />
Frage löst in der der Praxis regelmäßig<br />
heftige Diskussionen aus.<br />
Insbesondere dann, wenn eine<br />
schriftliche Aufgabenzuweisung<br />
durch das Unternehmen nicht erfolgt<br />
ist, besteht große Unsicherheit<br />
bei den betroffenen Mitarbeitern.<br />
Wasgehört also zum Pflichtenkreis<br />
desjenigen, dem die Fahrzeugflotte<br />
von seinem Arbeitgeber<br />
zugewiesen wurde und der<br />
den Fuhrpark in eigener Verantwortung<br />
leiten soll?<br />
Mit einer solchen Aufgabendelegation<br />
übernimmt ein Fuhrparkverantwortlicher<br />
diejenigen<br />
Pflichten, die sich aus der Haltereigenschaft<br />
für die Firmenfahrzeuge<br />
des Unternehmens ergeben.<br />
Gleichgültig ist hierbei, ob es<br />
sich um gekaufte Fahrzeuge handelt<br />
oder diese im Wege des Leasing<br />
genutzt werden.<br />
Geldstrafe oder<br />
Freiheitsstrafe<br />
In strafrechtlicher Hinsicht bedeutet<br />
das zunächst, dass sich der<br />
Fuhrparkverantwortliche selbst<br />
strafbar machen kann, wenn<br />
Fahrzeuge von Mitarbeitern gefahren<br />
werden, die nicht über die<br />
erforderliche Fahrerlaubnis verfügen.<br />
Der Gesetzgeber sieht hierfür<br />
eine Geldstrafe oder sogar eine<br />
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr<br />
vor. Der Fuhrparkleiter als Träger<br />
der Halterverantwortung für die<br />
Firmenfahrzeuge hat deshalb sicherzustellen,<br />
dass sämtliche<br />
Fahrzeugnutzer im Besitz einer<br />
für das Fahrzeug erforderlichen<br />
gültigen Fahrerlaubnis sind.<br />
Hierfür ist ein geeignetes Kontrollsystem<br />
zur Führerscheinüberprüfung<br />
im Unternehmen<br />
einzurichten. Dabei ist nicht nur<br />
zu prüfen, ob der Mitarbeiter<br />
überhaupt eine Fahrerlaubnis besitzt,<br />
sondern auch, für welche<br />
Fahrzeugklasse der Führerschein<br />
ausgestellt wurde und ob dem<br />
Führerscheininhaber gegebenenfalls<br />
Auflagen erteilt wurden. In<br />
welchen Abständen die Kontrolle<br />
des Führerscheins erfolgen sollte,<br />
ist für jedes Unternehmen individuell<br />
festzulegen. Häufig werden<br />
solche Überprüfungen zweimal<br />
im Jahr vorgenommen. Ein bestimmter<br />
Zyklus wird allerdings<br />
vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben.<br />
Da eine Führerscheinkontrolle<br />
nicht immer durch den Fuhrparkverantwortlichen<br />
oder von ihm<br />
beauftragte andere Mitarbeiter<br />
durchgeführt werden kann, ist es<br />
auch zulässig, eine firmenexterne<br />
Führerscheinkontrolle durchzuführen.<br />
Im Zuge der immer größer<br />
werdenden Sensibilisierung der<br />
Unternehmen hinsichtlich Fragen<br />
zur Halterhaftung bei Firmenfahrzeugen<br />
bietet heute eine Anzahl<br />
von Drittunternehmen (zum Beispiel<br />
TÜV oder Dekra) die Führerscheinkontrolle<br />
als Serviceleistung<br />
an. Das ist insbesondere für<br />
Unternehmen interessant, die ei-<br />
Katja Löhr-Müller FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
DemFuhrparkleiter fährt<br />
manals erstes an den Karren<br />
Pflichten – Schriftliche Aufgabenzuweisung durch die Geschäftsleitung dient der Rechtssicherheit –<br />
Regelmäßige Prüfung der Führerscheine und vieles mehr gehört dazu<br />
nen dezentralen Fuhrpark vorhalten.<br />
Gerade dann, wenn der<br />
Standort der Firmenfahrzeuge<br />
über ganz Deutschland verteilt<br />
ist, stellt die Führerscheinkontrolle<br />
für das Unternehmen ein logistisches<br />
Problem dar. Für sämtliche<br />
Formen der externen Kontrolle<br />
gilt, dass die „Kontrolleure“ des<br />
ausgewählten Dienstleistungsunternehmens<br />
über entsprechende<br />
Fachkenntnisse zur ordnungsgemäßen<br />
Führerscheinprüfung verfügen<br />
sollten. Statt eine Sichtprüfung<br />
des Führerscheins vorzuneh-<br />
men, bedienen sich immer häufiger<br />
Unternehmen der elektronischen<br />
Führerscheinkontrolle, wie<br />
sie etwa bei LapID angeboten<br />
wird.<br />
In bußgeldrechtlicher Hinsicht<br />
ergibt sich aus der Halterverantwortung<br />
auch die Verantwortung<br />
für den Zustand des Fahrzeugs.<br />
Befindet sich etwader Firmenwagen<br />
in nicht verkehrstüchtigem<br />
Zustand, kann es gegen den Fuhrparkmanager<br />
zu einem Bußgeldverfahren<br />
kommen. Zudem muss<br />
er mit einer Eintragung vonPunk-<br />
Unternehmen und Person<br />
ten im Verkehrszentralregister<br />
rechnen. Da der Fuhrparkverantwortliche<br />
die Verantwortung für<br />
die Betriebs- und Verkehrssicherheit<br />
der Firmenfahrzeuge trägt,<br />
sollten von ihm in regelmäßigen<br />
Abständen an den Fahrzeugen,<br />
die vonwechselnden Nutzern gefahren<br />
werden (wie Nutzfahrzeuge<br />
oder Poolfahrzeuge), Fahrzeugkontrollen<br />
durchgeführt werden.<br />
Natürlich kann der Fuhrparkleiter<br />
mit der Durchführung<br />
dieser Maßnahmen auch andere<br />
Personen beauftragen. Bei Fahr-<br />
Die Kanzlei Groth &Müller –1975 gegründet –ist<br />
die größte Rechtsanwaltskanzlei in Rüsselsheim<br />
und dem Kreis Groß-Gerau. Die Kanzlei ist überwiegend<br />
in den verschiedenen Bereichen des Zivilund<br />
Wirtschaftsrechtes tätig. Mit sieben Rechtsanwälten,<br />
davonzweiFachanwälte für Familienrecht,<br />
ein Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und<br />
ein Fachanwalt Steuerrecht werden die Mandanten<br />
bei ihren privaten und geschäftlichen Entscheidungen<br />
sowie bei der Durchsetzung ihrer außergerichtlichen<br />
und gerichtlichen Ansprüche qualifiziert<br />
und engagiert begleitet. Daneben bietet das Notariat<br />
der Kanzlei mit zwei Notaren das gesamte Spektrum<br />
notarieller Tätigkeiten an.<br />
Die promovierte Rechtsanwältin Katja Löhr-Müller<br />
arbeitet speziell in den Tätigkeitsfeldern Vertragsrecht,<br />
Fuhrparkrecht, Leasingrecht, Markenrecht<br />
sowie Wettbewerbs- und Urheberrecht. Sie ist<br />
Referentin beim Deutschen Verkehrsgerichtstag<br />
und Fachjournalistin im Bereich des Fuhrparkrechtes<br />
(www.fuhrparkrecht.com).<br />
Weitere Informationen: www.groth-mueller.de<br />
[Infobox]<br />
zeugen, die einem Mitarbeiter für<br />
eine gewisse Dauer zur alleinigen<br />
Nutzung überlassen wurden,<br />
muss der Fuhrparkleiter in regelmäßigen<br />
Abständen durch Stichproben<br />
kontrollieren beziehungsweise<br />
kontrollieren lassen und dokumentieren,<br />
ob Inspektionen,<br />
erforderliche Hauptuntersuchungen<br />
und die vonder Berufsgenossenschaft<br />
geforderten Sachkundigenprüfungen<br />
ordnungsgemäß<br />
durchgeführt worden sind.<br />
Werden im Unternehmen Mitarbeiter<br />
eingesetzt, die dem Fahrpersonalrecht<br />
unterliegen, können<br />
den Fuhrparkleiter auch die<br />
mit dem Einsatz vonFahrpersonal<br />
verbundenen Unternehmerpflichten<br />
auf Grundlage der Sozialvorschriften<br />
im Straßenverkehr treffen.<br />
Das Fahrpersonalrecht findet<br />
Anwendung auf Fahrzeuge,die im<br />
Güterverkehr eingesetzt werden<br />
und eine zulässige Gesamtmasse<br />
von über 2,8 taufweisen.<br />
Lenk-, Ruhezeiten sowie<br />
weitere Vorschriften<br />
Neben der Beachtung von Lenkund<br />
Ruhezeiten ist der Fuhrparkleiter<br />
auch für die Beachtung der<br />
Verpflichtungen, die sich aus den<br />
Unfallverhütungsvorschriften für<br />
Fahrzeuge – insbesondere der<br />
BGVD29 –ergeben, zuständig. So<br />
finden diese Vorschriften auf jedes<br />
Fahrzeug Anwendung, das<br />
von einem Unternehmen betrieblich<br />
eingesetzt wird. Betroffen<br />
sind damit nicht nur Lkw oder<br />
Fahrzeuge im Güterverkehr, sondern<br />
auch jeder Dienstwagen. Firmenfahrzeuge<br />
sind danach etwa<br />
mit einer Warnweste auszurüsten,<br />
an die Ladungssicherung<br />
werden besondere Anforderungen<br />
gestellt und die Fahrzeuge<br />
müssen vor Fahrtantritt vom Fahrereiner<br />
Sichtprüfung unterzogen<br />
werden. Der Fuhrparkleiter hat<br />
hier Maßnahmen zu treffen, um<br />
sicherzustellen, dass diesen Verpflichtungen<br />
nachgekommen<br />
wird. Gleiches gilt auch für die<br />
Sachkundigenprüfung, die mindestens<br />
einmal jährlich an jedem<br />
Firmenfahrzeug durchzuführen<br />
ist. Da ein Unternehmen, das Mitarbeitern<br />
Fahrzeuge zur dienstlichen<br />
Nutzung zur Verfügung stellt,<br />
verpflichtet ist, die Mitarbeiter in<br />
das Fahrzeug einzuweisen, fällt<br />
auch diese Aufgabe in der Regel in<br />
den Verantwortungsbereich eines<br />
Fuhrparkleiters. In Zusammenarbeit<br />
mit der Geschäftsleitung ist es<br />
deshalb zweckdienlich, Betriebsanweisungen<br />
für die Nutzung von<br />
Firmenfahrzeugen zu erlassen.<br />
Die entsprechenden Verpflichtungen<br />
des einzelnen Fahrzeugnutzers<br />
können sich natürlich auch<br />
aus einer Dienstwagenrichtlinie<br />
oder einem Überlassungsvertrag<br />
ergeben. Aufgabe des Fuhrparkleitersist<br />
es dabei, durch regelmäßige<br />
Stichproben zu überprüfen, ob die<br />
erteilten Anweisungen auch beachtet<br />
werden.<br />
Die Funktion eines Fuhrparkleitersbeinhaltet<br />
schließlich eine<br />
gesteigerte Vertraulichkeit im Umgang<br />
mit persönlichen Daten von<br />
Fahrzeugnutzern. Datenschutzrechtliche<br />
Bestimmungen sind insoweit<br />
strikt einzuhalten. Bedient<br />
sich der Fuhrparkverantwortliche<br />
zur Erfüllung seiner Aufgaben anderer<br />
Mitarbeiter, haben diese<br />
sich ebenfalls den datenschutzrechtlichen<br />
Bestimmungen strikt<br />
zu unterwerfen.<br />
AufGrund der Vielfältigkeit der<br />
Aufgaben eines Fuhrparkverantwortlichen,<br />
insbesondere auch in<br />
rechtlicher Hinsicht, sollte jeder<br />
Fuhrparkleiter seine Geschäftsleitung<br />
auffordern, eine schriftliche<br />
Aufgabenzuweisung für den Fuhrpark<br />
vorzunehmen, in der die Verpflichtungen<br />
des Fuhrparkmanagers<br />
ausdrücklich benannt werden.<br />
Eine solche Vorgehensweise<br />
dient der Rechtssicherheit. Aber jeder<br />
Fuhrparkverantwortliche sollte<br />
bedenken: Eine Haftung kann<br />
sich bereits aus seiner Position im<br />
Unternehmen ergeben, ohne dass<br />
dies ausdrücklich schriftlich niedergelegt<br />
wurde.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 9<br />
Zum Lunch mit …<br />
SONJA SATTLER<br />
VON ILKA ENNEN<br />
Sonja Sattler<br />
Wer die Schöpfungsgeschichte<br />
in zynischer<br />
Stimmung und konsequent<br />
männerfeindlich zu Ende<br />
denkt, den überrascht es nicht,<br />
dass Frauen selten mit ihrem<br />
Aussehen zufrieden sind. Wenn<br />
Gott Eva aus einer Rippe Adams<br />
erschaffen hat, ist es kein Wunder,<br />
dass sich Evas Töchter seit<br />
Jahrhunderten diverser Kulturtechniken<br />
bedienen, um ihr Erscheinungsbild<br />
zu korrigieren.<br />
Zur Not eben auch mit dem Skalpell.<br />
Nicht jede Frau wird derart<br />
umfangreich Hand anlegen lassen<br />
wie die Dänin Brigitte Nielsen. Die<br />
Ex-Gattin von Hollywood-Boxer<br />
Sylvester Stallone setzte sich mit<br />
der medialen Offenbarung ihrer<br />
Restauration als Hauptdarstellerin<br />
der RTL-Doku-Soap „Aus alt<br />
macht neu“ vor einem Millionen-<br />
Publikum in Szene. Und ließ der<br />
mit der Generalüberholung beauftragten<br />
Darmstädter Rosenparkklinik<br />
ein üppiges fünfstelliges<br />
Honorar zukommen. Derartig<br />
umfangreiche „Bauarbeiten am<br />
lebenden Objekt“, wie die Bild-<br />
Zeitung spottete,sind auch in der<br />
Rosenparkklinik nicht an der Tagesordnung.<br />
„Die deutsche Frau<br />
ist viel differenzierter und neigt<br />
nicht zu Übersprungshandlungen“,<br />
sagt Hautärztin Sonja Sattler.<br />
Sie ist eine, die es wissen<br />
muss.<br />
Die Frau<br />
im Hintergrund<br />
Sonja Sattler ist die FrauimHintergrund.<br />
Mitbegründerin der Rosenparkklinik,<br />
die spezialisiert darauf<br />
ist, den menschlichen Körper möglichst<br />
makellos zu formen. Dass sie<br />
eines Tages als Life-Style-Medizinerin<br />
richtig viel Geld mit dem Absaugen<br />
menschlichen Körperfetts<br />
verdienen würde und die Giftspritze<br />
zur Faltenglättung einsetzt, war<br />
viele Jahre nicht Bestandteil ihrer<br />
Vorstellungswelt. „Eigentlich wollte<br />
ich ja immer in die Entwicklungshilfe“,<br />
erzählt sie. Das war,<br />
bevorsie an der Darmstädter Hautklinik<br />
den Mann kennenlernte,der<br />
zum Schönheitspapst der Stadt<br />
avancieren sollte: Doktor Gerhard<br />
Sattler.<br />
Die Ehefrau wacht über die Finanzen,<br />
hütet das Personal, hält<br />
die Organisation am Laufen. Sie<br />
braucht ein wenig Anlaufzeit,<br />
wenn sie über sich selbst sprechen<br />
soll. „Es geht ja meistens um<br />
meinen Mann“, entschuldigt sie.<br />
Er ist das Aushängeschild der Klinik.<br />
Und sie mehr als ein hübsches<br />
Anhängsel.<br />
1996 gegründet, residiert die<br />
Klinik heute in zwei herausgeputzten<br />
Jugendstil-Villen an der<br />
Heidelberger Landstraße. Dort<br />
treffen sich heute Menschen, die<br />
es sich leisten können und wol-<br />
len, in ihr Aussehen zu investieren.<br />
„Als wir angefangen haben,<br />
war eseine halbe Baustelle“, erinnert<br />
sich Sattler. „Die Leute<br />
sind über Holzbohlen zum Fettabsaugen<br />
gelaufen.“ Die Zeiten<br />
sind vorbei.<br />
Aus der ganzen Republik<br />
kommt die Kundschaft, erzählt<br />
die Chefin. Seit der öffentlichkeitswirksamenNielsen-Aufbereitung<br />
im Sommer 2008 sind Sattler<br />
und Co. im Land bekannt.<br />
Gut sieht die Frauaus im Sommerlook,<br />
den sie in der Darmstädter<br />
Trattoria Romagnola ausführt:<br />
Weißes Top, weiße Jeans, weiße<br />
Chanel-Armbanduhr. Und obendrüber<br />
das Business-gerechte<br />
dunkle Nadelstreifen-Sakko. Neugierig<br />
macht aber vor allem das,<br />
wasman nicht sieht. Die 41-jährige<br />
ist ihr eigener Kunde.<br />
Die unerwünschten Körperhaare<br />
sind weggelasert. Unterspritztes<br />
Eigenfett kaschiert die<br />
Schatten unter den Augen. Die<br />
Zornesfalte dazwischen ist glattgespritzt.<br />
Richtig böse gucken<br />
kann Sonja Sattler nicht. Aber die<br />
Stirn runzelt sich. Schlechte Laune<br />
liegt möglicherweise nicht in<br />
ihrem Naturell, weil sie als Posi-<br />
Dr. med. Sonja Sattler gründete 1996 gemeinsam mit<br />
ihrem Mann Gerhard die Darmstädter Rosenparkklinik.<br />
Zu den Spezialgebieten der Hautärztin zählen<br />
Laser- und Faltentherapie, Botoxbehandlungen und<br />
Dermatologie. Hausintern gilt die 41-jährige als Finanzministerin,<br />
die sich um die kaufmännische Leitung,<br />
die Organisation und das Personal kümmert. In<br />
der Klinik arbeiten derzeit nach SattlersAngaben über<br />
50 Mitarbeiter, davon zehn Ärzte. Darüber hinaus<br />
organisiert die gebürtige Langenerin weltweit Kongresse<br />
im Fachbereich ästhetisch-operative Dermatologie<br />
und plastische Chirurgie. Sonja Sattler ist zweifache<br />
Mutter und Patchworkmama vondreiKindern,<br />
die ihr Mann mit in die Ehe gebracht hat.<br />
[Person]<br />
tivdenkerin schon glücklich ist,<br />
wenn morgens die Sonne scheint.<br />
Den Rest erledigt Botox.<br />
Medizinisch betrachtet ist die<br />
Behandlung mit dem Nervengift<br />
ein kleiner Eingriff ohne äußere<br />
Verletzungen. Zwei, drei Stiche<br />
in die Haut, das war’s. Botox<br />
lähmt die Muskeln und sorgt,<br />
wenn der Arzt sein Handwerk<br />
versteht, für vier bis sechs Monate<br />
andauernde Faltenfreiheit. Danach<br />
kehrt der Knitterlook zurück.<br />
Bei Pfusch können die Gesichtszüge<br />
allerdings ebenso<br />
lang entgleisen. Sattler weiß,<br />
dass sich die Klinik die Karl-Dallisierung<br />
ihrer Patienten nicht<br />
leisten kann. „Versauen Sie mal<br />
zwei oder drei Leute und die verklagen<br />
Sie.Danach wollen Sie nie<br />
wieder Arzt sein.“<br />
Beauty-Verkehr auf der<br />
Heidelberger Landstraße<br />
Das Geschäft mit der Schönheit<br />
brummt. Botox togo, die Schönheit<br />
auf die Schnelle in der Mittagspause<br />
oder nach Feierabend,<br />
zählt auch in der Rosenparkklinik<br />
zu den Umsatzbringern. Am<br />
Nachmittag setzt der Beauty-Ver-<br />
Thema Schönheit:<br />
Life-Style-Medizinerin Sonja Sattler<br />
im Gespräch mit ECHO-Redakteurin IlkaEnnen.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
kehr auf der Heidelberger Landstraße<br />
ein und endet erst in den<br />
Abendstunden gegen 21 Uhr.<br />
Menschen aus allen Bevölkerungsschichten<br />
lassen sich aufhübschen.<br />
Der Rosenpark sei<br />
nicht nur Promi-, sondern auch<br />
Jedermann-Klinik, sagt Sattler.<br />
„Zu uns kommt auch die Friseurin,<br />
die sich das Geld zusammengespart<br />
hat. Anstatt in den<br />
Urlaub zu fahren, lassen sich<br />
Frauen die Reithosen entfernen.“<br />
Die Liposuktion, besser bekannt<br />
als Fettabsaugung, steht ebenfalls<br />
hoch im Kurs. Auch in Krisenzeiten.<br />
Die Wirrungen auf den Finanzmärkten<br />
hat die Welt der<br />
Darmstädter Schönheitsoperateure<br />
offenbar unberührt gelassen.<br />
„2009 war eines unserer besten<br />
Jahre“, sagt Sattler. „Statt das<br />
Geld auf die Bank zu bringen, haben<br />
die Leute es in sich selbst investiert.“<br />
Die eine oder andere Problemzone<br />
entdeckt die Schönheitsverkäuferin<br />
nach wie vor an<br />
sich. „Ich wäre auch gerne drei<br />
Kilo leichter. Aber ich will nicht<br />
auch noch überlegen, ob ich<br />
beim Brot die Butter weglasse.“<br />
Zum Lunch gibt sich die Lieb-<br />
Generation<br />
Botox<br />
Rosenparkklinik –<br />
Sonja Sattler ist die<br />
Finanzministerin<br />
der deutschlandweit bekannten Darmstädter Adresse –<br />
Geschäft mit der Schönheit boomt –Für Promis und Normalos<br />
haberin italienischer Küche unkonventionell,<br />
bestellt zwei Vorspeisen<br />
und lässt das Hauptgericht<br />
weg: Jakobsmuscheln mit<br />
Salat und ein Duett aus Tomate-<br />
Mozzarella. Die Kalorien werden<br />
abtrainiert, nicht fortgesaugt. Dafür<br />
sorgt entweder der Personal<br />
Trainer,das neue Rennrad oder im<br />
Zweifel die zwei Kinder, sechs<br />
und zehn Jahre alt.<br />
„Wir machen die<br />
Leute glücklich“<br />
Sonja Sattler genießt ihre Schönwettermedizin.<br />
Sie hat ein Stellenangebot<br />
in der Onkologie abgelehnt,<br />
weil sie nicht jeden Tagder<br />
Fratze Krebs ins Gesicht blicken<br />
will. „Das Schöne an unserer<br />
Sparte ist, dass wir die Leute<br />
glücklich machen.“ Trotzdem ist<br />
ihr die Beauty-Welt auf Dauer zu<br />
klein. „Ich würde alleine mit der<br />
Ästhetik nicht glücklich werden“,<br />
sagt sie. Als Geschäftsführerin einer<br />
kleinen Firma organisiert sie<br />
weltweit Kongresse für Dermatologen<br />
und Chirurgen und macht<br />
sich auf die Suche nach internationalen<br />
Trends. Kein Exportschlager<br />
werden die amerikani-<br />
schen Ideale, die aufgespritzte<br />
Schlauchboot-Lippen und überdimensionierte<br />
Brüste zum Statussymbol<br />
erhoben haben. „Das will<br />
hier kein Mensch.“<br />
Das Verlangen nach Schönheit<br />
hat mittlerweile aber auch Männer<br />
ergriffen. Die Zeiten, in denen<br />
Falten und graue Haare als interessant<br />
galten, vergehen. Geld und<br />
Macht kaschieren keine Bierplautze<br />
mehr. Eine gesunde und<br />
vitale Ausstrahlung ist gefragt.<br />
Zehn bis 15 Prozent der Eingriffe<br />
in der Klinik gehen laut Sattler auf<br />
das Konto vonMännern. Mit steigender<br />
Tendenz. Die Adams lassen<br />
sich Falten wegspritzen, die<br />
Lider straffen und das Doppelkinn<br />
absaugen. Und was für die Frau<br />
der silikonverstärkte Superbusen<br />
ist, ist für den Mann das handmodellierte<br />
Six Pack am Bauch.<br />
Emanzipation ist keine Einbahnstraße.<br />
„Sie müssen uns unbedingt<br />
mal besuchen“, sagt Sonja Sattler<br />
zum Abschied. Zurück bleibt der<br />
Zweifel, wie diese Einladung gemeint<br />
sein mag. Und der Eindruck,<br />
dass das Leben eine Baustelle<br />
ist. Je länger es dauert, desto<br />
größer wirdsie.<br />
Das Geschäft mit der Schönheit<br />
Die Operation Schönheit boomt wie noch nie.Eine Million ästhetische<br />
Eingriffe hat es in Deutschland nach Schätzungen der<br />
Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie im<br />
Jahr 2008 gegeben. Faltenunterspritzungen und Laserbehandlungen<br />
(jeweils rund 180 000) führen die Rangfolge an, dicht gefolgt<br />
von Botox-Behandlungen (170000). 80 000 mal saugten Ärzte<br />
Fett ab und operierten 45 000 Brüste. Die Zahl der klassischen<br />
Facelifts liegt bei 6000 und wird von 10 000 Intimoperationen<br />
überboten. Das Interesse der Männer steigt stetig. Rund 20 Prozent<br />
aller Eingriffe gehen auf ihr Konto. Dass keine gesicherten<br />
Zahlen vorliegen, führt die Gesellschaft auf den Umstand zurück,<br />
dass sich in Deutschland jeder Arzt Schönheitschirurg nennen<br />
und ästhetische Eingriffe vornehmen darf, auch wenn er keine<br />
Fachausbildung hat.<br />
[Hintergrund]
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 10<br />
Rosemarie Karl<br />
Rosemarie Karl ist gebürtige Reichelsheimerin.<br />
Und auch bekennende,<br />
selbst wenn sie gern in<br />
Mannheim shoppen geht. Straßencafés<br />
in Fußgängerzonen liebt. Ab<br />
und an sich mehr Privatleben<br />
wünscht. Die gelernte Krankenschwester<br />
ist durch einen herben<br />
Schicksalsschlag in die Unternehmer-Rolle<br />
gerutscht. Überraschend<br />
erlag 1999 ihr Mann Lothar beim<br />
Sport nach Feierabend einem Herzstillstand.<br />
Bis dahin hatte sie nur ab<br />
und an im Bürogeholfen, die Buchhaltung<br />
erledigt. Nach kurzem Innehalten<br />
folgte der Rollenwechsel.<br />
Und kamder erste Frust. Großkunde<br />
Siemens sprang ab, weil es den Firmengründer<br />
nicht mehr gab, der<br />
1980 gestartete Zulieferbetrieb<br />
scheinbar seiner Zukunft beraubt<br />
war. Im Januar 2000 mussten 15 der<br />
damals 32 Beschäftigten entlassen<br />
werden. Die Sparkasse Odenwald<br />
als Hausbank aber blieb an Bord.<br />
Ende 2000 kam Siemens zurück –<br />
und die meisten der Mitarbeiter,die<br />
nicht anderweitig untergekommen<br />
waren. Zu Siemens gesellte sich alsbald<br />
ABB. Und Messer Cutting und<br />
Welding in Groß-Umstadt. Heute<br />
stehen 142 Frauen und Männer auf<br />
den Lohn- und Gehaltslisten, strebt<br />
man 2010 einen Umsatz von elf bis<br />
zwölf Millionen Euro an.<br />
Bei allem Stress könne sie gut abschalten,<br />
habe einen sehr guten<br />
Schlaf, sagt Karl. Jogging und Nordic<br />
Walking sorgen für den nötigen<br />
Ausgleich. Oder ihr Freundeskreis<br />
und Urlaub in Meran. Vielschichtiges<br />
soziales Engagement versteht<br />
sich fast vonselbst. Im Vorstand der<br />
Mittelstands-Vereinigung sitzt sie.<br />
Und seit Dezember hat Rosemarie<br />
Karl eine weiterewichtige Funktion<br />
inne: Sie ist Oma, hat eine Enkeltochter:<br />
„Mein Sonnenschein“, sagt<br />
sie. Mutter ist Tochter Kerstin (33),<br />
Diplom-Betriebswirtin beim Chemieriesen<br />
BASF; zudem hat sie eine<br />
„Stand-by-Funktion“ inne. Esgebe<br />
einen Notfallplan, sagt Rosemarie<br />
Karl –die eigene bittere Erfahrung<br />
war hier offenbar der Ratgeber. Die<br />
zweite Tochter, Stephanie (29), ist<br />
übrigens als Krankenschwester tätig<br />
wie einst die Mutter,arbeitet im Kardiologischen<br />
Zentrum im Alice-Hospital<br />
in Darmstadt.<br />
[Person]<br />
Tragen ihreChefin auf Händen:<br />
Michael Geissner, Horst Arras, Regina Werner<br />
und Wilfried Pfeifer (von links) .<br />
FOTOS: ALEXANDER<br />
Karl Elektronikbau – Übernahme der insolventen<br />
GRSSchaltanlagen GmbH stellt das Reichelsheimer<br />
Unternehmen auf eine breitereBasis –<br />
Rosemarie Karl kombiniert soziale Ansätze<br />
und unternehmerischen Erfolg trefflich<br />
VON ACHIM PREU<br />
Die Filmtitel könnten lauten: Eine<br />
Frau steht ihren Mann. Mit<br />
weiblicher Intuition zum wirtschaftlichen<br />
Erfolg. Hauptsache, die<br />
Chemie stimmt. Oder: Der Betrieb als<br />
funktionierende Familie.<br />
Wasabgedroschen klingt, reichlich<br />
aufgesetzt, marketingtechnisch konstruiert,<br />
das ist hier gelebte Realität.<br />
Für die Besetzung der Hauptrolle<br />
drängt sich Rosemarie Karl (54) geradezu<br />
auf, obwohl es ihrem Naturell<br />
widerspricht, dick aufzutragen. Aber<br />
die geschäftsführende Gesellschafterin<br />
der Karl Elektronikbau GmbH ist<br />
ebenso authentisch wie mit ihrer optimistischen<br />
Grundeinstellung ansteckend.<br />
Und offenbar durchsetzungsstark,<br />
selbst wenn man das der kleinen<br />
zierlichen Frau mit der großen Ausstrahlung<br />
zunächst nicht zutraut. Vielleicht<br />
ist sie deshalb so erfolgreich, hat<br />
selbst in der Krise mit ihrer Firma trotz<br />
zum Teil massiver Umsatzeinbrüche<br />
keinen Schiffbruch erlitten. Und ist für<br />
viele gefragte Gesprächspartnerin –<br />
auch für Insolvenzverwalter.SoimFall<br />
der gestrandeten GRS Schaltanlagen<br />
GmbH aus Darmstadt, deren Wurzeln<br />
im zerlegten Schenck-Konzern zu finden<br />
sind. Im März beim Notar, kurz<br />
vorder Unterschrift, kamen zwar erste<br />
Zweifel, ob man GRStatsächlich übernehmen<br />
sollte: Wasmachst du da denn<br />
nur,schoss es ihr durch den Kopf, wie<br />
sie offen sagt. Aber das finanzielle Risikosei<br />
überschaubar,kein großer Kredit<br />
nötig gewesen, beruhigte eine innere<br />
Stimme. Unterstützung gab es von<br />
den zwei Töchtern, rationale Aspekte<br />
gewannen die Oberhand. Ohne Zweifel<br />
wichtig.<br />
Aber es gibt auch eine emotionale<br />
Ebene.Die taugt in der Wirtschaft bisweilen<br />
mehr als tiefschürfende und<br />
teure Analysen, die sich nur zu oft als<br />
Fehleinschätzung entpuppen. „Mein<br />
Bauchgefühl hat mir gesagt, das kann<br />
was werden.“ Die menschliche Basis<br />
muss passen, sagt sie. Dann erinnert<br />
sich die mit einem ehrlichen Odenwälder<br />
Idiom sowie viel Herz gesegnete<br />
Geschäftsfrau an ihren ersten Kontakt<br />
mit den GRS-Beschäftigten, den ersten<br />
Besuch in Darmstadt. Imponiert habe<br />
ihr, dass dort zielstrebig, ehrgeizig an<br />
Aufträgen gearbeitet wurde, obwohl<br />
die Gehälter nicht gezahlt worden waren.<br />
Schon da wardie Karl Anlagenbau<br />
GmbH gedanklich geboren. 17 Beschäftigte<br />
mussten nicht zur Arbeitsagentur,weil<br />
Karl sich den Verlockungen<br />
dieser „Herausforderung“ nicht<br />
Charmantes<br />
Odenwälder<br />
Geschäftsmodell<br />
ernsthaft widersetzt hat. Vonden drei<br />
GRS-Gründern sind nur noch Peter W.<br />
Schmidt aus Bad König an Bord und<br />
Jörg Gallei aus Lorsch. Das große R–<br />
dahinter stand Torsten Roß aus Otzberg–gehört<br />
nicht mehr dazu.<br />
Über 140 Mitarbeiter<br />
an mehreren Standorten<br />
Insgesamt stehen nun 142 Frauen und<br />
Männer (darunter sechs Auszubildende)<br />
auf der Payroll. Die Zahl der Leiharbeiter,<br />
früher etwa 20, wurde abgebaut.<br />
Also exakt das umgesetzt, was<br />
etwa Gewerkschaften fordern, sozialversicherungspflichtige<br />
Jobs geschaffen.<br />
Und Karl stellt ihreAktivitäten auf<br />
eine breitere Basis, bekommt knapp<br />
drei Millionen Umsatz hinzu, erreicht<br />
einen besseren Risikomix. Eine typische<br />
Win-win-Situation. Denn neben<br />
den Hauptkunden Siemens und ABB<br />
aus der Energiebranche hat sich nun<br />
mit Schenck Rotec und der Mutter<br />
Dürr AG das Torzur Autoindustrie geöffnet.<br />
Oder über Schenck Process in<br />
den Anlagenbau. Und dabei das qualitative<br />
Profil geschärft, denn die ehemalige<br />
GRS erledigt auch besonders<br />
komplexe Aufgaben. Der Standort<br />
Darmstadt mit seinen logistischen Vorteilen<br />
im Schenck Industriepark wird<br />
beibehalten mit Blick auf die Geschäftsbeziehungen<br />
zu Siemens im<br />
nahen Frankfurt. Die Fertigungen von<br />
Karl und GRSergänzten sich, heißt es.<br />
Zudem sei es nun einfacher, Kapazitätsengpässe<br />
auszugleichen. Photovoltaik,<br />
wo GRSfür Conergy nicht unproblematische<br />
Millionenaufträge abwickelte,<br />
gehört aber nicht mehr zum<br />
Portfolio.<br />
WoranGRS denn gescheitert ist? Bei<br />
dieser Frage hält man sich nicht lange<br />
auf. Belässt es bei Allgemeinem. Dass<br />
das Kaufmännische unterbelichtet war,<br />
Controlling gefehlt hat, zu viel Unproduktives<br />
an Bord war. Derzeit ist man<br />
dort bis Ende Juni ausgelastet, der Ordereingang<br />
ist gut. Auch skeptische Lieferanten<br />
wurden zurückgewonnen, obwohl<br />
dazu viel Überzeugungsarbeit geleistet<br />
werden musste. Die Fertigung<br />
wurde umgekrempelt, fast täglich ist<br />
man beim neuen Familienmitglied in<br />
Darmstadt. Man, das ist die Alleingesellschafterin<br />
Karl oder einer ihrer<br />
„Buben“: Prokurist Michael Geissner<br />
(36) oder Produktionsleiter Horst Arras<br />
(54). Da nimmt man die 25 Kilometer<br />
einfache Streckeanden Woog gerne in<br />
Kauf, um voranzukommen.<br />
Dieses schlanke Konstrukt an der<br />
Spitze garantiert hohe Flexibilität und<br />
kurze Wege bei zugleich viel Teamgeist.<br />
Wenn es den nicht ohnehin gäbe,<br />
würden ihn die Räumlichkeiten in der<br />
Reichelsheimer Hochstraße bedingen:<br />
Zwei kleine Büros links und rechts<br />
gleich hinter der gläsernen Eingangstür.<br />
Damuss man zusammenrücken.<br />
Sogar im angrenzenden Privathaus<br />
von Karl wird produziert. Und dennoch<br />
ist ein Standortwechsel kein Thema.<br />
Denn der Betrieb ist ohnehin dezentral<br />
aufgestellt. Kundennähe wird<br />
hier besonderswörtlich genommen. In<br />
Groß-Umstadt bei der Firma Messer<br />
Cutting und Welding wurden vor Ort<br />
Räume angemietet, um Steuerungen,<br />
Schaltschränke und Kleinteile nach<br />
Kundenvorgabe herzustellen. Bei der<br />
ABB AG in Hanau/Großauheim verkabeln<br />
seit 2004 rund 30 Frauen und<br />
Männer Schaltanlagen, produzieren<br />
Baugruppen und Strommodule. Die<br />
Schaltschränkefür diesen Kunden, bei<br />
dem Karl erster Lieferant ist, stammen<br />
aus dem Werk Gumpen, einem Ortsteil<br />
von Reichelsheim. Zwischen den einzelnen<br />
Standorten erfolgt ein reger<br />
Personalaustausch, je nachdem wo<br />
wieviel zu tun ist. Kontinuierliche<br />
Schulung ist da nötig, das niedrige<br />
Durchschnittsalter vonrund 30 Jahren<br />
hilft dabei. Dass Rosemarie Karl bei<br />
der Wahl der Auszubildenden bewusst<br />
Hauptschülern mit ansonsten<br />
„schlechten Chancen in der Industrie“<br />
eine Chance gibt, ist kein Widerspruch<br />
dazu. Und eigentlich haben wir so etwas<br />
auch erwartet. Dass durch die<br />
Konzerne die Produkte zu 90 Prozent<br />
indirekt meist im Export landen, überrascht<br />
da mehr. Odenwälder Elektrotechnik<br />
àlaKarl findet sich deshalb in<br />
Indien, Russland oder Abu Dhabi. Hin<br />
und wieder müssen Mitarbeiter deshalb<br />
vor Ort sein.<br />
Wenn als Folge der GRS-Transaktion<br />
schon mal öfter das Telefon bei Rosemarie<br />
Karl klingelt und weitere Firmen<br />
angedient werden, weil die dicht<br />
besetzte Branche gerade eine Konsolidierung<br />
durchläuft – beschleunigt<br />
durch die Krise –,bringt das die Geschäftsführerin<br />
nicht aus der Fassung.<br />
Aber an Übernahmen denkt sie momentan<br />
nicht, wiewohl sie sich in die<br />
jeweilige Situation „hineinzufühlen“<br />
versucht, keine Schadenfreude empfindet.<br />
Dazu geht heutzutage im Wirtschaftsleben<br />
vieles viel zu schnell.<br />
Zwölf Millionen Umsatz<br />
vorAugen<br />
Nach einem Umsatz von8,0 Millionen<br />
Euro (2008: 9,5 Millionen) sollen 2010<br />
konservativ geschätzt elf bis zwölf Millionen<br />
2010 mit zehn Kunden herauskommen.<br />
Damit habe man eine gute<br />
Betriebsgröße.Vor allem verdient man<br />
Geld, was heute nicht die Regel ist.<br />
Zahlen bleiben unter Verschluss. Verständlich.<br />
Karl sagt aber: „Der Gewinn<br />
war sehr gut.“ Welche Kollege würde<br />
derlei so ehrlich äußern? Richtig. Niemand.<br />
Dass man ohne Tarifbindung<br />
unterwegs ist bei einer Arbeitszeit zwischen<br />
37,5 und 40 Wochenstunden,<br />
dürfte wegen des engen Arbeitsmarktes<br />
nicht der Rendite-Hauptgrund sein.<br />
Zumal es seit vier Jahren eine Gewinnbeteiligung<br />
gibt. Zuvor werden mittels<br />
eines Punktesystems Qualität der Arbeit,<br />
Qualifikation und andereParameter<br />
zu einer Bewertung verdichtet.<br />
Durchgehende Qualität (ISO 9001 zertifiziert),<br />
gute Preise und hohe Reaktionsgeschwindigkeit<br />
sind bei alldem<br />
die betriebliche Basis.<br />
Weil Stillstand Rückschritt ist in der<br />
Wirtschaft, denkt Karl gleichwohl an<br />
weitere Betätigungsfelder. Klima- und<br />
Schwimmbadtechnik etwa, Umwelttechnik<br />
oder Labormedizin. Oder Komplettlösungen<br />
und Engineering-Leistungen.<br />
Die kluge Frau baut eben vor.<br />
Schließlich ist sie für viele Menschen<br />
und Familien verantwortlich, weil Karl<br />
Elektronik zu den drei größten Arbeitgebern<br />
in Reichelsheim gehört. Und ihre<br />
Chefin irgendwie eine Botschafterin<br />
ist –für den Odenwald, für Frauen in<br />
Führungspositionen, noch mehr freilich<br />
für Unternehmertum alter Prägung<br />
mit starken sozialen Wurzeln und abseits<br />
des schnellen Geldes. Berechenbar.<br />
Nachhaltig. Das macht das Ganze<br />
doppelt sympathisch. Und deshalb bislang<br />
so erfolgreich?
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 11<br />
Zwischen Rock ’n’Roll und Business<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
G&G Eventmarketing GmbH – Mit dem Schlossgrabenfest haben sich Gutfried und Grossmann einen Namen gemacht –<br />
Firmenveranstaltungen und Kreativ-Marketing als zweites Standbein –Türöffner Telekom und Wella<br />
VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />
Es waren einmal zwei musikbegeisterteDarmstädter,die<br />
hatten einen Traum.<br />
Sie wollten Bands der regionalen<br />
Musikszene auf eine möglichst<br />
große Open-Air-Bühne stellen.<br />
Die Darmstädter <strong>Macher</strong>: Thiemo<br />
Gutfried (30) und Frank Friedrich<br />
Grossmann (41). Der Traum, der<br />
Wirklichkeit wurde: Das Darmstädter<br />
Schlossgrabenfest, das gerade<br />
wieder Ende Mai die Innenstadt<br />
rund um das Residenzschloss<br />
in Hessens größtes Rockfestival<br />
verwandelt hat. Dafür haben<br />
sie 1997 die Agentur G&G<br />
Eventmarketing gegründet, die<br />
schnell eine GmbH wurde.<br />
Begonnen hat alles 1999 mit<br />
zwei Bühnen, gemeinsam mit<br />
Freunden und ehrenamtlichen<br />
Helfern haben Gutfried und<br />
Grossmann das Festival aufgezogen.<br />
Respekt dem Jungunternehmertum<br />
–Gutfried hatte zwei Wochen<br />
zuvor erst seine Abiturprüfung<br />
gemeistert. 60 000 Besucher<br />
kamen zum Einstand, inzwischen<br />
sind 400 000 nicht selten. Die Organisationskosten<br />
beziffert Gutfried<br />
auf 1,2 Millionen Euro, sie<br />
kommen vor allem durch Sponsorenverträge<br />
und über die Lizenz<br />
für die Gastronomie wieder<br />
herein. Längst ist die Organisation<br />
ein Jahresjob für die Agentur<br />
mit zehn festen Mitarbeitern.<br />
Aber es ist nur einer von vielen:<br />
Die Spezialisten für Event-Marketing<br />
inszenieren Betriebsfeste,<br />
planen Golfturniere, vermitteln<br />
Künstler und organisieren die<br />
ganze Palette solcher Betriebsausflüge,<br />
die Mitarbeiter zusammenschweißen<br />
sollen. Das VIP-<br />
Arrangement bei einem Formel-<br />
Thiemo Gutfried und Frank Friedrich Grossmann<br />
Der Diplom-Medienwirt Thiemo Gutfried<br />
(30, links) ist in Wiesbaden geboren<br />
und in Darmstadt aufgewachsen.<br />
Schon zwei Jahrevor seinem Abitur an<br />
der Lichtenbergschule hat er im Jahr<br />
1997 mit seinem Geschäftspartner<br />
Frank Friedrich Grossmann die Agentur<br />
G&G Eventmarketing gegründet.<br />
Gutfried liebt Skifahren und Städtereisen.<br />
Lieblingsstadt: Darmstadt.<br />
Doch gleich danach kommen Hamburg,<br />
Berlin und Wien. An seinem<br />
Partner Grossmann schätzt er: dessen<br />
Offenheit und den ungebrochenen Optimismus.<br />
[Personen]<br />
1-Rennen findet sich ebenso im<br />
Katalog wie Rafting auf reißenden<br />
Flüssen.<br />
Die Telekom gehörte zu den<br />
ersten großen Kunden, erinnert<br />
sich Gutfried: Sein Team organisierte<br />
die Weihnachtsfeier, setzte<br />
die Eröffnung von T-Punkt-Filialen<br />
ins rechte Licht der Öffentlichkeit.<br />
„Das war ein wichtiger Türöffner“.<br />
Öffner zum gehobenen<br />
Veranstaltungsmanagement für<br />
Firmenkunden. Dass sie in T-Shirt<br />
und Lederjacke ein Rockfestival<br />
aus dem Boden stampfen können,<br />
hatten die quirligen Jungspunde<br />
bewiesen. Dass sie auch im Anzug<br />
auf dem Wirtschaftsparkett eine<br />
gute Figur machen, das halfen die<br />
Telekom und einst auch Wella zu<br />
etablieren. „Zwischen Rock ’n’<br />
Roll und Business“, beschreiben<br />
Gutfried und Grossmann seither<br />
ihre Arbeitswelt und Leidenschaft.<br />
Die Agentur G&G hat sich<br />
inzwischen ganz auf nichtöffentliche<br />
Veranstaltungen und Kreativmarketing<br />
spezialisiert. 150<br />
Veranstaltungen im Jahr, 1,3 Millionen<br />
EuroUmsatz, das sind Eckdaten<br />
des Geschäfts. Von der<br />
Wirtschaftsflaute hätten sie per-<br />
Der Kaufmann Frank Friedrich Grossmann<br />
(41, rechts), kurz „Freddy“, war<br />
vor seiner Zeit bei G&G bereits Eventgastronom<br />
und Konzertveranstalter. Er<br />
bezeichnet sich selbst als Mann der Praxis<br />
und ist gerichtlicher Sachverständiger<br />
für Veranstaltungswesen und der<br />
Mann für alle rechtlichen Fragen der<br />
Agentur.<br />
Er ist begeisterter Fußballfan, liebt<br />
das Skifahren. Sein größtes Glück: Sohn<br />
Luca (acht Monate). „Der soll den Laden<br />
hier mal schmeißen“, sagt Grossmann<br />
und lacht. Der Patenonkel? Klar,<br />
Thiemo Gutfried, „das ist Ehrensache“.<br />
Grossmann schätzt dessen Bodenständigkeit,<br />
das Organisationstalent und die<br />
stetige Ruhe in hitzigen Diskussionen.<br />
sönlich wenig gespürt, sie blickten<br />
auf ihr stärkstes Jahr zurück.<br />
„Wir haben Glück, unsere Kunden<br />
haben nicht gespart“, sagt<br />
Gutfried und glaubt an den soliden<br />
Branchenmix der Agentur:<br />
„Wir haben zum Beispiel keine<br />
Kunden aus der gebeutelten Autoindustrie“.<br />
Musikgeschäft<br />
ausgelagert<br />
Für das Marketing und Management<br />
öffentlicher Veranstaltungen,<br />
wie für das Schlossgrabenfest,<br />
haben die Jungunternehmer im<br />
Jahr 2005 eigens die Stage Groove<br />
Festival GmbH gegründet, das Musikgeschäft<br />
ausgelagert. Es wareine<br />
strategische Entscheidung, die<br />
Sparten zu trennen. Die Geschäftsführer<br />
und die Mitarbeiter sind<br />
identisch. Doch Stage Groove steht<br />
fortan für Rock ’n’ Roll und G&G<br />
eben für das ganz seriöse Business:<br />
Barfuß oder Lackschuh, Lederjackeoder<br />
Anzug.<br />
Bleiben wir beim Business.<br />
G&G inszenieren Marken, Produkte<br />
und Dienstleistungen, heißt<br />
es in der eigenen Image-Broschüre.Sie<br />
wollen emotional erlebbare<br />
Situationswelten schaffen. Von<br />
erfolgreichem Beziehungsmanagement<br />
zu Kunden ist da zu lesen<br />
und von „fühlbaren Markenbildern,<br />
profilscharfer Positionierung<br />
und verkaufsfördernder Bekanntheitsgradsteigerung“.<br />
Waskann man sich darunter<br />
vorstellen? „Kochevents für das<br />
Verlagshaus Axel Springer an den<br />
Standorten Frankfurt, Düsseldorf<br />
und Hamburg zum Beispiel“, erklärt<br />
Gutfried. Die Bickenbacher<br />
Bio-Markt-Kette Alnatura gehöre<br />
ebenso zu den treuen Kunden.<br />
Größter Auftrag im Vorjahr: Die<br />
Unternehmensfeier zum 25. Firmenjubiläum.<br />
G&G haben das Alnatura-Verteilzentrum<br />
in Lorsch<br />
zur Partyhalle umfunktioniert,<br />
grüne Luftballons zierten den<br />
Weghinein. Der Rest sei Betriebsgeheimnis.Auch<br />
der Darmstädter<br />
Energieanbieter HSE habe über<br />
Jahre zu den Kunden gezählt:<br />
Sommerfeste,ein Golfturnier und<br />
der „Tag des Wassers“ haben die<br />
kreativeHandschrift vonGutfried<br />
und Grossmann getragen. Der<br />
Pharma- und Chemiekonzern<br />
Merck und die Darmstädter Spar-<br />
kasse greifen regelmäßig auf G&G<br />
zurück. Ihr aufwendigstes Projekt<br />
aller Zeiten: ein Ball des Sports in<br />
Wien im Jahr 2005.Eine Produktvorstellung<br />
von Wella hatte die<br />
Agentur zuvor zu einem Projekt<br />
an die Donau verschlagen. Der<br />
örtliche Caterer hatte sich an G&G<br />
erinnert und die Darmstädter erneut<br />
ins Spiel gebracht. Bis zu 300<br />
flexible Aushilfen finden sich am<br />
Ende eines Jahres stets auf der<br />
Lohnliste der Agentur. Die Datei<br />
werde gut gepflegt, die flexiblen<br />
Teams seien eine der Stärken.<br />
Und wer sich neulich am 16.<br />
Mai über das Meer aus Gummi-<br />
Entchen auf<br />
dem Main bei<br />
Frankfurt ge-<br />
wundert hat:<br />
Auch hier hatten<br />
G&G ihr Organisationstalent<br />
im Spiel –<br />
rein ehrenamtlich<br />
für den guten<br />
Zweck. Der<br />
Frankfurter Lions-Clubtrommelte<br />
zu Gunsten<br />
mehrerer<br />
sozialer Einrichtungen<br />
in<br />
Frankfurt zum<br />
„Duck Race“.<br />
Firmen und Privatleute<br />
konnten Enten mit Losnummern<br />
kaufen und sie am Eisernen<br />
Steg aufs Rennen zum Holbeinsteg<br />
schicken. Die schnellste<br />
„Quakquak“ entschied über eine<br />
Reise auf die Malediven.<br />
Kommunikationsziel<br />
steht obenan<br />
Surftipp<br />
von Thiemo Gutfried und<br />
Frank Friedrich Grossmann<br />
www.gug-marketing.de<br />
Von der Veranstaltungsidee bis<br />
zur Versorgung mit dem Caterer<br />
oder der Vermittlung von Künstlern<br />
reicht die Leistung von G&G.<br />
„Wir arbeiten stark konzeptionell,<br />
sind kreativ und erfüllen das<br />
Kommunikationsziel“, erklärt<br />
Gutfried überzeugt. Denn jede<br />
Feier oder Werbeaktion habe<br />
schließlich ein Kommunikationsziel.<br />
Sei es, dass sich Mitarbeiter<br />
mit dem Unternehmen stärker<br />
identifizieren oder Produkte vermehrt<br />
gekauft werden. Und eben<br />
dafür gebe es Profis.Gutfried und<br />
Grossmann haben die Professionalisierung<br />
ihres jungen Berufs<br />
als Autodidakten der ersten Stunde<br />
miterlebt und mitgestaltet.<br />
Denn erst seit 2003 sei der Lehrberuf<br />
Veranstaltungskaufmann an<br />
der Industrie- und Handelskammer<br />
Darmstadt institutionalisiert.<br />
Gutfried sitzt seit Beginn im Prüfungsausschuss,<br />
ist heute dessen<br />
Vorsitzender.Erentscheidet unter<br />
anderem darüber, welchen Quereinsteigern<br />
mit besonderer Praxiserfahrung<br />
und Vorbildung das<br />
Berufszertifikat verliehen werden<br />
kann und setzt damit die Maßstäbe<br />
für seinen Berufsstand mit.<br />
Auch an Hochschulen sei das<br />
Eventmanagement ein recht junges<br />
Studienangebot, sagt Gutfried.<br />
Darum habe er selbst noch<br />
Medienwirtschaft an der Fachhochschule<br />
Wiesbaden studiert,<br />
weil es seinem Wunsch zumindest<br />
nahe kam.<br />
Leger geht es zu im Büro von<br />
Thiemo Gutfried und Frank Friedrich<br />
Grossmann. Noch tüfteln sie<br />
in einem Altbau am Riegerplatz,<br />
darunter eine Kneipe. Eswird zu<br />
eng, im August zieht die Agentur<br />
in die Erbacher Straße. Grossmann<br />
und Gutfried bezeichnen<br />
sich scherzhaft als „altes Ehepaar“,<br />
schließlich arbeiten die<br />
freilich jungen <strong>Macher</strong> schon dreizehn<br />
Jahregemeinsam. Sie sitzen<br />
sich gegenüber,haben Spaß,freuen<br />
sich über die „schlanken Strukturen<br />
ohne Blähbauch“, es wird<br />
sich geduzt und gern hessisch gebabbelt.<br />
Plakate vom Schlossgrabenfest<br />
an den Wänden, AC/DC<br />
steht auf einem Autokennzeichen<br />
an der Wand. Vieles sieht mehr<br />
nach Rock ’n’ Roll aus, als nach<br />
feinem Business, aber sie können<br />
auch anders.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 12<br />
Die Messe<br />
NurBauklötzchen<br />
funktionieren überall<br />
Bildungswirtschaft –Mit dem Didacta-Bundesverband<br />
hat eine ganz besondereBranche ihreInteressenvertretung in Darmstadt<br />
VON NINA VOIGT<br />
InDeutsch und Mathe sind die<br />
Unterschiede extrem. Jedes<br />
Bundesland in Deutschland<br />
hat einen anderen Lehrplan in diesen<br />
Fächern. Für die Schulbuchverlage<br />
bedeutet das: 16 verschiedene<br />
Lehrbücher in verhältnismäßig<br />
kleinen Auflagen. Und ständig<br />
eine Landtagswahl, die wieder<br />
Veränderungen für die Bildungslandschaft<br />
bedeuten kann. Neue<br />
inhaltliche Schwerpunkte zum<br />
Beispiel, aber auch mehr oder weniger<br />
Geld. Meistens weniger.<br />
Kaum eine andere Branche in<br />
Deutschland ist so sehr von den<br />
politischen Verhältnissen abhängig<br />
wie die Bildungswirtschaft.<br />
„Wir können nicht langfristig planen,<br />
sondern müssen in Wahlperioden<br />
denken“, erklärt Reinhard<br />
Koslitz, Geschäftsführer des Bundesverbands<br />
Didacta in Darmstadt.<br />
Die Hersteller von Unterrichtsmedien<br />
sind davon am<br />
stärksten betroffen. Aber auch<br />
Schulmöbelbauer und Spielzeugproduzenten,<br />
Softwareanbieter<br />
und Laborausstatter bekommen<br />
es schnell zu spüren, wenn Lan-<br />
„Didacta –Die Bildungsmesse“ ist die zentrale<br />
deutsche Fachveranstaltung für alle, die mit Bildung<br />
zu tun haben. Der Didacta-Verband als ideeller<br />
Träger arbeitet hierfür eng mit dem VdS Bildungsmedien<br />
aus Frankfurt zusammen, einst Verband<br />
der Schulbuchverlage. 850 Unternehmen<br />
stellten zuletzt im März 2010 in Köln ihreProdukte<br />
und Dienstleistungen vor, vonVerlagen über Anbieter<br />
vonKlassenfahrten und Schulspeisung bis<br />
hin zu Möbelherstellern, Textilunternehmen und<br />
privaten Nachhilfeinstituten. Der Bereich Schule<br />
ist am stärksten vertreten, gefolgt vonKindergar-<br />
[Hintergrund]<br />
despolitiker Mittel kürzen. Sie alle<br />
sind im Didacta-Verband organisiert,<br />
der sich für den Einsatz qualitativ<br />
hochwertiger Lehrmittel<br />
und Ausstattung stark macht und<br />
sich auch auch in Bildungsdebatten<br />
einmischt. Der Staat ist ihr<br />
größter Kunde.<br />
Zumindest bisher.Denn der öffentlichen<br />
Hand geht das Geld<br />
aus. Wenn es um höhere Ausgaben<br />
für die Bildung geht, seien<br />
immer nur mehr Lehrer und Erzieher<br />
für Schulen und Kindergärten<br />
gemeint, bemängelt Koslitz. Die<br />
Qualität der Schulbücher sei zwar<br />
sehr gut in Deutschland. Sachmittel<br />
blieben dennoch häufig auf der<br />
Strecke, neue Lernmaterialien<br />
würden nicht angeschafft, alte<br />
Schulbücher endlos weiter benutzt.<br />
Das ist nicht unbedingt<br />
neu: Nach dem Zusammenbruch<br />
der Sowjetunion und dem Ende<br />
der DDR haben noch Generationen<br />
von Schülern das geteilte<br />
Deutschland in ihren Atlanten vor<br />
Augen gehabt. Doch im digitalen<br />
Zeitalter veralteten Lehrbücher<br />
schneller, während die Schüler<br />
bei der Nutzung elektronischer<br />
Geräte an ständig neue Updates<br />
FOTO: DIDACTA<br />
gewöhnt seien, mahnt Koslitz. „Es<br />
wirdimmer ein klassisches Schulbuch<br />
geben“, sagt der 53-jährige,<br />
„aber die Laufzeiten vonBüchern<br />
sind zu lang.“ Manche Verlage<br />
stellen sich darauf ein: Der berühmte<br />
Diercke-Atlas etwa<br />
kommt heute mit Online-Schlüssel<br />
zu zusätzlichen Angeboten im<br />
Internet daher.<br />
Staat lässt viele<br />
finanzielle Lücken<br />
Die finanzielle Lücke, die der<br />
Staat vielerorts hinterlässt, füllen<br />
Sponsoren, private Initiativen<br />
und immer häufiger die Familien.<br />
„Heute müssen Elternverbände<br />
Batterien für Geräte kaufen, weil<br />
kein Geld dafür da ist“, so die Erfahrung<br />
von Koslitz. Gleichzeitig<br />
kümmerten sich die Eltern insgesamt<br />
mehr um die Bildung ihrer<br />
Kinder. Privatschulen seien deshalb<br />
ebenso auf dem Vormarsch<br />
wie Nachhilfeinstitutionen. Der<br />
Besucherkreis der Bildungsmesse<br />
Didacta, der zentralen Veranstaltung<br />
der Branche, erweitert sich<br />
dadurch immer mehr. Die Fachmesse,<br />
die der Didacta-Verband<br />
jährlich organisiert, ist bekannter<br />
als der Verband selbst. Das ganze<br />
Jahr über ist Koslitz, der in Griesheim<br />
lebt, als politischer Lobbyist<br />
in Sachen Bildung unterwegs. Im<br />
direkten Kontakt zu politischen<br />
Entscheidungsträgern in den Ministerien<br />
setzt er sich für Reformen<br />
im Schulwesen und mehr individuelle<br />
Förderung ein, spricht<br />
mit Unternehmen und Arbeitgeberverbänden<br />
über die Bedeutung<br />
frühkindlicher Bildung,<br />
Krippenplätze und Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf. Auf der<br />
Messe erntet der gelernte Bankkaufmann<br />
die Früchte seiner Aktivitäten<br />
während des Jahres.<br />
Zwischen dem hehren Anspruch,<br />
für gute Bildung in<br />
Deutschland zu sorgen, gleichzeitig<br />
aber auch Bücher, Software<br />
und Möbel verkaufen zu wollen,<br />
sieht Koslitz keinen Widerspruch.<br />
Immerhin kümmere sich der Verband<br />
ja auch um die Weiterbildung<br />
der Lehrer,die nach wie vor<br />
den Großteil der Messebesucher<br />
stellen. Die Messe fungiert hier<br />
auch als Kongress und Fachtagung:<br />
In einer Woche Didacta in<br />
Köln haben im März 25 000 Päd-<br />
agogen 1600 Seminare und Vorträge<br />
besucht. „Das ist auch ein<br />
finanzieller Aufwand, den wir als<br />
Verband betreiben“, so Koslitz.<br />
Der ehrgeizige Lehrer,der sich<br />
auf Messen über neue Trends und<br />
Lehrmethoden informiert und<br />
nach innovativem Unterrichtsmaterial<br />
stöbert, bestimmt nicht gerade<br />
das Image der Pädagogen in<br />
Deutschland. Koslitz jedoch hat<br />
ein positives Bild vom Personal<br />
der deutschen Schulen: „Die<br />
meisten sind bestrebt, ihren Job<br />
gut zu machen“, sagt er. Auf der<br />
Messe sehen sie, was möglich ist<br />
in ihrem Job und waskünftig eine<br />
Rolle spielen wird, zum Beispiel<br />
im Hinblick auf die Einbindung<br />
ten und Aus- und Weiterbildung für Pädagogen.<br />
Die Messe findet abwechselnd in Köln, Stuttgart<br />
und Hannoverstatt, um die ganze Republik abzudecken,<br />
weil sich herausgestellt hat, dass Lehrer<br />
nicht weiter als 300Kilometer anreisen. Ausrichter<br />
ist jeweils die Messegesellschaft. Die Veranstaltung<br />
in Köln ist die mit 110000 Besuchern die<br />
größte,nach Stuttgart kommen im Schnitt 90 000<br />
Besucher,nach Hannover75000. Im Rahmenprogramm<br />
der Messe gibt es Fortbildungsangebote<br />
und Workshops zu Didaktik, Medienkompetenz<br />
oder E-Learning für Lehrer und Angestellte im<br />
Bildungswesen. An den beiden großen Standorten<br />
erwirtschaftet die Didacta Messe GmbH damit<br />
im Schnitt einen Umsatz vonvier Millionen Euro.<br />
ReinhardKoslitz FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Der Verband<br />
Der „Didacta – Verband der Bildungswirtschaft“<br />
mit rund 200 Mitgliedern<br />
hat seinen Sitz seit 1992 in<br />
Darmstadt in der Rheinstraße. Präsident<br />
ist Professor Wassilios E. Fthenakis.GeschäftsführerReinhardKoslitz<br />
ist mit sechs Mitarbeitern für die<br />
Organisation der Fachmesse Didacta,<br />
Unterstützung der Mitglieder,Öffentlichkeits-<br />
und Lobbyarbeit zuständig.<br />
Der Verband besteht seit 90 Jahren<br />
und feiert das Jubiläum im Juni<br />
mit einem großen Fest in Darmstadt.<br />
Er ist aus dem Bund der Lehrmittelverleger-<br />
und -fabrikanten hervorgegangen,<br />
hieß später Deutscher Didacta<br />
Verband und seit 2004 nur<br />
noch Didacta Verband e.V..Anfangs<br />
gab es eine Lehrmittelmesse, dann<br />
die beiden Veranstaltungen Didacta<br />
und Interschul des Konkurrenz- und<br />
Partnerverbands VdS Bildungsmedien.<br />
Seit 1997 laden beide gemeinsam<br />
ein, inzwischen heißt die Messe nur<br />
noch Didacta. 2000 wurde der Bereich<br />
Kindergarten und Vorschule integriert.<br />
[Infobox]<br />
der neuen Medien in den Unterricht.<br />
In diesem Bereich tut sich<br />
viel, angefangen bei den interaktiven<br />
White Boards,die nach und<br />
nach die herkömmlichen Tafeln<br />
ablösen sollen bis hin zu digitalen<br />
Lernspielen für Computer,Konsole<br />
oder Mobiltelefon, die gleichzeitig<br />
bilden und unterhalten. Die<br />
Branche, fasst es Koslitz zusammen,<br />
ist auf der Suche nach Unterrichtsformen,<br />
die Schülern und<br />
Lehrern Spaß machen.<br />
Bis zu sechs Messen<br />
im Ausland proJahr<br />
Und zwar nicht nur in Deutschland:<br />
Auffünf bis sechs Auslandsmessen<br />
pro Jahr ist Koslitz mit<br />
dem Didacta-Verband und Mitgliedern<br />
vertreten, zuletzt war er<br />
in Dubai, Indien und Shanghai,<br />
nächstes Jahr ist Kuweit dran.<br />
Großes Vorbild ist allerdings die<br />
Bett-Show inEngland, die größte<br />
Messe für Informations- und<br />
Kommunikationstechnik im Bildungswesen.<br />
Der riesige englischsprachige<br />
Markt ist dem deutschen<br />
häufig einen Schritt voraus,<br />
was technische Entwicklungen<br />
und Multimedia-Anwendungen<br />
im Klassenzimmer angeht. Doch<br />
auch deutsche Produkte sind gefragt<br />
im Ausland. Vorallem die<br />
Didacta-Mitgliedsunternehmen<br />
aus dem naturwissenschaftlichtechnischen<br />
Bereich, etwa Laborausstatter,<br />
sind im Exportgeschäft<br />
stark. Abnehmer sind insbesondere<br />
die arabischen Emirate.„Dort<br />
wirdgerade viel Geld für<br />
Bildung ausgegeben“, weiß Koslitz.<br />
Auch im Vorschulbereich gibt<br />
es keine Sprachbarriere: „Mit<br />
Bauklötzen kann man überall<br />
spielen.“
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 13<br />
Geld & Finanzen<br />
Seite 16<br />
Anonyme Insolvenzler<br />
Attila von Unruh, lange erfolgsverwöhnter<br />
Unternehmer, hat nach<br />
der Pleite eine Selbsthilfegruppe<br />
für Betroffene gegründet.<br />
»Wer seine Schweißtropfen zählt,<br />
wird nie sein Geld zählen«<br />
Christian Friedrich Hebbel, deutscher Dramatiker und Lyriker<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
Seiten 14 +15<br />
Die andereBank<br />
Das 336 Jahre alte Frankfurter<br />
Bankhaus Metzler verkörpert<br />
Kernwerte des Geldgeschäftes:solide,gewissenhaft,<br />
nachhaltig.<br />
Seite 17<br />
SchwereZeiten<br />
Geld anlegen macht derzeit<br />
wenig Spaß.Das Pulver trocken<br />
halten, ist sicher nicht<br />
falsch. Auf alle Fälle Hände<br />
wegvon langen Laufzeiten.<br />
Seite 18<br />
Richtig rechnen<br />
Fonds über die Börse zu kaufen,<br />
muss nicht unbedingt<br />
günstiger sein. Viele Gesellschaften<br />
haben Angebote<br />
ohne Ausgabeaufschlag.<br />
Seite 20<br />
Nomen est omen<br />
Wohlklingende Straßennamen<br />
sind bei Immobilien<br />
nicht ganz unwichtig. Danach<br />
folgt freilich nur eines:<br />
Lage,Lage,Lage.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 14<br />
Bankhaus Metzler –<br />
Seit 336 Jahren unabhängig aus Prinzip –<br />
Reine Beraterbank ohne Kreditgeschäft –<br />
„Wir stehen für Aktien, Renten und Cash“<br />
VON BRUNO HIDDING<br />
Ein Bankhaus,das viele Jahre<br />
auf die Entwicklung des<br />
deutschen Kapitalmarktes<br />
–nach dem zweiten Weltkrieg –<br />
gewartet hat: kaum zu glauben.<br />
Ein Bankhaus,das seinen Kunden<br />
das langsame Geld verspricht:<br />
wer geht denn dahin? Ein Bankhaus,<br />
das Analysten mit gutem<br />
Charakter sucht: ist das nicht<br />
rückständig? Ein Bankhaus, das<br />
nur die zu ihm passenden Kunden<br />
akzeptiert: ist das nicht überheblich?<br />
Und doch gibt es das alles<br />
beim alteingesessenen Frankfurter<br />
Bankhaus B. Metzler seel.<br />
Sohn &Co.. Und das merkwürdige<br />
daran ist, es ist alles sogar<br />
glaubhaft, es wird wirklich so gelebt.<br />
Und es lebt gut, das Bankhaus.<br />
Aber das war nicht immer so,<br />
weiß Bankier Friedrich vonMetzler,<br />
Mitglied des achtköpfigen<br />
Partnerkreises des Bankhauses zu<br />
berichten. Gemeint sind dabei<br />
nicht die 336 Jahre seit der Gründung<br />
als Tuchhandel im Jahre<br />
1674 in Frankfurt, sondern eher<br />
In Asien wachen die bevölkerungsreichsten<br />
Länder der Welt auf. Davon<br />
können Europa und besonders die Bundesrepublik<br />
profitieren, meint Friedrich<br />
von Metzler, Partner und Namensträger<br />
des Frankfurter Bankhauses B. Metzler<br />
seel. Sohn &Co. Wenn es in Ländern wie<br />
China, Indien oder aber Brasilien keine<br />
sozialen Unruhen gäbe,die derzeit nicht<br />
zu erkennen seien, könnte es in diesen<br />
die ersten Jahrzehnte nach dem<br />
zweiten Weltkrieg. Das Bankhaus<br />
hat lange gewartet, bis sich der<br />
deutsche Kapitalmarkt einigermaßen<br />
entwickelt hatte,also wieder<br />
eine Basis für ihr angestammtes<br />
Beratungsgeschäft –und eine<br />
entsprechende, vermögende Klientel<br />
–vorhanden war. Eine bewusste<br />
Entscheidung war, bei<br />
Metzler auf das Kreditgeschäft<br />
oder den Eigenhandel in Aktien<br />
zu verzichten, weil das nicht zur<br />
Struktur einer modernen Privatbank<br />
passe. DaMetzler aber nur<br />
Geschäfte macht, die zu seiner<br />
Struktur passen, entwickelte sich<br />
das Geschäft erst später mit der<br />
zunehmenden Reife und Bedeutung<br />
des deutschen Kapitalmarktes.<br />
Jetzt, beziehungsweise seit<br />
einigen Jahren, sieht Friedrich<br />
vonMetzler sein Bankhaus als Investment-<br />
und Vermögensverwaltungsbank<br />
im Kapitalmarktumfeld<br />
gut positioniert. „Wir<br />
sind jetzt in den Wachstumsbereichen<br />
des Bankgeschäftes zu Hause“.<br />
Und er sieht, dass sein Bankhaus,<br />
noch wichtiger aber viel-<br />
Spezialisten<br />
für das<br />
langsame Geld<br />
„Vor allem Deutschland<br />
profitiertvon Chinaund Indien“<br />
Regionen ähnlich wie in Deutschland<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg eine langdauernde<br />
wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung<br />
voneventuell 20 Jahren geben.<br />
Ähnlich sei die Situation in Osteuropa<br />
einzuschätzen, wobei Russland sicher<br />
ein Sonderfall sei.<br />
Vondiesen Entwicklungen werdeEuropa,<br />
besondersDeutschland als starkes<br />
Exportland, langfristig deutlich profitie-<br />
Bankier<br />
Friedrich von Metzler.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
ren. Vordiesem Hintergrund sieht er für<br />
deutsche Aktien durchaus noch einen<br />
Spielraum von zehn bis 15 Prozent bis<br />
Mitte 2011,wobei in dieser Aussage die<br />
sich zuspitzenden Bonitätsprobleme<br />
vonGriechenland &Co. sicher einen Unsicherheitsfaktor<br />
bilden. Für die asiatischen<br />
Märkte spreche, sodie Private-<br />
Banking-Spezialisten des Bankhauses<br />
Metzler, ein überproportionales Wirt-<br />
schafts- und Gewinnwachstum sowie eine<br />
vergleichsweise niedrige Verschuldung<br />
von Staat, Unternehmen und Privathaushalten.<br />
Abgerundet würde dieses<br />
positive Bild durch Leistungsbilanzüberschüsse,hohe<br />
Sparraten und mittelfristig<br />
günstige demografische Effekte.<br />
Zehnjährige Staatsanleihen der USA<br />
und Deutschlands hält Metzler-Private<br />
Banking für überbewertet. Anleihen mit<br />
leicht seine Kunden, aufgrund<br />
des konsequenten strategischen<br />
Langfristansatzes ausgesprochen<br />
gut durch die Krisen der letzten<br />
Jahre gekommen sind. Dazu hat<br />
eine gute Risikostreuung beigetragen.<br />
Motto: ein Drittel Aktien,<br />
ein Drittel Festverzinsliche Wertpapiere<br />
und ein Drittel in Cash.<br />
Letzteres kann je nach Einschätzung<br />
der Lage und der Mentalität<br />
des Kunden zu taktischen Investitionen<br />
eingesetzt werden. Dazu<br />
passt dann auch die an die Kunden<br />
gerichtete Aussage, dass das<br />
Bankhaus Spezialist für das langsame<br />
Geld sei. Soll heißen, langsam<br />
aber sicher,keine großen Risiken<br />
eingehen, keine Kurzfristzockereien,<br />
vielmehr mit einem<br />
international gut gestreuten Portfolio<br />
fahren, weil der Kunde damit<br />
am besten gegen Überraschungen<br />
abgesichert ist. Es werden<br />
keine Modetrends mitgemacht,<br />
keine Zertifikate in die Depots<br />
genommen, sondern nach<br />
intensiver sauberer Analyse die<br />
Depots langfristig strukturiert.<br />
Aber natürlich ständig überwacht.<br />
Viele vorbereitende<br />
Einzelgespräche<br />
Die jeweilige Strategie wirdinvielen<br />
vorbereitenden Einzelgesprächen<br />
zwischen dem Kunden und<br />
seinem Beraterteam sorgfältig abgestimmt.<br />
Wichtig dabei ist eine<br />
Gesamtanalyse aller Vermögens-<br />
kurzer bis mittlerer Laufzeit vonSchuldnern<br />
mit guter bis sehr guter Bonität,<br />
deren Anleihen auf Euro lauten und die<br />
einen Renditeaufschlag gegenüber<br />
Staatsanleihen bieten, werden hingegen<br />
weiter für attraktiv gehalten. Im Staatsanleihesegment<br />
wird empfohlen, den<br />
gestiegenen Inflationsrisiken mit inflationsindexierten<br />
Anleihen mittlerer Laufzeit<br />
zu begegnen.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 15<br />
teile des Kunden; auch solcher<br />
Vermögensteile wie beispielsweise<br />
das im eigenen Unternehmen<br />
gebundene Vermögen oder von<br />
Immobilien, die Metzler grundsätzlich<br />
nicht verwaltet. Schließlich<br />
ist das Wissen um diese Vermögensteile<br />
wichtig für eine optimale<br />
Risikostreuung des Gesamtvermögens.<br />
Die Bank erhält dann<br />
ein Mandat, das Vermögen des<br />
Kunden nach den getroffenen Absprachen<br />
zu managen. Diese klärenden<br />
Gespräche mit den Kunden<br />
finden im ersten und zweiten<br />
Jahr der Zusammenarbeit in der<br />
Regel häufiger statt; später richtet<br />
sich der Kontakt auch nach dem<br />
Wunsch des Kunden. Manche<br />
wollen aus Zeitmangel nur maximal<br />
zwei- bis viermal im Jahr kontaktiert<br />
werden. Allerdings werden<br />
in schwierigen Zeiten wie zuletzt<br />
die Kunden intensiver betreut,<br />
um sie zu informieren und<br />
die Strategie zu erläutern. Denn<br />
wesentlich ist, die einmal gewählte<br />
Strategie auch durchzuhalten.<br />
Doch passen nicht alle Kunden<br />
zu uns,sagt vonMetzler ohne Ironie,<br />
aber selbstbewusst. Wir verfolgen<br />
ganz eindeutig langfristig<br />
angelegte Strategien. Kommt nun<br />
ein Kunde mit spekulativ ausgelegtenKurzfriststrategiewünschen<br />
auf uns zu, dann müssen<br />
wir abwinken, dann passen wir<br />
nicht zusammen.<br />
In der Regel hat ein Depot dabei<br />
kaum mehr als 25 bis 30 Aktientitel.<br />
Auch bei den sogenannten<br />
Small Caps,also kleineren Unternehmen,<br />
tendiert Metzler regelmäßig<br />
zu Direktanlagen, sofern<br />
die Marktbreite des Papiers<br />
ausreicht. Fonds werden nur in<br />
besonderen Ausnahmefällen,<br />
zum Beispiel China-Anlagen, in<br />
die Kundendepots genommen,<br />
weil man nicht den Eindruck erwecken<br />
will, Metzler wolle seine<br />
eigenen Produkte verkaufen. Ansonsten<br />
wirdbei Anlagen in Euro-<br />
pa und auch den USA stets die<br />
Direktanlage in die Aktie bevorzugt.<br />
Das bedeutet auch, dass in<br />
diesem aktiven Managementansatz<br />
kein Platz für den Einsatz von<br />
ETFs (Exchange Traded Funds)<br />
ist.<br />
Die verschiedenen Teams aus<br />
den insgesamt 40 Beratern –in<br />
Gruppen über Deutschland verteilt<br />
–setzen sich aus erfahrenen<br />
Bankern und zunehmend auch<br />
Akademikern zusammen, die<br />
vielfach bereits 15 bis 20 Jahreim<br />
Hause sind. Die Fluktuation in<br />
diesem Bereich ist ausgesprochen<br />
gering. Das trägt dazu bei, dass<br />
der Kunde über längere Zeit immer<br />
den oder die gleichen Gesprächspartner<br />
hat. Wichtig ist<br />
von Metzler dabei die Feststellung,<br />
dass diese Berater nicht bonusgesteuert<br />
gegeneinander getrieben<br />
werden. Die Teammitglieder<br />
werden beurteilt nach dem<br />
Grad der Kundenzufriedenheit.<br />
Sicher ungewöhnlich ist in diesem<br />
Zusammenhang die Aussage von<br />
Metzlers, dass ganz wichtig für<br />
sein Haus ein guter Charakter des<br />
Beraterssei. Bleibt offen, wie dieser<br />
zertifiziert oder nachgewiesen<br />
werden kann.<br />
„Gute Arbeit leisten<br />
und wachsen“<br />
Wichtig ist von Metzler, dass in<br />
diesem Geschäftsfeld der Vermögensbetreuung<br />
die absolute Größe<br />
keine beziehungsweise nur eine<br />
untergeordnete Rolle spielt. Sicher<br />
müsse eine gewisse kritische<br />
Größe vorhanden sein, um für das<br />
Portfolio Management entsprechende<br />
IT-Lösungen und auch das<br />
Research bestreiten zu können.<br />
Doch dann gehe es darum, gute<br />
Arbeit zu leisten und zu wachsen.<br />
Die zuletzt viel diskutierte Honorarberatung<br />
ist im Bankhaus<br />
Metzler ein alter Hut. Das mache<br />
man immer schon, heißt es. Die<br />
B. Metzler seel. Sohn &Co. Holding AG<br />
Hauptsitz: Frankfurt am Main<br />
WeitereStandorte Inland:<br />
Hamburg, Köln/Düsseldorf, München,<br />
Stuttgart<br />
Ausland:<br />
Dublin, Los Angeles, Seattle, Tokio, Peking<br />
Profil/Geschäftsschwerpunkte:<br />
Investment- und Vermögensverwaltungsbank<br />
mit den Geschäftsfeldern Asset Management,<br />
Corporate Finance, Equities, Financial<br />
Markets und Private Banking<br />
Kundenzielgruppe:<br />
Unternehmen, institutionelle Auftraggeber,<br />
anspruchsvolle Privatkunden<br />
Mindestanlagebeträge (Private Banking):<br />
Vermögensverwaltung mit Einzeltitel ab drei<br />
Millionen Euro<br />
Bilanzsumme:<br />
3,4 Milliarden Euro (Bankengruppe 2008)<br />
Eigenkapital in Prozent der Bilanzsumme:<br />
ca. 15 Prozent<br />
Geschäftsvolumen: 3,4 Milliarden Euro<br />
Zahl der Mitarbeiter:<br />
In- und Ausland rund 750<br />
(wesentliche)Tochtergesellschaften<br />
(nach Geschäftsfeldern):<br />
� Private Banking, Equities und<br />
Financial Markets:<br />
B. Metzler seel. Sohn &Co. KGaA<br />
� Corporate Finance: B. Metzler GmbH<br />
� Asset Management:<br />
Metzler Asset Management GmbH<br />
� Fondsmanagement, Master KAG, Pension<br />
Management: Metzler Investment GmbH,<br />
Metzler/Payden, LLC<br />
� Vertrieb Metzler Publikumsfonds: Metzler<br />
Servicegesellschaft für Vertriebspartner mbH<br />
[Infobox]<br />
Bank verdiene überwiegend an<br />
der Vermögensverwaltungsgebühr;<br />
Provisionen und Kick Backs<br />
gebe es nicht. Man brauche also<br />
keine Umsätze, umGeld zu verdienen.<br />
Es sei ein identisches Interesse<br />
von Kunde und Bank.<br />
Wenn das verwaltete Vermögen<br />
steige,steige auch die Vermögensverwaltungsgebühr.<br />
Ausgesprochen zurückhaltend<br />
äußert sich Friedrich von Metzler<br />
zum Zahlenwerk und Erfolg des<br />
eigenen Hauses, das er in der elften<br />
Generation führt. Es gehe ihm<br />
gut, sagt er, umdann noch anzumerken,<br />
dass die Eigentümer und<br />
auch der Gesellschafterausschuss<br />
sehr wohl und detailliert über die<br />
Situation des Hauses informiert<br />
seien. Für die Kunden sei die Unabhängigkeit,<br />
Objektivität, Vertraulichkeit,<br />
Kontinuität, persönliche<br />
Verantwortung und die<br />
strukturelle Vermeidung von Interessenkollisionen<br />
zwischen<br />
Kunde und Bank bedeutsam. Bewusst<br />
ist das Bankhaus, sohatte<br />
es sein Partner Johannes Reich<br />
Anfang des Jahres formuliert, weder<br />
im klassischen Kreditgeschäft<br />
noch in Emissionskonsortien vertreten,<br />
betreibe kein Private-Equity-Geschäft<br />
und verzichte konsequent<br />
auf den Eigenhandel in Aktien.<br />
Der Tätigkeitsschwerpunkt<br />
liegt auf der Kundenberatung in<br />
ausgewählten Kapitalmarktfragen<br />
–und damit auf dem wenig<br />
kapitalintensiven und daher weit<br />
weniger risikoanfälligen Provisionsgeschäft.<br />
Und auf Fragen danach, ob er<br />
in Deutschland noch ähnlich agierende<br />
und strukturierte Privatbanken<br />
sieht, verweist er auf die<br />
Berenberg Bank und M.M. Warburg;<br />
aber gleich mit der Anmerkung,<br />
dass diese sich doch in der<br />
Struktur und den Aktivitäten<br />
deutlich vom Bankhaus Metzler<br />
unterscheiden würden.<br />
Die Gesamtaktivitäten des<br />
Gruppe/Eigentümer:<br />
B. Metzler seel. Sohn &Co. Holding AG,<br />
gesamtes Kapital in den Händen der Familie<br />
Metzler<br />
Management:<br />
Partnerkreis (operativ verantwortlich)<br />
� Karl-Emil Fuhrmann<br />
� Michael Klaus<br />
� Frank-Peter Martin<br />
� Friedrich von Metzler<br />
� Emmerich Müller<br />
� Hartmut Petersmann<br />
� Dr.Johannes Reich<br />
� Gerhard Wiesheu<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Bankhauses Metzler verteilen<br />
sich auf fünf Kerngeschäftsfelder.<br />
Asset Management (Investmentberatung<br />
und -management,<br />
Fonds, Pension-Management und<br />
US-Real Estate), Corporate Finance<br />
(Mergers & Acquisitions,<br />
Kapitalmarktberatung, Privatisierungen<br />
und Finanzierungsberatung,<br />
Treuhandlösungen), Equities<br />
(Research, Sales,Trading), Financial<br />
Markets (Beratung Geldund<br />
Kapitalmarkt, Fremdwährungsmanagement,<br />
Research &<br />
Produktentwicklung, Devisen-<br />
/Rentenhandel) und Private Banking<br />
(Verwaltung, Vermögenstreuhand,<br />
Stiftungen).<br />
Umfangreiches<br />
soziales Engagement<br />
Passend zum zurückhaltenden<br />
Stil des Hauses gehen vonMetzler<br />
und sein Pressesprecher Jörg-<br />
Matthias Butzlaff erst auf Nachfrage<br />
auf das umfangreiche soziale<br />
Engagement des Bankhauses<br />
Verbandszugehörigkeiten (Auszug):<br />
� Bankenverband Hessen e. V.<br />
� Bundesverband Deutscher Banken e. V.<br />
� BVI Bundesverband Investment und<br />
Asset Management e. V.<br />
� European Association for Banking<br />
and Financial History e. V.<br />
� Die Familienunternehmer ASU e. V.<br />
� Frankfurt Main Finance e. V.<br />
� Frankfurter Gesellschaft für Handel,<br />
Industrie und Wissenschaft e. V.<br />
� Gesellschaft für Kapitalmarktforschung<br />
(Center für Financial Studies) e. V.<br />
� Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im<br />
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.<br />
ein. Dabei ist ihr Anliegen, nicht<br />
nur mit Geld, sondern vor allen<br />
Dingen mit Ratund Tatzuhelfen.<br />
Dazu gehören der Zugang zum<br />
Metzler’schen Netzwerk sowie<br />
Hilfe bei der Öffentlichkeitsarbeit<br />
und beim Fundraising –Metzler<br />
nennt es „Anstiften zum Stiften“.<br />
Das Engagement von Bankhaus<br />
und Familie von Metzler wird<br />
heute in der Metzler-Stiftung gebündelt.<br />
Der Schwerpunkt der<br />
Stiftungsarbeit liegt auf der ganzheitlichen<br />
Förderung vonKindern<br />
und Jugendlichen beim Sehen,<br />
Hören und Lernen –nicht nur in<br />
Frankfurt sondern auch hessenoder<br />
bundesweit. Aktuelle Projekte<br />
sind das „Netzwerk für Gehirnforschung<br />
und Schule“, eine Kooperation<br />
mit dem ZNL, dem<br />
Transferzentrum für Neurowissenschaften<br />
und Lernen in Ulm.<br />
Durch anwendungsorientierte<br />
Forschung und Erprobung in<br />
Schulen sollen wissenschaftlich<br />
abgesicherte und praxistaugliche<br />
Erkenntnisse über das Lernen gewonnen<br />
werden, die zu konkreten<br />
und umsetzbaren didaktischen<br />
Methoden für die Lehrer führen.<br />
Daneben unterstützt Metzler seit<br />
2009 erstmals die Frankfurter Anlaufstelle<br />
für straffällig gewordene<br />
Frauen, die unter dem Dach der<br />
AWOFrankfurt seit 30 Jahren erfolgreich<br />
und preisgekrönt arbeitet.<br />
Metzler fördert die Halbtagsstelle<br />
einer Sozialarbeiterin im<br />
Übergangswohnheim. Die meisten<br />
der betreuten Frauen – die<br />
stets freiwillig kommen –haben<br />
minderjährige Kinder.Die in Hessen<br />
einmalige Einrichtung arbeitet<br />
sehr erfolgreich.<br />
� Deutscher Gründerpreis<br />
� Prüfungsverband Deutscher Banken e. V.<br />
� Stiftung Familienunternehmen<br />
� Wissensfabrik –<br />
Unternehmen für Deutschland e. V.<br />
Gründungsjahr/Gründungszweck: 1674<br />
� Tuch-und Gewürzhandel mit<br />
angeschlossenem Kommissions- und<br />
Speditionsgeschäft (Kopplung von<br />
Waren- und Geldgeschäften war<br />
zu dieser Zeit völlig üblich)<br />
� Ab 1760 dann reines Bankhaus<br />
� Erster reiner Bankier warFriedrich Metzler<br />
(1749 bis 1825)
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 16<br />
Kontakt<br />
VON SILKE JUNGBLUTH-SEPP<br />
Aneinen seiner schwärzesten<br />
Tage kann sich Attila<br />
vonUnruh noch genau erinnern.<br />
Es warder Tag, als er einige<br />
Zeit nach der Insolvenz eine<br />
Kontoverbindung brauchte, deshalb<br />
bei einer Bank um ein Guthaben-Girokonto<br />
bat – und vom<br />
Kundenberater vordie Türgesetzt<br />
wurde.„Das ist eine ganz normale<br />
Erfahrung für Insolvenzler“, sagt<br />
er heute.Doch damals warer„einen<br />
ganzen Taglang im Schock“,<br />
empfand die Situation als entwürdigend.<br />
Weder eine Kreditkarte<br />
noch ein Konto zu bekommen,<br />
keine Wohnung mieten zu können<br />
und nicht mal einen Handyvertrag<br />
abschließen zu dürfen, sei<br />
hart: „Die simpelsten Dinge sind<br />
nicht mehr, wie man sie kennt,<br />
und man kann mit kaum jemandem<br />
darüber reden.“<br />
Mit anderen Betroffenen<br />
austauschen<br />
Letzteres immerhin ist heute anders.<br />
Dank von Unruh. Denn der<br />
lange Zeit erfolgsverwöhnte Unternehmer,<br />
der mit seiner Familie<br />
in der Nähe vonBonn lebt, wollte<br />
sich nach seiner Pleite mit anderen<br />
Betroffenen austauschen, offen<br />
über seinen drückenden<br />
Schuldenberg, das Gefühl des<br />
Scheiterns und die Selbstzweifel<br />
reden, gemeinsam Wege aus der<br />
Krise suchen. Doch er stellte<br />
schnell fest: „Eine Selbsthilfegruppe<br />
für Insolvenzler gab es nirgendwo<br />
in Deutschland.“ Also<br />
machte er kurzerhand selbst einen<br />
Gesprächskreis für Betroffene<br />
auf, in Köln, im Herbst 2007.Und<br />
traf mit dieser Idee einen Nerv.Er<br />
wurde mit Anfragen überschüttet,<br />
inzwischen haben sich quer<br />
durch die Republik Ableger der<br />
„Anonymen Insolvenzler“ gegründet,<br />
seit Mai trifft sich einmal<br />
pro Monat auch in Frankfurt eine<br />
Gruppe mit Teilnehmern aus dem<br />
Rhein-Main-Gebiet – anonym,<br />
kostenfrei und ohne Verpflichtungen.<br />
Wenn die Pleite<br />
alles verändert<br />
Der Frankfurter Gesprächskreis der<br />
„Anonymen Insolvenzler“ trifft sich<br />
jeweils am dritten Dienstag im Monat<br />
um 19 Uhr im Diakonie-Begegnungszentrum<br />
„Drehscheibe“,<br />
Fürstenbergerstraße 27, 60322<br />
Frankfurt. Die nächsten Termine<br />
sind der 15. Juni und 20.Juli 2010.<br />
Information und Anmeldung unter<br />
www.anonyme-insolvenzler.de.<br />
[Infobox]<br />
Second Life – WerInsolvenz anmelden muss, verliert nicht nur<br />
sein Vermögen, sondern oft auch sein altes Leben –<br />
Gesprächskreis der „Anonymen Insolvenzler“ in Frankfurt<br />
hilft beim Wegaus der Krise<br />
Seit die Wirtschaftskrise das<br />
Land erfasst hat, ist der Ansturm<br />
vonverzweifelten Unternehmern,<br />
die in der Klemme stecken, noch<br />
größer geworden. „Wir könnten<br />
noch zehn weitere Kreise aufmachen,<br />
die Nachfrage ist enorm“,<br />
sagt der heute 49-jährige, der früher<br />
Teilhaber einer gutgehenden<br />
Eventmarketing-Agentur warund<br />
sie eigentlich für gutes Geld verkauft<br />
hatte. Doch der Käufer ging<br />
wegen abgesprungener Investorensoschnell<br />
pleite,dass er seine<br />
Verpflichtungen nicht erfüllen<br />
konnte und es erwischte auch von<br />
Unruh –weil seine 300 000-Euro-<br />
Bürgschaft für die Agentur noch<br />
nicht gelöscht worden war und<br />
von der Bank sofort fällig gestellt<br />
wurde.<br />
Viele, die ihn in diesen Tagen<br />
anrufen, stehen noch vor dem<br />
Gang zum Insolvenzrichter. Sie<br />
haben oftmals in den vergangenen<br />
beiden Krisenjahren die<br />
Rücklagen aufgebraucht, jetzt<br />
drehen ihnen die Banken den<br />
Geldhahn zu, erzählt von Unruh<br />
in Frankfurt. Es sei eine Mär,dass<br />
es keine Kreditklemme im Mittelstand<br />
gebe. Nicht nur er rechnet<br />
deshalb mit einem weiteren Anstieg<br />
bei den Pleiten: Nach Ein-<br />
schätzung der Wirtschaftsauskunftei<br />
Creditreform könnte es<br />
2010 bis zu 40 000 Unternehmensinsolvenzen<br />
geben, nachdem<br />
schon im Vorjahr mit 34 300 Firmenpleiten<br />
ein Plus von 16Prozent<br />
verzeichnet wurde und 2009<br />
durch Insolvenzen über eine halbe<br />
Millionen Arbeitsplätze in Gefahr<br />
gerieten oder verloren gingen.<br />
Handwerker,Freiberufler,<br />
Anwälte oder Ärzte<br />
In den Gesprächskreisen sitzen<br />
Handwerker und Freiberufler,<br />
Chefs traditionsreicher mittelständischer<br />
Betriebe, Anwälte,<br />
Architekten, Ärzte –und bürgende<br />
Ehefrauen, die durch eine Insolvenz<br />
oft mit in die finanzielle<br />
Katastrophe gerissen werden. So<br />
unterschiedlich ihre Geschichten<br />
sind, so ähnlich empfinden sie<br />
doch alle den Schock, wenn es<br />
zum Äußersten kommt. Diesen<br />
Schock hat auch die Hessin Barbara<br />
Schmidt erlebt, deren Insolvenz<br />
alle ihreZukunftspläne zum<br />
Platzen brachte. Ihren richtigen<br />
Namen möchte die 58 Jahre alte<br />
Frau nicht öffentlich machen,<br />
ebenso wenig die Branche, inder<br />
sie als Freiberuflerin arbeitet,<br />
denn sie führt ihr Büro inFrankfurt<br />
weiterhin –unter dem strengen<br />
Regiment des Insolvenzverwalters.<br />
Bisher pendelte sie jeden<br />
Monat zu den Treffen der „Anonymen<br />
Insolvenzler“ nach Köln,<br />
jetzt ist sie im neu gegründeten<br />
Kreis im Frankfurter Nordend mit<br />
von der Partie.<br />
Sie macht sich vor allem Sorgen<br />
um ihre finanzielle Situation<br />
im Alter. Invier Jahren, mit 62,<br />
kann sie zwar einen Antrag auf<br />
Erlass der Restschulden stellen,<br />
doch finanziell steht sie dann vor<br />
dem Nichts. Die Immobilien, in<br />
die sie investiert hatte,sind verloren.<br />
Ebenso die beiden privaten<br />
Rentenversicherungen. In die gesetzliche<br />
Rentenkasse hat sie nie<br />
eingezahlt. „Auf mich wartet<br />
Hartz IV“, sagt Schmidt, die als<br />
Singlefrau auch nicht auf familiäre<br />
Unterstützung bauen kann. Zu<br />
lange hatte sie gehofft, dass ihre<br />
Geschäfte wieder besser laufen<br />
würden, schließlich war sie viele<br />
Jahre von Erfolg zu Erfolg geeilt<br />
und hatte richtig gut verdient.<br />
Doch die Wirtschaftsflaute, Kunden,<br />
die Rechnungen nicht bezahlten,<br />
und vor allem die eine<br />
oder andere Fehlinvestition sorg-<br />
ten dafür, dass sich ihr Schuldenberg<br />
sohoch türmte, dass sie ihn<br />
irgendwann nicht mehr in den<br />
Griff bekam. Mit insgesamt fast<br />
einer Million Euro steht sie heute<br />
in der Kreide.<br />
Die „Anonymen Insolvenzler“<br />
seien in dieser Situation ein wichtiger<br />
Halt für sie, berichtet sie.<br />
Man könne offen über Sorgen und<br />
Probleme reden, bekomme Trost<br />
und praktische Tipps, höre ermutigende<br />
Geschichten von denen,<br />
die nach ihrer Pleite schon wieder<br />
etwas Licht in ihrem Leben sehen.<br />
„Es ist wie unter Freunden“, sagt<br />
sie. Zudiesem Gefühl trage vor<br />
allem bei, dass nur Betroffene und<br />
ihreAngehörigen mitmachen dürfen.<br />
Besucher sind nicht erlaubt,<br />
um die Anonymität zu wahren.<br />
Schmidt selbst sagt inzwischen<br />
„es hätte schlimmer für mich<br />
kommen können“. Immerhin sei<br />
sie nicht krank geworden, so wie<br />
viele andere. Und sie habe gute<br />
Freunde,die ihr zur Seite stehen.<br />
Vielen Menschen, die vor und<br />
in der Insolvenz stecken, geht es<br />
anders. Sie verlieren nicht nur ihr<br />
Vermögen, sondern auch ihr<br />
Selbstwertgefühl, weiß von Unruh.<br />
Oft zerbricht die Ehe, Freunde<br />
und Bekannte wenden sich ab.<br />
Andere brechen selbst alle sozialen<br />
Kontakte ab, vereinsamen,<br />
werden depressiv, hegen Selbstmordgedanken.<br />
„Wenn sie sehen,<br />
dass andere Betroffene ähnlich<br />
fühlen wie sie,hilft das vielen aus<br />
ihrem Tief“, sagt er. Die Erfahrungen<br />
der anderen relativierten<br />
das eigene Erleben, häufig bildeten<br />
sich auch neue Freundschaften<br />
aus den Gruppen heraus.<br />
Wenn das nicht reicht, vermittelt<br />
die ehrenamtliche Insolvenzler-<br />
Initiative, die seit 2009 voneinem<br />
gemeinnützigen Trägerverein geführt<br />
wird, auch an Psychotherapeuten<br />
weiter. Zum Netzwerk<br />
zählen außerdem Schuldnerberater<br />
und Fachanwälte.<br />
Stigma der Niederlage<br />
abstreifen<br />
Doch mit der individuellen Heilung<br />
der Wunden, der Aufarbeitung<br />
vonScham und Versagensgefühlen<br />
in den Gesprächskreisen<br />
allein gibt sich von Unruh inzwischen<br />
nicht mehr zufrieden. Zu<br />
sehr steckt ein <strong>Macher</strong> in ihm,<br />
dem Spross einer Unternehmerfamilie,<br />
zusehr haben die eigenen<br />
Erfahrungen ihn spüren lassen,<br />
dass es nirgendwoeine Lobbyfür<br />
Insolvenzbetroffene gibt. Ihn<br />
treibt um, dass es hierzulande für<br />
gescheiterte Unternehmer kaum<br />
jemals eine zweite Chance gibt,<br />
weder von den Banken noch von<br />
der Gesellschaft. Dass ihnen meist<br />
für alle Zeit das Stigma der Niederlage<br />
anhaftet. Dass viele den<br />
Rest ihrer Tage als Hartz-IV-Empfänger<br />
fristen müssen. „Dabei<br />
könnte die Gesellschaft nicht nur<br />
von ihrem Wissen als Unternehmer,<br />
sondern auch von ihrer Krisenerfahrung<br />
profitieren“, wirbt<br />
er für ein Umdenken –und hat<br />
sich mit seinen Erfahrungen inzwischen<br />
auch bei Politikern ein<br />
Standing als Vertreter aus den Reihen<br />
der Betroffenen erarbeitet.<br />
Beruflich geht es ebenfalls<br />
langsam wieder aufwärts bei dem<br />
zweifachen Familienvater, der inzwischen<br />
als Unternehmensberater<br />
arbeitet. Vonseinen Honorarendarf<br />
er einen Pfändungsfreibetrag<br />
vonrund 1350Eurobehalten,<br />
der Rest geht an die Gläubiger.<br />
Noch ein gutes Jahr, bis zum 25.<br />
Juli 2011,muss vonUnruh durchhalten.<br />
Dann ist das sechsjährige<br />
Insolvenzverfahren zu Ende und<br />
er von seinen Restschulden befreit.<br />
Für ihn ist das ein großes<br />
Glück: Dann könne er wieder<br />
selbst über sein Leben entscheiden,<br />
sagt er. Eigentlich sei eine<br />
Insolvenz nämlich dank der<br />
Schuldenbefreiung eine große<br />
Chance. „Es dauert aber, bis man<br />
das so sehen kann“.<br />
Attila von Unruh<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 17<br />
Geldanlegenmacht keinen Spaß mehr<br />
Unstete Zeiten – Die Zinsen nähern sich der Null-Linie –Aktien taumeln südwärts –Der Euronicht nur im Ouzo-Schock –<br />
Gold, Silber, Platin &Co. als Ausweg? –Und was ist mit Immobilien?<br />
VON BRUNO HIDDING<br />
Geldanleger sind frustriert.<br />
Sie wissen nicht, was sie<br />
tun sollen. Kein Wunder,<br />
denn noch nie stand die westliche<br />
Welt vor einem solchen Problembündel<br />
wie derzeit. Da helfen alle<br />
gemachten Erfahrungen kaum<br />
noch, weil es ein derartiges Problemumfeld<br />
noch nie gegeben hat.<br />
Und es hagelt Empfehlungen in alle<br />
Himmelsrichtungen. Einmal ist<br />
die Rede vom idealen Anlagezeitpunkt<br />
für (die richtigen) Aktien<br />
und auch für Gold &Co.; aber auch<br />
die gegenteiligen Empfehlungen<br />
sind von ebenfalls qualifizierten<br />
Ökonomen und Kommentatoren<br />
zu hören. All das macht Anleger<br />
noch ratloser und unsicherer, zumal<br />
sie spüren, dass unsere Politikerauch<br />
mächtig schwimmen und<br />
Dinge vorgeben beziehungsweise<br />
der (bisher) unabhängigen Notenbank<br />
aufs Auge drücken, die sie<br />
bisher als absolut undenkbar bezeichnet<br />
hatten.<br />
In unsicheren Zeiten<br />
Risiken vermeiden<br />
Die Lage: Ein Dax bei unter 5900<br />
nach einem Zwölfmonatshoch<br />
von6341, ein Eurounter 1,22 Dollar<br />
nach der Bankenstützung in<br />
Spanien, aufkommenden Sorgen<br />
um das BonitätsrisikoFrankreichs<br />
und Überlegungen allerorten, wer<br />
wohl als nächstes ins Gerede<br />
kommt. All das mahnt an alte<br />
Geldanlage-Grundregeln. Je größer<br />
die Unsicherheit in Geldanlagedingen,<br />
desto mehr hält der Anleger<br />
sein Pulver trocken und<br />
bleibt in Liquidität, so weh es<br />
auch tut. Denn die Zinsen für die<br />
erste Qualität im Lande, die umlaufenden<br />
Bundesanleihen, liegen<br />
Anfang Juni im Einjahresbereich<br />
bei 0,70 Prozent, für fünf<br />
Jahre bei 1,90 und für zehn Jahre<br />
bei 2,80 Prozent. Okay,die Pfandbriefrenditen<br />
liegen jeweils einige<br />
Schnäpschen darüber, doch auch<br />
sie treiben dem zinsbewussten<br />
Anleger die Tränen in die Augen.<br />
Und es sollte kein Gedankeanhöher<br />
rentierende Griechenland-Anleihen<br />
oder andererenditeträchtigere<br />
Risikopapiere verschwendet<br />
werden. Schmalhans ist derzeit<br />
Küchenmeister. Damuss der Anleger<br />
durch.<br />
Lange Anleihelaufzeiten<br />
vermeiden<br />
Und was ist mit den Zinsaussichten?<br />
Die Zinsen steigen nicht so<br />
bald, weil dummerweise die Notenbanken<br />
aus Angst vor einer<br />
neuerlichen Krise sich vorerst<br />
nicht trauen, die zu viel in die<br />
Märkte gepumpte Liquidität wieder<br />
heraus zu ziehen; andererseits<br />
wird aber diese Liquidität noch<br />
nicht nachfragewirksam, treibt also<br />
die Inflation vorerst nicht an.<br />
Doch das wird und muss sich irgendwann<br />
ändern, zumal die<br />
hochverschuldeten Staaten kaum<br />
jemals ohne Inflation von ihren<br />
riesigen Schulden herunterkommen.<br />
Das heißt in Klarschrift, dass<br />
Anleger lange Laufzeiten vermeiden<br />
müssen, weil dort bei einem<br />
Anziehen der Zinssätze das Kursrisikosehr<br />
hoch ist. Maximal also<br />
zwei bis drei Jahre Laufzeit. Andererseits<br />
locken die niedrigen<br />
Zinsen naturgemäß Anleger, um<br />
zu den niedrigen Zinsen gezielt<br />
Immobilienbesitz zu erwerben.<br />
Das kann Sinn machen, wenn es<br />
wirklich gezielt geschieht, also<br />
die drei wichtigsten Einflussfaktoren<br />
für eine erfolgreiche Immobilienanlage<br />
beachtet werden: Lage,<br />
Lage, Lage!<br />
Noch zu früh für<br />
Aktienkäufe?<br />
Aber solange die Zeiten so unübersichtlich<br />
sind, ist noch keine Zeit<br />
für Aktienkäufe. Wie gesagt, das<br />
Pulver trocken halten. Viel spricht<br />
für die Strategie, wenn der Zeitpunkt<br />
gekommen ist, auf solche<br />
Regionen mit Aktien zu setzen, in<br />
denen voraussichtlich das Wachstum<br />
in den nächsten Jahren und<br />
Jahrzehnten höher ist als in den<br />
Kurz und<br />
bündig<br />
Mehr Eigenkapital<br />
für die Unternehmen<br />
Die Aktie muss als Finanzierungsinstrument<br />
attraktiver<br />
werden, damit die Innovationskraft<br />
und das Wachstum der<br />
deutschen Wirtschaft über eine<br />
bessere Eigenkapitalausstattung<br />
gestärkt wird, ruft das Deutsche<br />
Aktieninstitut die Politik zum<br />
Handeln auf. Die steuerliche Diskriminierung<br />
der Aktienanlage<br />
müsse beendet werden. Aktienerträge<br />
würden derzeit mit rund<br />
48 Prozent Steuer belastet, während<br />
Erträge aus Fremdkapital<br />
mit rund 26 Prozent besteuert<br />
würden. Der Koalitionsvertrag<br />
forderevöllig zu Recht eine Auseinandersetzung<br />
mit diesem<br />
Problem der Doppelbesteuerung.<br />
Jetzt müssten Wege gefunden<br />
werden, um die Diskriminierung<br />
des Eigenkapitals zu beenden.<br />
Fußball als<br />
Wirtschaftsfaktor<br />
Mehr als fünf Milliarden Euro<br />
soll nach der Studie einer internationalenBeratungsgesellschaft<br />
der deutsche Profifußball<br />
zum volkswirtschaftlichen Nutzen<br />
beitragen. Dabei wurden die<br />
Bundesligen, DFB-Pokal, internationale<br />
Wettbewerbe und Nationalmannschaft<br />
einbezogen<br />
sowie auch die mittelbaren Profiteure<br />
wie Hotels, Restaurants,<br />
Logistikunternehmen, ferner<br />
Sportartikelhersteller, Ausrüster,<br />
Vermarkter und Medien. Damit<br />
alten und etwas träge gewordenen<br />
Industriestaaten. Ähnliches wird<br />
gelegentlich auch in Sachen Währungen<br />
vertreten. Also auf ausgewählteSchwellenländer-Währungen<br />
setzen, eventuell auch auf die<br />
sogenannten Rohstoff-Währungen<br />
wie kanadische Dollar, australische<br />
Dollar oder die norwegische<br />
Krone. Aber: Der normale deutsche<br />
Geldanleger ist kein Währungsspekulant.<br />
Er verdient in Euro,<br />
erkonsumiert in Euro und er<br />
legt –zumindest schwerpunktmäßig<br />
–auch in Euroan. Selbst wenn<br />
er am stärkeren Wachstum in<br />
Schwellenländern profitieren will,<br />
kann er das immer auch noch über<br />
jene deutschen oder andere europäischen<br />
Werte tun, die in diesen<br />
generiere die Sportart Nummer<br />
eins in Deutschland jährliche<br />
Steuereinnahmen von 1,7 Milliarden<br />
Euro. Dem stünden Ausgaben<br />
–überwiegend für Polizeieinsätze<br />
–inHöhe von 200 Millionen<br />
Euro gegenüber, schreibt<br />
die Commerzbank in einem<br />
„Topthema des Tages“. Jeder<br />
500. Euro des Bruttoinlandsproduktes<br />
werdedurch die Fußballbundesliga<br />
generiert, was70000<br />
Vollarbeitsplätzen entspreche.<br />
Offensichtlich ein zarter Hinweis<br />
aus der Commerzbank-Arena,<br />
vomFußball die Erstattung jener<br />
200 Millionen für die Polizeieinsätze<br />
abzuwenden.<br />
Union Investment<br />
gewinnt Fonds-Rating<br />
Beste große Fondsgesellschaft in<br />
Deutschland für das erste Quartal<br />
2010 ist wie im Vorquartal<br />
Union Investment, ermittelte die<br />
Bad Homburger Feri EuroRating<br />
Services AG.Damit führt der Asset<br />
Manager des genossenschaftlichen<br />
Finanzverbundes seit<br />
September 2009 das Ranking unter<br />
den 34 großen Fondsgesellschaften<br />
an. AufPlatz zwei folgt<br />
mit geringem Abstand Threadneedle,wiederum<br />
gefolgt vonFidelity.Bei<br />
den kleinereFondsgesellschaften<br />
verteidigte Vitruvius<br />
den Spitzenplatz. Auf Platz<br />
zwei folgt mit geringem Abstand<br />
der Vermögensverwalter Star Capital.<br />
Wein bringt mehr<br />
als US-Aktien<br />
Seit Jahrzehnten schon steigt die<br />
Nachfrage nach alternativen Investments,<br />
darunter zum Beispiel<br />
auch Wein und Kunst. Auf<br />
Ländern sehr aktiv sind, also von<br />
dem dortigen starken Wachstum<br />
entsprechend profitieren. Das gibt<br />
ein Mehr an Sicherheit und Transparenz.<br />
Prognosen gehen<br />
weit auseinander<br />
der Suche nach Schutz vorInflation<br />
kommen neben den traditionellen<br />
Investments wie Aktien,<br />
Anleihen und Gold andere Kategorien<br />
ins Visier. Dabei haben<br />
Spitzenweine, sohaben Schweizer<br />
Ökonomen ermittelt, in den<br />
vergangenen 13 Jahren über<br />
zwei Rezessionen hinwegbesser<br />
abgeschnitten als US-Aktien,<br />
und das bei einer wesentlich geringeren<br />
Volatilität. Es wurden<br />
die Preise von 400 000 regelmäßig<br />
gehandelten Weinen studiert<br />
und ein Weinindex sowie eine<br />
Benchmark der Spitzenjahrgänge<br />
erstellt. Stiegen die Aktienkurse<br />
im Beobachtungszeitraum<br />
um 50 Prozent, so hat sich der<br />
Weinindex mehr als verdoppelt,<br />
die Spitzenweine kommen sogar<br />
auf einen fünfmal höheren Ertrag<br />
als die Aktien.<br />
Rohstoffwährungen<br />
beachten<br />
Die Probleme um Griechenland<br />
& Co. machen dem Euro zu<br />
schaffen. Andererseits gab es mit<br />
den steigenden Rohstoffpreisen<br />
seit 2003 einen strukturellen<br />
Umbruch zugunsten der sogenannten<br />
Rohstoffwährungen. So<br />
warfen zum Beispiel kurzlaufende<br />
Anleihen auf australische<br />
Dollar oder auch den kanadischen<br />
Dollar in den vergangenen<br />
zwölf bis 15 Monaten satte Renditen<br />
ab. Inzwischen haben beide<br />
Währungen deutlich aufgewertet<br />
und es mehren sich die<br />
Stimmen, dass sie überbewertet<br />
seien, beobachtet die Commerzbank.<br />
Doch liegt nach Meinung<br />
des Hauses keine fundamentale<br />
Überbewertung vor, zumal die<br />
Länder bei steigenden Rohstoffpreisen<br />
trotz fester Währungen<br />
Bleibt ein Wort zu Gold, Silber &<br />
Co. Mehrfach warbereits im WirtschaftsECHO<br />
auf die erfolgversprechende<br />
Geldanlage in Platin<br />
hingewiesen worden. Das hat sich<br />
bewahrheitet. Auf dem jetzigen<br />
Preisniveau von Gold hingegen<br />
gehen die Meinungen unter den<br />
Experten auseinander.Die Produzenten-Lobby<br />
sieht den Unzenpreis<br />
natürlich höher, oft bis zu<br />
konkurrenzfähig blieben. Bei äußerst<br />
soliden Staatshaushalten<br />
dürften die Währungen ihren<br />
Aufwärtstrend sogar fortsetzen<br />
können.<br />
Vorsicht beim<br />
Beratungsprotokoll<br />
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger<br />
(SdK) befürchtet,<br />
dass die soeben eingeführten Beratungsprotokolle<br />
die Rechte der<br />
Anleger bei einer Falschberatung<br />
durch die Kreditinstitute nicht<br />
verbessern. Sie befürchtet eher<br />
das Gegenteil. Mit den von den<br />
Banken entwickelten standardisierten<br />
Formularen würde nicht<br />
das Wertpapier dem Kundenprofil,<br />
sondern das Kundenprofil<br />
dem Wertpapier angepasst. „Die<br />
Berater werden gerade geschult,<br />
wie die Protokolle auszufüllen<br />
sind, damit eine Falschberatung<br />
möglichst schwer nachweisbar<br />
bleibt.“ Wichtig: Sich auf das Beratungsgespräch<br />
gut vorzubereiten,<br />
einen vertrauenswürdigen<br />
Zeugen mit zum Beratungsgespräch<br />
mitzunehmen und später<br />
zu Hause das Protokoll in Ruhe<br />
durchzugehen und jede Anlageempfehlung<br />
noch einmal zu<br />
überdenken.<br />
Initiative„Gründerland<br />
Deutschland“<br />
Mit der Initiative „Gründerland<br />
Deutschland“ will die Bundesregierung<br />
den Deutschen mehr<br />
Lust auf selbstständige oder unternehmerische<br />
Aktivitäten machen.<br />
Doch sollte diese Initiative<br />
noch weiter gehen, zum Beispiel<br />
beim Bürokratieabbau und der<br />
Reform des Insolvenzprozesses,<br />
heißt es in einer Analyse von<br />
2000 Dollar die Unze.Das ist nicht<br />
auszuschließen, solange sich genug<br />
Finanzinvestoren finden, die<br />
daran glauben. Doch es gibt auch<br />
andereStimmen, die vordem Hintergrund<br />
des erreichen Preisniveaus<br />
von 1230 Dollar die Unze<br />
(31,1 Gramm) zur Vorsicht mahnen<br />
und eher ein Engagement in<br />
den auch industriell benötigten<br />
Metallen Platin und Palladium anraten.<br />
Aufjeden Fall sollte kein physisches<br />
Metall unters Kopfkissen<br />
gelegt werden, sondern eine der<br />
angebotenen Kauf- und Verwahrangebote<br />
genutzt werden. Auf<br />
Xetra-Gold war an dieser Stelle<br />
schon mehrfach hingewiesen<br />
worden.<br />
dbresearch.de. Auch der kommerzielle<br />
Erfolg sollte stärker in<br />
den Vordergrund rücken. Gründungen<br />
sind kein Selbstzweck.<br />
Sie entfalten ihre Wirkung nur,<br />
wenn sie sich auch am Markt<br />
durchsetzen. Es geht also grundsätzlich<br />
darum, eine moderne,<br />
wettbewerbsfähige und dynamische<br />
Wirtschaft zu fördern, in<br />
der es innovativen Startups<br />
leichter fällt, zu wachsen und<br />
Gewinne zu machen. Richtige<br />
Vorbilder überzeugten stärker<br />
als jede Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Beweislastumkehr<br />
statt Beipackzettel<br />
Der Beipackzettel, also die Kurzund<br />
Knapp-Übersicht der Finanzinstitute<br />
zu bestimmten Finanzprodukten<br />
mag zwar gut gemeint<br />
sein, soll aber letztlich<br />
wohl den Instituten vor allem<br />
helfen, sich von ihrer Haftung<br />
freizukaufen, meint der Anlegeranwalt<br />
Julius F. Reiter. Umdie<br />
Anleger wirklich zu schützen<br />
fordert der Jurist eine Umkehr<br />
der Beweislast. Derzeit müsse<br />
selbst ein 80-jähriger, dem eine<br />
Lebensversicherung aufgeschwatzt<br />
wurde, nachweisen,<br />
dass er diese gar nicht wollte.<br />
Künftig sollten jedoch die Institute<br />
aufzeigen müssen,<br />
dass das Produkt für den<br />
Kunden sinnvoll ist. Jeder<br />
Kundenbetreuer<br />
würde sich dann<br />
genau überlegen,<br />
waser<br />
wemverkaufe.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 18<br />
Beim Fondskauf richtigrechnen<br />
Anlage – Über die Börse kaufen kann, muss aber nicht billiger sein –Viele Fondsgesellschaften haben Angebote ohne Ausgabeaufschlag<br />
VON BRUNO HIDDING<br />
Ein ausgebuffter Anleger<br />
versucht natürlich auch<br />
beim Kauf von Wertpapieren,<br />
so bei Investmentfonds, Kosten<br />
zu sparen. Fünf Prozent Ausgabeaufschlag<br />
am Anfang kann ja<br />
schließlich bedeuten, dass der<br />
Anleger im ersten Jahr seiner Anlage<br />
nichts verdient. Schnell sind<br />
pfiffige Ratgeber und Portale bei<br />
der Hand, die auf die Möglichkeit<br />
des Fondskaufes über die Börse<br />
aufmerksam machen und die damit<br />
–angeblich –sotollen Kostenvorteile.<br />
Schließlich werden an<br />
vielen deutschen Börsenplätzen<br />
(Hamburg, München, Stuttgart)<br />
und auch auf dem vollelektroni-<br />
schen Handelssystem Xetra der<br />
Deutsche Börse über 3000 Investmentfonds<br />
gehandelt.<br />
Und bei einem solchen Kauf<br />
über die Börse fällt natürlich kein<br />
Ausgabeaufschlag an, was aber<br />
nicht heißt, dass es keine sonstigen<br />
Kosten gibt. Der Kauf und<br />
Verkauf von Fondsanteilen über<br />
die Börse hat gewisse Vorteile,gerade<br />
jenseits der genannten Kostenüberlegungen.<br />
Vorallem die<br />
schnellen professionellen Trader<br />
wenden sich der Börse zu, weil<br />
sie dort ganztägig, quasi im Minutentakt,<br />
kaufen und verkaufen<br />
können. Diesen Weg über die<br />
Börse beschreiten jedoch nur<br />
knapp vier Prozent der Fondsbesitzer,<br />
hat der Branchenverband<br />
David schlägtGoliath<br />
BVI ermittelt. Der Kauf von<br />
Fondsanteilen über die Fondsgesellschaft<br />
kann hingegen bis zu<br />
zwei Tage dauern. Nicht beachtet<br />
wird oft, dass viele große Fondsgesellschaften<br />
für die schnellen,<br />
kurzfristig orientierten Anleger<br />
auch Fonds ohne Ausgabeaufschlag,<br />
sogenannte no-load-<br />
Fonds anbieten.<br />
Bei Veräußerung<br />
fallen wieder Kosten an<br />
Ein Fondskauf über die Börse ist<br />
nicht unbedingt immer preiswerter.<br />
Invielen Vergleichsrechnungen<br />
werden dem Ausgabeaufschlag<br />
von vier oder fünf Prozent<br />
beim Erwerb über die Fondsge-<br />
Börsenwerte – Aktien kleiner Unternehmen entwickeln sich nach<br />
einer Rezession besser als Standardwerte –Aber auch höhereVolatilität<br />
Eingehende Untersuchungen<br />
brachten es an den Tag. Die<br />
Aktien kleiner börsennotierter<br />
Unternehmen –der sogenannten<br />
Small Caps, die eine Marktkapitalisierung<br />
von unter vier<br />
Milliarden Euroaufweisen –haben<br />
sich in der Vergangenheit<br />
nach einer Rezession stets besser<br />
entwickelt als die Aktien großer<br />
Unternehmen (Large Caps).<br />
Das gilt auch für die jüngste Krise,konstatiert<br />
Allianz Global Investors.<br />
2009 legten Small Caps<br />
global um 46 Prozent zu, während<br />
Large Caps „nur“ 29 Prozent<br />
gewannen. In global ausgerichteten<br />
Aktiendepots haben<br />
sich Small Caps in der Vergangenheit<br />
stets als Performancetreiber<br />
im Depot erwiesen. Aber:<br />
Esstimmt zuversichtlich, dass inzwischen<br />
das Sparziel „Altersvorsorge<br />
klar die Spitzenposition der<br />
wichtigsten Sparziele der Bundesbürger<br />
einnimmt. Jedenfalls rangiert dieses<br />
Sparziel in der Frühjahrsumfrage<br />
der privaten Bausparkassen gegenüber<br />
der Herbstumfrage 2009 mit einem<br />
Zuwachs um 7,3 Prozentpunkte<br />
auf 67,6 Prozent eindeutig auf Rang<br />
eins. Auf Platz zwei folgt dann recht<br />
stabil das Sparziel „Erwerb/Renovierung<br />
von Wohneigentum“ (52,2 nach<br />
Wersich auf Small Caps konzentriert,<br />
muss neben einer zu erwartenden<br />
höheren Rendite<br />
auch mit einer höheren Volatilität<br />
zurecht kommen.<br />
Ein wesentlicher Grund für<br />
die bessere Performance der<br />
Small Caps ist die Tatsache,dass<br />
sich um die sehr hohe Zahl von<br />
Small Caps nur wenige Analysten<br />
kümmern, also von aufmerksamen<br />
Anlegern noch<br />
Schnäppchen herausgefiltert<br />
werden können. Hier können<br />
sich fundamentale Denker einen<br />
Informationsvorsprung erarbeiten<br />
und diesen dann in eine gute<br />
Rendite umsetzen. Das bedeutet<br />
aber auch, dass das Arbeiten mit<br />
Nebenwerten ein aktives „Asset<br />
Management“ erfordert.<br />
Für die augenblickliche Beurteilung<br />
sollten Small Caps<br />
trotz der schon starken Kurserholung<br />
auch aus Bewertungssicht<br />
weiter attraktiv sein. Dazu<br />
trägt bei, dass das Ertragswachstum<br />
kleiner Unternehmen<br />
regelmäßig größer ausfällt<br />
als das der großen Unternehmen.<br />
Für aktive, selbst analysierende<br />
Anleger sollte also alles<br />
klar sein: Weiter intensiv um<br />
die Ringeltauben unter den<br />
Small Caps kümmern. Und<br />
wenn der Erfolg sich eingestellt<br />
hat, sollten aber auch Gewinne<br />
mitgenommen werden. Denn<br />
an Gewinnmitnahmen ist noch<br />
niemand pleite gegangen, wohl<br />
aber am zu langen Warten auf<br />
noch weitere Gewinne. Og<br />
sellschaft regelmäßig „nur“ die<br />
Ankaufkosten bei einem Erwerb<br />
über die Börse gegenübergestellt.<br />
Das ist jedoch nicht exakt. Denn<br />
bei einer späteren Veräußerung<br />
über die Börse fallen wieder die<br />
entsprechenden Kosten an, so<br />
dass die Ankaufkosten bei einem<br />
Börsenkauf vorneweg kalkulatorisch<br />
erst einmal doppelt angesetzt<br />
werden müssten. Sollte sich,<br />
wasder Anleger natürlich erhofft,<br />
der Wert des Fonds im Laufe einiger<br />
Jahredann verdoppelt haben,<br />
müssen die Verkaufskosten sogar<br />
auf den dann verdoppelten Wert<br />
angesetzt werden.<br />
Daneben ist bei dem Wegüber<br />
die Börse der Spread, die Kursdifferenz<br />
zwischen dem Geld- und<br />
Sparen istnicht einfach<br />
Briefkurs, mit in die Rechnung<br />
einzubeziehen. Schließlich haben<br />
die Börsenmakler die Anteile vorab<br />
auf eigene Rechnung von der<br />
Kapitalanlagegesellschaft oder<br />
der Depotbank erworben und<br />
dem Anleger dann im Freiverkehr<br />
zu einem Preis weiter gegeben,<br />
der den Anteilswert des Fonds,<br />
daneben aber auch die Kosten des<br />
Maklers, die Kursrisiken und eine<br />
angemessene Gewinnmarge beinhalten;<br />
das alles neben den erwähnten<br />
Bankspesen für die Abwicklung.<br />
Hier ist mit spitzem<br />
Bleistift zu rechnen, ob die Börsenorder<br />
dann wirklich immer<br />
noch so viel vorteilhafter ist. Ein<br />
Aspekt, der auch bei einer Benutzung<br />
der Preisvergleichsrechner<br />
Untersuchung – Altersvorsorge ein wichtiges Ziel –Aber die Risikostreuung muss stimmen<br />
52,0 Prozent), also ein Motiv, das eigentlich<br />
auch dem Thema Altersvorsorge<br />
zugeordnet werden kann. Das<br />
Sparziel „Konsum/Anschaffungen“<br />
auf Rang drei mit 50,1 Prozent (minus<br />
9,8 Prozentpunkte) zeigt, dass das<br />
Thema Lebensfreude durchaus noch<br />
da ist, aber eben unter den krisenhaften<br />
Erscheinungen dieser Tage doch<br />
gelitten hat.<br />
Weniger Begeisterung hervorrufen<br />
sollte das Ergebnis,dass die Deutschen<br />
immer noch am liebsten mit dem Spar-<br />
buch sparen. Einschließlich Spareinlagen<br />
und Banksparplan kommt diese<br />
Anlageart immer noch auf einen Anteil<br />
von55,2 nach 55,7 Prozent im Frühjahr<br />
2009. Dahinter rangiert schon, was die<br />
Bausparkassen sicher freut, oder besser<br />
weshalb sie diese Untersuchung überhaupt<br />
machen beziehungsweise veröffentlichen,<br />
das Bausparen mit 39,0<br />
nach 38,3 Prozent. Dann folgen Investmentfonds<br />
mit 23,9 (20,9) und Immobilien<br />
mit 23,8 (21,1) Prozent. Auf die<br />
Geldanlage in Aktien entfielen nur 14,6<br />
(12,5) Prozent. Insgesamt positiv zu<br />
werten ist, dass ein steigender Anteil<br />
von immerhin 47,5 (44,4) Prozent der<br />
Befragten überhaupt spart, während<br />
andererseits der Anteil der Nicht-Sparer<br />
auf 55,0 (51,9) Prozent zurückgegangen<br />
ist. Doch sind eigentlich die<br />
Nichtsparer-Zahlen weiterhin erschreckend.<br />
Regelmäßig wirdzum Sparverhalten<br />
der Deutschen kritisiert, dass sie durch<br />
die gewählten Sparschwerpunkte viel<br />
Geld, also eigentlich eine bessere Al-<br />
tersvorsorge, verschenken. Da freut es<br />
die Aktienfans, dass der Anteil der Aktiensparer<br />
leicht gestiegen ist. Aber<br />
schon wird eine andere Kritik laut.<br />
Deutsche Aktienanleger, Private und<br />
auch Profis, hängen viel zu sehr an<br />
deutschen Werten, haben also den sogenannten<br />
„Home Bias“. Dadurch verpassen<br />
sie viele Chancen, die die Märkte<br />
in anderen Teilen der Welt, vorallem<br />
Nordamerikaund Asien, bieten. So verständlich<br />
es ist, dass in Darmstädter<br />
Depots relativ sicher wesentlich mehr<br />
der Börsen berücksichtigt werden<br />
muss.<br />
Eine ganz andere Überlegung<br />
ist, ob der Anleger sich einem Onlinebroker<br />
zuwendet. Denn Comdirekt,<br />
ING Diba, Cortal Consors<br />
und Co. haben eine breite Palette<br />
von Fonds ohne Ausgabeaufschläge<br />
im Angebot. Wenn der<br />
vom Anleger ausgewählte Fonds<br />
dabei ist, sollte die Marschroute<br />
klar sein. Dann spart er, zumal<br />
bei größeren Beträgen, wirklich<br />
Geld.<br />
Und im Verbraucherportal biallo.de<br />
kann jeder Anleger im<br />
Fondskauf-Rechner nachklicken,<br />
wo welcher Fonds ohne oder mit<br />
Rabatt auf den Ausgabeaufschlag<br />
angeboten wird.<br />
FOTO: DPA<br />
Merck-Aktien liegen als in Hamburger<br />
Depots,sodarf dieses Denken rund um<br />
den eigenen Schornstein nicht zu weit<br />
gehen.Wer nicht direkt IBM, Toyota<br />
oder Anglo American kaufen will, weil<br />
ihm die Kosten zu hoch sind oder die<br />
Informationsbeschaffung zu langwierig<br />
ist, der wählt eben einen guten<br />
Fonds,der die ganze Welt, oder Europa<br />
oder die Emerging Markets einfängt.<br />
Das Web überschüttet jeden Anleger<br />
mit Informationen, wenn er sich nur<br />
mal drum kümmert. hid
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 19<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
Tun<br />
SieGutes –<br />
gehen Sie„stiften“<br />
Stiftungen – Kein Steuersparmodell –SoftwareAG-Stiftung eine der Größten im Lande –<br />
Hessen gut bestückt –Auch „Zustiftungen“ sind möglich<br />
VON BRUNO HIDDING<br />
Vielen Menschen vermittelt<br />
es innere Befriedigung,<br />
wenn sie anderen auch<br />
mit kleinen Beträgen wirklich helfen<br />
können. Und dieses gemeinnützige<br />
Denken und Handeln will<br />
der Staat –wenn die Voraussetzungen<br />
dazu im Detail stimmen –<br />
auch mit der Gewährung von<br />
Steuervorteilen beziehungsweise<br />
von Steuerfreiheiten unterstützen.<br />
Grundprinzip einer Stiftung<br />
ist, Kapitalvermögen auf Dauer<br />
für einen bestimmten, vorher genau<br />
definierten wohltätigen und<br />
gemeinnützigen Zweck zur Verfügung<br />
zu stellen.<br />
Leider, sokonstatiert der Bundesverband<br />
deutscher Stiftungen,<br />
wüssten die Deutschen trotz der<br />
großen gesellschaftlichen Bedeutung<br />
relativ wenig über das gemeinwohlorientierte<br />
Engagement<br />
der Stiftungen. Deshalb sei vorneweg<br />
gleich mit einem immer wieder<br />
zu hörenden Vorurteil aufgeräumt,<br />
dass Stiftungen ein steuerlicher<br />
Verschiebebahnhof für<br />
Wohlhabende in diesem Lande<br />
darstellen; sie sind keineswegs<br />
ein Steuersparmodell. Fürein Vermögen,<br />
das einer gemeinnützigen<br />
Stiftung überlassen wird, muss<br />
keine Erbschaftsteuer mehr gezahlt<br />
werden. Aber,das Vermögen<br />
gehört dann auch der Stiftung und<br />
die daraus fließenden Erträge dürfen<br />
nur noch für den gemeinnützigen<br />
Stiftungszweck verwendet<br />
werden. Und Gemeinnützigkeit<br />
liegt nur dann vor, wenn die Stiftung<br />
die Allgemeinheit, nicht nur<br />
einen bestimmten Personenkreis,<br />
auf materiellem, geistigem oder<br />
sittlichem Gebiet selbstlos fördert.<br />
Der Stifter hat materiell also<br />
nichts mehr von„seiner“ Stiftung,<br />
nur eben die Befriedigung, etwas<br />
Gutes für die von ihm vorgegebenen<br />
und ihm am Herzen liegenden<br />
wohltätigen Zwecke zutun.<br />
Zuwendungen an Stiftungen, die<br />
steuerbegünstigte Zwecke verfolgen,<br />
können allerdings bei der<br />
Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer<br />
und der Gewerbesteuer<br />
steuermindernd abgesetzt<br />
werden.<br />
Sicher können andererseits, so<br />
das Gemeinnützigkeitsrecht, Stif-<br />
tungen bis zu einem Drittel ihrer<br />
Vermögenserträge für den „angemessenen“<br />
Unterhalt des Stifters<br />
und seiner nächsten Angehörigen<br />
sowie der Pflege ihres Andenkens<br />
und ihrer Gräber verwenden. Diese<br />
Möglichkeit ist in vielen Stiftungssatzungen<br />
vorgesehen. Doch<br />
was nach einem Steuertrick aussieht,<br />
seine Vermögenseinnahmen<br />
steuerfrei zu gestalten, geht auch<br />
nicht auf. Denn die Empfänger dieser<br />
Erträge müssen diese auf Heller<br />
und Pfennig versteuern.<br />
Viele arbeiten<br />
im Verborgenen<br />
Das Dumme an der ganzen „Stifterei“<br />
ist, dass es in den wenigsten<br />
Fällen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit<br />
dringt, hat soeben der<br />
Bundesverband Deutscher Stiftungen<br />
noch einmal konstatiert.<br />
Dabei stieg allein im Jahre 2009<br />
die Zahl der Stiftungen bürgerlichen<br />
Rechts um 914auf einen Rekordstand<br />
von 17372. Viele, vor<br />
allem kleine Stiftungen, würden<br />
fast im Verborgenen arbeiten, dabei<br />
verfügten 70 Prozent aller Stiftungen<br />
über weniger als zwei Millionen<br />
Euro Stiftungskapital. Zudem<br />
liegt nach Meinung des Verbandes<br />
die Bedeutung der Stiftungen<br />
weniger in der Höhe der Fördermittel<br />
als in ihrer Rolle als Impulsgeber.<br />
Stiftungen sähen sich<br />
mehr als Werkstätten gesellschaftlichen,<br />
kulturellen und wissenschaftlichen<br />
Fortschritts. Sie<br />
griffen frühzeitig Themen auf, die<br />
oft später vomStaat oder anderen<br />
Trägern weiter geführt würden.<br />
Das Vermögen einer Stiftung<br />
kann in unterschiedlichster Weise<br />
gestreut sein. Es kann aus Immobilien<br />
(Häuser, Wald, Landwirtschaft)<br />
aus Kunstwerken, Beteiligungen<br />
an Unternehmen (Aktien),<br />
Anleihen oder auch verwertbaren<br />
Rechten (Patenten) und vielem<br />
anderen bestehen. Wichtig ist<br />
dabei, dass die Vermögenswerte<br />
der Stiftung laufende Erträge erbringen,<br />
damit die Stiftung ihre<br />
satzungsgemäßen Aufgaben auch<br />
erfüllen kann. Deshalb wird das<br />
Vermögen der Stiftung dabei<br />
grundsätzlich in seinem Bestand<br />
erhalten. Und bei der Anlage dieses<br />
Stiftungsvermögens unter-<br />
scheiden sich die Stiftungen naturgemäß<br />
grundlegend in ihrem<br />
Ansatz.<br />
Bei einer der größten deutschen<br />
Stiftungen, der Software<br />
AG-Stiftung in Darmstadt zum<br />
Beispiel, sind zwei Drittel des Vermögens<br />
in Höhe vonderzeit rund<br />
900 Millionen Euroineinem Aktienpaket<br />
an der Software AGgebunden.<br />
Der Rest steckt in Immobilien<br />
oder ist am Kapitalmarkt investiert.<br />
Die Stiftung fördert gemeinnützigeVereine,Gesellschaften<br />
und Initiativen für definierte<br />
Projekte in den Bereichen Erziehung<br />
und Bildung, Kinder- und<br />
Jugendhilfe,Behindertenhilfe,Altenhilfe,<br />
Wissenschaftsförderung<br />
in bestimmten Bereichen und Naturhilfe(www.software-ag-stiftung.com).<br />
Völlig anders gelagert ist die<br />
Anlage des Stiftungsvermögens<br />
zum Beispiel bei der Share Value<br />
Stiftung in Frankfurt/Darmstadt,<br />
wasder Name und das Motto „Mit<br />
Aktien helfen“ auch schon andeu-<br />
tet. 100Prozent des Vermögens in<br />
Höhe von derzeit rund 14 Millionen<br />
Euro ist in Aktien, in Value-<br />
Aktien, investiert. Kein Wunder,<br />
denn der Gründer dieser Stiftung<br />
(2003) ist der Aktienanalyst Günter<br />
Weispfenning, der einen Teil<br />
seiner Börsengewinne über diese<br />
kirchliche Stiftung für sozialdiakonisches<br />
Wirken zur Verfügung<br />
stellt. Seit Gründung der Stiftung<br />
wurden Fördermittel vonmehr als<br />
1,7 Millionen Euro vergeben und<br />
das jährliche Fördervolumen liegt<br />
bei 500000 Euro (share-value.de).<br />
Schader und Kübel<br />
zwei bekannte Namen<br />
Die 1988 gegründete Darmstädter<br />
Schader-Stiftung will die Kommunikation<br />
und Kooperation zwischen<br />
den Gesellschaftswissenschaften<br />
und der Praxis sowie die<br />
Praxisorientierung in den Gesellschaftswissenschaften<br />
fördern.<br />
Sie sieht ihre Aufgaben im Initiie-<br />
Die größten Stiftungen privaten Rechts<br />
Nach Vermögen Nach Gesamtausgaben<br />
Name In Euro<br />
Robert Bosch Stiftung GmbH 5.184.899.000<br />
Dietmar-Hopp-Stiftung gGmbH 2.900.000.000<br />
VolkswagenStiftung 2.374.314.000<br />
Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH 2.282.450.000<br />
Deutsche Bundesstiftung Umwelt 1.806.799.000<br />
Else Kröner-Fresenius-Stiftung 1.800.000.000<br />
Klaus Tschira Stiftung gGmbH 1.293.941.000<br />
Joachim Herz Stiftung 1.000.000.000<br />
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 898.803.000<br />
Gemeinnützige Hertie-Stiftung 798.603.000<br />
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius 724.023.000<br />
Software AG-Stiftung 689.000.000<br />
Bertelsmann Stiftung 618.998.000<br />
Körber-Stiftung 510.000.000<br />
Siemens Stiftung 400.000.000<br />
ren (Fragen stellen und Ideen auf<br />
den Wegbringen), Kommunizieren<br />
(Akteure aus Wissenschaft<br />
und Praxis zusammenbringen),<br />
Moderieren (Entscheidungs- und<br />
Umsetzungsprozesse fördern),<br />
Evaluieren (nach Ergebnissen fragen)<br />
und Publizieren (Ideen, Erfahrungen<br />
und Ergebnisse verbreiten).<br />
Gemeinsam mit anderen<br />
wirdder „Preis Soziale Stadt 2010“<br />
ausgelobt. Bis zum 30. Juni 2010<br />
können Bewerber Projekte einreichen,<br />
die beispielhaft zeigen, wie<br />
das soziale Miteinander in den<br />
Stadtquartieren gefördert werden<br />
kann.<br />
Die 1972 gegründete Bensheimer<br />
Karl Kübel Stiftung für Kind<br />
und Familien sieht drei Säulen ihrer<br />
Stiftungsarbeit: Inlandsarbeit,<br />
Entwicklungszusammenarbeit<br />
und Bildungsinstitute. Die Stiftung<br />
realisiert Projekte allein und<br />
zusammen mit Partnern. Sie kooperiert<br />
bei vielen Projekten mit<br />
einzelnen Unternehmen. Es stehen<br />
in der Regel solche Themen<br />
im Vordergrund, für die sich ein<br />
Unternehmen besonders einsetzen<br />
möchte: Wasserversorgung,<br />
Energie und Hausbau, Mikrofinanzprojekte,<br />
der Kampf gegen<br />
Kinderarbeit oder die Unterstützung<br />
schwangerer Teenager in<br />
Deutschland sind beispielhafte<br />
Schwerpunkte solcher Zusammenarbeit.<br />
Stiften hört sich stets nach Millionenbeträgen<br />
an, doch kann eine<br />
Stiftung auch mit wesentlich<br />
geringeren Mitteln ins Leben gerufen<br />
beziehungsweise können<br />
auch „Zustiftungen“ in bestehende<br />
gemeinnützige Stiftungen geleistet<br />
werden. Ausschlaggebend<br />
ist, dass die gestifteten Vermögenswerte<br />
laufende Erträge abwerfen,<br />
seien es Dividenden, Zinsen,<br />
Mieten oder Pachten. Denn<br />
mit diesen Erträgen, beziehungsweise<br />
nur mit diesen Erträgen sollen<br />
ja die Anliegen der Stiftung<br />
erfüllt werden, während das Stiftungsvermögen<br />
erhalten bleiben<br />
soll. Schon mit einem kleinen Vermögen<br />
kann gestiftet werden,<br />
wenn der Stiftungszweck, die gewählte<br />
Rechtsform und die sonstigen<br />
Umstände ein plausibles<br />
Konzept für eine nachhaltige Stiftungsarbeit<br />
ergeben und die Erträge<br />
des Vermögens für eine dauerhafte<br />
und nachhaltige Zweckverwirklichung<br />
ausreichen.<br />
Die richtige Rechtsform<br />
ist wichtig<br />
VorGründung einer Stiftung gilt<br />
es die richtige Rechtsform auszuwählen,<br />
wobei zwischen der<br />
Rechtsform und dem Stiftungskapital<br />
Abhängigkeiten bestehen.<br />
Hierzu merkt der Bundesverband<br />
Deutscher Stiftungen (www.stiftungen.org)<br />
an, dass für die Gründung<br />
einer selbstständigen<br />
rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen<br />
Rechts eine Mindestkapitalausstattung<br />
von etwa 50000<br />
Euro erforderlich sei, damit auch<br />
aus den Erträgen der Stiftungszweck<br />
adäquat verwirklicht werden<br />
kann. Daneben gebe es die<br />
kleinere Lösung über die Gründung<br />
einer unselbstständigen Stiftung<br />
mit einer Mindestkapitalausstattung<br />
von etwa10000 Euro.<br />
Werkann stiften? Jedermann,<br />
der geschäftsfähig ist. Auch jede<br />
juristische Person, zum Beispiel<br />
ein rechtsfähiger Verein, kann<br />
sich als Stifter betätigen.<br />
Voraussetzungen: Der Stifter<br />
muss die Absicht erklären, eine<br />
Stiftung zu gründen. Gleichzeitig<br />
muss er sich verpflichten, ein im<br />
Stiftungsgeschäft genau bestimmtes<br />
Vermögen auf die neue Stiftung<br />
zu übertragen.<br />
Rechtsformen: die rechtsfähige<br />
Stiftung bürgerlichen Rechts ist<br />
das geeignete Instrument, um als<br />
Stifter auf Dauer sein Vermögen<br />
einem bestimmten Zweck zu widmen.<br />
Die staatliche Aufsicht garantiert<br />
den dauerhaften Bestand<br />
der Stiftung und die Berücksichtigung<br />
des Stifterwillens. Daneben<br />
gibt es die Treuhandstiftung, die<br />
Stiftungs-GmbH und den Stiftungsverein.<br />
Zustiftungen sind Spenden in<br />
den Vermögensstock einer gemeinnützigen<br />
Stiftung, die auf Antrag<br />
des Steuerpflichtigen im Jahr<br />
der Zuwendung und in den folgenden<br />
neun Jahren bis zu einem Gesamtbetrag<br />
voneiner Million Euro<br />
abgezogen werden können.<br />
Name In Euro<br />
VolkswagenStiftung 121.861.000<br />
Bertelsmann Stiftung 77.500.000<br />
Robert Bosch Stiftung GmbH 75.856.000<br />
Landesstiftung Baden-Würtemberg gGmbH 71.074.000<br />
Alexander von Humboldt-Stiftung 67.871.000<br />
Deutsche Bundesstiftung Umwelt 60.815.000<br />
Studienstiftung des deutschen Volkes e.V. 51.618.000<br />
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 42.200.000<br />
Deutsche Stiftung Denkmalschutz 38.000.000<br />
Umweltstiftung WWF-Deutschland 35.330.000<br />
Dietmar-Hopp-Stiftung gGmbH 30.000.000<br />
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius 27.528.000<br />
Stiftung Mercator 24.500.000<br />
Software AG-Stiftung 24.130.000<br />
Gemeinnützige Hertie-Stiftung 21.102.000<br />
Finanzdaten aus 2008 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (2010)
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 20<br />
FOTO: MEYHOME/PIXELIO<br />
VON BRUNO HIDDING<br />
Es ist in Fachkreisen unbestritten,<br />
dass wohlklingende<br />
und vielversprechende<br />
Straßennamen schon einen gewissen<br />
Einfluss auf das Interesse von<br />
Immobilienkäufern oder auch<br />
Wohnungssuchenden ausüben.<br />
Vielleicht ist es ja auch nur der<br />
erste,spontane Eindruck, der dann<br />
bei einer Besichtigung vor Ort<br />
möglicherweise in sich zusammenschmilzt,<br />
wenn der Name<br />
eben mehr oder zu viel verspricht,<br />
und der angebliche Charme der<br />
Parkstraße von einem städtischen<br />
Parkhaus abgeleitet ist.<br />
Aber seien wir ehrlich, bei einer<br />
Wohnungs- oder Immobiliensuche<br />
springen wir doch alle sicher<br />
eher auf Panoramaweg oder<br />
Seeblick-Anlage als auf Puckelweg<br />
oder „Hinter der Verbren-<br />
Wirtschafts-TV:<br />
AfrikaimBlick<br />
VON TINO FRIEDERICH<br />
Analog zum sportlichen Großereignis<br />
dieses Jahres finden sich unter<br />
den Wirtschafts-TV-Sendungen der<br />
kommenden Wochen einige Beiträge<br />
zum Fußball und zu Afrika. Darüber<br />
hinaus erwartet Interessierte eine bunte<br />
Mischung aus Porträts, Dokus und<br />
Reportagen (Änderungen vorbehalten):<br />
Mittwoch, 9. Juni: Kurz vor dem Anpfiff<br />
zur 19. Weltmeisterschaft in Südafrika<br />
schaut sich das „Auslandsjournal<br />
XXL: Global Player–Die Weltmacht<br />
Fußball“ (ZDF, 22.15 Uhr) im internationalen<br />
Fußballgeschäft um, wo der<br />
Sport längst als Produkt verstanden<br />
wird. Dementsprechend führt der Weg<br />
zum Erfolg in großen Wettbewerben<br />
heutzutage häufig durch die Vorstandsetagen<br />
milliardenschwerer Großkonzerne.<br />
Später am Abend werden in der<br />
Reihe „Dynastien“ „Die Miele-Männer“<br />
(HR, 23.45 Uhr) porträtiert. Der<br />
Film erzählt die nordrhein-westfälische<br />
Familien- und Firmengeschichte<br />
Senior-Chef Rudolf Miele im Produktionswerk.<br />
FOTO: WDR/MIELE<br />
der Mieles und Zinkanns von den Anfängen<br />
des Unternehmens Ende des 19.<br />
Jahrhunderts bis zum letzten Wechsel<br />
Seeuferstraße<br />
an der Kläranlage<br />
Immobilien – Wirdaus Lage,Lage, Lage also Lage, Straßenname,Lage? –<br />
Alexanderstraße und AlexandraweginDarmstadt<br />
nungsanlage“, weshalb es derartige<br />
negativeNamen bezeichnenderweise<br />
ja auch gar nicht erst<br />
gibt –oder zumindest sehr selten.<br />
Spezialisten des Immobilienmarketings<br />
wissen schon seit ge-<br />
an der Doppelspitze der Dynastie, der<br />
im Jahre 2004 vollzogen wurde.<br />
Samstag, 12. Juni: Den Hauptumsatz<br />
macht „Der Pfandleiher –Retter in der<br />
Not“ namens Hans Niereisel mit Unternehmen,<br />
die Zahlungsengpässe überbrücken<br />
müssen oder kurz vorder Pleite<br />
stehen. Der „Hessen-Reporter“ (HR,<br />
17.30 Uhr) besucht ihn in Erlensee bei<br />
Hanau.<br />
Sonntag, 13. Juni: Als Retter der<br />
Schweizer Uhrenindustrie („Swatch“)<br />
ist der Unternehmer Nicolas G. Hayek<br />
weithin bekannt. In der Reihe „NZZ<br />
Standpunkte“ (3sat, 11.15 Uhr) erläutert<br />
der 82-Jährige seine Kritik am Managertum,<br />
macht deutlich, wasihm an<br />
den Schweizer Großbanken missfällt<br />
und erklärt, warum er weiterhin an den<br />
„Werkplatz Schweiz“ glaubt. Am<br />
Nachmittag blickt die Sendung „neues<br />
spezial: Afrikaconnect –Ein Kontinent<br />
sucht Anschluss“ (3sat, 16.30Uhr) beispielhaft<br />
nach Uganda, Ruanda und<br />
Kenia. Der Film will aktuelle Entwicklungen<br />
auf einem der am schnellsten<br />
wachsenden Märkte der Welt –dem<br />
afrikanischen Mobilfunksektor –nachzeichnen.<br />
Dienstag, 15. Juni: Um die Entsorgung<br />
des Hausmülls der deutschen Hauptstadt<br />
geht es in „Pulsschlag Berlin“<br />
(3sat, 13.45 Uhr). Die Doku schaut hinter<br />
die Kulissen der gigantischen technischen<br />
und wirtschaftlichen Unternehmung<br />
„Abfallbeseitigung“ und begleitet<br />
Menschen, die mit dem zuverlässigen<br />
Verschwindenlassen der Konsum-Reste<br />
ihr Geld verdienen. Später<br />
gibt es den Themenabend „Südafrika–<br />
Kapder großen Hoffnung?“.Sein erster<br />
Beitrag „Schwarz, arm, chancenlos?“<br />
(Arte, 20.45 Uhr) untersucht am<br />
Beispiel des Wirtschaftsprogramms<br />
„Black Economic Empowerment<br />
(BEE)“ die Wirtschaftspolitik am Kap.<br />
Mit dem voreinigen Jahren aufgelegten<br />
raumer Zeit, dass wohlklingende<br />
und bekannte Namen durchaus<br />
einen gewissen Reiz ausüben<br />
und auch einen gewissen Einfluss<br />
auf den Preis haben sollen,<br />
was sich sukzessive bei den<br />
BEE wirddas Ziel verfolgt, die Chancen<br />
auf wirtschaftlichen Erfolg von<br />
Schwarzen und anderen benachteiligten<br />
Bevölkerungsgruppen zu erhöhen.<br />
Die Doku zieht eine Zwischenbilanz.<br />
Freitag, 18. Juni: Die von Thea Dorn<br />
moderierte Gesprächssendung „Literatur<br />
im Foyer“ (SWR, 0.00 Uhr) steht<br />
Thea Dorn FOTO: SWR/ALEXANDER KLUGE<br />
unter dem Motto „Kapitalismus –was<br />
nun?“.Der Publizist Roger de Weck und<br />
der Sozialwissenschaftler Meinhard<br />
Meinhard Miegel ist ein Urgestein<br />
deutscher Sozialwissenschaften. In seinem<br />
neuen Buch „Exit. Wohlstand ohne Wachstum"<br />
wagt er sich an die heiligeKuh so gut<br />
wie aller Parteien: das Wachstum.<br />
FOTO:SWR/MICHAEL SCHULZE<br />
Stadtplanern herumgesprochen<br />
hat. Auch erste wissenschaftliche<br />
Gehversuche auf diesem Gebiet<br />
vermitteln den Eindruck, dass eine<br />
wohlklingende und interessante<br />
Namensgebung durchaus<br />
Miegel diskutieren darüber,obund wie<br />
der Kapitalismus noch zu retten und<br />
wie sinnvoll es ist, unsere Gesellschaft<br />
den Bankern anzuvertrauen.<br />
Samstag, 19. Juni: VonSegelflugfanatikern,<br />
Radsport-Fans, Lebensmittelhändlern<br />
und Kaffeeröstern erzählt die<br />
Reportage „Hessische Familienbetriebe<br />
mit Tradition“ (HR, 18.30Uhr). Bei diesen<br />
verschmelzen die Elemente Zusammenhalt,<br />
handwerkliches Geschick<br />
und gemeinsame Vision zum<br />
wirtschaftlichen Erfolg.<br />
Firmengründer Bernhard Rohloff<br />
bei der Arbeit. Der Familienbetrieb Rohloff<br />
AG in Fuldatal bei Kassel wurde 1986 von<br />
Barbara und Bernhard Rohloff gegründet.<br />
Die Firma stellt Fahrradkomponenten her.<br />
FOTO: HR/ROHLOFF AG<br />
Sonntag, 20. Juni: Um ein Großprojekt,<br />
das den hiesigen Erdgasbedarf zu<br />
einem Gutteil decken helfen soll, geht<br />
es in der „hitec“-Reportage „Die Ostsee-Pipeline“<br />
(3sat, 15.55 Uhr). Ab<br />
2012 wird durch sie russisches Erdgas<br />
direkt nach Deutschland gelangen.<br />
Montag, 21.Juni: Windparks auf hoher<br />
See und solarthermische Anlagen<br />
in Afrika verlangen nach neuen Techniken,<br />
um Strom über Hunderte von<br />
geeignet ist, werterhaltend und<br />
wertsteigernd zu wirken, beim<br />
Gegenteil aber auch wertmindernd.<br />
Nur müssen die Namen und<br />
die Assoziationen, die sie erzeu-<br />
Kilometern möglichst verlustarm zum<br />
Verbraucher zu transportieren. Die „hitec“-Doku<br />
„Das Stromnetz von morgen“<br />
(3sat, 21.30 Uhr) erklärt die neue<br />
Gleichstromtechnologie, zeigt, wo sie<br />
eingesetzt werden soll und fragt, warum<br />
die großen Energiekonzerne vor<br />
dieser Modernisierung zurückschrecken.<br />
Dienstag, 22. Juni: Im ersten von drei<br />
Teilen der Doku-Reihe „Spurensuche in<br />
Ruinen“ wird mit „Original Wolfen –<br />
Die Geschichte einer Filmfabrik“<br />
(MDR, 22.05 Uhr) erzählt. Unter dem<br />
Namen Agfa Wolfen wurde 1936 der<br />
erste „Farbfilm für jedermann“ entwickelt.<br />
Zu DDR-Zeiten arbeiteten 15 000<br />
Beschäftigte für den devisenträchtigen<br />
Industrieriesen. Doch kurz nach der<br />
Wende kamdas Aus.<br />
Freitag, 25. Juni: „Katanga –Krieg um<br />
Kupfer“ (Arte, 22.30 Uhr) berichtet<br />
vomgnadenlosen Kampf multinationaler<br />
Konzerne um das lukrativeGeschäft<br />
mit Rohstoffen. Denn in der südöstlichen<br />
Provinz der Demokratischen Republik<br />
Kongo lagern gigantische Vorkommen<br />
an Kobalt, Uran und anderen<br />
strategisch bedeutsamen Rohstoffen.<br />
Montag, 28. Juni: Am Beispiel eines<br />
mittelständischen Autozulieferers<br />
zeigt „ARD-exclusiv: Letzter Ausweg<br />
Insolvenz“ (HR, 11.25 Uhr), was die<br />
Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens<br />
für die Mitarbeiter bedeutet. Der<br />
Autor Mirko Tomic hatte dafür die Gelegenheit,<br />
einen Insolvenzverwalter<br />
von der ersten Betriebsversammlung<br />
bis zum Abschluss eines Kaufvertrages<br />
für den Betrieb zu begleiten.<br />
Dienstag, 29. Juni: Ums Konsumieren<br />
dreht sich der Themenabend „Ich kaufe,<br />
also bin ich“. Im ersten Beitrag<br />
„Shoppen bis zum Umfallen“ (Arte,<br />
20.15 Uhr) wird amBeispiel der USA<br />
das Konsumverhalten in den vergange-<br />
gen, auch stimmig sein. Eine<br />
Bahnhofstraße ist eben selten am<br />
Park und eine Parkstraße selten<br />
am Bahnhof. Mit Bahnhofstraße<br />
verbindet sich Lärm, Lagerschuppen<br />
und Rangiertätigkeit;<br />
da ist die Bahnhofstraße in Zürich<br />
als eine der teuersten Flanierstraßen<br />
der Welt sicher eine<br />
große Ausnahme.<br />
Der Zweck ist<br />
am wichtigsten<br />
Wichtig bei alledem ist, wozu die<br />
gesuchte Immobilie dienen soll.<br />
Eine gewerbliche Nutzung, zum<br />
Beispiel als Einzelhandelsshop,<br />
sucht sicher weniger die Panoramastraße,<br />
vielmehr die vielbegangene<br />
und vielbefahrene<br />
„Hauptstraße“.Datickt der Wohnungssuchende<br />
eher umgekehrt.<br />
Nur dürfen dann auch bei der<br />
„Parkstraße“ die Parks, also die<br />
Bäume, nicht fehlen. Und zu<br />
hoch greifen dürfen Stadtväter<br />
auch nicht in dem Bemühen, interessante<br />
Lagen per interessanten<br />
Namen zu erzeugen. Eine<br />
Seeuferstraße am Rande einer<br />
Kläranlage wäre sicher eine Vorspiegelung<br />
falscher Tatsachen.<br />
Interessenten müssen sich also<br />
nach dem ersten Namenseindruck<br />
vor Ort genau umschauen. Lage<br />
bleibt eben doch Lage,egal wie sie<br />
genannt wird. Dann wirdsich auch<br />
schnell herausstellen, dass die<br />
leicht zu verwechselnden Alexanderstraße<br />
und Alexandrawegzwar<br />
gar nicht weit voneinander entfernt<br />
liegen, jedoch nur der Alexandraweg<br />
zum exklusiven und<br />
beliebten Darmstädter Jugendstilviertel<br />
Mathildenhöhe zählt. Und<br />
beim Hingehen, Ansehen, Umhören,<br />
Einordnen und Vergleichen<br />
fällt dann auch auf, ob pfiffige<br />
Stadt- und Immobilienplaner aus<br />
Hinterhofadressen von bekannten<br />
Straßen eben bekannte Hinterhofadressen<br />
machen, indem sie die<br />
Hausnummern der bekannten<br />
Straße nur mit Zusätzen zu den<br />
Hausnummern, aoder boder c,<br />
versehen.<br />
Oft entscheidet die<br />
andereStraßenseite<br />
Manchmal ist auch die Straßenseite<br />
von großer Bedeutung. So<br />
bietet die Düsseldorfer Königsallee<br />
nur auf einer Seite die exklusive<br />
Shopping-Meile, auf der anderen<br />
Seite reihen sich Bankpaläste<br />
aneinander. Und nicht nur alte<br />
Düsseldorfer wissen, dass vordiesen<br />
Bankpalästen außerhalb der<br />
Bürostunden früher ein ganz altes<br />
Gewerbe flanierte.<br />
nen 60 Jahren unter die Lupe genommen.<br />
In „Anleitung zur Katastrophe –<br />
Ein Jahr auf Öl-Diät“ (Arte, 21.05 Uhr)<br />
unternimmt der Dokumentarfilmer<br />
John Webster mit seiner Familie den<br />
Versuch, ein Jahr lang auf den Konsum<br />
von Erdöl und Erdölprodukten zu verzichten.<br />
Am Abend geht die „Spurensuche<br />
in Ruinen“ mit „Zekiwa –Kinderwagen<br />
aus Zeitz“ in ihre zweite<br />
Runde. Inder zu DDR-Zeiten größten<br />
Kinderwagenfabrik Europas liefen<br />
jährlich mehr als 600000 Fertigprodukte<br />
vomBand. Mitte der neunziger Jahre<br />
kamfür das Traditionsunternehmen jedoch<br />
das Aus.<br />
Montag, 5. Juli: Die Doku „Henners<br />
Traum –Das größte Tourismusprojekt<br />
Europas“ (3sat, 23.10 Uhr) beschreibt<br />
ein Investitionsvorhaben mit einem Volumen<br />
von 420 Millionen Euro, mit<br />
dem der Bürgermeister des nordhessischen<br />
Hofgeismar, Henner Sattler<br />
(CDU), die verschlafene Domäne Beberbeck<br />
in ein mondänes Touristen-Resort<br />
verwandeln will. Der Film beleuchtet<br />
die ökonomischen und politischen<br />
Prozesse dahinter.<br />
Dienstag, 6. Juli: Im dritten und letzten<br />
Teil der Reihe „Spurensuche in Ruinen“<br />
geht es um „Malimo aus Wolkenberg“<br />
(MDR, 22.05 Uhr). Der Malimo-<br />
Stoff fand sich in fast jedem DDR-Haushalt,<br />
das Malimo-Webverfahren wurde<br />
vom Erzgebirge aus in die ganze Welt<br />
exportiert. Doch auch diese einstige Erfolgsgeschichte<br />
hatte kurz nach der<br />
Wende ein Ende.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 21<br />
<strong>WirtschaftsEcho</strong><br />
Handel, Handwerk und Industrie | Ihr Erfolg hat regionale Wurzeln.<br />
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Handwerk &<br />
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Seiten 24 +25<br />
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Weil ihm Meetings zu langweilig wurden,<br />
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aber die meisten versagen<br />
beim Planen«<br />
Lee Iacocca, Automanager<br />
Seite 22<br />
Süße Träume<br />
Hochwertiges aus Schaumstoff,<br />
Latex und Federkern<br />
wird bei der Matratzen-Fabrik<br />
Nirwana in Groß-Gerau<br />
hergestellt. Auch individuell.<br />
Seite 29<br />
Voll defensiv<br />
Ökostromanbieter Entega<br />
will den FSV Mainz 05 zum<br />
ersten klimaneutralen Fußball-Bundesligisten<br />
machen.<br />
Andere Klubs sollen folgen.<br />
Seite 30<br />
Klein und fein<br />
Der AV Markt vonAlexander<br />
Lau bietet Media Markt und<br />
Co. erfolgreich die Stirn: Der<br />
Hecht im Karpfenteich der<br />
Elektroketten in Südhessen.<br />
Seite 31<br />
Chat statt Jet<br />
Nach der Aschewolkemit<br />
Flugverbot boomen virtuelle<br />
Meetings mittels Videokonferenzen.<br />
Merck nutzt die<br />
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Datum/Unterschrift<br />
Wolfgang König FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
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Datum/Unterschrift
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 22<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />
Längst nicht überall, wo Nirwana<br />
drin ist, steht auch<br />
Nirwana drauf. Denn die<br />
meisten bundesweiten Bettenhäuser,die<br />
hochwertige Matratzen des<br />
Groß-Gerauer Herstellers anden<br />
Mann und in die Schlafzimmer<br />
bringen, lassen die Produkte unter<br />
ihrer jeweiligen Hausmarkefirmieren.<br />
Im Darmstädter Bettenhaus<br />
Kalbfuß am Ludwigsplatz etwa,<br />
wo man den Hersteller gern als<br />
„Qualität aus Südhessen“ empfiehlt,<br />
heißt die Marke Dormabell.<br />
Auch in der Matratzenwelt in<br />
Groß-Zimmern und bei Betten Rid<br />
in Frankfurt und München gibt es<br />
Nirwana-Matratzen unter Hausmarken,<br />
verrät der Nirwana-Chef<br />
und Inhaber Rolf Rau(63).<br />
Direkt bei Nirwana bestellen<br />
und kaufen, können Endkunden<br />
nicht. Der Vertrieb über den<br />
Handel habe sich bewährt, es werde<br />
allein auf Bestellung gefertigt.<br />
Für den Moment zu produzieren<br />
hilft Lagerkosten zu sparen, verlangt<br />
aber Flexibilität von den 16<br />
festen Mitarbeitern. Aushilfen<br />
kommen regelmäßig hinzu. Wer<br />
im Bettenhaus bestellt, bekommt<br />
die Ware nach acht bis vierzehn<br />
Tagen geliefert, verspricht der<br />
Hersteller.<br />
13 000 bis 15 000 Matratzen<br />
verlassen die 5000 Quadratmeter<br />
Werkshallen in der Sudetenstraße<br />
inzwischen jedes Jahr.Federkern,<br />
Latex- und unterschiedlichste<br />
Schaumstoffmatratzen. Kaltschaummatratzen<br />
liegen dabei<br />
besonders imTrend, sie machen<br />
derzeit 60 Prozent der Produktion<br />
aus. „Sie sind leichter als Latex,<br />
lassen sich beim Putzen im<br />
Schlafzimmer auch gut verrücken<br />
und wenden und bieten aus orthopädischen<br />
Gesichtspunkten<br />
beste Voraussetzungen“, sagt<br />
Rau. Auch Topper liegen im<br />
Trend, dünne Matratzen, die man<br />
auf vorhandene Matratzen auflegt;<br />
in den USA sei das üblich.<br />
Der Absatz bei Nirwana habe sich<br />
nach der letzen Hallenerweiterung<br />
im Jahr 1996 eingependelt.<br />
Der Umsatz der GmbH bewege<br />
sich stabil bei 1,5 Millionen Euro,<br />
sagt Rau. Große Schwankungen<br />
kenne der Markt nicht, „geschlafen<br />
wird immer“.<br />
Eigene Philosophie<br />
durch die Schnitte<br />
Aber wie viel Schlafkomfort<br />
stammt tatsächlich aus Groß-<br />
Gerau? Werden die Schaumstoffkerne<br />
doch von verschiedenen<br />
Herstellern etwa aus Sinsheim-<br />
Steinsfurt und aus dem saarländischen<br />
Bexbach geliefert. „Eine<br />
ganze Menge“, erklärt der Chef.<br />
Denn auch bei den Zulieferern,<br />
wo „der Schaum aus der Düse<br />
kommt und aufgeht wie ein Hefekuchen“,<br />
werde nach Nirwana-<br />
Vorgaben gefertigt. Gewicht des<br />
Schaums und vor allem die<br />
Schnitte machen die ganz eigene<br />
Philosophie eines jeden Herstellers<br />
aus. Die Schnitte, die eine<br />
CNC-Maschine noch bei den Lieferanten<br />
in die Schaumblöcke<br />
fräst, sichern die Durchlüftung<br />
der Matratze und sorgen dafür,<br />
dass der Körper in unterschiedlichen<br />
Zonen genau so gebettet<br />
wird, dass die S-förmige Wirbelsäule<br />
punktgenau Unterstützung<br />
findet. Körpergröße und Gewicht<br />
spielen bei der Auswahl der richtigen<br />
Matratze daher die wichtigste<br />
Rolle.<br />
Die Matratzenrohlinge erhalten<br />
in der Nirwana-Näherei je nach<br />
Kundenwunsch variantenreiche<br />
Bezüge und Füllungen. Ob Rosshaar,<br />
Schurwolle oder Kokos, vieles<br />
ist als Füllung möglich, wird<br />
aber vom Kunden seit bald einem<br />
Jahrzehnt immer seltener gefragt,<br />
weiß Rau. Die Klimaschichten verdichten<br />
die Oberfläche. InZeiten,<br />
wo Hausstauballergien und orthopädische<br />
Gesichtspunkte bei der<br />
Auswahl in den Vordergrund treten,<br />
sind abzieh- und waschbare<br />
Bezüge aus Mehrlagen-Jersey-<br />
Stoff der Renner. Auf Füllungen<br />
werdehäufig verzichtet.<br />
Der Raumausstattermeister<br />
und Leiter der Polsterei, Heiko<br />
Kuhlmann, führt durch die Hallen,<br />
zeigt stolz manche Sonderanfertigungen:<br />
Für die Kajüte einer Motorjacht<br />
werden gerade besonders<br />
feste Kaltschaummatratzen zurechtgeschnitten,<br />
sie kommen in<br />
den spitzen Bug. FürYachten wurden<br />
auch schon kreisrunde Matratzen<br />
gefertigt, berichtet Kuhlmann.<br />
Süße Träume –<br />
nurauf Bestellung<br />
Matratzen – Hochwertiges aus Schaumstoff, Latex und Federkern<br />
wirdbei Nirwana in Groß-Gerau gefertigt –„Ein Stück Lebensqualität“<br />
Fürsolche Individualanfragen und<br />
Aufträge für die hauseigene Polsterei<br />
können sich Kunden auch direkt<br />
an den Hersteller wenden<br />
(www.nirwana-matratzen.de).<br />
Taschenfederkern-Matratzen<br />
erhalten noch immer bei Nirwana<br />
ihre Feder in die Tasche, werden<br />
komplett gefertigt. Der Federkern<br />
bestimmt die bewegte<br />
Geschichte des Betriebs,der 1908<br />
in Wuppertal begann. Damals<br />
hieß Nirwana noch „Frischauf<br />
Matratzenfabrik“. Rolf Raus<br />
Großvater Walter Tusch hatte an<br />
der Wupper die Firma gegründet.<br />
Seither ist der Betrieb fest in Familienhand.<br />
In den Dreißigerjahren<br />
zog die Produktion zunächst<br />
nach Offenbach. Doch das Werk<br />
wurde bei Fliegerangriffen im<br />
zweiten Weltkrieg zerstört. Ein<br />
Neustart im Büttelborner Volkshaus<br />
hat die Frischauf-Matratze<br />
dann ins Ried verschlagen, erzählt<br />
der Chef. Das war1945. Die<br />
Amerikaner hatten rasch andere<br />
Pläne mit dem Volkshaus und die<br />
Frischauf-Fabrik zog für fast 20<br />
Jahre anden Dornheimer Bahnhof,<br />
darauf an ihren heutigen<br />
Standort nach Groß-Gerau – in<br />
die Sudetenstraße 13.<br />
Im Jahr 1978 hat der studierte<br />
Volkswirt und Wirtschaftspädagoge<br />
Rolf Rau das Ruder übernommen.<br />
Er sprang in die Bresche.<br />
Inseinem „ersten Leben“,<br />
wie er sagt, war Rau Lehrer an<br />
einem Hanauer Wirtschaftsgymnasium.<br />
Mit seinem Vater Heinz<br />
Rauverband ihn nicht gerade Harmonie<br />
und Eintracht, verrät er.An<br />
die Nachfolge im Betrieb verschwendete<br />
Rau deshalb lange<br />
keine Überlegung, ging bewusst<br />
seinen eigenen Weg. Ein Onkel<br />
sollte die Frischauf-Matratzen<br />
übernehmen. Überraschend kam<br />
es anders. Rauhängte den Lehrerjob<br />
an den Nagel, ein Beruf in dem<br />
er glücklich war.<br />
Aber er hat es nicht bereut. Nur<br />
wenn er vonMaterialien und Wirbelsäulenaufbau<br />
referiert, bei<br />
komplizierten Zusammenhängen<br />
langsamer spricht, wenn er wartet,<br />
bis der Journalist mitgeschrieben<br />
hat, da mag der Lehrer noch<br />
durchkommen. Ein modernerer<br />
Firmenname war des frischgebackenen<br />
Unternehmers erste Tat.<br />
Nirwana steht im Buddhismus für<br />
den Austritt aus dem Kreislauf des<br />
Leidens und der Wiedergeburt, in<br />
das ewige Erwachen.<br />
Meist zwischen<br />
400 und 800 Euro<br />
Auch wenn die Preisliste bei 150<br />
Eurobeginnt, liegen Nirwana-Matratzen<br />
in der Standardgröße 200<br />
mal 80 Zentimeter je nach Machart<br />
und Material gern zwischen<br />
400 und 800 Euro. Qualität habe<br />
eben ihren Preis, sagt Rau: „Man<br />
kauft ein Stück Lebensqualität“,<br />
Rolf Rau<br />
Rolf Rau(63) ist in Darmstadt<br />
geboren, in Büttelborn aufgewachsen.<br />
Nach seinem Abitur<br />
in Groß-Gerau hat er in Mainz<br />
Volkswirtschaft und Wirtschaftspädagogik<br />
studiert,<br />
wurde zunächst Lehrer an einem<br />
Wirtschaftsgymnasium<br />
in Hanau. 1978 hat er kurzfristig<br />
umgesattelt und das Familienunternehmen<br />
„Frischauf<br />
Matratzenfabrik“ übernommen,<br />
taufte es fortan „Nirwana“<br />
und führte den Absatz<br />
von 6000 Matratzen auf recht<br />
konstante 13 000 bis 15 000<br />
Stück im Jahr.Rau liebt außergewöhnliche<br />
Skireisen und<br />
spielt leidenschaftlich Tennis,<br />
in der Regionalligaklasse des<br />
TC Rüsselsheim. Insgeheim<br />
träumt er davon, dass sein<br />
Sohn Max (29) einmal Nirwana<br />
übernehmen wird. Der studiert<br />
Philosophie und Homöopathie<br />
in Berlin.<br />
[Person]<br />
verbringe schließlich ein Drittel<br />
seines Lebens im Schlaf. Und –so<br />
der Rat vom Fachmann: alle acht<br />
Jahresollte man die Matratze aus<br />
hygienischen Gründen austauschen.<br />
Kein anderer Artikel werde<br />
so belastet und vonkeinem anderenerwarte<br />
man, dass er so lange<br />
halte. Matratzen sind ein klassisches<br />
„Low-Interest-Produkt“,<br />
kategorisiert der Volkswirt: ein<br />
Konsumgut, dem Verbraucher ein<br />
geringes Interesse entgegenbringen<br />
und das durch habituelles<br />
Kaufverhalten charakterisiert ist.<br />
Es gibt also Menschen, denen die<br />
Matratze von Haus aus wichtig<br />
ist, und vielen denen es vonHaus<br />
aus egal ist, auf was sie liegen.<br />
Breitere Matratzen für<br />
zwei lassen sich bei Nirwana<br />
übrigens auch ohne<br />
Aufpreis mit zwei unterschiedlich<br />
harten<br />
Matratzenkernen lie-<br />
fern, falls Mann es lieber<br />
hart mag, Frau weich –<br />
oder umgekehrt.<br />
Doch mal das brennende<br />
Interesse vorausgesetzt,<br />
welche Matratze<br />
soll es sein, Herr Rau?<br />
Latex, Federkern, Kaltschaum<br />
oder gar das<br />
neue Visco Flex, jener<br />
sich bei Wärme besonders<br />
anpassende viskoelastische<br />
Schaumstoff?<br />
Beste Laborwerte würden<br />
immer noch vonLatex-Matratzen<br />
erzielt,<br />
verrät der Chef. Das Material<br />
sei aber immer etwasteurer<br />
und erheblich<br />
schwerer als der heute<br />
meistverkaufte Kaltschaum,<br />
der auch im<br />
Schlafgefühl dem Latex<br />
kaum mehr nachstehe.<br />
Für Federkernmatratzen<br />
wiederum spreche die<br />
beste Belüftung. Wenn<br />
schon keine eindeutige<br />
Empfehlung – auf was<br />
schlafen Sie selbst zuhaus<br />
in Nauheim, Herr<br />
Rau? „Auf einer Kombination<br />
aus Taschenfederkern-<br />
und Kaltschaummatratze,<br />
im<br />
Handel wird sie als Matralux<br />
angeboten“, sagt er<br />
–und Rau wirkt ausgeschlafen.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 23<br />
VON JULIA LUMMA<br />
Unternehmen<br />
Vom odenwäldischen Örtchen<br />
Brensbach aus arbeitet<br />
der Maschinenbauer<br />
Zimmer und Kreim weltweit. Geschäftsführer<br />
Wolfgang Emert hat<br />
in der 5200-Einwohner-Gemeinde<br />
zwar seinen Schreibtisch, doch<br />
der 58 Jahre alte Manager ist selten<br />
da. Vertragsverhandlungen in<br />
Asien, Potenzialanalysen in Südamerika<br />
und Geschäftsessen bei<br />
europäischen Kunden dominieren<br />
Emerts Terminkalender.<br />
Doch auch die Tage in Brensbach<br />
sind schnell gefüllt, mit Mitarbeitergesprächen,<br />
einer Betriebsversammlung<br />
und einem<br />
Fotoshooting für den neuen Katalog.<br />
Immer wieder klingelt das Telefon:<br />
Mal ist London dran, mal<br />
Seoul. Die Verhandlungen für<br />
neue Verträge laufen, da wird der<br />
Chef um Ratgefragt.<br />
In Deutschland ist Zimmer und<br />
Kreim führend bei den Erodiermaschinen<br />
im Werkzeug- und Formenbau.<br />
Für seine Kunden wie<br />
Samsung, LG, Lego und Braun<br />
Medizintechnik entwickeln und<br />
bauen rund 60 Mitarbeiter in<br />
Brensbach individuelle Lösungen.<br />
Ergänzt werden sie durch<br />
entsprechende Software und<br />
Handling-Systeme.Sogibt es etwa<br />
das „Chamäleon“, einen Roboter,<br />
der fertige Werkstücke und Elektroden<br />
identifiziert und in ein Magazin<br />
sortiert. In die automatisierten<br />
Systeme können Zimmer und<br />
Kreim-fremde Maschinen, etwa<br />
Fräsanlagen, integriert werden.<br />
Den Kunden aus der Medizintechnik,<br />
Telekommunikations- und<br />
Automobilbranche ermöglicht<br />
dies individuelle Anpassungen.<br />
Kleinste Formen<br />
im Nanobereich<br />
Zimmer und Kreims Kunden stellen<br />
mit den Erodiermaschinen<br />
Formen her,aus denen später Produkte<br />
oder Bestandteile beispielsweise<br />
für Steckdosen oder Modelleisenbahnen<br />
gefertigt werden.<br />
Durch eine Elektrode werden<br />
Funken auf dem Werkstück erzeugt.<br />
Wie bei einer Erosion, bei<br />
der Wind die Erde abträgt, platzen<br />
Teile ab oder verdampfen. Möglich<br />
sind kleinste Formen im Nanobereich,<br />
etwa stecknadelgroße<br />
Rädchen für Pumpen im Herzschrittmacher,aber<br />
auch größere,<br />
etwaTurbinen für Flugzeuge.<br />
Ganz gegen den Trend, Produktionsstätten<br />
in Billiglohnländer zu<br />
verlagern, hat das Odenwälder Unternehmen<br />
sein Stammwerk in<br />
Brensbach erweitert. Rund 5500<br />
Quadratmeter groß ist nun das<br />
Areal mit Verwaltungsgebäude,<br />
Fertigungshallen und Technologiezentrum.<br />
Die Mittelstandsholding<br />
HPI (München), der Zimmer und<br />
Kreim seit 1998 gehört, ließ sich<br />
die Vergrößerung gut zwei Millionen<br />
Eurokosten.<br />
Erodiermaschinen werden in<br />
Brensbach seit 1985 gebaut. Viele<br />
werden heute nach Asien geliefert.<br />
„Unsere Kunden sind dort. Wir<br />
müssen hin, wo sie sind“, sagt<br />
Wolfgang Emert. Fürihn heißt das,<br />
einmal im Monat eine Woche nach<br />
Asien zu fliegen. Vorallem in China,<br />
Singapur, Korea, Hongkong,<br />
Malaysia und Thailand stellt er<br />
Produkte vor und führt Verhandlungen.<br />
Dass es dabei Unterschiede<br />
zu Deutschland gibt, merkt der<br />
Geschäftsführer dauernd: „Ein<br />
asiatischer Geschäftspartner wird<br />
immer nicken, egal ob er einverstanden<br />
ist oder nicht, ob er es<br />
verstanden hat oder nicht.“ Er er-<br />
Wolfgang Emert FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Die Firmengründer Alfred Zimmer und Klaus<br />
Kreim mieteten 1985 wegen Platzmangels in<br />
Brensbach im Bad Königer Stadtteil Zell eine<br />
Produktionshalle an und entwickelten dort die<br />
erste Senkerodiermaschine.Noch im gleichen<br />
Jahr präsentierten die beiden auf der Werkzeugmaschinen-Weltausstellung<br />
Emo in Hannover<br />
ihre Weltneuheit: den damals einzigen<br />
Elektroden-Tellerwechsler. Drei Jahre später<br />
folgte der Umzug auf das heutige Firmengelände<br />
ins Brensbacher Gewerbegebiet.<br />
Seit seiner Gründung wuchs das Unternehmen<br />
kontinuierlich. Heute ist es den Angaben<br />
[Infobox]<br />
gänzt: „Das gebietet ihm die Höflichkeit.“<br />
Netzwerkpflege und der Aufbau<br />
vertrauensvoller Partnerschaften<br />
sind Emert wichtig. Die<br />
asiatische Gastfreundschaft sei<br />
immer sehr groß. „Es hat sieben<br />
Jahregedauert, bis ich einen Samsung-Manager<br />
auch mal zum Essen<br />
einladen durfte.“ Dass Verträge<br />
dann gelegentlich auf ungewöhnliche<br />
Art entstehen, erzählt<br />
der gebürtige Baden-Württemberger<br />
gerne, und berichtet von dem<br />
Anruf eines Geschäftspartners,<br />
der ihn vonjetzt auf nachher nach<br />
Singapur bestellte. Ein Vertrag<br />
sollte abgeschlossen werden.<br />
Emert zieht ein Stück Papier heraus.Auf<br />
ihm stehen ein paar Zahlen<br />
in Millionenhöhe, darunter<br />
Datum und Unterschriften –ein<br />
Vorvertrag, wie er in diesen Ländern<br />
nicht unüblich ist.<br />
Doch Emert weiß auch, dass er<br />
erst verbindlich, wenn das Geld<br />
geflossen ist.<br />
Bis zu hundert Mails bekommt<br />
der Geschäftsmann täglich. In seiner<br />
wenigen Freizeit liest er daher<br />
gerne mal ein Buch. Doch auch<br />
die Auswahl ist durch seinen Beruf<br />
geprägt. Die Bücher handeln<br />
von fremden Ländern, ihrer Kultur<br />
und Geschichte.„Ich will wissen,<br />
wann sich Personen so oder<br />
so verhalten.“ Seinen Beruf sieht<br />
Wolfgang Emert als Berufung:<br />
„Gesunder Stress kann jeder aushalten.“<br />
Für den dreifachen Vater gibt<br />
es keinen Feierabend, kein Wochenende.„Fürdie<br />
Familie ist das<br />
eine immense Belastung. Sie<br />
muss viel Verständnis haben“, reflektiert<br />
Emert, der selten bei Frau<br />
und Hund in Bad Wimpfen ist. In<br />
Brensbach hat er eine Einliegerwohnung,<br />
ansonsten fährt er.<br />
„Eineinhalb Stunden brauche ich,<br />
quer durch den Odenwald, immer<br />
am Neckar entlang.“<br />
Der Abstand zur Arbeit ist<br />
Emert wichtig: „Ich will nicht mit<br />
den Hausschuhen zur Arbeit, weil<br />
man diese dann in das Private hineinträgt.“<br />
Persönliches findet<br />
sich kaum in seinem Büro. Mehrere<br />
Aktenstapel, ordentlich sortiert<br />
in Klarsichthüllen, liegen auf dem<br />
hölzernen Schreibtisch. An der<br />
Wand hängt eine Weltkarte auf<br />
zufolge bei Erodiermaschinen im Werkzeugund<br />
Formenbau hierzulande führend und<br />
weltweiter Technologieführer bei Handlingsystemen.<br />
Geplant ist 2010 ein Umsatz von13<br />
Millionen Euro. Die Tochtergesellschaft ZK<br />
China mit Sitz in China und Hongkong sorgt<br />
für den Vertrieb der Maschinen in Asien, wo<br />
sich Zimmer und Kreim vermehrt engagiert.<br />
Alfred Zimmer zog sich 2001 aus dem Unternehmen<br />
zurück, Klaus Kreim Ende 2006. Bereits<br />
1998 wurde die Zimmer und Kreim<br />
GmbH &Co. KG von der HPI Holding übernommen.<br />
Im Internet ist Zimmer und Kreim auf<br />
www.zk-system.com vertreten.<br />
Ausder Idylle<br />
in die große<br />
weiteWelt<br />
Maschinenbau – Geschäftsführer Wolfgang Emert baut das internatonale<br />
Geschäft des Odenwälder Unternehmens Zimmer und Kreim aus –<br />
In Brensbach entwickeln 60 Mitarbeiter Erodiertechnik<br />
Glas graviert, ein Jahreskalender<br />
ohne Einträge und ein Personal-<br />
Organigramm.<br />
Die Kinder sind mittlerweile<br />
groß, haben eigene Familien und<br />
leben über ganz Europa verstreut.<br />
Der älteste Sohn ist in Stockholm,<br />
die Tochter in Kiel, der Jüngste in<br />
Brüssel. Emert war über 20 Jahre<br />
im Ausland tätig, arbeitete fünf<br />
Jahre in Schweden, 16 in Griechenland<br />
bei einem Maschinenbauer.<br />
Sokamen die Kinder jeweils<br />
woanderszur Welt.<br />
„Maximal eine<br />
Woche ausklinken“<br />
Gerne verbindet der Opa von<br />
sechs Enkeln Kundenbesuche mit<br />
Stippvisiten bei seinen Kindern.<br />
Entspannen kann sich der Geschäftsführer<br />
aber am besten bei<br />
Kurzurlauben. „Ich kann mich<br />
maximal eine Woche ausklinken,<br />
ohne das Gefühl zu haben, dass<br />
etwas anbrennt“, meint Emert.<br />
Der nächste Urlaub steht im<br />
August an. Dann fährt das Ehepaar<br />
Emert zu den Salzburger<br />
Festspielen. Wichtig ist ihnen da-<br />
bei: „Wir gehen gerne gepflegt essen<br />
und genießen einen guten<br />
Wein.“ Seine Leidenschaft, den<br />
Pferdesport, hat Wolfgang Emert<br />
aufgegeben. „Dazu ist keine Zeit<br />
mehr.“<br />
Seit 2003 ist der gelernte Kaufmann<br />
bei Zimmer und Kreim. Er<br />
arbeitete in der Produktentwicklung<br />
und baute den Vertrieb auf.<br />
„Früher haben die Gründer das<br />
Fenster aufgemacht und die Aufträge<br />
kamen geflogen. Diese Zeiten<br />
sind längst vorbei“, blickt<br />
Emert zurück.<br />
Anfang 2009 wurde der Bad<br />
Wimpfener Geschäftsführer. Sein<br />
Anspruch dabei: „Verspreche<br />
nichts, was du nicht kannst. Das,<br />
was du versprochen hast, halte<br />
ein.“ Seinen Kunden garantiert<br />
er individuelle Lösungen, ganz<br />
nach dem Firmenmotto „Simply<br />
genius“. Stolz ist Emert auf die<br />
Tatsache, dass es keinen Mitbewerber<br />
gebe, der ihnen in ihren<br />
drei Geschäftsfeldern Erodiermaschinen,<br />
Software und Handling-<br />
Systemen begegnen würde.<br />
Dass Zimmer und Kreim mit<br />
60 Mitarbeitern in Brensbach kein<br />
HPI-Mittelstandsholding<br />
Die HPI Holding AG mit Sitz in München<br />
hält Mehrheitsbeteiligungen an<br />
spezialisierten mittelständischen<br />
Produktionsunternehmen. Neben<br />
Zimmer und Kreim gehört der Holdinggesellschaft<br />
seit 1998 zu 100Prozent<br />
die Pfälzer Berger-Gruppe, die<br />
Spannringe für Kunststoff- und Metallfässer<br />
herstellt.<br />
HPI wurde 1997 in München gegründet.<br />
Aktionäre, die den Mittelstand<br />
fördern wollten, schlossen sich<br />
zusammen. VonAnfang an konzentrierte<br />
sich das Unternehmen auf den<br />
mehrheitlichen Erwerb von Unternehmen<br />
im Maschinen- und Werkzeugbau.<br />
15,6 Millionen Aktien mit<br />
einem Wert von jeeinem Euro wurden<br />
beim Start ausgegeben. Zielsetzung<br />
ist nach eigenen Angaben die<br />
langfristige Entwicklung vonWachstum<br />
und Ertrag der Beteiligungsgesellschaften.<br />
Eines der wesentlichen<br />
Ziele warder Börsengang, der im August<br />
2007 umgesetzt wurde.<br />
[Infobox]<br />
Riese ist, sieht der Geschäftsführerals<br />
Gewinn: „Wir sind flexibel,<br />
schnell und haben kurze Wege –<br />
das kann ein Großunternehmen<br />
nicht leisten.“ 2010 möchte er 13<br />
Millionen Euro umsetzen, 2009<br />
waren eszehn Millionen. „Und<br />
das trotz der wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen“, fügt er an.<br />
Als nächstes steht der Ausbau des<br />
asiatischen Marktes an, doch<br />
auch in Nord- und Südamerika<br />
möchte Zimmer und Kreim bald<br />
Fußfassen.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 24<br />
„Zuguckenwie<br />
ein kleines Kind“<br />
Robolution AG – Wolfgang König<br />
faszinieren Roboteranlagen wie am ersten Tag–<br />
Investitionen in zufriedene Mitarbeiter –Geschäftsvolumen,<br />
Standort Gräfenhausen und Zusammenhalt des Teams wachsen<br />
VON HELEN KNUST<br />
Wer als Kind mit Lego-<br />
Technik gespielt hat,<br />
wirddie Montagehalle<br />
von Robolution lieben. Kleine<br />
Schräubchen, Schaltschränke,<br />
Elektromotoren –die Firma mit<br />
Sitz in Gräfenhausen baut Roboteranlagen<br />
mit Schweißvorrichtungen.<br />
Geschäftsführer Wolfgang<br />
König ist hier in seinem Element.<br />
Komplettsimulation, Safety-Bus-Systeme<br />
und Offline-Programmierung<br />
– die Image-Broschüre<br />
seiner Firma ist für ein<br />
Fachpublikum gemacht. Entweder,<br />
man ist Techniker und von<br />
Maschinen mit Eigenleben fasziniert,<br />
oder man staunt stillschweigend<br />
und insgeheim ein bisschen<br />
kopfschüttelnd über den Erfindungsgeist,<br />
mit dem hier Automatisierungsprozesse<br />
möglich gemacht<br />
werden.<br />
König hat an der Hochschule<br />
Darmstadt Maschinenbau studiert,<br />
gleich sein erster Job bei<br />
ESAB-Masing in Dietzenbach hatte<br />
mit der Konstruktion vonRobotern<br />
zu tun. Seine Augen leuchten,<br />
wenn er heute vor einer Apparatur<br />
steht, die er vor20Jahren<br />
entwickelt hat. „Die arbeitet immer<br />
noch genauso, wie ich das<br />
damals dieser Maschine als Leben<br />
eingehaucht habe. Da guck ich<br />
dann zehn Minuten zu. Wie ein<br />
kleines Kind.“<br />
Im Betrieb ist er fleißig Sprosse<br />
für Sprosse die Karriereleiter<br />
hochgeklettert. Auf die Konstruktion<br />
folgte die Anlagenplanung,<br />
dann wurde er Projektleiter, als<br />
seine Firma an ein auf Robotertechnik<br />
spezialisiertes Unternehmen<br />
von Asea Brown Boveri<br />
(ABB) in Friedberg verkauft wurde<br />
schließlich technischer Leiter.<br />
Mit Anfang 40 spukte ihm aber<br />
immer häufiger die Frage im Kopf<br />
herum: Kann das alles gewesen<br />
sein? „Ich saß irgendwann nur<br />
noch in Meetings“, sagt König.<br />
Was er eigentlich gelernt hatte,<br />
trat immer mehr in den Hintergrund.<br />
2001 mit zwei Kollegen<br />
in die Selbstständigkeit<br />
Mit zwei Arbeitskollegen hat sich<br />
der Diplom-Ingenieur 2001 selbstständig<br />
gemacht. Bei ihm zu<br />
Hause, inder Garage in Gräfenhausen,<br />
wurde probiert und<br />
konstruiert. An Aufträge zu kommen<br />
warvergleichsweise einfach,<br />
erinnert sich König. Schon vor<br />
der Selbstständigkeit hatten sie<br />
Kontakte geknüpft, sich umgehört,<br />
wer mit einer sehr viel<br />
kleineren, aber dafür individuell<br />
und flexibel agierenden Firma zusammenarbeiten<br />
würde. Schwieriger<br />
war es, die Banken von der<br />
Rentabilität des Unternehmens zu<br />
überzeugen. Im zweiten Jahr lag<br />
der Umsatz bei etwa 500 000 Euro.<br />
Dann kam ein Auftrag von<br />
Daimler über 1,5 Millionen Euro.<br />
Bis eine Bank hierfür die Bürgschaft<br />
übernahm, war esein weiter<br />
Weg.<br />
In den vergangenen neun Jahrenhaben<br />
König und seine Kollegen<br />
kleinereund größereSchwierigkeiten<br />
dieser Art immer wieder<br />
souverän umschifft. „Es ist<br />
fast besser gelaufen, als gedacht“,<br />
sagt der Geschäftsführer<br />
ein bisschen zögerlich, als würde<br />
er innerlich drei Mal auf Holz<br />
klopfen. Dabei gibt es allen<br />
Grund, stolz zu sein. Statt in einer<br />
kleinen Garage sitzt er inzwischen<br />
in einer modernen Industriehalle,<br />
in der Montage, Fertigung,<br />
Konstruktion, Softwareentwicklung<br />
und Vertrieb untergebracht<br />
sind. Im ersten Stock<br />
sind die Büroarbeitsplätze, drei<br />
Angestellte und eine Auszubildende<br />
kümmern sich um Buchhaltung<br />
und Auftragsadministration.<br />
In fünf bis acht Jahren wollte<br />
König es mit Robolution auf<br />
rund 40 Angestellte bringen. Inzwischen<br />
beschäftigt er tatsächlich<br />
42 Kollegen, darunter Ingenieure,<br />
Anlagenelektroniker,<br />
Elektrotechniker und CNC-Fräser.<br />
Und die Firma soll weiter<br />
wachsen. Schon bald wird die<br />
Montagefläche von aktuell etwa<br />
700 Quadratmeter auf rund 1500<br />
erweitert.<br />
Wirtschaftskrise<br />
gut verkraftet<br />
Die Wirtschaftskrise hat Robolution<br />
relativ gut verkraftet. Es war<br />
keine Kurzarbeit nötig, im Gegenteil,<br />
es wurden sogar fünf neue<br />
Kollegen eingestellt. „Das Thema<br />
Fachkräftemangel hat uns natürlich<br />
schon Probleme bereitet“,<br />
sagt König. „Da haben wir die<br />
Wirtschaftsflaute ausgenutzt, wo<br />
der ein oder andere eher zum<br />
Wechseln bereit war.“ Vor zwei<br />
Jahren haben König und seine<br />
Kollegen beschlossen, auch die<br />
Fertigung selbst zu übernehmen.<br />
„Das war mit die spannendste<br />
Phase“, sagt König rückblickend.<br />
Es wurde eine eigene AG gegründet,<br />
an der die Mitarbeiter Anteile<br />
erwerben konnten. Nicht jeder<br />
hat das Angebot angenommen,<br />
Wolfgang König<br />
Nach dem Maschinenbau-Studium hatte<br />
gleich der erste Job von Wolfgang König mit<br />
Robotern zu tun. Als Ingenieur in der Konstruktion<br />
hat er Maschinen entworfen. Die<br />
Herangehensweise an ein eigenes Unternehmen<br />
war deshalb klar. Als kleine Firma widmet<br />
sich Robolution –wie die Namensschöpfung<br />
nahelegt –individuellen Roboterlösun-<br />
[Person]<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
gen. „Natürlich muss man mit dem Produkt<br />
auch Geld verdienen“, sagt der Zweiundfünfzigjährige.<br />
Aber während große Konzerne in<br />
der Regel kaufmännisch getrieben sind, ist<br />
sein Ansatz immer ein technischer.<br />
Wolfgang König ist zum zweiten Mal verheiratet<br />
und baut gerade ein Haus im Odenwald.<br />
Dann kann er zwar nicht mehr mit dem<br />
Rad zur Arbeit fahren, aber es ist ruhiger als<br />
in Gräfenhausen, und es gibt einen Garten für<br />
seine Bonsai-Zucht.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 25<br />
Unternehmen<br />
aber insgesamt ist die Sache ein<br />
Erfolg. König wollte seine Angestellten<br />
langfristig binden, ihr Engagement<br />
in der Firma halten und<br />
unternehmerisches Denken in die<br />
Mannschaft bringen. „Ein Miteigentümer<br />
geht anders mit Ressourcen<br />
um“, ist seine Erfahrung.<br />
Vorkurzem wardie zweite Hauptversammlung,<br />
bei der sogar<br />
schon ein kleiner Gewinn ausgeschüttet<br />
wurde.<br />
Was König selbst als Angestellten<br />
gestört hat, versucht er in<br />
seiner Firma unter allen Umständen<br />
zu vermeiden. Die Dienstwege<br />
sind kurz, Konferenzen zielorientiert,<br />
es nimmt nur teil, wer<br />
auch was beizutragen hat. „Das<br />
ist eine ganz andere Besprechungskultur“,<br />
sagt der Unternehmer.<br />
„Wir versuchen, uns<br />
konzentriert und kompakt abzustimmen.“<br />
Und obwohl er als<br />
Chef von 42Angestellten bereits<br />
wieder weit vonder Konstruktion<br />
und seiner ursprünglich techni-<br />
Die Firma Robolution mit Sitz in Gräfenhausen<br />
entwickelt Robotersysteme und Zubehör<br />
vor allem im Bereich Sondermaschinen- und<br />
Schweißvorrichtungsbau. Mittelfristig soll es<br />
auch Angebote für andereProduktionsschritte<br />
wie Kleben oder Trennen geben. Vondrei<br />
Unternehmern im April 2001 gegründet, ist<br />
Robolution in den vergangenen neun Jahren<br />
[Infobox] FOTOS:<br />
schen Ausbildung abgerückt ist,<br />
ist er dennoch näher am Produkt<br />
als in einem großen Konzern wie<br />
ABB. Immer wieder schaut er<br />
sich Konstruktionen mit seinen<br />
Mitarbeitern gemeinsam an und<br />
tüftelt an noch effizienteren Lösungen<br />
für Kundenwünsche.<br />
„Hier kann ich auch mal selbst<br />
den Schraubenschlüssel in die<br />
Hand nehmen“, sagt König zufrieden.<br />
Flexibilität<br />
zahlt sich aus<br />
Die Entscheidung für die Selbstständigkeit<br />
hat er noch keinen Tag<br />
bereut. Kontinuierlich ging es mit<br />
der Firma voranbis zu einem Jahresumsatz<br />
vonrund 7,5 Millionen<br />
Euro imvergangenen Jahr. Geldreserven<br />
mussten bislang nicht<br />
angezapft werden. Ist die Auftragslage<br />
mal schwächer, werden<br />
Überstunden abgebummelt. Hier<br />
erwartet König von seinen Mitar-<br />
beitern Flexibilität. Muss eine Maschine<br />
schneller fertig werden, als<br />
es nach Plan dauern würde, sind<br />
die Arbeitstage entsprechend länger.<br />
Aber er bietet den Angestellten<br />
auch einiges. Vom Gratis-Kaffee<br />
als Wertschätzung im Alltag<br />
über Unternehmensfeste mit der<br />
ganzen Familie bis zum mehrtägigen<br />
Betriebsausflug ein Mal im<br />
Jahr.„Das ist ein Mehrwert für die<br />
Firma“, sagt König. Er war schon<br />
mit allen Kollegen zum Skifahren<br />
in den Bergen und zum Sonnetankenauf<br />
Mallorca, dieses Jahr steht<br />
eine Floßfahrt auf der Isar an. Er<br />
investiert und weiß: „Man bekommt<br />
zufriedene Mitarbeiter zurück.“<br />
Als Unternehmer sieht er für<br />
sich auch eine gesellschaftliche<br />
Verantwortung und bildet seit<br />
fünf Jahren junge Mitarbeiter aus.<br />
König hat zwei eigene Kinder,<br />
zwei hat seine zweite Frau mit in<br />
die Ehe gebracht. Er engagiert sich<br />
außerdem bei der Deutschen Le-<br />
auf 42 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz<br />
vonrund 7,5 Millionen Eurogewachsen. Kunden<br />
kommen aus der Autobranche wie Daimler<br />
oder MAN Nutzfahrzeuge, Auftraggeber<br />
sind aber auch der Einkaufswagen-Hersteller<br />
Wanzl, der Werkzeug- und Maschinenbauer<br />
Süssmilch oder die Firma Rauch mit Produkten<br />
für Dünge-, Sä- und Kommunaltechnik.<br />
ALEXANDER HEIMANN<br />
bensrettungsgesellschaft in Gräfenhausen<br />
und bekommt die Sorgen<br />
vieler Jugendlicher ohne<br />
Ausbildungsplatz direkt mit. Bei<br />
Robolution hat er deshalb eine<br />
angehende Bürokauffrau, eine<br />
technische Zeichnerin und einen<br />
Industriemechaniker unter seine<br />
Fittiche genommen. „Das ist mir<br />
im Konzern immer verwehrt<br />
worden“, sagt König, dem die<br />
Lehrlinge in drei Jahren richtig<br />
ans Herz wachsen. „Das ist auch<br />
eine Entwicklung für die Mitarbeiter,<br />
die die Ausbildung leiten“,<br />
sagt er und sieht in jedem Fall<br />
positive Effekte für seine Teams.<br />
„Eine Gruppe verändert sich dadurch.“<br />
In dem Maße, wie Robolution<br />
gewachsen ist, musste König lernen,<br />
auch wieder Verantwortung<br />
an Angestellte zu delegieren. Frühere<br />
Vorgesetzte sind ihm selbst<br />
mit viel Vertrauen begegnet, das<br />
versucht er weiterzugeben.<br />
„Wenn das gelingt, ist es sehr<br />
schön“, sagt König, dem der Zusammenhalt<br />
und die Identifikation<br />
seiner Mitarbeiter mit dem Betrieb<br />
wichtig sind. „Mit jedem<br />
neuen Mitarbeiter gibt es auch eine<br />
Entlastung.“ Ihm warauch von<br />
Anfang an klar, dass Robolution<br />
kein Drei-Mann-Betrieb bleiben<br />
würde. „Wir wollen Maschinen<br />
bauen, dafür braucht man Manpower.“<br />
Maximal 150Mitarbeiter<br />
sind denkbar<br />
Ein Konzern wirdaus dem Unternehmen<br />
aber nicht werden. „Wir<br />
wollen eine überschaubare,<br />
schlagkräftige Firma sein“, sagt<br />
König. Er könnte sich vorstellen,<br />
insgesamt 100bis 150Mitarbeiter<br />
zu führen, will aber immer in der<br />
Lage sein, auf Bedürfnisse von<br />
Kunden schnell und flexibel zu<br />
reagieren. Anders als in einem<br />
Konzern wird bei Robolution der<br />
Umsatz nicht über möglichst viel<br />
Erleben Sie beiRichter+Frenzeldie<br />
ganzeWeltder Haustechnik!<br />
Besuchen Sie unser Bad-Center in Büttelbornund<br />
unser Bad- &Technik-Center inDarmstadt.<br />
Richter+Frenzel GmbH +Co. KG<br />
Hessenring 25 •64572 Büttelborn •Telefon 06152 984-121<br />
Pfnorstraße 11 •64293 Darmstadt •Telefon 06151 8767-40<br />
verkaufte Maschinen erwirtschaftet,<br />
sondern über individuelle<br />
Roboter-Lösungen für ganz<br />
spezielle Probleme. Sich in einer<br />
solchen Branchen-Nische zu etablieren,<br />
wäre vermutlich nicht direkt<br />
nach dem Studium möglich<br />
gewesen. „Man braucht eine gewisse<br />
Erfahrung“, sagt König.<br />
Auch eine gründliche Planung<br />
des Vorhabens war ihm wichtig.<br />
„Das darf keine Ad-hoc-Geschichte<br />
sein. Man muss langfristig<br />
und fundiert untersuchen, ob<br />
das tragfähig ist.“ König und seine<br />
beiden Mitstreiter haben sich<br />
damals Ratbei der Industrie- und<br />
Handelskammer geholt, einen<br />
Business-Plan geschrieben, sich<br />
ein gutes Netzwerk geknüpft und<br />
vor allem auch die Skeptiker in<br />
der Gründungsphase ernst genommen.<br />
„Ich habe das Risiko<br />
bewusst gewählt“, sagt König.<br />
Ob er den Wegwieder gehen würde?<br />
Die Antwort kommt ohne Zögern:<br />
„Uneingeschränkt ja.“
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 26<br />
VON NINA VOIGT<br />
Wer bisher dachte,zueinem<br />
gelungenen Entspannungsbadgehörten<br />
bloß reichlich Schaum und die<br />
richtige Wassertemperatur, der<br />
merke sich: Eine Badewanne ist<br />
dann komfortabel, wenn Wasserlinie<br />
und Körperhaltung zusammen<br />
passen. Musik und Kerzen<br />
heben vielleicht die Stimmung,<br />
das körperliche Wohlbefinden garantiert<br />
allein der richtige Neigungswinkel<br />
des Rückens. Und<br />
die Länge der Wanne. Und ihre<br />
Form.<br />
Damit die Kunden bei der Wohnungsausstattung<br />
nicht eine falsche<br />
Entscheidung treffen, die sie<br />
dann jahrelang ausbaden müssen,<br />
hat Richter +Frenzel die<br />
Bad-Center erfunden. Schon vorab<br />
im Internet können Interessenten<br />
sich anhand verschiedener Parameter<br />
ihre ideale Wanne bestimmen<br />
und das Modell dann vor<br />
Ort austesten. Reinsetzen ist erlaubt.<br />
„Ein Auto fährt man ja auch<br />
nicht nur virtuell Probe“, sagt<br />
Matthias Brand, 46 Jahre alter<br />
Verkaufsleiter in der Niederlassung<br />
Büttelborn. In manchen<br />
Bad-Centern gibt es auch größenskalierbare<br />
Duschkabinen und<br />
auf Wunsch sogar die Badplanung<br />
im Maßstab 1:1, mit Wänden und<br />
Elementen aus Holz- und Styropor<br />
auf dem Originalgrundriss des<br />
heimischen Badezimmers. Als<br />
Entscheidungshilfe für diejenigen,<br />
denen es an räumlichem Vorstellungsvermögen<br />
mangelt.<br />
Intensiver Wettbewerb<br />
verlangt Mehrwert<br />
Die direkten Kunden des Großhändlersfür<br />
Sanitär,Heizung und<br />
Haustechnik sind zwar die Handwerker,<br />
die das Bad montieren.<br />
Um diese zu unterstützen, bietet<br />
sich Richter +Frenzel jedoch<br />
auch als Berater für die Endabnehmer<br />
vonDusche,Heizung und<br />
Wasserleitung an. „Das hat schon<br />
immer zur Firmenphilosophie gehört“,<br />
erklärt Clemens Elbert. Der<br />
Zweiundvierzigjährige ist seit fast<br />
25 Jahren für Richter +Frenzel<br />
tätig, hat als kaufmännischer<br />
Azubi angefangen und ist heute<br />
Leiter der Niederlassung in Büttelborn,<br />
zu deren Einzugsgebiet mit<br />
elf weiteren Standorten auch das<br />
Rhein-Main-Gebiet sowie Bergstraße<br />
und Odenwald gehören. Im<br />
Wettbewerb mit anderen Großhändlern<br />
wie der Cordes &Graefe-Gruppe<br />
und der Reisser AG,<br />
Baumärkten und immer stärker<br />
dem Internet muss das familiengeführte<br />
Unternehmen den Kunden<br />
seiner Kunden einen Mehrwert<br />
bieten. Individuelle Beratung<br />
und Hilfe bei der Raumgestaltung<br />
gehören dazu.<br />
Denn das Badezimmer ist nicht<br />
mehr nur funktionale Nasszelle.<br />
Es gehört heute zum Wohnraum,<br />
man gibt sich Mühe bei der Einrichtung<br />
und Dekoration und<br />
zeigt es gern. Besonders ins Gäste-WCwerde<br />
verhältnismäßig viel<br />
investiert. „Wir merken, dass das<br />
Interesse gestiegen ist, das Bad zu<br />
gestalten“, sagt Elbert. Immerhin<br />
beginne und beende man den Tag<br />
im Bad, da sei der Wohlfühlfaktor<br />
besonders wichtig. „In diesen<br />
Sendungen, in denen ein Fernsehteam<br />
eine Wohnung umgestaltet,<br />
wirddas verschönerte Bad immer<br />
als letztes gezeigt“, hat Brand festgestellt,<br />
„erst da fangen die Leute<br />
an zu heulen vor Freude.“<br />
Weniger emotional aufgeladen<br />
sind die beiden weiteren Ge-<br />
Niederlassungsleiter<br />
Clemens Elbert(vorne) und<br />
Verkaufsleiter Matthias Brand. FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Welcher Wannentyp<br />
sind Sie?<br />
Richter +Frenzel – Der Sanitär-Großhändler setzt auf intensiveBeratung<br />
vonHandwerkern und ihren Kunden –InSüdhessen stark vertreten<br />
schäftsfelder vonRichter +Frenzel,<br />
Heizung und Haustechnik.<br />
Hier geht es um ressourcenschonende<br />
Wärmeerzeugung, effizienten<br />
Energieeinsatz und damit<br />
langfristige Kostenersparnis. Rationale<br />
Entscheidungen stehen im<br />
Vordergrund. Das Thema Heizen<br />
hat in den vergangenen drei bis<br />
vier Jahren durch die CO 2-Problematik<br />
und neue Gesetze und Vorgaben<br />
neuen Antrieb bekommen.<br />
„Das ist eine Riesenherausforderung<br />
für den Besitzer einer Heizungsanlage“,<br />
sagt Elbert. Und<br />
auch für den ausführenden Handwerksbetrieb,<br />
der im Wirrwarr<br />
der Verordnungen und Förderrichtlinien<br />
den Überblick behalten<br />
und sich mit immer neuerer<br />
Technik auskennen soll. „Es gibt<br />
längst nicht mehr nur Öl und<br />
Gas“, sagt Elbert, „sondern eine<br />
Vielfalt an Möglichkeiten und<br />
neuen Produkten, von der Solaranlage<br />
über die Wärmepumpe bis<br />
hin zu Festbrennstoffen wie<br />
Holz.“<br />
Auch hier sieht Elbert die Aufgabe<br />
des Großhändlersdarin, den<br />
Starker Standort<br />
Die Richter+Frenzel GmbH +<br />
Co. KG ist einer der führenden<br />
deutschen Großhändler in<br />
den Produktsegmenten Sanitär,<br />
Haustechnik, Werkzeug und<br />
Tiefbau.<br />
Die Niederlassung Büttelborn<br />
zählt zu den TopTen im<br />
Richter +Frenzel-Imperium,<br />
was den Umsatz angeht. 1996<br />
wurde sie gegründet, elf kleinere<br />
Filialen im Umkreis von 50<br />
[Infobox]<br />
Handwerker zu beraten und zu<br />
unterstützen, Produkte vorzuselektieren<br />
und Entscheidungshilfe<br />
zu geben. „Wir wollen nicht<br />
nur Waren von Anach Bliefern“,<br />
erklärt er. Der Handwerker als<br />
wichtiges Glied in der Gewährleistungskette<br />
soll das Gefühl haben,<br />
mit der Beratung im Rücken und<br />
den Produkten von Richter<br />
+Frenzel auf mehrere Jahre<br />
hinaus haftungsfrei zu arbeiten.<br />
Mitarbeiter müssen<br />
auf neuestem Stand sein<br />
Die Mitarbeiter von Richter<br />
+Frenzel müssen dementsprechend<br />
immer auf dem neuesten<br />
Stand sein, schon aus purem<br />
Selbsterhaltungstrieb. „Wenn wir<br />
heute noch dieselben Produkte<br />
hätten wie vor zehn Jahren, hätten<br />
wir enorme Umsatzeinbußen“,<br />
ist sich Elbert sicher. Die<br />
permanente Dynamik in diesem<br />
Geschäftsfeld gefällt sowohl dem<br />
Chef als auch seinem Verkaufsleiter.<br />
Beide sind Kaufmänner, müssen<br />
sich aber auch mit techni-<br />
bis 60 Kilometern gehören dazu.<br />
Das Gebiet reicht vonFrankfurt<br />
über den Vordertaunus,<br />
Mainz, Wiesbaden, Darmstadt<br />
bis zur Bergstraße und in den<br />
Odenwald.<br />
Unter den Kunden in der Region<br />
sind Fachhandwerksbetriebe,<br />
Industrieunternehmen mit eigenem<br />
Gebäudemanagement<br />
wie Merck und Opel, Telekom<br />
und Fraport sowie kommunale<br />
Unternehmen wie Mainova,<br />
Entega und HSE. Sie sind Garanten<br />
für eine gute Geschäfts-<br />
entwicklung, sagt Niederlassungsleiter<br />
Clemens Elbert. Die<br />
Firmen investierten selbst in<br />
Gebäudeausstattung und Technik,<br />
und gleichzeitig gebe es<br />
viele Privatleute mit gesunden,<br />
hochwertigen Jobs, die kaufkräftig<br />
sind.<br />
Die 141 Standorte von Richter<br />
+Frenzel in ganz Deutschland<br />
werden als eigenständige<br />
Profitcenter geführt und agieren<br />
im operativen Geschäft<br />
weitgehend selbstständig. 22<br />
weitere Niederlassungen gibt<br />
schen Innovationen auskennen.<br />
Da hilft es,dass beide auch Hausbesitzer<br />
sind, der eine im Raum<br />
Aschaffenburg, der andere im<br />
Main-Taunus-Kreis. „Wenn man<br />
sich in den eigenen vier Wänden<br />
mit einem Thema beschäftigt, ist<br />
das die beste Vorbereitung auf den<br />
Job“, findet Brand.<br />
Gebäudetechnik –<br />
das sensibelste Thema<br />
Viele Einfamilienhaus-Eigentümer<br />
wüssten dagegen gar nicht,<br />
dass sie zum Beispiel auch Besitzer<br />
eines Trinkwasserleitungssystems<br />
sind, das bestimmte Hygieneanforderungen<br />
erfüllen<br />
muss. Hinter dem unspektakulären<br />
Begriff Gebäudetechnik versteckt<br />
sich „unser sensibelstes<br />
Thema“, betont Elbert daher.<br />
Wenn ein Waschbecken nicht<br />
korrekt montiert ist, wird esausgetauscht<br />
und der Fall ist erledigt.<br />
Wenn die Trinkwasserleitung<br />
defekt oder nicht fachgerecht<br />
eingebaut ist, können sich<br />
Keime bilden, die eine Gefahr für<br />
die Gesundheit darstellen, zum<br />
Beispiel eine Legionelleninfektion<br />
hervorrufen können.<br />
Ähnlich wie inzwischen bei<br />
Heizungen gibt es auch bei Rohrleitungssystemen<br />
keinen Standard;<br />
das richtige Material, ob<br />
Kunststoff oder Metall, hängt von<br />
der Zusammensetzung des Wassers<br />
ab, die innerhalb Deutschlands<br />
unterschiedlich ist. Ähnlich<br />
wie bei den Bädern setzt<br />
Richter +Frenzel seit kurzem<br />
auch bei der Heizungs- und Gebäudetechnik<br />
auf greifbare Hilfe<br />
für den Endkunden: In Darmstadt<br />
hat Anfang des Jahres das<br />
erste Technik-Center von Richter<br />
+Frenzel in der Region eröffnet.<br />
Nach dem Vorbild der Bad-<br />
Center können sich hier die Endkunden<br />
Produkte von der Wärmepumpe<br />
bis zur Klimaanlage<br />
zeigen und über Vor- und Nachteile<br />
der Modelle beraten lassen.<br />
es in Tschechien. Hauptsitz des<br />
Großhändlers ist Augsburg.<br />
Dort führen die Nachkommen<br />
der Firmengründer –1895 hoben<br />
Emil Richter und Ernst<br />
Frenzel die „Großhandlung für<br />
Kanal-, Gas- und Wasserleitungs-Artikel“<br />
aus der Taufe –<br />
das Unternehmen in dritter Generation.<br />
3500 Mitarbeiter sind<br />
bei Richter +Frenzel beschäftigt,<br />
der Umsatz liegt inklusive<br />
der Tochterunternehmen bei<br />
rund einer Milliarde Euro im<br />
Jahr.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 27<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Suchmaschinen sind eine tolle<br />
Sache.Man gibt einen Namen<br />
oder einen Begriff in<br />
ein Feld ein und mit nur einem<br />
Mausklick findet der Computer<br />
sofort im Internet die gewünschten<br />
Angaben und Zusammenhänge.Soweit<br />
die Theorie.Inder Praxis<br />
sieht es andersaus.Unzählige<br />
Ergebnisse werden angezeigt, oft<br />
sind die Informationen weder hilfreich<br />
noch sinnvoll, schlimmstenfalls<br />
widersprechen sie sich sogar.<br />
Besonders kurios wird es, wenn<br />
mehrere Suchbegriffe miteinander<br />
kombiniert werden. Dann<br />
spuckt die Suchmaschine eine<br />
wahre Flut an verknüpften Merkwürdigkeiten<br />
aus,sodass sich der<br />
Nutzer an seinem Rechner schon<br />
häuslich einrichten muss, bis er<br />
sämtliche Ergebnisse nach den<br />
gewünschten Informationen<br />
durchforstet hat. Beim Online-<br />
Shopping offenbart der gut gemeinte<br />
Hinweis: „Wer sich für dieses<br />
Produkt entschieden hat,<br />
kaufte auch. ..“entweder tragische<br />
Schicksale oder ein zweifelhaftes<br />
Gesellschaftsbild. Wassind<br />
das für Menschen, die sich neben<br />
einem Reiskocher auch ostschwedische<br />
Lyrik, eine Punkrock-CD<br />
und einen Felgenreiniger kaufen?<br />
„Hinter diesen Angaben steckt<br />
selten ein System“, beruhigt Klaus<br />
Reichenberger (44), Geschäftsführer<br />
von Intelligent Views in<br />
Darmstadt. Er hat mit seinen Kollegen<br />
der Willkür des Datendschungels<br />
den Kampf angesagt.<br />
Denn was im privaten Gebrauch<br />
allenfalls nervt und verwundert,<br />
ist im<br />
Geschäftsalltag<br />
eines Unter-<br />
Surftipp<br />
nehmens ein<br />
Zeitfresser, der<br />
vonClaudia Baumer<br />
den Wissensaustauschaus-<br />
www.tchibo.de<br />
bremst,Kapazitätenvergeudet, Potenziale<br />
verschenkt<br />
und vor allem<br />
Geld kostet.<br />
Sehr viel Geld.<br />
„Böse Studien<br />
sprechen von<br />
Millionen von<br />
Euro, die jährlich<br />
völlig umsonst<br />
investiert werden, weil der<br />
Wissensaustausch in Unternehmen<br />
nicht optimal funktioniert“,<br />
sagt Klaus Reichenberger. Doch<br />
Hilfe naht. K-Infinity ist die Abkürzung<br />
für Knowledge-Infinity,<br />
was soviel wie grenzenloses Wissen<br />
bedeutet. So heißt auch die<br />
Standard-Software, mit der die Informatiker,Sprachwissenschaftler,<br />
Grafik-Designer, Ingenieure<br />
und Kommunikationswirte von<br />
Intelligent Views Unternehmensdaten<br />
zu einem sinnvollen Ganzen<br />
verknüpfen und einen einheitlichen<br />
intelligenten Zugang<br />
„Wir sind<br />
wiekleine<br />
Trüffelschweine“<br />
Intelligent Views –Mit semantischen Netzen bringen die<br />
Darmstädter IT-Spezialisten Ordnung in den Datendschungel –<br />
Wissen verschwindet nicht, Geld und Zeit werden gespart<br />
zu Daten und Informationen in einem<br />
Unternehmen herstellen.<br />
Für diese wegweisende Lösung,<br />
die auf dem Aufbau eines<br />
semantischen Wissensnetzes basiert,<br />
wurde das Darmstädter Unternehmen<br />
im vergangenen Jahr<br />
mit dem ersten Darmstädter IT-Innovationspreis,<br />
gesponsert von<br />
der Software AG, ausgezeichnet.<br />
Die Verzweiflung<br />
der Kunden ist groß<br />
Die Verzweiflung der Kunden, die<br />
Hilfe suchen, ist groß. „Denn das<br />
Wissen und die Informationen<br />
sind ja da“, sagt Reichenberger.<br />
Doch längst haben die Mitarbeiter<br />
den Überblick über ihr Datenlabyrinth<br />
verloren. Ablagesysteme,oft<br />
angelegt nach persönlichen Kriterien<br />
des jeweiligen Mitarbeiters<br />
und passwortgeschützte Datenbanken<br />
seien die Feinde des sinnvollen<br />
Informationsaustauschs.<br />
Vor allem Programme wie Outlook<br />
und Excel seien durch Mappen-<br />
und Ordnersysteme geradezu<br />
prädestiniert dafür, wichtige<br />
Infos in verzweigten Baumstrukturen<br />
unauffindbar zu machen,<br />
sagt Reichenberger.Auch der Umgang<br />
mit Begriffen kann den Datenfluss<br />
stoppen. „Was nützt es,<br />
wenn man das Wort Notebook<br />
eingibt, die benötigten Infos aber<br />
unter dem Begriff Laptop abgespeichert<br />
sind?“<br />
Wie schnell bestehende Datenbanken<br />
und Wissensnetze in einem<br />
Unternehmen an ihre Grenzen<br />
stoßen wird ebenfalls deutlich,<br />
wenn es um Verknüpfungen<br />
geht. Für die Erfassung und Datenpflege<br />
eines Lagerbestands<br />
gibt es eine Auswahl an guter und<br />
hilfreicher Firmensoftware, sagt<br />
Klaus Reichenberger. Doch die<br />
Datenerfassung allein bringt keinen<br />
Wettbewerbsvorteil. Der Teufel<br />
steckt in der Verwaltung der<br />
Information. Wer zum Beispiel<br />
ein bestimmtes Ersatzteil liefern<br />
kann, ist im Firmennetzwerk<br />
schnell ermittelt. Dass der Zulieferer<br />
aber schon mehrfach Termine<br />
nicht eingehalten hat, das wissen<br />
die Kollegen in einer anderen<br />
Abteilung des Unternehmens.<br />
Beide Infos im Wissensnetz zusammenzuführen,<br />
so dass sie in<br />
der Datenbank gemeinsam erscheinen,<br />
diese Aufgabe übernimmt<br />
ein semantisches Netz. Zusätzlich<br />
optimiert es Arbeitsprozesse.Projekte<br />
und Studien, die in<br />
Unternehmen schon doppelt gemacht<br />
wurden, weil niemand<br />
wusste, dass ein Kollege wusste,<br />
dass ein früherer Kollege das auch<br />
schon mal gemacht hat. „Es gibt<br />
unzählige Beispiele dafür, wie<br />
wertvolles Wissen in Köpfen und<br />
Schubladen auf Nimmerwiedersehen<br />
verschwindet“, sagt Reichenberger.<br />
Beeindruckend ist,<br />
wie logisch und eindeutig die Software<br />
K-Infinity Daten verarbeitet<br />
und zusammenführt. Das Programm<br />
erscheint als Symbol auf<br />
dem Desktop und wird geöffnet<br />
wie ein Internetbrowser. Die<br />
Suchmaske und Oberfläche des<br />
Programms sind ansprechend gestaltet,<br />
Verknüpfungen, zum Beispiel<br />
von Mitarbeitern und deren<br />
Mitwirkung an Projekten, werden<br />
grafisch dargestellt. Der Unterschied<br />
zu gängigen Baumstrukturenist,<br />
dass keine Verästelung ins<br />
Leere läuft. Alles ist miteinander<br />
verbunden, nichts bleibt unentdeckt,<br />
nichts ist überflüssig.<br />
Um diesen Idealzustand zu erreichen,<br />
ist neben einer intelligenten<br />
Softwareauch viel Handarbeit<br />
nötig, sagt Claudia Baumer (44).<br />
Die Sprachwissenschaftlerin und<br />
Marketing Communication Managerin<br />
bei Intelligent Views liebt es,<br />
Wissen zu strukturieren, Daten<br />
zu ordnen und in sinnvolle Zusammenhänge<br />
zu bringen. Etwa<br />
zwei bis sechs Monate dauere es,<br />
bis die Mitarbeiter von Intelligent<br />
Views Schwachstellen entdeckt,<br />
Infos eingepflegt und eine individuelle<br />
Variante der Standardsoftware<br />
K-Infinity erstellt haben.<br />
„Wir sind wie kleine Trüffel-<br />
Claudia Baumer und<br />
Klaus Reichenberger<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
schweine, die Daten finden und<br />
zu etwas ganz Wertvollem zusammenfügen.“<br />
Die Software arbeite<br />
wie ein Verbandskästchen, das<br />
dort repariere, wo noch etwas repariert<br />
werden kann. Denn so<br />
groß und verstreut das Datenchaos<br />
sein mag –essei kaum möglich,<br />
dass vor allem große Firmen<br />
ihr Datennetz ganz neu aufbauen.<br />
„Ein großer Teil, der für ein Wissensnetz<br />
nötig ist, liegt ja schon<br />
da, in Datenbanken und in Ordnern“,<br />
sagt Baumer.Ganz wichtig<br />
und nicht zu unterschätzen beim<br />
Sortieren des Datensalats sei der<br />
menschliche Faktor. Denn wer<br />
gibt schon gerne zu, dass er über<br />
Jahre eine schlechte Ablage geführt<br />
hat? Mitarbeiter der IT-Abteilungen<br />
seien häufig erst skeptisch,<br />
dann begeistert, ist Reichenbergers<br />
Erfahrung. Er erinnert<br />
sich noch gut daran, wie groß<br />
noch vor zehn Jahren der Widerstand<br />
vonUnternehmen war, EinblickeinihreDatenbanken<br />
zu gewähren.<br />
„Das hat sich total geändert.“<br />
Die Datenflut in der virtuellen<br />
Welt sei mittlerweile so riesig<br />
und unüberschaubar, dass es in<br />
Ordnung sei, sich Hilfe zu holen.<br />
Spin-off eines<br />
Fraunhofer-Projekts<br />
Schon bei der Gründung vonIntelligent<br />
Views im Jahr 1997 als Spinoff<br />
eines Fraunhofer-Projekts, sei<br />
Reichenberger sicher gewesen,<br />
dass er mit Wissensmanagementlösungen<br />
auf wachsenden Bedarf<br />
stoße.Aber als sich der Dudenverlag<br />
wenige Jahre später hilfesuchend<br />
an die Darmstädter Wissensmodellierer<br />
wandte, sei dies<br />
wie ein Ritterschlag für das damals<br />
noch junge Unternehmen gewesen,<br />
sagt Reichenberger.„Unser semantisches<br />
Netz hat den Duden<br />
revolutioniert“, freut er sich. Viele<br />
große Kunden kamen inzwischen<br />
hinzu, darunter die Lufthansa AG,<br />
SAP und die Messe Frankfurt. Für<br />
die Software, deren Kosten laut<br />
Reichenberger im fünfstelligen Bereich<br />
liegen, gibt es individuelle<br />
Updates,Schulungen und Support<br />
vor Ort. Bei der Frage nach einem<br />
Traumkunden fällt Claudia Baumer<br />
sofort der Kaffeeröster Tchibo<br />
ein. Als bekennender Fansei es für<br />
sie unerklärlich, warum das Unternehmen<br />
die Kundendaten in seinem<br />
Online-Shop nicht zu einem<br />
Kundenprofil verknüpft. „Wenn<br />
ich einen individuellen Newsletter<br />
bekäme, würde ich viel mehr dort<br />
kaufen. So ist alles viel zu versteckt,<br />
das könnte man viel besser<br />
machen.“ Dass nach wie vor der<br />
Mensch die Grenzen vonWissensnetzen<br />
festlegt, findet Reichenberger<br />
gut. Das motiviere auch dazu,<br />
vorhandene Wissensnetze weiter<br />
zu pflegen. Reichenberger sieht es<br />
als Win-win-Situation: „Wer intelligenten<br />
Output haben möchte,<br />
muss auch irgendwann einen intelligenten<br />
Input liefern.“<br />
Unternehmen<br />
Aufeinen Blick<br />
Intelligent Views GmbH<br />
Geschäftsführer: Achim Gärtner,<br />
Jörg Kleinz, Klaus Reichenberger<br />
Mitarbeiter: 30<br />
Branche:<br />
Wissensmanagement-Lösungen<br />
Gründung: 1997 als Spin-Off<br />
der Fraunhofer Gesellschaft<br />
Kunden: Duden Paetec GmbH,<br />
Daimler AG,Deutsche Lufthansa AG,<br />
SAP AG, Thyssen-Krupp AG.<br />
Kontakt<br />
Intelligent Views GmbH<br />
Julius-Reiber-Straße 17<br />
64293 Darmstadt<br />
Telefon 061515006 118<br />
Fax: 061515006138<br />
www.i-views.de<br />
Termin<br />
Das Unternehmen intelligent views<br />
präsentiert sich am 25. August<br />
beim Software-Cluster-Forum<br />
im Darmstadtium<br />
[Infobox]
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 28<br />
Stefan Oehm, HeikeJennert und Martin Ruch (von links).<br />
Digitale Reise<br />
durch den<br />
Körper<br />
Rhein-Main-Zentrum für Diagnostik –<br />
Die radiologische Praxis in Weiterstadt bietet exakte Darstellungen<br />
vonOrganen, Gelenken und Gefäßen –Von hoher Nachfrage überrascht<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Krankheiten erkennen, bevor<br />
sie entstehen, kleinste<br />
Geschwüre aufspüren und<br />
herausfinden, ob sie bösartig sind<br />
–digitale Aufnahmen von Herzkranzgefäßen,<br />
Organen und Gelenken<br />
in 3D machen es möglich.<br />
Wersich im Rhein-Main-Zentrum<br />
für Diagnostik in Weiterstadt<br />
durchleuchten lässt, weiß, wie es<br />
um ihn steht. Die exakte Darstellung<br />
vom Innern des menschlichen<br />
Körpersist Kern des Diagnostikzentrums<br />
in der Gutenbergstraße<br />
in Weiterstadt, nur wenige hundert<br />
Meter vom Einkaufszentrum<br />
Loop 5entfernt. Neueste Generationen<br />
von EKG, digitalem Röntgen,<br />
Ultraschall, Mammografie<br />
und Kernspin liefern exakte Abbildungen<br />
von Knochen, Gewebe<br />
und Gefäßen, die für die Diagnose<br />
und die weitereBehandlung wichtig<br />
sind. Starke Magnete und<br />
höchste Auflösungen können zum<br />
Beispiel Ablagerungen in Herzkranzgefäßen<br />
exakt darstellen,<br />
dreidimensionale Bilder von Gelenken<br />
können zeigen, wie viel<br />
Knorpel im Gelenk ist und wie<br />
dicht er ist, beschreibt Radiologe<br />
Martin Ruch. „Für die weitereBehandlung<br />
haben Chirurgen beste<br />
Bedingungen.“<br />
Mit seinen Kollegen HeikeJennert<br />
und Stefan Oehm hat er das<br />
Diagnostikzentrum realisiert.<br />
Acht Millionen Euro haben die<br />
Fachärzte in Bau und modernste<br />
Geräte investiert. Exakte Diagnosen,<br />
schonende Untersuchungen,<br />
rasche Ergebnisse, Konzepte zur<br />
Vorsorge und vieles mehr wollen<br />
die Mediziner bieten. Und das alles<br />
mit geringen Wartezeiten und<br />
zum Teil auf Rezept. Mit etwa100<br />
Patienten pro Tag hatten die drei<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Radiologen im Vorfeld kalkuliert.<br />
Knapp ein halbes Jahr nach Eröffnung<br />
im Oktober 2009 sind es im<br />
Schnitt 120. „Die Entwicklung hat<br />
uns förmlich überrannt“, sagt<br />
Martin Ruch.<br />
Öffnungszeiten<br />
rasch verlängert<br />
Erst nach etwa einem Jahr sollte<br />
über eine Verlängerung der Öffnungszeiten<br />
nachgedacht wer-<br />
den. Schon wenige Wochen nach<br />
Eröffnung haben die Mediziner<br />
die Zeiten von6.30Uhr bis 23 Uhr<br />
ausgeweitet. Statt geplanter 15<br />
Mitarbeiter sind nun 20 Menschen<br />
in der Praxis beschäftigt.<br />
Ruch sei sich zwar sicher gewesen,<br />
mit dem Diagnostikzentrum<br />
eine Versorgungslücke zuschließen.<br />
„Aber die Nachfrage hat uns<br />
überrascht.“ Längst sollte die<br />
Homepage fertig sein, doch bislang<br />
fehlte dazu die Zeit. Patien-<br />
ten und Klienten nennt Ruch die<br />
Menschen, die das Diagnostikzentrum<br />
aufsuchen. Zum Teil<br />
werden sie vom Hausarzt oder<br />
Facharzt aus Weiterstadt und Umgebung<br />
überwiesen, um Befunde<br />
abklären zu lassen. Zum Teil kommen<br />
die Kunden auch ohne Befund.<br />
Denn es gehe nicht nur darum,<br />
schlechte Nachrichten zu<br />
überbringen.<br />
Ein ganzheitlicher Ansatz ist<br />
Schwerpunkt des „Instituts für<br />
Vorsorgemedizin und Früherkennung“,<br />
das neben der Praxis zweites<br />
Standbein des Diagnostikzentrums<br />
ist. Die Darstellung von<br />
Stoffwechselprozessen und<br />
kleinsten Gefäßen ermögliche eine<br />
Prognose für Menschen, die<br />
sich topfit fühlen. Die Radiologen<br />
können herausfinden, ob jemand<br />
innerhalb der nächsten fünf Jahre<br />
an Demenz erkranken wird und<br />
erste Anzeichen einer Herzerkrankung<br />
feststellen. Auf diese<br />
Weise haben sie in den vergangenen<br />
Monaten schon mindestens<br />
einem Menschen möglicherweise<br />
das Leben gerettet, sagt Ruch.<br />
„Ein 50 Jahrealter Mann ließ sich<br />
vorsorglich untersuchen, weil er<br />
beim Joggen eine leichte Beklemmung<br />
verspürte. Wir haben eine<br />
Verengung der Herzgefäße entdeckt,<br />
wenig später wurde der<br />
Mann operiert. Wäre er nicht gekommen,<br />
hätte er mit Sicherheit<br />
bald einen Herzinfarkt bekommen.“<br />
Werfamiliär mit Krebserkrankungen<br />
vorbelastet ist oder<br />
raucht, kann sich gezielt ein Bild<br />
von seinem Krankheitsrisiko machen.<br />
Für diese Privatleistungen bieten<br />
die Radiologen Untersuchungspakete<br />
an, die speziell Organe<br />
wie Gehirn, Herz und Lunge<br />
unter die Lupe nehmen. Durch die<br />
Zusammenarbeit mit internationalen<br />
Partnern aus Kardiologie,<br />
Sportmedizin, Ernährungswissenschaft,<br />
Neurologie und Fitness<br />
sollen die Angebote zur Gesundheitsvorsorge<br />
stetig ausgebaut<br />
werden.<br />
300 Eurofür den<br />
Rauchercheck<br />
Die dreidimensionale farbliche<br />
Darstellung von Gefäßen könne<br />
einen pädagogischen Nutzen haben.<br />
„Wenn ein Raucher sieht,<br />
wie seine Lunge aussieht, ändert<br />
er vielleicht sein Verhalten.“ Rund<br />
300 Euro kostet ein digitaler Rauchercheck.<br />
Doch mit der Bereitwilligkeit<br />
von Rauchern, einen<br />
Blick in ihreLunge zu werfen, haben<br />
sich die Radiologen bislang<br />
verrechnet. „Die kommen eher<br />
selten“, sagt Ruch. Stattdessen<br />
seien Untersuchungen des Dickdarms<br />
gefragt. Die moderne Technologie,<br />
die laut Ruch zum Teil<br />
einzigartig in Europa ist, habe für<br />
die Patienten einen hohen Nutzen.<br />
Etwa eine Viertelstunde<br />
dauere bislang die Untersuchung<br />
im Kernspin. Nur noch sechs Minuten<br />
seien es im Diagnostikzentrum.<br />
„Die Patienten müssen bei<br />
uns nicht mehr ewig in der Röhre<br />
schmachten und die Wartezeiten<br />
werden kürzer“, nennt Ruch den<br />
Vorteil. Bösartiges Gewebe kann<br />
erkannt werden, ohne den ohnehin<br />
angeschlagenen Patienten zu<br />
pieksen oder ihn belastender<br />
Strahlung auszusetzen. Vorallem<br />
Herzkatheteruntersuchungen<br />
können mit dieser Methode überflüssig<br />
werden. „Noch immer<br />
werden im Rhein-Main-Gebiet<br />
drei Mal mehr Menschen der belastenden<br />
und nicht ganz risikofreien<br />
Untersuchung mit Katheter<br />
unterzogen als in Texas. Und die<br />
haben sie erfunden.“<br />
Die Ergebnisse erhält der Patient<br />
sofort, die Gewissheit erfolgt<br />
in dreidimensionalen Bildern auf<br />
einem Computerbildschirm. Nur<br />
1,6 Prozent beträgt im Diagnostikzentrum<br />
die Rate einer sogenannten<br />
Falsch-Negativ-Aussage. Jene<br />
Fälle,indenen der Patient als vermeintlich<br />
gesund nach Hause geschickt<br />
wird, obwohl er doch einen<br />
Befund hat. Zwanzig Prozent<br />
beträgt diese Quote bei herkömmlichen<br />
Untersuchungsmethoden,<br />
sagt Ruch.<br />
Auch Fußballprofis<br />
kommen vorbei<br />
Auch das gibt es: Fußballprofis,<br />
die in Weiterstadt ihre Sprunggelenke<br />
untersuchen lassen um zu<br />
sehen, ob sie die kommende Saison<br />
überstehen. „Im Profisport<br />
geht es um viel Geld“, sagt Ruch.<br />
Mit dem Diagnostikzentrum<br />
Rhein-Main hat sich ein weiterer<br />
Riese in Weiterstadts Gewerbegebiet<br />
angesiedelt. Nur wenige<br />
hundert Meter vomEinkaufszentrum<br />
Loop 5entfernt steht das<br />
zweistöckige hochmoderne Haus<br />
mit fünf High-Tech-Geräten, Besprechungsräumen<br />
und Behandlungszimmern,<br />
rund 40 kostenfreien<br />
Parkplätzen vor dem Haus<br />
und einer Bushaltestelle ganz in<br />
der Nähe. ImStandort mit optimaler<br />
Verkehrsanbindung sehen<br />
die Radiologen einen Vorteil.<br />
Ebenso in der Entwicklung des<br />
Weiterstädter Gewerbegebiets,<br />
Kontakt<br />
Rhein-Main-Zentrum für Diagnostik<br />
Die Radiologen<br />
Gutenbergstraße 23<br />
64331Weiterstadt<br />
Telefon 0615178040<br />
Fax06151 7804200<br />
E-Mail info@dieradiologen-da.de<br />
Internet www.dieradiologen-da.de<br />
[Infobox]<br />
das Kunden weit über die Region<br />
hinaus anzieht. Für eine Ganzkörperdiagnose<br />
muss der Patient<br />
mit Vorgespräch, Untersuchung<br />
und Nachbesprechung etwa drei<br />
Tage einplanen. Kurzurlaube mit<br />
Rahmenprogramm wie Shopping-Ausflüge<br />
oder Abstecher in<br />
die Welt des Darmstädter Jugendstils<br />
bieten sich da an, überlegt<br />
Ruch. Nachrichten über weitere<br />
Ansiedlungen großer Unternehmen<br />
im Gewerbegebiet wie<br />
HP mit einem Rechenzentrum<br />
und die Deutschland-Zentrale<br />
der Autofirmen Seat und Skoda<br />
unter dann einem Dach zaubern<br />
ein Lächeln auf Ruchs Gesicht.<br />
Daher denken die Radiologen<br />
schon jetzt über eine Erweiterung<br />
des Diagnostikzentrums<br />
nach. Eine Fläche von 400 Quadratmetern<br />
haben sie dafür freigehalten.<br />
Vorsorglich.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 29<br />
Daseigene Torund<br />
dasKlimaverteidigen<br />
FOTO: FSV MAINZ 05 Stephan Bandholz<br />
FSV Mainz 05 und Entega –Ziel ist es,<br />
der erste klimaneutrale Fußball-Bundesligist<br />
zu werden –Profi Niko Bungert besonders<br />
engagiert –Der HSV und viele Klubs<br />
aus der Region sollen folgen<br />
VON HANS DIETER ERLENBACH<br />
So ein Tag, so wunderschön<br />
wie heute“, pflegen die Fans<br />
von Mainz 05 zu singen,<br />
wenn ihreMannschaft mal wieder<br />
gewonnen hat. Dann freut sich<br />
auch Innenverteidiger Niko Bungert.<br />
Seit neuestem verteidigt er<br />
nicht nur den Ball, sondern auch<br />
das Klima. Damit die Fans auch in<br />
Zukunft den alten Fastnachtsschlager<br />
noch singen können.<br />
Bungert, gerade mal 23 Jahre alt,<br />
bangt um diese Zukunft. Umwelt-<br />
Stephan Bandholz ist ein energischer<br />
Mann. Treten die Bundesligakicker<br />
von Mainz 05 im Stadion an,<br />
ist er in den Katakomben unterwegs.Bandholz<br />
hat eine Mission. Er<br />
ist Klimawart. In dieser Eigenschaft<br />
ist er maßgeblich mit verantwortlich<br />
für das Ziel der Mainzer, erster klimaneutraler<br />
Bundesligaverein zu<br />
werden. Deshalb gilt sein Augenmerk<br />
den Heizkörpern, den Fenstern<br />
und der Beleuchtung. Ein offenes<br />
Fenster bei voll bullernder Heizung<br />
in der Umkleidekabine geht<br />
gar nicht. Da setzt es Rüffel. Dass die<br />
Kicker einfach nach Hause gehen<br />
und Licht und Heizung anlassen, ist<br />
ebenfalls undenkbar. Stephan<br />
Bandholz sorgt dafür,dass so etwas<br />
nicht mehr vorkommt. Dabei hat er<br />
nicht nur die Profis im Blick, sondern<br />
auch die zweite Mannschaft<br />
und die Jugendmannschaften. Auch<br />
die trainieren am Bruchweg.<br />
Immer öfter ist Stephan Bandholz<br />
auf der Baustelle des neuen Stadions.<br />
Dort soll der Energieverbrauch<br />
mit allen heute technisch möglichen<br />
Mitteln minimiert werden. Das<br />
nutzt nicht nur dem Klima, sondern<br />
auch der Vereinskasse, wie Bandholz<br />
betont. Im neuen Stadion hat er<br />
es leichter, weil er dort Unterstützung<br />
durch modernste Technik hat.<br />
Ohnehin werden dort nur Bundesliga-<br />
und Sonderspiele durchgeführt.<br />
Alles andere geschieht weiter im<br />
Bruchwegstadion.<br />
Zwar sei es bis zum klimaneutralen<br />
Bundesligaverein noch ein weiter<br />
Weg. Doch jeden Tag komme<br />
man dem Ziel etwas näher,soBandholz.<br />
[Person]<br />
verschmutzung, Klimawandel<br />
oder eine Atomkatastrophe könnte<br />
die Zukunft der kommenden<br />
Generationen zerstören. Deshalb<br />
ist Bungert Klimaverteidiger. Und<br />
nicht nur er.Sondern die gesamte<br />
Mannschaft der Mainzer. Nach<br />
außen machten sie das bei einem<br />
Fußballspiel im vergangenen September<br />
deutlich. Statt des Logos<br />
ihres HauptsponsorsEntega stand<br />
„Klimaverteidiger“ auf den Trikots.Denn<br />
die Mainzer haben ein<br />
großes Ziel. Nicht nur sportlich.<br />
Sie wollen der erste klimaneutrale<br />
Fußballverein der Bundesliga<br />
werden.<br />
Niko Bungert engagiert sich in<br />
dieser Sache ganz besonders. Er<br />
ist der Klimabotschafter seiner<br />
Mannschaft. Er fährt ein besonders<br />
verbrauchsgünstiges Auto,<br />
ist auf Ökostrom umgestiegen<br />
(„Das geht in zehn Minuten“), radelt<br />
öfter mal ins Stadion und<br />
schaltet zu Hause seine Elektrogeräte<br />
konsequent aus, wenn er sie<br />
nicht braucht.<br />
Das Darmstädter Ökoinstitut<br />
bescheinigt den 05ern einen Kohlendioxidausstoß<br />
von900 Tonnen<br />
pro Jahr. 420 Tonnen entfallen alleine<br />
auf den Strom, den sie im<br />
Stadion verbrauchen. Für die<br />
Wärme gehen rund 290 Tonnen<br />
Niko Bungert FOTO: FSV MAINZ 05<br />
drauf, Fahrten zu Auswärtsspielen<br />
oder in Trainingslager schlagen<br />
mit 160 Tonnen zu Buche.<br />
Ökostrom kommt<br />
vonder Entega<br />
Um den größten Brocken des<br />
Schadstoffausstoßes zu eliminieren,<br />
stiegen die 05er auf den Ökostrom<br />
von Entega um. Und nicht<br />
nur sie,sondern auch der Caterer,<br />
der bei Heimspielen für die Verpflegung<br />
der Spieler, der Sponsoren<br />
und der Fans sorgt. Einweg-<br />
Plastikbecher gibt es im Stadion<br />
nicht mehr. Sie wurden durch<br />
Pfandbecher ersetzt. In den Umkleidekabinen<br />
wurde eine neue<br />
Belüftungsanlage installiert. Bisher<br />
einzigartig ist der Klimawart,<br />
den der Verein zu Beginn des<br />
Jahres einstellte. Erist dafür<br />
verantwortlich, dass im Stadion<br />
das Licht nicht unnötig<br />
brennt und die Räume nicht<br />
unnötig beheizt werden. Er<br />
sucht weitere Möglichkeiten,<br />
um Strom zu sparen.<br />
Kicker Niko Bungert sieht sich<br />
als Vorbild für die Jugend. „Denen<br />
will ich vermitteln, dass jeder etwas<br />
für den Klimaschutz tun<br />
kann“, sagt Bungert. Deshalb unterstützt<br />
er Aktionen, die Entega<br />
mit den Fans des Vereins organisiert.<br />
Kürzlich wurden die Anhänger<br />
gebeten, mit dem Fahrrad ins<br />
Stadion zu kommen. Dafür wurden<br />
sie belohnt. Während des<br />
Spiels wurden die Fahrräder von<br />
Fachleuten kostenlos durchgesehen<br />
und kleinere Reparaturen sofort<br />
erledigt. Nach dem Spiel waren<br />
die Fahrräder fit für den Sommer.<br />
Florian Matthies betreut bei<br />
der Entega das Sponsoring. Bewusst<br />
habe man sich für die erste<br />
Liga entschieden. Entega als bundesweit<br />
größter Ökostromanbieter,<br />
bezogen auf die Absatzmenge,<br />
will über die Region hinaus<br />
bekannt werden und für sein Konzept<br />
weg vom Atomstrom werben.<br />
„Wir waren Mitverursacher<br />
des Klimawandels und wollen<br />
jetzt zu denen gehören, die nachhaltige<br />
Energieversorgung betreiben“,<br />
sagt Entega-Sprecher Jürgen<br />
Hein-Benz. Dass ein Bundesligaverein<br />
nicht innerhalb weniger<br />
Wochen klimaneutral sein<br />
kann, liegt auf der Hand. Doch<br />
der Wegdorthin sei geebnet,<br />
sagt Florian Matthies und<br />
verweist auf die jüngsten<br />
Aktivitäten, bei denen<br />
Entega die Planungen<br />
für das neue Stadion<br />
der Mainzer noch so<br />
weit beeinflussen<br />
konnte,dass jetzt auch<br />
eine Photovoltaikanlage<br />
gebaut werden<br />
kann.<br />
Mit den 35 größten Fanclubs<br />
der Mainzer hat Entega ebenfalls<br />
Kontakt aufgenommen und mit<br />
einer Fragebogenaktion erkundet,<br />
wie die Fans zu Auswärtsspielen<br />
reisen. In Zukunft soll nicht mehr<br />
jeder alleine im Auto fahren, sondern<br />
Fahrgemeinschaften bilden.<br />
Noch besser wäre die Anmietung<br />
eines Busses oder die Anreise mit<br />
der Bahn. Nach Öko-Seminaren<br />
mit Spielern und Vorstand des<br />
Vereins wurde jetzt sogar beschlossen,<br />
die Fanartikel soweit<br />
als möglich aus umweltfreundlichen<br />
Materialien herstellen zu<br />
lassen.<br />
Je umweltfreundlicher,<br />
um so mehr Geld<br />
Das zweite Projekt geht Entega<br />
nun mit dem Hamburger SV an.<br />
Auch dort laufen bereits erste Gespräche,<br />
um den Verein klimaneutral<br />
zu machen. Die Hamburger<br />
beziehen seit kurzem den<br />
Strom für ihr Stadion vonEntega.<br />
In der Region<br />
in und um<br />
Darmstadt sponsort Entega 130<br />
Vereine.„Wir wollen sie nicht nur<br />
finanziell unterstützen, sondern<br />
mitnehmen“, betont Jürgen Hein-<br />
Benz. Zehn Vereine wurden bereits<br />
für das Ziel, klimaneutral zu<br />
werden, gewonnen, weitere sollen<br />
folgen. Die finanziellen Zuwendungen<br />
richten sich bei diesem<br />
Sponsorenmodell nach den<br />
Maßnahmen, die Vereine für ein<br />
klimaneutrales Wirken ergreifen.<br />
Je mehr Ideen greifen, umso höher<br />
ist der Sponsorenbetrag von<br />
Entega.<br />
„Wenn wir umweltfreundliche<br />
Energie für die nächste Generation<br />
anbieten, müssen wir uns auch<br />
um diese Generation kümmern“,<br />
betont Florian Matthies und verweist<br />
auf zehn Kinder-Sportclubs,<br />
die Entega ins Leben gerufen hat,<br />
um die Motorik von Kindern zu<br />
fördern. Auch hier greift die Verknüpfung<br />
zu Mainz 05. Immer<br />
wieder bekommen Kinder die<br />
Möglichkeit, mit den Profikickern<br />
aus Mainz gemeinsam zu trainieren.<br />
Klimaverteidiger NikoBungert<br />
hat inzwischen nahezu alle<br />
Spieler der Mainzer dazu bewogen,<br />
auf klimaneutralen<br />
Strom umzusteigen<br />
und hofft, dass<br />
viele Fans dem<br />
Beispiel folgen.<br />
„So kann jeder<br />
zu einem<br />
Klimaverteidigerwerden.“<br />
Florian Matthies<br />
FOTO: HANS-DIETER ERLENBACH
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 30<br />
Alexander Lau FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
DerHecht im Karpfenteich<br />
der Elektroketten<br />
AV Markt – Die Differenzierung gelingt<br />
Alexander Lau über günstigen Service<br />
und hohe Beratungsqualität –<br />
Die Einkaufskooperation Euronics<br />
sichert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Märkte in Darmstadt und Bensheim<br />
VON ACHIM PREU<br />
Das ist ein zupackender<br />
Typ. Einer der unter<br />
Strom steht. Das Zigarettchen<br />
zwischendurch sich wahrlich<br />
verdient hat. Stets gut drauf<br />
ist. Ein Kaufmann mit Leib und<br />
Seele eben. Ein Händler,der weiß,<br />
was Kunden heute so schätzen,<br />
wo alles schneller, austauschbarer,<br />
anonymer wird. Da geht er<br />
selbst mal eben mit auf die Suche<br />
nach dem richtigen Kabel. Fragt<br />
bei wartenden Kunden nach.<br />
Scheint alles im Blick zu haben.<br />
Hat obendrein noch freundliche<br />
Worte für seine Mitarbeiter übrig.<br />
Und ist wohl aus all dem genannten<br />
so erfolgreich, obwohl es Media<br />
Markt, Saturn und Co. gibt, die<br />
Aldisierung längst das Geschäft<br />
mit Fernsehgeräten oder Waschmaschinen<br />
beherrscht.<br />
Die Rede ist vonAlexander Lau<br />
(53) und seinem AV Markt. Exakt:<br />
Von der Lau GmbH & Co. AV<br />
Markt KG in Darmstadt und Bensheim,<br />
die einer Monokultur durch<br />
nur scheinbare Konkurrenz von<br />
Media Markt/Saturn (weil in ei-<br />
Unternehmen und Person<br />
Der stete Wandel im Handel ist auch<br />
bei Unterhaltungselektronik und<br />
Haushaltsgroßgeräten ablesbar.Und<br />
im Besonderen am Wandel von„Radio-Lau“,<br />
einem einst kleinen Darmstädter<br />
Fachgeschäft hin zum großflächigen<br />
AV Markt.<br />
Als 1950 die Eheleute Wilhelm<br />
und Hedda Lau, gerade 21 Jahre alt,<br />
sich im Martinsviertel, Pankratius-<br />
Ecke Arheilger Straße, mit viel Mut<br />
und noch mehr Zuversicht selbst-<br />
[Infobox]<br />
nem Konzern verbandelt, wasviele<br />
nicht wissen) einen Riegel vorschiebt.<br />
Mit einigen wenigen anderen<br />
wie den Hifi Profis oder<br />
Notebook.de in Darmstadt. In der<br />
Rolle als Hecht im Karpfenteich<br />
fühlt er sich mit dem Konzept des<br />
„großflächigen Fachgeschäftes“<br />
ausgesprochen wohl. Für was AV<br />
dabei steht? Audio und Video, so<br />
Lau. Reminiszenzen an die Anfänge.Und<br />
lachend dazu: Alexander<br />
und Verena, seine Frau. Operativ<br />
ist sie nicht tätig. Aber stete<br />
Diskussionspartnerin, wenn es<br />
um die Firmen-Belange geht.<br />
An diesem Tagwirdman nicht<br />
nur wegen der fachlichen Kompetenz<br />
des Verkaufspersonals, das<br />
man anderswo immer öfter vergeblich<br />
sucht beim Shoppen von<br />
erklärungsbedürftiger Technik,<br />
um Jahre zurückversetzt. Sondern<br />
auch deshalb, weil es vor<br />
ebenso wuchtigen wie antiquierten<br />
Röhren-TV-Geräten wimmelt.<br />
Eine Reihe von Kunden schiebt<br />
die alten Kisten auf Einkaufswagen<br />
und mit entschlossenem Blick<br />
ob der anstehenden Trennung<br />
vom Parkplatz ins Geschäft. Dort<br />
FOTOS: RADIO LAU/AV MARKT<br />
ständig gemacht hatten, war daran<br />
nicht zu denken. Schon bald warder<br />
Laden in der Nähe der Technischen<br />
Hochschule (heute TU) aber zu<br />
klein. Deshalb erfolgte 1952 der Umzug<br />
in die Grafenstraße,1956 dann in<br />
kommen sie auf die Waage.<br />
Schließlich locken sechs Europro<br />
Kilo. Damit ist der finanzielle<br />
Grundstock für den neuen Flachbildschirm<br />
gesichert. Und Lau hat<br />
mal wieder Kaufimpulse gesetzt.<br />
Am Samstag zuvor mussten<br />
gar Tieflader anrücken, um die<br />
matten Mattscheiben abzutransportieren.<br />
Alexander Lau weiß,<br />
wie man sich auf dem Markt der<br />
laut-schrillen Werbung Gehör<br />
verschafft. Und das ohne teure<br />
TV-Werbespots. Denn große<br />
Streuverluste kann er sich nicht<br />
leisten. Lieber ist ihm ohnehin<br />
Mundpropaganda. „Die ist wertiger.“<br />
Dennoch wirdesweitereAktionen<br />
geben. Ein Handy-Zielwerfen<br />
ist die nächste. Die Werbemacht<br />
der Konzerne lässt sich nur<br />
mit Fantasie kontern.<br />
Gründungsmitglied<br />
vonEuronics<br />
Aber natürlich muss dahinter viel<br />
mehr stecken. Gute Preise sind<br />
dabei längst die Grundvoraussetzung.<br />
Diese werden garantiert<br />
durch die Einkaufskooperation<br />
Euronics, deren Gründungsmitglied<br />
Vater Lau mit weiser Voraussicht<br />
in den siebziger Jahren war.<br />
Europaweit ist Euronics heute die<br />
Nummer eins, bekommt deshalb<br />
vonder Industrie absolut konkurrenzfähigeAngebote.DerAußen-<br />
umsatz hierzulande lag zuletzt<br />
bei 3,6 Milliarden Euro. Den Herstellern<br />
ist derlei natürlich willkommen,<br />
um nicht aufgrund der<br />
Einkaufsmacht einer Adresse erpressbar<br />
zu werden, so Lau. Denn<br />
Media Markt mit 800 Läden europaweit<br />
kommt auf 19 Milliarden<br />
Euro Umsatz; US-Champion Best<br />
Buy erreicht 50 Milliarden Dollar.<br />
Mit einem Jahresumsatz von<br />
rund 30 Millionen Eurogehört der<br />
AV Markt zu den TopTen des Konditionen-Klubs<br />
Euronics. Und<br />
liegt in Südhessen von der Größe<br />
her zwischen dem Weiterstädter<br />
Media Markt (50 Millionen) und<br />
Saturn in Darmstadt (20 Millionen).<br />
Die Kundenfrequenz wird<br />
nicht gezählt. So wie das andere<br />
gerne tun. Beim AV Markt zählt<br />
das Wesentliche: Wieviel Geld<br />
lassen die Kunden im Laden. Hier<br />
sei man vorn aufgrund der vielen<br />
Großgeräte. Während in Bensheim<br />
–dort wurde 1986 die Firma<br />
Radio Müller und alle Mitarbeiter<br />
übernommen –schon mal mehr<br />
CDs und ähnliches über den Tresen<br />
gehen, was die Kaufsumme<br />
drückt. Dass die Verkaufsflächen<br />
kleiner sind als bei den marketinggetriebenen<br />
Marktbegleitern wie<br />
dem Media Markt –inBensheim<br />
sind es 2000 Quadratmeter, in<br />
Darmstadt 1800 –wird nicht als<br />
Manko gesehen. Denn Lau beschränkt<br />
sich auf die Geräte jeder<br />
die Ludwigspassage. Ende der Sechziger<br />
wurden Filialen unter anderem<br />
in der Rheinstraße, in Bessungen<br />
und Groß-Zimmern eröffnet, später<br />
außerdem im Luisencenter.Mit dem<br />
Einstieg von Alexander Lau (53) ins<br />
Unternehmen gab es eine Zäsur,<br />
wurden neue Ideen umgesetzt,<br />
schlug 1983 die Geburtsstunde des<br />
AV Marktes in der Rheinstraße 97.<br />
Der erste große Elektromarkt in der<br />
Heiner-Stadt. Und gleich eine Erfolgsstory,was<br />
den neuen Geschäftsführer<br />
ermutigte zu einer großen<br />
Umstrukturierung. Heute konzen-<br />
Gattung, die am besten gehen. Da<br />
helfen Panels der GfK Gesellschaft<br />
für Konsumforschung in Nürnberg<br />
und die Orientierung am<br />
Markt sowie Testberichte.Auf der<br />
Internationalen Funkausstellung<br />
in Berlin ist Lau stets. Auch auf<br />
der Messe CES in Las Vegas, der<br />
Consumer Electronics Show, war<br />
er schon. Werglaubt, dass Lau bei<br />
alldem der Ehrgeiz umtreibt, alles<br />
Neue stets zuerst im heimischen<br />
Wohnzimmer zu haben, irrt freilich.<br />
Da bleibt er ganz gelassen.<br />
Regelmäßig Kontrollgänge<br />
bei der Konkurrenz<br />
Um stets am Ball zu sein, auch bei<br />
den Konditionen, werden alle<br />
zehn bis 14 Tage Kontrollgänge<br />
bei den Wettbewerbern unternommen.<br />
Dann ist es keine Seltenheit,<br />
dass eine Waschmaschine<br />
nicht nur am günstigsten angeboten<br />
wird, sondern auch Lieferung<br />
(zehn Euro) und Anschluss<br />
(15 Euro) nicht zu toppen sind.<br />
Der Grund ist einfach: Der AV<br />
Markt beschäftigt eigene Teams<br />
für diesen Service,den andeream<br />
Markt erst zukaufen müssen. Um<br />
die Marge halten zu können, gilt<br />
es freilich auch hier stetig an den<br />
Kosten zu feilen. Aufgrund des<br />
enormen Preisverfalls muss die<br />
Anzahl der verkauften Geräte entsprechend<br />
steigen. Innovationen<br />
triert man sich auf die beiden Standorte<br />
Darmstadt und Bensheim.<br />
Fußball-affin ist Alexander Lau<br />
fangen zwar manches ab. Denn<br />
hier wirddas Kauf-Gen technikaffiner<br />
Kunden angesprochen,<br />
schaltet das „Must have“ andere<br />
Erwägungen aus. Die anstehende<br />
Fußball-WM in Südafrikawirddabei<br />
einen zusätzlichen Anreiz geben.<br />
„Das ist zweifelsfrei eine tragende<br />
Säule für den Handel generell“,<br />
sagt Lau.<br />
Aber heute hat doch fast jeder<br />
drei Fernseher und auch sonst alles,<br />
oder? Eine Marktsättigung<br />
kann Lau nicht erkennen. Erstens<br />
ist die Marktpenetration beim<br />
Flachbildschirm noch deutlich<br />
ausbaubar.Zum anderen geht die<br />
Entwicklung weiter.Beispiel: Größere<br />
Bildschirmdiagonale. Beispiel:<br />
3-D-Geräte. Auch bei „Weißer<br />
Ware“ gibt es steten Fortschritt:<br />
weniger Strom- oder Wasserverbrauch<br />
etwa. Zusätzlich<br />
zum Ersatzbedarf.<br />
Die 60 Mitarbeiter<br />
werden ständig geschult<br />
Der Preis ist das eine, wobei beispielsweise<br />
im Zeitalter der alleskönnenden<br />
Smartphones die Mittelklasse<br />
wegbricht, billig und<br />
teuer gefragt sind. Aber es gibt<br />
eben auch andere Kriterien wie<br />
Freundlichkeit und Beratungsqualität.<br />
Als da wären zudem 60<br />
Mitarbeiter,die hälftig auf die beiden<br />
Standorte verteilt sind, die<br />
lange mit dabei sind und nicht<br />
jährlich ersetzt werden. Die also<br />
auf einen reichen Erfahrungsschatz<br />
bauen können –und mehrfach<br />
intensiv pro Jahr geschult<br />
werden. Wie Lau betont. Da wäre<br />
außerdem eine eigene Meisterwerkstatt<br />
mit sechs Beschäftigten<br />
in Bensheim, wo von der Espressomaschine<br />
bis zum Flat-TV alles<br />
repariert werden kann. Der Standort<br />
an der Bergstraße erhielt übrigens<br />
gerade von einem unabhängigen<br />
Prüfinstitut Bestnoten, liegt<br />
deutlich vordem Wettbewerb.Befragt<br />
wurden rund 1000 Kunden.<br />
Der Blick über den Tellerrand<br />
hat Alexander Lau 1983 den Anstoß<br />
für die Umstrukturierung<br />
zum AV Markt gegeben. Der Pro<br />
Markt, dahinter stand Radio Diehl<br />
in Frankfurt, sei der Vorreiter der<br />
Entwicklung hierzulande gewesen.<br />
Dem sei man gefolgt –mit<br />
einigem Erfolg. Da macht die Arbeit<br />
Spaß. Ans Aufhören denkt<br />
Alexander Lau deshalb noch lange<br />
nicht. „Aber die Nachfolge ist<br />
schon geregelt.“ Denn Sohn Sebastian<br />
(24), der nach dem Fachabitur<br />
eine Ausbildung zum Kaufmann<br />
gemacht und sich zum Marketing-Ökonomen<br />
weitergebildet<br />
hat, ist bereits im Unternehmen<br />
tätig. Und dort für die Mobile<br />
Kommunikation verantwortlich.<br />
Damit ist eines gewiss: Der<br />
Dreikampf auf diesem Markt in<br />
der Region geht ungebremst weiter.<br />
Womit ein Sieger schon feststeht:<br />
Der Verbraucher.<br />
ungemein. Diplomatisch lässt er<br />
seinen Lieblingsverein aber mal offen.<br />
Selbst gegen den Ball treten ist<br />
aber nach Verletzungen nicht mehr<br />
drin. Das Thema Sport wirdbei längeren,<br />
strammen Spaziergängen mit<br />
Frau Verena abgehandelt. Daneben<br />
schlägt sein Herz für den Motorsport.<br />
In seiner Freizeit setzt er sich<br />
gern auch auf sein Motorrad, wann<br />
immer es die Zeit zulässt: eine Harley<br />
Night Rod Special.<br />
Der Darmstädter hat einen Sohn.<br />
Sebastian (24) arbeitet schon im Betrieb<br />
mit.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 31<br />
Chattenstatt zu jetten<br />
Videokonferenzen – Virtuelle Meetings sind wirtschaftlich und<br />
umweltfreundlich –Boom nach der Aschewolkemit Flugverbot –<br />
Merck nutzt die Technik ebenso wie Fußball-Bundestrainer Löw<br />
VON SILKE JUNGBLUTH-SEPP<br />
Seit der isländische Vulkan<br />
Eyjafjalla mit seiner Aschewolke<br />
so manche Geschäftsreise<br />
hat platzen lassen,<br />
sind sie besondersgefragt: Videokonferenzen.<br />
Schließlich haben<br />
die Flugverbote den Blick auf Alternativlösungen<br />
für Besprechungen<br />
gelenkt, bei denen alle Teilnehmer<br />
am Boden bleiben können<br />
–und so nicht nur Geld und<br />
Reisezeit sparen, sondern quasi<br />
nebenbei auch die Umwelt schonen.<br />
Dabei braucht die Idee, zu<br />
chatten statt zu jetten, den Schub<br />
durch den aschespuckenden Vulkan<br />
eigentlich gar nicht. Die Videokonferenz-Branche<br />
boomt<br />
und Studien bescheinigen ihr in<br />
den nächsten Jahren weltweit<br />
satte Zuwachsraten von 20Prozent<br />
und mehr. „Es ist ein wachsender<br />
Markt“, bestätigt Marc<br />
Thylmann vom Telekommunikations-Branchenverband<br />
Bitkom.<br />
Grund sei die deutlich gestiegene<br />
Qualität der Konferenzsysteme.<br />
„Die Technik hat einen Sprung<br />
gemacht, die Übertragungskapazitäten<br />
haben sich verbessert und<br />
es gibt auch für kleinere Unternehmen<br />
bezahlbare Lösungen“,<br />
sagt er. Doch gerade im Mittelstand,<br />
so Bitkom-Präsident August<br />
Wilhelm Scheer, werde die<br />
Technik trotz ihrer Kostenvorteile<br />
kaum eingesetzt: „Hier werden<br />
Chancen verpasst.“<br />
Großunternehmen wie der<br />
Spezialchemie- und Pharmakonzern<br />
Merck in Darmstadt haben<br />
dagegen längst das Potenzial dieser<br />
Technologie für sich entdeckt.<br />
Der Sparzwang durch die Wirtschaftskrise<br />
hat den Einsatz allerdings<br />
erst so richtig beflügelt: Gab<br />
es bei Merck im Februar 2009 nur<br />
18 Videokonferenzen, kletterte ihre<br />
Zahl im April dieses Jahres auf<br />
481 Meetings mit insgesamt 1048<br />
Stunden Gesprächszeit, berichtet<br />
Pressesprecher Gerhard Lerch.<br />
Um möglichst viele Reisen über-<br />
Verhaltensregeln<br />
flüssig zu machen, sind insgesamt<br />
75 Standorte mit der notwendigen<br />
Technik für Gespräche via Bildschirm<br />
ausgerüstet. Besonders<br />
gut sind dabei neben der Zentrale<br />
die Firmensitze in Genf und Rockland<br />
bestückt. Insgesamt stehen<br />
an diesen drei Standorten 94 Videokonferenzsysteme<br />
zur Verfügung,<br />
konzernweit sind es 193.<br />
Beitrag zur<br />
Work-Life-Balance<br />
Moderne Videokonferenzanlagen erlauben<br />
konzentriertes Arbeiten –besonders,<br />
wenn sich alle Teilnehmer<br />
an einige Regeln halten.<br />
Störquellen: Ob Verkehrslärm, Gläserklirren<br />
oder Handyklingeln –<br />
hochsensible Mikrofone übertragen<br />
auch störende Hintergrundgeräu-<br />
[Infobox]<br />
Dabei geht es Merck nicht nur<br />
darum, Reisekosten zu senken,<br />
sagt Lerch. Es geht auch um die<br />
Zeit, die die daheimgebliebenen<br />
Mitarbeiter gewinnen – für die<br />
Arbeit und ihr Privatleben. „Das<br />
ist ein Beitrag zur Work-Life-Balance.“<br />
Stundenlang in Flugzeug<br />
oder Bahn sitzen, zeitraubende<br />
Verspätungen oder Umsteigepausen<br />
und Reisestress –das nervt in<br />
der Tatnicht nur die Beschäftigten,<br />
sondern kostet als „verlorene<br />
Arbeitszeit“ die Unternehmen<br />
viel Geld, betont auch Manfred<br />
Breul, Bereichsleiter TK-Technologien<br />
bei Bitkom. Bei der Überlegung,<br />
ob sich die Anschaffung<br />
von Videoanlagen lohnt, sollten<br />
deshalb nicht nur die reinen Reisekosten<br />
in die Rechnung einfließen,<br />
rät er.<br />
Dass sich Investitionen in Videotechnik<br />
inzwischen nicht<br />
mehr nur für Großunternehmen<br />
rechnen, liegt allerdings nicht nur<br />
an der wachsenden Zahl von<br />
Dienstreisen bei vielen Mittelständlern,<br />
sondern auch daran,<br />
dass ruckel- und rauschfreie Übertragungstechnik<br />
erschwinglicher<br />
geworden ist –die rasante technische<br />
Entwicklung bei Hardware<br />
und Breitbandverbindungen sowie<br />
purzelnde Preise für Elektronik<br />
machen es möglich. Dabei ist<br />
das angebotene Spektrum bei<br />
der Videokonferenztechnik sehr<br />
breit, sowohl in Sachen Qualität<br />
als auch beim Preis.Die Lösungen<br />
reichen von fest installierten<br />
High-Tech-Räumen bis hin zu Vi-<br />
deokonferenzen via Internet vom<br />
Büro-PC aus.<br />
Wie teuer es wird, hängt aber<br />
auch davon ab, ob nur zwei oder<br />
aber mehrere Standorte miteinander<br />
verknüpft werden sollen und<br />
ob jeweils einzelne Mitarbeiter<br />
oder ganze Gruppen vorder Videokamera<br />
Platz nehmen. Wichtig ist<br />
auch die Frage, obwährend der<br />
Konferenz über Zusatzbildschirme<br />
Dokumente oder Präsentationen<br />
eingespielt werden sollen.<br />
Während ein optimal ausgestatteter<br />
Videokonferenzraum<br />
aus einem Guss, indem Möbel,<br />
Akustik, Licht und Übertragungstechnik<br />
perfekt aufeinander abgestimmt<br />
sind, schnell 250000 Euro<br />
oder mehr kosten kann, gibt es am<br />
unteren Ende der Qualitäts- und<br />
Preisspanne auch Softwarelösungen,<br />
die nur einen dreistelligen<br />
Eurobetrag kosten oder gar, wie<br />
das wohl bekannteste Programm<br />
Skype,kostenlos zu nutzen sind –<br />
Webcam, Mikrofon und ein<br />
schneller Internetzugang vorausgesetzt.<br />
Allerdings bergen Billiglösungen<br />
wie Skype neben der oft<br />
eher mäßigen Bild- und Tonqualität<br />
sowie Stabilität für Firmennutzer<br />
noch andere Tücken: die Datensicherheit<br />
und die Anbindung<br />
an das Firmennetzwerk. „Diese<br />
Punkte sollten vorher immer mit<br />
den Anbietern geklärt werden“,<br />
sagt Breul.<br />
Professionelle Sicherheit<br />
ist wichtig<br />
Vertriebsleiter Arwed Plate von<br />
Vidofon, die sich als Dienstleister<br />
auf Videolösungen für Mittelständler<br />
spezialisiert hat, rät<br />
ebenfalls zu High-Definition-Systemen<br />
mit professioneller Sicherheitstechnik.<br />
Oft sei auch ein separater<br />
Internetanschluss zur Entlastung<br />
des Firmennetzwerkes<br />
sinnvoll. Die Telekom baut derzeit<br />
gar ein eigenes Konferenznetz mit<br />
Verschlüsselungstechnik auf, das<br />
dank hoher Bandbreiten zudem<br />
eine besonders gute Übertra-<br />
sche. Nur wenige High-Tech-Systeme<br />
filtern bislang Störgeräusche<br />
heraus. Ansonsten gilt: Fenster und<br />
Türen schließen, Handys ausschalten,<br />
nicht mit dem Nachbarn plaudern.<br />
Oder einfach das Mikro ausschalten,<br />
wenn die andereSeite längere<br />
Zeit spricht.<br />
Optik: Video ist wie Fernsehen. Deshalb<br />
besser keine auffälligen Karos<br />
oder Streifen tragen –wie TV-Mode-<br />
gungsqualität verspricht, berichtet<br />
Dirk Backofen, Segmentleiter<br />
Marketing Business. Überhaupt<br />
ist die Schnelligkeit des Netzes bei<br />
Videokonferenzen vongroßer Bedeutung,<br />
damit bei keinem der<br />
Partner verpixelte Bilder ankommen:<br />
„Dabei ist auch die Uploadgeschwindigkeit<br />
entscheidend“,<br />
so Breul.<br />
Die Kosten für die Videotechnik<br />
selbst fallen sehr unterschiedlich<br />
aus, jenachdem was die Systeme<br />
leisten sollen –und wer sie<br />
herstellt. Zu den großen Hardware-Anbietern,<br />
deren Systeme<br />
sich laut Plate dank einheitlicher<br />
Standards auch problemlos für<br />
Konferenzen zusammenschalten<br />
lassen, zählen etwa Tandberg,<br />
Lifesize und Polycom. Sollen nur<br />
Einzelplätze konferenztauglich<br />
ausgerüstet werden, kostet dies<br />
nach seinen Angaben ab jeweils<br />
3000 Euro. KleinereRaumsysteme<br />
seien ab 7000 Euro netto pro Anlage<br />
erhältlich –mit nach oben<br />
offener Preisskala. Sie bieten sich<br />
laut Plate an, wenn an zwei Standorten<br />
jeweils Gruppen vonvier bis<br />
fünf Teilnehmern vorKameraund<br />
Flachbildschirmen sitzen sollen.<br />
„Solche klassischen Zwei-Standort-Systeme<br />
gibt es im Mittelstand<br />
sehr häufig“. Sollen drei Orte verbunden<br />
werden, muss aufgestockt<br />
werden: Zwischen 12 000<br />
und 20 000 Euro netto kostet ein<br />
Mehrpunktsystem, das aber nur<br />
an einem der drei Standorte benötigt<br />
wird, um sich einzuschalten,<br />
erläutert Plate. Oft sei es für Mittelständler<br />
sinnvoll, klein anzufangen<br />
und nach Bedarf auszubauen,<br />
hat er festgestellt. „Die<br />
große Lösung passt oft nicht immer.“<br />
Mit moderner Technologie lassen<br />
sich auch weit mehr Standorte<br />
verknüpfen. Bis zu 48 verschiedene<br />
Plätze mit jeweils bis zu 18 Teilnehmern<br />
können nach Angaben<br />
von Dirk Backofen beispielsweise<br />
mit den Telepräsenz-Raumsystemen<br />
der Telekom und des Herstellers<br />
Cisco zusammengeschaltet<br />
ratoren auch. Außerdem: Körpersprache<br />
und Mimik spielen eine<br />
wichtige Rolle. Heftige und schnelle<br />
Bewegungen vermeiden, sie können<br />
aggressiv wirken und bei niedrigen<br />
Übertragungsraten den Bildaufbau<br />
holprig machen. Und: Die Kamera<br />
sollte so positioniert sein, dass alle<br />
Teilnehmer zu sehen sind.<br />
Kommunikation: Die Teilnehmer<br />
sollten sich vorstellen, vielleicht so-<br />
werden, die vor allem für größere<br />
Unternehmen interessant sind.<br />
Aber auch kleinere Anlagen sind<br />
über die Telekom möglich, wie das<br />
Beispiel von Bundestrainer Joachim<br />
Löw zeigt, der in den Monaten<br />
vor der WM mit seinem Stab<br />
ganz bequem vomheimischen Sofa<br />
aus über taktische Kniffe und<br />
Personalfragen diskutierte.<br />
Mietlösungen<br />
als Alternative<br />
Viele Anbieter bieten Konferenzanlagen<br />
auch als kurz- oder langfristige<br />
Mietlösung an, häufig<br />
samt aller Servicedienstleistungen,<br />
darunter etwa ein schnelles<br />
Troubleshooting während der<br />
Livekonferenz, wenn es mal<br />
klemmt. „Solche Angebote sind<br />
für viele Firmen interessant“, sagt<br />
Backofen. Da eigene Videoräume<br />
für Mittelständler oft trotzdem zu<br />
kostspielig sind, setzt die Telekom<br />
auch auf den Ausbau eines bundesweitenKonferenzraum-Netzes<br />
in Hotels und Tagungszentren.<br />
Für einen Stundensatz von<br />
200 bis 300 Euro können sich Interessenten<br />
dort einmieten. In der<br />
Region hat der Konzern gerade einen<br />
solchen Konferenzsaal im<br />
Frankfurter Lindner Hotel Walther-von-Cronberg-Platzeingeweiht.<br />
gar Namensschilder haben. Sind<br />
mehrere Standorte zugeschaltet, ist<br />
es sinnvoll, einen Moderator zu bestimmen.<br />
Durcheinanderreden und<br />
ins Wort fallen ist bei modernen Anlagen<br />
zwar technisch möglich, aber<br />
ebenso wenig höflich wie sonst auch.<br />
Außerdem gilt trotz Breitbandverbindung:<br />
Dem Partner Zeit für die Antwort<br />
lassen und mit Verzögerungen<br />
durch die Übertragung rechnen.<br />
FOTOS: FOTOLIA<br />
Auch der Dienstleister Regus,<br />
der weltweit 2500 Videokonferenzstudios<br />
betreibt, bietet in<br />
Frankfurt mehrere Videoräume<br />
an, darunter ein modernes Telepräsenzstudio<br />
nahe der Alten<br />
Oper. Die Kosten variieren nach<br />
Standort und Tageszeit und beginnen<br />
bei 229 Euro pro Stunde.<br />
Regus profitierte übrigens ganz<br />
besonders vom Aschewolken-<br />
Flugverbot im April: Das Unternehmen<br />
verzeichnete in dieser<br />
Zeit in Deutschland ein Buchungsplus<br />
von 290 Prozent.<br />
Das Darmstadtium bietet<br />
ebenfalls Videokonferenzen in<br />
seinen Sälen an –ab1500 Euro<br />
pro Tag. Rund 120 Euro kostet<br />
eine Konferenzstunde dagegen<br />
außerhalb des Rhein-Main-Ballungsraums:<br />
im Donnersberger<br />
Energie- und Gewerbepark in<br />
Kirchheimbolanden in der Pfalz.<br />
Virtuelle Meetings sind aber<br />
nicht nur wirtschaftlich und umweltfreundlich,<br />
sondern auch ein<br />
Erlebnis, findet Bitkom-Präsident<br />
Scheer: „Wer das erste Mal an einer<br />
Videokonferenz mit den neuen<br />
Highend-Geräten teilgenommen<br />
hat, will am Ende des Gesprächs<br />
seinem Geschäftspartner<br />
die Hand schütteln – er hat<br />
schlicht vergessen, dass er mehrere<br />
tausend Kilometer weg sitzt“,<br />
sagt er.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 32<br />
Schreibtische der <strong>Macher</strong><br />
THOMAS DOLD<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
�<br />
Person und Unternehmen<br />
Thomas Dold (53), studierter Betriebswirt, seit<br />
Mai 2004 Geschäftsführer des Wirtschaftsinformationsdienstes<br />
D&B Deutschland. Er pendelt<br />
zwischen Düsseldorf und Darmstadt.<br />
Dold ist „noch so gerade verheiratet“, liiert<br />
und hat eine achteinhalb Jahre alte Tochter.<br />
„Sie ist mein wichtigstes Hobby“, sagt Dold.<br />
„In sie investiere ich ganz viel Zeit und Energie.“<br />
Auch Laufen und Kochen –„am liebsten<br />
asiatisch und mediterran, also leichte Küche“<br />
–gehören zu seinen Hobbys. Ansonsten besucht<br />
Dold gerne Flohmärkte.Dort ist er bevorzugt<br />
auf der Suche nach Art-déco-Gegenständen,<br />
die er sammelt. „Auch schöne Dinge wie<br />
[Infobox]<br />
Schreibtisch: Standardmodell, „haben alle Mitarbeiter,<br />
nicht nur der Chef“, sagt dieser. Ermag dieses<br />
„Chefbüro-Gehabe“ mit anderen Möbeln nicht.<br />
�<br />
Stuhl: ebenfalls ein Standardmodell, „nix Besonderes“.<br />
�<br />
6<br />
Großes Bild hintere Wand: Vonder Düsseldorfer<br />
Künstlerin „Micmac“. Dold entdeckte einst Werke<br />
von ihr auf einem Flohmarkt, später engagierte er<br />
sie für dieses Werk. Es zeigt die Summe der Erkenntnisse,<br />
wie es im Unternehmen funktionieren<br />
soll. Jeder Mitarbeiter solle sagen, „ich will“, erläutert<br />
Dold. Die Firma gebe ihm dann die Möglichkeiten,<br />
„also das Umfeld, die Infrastruktur und Ähnliches“,<br />
dass der Mitarbeiter sagt „ich kann“. Die<br />
dritte Aussage zielt auf die Umsetzung ab. Von die-<br />
1<br />
sen Bildern hängen laut Dold rund 25 Versionen in<br />
der Firma; sie seien ein Synonym für die Kultur des<br />
Unternehmens.<br />
�<br />
Sideboards: „Dienen eigentlich nur als Ablagefläche“,<br />
sagt Dold. Da er das papierlose Büro bevorzugt,<br />
hat er keine Aktenordner, die untergebracht<br />
werden müssen. Lediglich die Aktentasche des Chefs<br />
findet in dem großen SideboardPlatz. Darauf stehen<br />
unter anderem ein Foto vonDolds heute achteinhalb<br />
Jahre alter Tochter sowie zwei gläserne Trophäen.<br />
2007,2008 und 2009 wurde Dold vomUnternehmen<br />
zum „MD of the year“ gewählt. Ein Mal gab es eine<br />
Urkunde, zwei Mal die gläserne Trophäe. „Schöne<br />
Anerkennung, man freut sich“, sagt Dold dazu.<br />
„Mehr aber auch nicht.“<br />
�<br />
4<br />
Schreibtischlampe: „Billiges Katalogmodell“, funktional,<br />
schön, „das reicht“. Alles, was beim Chef im<br />
Bürosteht, haben die anderen Mitarbeiter auch.<br />
einen dunkelroten Murano-Aschenbecher und<br />
Silbergegenstände nehme ich gerne mit“, sagt<br />
Dold.<br />
Bevorzugte Urlaubsziele sind neben Asien –<br />
„besonders Bali“ –Frankreich, Italien und die<br />
USA. Zum Skilaufen geht es nach Südtirol. „Ich<br />
erfahregerne etwas über andereKulturen und<br />
lerne gerne andere Menschen kennen“, sagt<br />
Dold über seine Reiselust.<br />
D&B Deutschland<br />
Die Wirtschaftsinformationen vonD&B geben<br />
Kunden einen Überblick über die wirtschaftliche<br />
Situation ihrer Geschäftspartner.Die nach<br />
eigenen Angaben weltweit größte Unternehmensdatenbank<br />
von D&B enthält laufend aktualisierte<br />
Informationen zu 4,5 Millionen<br />
7<br />
�<br />
PC: von Dell. Da Dold oft dienstlich unterwegs ist,<br />
bevorzugt er ein leichtes Notebook mit Zwölf-Zoll-<br />
Bildschirm. An seinem Schreibtisch ist das Gerät per<br />
Docking-Station mit einem großen Bildschirm verbunden.<br />
�<br />
Schreibtischunterlagen und Utensilien (Stiftebox,<br />
Locher usw.): aus dem Top-Deck-Katalog. Sehen<br />
hübsch aus, findet der Chef. Außer ein paar Stiften<br />
benutzt er die Dinge jedoch kaum. „Da ich ein papierloses<br />
Büro habe, muss ich auch nichts lochen“,<br />
sagt Dold.<br />
�<br />
Tasse: Dold trinkt wenig Kaffee,„nur ab und zu einen<br />
Milchkaffee, aber die passende Maschine gibt es<br />
nicht im Büro.“ Heißen Kakao mit Rum mag Dold<br />
ebenfalls, „aber im Büro geht das nicht mit dem<br />
FOTO: D&B<br />
2<br />
deutschen und mehr als 160 Millionen Unternehmen<br />
weltweit. D&B aktualisiere weltweit<br />
täglich 1,8 Millionen Datensätze, davon<br />
120 000 in Deutschland. Zusätzlich wird für<br />
5<br />
Rum“. Also ist die Tasse eher Dekorationsobjekt als<br />
Gebrauchsgegenstand. Im Inneren der Tasse ist<br />
„Thomas ist der Beste“ zu lesen. Dold: „Jeder Mitarbeiter<br />
hat so eine Tasse, logischerweise mit dem<br />
jeweils eigenen Namen drin.“<br />
�<br />
Karaffe mit Gläsern: Dold ist Wassertrinker, schafft<br />
nach eigenen Angaben etwa drei Liter pro Tag. Er<br />
bevorzugt stilles Wasser,gerne aus dem Hahn. „Wir<br />
haben hier so ein Wasseraufbereitungssystem“,<br />
sagt er.<br />
�<br />
8<br />
3<br />
9<br />
10<br />
Wecker: Warmal eine Werbeaktion des Unternehmens,<br />
umKunden „aufzuwecken.“ Allerdings zeigt<br />
das Modell auf Dolds Schreibtisch keine Uhrzeit<br />
mehr an –die Batterie ist leer. Jeder aus dem Kollegium<br />
hat einen solchen Wecker bekommen. „Kolleginnen<br />
nutzen ihn gerne zum Nachschminken, da<br />
man sich in der Vorderseite prima spiegeln kann“,<br />
weiß der Chef. sojo<br />
die Bonitätseinschätzungen das tatsächliche<br />
Zahlungsverhalten der Unternehmen berücksichtigt.<br />
D&B ermittelt aus diesen und anderen<br />
Daten einen Zahlungsindex, einen Frühwarnindikator<br />
für mögliche Liquiditätsprobleme.<br />
Außerdem gibt das Unternehmen politische,<br />
finanz- und volkswirtschaftliche Informationen<br />
sowie Risikoinformationen über mehr als<br />
130Länder.<br />
Die D&B Deutschland GmbH gehört zur Unternehmensgruppe<br />
Bisnode AB und ist nach<br />
Unternehmensangaben einer der größten<br />
Business-to-Business-Informationsanbieter in<br />
Europa. Der deutsche Unternehmenssitz ist<br />
Darmstadt (ehemals Hoppenstedt), Niederlassungen<br />
befinden sich in Berlin, Hamburg, Düsseldorf<br />
und München.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 33<br />
Life & Style<br />
Die neue<br />
Hallwag Weinschule<br />
Dieses Buch führt den Einsteiger mit<br />
13 kompetent begleiteten Weinproben<br />
in die Kunst wahren Genießens ein.<br />
168 Seiten<br />
»Lifestyle ist die teure Art,<br />
so auszusehen wie die anderen«<br />
Klaus Klages,deutscher Gebrauchsphilosoph<br />
Seite 34<br />
Wasser ist chic<br />
Sekt oder Selters? Das ist oft<br />
die Frage.Was passt am besten<br />
zum Geschäftsessen?<br />
Getränke-Profi Ralf Krämer<br />
weiß,was gefragt ist.<br />
Seite 35<br />
Biss, stahlige Säure<br />
Aufder Suche nach Sommerweinen<br />
sind Experten bei einer<br />
Verkostung des WirtschaftsECHO<br />
in Südhessen<br />
fündig geworden.<br />
Seite 38<br />
Zwei Herzen<br />
Zeitgemäße Fortbewegung<br />
hat JörgRiebartsch im Lexus<br />
RX 450h erfahren, der die<br />
Kraft der zwei Herzen hat:<br />
Elektro- und Benzinmotor.<br />
Seite 40<br />
Fußball-Kultur<br />
Für den Fernsehabend planen<br />
oder Theaterkarten besorgen?<br />
Johannes Breckner<br />
versucht den Doppelpass<br />
zwischen WM und Kultur.<br />
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Seiten 36 +37<br />
Scharfe Sache<br />
Im „Alten Gewürzamt“<br />
des ehemaligen Sterne-Kochs<br />
Ingo Holland in Klingenberg<br />
entstehen die Zutaten,<br />
die feinem Essen den<br />
besonderen Kick geben.<br />
Ingo Holland FOTO: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 34<br />
Ralf Krämer FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Business-Knigge<br />
DIESMAL: WELCHE GETRÄNKE ZUM GESCHÄFTSESSEN<br />
Sekt<br />
oder<br />
Selters?<br />
Umgangsformen –<br />
Wasser bei Führungskräften der Renner –<br />
Auch Apfel-, Orangensaft, Champagner,Wodka und Gin im Trend<br />
VON DIRK JANOWITZ<br />
Sekt oder Selters? Diese Frage<br />
müssen sich Manager heute<br />
nicht mehr stellen, denn<br />
beim Geschäftsessen ist es kein<br />
Fauxpas,alkoholfreie Getränkezu<br />
bestellen, auch dann nicht, wenn<br />
der Gastgeber hochprozentige bevorzugt.<br />
„Vielmehr entscheiden<br />
sich Verhandlungspartner für<br />
Wasser,nicht nur um einen klaren<br />
Kopf zu behalten, sondern weil es<br />
einfach chic ist“, erklärt Ralf Krämer<br />
(46), Geschäftsführer der<br />
Krämer GmbH in Alsbach-Hähnlein,<br />
die rund 2000 Kunden (Sterne-Restaurants,<br />
Hotels, Szene-<br />
Kneipen, Klubs, Bars und Diskotheken)<br />
im Rhein-Main-Neckar-<br />
Gebiet mit Getränken beliefert.<br />
Der 46-jährige führt das 1926 ge-<br />
gründete Familienunternehmen<br />
in dritter Generation.<br />
Wasser ist jedoch nicht gleich<br />
Wasser und so haben die Geschäftsleute<br />
unter einer Vielzahl<br />
verschiedener Sorten die Qual der<br />
Wahl. „Außerdem ist es nicht einfach,<br />
das richtige Wasser zum Essen<br />
zu finden, da es keine festen<br />
Kriterien gibt“, sagt Krämer. Und<br />
es dürfe auf keinen Fall mit Zitronenschnitz<br />
und Eis serviert werden,<br />
da beides den feinen Geschmack<br />
zerstöre. „Heilwasser<br />
könnte zu geschmorter Lammkeule<br />
gut passen, aber nicht zu<br />
Fisch. Herren bevorzugen ein<br />
kräftigeres Wasser, Damen eher<br />
ein weiches“, so der Experte. Der<br />
Gemütszustand der Manager<br />
spiele ebenfalls eine Rolle: Kohlensäurehaltiges<br />
Wasser sei ge-<br />
Sekt –halbtrocken, trocken oder brut<br />
[Infobox]<br />
stressten Gesprächsteilnehmern<br />
nicht zu empfehlen, da es noch<br />
mehr aufkratze und für „Turbolenzen“<br />
im Magen sorge.<br />
Sprudel zum Wein<br />
weniger geeignet<br />
Der typische Sprudel ist auch zum<br />
Wein weniger geeignet. „Er macht<br />
den Gaumen schnell satt, so dass<br />
der Geschmack des Weins untergeht“,<br />
weiß Krämer. Seiner Meinung<br />
nach passt stilles Wasser am<br />
besten zu edlen Tropfen, da es<br />
weicher ist und den Gaumen offen<br />
hält. TeureSorten, wie etwaexotische<br />
Wässerchen aus Norwegen,<br />
Kanada und Hawaii werden in<br />
Klubs und auf Szene-Partys serviert.<br />
„Besondersangesagt warim<br />
vergangenen Jahr stilles Wasser<br />
Die Bezeichnung der Geschmacksrichtung beim<br />
Sekt unterscheidet sich vonder beim Wein. Das hat<br />
einen einfachen Grund: Die Kohlensäure, die für<br />
den Sekt unentbehrlich ist, mildert die Wahrnehmung<br />
von Süße. Dieser Tatsache trägt das Weingesetz<br />
Rechnung und hat die Bezeichnungen für die<br />
Geschmacksrichtungen bei Sekt angepasst:<br />
extra brut – entspricht der ganz trockenen Geschmacksvariante<br />
und enthält weniger als sechs<br />
Gramm Restzucker proLiter.<br />
brut – bevorzugen Liebhaber der trockenen Geschmacksrichtung.<br />
Mit bis zu 15 Gramm Restzucker<br />
proLiter wirddie feine Frucht leicht unterstrichen,<br />
ohne den trockenen Charakter aufzugeben.<br />
extra trocken – ist eine Geschmacksrichtung, die<br />
beim Wein als „harmonisch trocken“ bezeichnet<br />
würde.Ein dezenter Restzuckergehalt vonzwölf bis<br />
20 Gramm pro Liter unterstreicht die aromatische<br />
Frucht und Fülle im Sekt.<br />
trocken – hinterlässt auf der Zunge einen zartsüßen<br />
Hauch und ist für Liebhaber eher halbtrockener<br />
Weine die richtige Geschmacksrichtung. Ein<br />
Restzuckergehalt von 17bis 35 Gramm pro Liter<br />
betont die Frucht.<br />
halbtrocken – die richtige Geschmacksrichtung für<br />
Liebhaber lieblicher Weine. Die Süße ist mit 33 bis<br />
50 Gramm Restzucker pro Liter ausgeprägt und<br />
sorgt für volles süß-fruchtiges Aroma.<br />
vonJean Paul Gaultier,das schon<br />
durch seine künstlerisch designte<br />
Flasche auffiel“, schmunzelt der<br />
Getränkefachgroßhändler. Der<br />
Preis scheint, ebenso wie bei den<br />
anderen trendigen, hochprozentigen<br />
Getränken wie Wodka, Gin<br />
und Champagner, keine Rolle zu<br />
spielen.<br />
Doch zurück zum geschäftlichen<br />
Treffen. Bei den Meetings<br />
nehmen die Manager meist mit<br />
regionalen, weniger hochpreisigen<br />
Produkten vorlieb. Als Aperitif<br />
sind Rosé-Sekt und Prosecco-<br />
Rosé im Trend. Bei den nicht alkoholischen<br />
Getränken sind die<br />
Klassiker Apfel- und Orangensaft<br />
beliebt. Zu Rennern entwickeln<br />
sich vor allem bei Frauen die<br />
Cranberry-Schorle und die sogenannten<br />
Smoothies (dickflüssiger<br />
mild – ist eine Geschmacksrichtung, die beim Sekt<br />
selten angeboten wird. Mit einem Restzuckergehalt<br />
von über 50 Gramm pro Liter ist die Süße sehr<br />
ausgeprägt.<br />
Wasser ist nicht gleich Wasser<br />
So unterscheiden sich die Wassersorten:<br />
� Natürliches Mineralwasser stammt aus bis zu<br />
1000 Meter tiefen unterirdischen Quellen, seine<br />
Reinheit wirdbehördlich geprüft. Es darf „enteisent“<br />
–von Eisen und auch von Schwefel, Mangan<br />
und Arsen befreit –sowie „mit Kohlensäure<br />
versetzt“ werden. Auf dem Etikett sind die entsprechenden<br />
Angaben zu finden.<br />
� Natürliches Heilwasser aus unterirdischen<br />
Quellen darf nicht verändert werden und benötigt<br />
eine amtliche Zulassung als Heilmittel.<br />
� Quellwasser aus unterirdischen Vorkommen enthält<br />
weniger Mineralstoffe als Mineralwasser. Es<br />
bedarf keiner amtlichen Anerkennung, muss aber<br />
den allgemeinen Trinkwasseranforderungen genügen.<br />
Nach neuem EU-Recht darf es sich aber trotzdem<br />
auch Mineralwasser nennen. Viele bekannte<br />
französische stille Wasser sind Quellwässer.<br />
� Tafelwasser wird als Mischung aus vor allem<br />
Leitungswasser, Meerwasser, Sole, Mineralsalzen<br />
und Kohlensäure industriell hergestellt.<br />
Saft mit besonders viel Fruchtmark).<br />
„Außerdem zählen Energie-Drinks<br />
zu den Favoriten“, sagt<br />
Krämer.<br />
Zum Mittagessen werden<br />
überwiegend Weine gereicht: nationale<br />
aus der Region, internationale<br />
im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft<br />
häufig aus Südafrika.<br />
„Die Regel, dass zu Geflügelgerichten,<br />
Fisch und hellem<br />
Fleisch zumeist Weißweine serviert<br />
werden, zu dunklem oder rohem<br />
Fleisch Rotweine, ist bei Geschäftsessen<br />
überholt. Heute gilt:<br />
Erlaubt ist, was schmeckt“, erklärt<br />
der Geschäftsführer.<br />
Neben der richtigen Wahl<br />
spielt auch die Darreichung des<br />
Weines eine wichtige Rolle.„Mancher<br />
Feinschmecker zelebriert ein<br />
regelrechtes Ritual, insbesondere<br />
bei hochwertigen Rotweinen,<br />
welche bei Zimmertemperatur dekantiert,<br />
das heißt, in eine Weinkaraffe<br />
gefüllt werden“, unterstreicht<br />
Krämer. Die optimale<br />
Temperatur für einen Rotwein<br />
liegt zwischen 15 und 17 Grad Celsius,<br />
bei Spitzenweinen bis zu 19<br />
Grad Celsius. Der edle Tropfen<br />
sollte in dickbauchige Gläser mit<br />
Stiel (zur Hälfte) eingeschenkt<br />
werden, um sein Aroma voll entfalten<br />
zu können.<br />
Weißweine hingegen sollten<br />
ihrem Aroma entsprechend kühl<br />
serviert werden: Trockene,leichte<br />
Weißweine entfalten bei acht bis<br />
zehn Grad, halbtrockene bei bis<br />
zu zwölf Grad Celsius ihren besten<br />
Geschmack. Roséweine liegen<br />
bei zwölf bis 15 Grad Celsius<br />
optimal in der Mitte zwischen<br />
Rot- und Weißwein, so der Experte.<br />
Kühler Weißwein schmeckt<br />
aus einem schlichten, dünnwandigen<br />
Glas oder aus einem kleinen<br />
Kelch am besten.<br />
Nach dem Essen sind Espresso,<br />
Kaffee oder Mokka angesagt.<br />
Absolut tabu sind dagegen Softdrinks,<br />
dasie sättigen und den<br />
Geschmack von Speisen überdecken.<br />
„Da es sich mit Bier ähnlich<br />
verhält, lehnen die meisten Manager<br />
den Gerstensaft konsequent<br />
ab“, bestätigt Krämer.<br />
Am Abend wählen die Geschäftsleute<br />
hochprozentige Getränkeaus,wenn<br />
sie den Tagnach<br />
den oft schwierigen Verhandlungen<br />
in lockerer Atmosphäre ineiner<br />
Bar oder einem Klub ausklingen<br />
lassen. Dort werden meist neben<br />
Sekt, Champagner, Gin und<br />
Wodkaauch Bourbon und Scotch,<br />
irischer und Tennessee Whiskey<br />
sowie Malt und Canadian Whisky<br />
bestellt.<br />
Nicht mehr gefragt sind nach<br />
Krämers Angaben ehemalige<br />
Klassiker wie Sherry, Portwein,<br />
Calvados, Armagnac und Longdrinks.<br />
Auch deutsche Edelbrände<br />
und Likör sind eher beliebte<br />
Familiengetränke und bei Manager-Meetings<br />
nicht „in“. Ausnahme:<br />
Cognac.„Er erlebte durch die<br />
Fernsehwerbung eines bekannten<br />
US-Rappers eine Renaissance“,<br />
sagt Krämer.„International<br />
bekannte Musiker fungieren<br />
häufig als Getränke-Trendsetter.<br />
Seitdem bekannt wurde,dass der<br />
Techno-Star Sven Väth gerne<br />
Champagner trinkt, stiegen die<br />
Umsatzzahlen für den edlen<br />
Schaumwein deutlich an“, ergänzt<br />
der 46-jährige.<br />
Cocktails bei Managern<br />
nicht so sehr beliebt<br />
Ähnlich begehrt wie Champagner<br />
sind Cocktails,allerdings sind die<br />
alkoholischen Mischgetränke vor<br />
allem in der Party-Szene beliebt,<br />
bei geschäftlichen Treffen von<br />
Führungskräften spielen sie kaum<br />
eine Rolle. „Im Trend sind Pina<br />
Colada, Caipirinha, Sex on the<br />
Beach und der Mojito, der auch<br />
mehr und mehr von Managern<br />
entdeckt wird”, stellt Krämer fest.<br />
Bei den alkoholfreien Cocktails<br />
kommen Virgin Colada, Ipanema<br />
und San Francisco besonders gut<br />
an.<br />
Das gilt auch –vor allem auf<br />
Partys, privaten Festen und in<br />
Klubs –für das Anstoßen. „Ein<br />
schöner, alter Brauch –aber häufig<br />
unangebracht“, bekennt Krämer,denn<br />
nur mit Wein, Champagner<br />
oder Sekt wird angestoßen,<br />
nicht aber mit Bier-, Longdrinkund<br />
schon gar nicht mit Milchkaffeegläsern.<br />
Bei Geschäftstreffen<br />
wirdheute meist ganz darauf verzichtet.<br />
Die Manager heben einfach<br />
ihre Gläser an, während sie<br />
sich zunicken und zuprosten –<br />
Cheers!<br />
Krämer GmbH<br />
Erlenweg 10<br />
64665 Alsbach-Hähnlein<br />
Geschäftsführer:<br />
Ralf Krämer<br />
Telefon: 06257 93700<br />
Fax: 06257 937010<br />
E-Mail:<br />
info@kraemergmbh.de<br />
Internet:<br />
www.kraemergmbh.de<br />
� Leitungswasser steht nicht auf der Getränke<br />
karte eines Restaurants.Für US-Amerikaner ist es<br />
selbstverständlich, „tap water“ zum Essen zu<br />
bestellen, genauso selbstverständlich steht es am<br />
Ende nicht auf der Rechnung. Hierzulande kann<br />
es durchaus passieren, dass für eine Karaffe Leitungswasser<br />
ein Obolus abverlangt wird.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 35<br />
Weinkenner unter sich:<br />
Karl Eisele, Lisa Edling, Enis Ersü,<br />
Bernd Reckmann, Orlando Carroccia, Eberhard Uhland,<br />
GosbertDölger und Michael Mahr (von links). FOTOS: GÜNTHER JOCKEL<br />
Die besten Tropfen<br />
für die Sommerzeit<br />
Weinverkostung – Beschränkung auf Anbaugebiete vor der Haustüresind keine<br />
Beschränkung beim Genuss –Fachkundige Probierer beim WirtschaftsECHO<br />
VON ILKA ENNEN<br />
Die Bewertung<br />
Karl Eisele ist lange genug<br />
im Geschäft, um zu wissen,<br />
wann er die gute Kinderstube<br />
vergessen muss. Er<br />
trinkt. Zieht Luft durch den angespitzten,<br />
leicht geöffneten Mund.<br />
Schlürft ausgiebig, schmeckt und<br />
spuckt. Letzteres auch nach 33<br />
verschiedenen Weinen in üppigen<br />
zwei Stunden mit einer zielgerichteten<br />
Eleganz, die den Darmstädter<br />
Weinhändler und Gastronomen<br />
als routinierten und sachkundigen<br />
Probierer ausweist.<br />
Guter Wein wird nicht einfach<br />
nur getrunken oder gezischt wie<br />
ein Durstlöscher. Erwird erlebt,<br />
entdeckt, genossen. Kein Wunder,<br />
dass Kenner eine eigene Sprache<br />
erfunden haben, die sich ähnlich<br />
blumig entfaltet wie ein Bukett.<br />
Bewertet wurden die Weine nach<br />
dem Hundert-Punkte-System. Farbe,<br />
Duft, Geschmack, die Balance<br />
von Körper und Aromen und das<br />
Potenzial sollen beurteilt werden.<br />
Jeweils maximal zehn Punkte können<br />
für Farbe und Duft vergeben<br />
werden. Geschmack sowie die Balance<br />
von Körper und Aromen gelten<br />
als wichtigste Kriterien, die mit<br />
30 Punkten honoriert werden können.<br />
Das Potenzial (20 Punkte) ist<br />
für Probenleiterin Lisa Edling eine<br />
sinnvolle Ergänzung, mit der die<br />
Summe der einzelnen Kategorien<br />
für den Gesamteindruck nach oben<br />
oder unten korrigiert werden kann.<br />
[Infobox]<br />
Lisa Edling<br />
Wenn sich das Vokabular der Laien<br />
in Beschreibungen von lieblich,<br />
trocken oder herb erschöpft,<br />
setzen die Experten und fortgeschrittenen<br />
Genießer bei der dritten<br />
Weinverkostung des WirtschaftsECHO<br />
im Darmstädter Restaurant<br />
„Orangerie“ ihreDuftmarken.<br />
Sie sprechen vom Wein mit<br />
Biss,stahliger Säure, erfreuen sich<br />
am Pfirsicharoma oder loben den<br />
sanften Abgang. Manchmal fällt<br />
auch ein schlichtes, aber vielsagendes:<br />
„Schmeckt mir nicht.“<br />
Nur vom Chambrieren, also auf<br />
Zimmertemperatur bringen, ist<br />
keine Rede, denn das wäre fatal:<br />
Gesucht sind die besten Tropfen<br />
für die Sommerzeit. Gut gekühlte<br />
Terrassenweine, die vor der eigenen<br />
Haustüre im Anbaugebiet<br />
Hessische Bergstraße zu finden<br />
sind. Ein Heimspiel für Winzerin<br />
Lisa Edling vom Roßdorfer Weingut<br />
Edling, die zwei Weine zur<br />
Verkostung anstellt, wie es im<br />
Weinsprech heißt, und deshalb<br />
nicht der Jury angehört. Sie avanciert<br />
in der vonECHO-Chefredakteur<br />
Jörg Riebartsch moderierten<br />
Veranstaltung zur Chef-Ausschenkerin.<br />
Der Riesling ist der König<br />
unter den Rebsorten<br />
In drei Kategorien teilt die einstige<br />
deutsche Weinprinzessin und Gebietsweinkönigin<br />
die Weine aus<br />
18 Bergsträßer Weingütern ein:<br />
Riesling, Nicht-Riesling und Rosé.<br />
Allesamt bewegen sich die Einheimischen<br />
in der erschwinglichen<br />
Preisklasse zwischen fünf und<br />
acht Euro. Die Vorkosterin ist sehr<br />
zufrieden mit der Auswahl: „Es<br />
sind ein paar schöne Sachen dabei.“<br />
Das Anbaugebiet ist zwar<br />
das kleinste in Deutschland, aber<br />
die Trauben haben es in sich: Der<br />
Riesling ist hier der König unter<br />
den Rebsorten und genießt einen<br />
guten Ruf.<br />
Zahlenmäßig überlegen sind<br />
die Nicht-Rieslinge bei der Verkostung.<br />
Rivaner, Silvaner, Grauund<br />
Weißburgunder verstecken<br />
sich unter 16 geriffelten Pappmänteln,<br />
die den Ursprung der<br />
Tropfen verhüllen. Farbe, Duft,<br />
Geschmack, die Balance vonKörper<br />
und Aromen und das Potenzial<br />
sollen bewertet werden. „Sie<br />
dürfen ruhig auspunkten“, fordert<br />
Lisa Edling die Weinprobenden<br />
auf, bei der Beurteilung nicht<br />
zu geizen. 100Punkte sind jeweils<br />
zu vergeben. Zwischen 100 und<br />
95 Punkten vergibt Edling die Note<br />
sehr gut, von 94bis 80 ein gut.<br />
„Unter 50 Punkten haben Sie Weine,<br />
die Sie nicht mehr in den<br />
Mund nehmen wollen.“<br />
Die Juroren haben die Nase<br />
schon in manches Glas gehalten.<br />
Zum dritten Mal dabei ist Eberhard<br />
Uhland, Schreinermeister<br />
und Inhaber der Uhland Werkstätten,<br />
und als fähiger Kopfrechner<br />
darf Volksbank-Vorstand Michael<br />
Mahr nicht fehlen. Neu in der<br />
Runde sind Bernd Reckmann,<br />
Doktor der Biochemie und Merck-<br />
Gesellschafter, und Enis Ersü,<br />
Vorstandsvorsitzender der IsraVision<br />
AG. Verkostungs-Nachwuchs<br />
ist auch Polizeipräsident<br />
Gosbert Dölger, der nicht nur das<br />
Gesetz hütet, sondern auch einen<br />
eigenen Präsidiums-Weinberg.<br />
Fürden gastgebenden Orangerie-Inhaber<br />
Orlando Carroccia,<br />
Karl Eisele oder Thilo Patzelt, Inhaber<br />
des Parkhotels Herrenhaus<br />
Bensheim-Auerbach, ist Wein<br />
nicht in erster Linie liebgewonnener<br />
Feierabend-Begleiter,sondern<br />
Ganztages-Umsatzbringer. Das<br />
Gläserkreiseln und Fachsimpeln<br />
ist ihr Alltagsgeschäft. Karl Eisele<br />
kennt sich aus mit dem Balzverhalten<br />
der Weintrinker. Ein<br />
Schaukampf, der meist nach ein<br />
paar Fachausdrücken schon beendet<br />
sei, sagt er und lächelt süffisant.<br />
Unnötig zu sagen, wer gewinnt.<br />
In Darmstadt werden die Flaschen<br />
hingegen auf Augenhöhe<br />
geleert. Die Juroren urteilen fachmännisch,<br />
zum Teil bissig in ihren<br />
Kommentaren. „Animalisch“<br />
empfindet Carroccia den Inhalt<br />
von Nummer drei. Eine Beschrei-<br />
bung, die auch als „Pferdeschweiß“<br />
oder „nasser Hund“<br />
Eingang in die Fachliteratur gefunden<br />
hat. Nur dort und nicht in<br />
Darmstadt ist auch das Mäuseln<br />
zu finden. Ein Geruch, der Experten<br />
an Mäuseharn erinnern soll.<br />
Auch die 16 kann der Italiener<br />
nicht riechen, reklamiert Körperverletzung<br />
und fordert Gosbert<br />
Dölger auf, einen Haftbefehl zu<br />
beantragen. Der Polizeichef erfreut<br />
sich hingegen am Chanel 05artigen<br />
Duft des Frauenweins, erweitert<br />
den Weinprobendualismus<br />
Riechen und Schmecken zu<br />
fortgeschrittener Stunde um<br />
Schlucken und vergibt mit Vorliebe<br />
eine in Punkte umgerechnete<br />
zwei minus, umsich Luft nach<br />
oben zu lassen. „Ich weiß ja nicht,<br />
wasalles noch kommt.“<br />
Wein des Abends: 2009er<br />
Bensheimer Kalkgasse<br />
Die Frage, obein Wein Potenzial<br />
hat, übersetzt Patzelt mit: „Kann<br />
ich ihn verkaufen?“ Um gute Weine<br />
zu finden, muss der Bensheimer<br />
die Stadtgrenze nicht überschreiten.<br />
Platz eins und drei in<br />
der Riesling-Runde gehen an das<br />
Weingut der Stadt, deren Erzeugnisse<br />
die 600-Punkte-Marke knacken.<br />
Der 2009er Bensheimer<br />
Kalkgasse mit seinem filigranen<br />
Pfirsich- und Aprikosenbukett ist<br />
der Wein des Abends und lässt mit<br />
Die Sieger-Weine<br />
Riesling:<br />
� 1. 2009er Bensheimer Kalkgasse,<br />
Kabinett trocken vomWeingut der<br />
Stadt Bensheim. Wein mit fein ausgewogenem<br />
und belebendem Fruchtspiel,<br />
filigranes Pfirsich- und Aprikosenbukett,<br />
viel Schmelz, weicher Abgang.<br />
7Euro.<br />
� 2. 2009er Umstädter Steingerück,<br />
Kabinett trocken von der Odenwälder<br />
WinzergenossenschaftVinum<br />
Autmundis in Groß-Umstadt. DuftigesBukett<br />
nach Pfirsich, Zitrusfrüchten<br />
und Ananas. Im Geschmack<br />
fruchtigeSäure, vollmundig, harmonisches<br />
Säure-Süße-Spiel, anhaltender<br />
Abgang. 4,90 Euro.<br />
� 3. 2009er Bensheimer Kirchberg,<br />
Qualitätswein trocken vomWeingut<br />
der Stadt Bensheim. Junger,frischer,<br />
saftiger Riesling mit dezenten Aromen<br />
vonPfirsich und Aprikose bei<br />
angenehm weicher Säure. Literflasche.<br />
5,30 Euro.<br />
Nicht-Riesling:<br />
� 1. 2009er Auerbacher Höllberg,<br />
Rivaner trocken vomWeingut Seitz in<br />
Bensheim. Frischer,unkomplizierter<br />
Weißwein, zartgelbe Farbe mit Aromen<br />
vonZitrone und Apfel. Leichter<br />
Muskatton. 5,70 Euro.<br />
� 2. 2009er Heppenheimer Grauer<br />
Burgunder,Kabinett trocken vom<br />
Weingut Freiberger inHeppenheim.<br />
Frischer Wein mit stark ausgeprägtem<br />
Burgunder-Typ und angenehmer<br />
Fruchtsäure. Markantes Bukett mit<br />
vielfältigen Primäraromen. 4,70 Euro.<br />
� 3. 2009er Grauer Burgunder,Kabinett<br />
trocken vom Weingut GötzingerinBensheim.<br />
Wein, der nach Äpfeln<br />
und Mango duftet. 4,25 Euro.<br />
Rosé:<br />
� 1. 2009er Blanc de Noir vomPinot<br />
Noir vomWeingut Mohr in Bensheim.<br />
Wein mit spritziger Säureaus Spätburgunder-Trauben,<br />
weiß gekeltert.<br />
Duftnach roten Johannesbeeren<br />
und grünen Bananen. Bereits ausgezeichnet<br />
mit der goldenen Preismünze<br />
der Landesweinprämierung 2010.<br />
7,90 Euro.<br />
� 2. 2009er Roßdorfer Roßberg,<br />
Rotling vomWeingut Edling in Roßdorf.<br />
Frischer Wein mit feinfruchtiger<br />
Aromatik und einem saftigen Geschmack.<br />
5,50 Euro.<br />
� 3. 2009er Auerbacher Rott Rotling,<br />
Kabinett trocken vomWeingut<br />
Seitz in Bensheim. Fruchtiger Wein<br />
mit einer frischen Erdbeernote und<br />
einem leichten Honigton. 6Euro.<br />
Knapp am Sieg vorbei: Weitere Weine mit hoher Punktzahlbei der Verkostung<br />
� 2009er Bensheimer Streichling, Riesling Spätlese trocken vomWeingut Volker Dingeldey<br />
in Bensheim. Frischer,spritziger Weißwein, mineralisch und harmonisch, mit einem Duft<br />
von Aprikose und Pfirsich.<br />
� 2008er Granit-Riesling trocken vom Weingut Simon<br />
Bürkle in Zwingenberg. Frischer, lebendiger Wein mit<br />
Pfirsich-Orangenduft, filigrane, mineralische Frucht.<br />
7Euro.<br />
� 2009er Alsbacher Schöntal, Silvaner trocken vomWeingut<br />
Simon Bürkle in Zwingenberg. Wein mit frischem Duft<br />
und neutraler Art. Literflasche, 6Euro.<br />
640 Punkten auch die Nicht-Rieslinge<br />
und Roséweine hinter sich.<br />
Auch die Siegerweine der beiden<br />
anderen Kategorien sind Bensheimer.<br />
Ein Rivaner vom Weingut<br />
Seitz mit Aromen von Zitronen<br />
und Äpfeln überzeugt die Jury in<br />
der Kategorie Nicht-Riesling. Ein<br />
Blanc de Noir, ein aus roten Trauben<br />
gekelterter weißer Wein vom<br />
Weingut Mohr, ist die Nummer<br />
eins bei den Rosé-Weinen.<br />
Karl Eisele ist zufrieden. Der<br />
Riech-Schmeck-Spuck-Experte<br />
konstatiert zu vorgerückter Stunde,<br />
aber vollkommen nüchtern:<br />
„Das ist eine saubere, anständige<br />
Qualität. Es gibt keine Ausreißer<br />
nach unten, wie wir es bei den<br />
Ausländern schon hatten.“ Das<br />
hat auch der Polizeipräsident festgestellt,<br />
der sich irgendwann fürs<br />
Genießen entschieden hat. Für<br />
ihn endet der Abend in ungewohnter<br />
Rolle: als gutgelaunter<br />
Beifahrer.<br />
Anbaugebiet Hessische Bergstraße<br />
Rund 450Hektar Rebfläche umfasst<br />
Deutschlands kleinstes Anbaugebiet,<br />
das eingebettet zwischen<br />
Neckar, Rhein und Main<br />
im Schutz des Odenwaldes liegt.<br />
Schon die Römer, die die „Via<br />
strata montana“ (Bergstraße)<br />
angelegt haben, bauten hier<br />
Wein an. VonKaiser Joseph II<br />
(1741–1790) ist angesichts des<br />
milden Klimas der Ausruf überliefert:<br />
„Hier fängt Deutschland<br />
an, Italien zu werden.“ Das An-<br />
[Hintergrund]<br />
baugebiet ist in die zwei Bereiche<br />
Umstadt (Odenwälder<br />
Weininsel) und Starkenburggegliedert.<br />
Der Riesling nimmt bei<br />
den Weißweinen mit einer Anbaufläche<br />
von 51Prozent Platz<br />
eins ein, mit weitem Abstand gefolgt<br />
vom auch als Grauer Burgunder<br />
bekannten Ruländer mit<br />
9,5 Prozent. Ordentlich zugelegt<br />
haben die Rotweine, deren Flächenanteil<br />
inzwischen bei über<br />
20 Prozent liegt.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 36<br />
Ingo Holland<br />
VON BIRGIT REUTHER<br />
Aromafundus im Kopf<br />
Mehr als Pfeffer und Salz – Im „Alten Gewürzamt“ von Ingo Holland in Klingenberg<br />
wirdkreiert, gemischt, zerstoßen oder gemahlen, wasbei Spitzenköchen in die Töpfe kommt<br />
Klingenberg. „Nun am besten nicht<br />
viel reden: Hier ist die Luft zu<br />
scharf“, grinst der Gewürzexperte<br />
auf dem Weginden kleinen Nebenraum,<br />
in dem gerade fünf Sorten Pfefferkörner<br />
grob gemahlen werden. Na gut, ich stelle<br />
meine Fragen erstmal zurück. Und bin<br />
froh, dass noch eine Ecke weiter gerade<br />
keine Chili-Schoten (botanisch: Beeren)<br />
geröstet werden. Weiter vorn in dem von<br />
außen unscheinbaren Betriebsgebäude<br />
duftet es nach Lavendel, und liegt da<br />
nicht auch eine Spur von Fenchel oder<br />
Anis in der Luft?<br />
In einem ehemaligen Einkaufsmarkt<br />
in Klingenberg amMain –imHintergrund<br />
die Weinberge, gegenüber das<br />
Flussufer –hat Ingo Holland (52), berühmt<br />
geworden als Sternekoch und<br />
nun apostrophiert als Deutschlands<br />
Gewürzmüller Nummer 1, seine Manufaktur<br />
„Altes Gewürzamt“ untergebracht.<br />
Dort, an der Unterlandstraße<br />
50, wird geprüft, gelagert, sortiert,<br />
experimentiert, gemischt, geröstet,<br />
zerstoßen oder gemahlen und letztlich<br />
verpackt, was später bei wohl den meisten<br />
deutschen Spitzenköchen wie auch<br />
bei vielen Freunden guten Essens in die<br />
Töpfe und auf die Teller kommt.<br />
Genuss-Reise um<br />
die ganze Welt<br />
Rund 70 Mischungen entstehen in dem<br />
Städtchen in Unterfranken, von der Idee<br />
bis hin zum küchenfertigen Produkt,<br />
licht- und aromasicher verpackt in grün<br />
beschichteten Stülpdeckeldosen aus<br />
Weißblech, die Wertigkeit transportieren<br />
und einen gewissen Wiedererkennungseffekt<br />
garantieren. Werdie Regale des Ladengeschäfts<br />
in der Klingenberger Altstadt<br />
oder die Seiten des auch online einzusehenden<br />
Kataloges durchstöbert, reist<br />
fast durch die ganze Welt: Die Palette<br />
reicht vonPfeffermischungen und Currys<br />
über Mixturen zum Würzen von Eintöpfen,<br />
Gegrilltem, Braten und Salaten bis<br />
hin zur heißen Schokolade mit Zimtblüten<br />
und Mischungen für feines Gebäck.<br />
Hinzu kommen Einzelgewürze, ungewöhnliche,<br />
raffinierte Salze, Chutneys,<br />
Pasten, Soßen, Essige, Öle, Senfe sowie<br />
eingelegte Früchte und Gemüsesorten.<br />
Am beliebtesten sind die Currys. „Die ernähren<br />
uns“, sagt Holland, der weder<br />
Umsatzzahlen noch Produktionsmengen<br />
nennen möchte. Den Markt erstklassiger<br />
Gewürze und Gewürzmischungen teilt<br />
sich das bewusst als Manufaktur firmie-<br />
Ingo Holland (52) ist gebürtiger Klingenberger<br />
und passionierter Sternekoch.<br />
Seine Künste stellte er unter anderem<br />
in den Hotels „Baur au Lac“ in<br />
Zürich und „Traube Tonbach“ in<br />
Baiersbronn sowie den Restaurants<br />
„Schweizer Stuben“ in Wertheim und<br />
Burg Windeck bei Bühl unter Beweis.<br />
Ende der achtziger Jahre machte sich<br />
Holland in Klingenberg mit seinem<br />
Restaurant „Winzerstübchen“ selbstständig,<br />
Ende der Neunziger eröffnete<br />
er, ebenfalls in diesem Städtchen, das<br />
Restaurant „Zum Alten Rentamt“.<br />
2000 begann der mehrfach ausgezeichnete<br />
Koch –trotz des steigenden<br />
Arbeitseinsatzes in der Gastronomie –<br />
mit dem „Alten Gewürzamt“ eine<br />
zweite Firma aufzubauen. Die zunehmende<br />
zeitliche Belastung führte dazu,<br />
dass Holland 2007 Kochlöffel und<br />
Schürze an den Nagel hängte,umsich<br />
fortan fast ausschließlich seiner zweiten<br />
Leidenschaft, den Gewürzen, widmen<br />
zu können. Der Genussmensch<br />
ist geschieden, hat einen Sohn, hört<br />
gern Musik, liest viel, liebt gute Weine<br />
und Reisen nach Frankreich –doch<br />
„Sport gehört nicht zu meinen Hobbys“.<br />
[Person]<br />
rende Unternehmen mit derzeit 25 Mitarbeitern<br />
mit einer Hand voll weiteren Herstellern<br />
im deutschsprachigen Raum.<br />
Ingo Holland, waschechter Klingenberger,wirkte<br />
seit Mitte der siebziger Jahre<br />
als Koch in international renommierten<br />
Hotels und Restaurants und stand noch<br />
bis August 2007 am Herd des von ihm<br />
selbst geführten Restaurants „Zum Alten<br />
Rentamt“.Seiner Leidenschaft für Gewürze<br />
frönt er seit 1996. Fünf Jahre später<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
gründete der mit der Region verwurzelte<br />
Franke das „Alte Gewürzamt“, ein Wirkungsfeld,<br />
das ihn fortan immer mehr<br />
reizte,forderte und erfreute.Sein Ziel dabei<br />
war und ist: qualitativ erstklassige<br />
Gewürze und Mischungen zu (er)finden<br />
beziehungsweise herzustellen. Der Kochlöffel<br />
blieb dafür öfter hängen. Heute<br />
kocht der Chef eigentlich nur noch zu<br />
Hause und während der von ihm veranstalteten<br />
Kurseund Incentives.<br />
Sich ganz auf das Thema Gewürze zu<br />
konzentrieren, „das habe ich noch keine<br />
Sekunde bereut“, blickt Holland zurück.<br />
Wasihn an diesen Aroma-Wundern aus<br />
Körnern, Samen, Blättern, Wurzeln,<br />
Rinden oder Blüten derart fasziniert,<br />
erklärt Ingo Holland so: „Dass ich<br />
mit einer minimalen Menge einer<br />
Substanz eine große Menge einer Speise<br />
perfekt abrunden kann. Oder dass ich einer<br />
Speise eine neue, ungeahnte Wendung<br />
geben kann.“ Auch wer mal einen<br />
Nelkenbaum gesehen habe oder eine Vanillestange<br />
am Stock, die noch gar nicht<br />
rieche, oder wer etwa den Prozess der<br />
Fermentierung verfolge, der erhalte zumindest<br />
eine Ahnung vomZauber dieser<br />
Naturprodukte: „Gewürze sorgen seit<br />
Jahrtausenden für Wohlbefinden und Genuss.Schon<br />
mit einem richtig guten Salz<br />
kann man ein Essen zum Strahlen bringen.“<br />
Qualität steht<br />
an erster Stelle<br />
Aber, und da lässt der Koch und Genussmensch<br />
keine Kompromisse zu: „An erster<br />
Stelle steht die Qualität. Zudem sollten<br />
Gewürze nur zaghaft verwendet werden;<br />
das Grundprodukt soll im Vordergrund<br />
bleiben, der Kabeljau<br />
zum Beispiel noch zu<br />
schmecken sein.“ Derzeit<br />
jedoch sei<br />
es fast Mode,mit möglichst hohen Dosierungen<br />
zu arbeiten, auch um so Farbe auf<br />
den Teller zu bringen. Dem stellt Holland<br />
–neben seinen langjährigen Erfahrungen<br />
als Sternekoch –eine üppige Portion gesunden<br />
Menschenverstands entgegen:<br />
Weniger ist eben doch meistens mehr.Ein<br />
richtig gutes Brot mit bester Butter und<br />
einem köstlichen Salz, ein Teller Spargel<br />
und Kartoffeln, angerichtet mit selbst aufgeschlagener<br />
Sauce Hollandaise –dieser<br />
Mann braucht „keinen Hummer und<br />
auch keine Gänseleber auf dem Teller“.<br />
Dennoch rät er allen Hobbyköchen,<br />
auch mal was auszuprobieren und,<br />
genauso wichtig, „sich selbst<br />
nicht zu ernst zu nehmen“.<br />
Ingo Holland, der 35<br />
Jahre lang Gourmetklasse<br />
gekocht<br />
hat, zieht es<br />
mittler-
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 37<br />
Unternehmen<br />
Zur „Altes Gewürzamt GmbH Ingo<br />
Holland“, 2001 als Einzelunternehmen<br />
gegründet, gehören die Manufaktur<br />
an der Unterlandstraße 50<br />
und das Ladengeschäft in der Altstadt<br />
von Klingenberg. Die aktuell<br />
25 Mitarbeiter arbeiten hauptsächlich<br />
in Produktion und Verpackung.<br />
Personell will das Unternehmen<br />
nicht wachsen, doch effektiver werden.<br />
„Wir wollen Manufaktur bleiben,<br />
weiterhin selbst mahlen, überschaubar<br />
bleiben und unser Niveau<br />
halten“, so Inhaber und Geschäftsführer<br />
Ingo Holland. Die Kunden –<br />
Gastronomen, Händler und Endverbraucher<br />
–kommen aus dem gesamten<br />
deutschsprachigen Raum,<br />
vor allem aus Deutschland und der<br />
Region. Der Vertrieb erfolgt über das<br />
Ladengeschäft und den Webshop<br />
des Unternehmens, über Einzelhändler<br />
sowie Online Shops etwa<br />
vonFeinkosthändlern.<br />
[Infobox]<br />
weile zu den eher einfachen Gerichten<br />
einer bodenständigen Küche.<br />
„Wir haben große Vielfalt in<br />
Deutschland, wenngleich die<br />
kaum kultiviert wird. Doch sollten<br />
wir uns dann auch die Arbeit<br />
machen, den Knödelteig selbst<br />
herzustellen, den Rotkohl frisch<br />
aufzuschneiden und den Sauerbraten<br />
selbst einzulegen“, nennt<br />
der Mainfranke ein Beispiel.<br />
Blickt er im Einkaufsmarkt in die<br />
Karren anderer Kunden, packt ihn<br />
mitunter das kalte Grausen. Etwa<br />
bei Kartoffelbrei aus der Packung,<br />
zum Anrühren: „Völlig denaturiert,<br />
das schmeckt doch furchtbar!“<br />
Auch in seinen Kochkursen<br />
und Gewürzseminaren sagt Holland<br />
entwaffnend ehrlich und direkt,<br />
was er denkt. Als Dogma<br />
möchte er seine Meinung nicht<br />
verstanden wissen. „Denn wir<br />
wissen, dass in Europa gerade mal<br />
zwei bis vier Prozent der Menschen<br />
wirklich einen Bezug haben<br />
zu gutem Essen.“<br />
Ihnen und potenziell neuen<br />
Freunden kulinarischen Könnens<br />
möchte die Klingenberger Gewürz-Manufaktur<br />
beste Qualität<br />
bieten: Eingelagert, verarbeitet<br />
und veredelt wirdnur,was die geforderten<br />
Zertifizierungen und<br />
Analysen sowie die optischen und<br />
geschmacklichen Tests der eigens<br />
eingestellten Ernährungswissenschaftlerin<br />
bestanden hat. Bio-<br />
Produkte finden sich ebenfalls in<br />
den Regalen. Die verwendeten<br />
Einzelgewürze kommen hauptsächlich<br />
aus Indien und Indonesien,<br />
aber auch aus Afrika, Mittelamerikaund<br />
Australien. Seit einiger<br />
Zeit greift Holland zudem verstärkt<br />
auf Erzeugnisse aus<br />
Deutschland und –„noch lieber“<br />
–aus der Region zurück: „Wir haben<br />
da einen sensationellen Koriander<br />
aus Franken. Warum also<br />
sollte ich den aus Indien beziehen?“<br />
Und statt auf Himalaya-Salz<br />
schwört die Manufaktur auf Bergkernsalz<br />
aus Österreich. Meerrettich,<br />
Senfe,Öle –auch da könnten<br />
Deutschland und seine Nachbarländer<br />
sicher noch einiges bieten,<br />
meint Holland.<br />
Baharat, QuatreEpices<br />
oder Curry Anapurna<br />
Frische ist unabdingbar, daAnis,<br />
Vanille, Piment, Muskatblüte,<br />
Kardamom, Wacholderbeeren,<br />
Pfefferkörner, Koriander, Kurkuma<br />
oder Kreuzkümmel nur begrenzte<br />
Zeit eingelagert werden<br />
können. Wasebenso für die am<br />
Untermain kreierten Mischungen<br />
mit ihren verheißungsvollen Namen<br />
gilt: für Baharat (typisch für<br />
die Golfregion; vielseitig einsetzbar),<br />
Quatre Epices (Frankreich;<br />
für Terrinen, Eintöpfe, Weihnachtsgebäck),<br />
Curry Anapurna<br />
(Nepal; für Currysoßen, Geflügel,<br />
Lamm), Garam Masala<br />
(Nordindien; Eintöpfe, Geflügel,<br />
Fisch) oder Melange Noir (Pfeffermischung;<br />
vielseitig einsetzbar).<br />
Erst wird gemischt, dann<br />
gemahlen. „Diese Reihenfolge<br />
kommt dem Aroma zugute“,<br />
weiß der Chef. Geröstet werden<br />
nur manche Erzeugnisse. Farbund<br />
Aromastoffe kommen<br />
grundsätzlich nicht in die Dose,<br />
und Salz wird nur wenigen und<br />
dann entsprechend deklarierten<br />
Mischungen beigefügt.<br />
Fünfzehn Prozent des Umsatzes<br />
macht die Manufaktur mit ihrem<br />
Ladengeschäft in der Altstadt.<br />
„Das hat sich zu einer Art<br />
Pilgerstätte entwickelt, die Kunden<br />
reisen sogar aus mehr als 200<br />
Kilometer Entfernung an“, freut<br />
sich Ingo Holland. Der Großteil<br />
des Vertriebs erfolgt über Einzelhandelsgeschäfte<br />
in Deutschland,<br />
Österreich, der Schweiz, Frankreich<br />
und Liechtenstein, vom Gewürz-,<br />
Feinkost- oder Bioladen<br />
über den Buch- oder Weinhandel<br />
bis hin zum Küchenstudio. Zudem<br />
sind die „Gewürzamt“-Erzeugnisse<br />
über den Webshop des<br />
Unternehmens wie auch über Online-Shops<br />
etwa von Feinkostanbietern<br />
zu beziehen.<br />
Erfahrung als Koch und<br />
Freude am Experiment<br />
Woher Holland seine Inspirationen<br />
für neue Mischungen nimmt?<br />
Aus seinem in Jahrzehnten gesammelten<br />
Wissen als Koch, dem<br />
seitdem angehäuften „Aromafundus<br />
im Kopf“, ebenso aus Freude<br />
am Experimentieren. „Ich weiß,<br />
welche Wirkung, welchen Duft<br />
und Geschmack ich womit erzielen<br />
kann. Der Rest ist Intuition,<br />
Probieren, Verbessern.“ Ebenso<br />
reagiert das Unternehmen auf<br />
Kundenanfragen oder Wünsche<br />
von Auftraggebern. Für einen<br />
französischen Autohersteller zum<br />
Beispiel kreierte das Team vom<br />
Untermain die Mischung „Lion<br />
Poivré“, in der sich Tellicherry-<br />
Pfeffer, langer Pfeffer, Paradieskörner,Piment<br />
und Knoblauch zu<br />
einem Wohlklang in Duft und Geschmack<br />
vereinen. Anregungen<br />
zuhauf bietet zudem der Blick in<br />
die Kochbücher fremder Länder<br />
oder vergangener Zeiten, und mit<br />
dem japanischen Koch Joji Hachimure<br />
steht dem Gewürzexperten<br />
seit vier Jahren auch ein Ideengeber<br />
und Mitentscheider zur Seite.<br />
Die Zeitspanne, nach der eine<br />
neue Mischung küchenfertig entwickelt<br />
und ausgereift ist, dauert<br />
„zwischen 20 Minuten und einem<br />
halben Jahr“. Die Idee zu einer<br />
Neukreation indes kann auch mal<br />
Jahrezurück liegen, bevorsie Gestalt<br />
und Duft annimmt.<br />
Obwohl Ingo Holland „nicht<br />
auch noch am Abend übers Kochen<br />
und Würzen sprechen muss“<br />
und sein Gesicht „nicht überall sehen<br />
will“, ist offensichtlich: Der<br />
Gewürzmüller vom Untermain<br />
liebt seine Arbeit, freut sich, seine<br />
Nase stets weiter zu schulen. Auch<br />
wenn er –wie derzeit wegen seiner<br />
Seminare, Kochkurse und Gewürzreisen<br />
–volles Programm und keinen<br />
freien Samstag hat. Danach<br />
will er sich wieder jenen Freiraum<br />
für Kreativität schaffen, ohne den<br />
es in diesem Metier ganz und gar<br />
nicht geht. Um die Zukunft der Manufaktur<br />
muss sich der Chef wahrscheinlich<br />
nicht allzu sehr sorgen:<br />
Sohn Kilian (20) bringt als Rüstzeug<br />
eine Ausbildung in der Gastronomie<br />
mit (wenn auch nicht als<br />
Koch). Er soll die Firma einmal<br />
übernehmen. Senior Holland will<br />
ihm dann so lang wie nötig zur<br />
Seite stehen –„als väterlicher Berater“.<br />
Geschäftspartner auf einen Blick<br />
VomZustand höchster Glückseligkeit<br />
„Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr!“<br />
sagt Arthur Schopenhauer und meint damit, dass man schlafend Energie tankt,<br />
leere Speicher auffüllt und Kraft schöpft für den Tag.<br />
Guter Schlaf kann aber noch mehr bedeuten: Tiefsten Frieden, paradiesische<br />
Ruhe,absolute Entspannung.Also beinahe so etwas wie den Zustand höchster<br />
Glückseligkeit –das Nirwana.<br />
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 38<br />
Auf Probefahrt<br />
MIT JÖRG RIEBARTSCH<br />
Reiseins Hybridzeitalter<br />
Lexus RX 450h – Wie man 2,2 Tonnen mit Elektromotoren bewegt –Vollhybrid im Premiumsegment<br />
Leasingbeispiel<br />
AufProbefahrt–JörgRiebartsch,<br />
Chefredakteur von Wirtschafts-<br />
ECHO und ECHO-Zeitungen, ist<br />
im Jahr 30 000 Kilometer mit<br />
dem Auto unterwegs. In dieser<br />
Rubrik bewegt er als potenzieller<br />
Geschäftswagenkunde über einige<br />
Tage ein Vorführfahrzeug und<br />
schildertpersönliche Eindrücke.<br />
Ich muss mir irgendetwas<br />
überlegen, wie ich das Geräusch<br />
nenne, das der Lexus<br />
macht, wenn man ihn an der Ampel<br />
abbremst. Er hat dann seinen<br />
Benzinmotor längst schon wieder<br />
abgestellt, rollt energie-aufnehmend<br />
aus.Vielleicht wie die Elektrische,die<br />
Straßenbahn. Der Vergleich<br />
mit elektrischem Schienenverkehr<br />
wäre gar nicht so abwegig.<br />
Denn der Lexus RX450h, ein<br />
SUV, der als Vollhybrid auch kurze<br />
Strecken oder im Rückwärtsgang<br />
rein mit selbst erzeugtem<br />
Strom fahren kann, klingt dann<br />
ähnlich wie die Tram; nur viel,<br />
viel leiser.<br />
Seit etlichen Jahren schon feilt<br />
der japanische Automobilhersteller<br />
Toyota auch bei seinem Luxus-<br />
Ableger Lexus an der Weiterentwicklung<br />
seiner Vorstellung von<br />
einem zeitgemäßen Antrieb: Benzinmotor<br />
gekoppelt mit Elektromotor.<br />
Das verbindet die Laufruhe<br />
eines Benzinmotors mit dem<br />
kaum wahrnehmbaren Geräusch<br />
eines Strommotors, der zudem<br />
Preisbeispiel für einen Lexus RX 450h Hybrid<br />
Drive Automatik ExecutiveLine.<br />
Nettopreise (unverhandelt), ausgearbeitet<br />
vonEmek Erdogan, Verkaufsleitung Lexus-Forum<br />
Darmstadt.<br />
Leasingdauer: 36 Monate.<br />
Laufleistung: 15 000 km im Jahr.<br />
Rate pro Monat: 799,- Euro<br />
Ausstattung (Auswahl): Elektronisch geregelter<br />
Allradantrieb, stufenloses Automatikgetriebe,<br />
Festplatten-Navigation mit Rückfahrkamera,<br />
Premium-Audiosystem, Heckklappe elektrisch<br />
schließend und öffnend, LED-Scheinwerfer.<br />
MEHR BILDER VOM<br />
LEXUS RX 450H<br />
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den Vorteil hat, über unerreichte<br />
Drehmomente zu verfügen. Bei<br />
Lexus wird die Energie für die<br />
Strommotoren immer selbst<br />
durch das Fahrzeug erzeugt. Ein<br />
Anschluss an eine externe Stromversorgung,<br />
um die Batterie aufzuladen,<br />
ist nicht möglich und<br />
nicht notwendig (hierzu auch die<br />
vertiefenden Erläuterungen in der<br />
Infobox).<br />
SUV prädestiniert für<br />
das Hybrid-Konzept<br />
Der RX 450h ist ein sogenannter<br />
SUV, also eine Art höher gelegter<br />
Kombi mit Allradantrieb. Für die<br />
Verwirklichung des Konzepts des<br />
Vollhybrids ist ein SUV geradezu<br />
prädestiniert, denn er bietet im<br />
Wagenboden viel Raum für die<br />
notwendigen Komponenten des<br />
Hybridsystems ohne den Platz für<br />
die Insassen oder das Gepäck in<br />
irgendeiner Form einzuschränken.<br />
So bietet dieser Lexus viel<br />
Platz innen und hat dennoch eine<br />
gefällige Form. Die Verarbeitung<br />
und die verwendeten Materialien<br />
entsprechen dem hohen Niveau,<br />
das man von Lexus gewohnt ist.<br />
Das Armaturenbrett ist aufgeräumt<br />
und übersichtlich. Um<br />
Platz für ein zentrales Bedieninstrument<br />
zu schaffen, wanderte<br />
der Hebel für das stufenlose Automatikgetriebe<br />
nicht an die Lenksäule,<br />
sondern steht beinahe<br />
senkrecht am Fuße des Armaturenbretts.Das<br />
macht den Wegfrei<br />
für ein Bedienelement auf der Mittelkonsole,<br />
das Lexus „Remote<br />
Touch“ nennt. Ich nenne es „die<br />
Maus“.Die Maus ist etwas kleiner<br />
als ein Handteller und lässt sich<br />
wie am Computer hin- und herschieben.<br />
Damit bewegt man ein<br />
frei wählbares Symbol auf dem<br />
Navigationsbildschirm, mit dem<br />
man alle Funktionen des Autos<br />
steuern kann. Als gewissermaßen<br />
linke oder rechte Maustaste fungiert<br />
ein größerer Schalter, den<br />
man, während die Fingerspitzen<br />
auf der Maus ruhen, bequem beispielsweise<br />
mit dem Daumen drücken<br />
kann. Pfiffig gemacht.<br />
Große Augen werden neue Lexusfahrer<br />
auch machen, wenn sie<br />
der Instrumente angesichtig werden.<br />
Drehzahlmesser? Gibts<br />
nicht. Dafür findet sich neben<br />
dem Tacho eine kreisrunde Energie-Anzeige,<br />
die zeigt, ob der Lexus<br />
seine Batterie aus zurückgewonnener<br />
Energie lädt, Benzinund<br />
Elektromotor gleichzeitig benutzt<br />
oder zum Abrufen vonLeistungsspitzen<br />
die volle Power des<br />
Sechszylinder-Benzinmotors abruft.<br />
Insgesamt bietet der Lexus<br />
eine Systemleistung von 299 PS.<br />
Damit kann man schön ordentlich<br />
davon brausen. Die Spitzengeschwindigkeit<br />
wird mit 200 Stundenkilometer<br />
angegeben. Rein<br />
elektrisch schafft der Lexus Orts-<br />
tempo auf ebener oder abschüssiger<br />
Strecke. Mit sanftem Gasfuß<br />
gelang es mir manchmal, den halben<br />
Stromer nach dem Tacho mit<br />
50 Sachen ohne Benzinantrieb<br />
fortzubewegen.<br />
Verbrauch auf dem<br />
Niveau günstiger Diesel<br />
Und der Benzinverbrauch? Da<br />
darf man keine Wunderdinge erwarten,<br />
denn der RX wiegt ja leer<br />
allein etwa 2,2 Tonnen. Nun, der<br />
Verkaufsprospekt verspricht jedenfalls<br />
einen Mixverbrauch von<br />
6,3-Litern. Was selbst im Vergleich<br />
zu Diesel-SUVs dieser<br />
Gewichtsklasse eine<br />
Sensation wäre.<br />
Während meinerProbefahrt<br />
mit einempolarblauenVorführwagen,<br />
für den mir<br />
GeschäftsführerMichaelSchneider<br />
vom Lexus-<br />
Forum Darmstadt<br />
den Schlüssel<br />
in die Tasche gesteckt<br />
hatte, kann ich diesen<br />
Durchschnitt nicht vermelden.<br />
Aber deutlich unter zehn Litern<br />
lag der Verbrauch schon. Wohl gemerkt,<br />
das Auto wiegt 2,2 Tonnen.<br />
PuresUnderstatement<br />
Interview –Emek Erdogan über den Vollhybrid-SUV<br />
des japanischen Premium-Herstellersund das grüne Gewissen seiner Kunden<br />
Emek Erdogan, 29, ist seit 2006 Verkaufsleiter<br />
im Lexus-Forum, Auto<br />
Schneider GmbH, in Darmstadt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Herr Erdogan,<br />
der RX 450h ist das beliebteste Modell<br />
von Lexus hier in Deutschland. Wie<br />
ist das zu erklären?<br />
EMEK ERDOGAN: Wenn man sich<br />
heute auf die Suche nach einem gesellschaftlich<br />
vertretbaren SUV macht, der<br />
die komfortablen Vorzüge hat wie erhöhte<br />
Sitzposition, übersichtlicheres<br />
Fahren, und das mit 299 PS Gesamtsystemleistung,<br />
also Sportwagen-Niveau,<br />
dem Verbrauch einer Mittelklasse-Limousine<br />
und dem CO ²-Ausstoß eines<br />
Kleinwagens, dann kommt man am<br />
RX450h einfach nicht vorbei.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ist das alles,<br />
wasfür den Lexus spricht?<br />
ERDOGAN: Nein, keineswegs. Denn<br />
hinzu kommen ja noch innovative<br />
Ausstattungsideen wie LED-Scheinwerfer,<br />
Rundumblick mit Kameras,<br />
Elektromotoren, mit denen man rein<br />
elektrisch fahren kann und nicht<br />
schleichen und zudem bietet Lexus<br />
noch einen Preis,der 15 bis 20 Prozent<br />
unter den vergleichbaren deutschen<br />
Premium-Herstellern liegt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ist der Lexus-<br />
Hybrid nicht auch Vorbild für andere<br />
Hersteller geworden?<br />
ERDOGAN: In der Tatist er das. Die<br />
Beliebtheit unseres RX 450h ist auch<br />
unseren Marktbegleitern nicht entgangen<br />
und diese sind jetzt selbst dabei,<br />
Hybrid-Fahrzeuge auf den Markt<br />
zu bringen. Deren Elektromotoren<br />
bringen zwar keine Leistung von<br />
mehr als 150 Kilowatt, aber es ist<br />
wichtig, dass hier überhaupt die Notwendigkeit<br />
erkannt wurde.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie sieht<br />
denn bei Ihnen die Zielgruppe für einen<br />
RX 450haus?<br />
ERDOGAN: Ich liebe diese Frage,denn<br />
es gibt keine Zielgruppe, die für oder<br />
gegen das Fahrzeug spricht. Unsere<br />
Kunden sind Menschen mit einem grü-<br />
Dafür ist man übrigens ausgesprochen<br />
behände unterwegs. Zu<br />
der bei SUV üblichen erhöhten<br />
Sitzposition, die ein souveränes<br />
Fahren fördert, kommt beim Lexus-Vollhybrid<br />
die enorme Laufruhe<br />
hinzu, die natürlich kein Diesel<br />
bieten kann. Da wirdplötzlich<br />
allein der Wind bei hohen Geschwindigkeiten<br />
zur lauten Angelegenheit.<br />
Vielleicht tatsächlich<br />
die Antwort auf die Frage nach<br />
dem Antrieb für die automobile<br />
Fortbewegung der Zukunft –die<br />
Reise im Hybridzeitalter.<br />
Emek Erdogan<br />
nen Gewissen. Es sind Menschen, die<br />
großen Wert auf ihre Umwelt legen<br />
und auf das, was sie hinterlassen.<br />
Selbstverständlich kommen hier auch<br />
die sportlichen Fahrer nicht zu kurz,<br />
denn das Drehmoment eines Elektromotors<br />
kann kein Diesel liefern. Der<br />
Lexus-Kunde möchte auch nicht mit<br />
einer protzigen CO 2-Schleuder auffallen,<br />
sondern schätzt das Understate-<br />
Technisch hohes Niveau<br />
demonstriertder Lexus RX 450h, dessen Preise<br />
netto bei knapp oberhalb von 50000 Eurobeginnen.<br />
Das „h“ steht dabei für den Hybrid-Antrieb.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Vollhybrid –<br />
so funktioniert es<br />
Der Lexus RX450h verfügt über insgesamt drei<br />
Motoren: ein Sechszylinder-Benzinaggregat mit<br />
immerhin 3,5 Litern Hubraum und zwei Elektromotoren.<br />
Der sogenannte Drehstromsynchronmotor<br />
vorn leistet 167 PS, der Motor an der<br />
Hinterachse 68 PS. Zusammen mit dem Benzinmotor<br />
kommt der Lexus-SUV deshalb auf 299<br />
PS.<br />
Gespeist werden die beiden Elektromotoren<br />
von einer Nickel-Metallhydrid-Batterie. Diese<br />
wirdimmer dann über einen Generator aufgeladen,<br />
wenn der Benzinmotor läuft oder wenn<br />
Energie aus dem Fahrzeug zurückgewonnen<br />
wird. Dazu genügt es schon, den Fuß vom Gas<br />
zu nehmen. Noch mehr Energie,die vomGenerator<br />
in Form von Strom für die Batterie zur<br />
Verfügung gestellt wird, entsteht beim Bremsen.<br />
Wenn ausreichend Ladekapazität in der Batterie<br />
besteht, können die Elektromotoren laufen.<br />
Der Elektromotor für die Front bewegt bis zu<br />
einer Geschwindigkeit von etwa 45Stundenkilometer<br />
das Auto auch ausschließlich mit Strom.<br />
Dazu muss man allerdings den Gasfuß behutsam<br />
einsetzen. Sobald es über dieses Tempo<br />
oder leicht bergauf geht, schaltet sich der Benzinmotor<br />
dazu. Bei starker Beschleunigung unterstützt<br />
der Elektromotor den Benzinmotor<br />
und auf den ersten Metern hängt der Lexus jeden<br />
Sportwagen nach einem Ampelstopp ab.<br />
Die Hinterachse für das Rückwärtsfahren<br />
wirdausschließlich durch den Elektromotor angetrieben.<br />
Steht nicht genügend Kapazität in der<br />
Batterie zur Verfügung, schaltet sich der Benzinmotor<br />
ein, um genügend Strom zu erzeugen,<br />
damit der Lexus rückwärts fahren kann.<br />
Das Zu- oder Abschalten des Benzinmotors<br />
ist kaum spürbar. Wenn der Energiemonitor im<br />
Bildschirm des Navigationsgerätes angewählt<br />
ist, lässt sich das dort anschauen.<br />
[Infobox]<br />
ment der Markeund das geräuschlose<br />
Dahingleiten.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Lexus lanciert<br />
im kommenden Jahr ein neues Hybridmodell<br />
auf dem Markt, den CT 200h.<br />
Wasversprechen Sie sich davon?<br />
ERDOGAN: Wir versprechen uns einen<br />
größeren Marktanteil. Der Vollhybrid<br />
CT 200h ist für uns eine neues<br />
Kapitel der Luxusfahrzeuge,wie auch<br />
für die gesamte Automobilbranche.Es<br />
ist uns gelungen durch die Erschließung<br />
des Segments der Kompaktklasse<br />
neue Kunden für unsere Marke zu<br />
begeistern. Durch steigende Verkaufszahlen<br />
werden wir in Deutschland<br />
zwar sicherlich kein Insider-Tipp<br />
mehr sein, sondern ein Hersteller der<br />
auch im deutschen Markt seinen sicheren<br />
Platz im Premium Segment<br />
verdient hat und nicht mehr weg zu<br />
denken ist.<br />
Das Gespräch führte<br />
Jörg Riebartsch
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 39<br />
DasHotel der tausend i-Tüpfelchen<br />
Info<br />
www.budersand.de<br />
In den Sommermonaten<br />
bietet die Fluggesellschaft<br />
Air Berlin Direktflüge von<br />
Frankfurt nach Westerland<br />
an, www.airberlin.com.<br />
Luxusurlaub –<br />
Ein Jahr Sternehotel Budersand –<br />
Die Investition der Darmstädter<br />
Unternehmerfamilie Ebert<br />
hat den Süden von Sylt verändert<br />
VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />
Klar steht eine dieser<br />
schwarzen bayerischen<br />
Limousinen am Bahnhof<br />
Westerland für Sie bereit oder am<br />
kleinen Flughafenterminal, je<br />
nachdem wo Sie ankommen. Und<br />
natürlich kennt der Fahrer schon<br />
Ihren Namen, genau wie alle anderen<br />
Mitarbeiter, die Sie gleich<br />
im Hotel Budersand am Südzipfel<br />
vonSylt begrüßen werden. So gehört<br />
es zum guten Ton, am Zenit<br />
der Hotellerie.<br />
Tagezeitung und Mineralwasser<br />
klemmen in den weit entfernten<br />
Ledersitzen vor Ihnen, aber<br />
Sie werden die zwölf Minuten<br />
doch lieber rausgucken: Es geht<br />
vorbei an Rantum und an Reet gedeckten<br />
Häusern. Vorbei an wehendem<br />
Gras auf nahen Dünen<br />
und an der Sansibar. Richtig, das<br />
ist die wohl erfolgreichste deutsche<br />
Bretterbude direkt am<br />
Strand, ein brummendes Restaurant<br />
mit Lifestylemarkeund allerhöchstem<br />
Kultstatus.Für die Schickeria<br />
war hier lange Zeit Sylt<br />
schon zu Ende. Das Dörfchen<br />
Hörnum am<br />
Südzipfel lag<br />
bis vor fünf<br />
Jahren noch<br />
hinter den<br />
Schuppen der<br />
verlassenen<br />
Pidder-Lüng-<br />
Kaserne versteckt.<br />
Für<br />
Touristen bot<br />
sich ein bedrückendes<br />
Entree. In<br />
Hörnum lebten<br />
vor allem<br />
Insulaner. EinigeBesucher<br />
nutzten<br />
den Hafen für<br />
Ausflüge auf<br />
die Nachbarinsel<br />
Amrum,<br />
andere verfütterten<br />
Fisch an die zutrauliche<br />
Kegelrobbe Willi, die hier im Hafen<br />
noch immer täglich Dauergast<br />
ist. Und der Nehrungshaken am<br />
Südzipfel lockte Naturliebhaber<br />
zum Spaziergang.<br />
Bei Wind und Wetter<br />
wirdhier gegolft<br />
Die Kaserne ist verschwunden,<br />
die Landschaft renaturiert. Bei<br />
Wind und Wetter ziehen jetzt Golfer<br />
mit ihren Caddies über einen<br />
18-Loch-Golfplatz. Ein „Links-<br />
Course“ –sonennen die Spieler<br />
besonders naturnahe Plätze mit<br />
Heidekraut und wehendem Dünengras,<br />
gebaut nach schottischem<br />
Vorbild. Das Golfmagazin<br />
hat ihn 2009 als besten neuen<br />
Golfplatz Deutschlands ausgezeichnet.<br />
Golfmanager Harald<br />
Holle ist stolz, fährt nur noch mit<br />
einem 007-Anstecker am Revers<br />
über den Platz. Im Rücken des<br />
Areals thront schon immer die<br />
Düne Budersand, ein Naturschutzgebiet<br />
und direkt am Hafen<br />
hat nun seit einem Jahr das Golfund<br />
Wellness-Hotel Budersand<br />
eröffnet.<br />
Moderne Architektur, puristische<br />
Quader,die silbrig-graue Zedernholzverkleidung<br />
passt zu den<br />
Dünen und bietet den 79 herrschaftlichen<br />
Zimmern Blickschutz.<br />
Der imposante Bau hat<br />
sich herumgesprochen auf der Insel,<br />
er wird selbst zum Ausflugsziel<br />
für Neugierige. Sie sind willkommen,<br />
am liebsten nach telefonischer<br />
Anmeldung, sagt Hotelmanagerin<br />
Sandra Jacobs. Denn<br />
manchmal platzten so viele herein,<br />
dass Budersand ein echtes<br />
Gafferproblem bekomme. Aufgeblasene<br />
Charaktereseien auch darunter,<br />
die glaubten, dass ihnen<br />
die Welt gehöre. „Wann wirddenn<br />
das Gerüst abgebaut“, hört man<br />
Nostalgiker fragen, die sich nach<br />
Reetdächern und Seemannsromantik<br />
sehnen und über die Holzlamellen<br />
spötteln möchten.<br />
Dezente,persönliche<br />
Spuren sind prägend<br />
Budersand ist ein Gegenpol.<br />
Darmstädter haben hier investiert.<br />
Und wer genau hinschaut,<br />
könnte erkennen, dass Claudia<br />
Ebert (57) und ihr Sohn Simon<br />
(32) in dieses Hotel mehr hineingesteckt<br />
haben als die 50 Millionen<br />
Euro Baukosten, die bei dem<br />
Projekt Budersand im Gespräch<br />
sind. Die persönlichen Spuren der<br />
Investoren sind dezent und prägen<br />
doch das Image des Hauses:<br />
Nobel, doch nicht dekadent, modern<br />
und schlicht, zuvorkommend<br />
und nie aufdringlich, weltoffen<br />
und unbedingt heimatverbunden,<br />
großzügig und doch detailverliebt<br />
–das ist Budersand.<br />
Nicht jeder mag bei dieser sensiblen<br />
Mischung aus Nuancen auf<br />
gleicher Wellenlänge liegen. Darum<br />
hat das junge Hotel mit Sandra<br />
Jacobs (39) schon den zweiten<br />
Hotelmanager, und gerade hat<br />
Sternekoch Jens Rittmeyer (35)<br />
die Küche von Burkhard Lindlar<br />
übernommen. Claudia Ebert zählt<br />
auf ihr junges, neues Team. Mehr<br />
regionale Küche soll es mit Rittmeyer<br />
geben, im Hotelrestaurant<br />
„Kai 3“ und draußen auf der Veranda,<br />
direkt am Wattenmeer mit<br />
Blick auf den Leuchtturm.<br />
Die Eberts haben ihre Architekten<br />
eng begleitet, im Großen<br />
wie im Kleinen Akzente gesetzt.<br />
Der riesige Akazientisch in der Vinothek<br />
ist ein Mitbringsel vonden<br />
Philippinen, die filigranen Lampen<br />
darüber haben sie in Murano<br />
entdeckt. Die Krebsskulpturen<br />
wurden auf einem Pariser Flohmarkt<br />
ausgegraben. Viele der Gemälde<br />
stammen aus ihrer privaten<br />
Kunstsammlung. Und manche<br />
der Schwarz-Weiß-Fotografien,<br />
die in den weiten Gängen wie zufällige<br />
Relikte aus alten Syltzeiten<br />
wirken, sind in Wahrheit Familienbilder<br />
aus den Kindheitstagen<br />
vonClaudia Ebert. Sie stammt aus<br />
der Unternehmerfamilie Ströher,<br />
hat schon als Kind stets die Ferien<br />
auf der Insel verbracht. Ihr Urgroßvater<br />
gründete den Haarpflege-<br />
und Kosmetikkonzern Wella.<br />
Über zwei Jahrzehnte hat die Diplomkauffrau<br />
die Geschicke des<br />
Konzerns am Darmstädter<br />
Stammsitz mit gelenkt. Dass Wella<br />
im Jahr 2004 für mehrereMilliarden<br />
an Procter &Gamble wechselte,<br />
sei eine Mehrheitsentscheidung<br />
der Eigentümer gewesen,<br />
aber nicht die ihre, betont Claudia<br />
Ebert, wenn man sie fragt. Mit<br />
Wella ging ein Stück Identität ver-<br />
Die Investoren Claudia und Simon Ebert.<br />
Golfmanager<br />
Harald Holle.<br />
FOTOS: BUDERSAND<br />
loren. Das schmerze sie genauso<br />
wie der Abbau von Arbeitsplätzen,<br />
der dem Verkauf in Darmstadt<br />
folgte, sagt Ebert.<br />
Doch dieses Buch scheint zugeklappt.<br />
1200 neue stehen heute<br />
in der gemütlichen Bibliothek des<br />
Hotels, Schriftstellerin Elke Heidenreich<br />
hat sie exklusiv ausgewählt:<br />
Bestseller, Klassiker und<br />
jüngste Empfehlungen. „Wir bestellen<br />
Ihnen die Lektüregerne zu<br />
Ihnen nach Hause“, hat Ebert in<br />
das Leihverzeichnis geschrieben<br />
–sie bittet um Anstand, ist erschüttert,<br />
dass immer wieder Bücher<br />
abhanden kommen.<br />
Je nach Saison variieren die<br />
Preise für ein Doppelzimmer zwischen<br />
250 und 300 Euro pro<br />
Nacht, die 65- Quadratmeter- Sui-<br />
te mit großer<br />
Terrasse kostet<br />
1100 bis 1200<br />
Euro. Hunde<br />
müssen draußen<br />
bleiben,<br />
vor allem der<br />
naturbelassenenTeppichfasern<br />
wegen,<br />
und Raucher<br />
müssen draußen<br />
rauchen.<br />
Buchen kann<br />
man ausschließlich<br />
nach persönlichem<br />
Kontakt,<br />
telefonisch, so<br />
will es die ManagerinJacobs.<br />
Wer die<br />
Anfrage im Internet<br />
ausfüllt,<br />
wird zurückgerufen. Für Jacobs<br />
nur ein Signal vonExklusivität. In<br />
den Zimmern folgt die Fortsetzung:<br />
In vielen reicht der Blick<br />
aufs Wasser, bis zum endlosen<br />
Horizont – andernfalls auf den<br />
Golfplatz. Meeresrauschen und<br />
Möwenschreie inklusive. Perlino<br />
Bianco-Marmor ziert die Bäder.<br />
Auf Knopfdruck kommt der Radio-<br />
oder Fernsehton vom Flachbildschirm<br />
mit in die Badewanne.<br />
Raffiniert: Durch eine verdunkelbare<br />
Scheibe kann man in den<br />
Südzimmern aus der Wanne über<br />
das Bett und den Balkon hinweg<br />
aufs Meer und den Hafen blicken.<br />
Architektur und Ambiente, die<br />
Wertigkeit der Einrichtung und<br />
die Verarbeitung begeistern, man<br />
scheint angekommen im Hotel<br />
der tausend I-Tüpfelchen. Großzügigkeit<br />
unterstützt die Ruhe im<br />
SPA, allein der Ausblick aus der<br />
Sauna direkt aufs Meer wäre hier<br />
noch schöner gewesen. Wohlig<br />
eingehüllt auf den Liegen im Ruheraum,<br />
stochernd im frischen<br />
Obstsalat, liegt einem das Watt<br />
wieder direkt vorAugen.<br />
Claudia und Simon Ebert<br />
oft selbst vor Ort<br />
Claudia und Simon Ebert sind oft<br />
selbst greifbar im Hotel. „Die Motivation<br />
meiner Budersandfamilie<br />
liegt mir am Herzen“, sagt die Eigentümerin.<br />
Ja, sie kenne fast alle<br />
Mitarbeiter beim Namen. Im<br />
Stockwerk über dem Restaurant<br />
Strönholt, auf dem Hügel über<br />
dem Hotel gelegen, in einer restaurierten<br />
Kommandozentrale<br />
aus Kasernenzeiten, hat die Chefin<br />
ein Penthouse eingerichtet.<br />
Ein erhabener Platz. Der freie<br />
Blick reicht im Westen auf die<br />
Nordsee, imOsten auf das Watt.<br />
Hier kann sie ganz nah dran sein<br />
am Geschehen. Als Kulturliebhaberin<br />
hat sie eine klassische Konzertreihe<br />
ins Leben gerufen, die<br />
auch in der Nebensaison zusätzlich<br />
Gäste begeistern soll. Sohn<br />
Simon kümmert sich um den Golf-<br />
platz und um frische Kooperationen:<br />
Viele Markenhersteller, von<br />
Luxuslimousinen bis zum Kugelschreiber,<br />
glauben plötzlich zu<br />
Budersand zu passen, verrät Managerin<br />
Jacobs. Jüngste Idee von<br />
Simon Ebert ist folgendes Arrangement:<br />
Fünf Nächte in Budersand,<br />
leckeres Gänge-Menü,<br />
Sportmassage und eben mal mit<br />
dem Privatjet zum Golfen nach<br />
Inverness in Schottland und zurück,<br />
ab 3385 Euro pro Person.<br />
Rund 13 000 Übernachtungen<br />
zählt Jacobs seit der Eröffnung,<br />
die durchschnittliche Belegung<br />
sind 57,3 Prozent, stärkster Monat<br />
war der August 2009. Eberts<br />
sind mit ihrem Hotelstart zufrieden.<br />
Beide wohnen in Darmstadt<br />
und auf Sylt. In der Darmstädter<br />
Holzhofallee sitzt ihreSüdern Verwaltungs<br />
GmbH, die das Hotel<br />
Budersand und weitere, kleinere<br />
Immobilienprojekte betreibt. Am<br />
Steinernen Kreuz in Darmstadt<br />
haben sie Wohnungen gebaut, in<br />
Berlin gebe es aktuell weiterePläne,<br />
verrät Simon Ebert.<br />
Immobilienpreise haben<br />
sich verdoppelt<br />
Mit Budersand hat sich der Süden<br />
von Sylt verändert. Zusammen<br />
mit der Investition der Schweizer<br />
Hapimag-Gruppe, die auf der<br />
Nordseeseite fast zeitgleich ein<br />
Ferienwohnungs-Ressort baute,<br />
ging ein Ruck durch Hörnum.<br />
Auch im letzten, zuvor verschlafenen<br />
Winkel Sylts ist jetzt der gehobene<br />
Tourismus entbrannt. Die<br />
Immobilienpreise haben sich<br />
mehr als verdoppelt. Neben Golfplatz<br />
und Hotel haben Eberts<br />
auch in die Infrastruktur investiert<br />
und Mitarbeiterhäuser im<br />
skandinavischen Stil errichtet. Einige<br />
Häuser wurden zudem gezielt<br />
an junge Familien verkauft,<br />
erklärt Claudia Ebert. Viele Investoren<br />
vorihr hatten Pläne mit Budersand,<br />
aber stets kurz vor dem<br />
Zuschlag den Aufwand aus Renaturierung<br />
und Umweltauflagen<br />
gescheut. Im August 2004 kam<br />
Claudia Ebert erstmals auf die Budersanddüne,<br />
blickte über die Kasernenruinen<br />
und über den Nehrungshaken,<br />
den sie als Kind oft zu<br />
Fuß umrunden musste. „Damals<br />
kam esmir wie eine Strafe vor“,<br />
sagt sie und lacht. Im Geiste sah sie<br />
Hotel und Golfplatz schon vor<br />
sich, an diesem entscheidenden<br />
Tag, die Idee reifte. Der Platz, an<br />
dem sich das Schicksal über Budersand<br />
entschied, ist längst gesperrtes<br />
Naturschutzgebiet. Ebert<br />
wandert noch immer manchmal<br />
zur Besinnung hier herauf. Sie hat<br />
eine Sondergenehmigung.<br />
Die Morgensonne strahlt über<br />
das Frühstücksbuffet im Kai 3.<br />
Unter den vielen Töpfchen mit<br />
Brotaufstrich findet sich auch die<br />
Marmelade des Monats: Claudia<br />
Ebert kocht sie immer selbst, heute<br />
gibt es Blutorange.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 40<br />
Fußballbei Frank<br />
VON JOHANNES BRECKNER<br />
Jetzt geht die Rechnerei wieder los.Soll man seine Theaterkarten<br />
nun für den 26. Juni bestellen oder doch lieber<br />
für den Tagdanach? Wenn Deutschland Gruppenerster wird,<br />
empfiehlt sich der zweite Termin. WirdDeutschland zweiter,<br />
braucht man Karten für den ersten Abend. So hat man nichts<br />
verpasst, nicht auf der Bühne und auch nicht auf dem<br />
südafrikanischen Rasentheater.Rücksichtsvollerweise wird<br />
beim Festival „Neue Stückeaus Europa“ an beiden Abenden<br />
das gleiche Programm geboten –die kroatische Truppe<br />
„Zagrebačko Kazalište Mladih“ tritt im Kleinen Haus des<br />
Wiesbadener Staatstheatersauf und kann entspannt spielen,<br />
weil Kroatien an der WM ja gar nicht teilnimmt. Ebenso<br />
verhält es sich mit Island, das auf dem Rasen nicht punkten<br />
kann, wohl aber in der Wiesbadener Wartburgmit dem<br />
Drama „Liebe Isländer“, das den Staatsbankrott zur Komödie<br />
macht. Zeitgleich treten im Malersaal des Staatstheaters<br />
polnische Schauspieler auf mit einem albtraumhaften Familiendrama,<br />
ebenfalls ungefährdet voneinem möglichen<br />
WM-Spiel der eigenen Nationalelf. Die Gäste also können<br />
spielen, nur die Deutschen müssen zittern, dass sie möglicherweise<br />
vordie Entscheidung zwischen Kultur und Fußball<br />
gestellt werden.<br />
Aneinem Tagdieser wunderbaren Biennale, die einen<br />
Höhepunkt der ausgehenden Theatersaison verspricht,<br />
bevor die Spiellust wieder an die Freilichtbühnen<br />
abgegeben wird, stellt sich diese Frage nicht. Das Stück<br />
„Türkiye –Almanya 0:0“bringt eine sportliche Begegnung<br />
zweier Nationen auf die Bühne, die sich bei der<br />
Fußball-WM so nicht ereignen kann; die Türkei hat sich<br />
nicht qualifizieren können. Und die Sache ist sehr unterhaltsam,<br />
obwohl man den Ausgang schon kennt –auf dem<br />
Rasen ist diese sportliche Nulldiät zu Recht wenig geliebt,<br />
im Theater kann sie einiges Vergnügen bereiten. Weres<br />
erleben möchte, kann sich hinterher aussuchen, ob er die<br />
zweite Halbzeit des Vorrunden-Duells zwischen Mexiko<br />
und Uruguayverpasst hat oder des Spiels zwischen Frankreich<br />
und Südafrika.<br />
Wer in diesen Tagen Kultur ans Publikum bringen<br />
will, muss sich schon anstrengen. Museen sind eindeutig<br />
im Vorteil. Voreinem spannenden Spiel sehen die<br />
Bilder noch genauso aus wie hinterher, essei denn, ein<br />
Trupp schlecht orientierter Fußballfans sucht in der Ausstellung<br />
einen Ort des „Public Viewings“ und verschafft der<br />
Enttäuschung Luft, wenn sich auf den Picasso-Gemälden<br />
kein Ball bewegt. Wenn diese meist männlichen Gestalten<br />
ins Frankfurter Museum für komische Kunst gelangen,<br />
könnte es ihnen vorkommen, als sähen sie sich im Spiegel.<br />
Dort ist nämlich den Sommer über eine riesige Ausstellung<br />
vonFranziskaBecker zu sehen. Die Karikaturistin hat ihre<br />
Karriere beim Frauenmagazin „Emma“ begonnen und<br />
wurde in feministischen Kreisen dadurch berühmt, dass<br />
die Männerwelt in ihren Zeichnungen weder besonders<br />
intelligent noch besondersschön erscheint. Das klingt<br />
ziemlich einfältig und ist doch ein Vergnügen, weil FranziskaBecker<br />
erstens auch die Marotten der Frauenbewegung<br />
satirisch aufs Korn nimmt und zweitens neben Männern<br />
und Frauen noch viele andereThemen gefunden hat.<br />
Diese sehr vergnügliche Ausstellung muss sich keine<br />
Sorgen um ihr Publikum machen. AndereKulturveranstalter<br />
werden ihre Kunden während der Fußball-WM<br />
vielleicht mit kleinen Geschenken bei Laune halten. Vorbilder<br />
gibt es genügend. In Belgien sind in diesem Frühjahr<br />
Zeitschriften der Pressekrise begegnet, indem sie Gutscheine<br />
für Bier verteilten –zujedem Heft gab es sechs Flaschen<br />
gratis. Das passt zum Einzelhandel dieser Tage, der ja das<br />
Geschäft durch Geschenke ankurbelt. Wereine Sonnenbrille<br />
kauft, bekommt eine Zahnbürste geschenkt, wersein<br />
Auto durch die Waschstraße fährt, wirdmit einer „WM-<br />
Tröte“ belohnt.<br />
WahreKünstler müssen ihr Publikum allerdings nicht<br />
bestechen. In Mainz hat Frank Buchholz sein Restaurant,<br />
ein großer Meister der entspannten Kochkultur.<br />
Weil er aber auch Realist ist und überdies selbst gerne<br />
Fußball guckt, weiß er, dass an WM-Abenden in diesem<br />
schönen Lokal wenig los sein wird. Also lädt Frank, wie<br />
seine Schüler ihn vertraut nennen, an WM-Abenden in<br />
seine Kochschule ein –erst kocht er ein paar leckere Kleinigkeiten,<br />
dann wirdgemeinsam mit den Gästen Fußball<br />
geguckt und Rheinhessischer Wein getrunken. An solchen<br />
Abenden ist garantiert, dass auch bei einem 0:0der<br />
Zuschauer auf der Gewinnerseite ist.<br />
Und zwei Frankfurter Privattheater haben während der<br />
Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft die Rabattaktion<br />
„2 :1für die Damen“ ersonnen: Wenn zwei<br />
Frauen kommen, ist die zweite Karte gratis. Dafür gibt es<br />
in der Komödie Walter Renneisens Solo „Die Sternstunde<br />
des Josef Bieder“, im Rémond-Theater aber ein Stück, das<br />
Frauenherzen zuverlässig höher schlagen lässt: Es heißt<br />
„Männer und andere Irrtümer“.<br />
Wenn die Börsenkurse fallen,<br />
regt sich Kummer fast bei allen,<br />
aber manche blühen auf:<br />
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.<br />
Keck verhökern diese Knaben<br />
Dinge, die sie gar nicht haben,<br />
treten selbst den Absturz los,<br />
den sie brauchen –echt famos!<br />
Leichter noch bei solchen Taten<br />
tun sie sich mit Derivaten:<br />
Wenn Papier den Wert frisiert,<br />
wirddie Wirkung potenziert.<br />
Wenn in Folge Banken krachen,<br />
Tucholsky 1930<br />
haben Sparer nichts zu lachen,<br />
und die Hypothek aufs Haus<br />
heißt, Bewohner müssen raus.<br />
Trifft’shingegen große Banken,<br />
kommt die ganze Welt ins Wanken –<br />
auch die Spekulantenbrut<br />
zittert jetzt um Hab und Gut!<br />
Soll man das System gefährden?<br />
Da muss eingeschritten werden:<br />
Der Gewinn, der bleibt privat,<br />
die Verluste kauft der Staat.<br />
Dazu braucht der Staat Kredite,<br />
und das bringt erneut Profite,<br />
hat man doch in jenem Land<br />
die Regierung in der Hand.<br />
Fürdie Zechen dieser Frechen<br />
hat der kleine Mann zu blechen.<br />
Und –das ist das Feine ja –<br />
nicht nur in Amerika!<br />
Und wenn Kurse wieder steigen,<br />
fängt vonvorne an der Reigen –<br />
ist halt Umverteilung pur<br />
stets in eine Richtung nur.<br />
Aber sollten sich die Massen<br />
das mal nimmer bieten lassen,<br />
ist der Ausweg längst bedacht:<br />
Dann wird ein bisschen Krieg gemacht.