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Macher - WirtschaftsEcho

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D79227 3.Jahrgang /Nummer 3 MAGAZIN FÜR MACHER UND MÄRKTE IN SÜDHESSEN<br />

Juni/Juli 2010 3,50 Euro<br />

<strong>Macher</strong> &Märkte<br />

Flotte Flotten<br />

Der Fuhrpark ist für Firmen ein<br />

Thema mit vielen Facetten. Kosten,<br />

Ökologie, Image: Beispiele<br />

aus der Praxis. Seiten 4bis 8<br />

298,– $<br />

monatliche rate*<br />

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MedienhausSuedhessen<br />

Geld &Finanzen<br />

TunSie Gutes<br />

Gemeinwohlorientiertes Wirken<br />

vonStiftungen ist vielen ein Buch<br />

mit sieben Siegeln. Dabei ist deren<br />

Zahl auf Rekordniveau. Seite 19<br />

Kraftstoffverbrauch kombiniertinl/100 km: 5,6 (innerorts 7,1/außerorts 4,8); CO 2-Emissionen: 148 g/km<br />

nach dem vorgeschriebenen EU-Messverfahren.<br />

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MedienhausSuedhessen<br />

Handwerk &Hightech<br />

Die Verknüpfer<br />

Mit semantischen Netzen bringen<br />

die Darmstädter IT-Spezialisten<br />

von Intelligent Views Ordnung in<br />

den Datendschungel. Seite 27<br />

Life &Style<br />

Ein Jahr Budersand<br />

Die Investition der Darmstädter<br />

Unternehmerfamilie Ebert in das<br />

Luxus-Golfhotel hat den Süden<br />

vonSylt verändert. Seite 39<br />

Miteinem<br />

Lachen<br />

zumErfolg<br />

Karl Elektronikbau – Rosemarie Karl ist<br />

Ausnahmsweise<br />

keinePhrase:<br />

Krisen sind Chancen.<br />

Zum Beispiel umeine Bank kennenzulernen,<br />

die das Geld ihrerKunden<br />

unfallfreidurch alle bisherigen Krisen<br />

gebracht hat: www.metzler.com<br />

authentisch, bodenständig, offen –die gelebte<br />

Partnerschaft mit Beschäftigten und Kunden<br />

ist Basis des erfolgreichen Geschäftsmodells.<br />

Seite 10<br />

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Emek Erdogan •tel. 06151/13 01-1 00<br />

ECHO Zeitungen GmbH /Holzhofallee 25–31 /64295 Darmstadt<br />

Telefon: Zentrale 06151387-1 / Redaktion: Fax387-307 /Abo-Service: Telefon 387-431,Fax 387-505 / Anzeigen: Telefon 387-387, Fax 387-448<br />

Internet: www.wirtschafts-echo.de /www.echo-online.de<br />

FOTO: ALEXANDER HEIMANN


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Editorial & Index 2<br />

Editorial<br />

Preu: Lieber Herr Riebartsch, haben Sie denn schon mit der<br />

Ihnen eigenen Akribie und dem Adlerauge des Durchblickers<br />

wasentdeckt?<br />

Riebartsch: Auf was soll ich denn überhaupt achten bei<br />

meinem Blick durchs Fernglas? Etwas mehr Präzision in der<br />

Fragestellung ist da schon nötig, bitteschön.<br />

Preu: Um das zarte Wachstumspflänzchen können wir uns<br />

später im Labor kümmern –mit dem Mikroskop. Das meine<br />

ich diesmal nicht. Es geht vorallem darum: Sehen Sie irgendwo<br />

Land?<br />

Impressum<br />

Verlag<br />

Echo Zeitungen GmbH<br />

Verleger und Geschäftsführer<br />

Dr. Hans-Peter Bach<br />

Chefredakteur und verantwortlich<br />

für den redaktionellen Teil<br />

JörgRiebartsch<br />

Redaktionsleitung<br />

Achim Preu<br />

Index<br />

FIRMEN<br />

� Altes Gewürzamt 36/37<br />

� Anonyme Insolvenzler 16<br />

� Autohaus Brass 4<br />

� Autohaus Wiest 6<br />

� AV Markt 30<br />

� Bankhaus Metzler 14/15<br />

� BMW-Niederlassung Darmstadt 5<br />

� D&B Deutschland 32<br />

� Didacta 12<br />

� Entega 29<br />

� FSV Mainz 05 29<br />

� G&G Eventmarketing 11<br />

� Hotel Budersand 39<br />

� Intelligent Views 27<br />

� Karl Elektronikbau 10<br />

� Krämer GmbH 34<br />

� Lexus-Forum Darmstadt 38<br />

� MaskeAutovermietung 5<br />

� Mercedes Niederlassung Darmstadt 6<br />

� Merck 7<br />

� Nirwana 22<br />

� Rhein-Main-Zentrum für Diagnostik 28<br />

� Richter +Frenzel 26<br />

Redaktion<br />

Johannes Breckner, Sabine Eisenmann,<br />

Ilka Ennen, Hans Dieter Erlenbach,<br />

Tino Friederich, Daniel-Patrick Görisch,<br />

Bruno Hidding, Dirk Janowitz,<br />

Sonja Jordans,Silke Jungbluth-Sepp,<br />

Ute Kernbach, Helen Knust, Julia Lumma,<br />

Birgit Reuther, Nina Voigt<br />

Umbruchredaktion/Layout<br />

Christian Meister<br />

Riebartsch: Land, welches Land? Ich seh nix.<br />

Preu: Irgend eines. Eben nur festen Boden, einen Orientierungspunkt.<br />

Denn die ausufernde Verschuldung allerorten<br />

ist beängstigend. Keiner weiß wirklich, was’ne Milliarde ist,<br />

aber alle reden drüber wie über Peanuts.<br />

Riebartsch: Es bleibt dabei: Ich sehe nix. Die Wellen sind<br />

noch zu hoch. Rettungsringe nicht zu orten, geschweige<br />

denn mehr.<br />

Preu: Dabei hat doch Roland Koch Wegweisendes von sich<br />

gegeben. Ich meine nicht den Sensations-Wechsel in die<br />

Wirtschaft. Ich meine sein Statement vor einiger Zeit in<br />

Darmstadt beim ECHO-Podium. Wenn das<br />

Geld nicht langt, so Hessens (noch) Oberster,<br />

müsse ein Privater den Gürtel eben<br />

enger schnallen, umdenken. Oder eine<br />

Bank überfallen. Der Staat habe es da<br />

einfacher.Der holt es sich einfach<br />

von den Bürgern.<br />

Riebartsch: Sie meinen also<br />

Steuererhöhungen, statt<br />

-senkungen? Mehr Ab-<br />

Ich sehe was,<br />

was dunicht siehst:<br />

Achim Preu (links) und<br />

Jörg Riebartsch auf der Suche<br />

nach finanzieller Solidität.<br />

FOTO: HANS DIETER ERLENBACH<br />

Fotografie<br />

Alexander Heimann<br />

Grafik<br />

Nicole Wunder<br />

Verlagsleitung<br />

Heike Findeis<br />

Verantwortlich<br />

für den Anzeigenteil<br />

Andreas Wohlfart<br />

� Robolution 24/25<br />

� Rosenparkklinik 9<br />

� Seat Deutschland 4<br />

� Skoda Auto Deutschland 4<br />

� Zimmer und Kreim 23<br />

NAMEN<br />

� Bandholz, Stephan 29<br />

� Baumer, Claudia 27<br />

� Brand, Matthias 26<br />

� Bungert, Niko 29<br />

� Carroccia, Orlando 35<br />

� Dölger,Gosbert 35<br />

� Dold, Thomas 32<br />

� Ebert, Claudia 39<br />

� Ebert, Simon 39<br />

� Edling, Lisa 35<br />

� Eisele, Karl 35<br />

� Elbert, Clemens 26<br />

� Emert, Wolfgang 23<br />

� Erdogan, Ernek 38<br />

� Ersü, Enis 35<br />

� Grossmann, Frank Friedrich 11<br />

gaben auf Gemeindeebene, sodass der Hundehaufen bald<br />

für den Halter zum wertvollen Anlagegut wird?<br />

Preu: Exakt. Anders kommen wir aus der Nummer nicht<br />

mehr raus. Denn die systemische Relevanz, die Banken,<br />

Staaten und andere für sich reklamieren, ist der perfekte<br />

Hebel, Verluste auf den kleinen Steuerzahler abwälzen zu<br />

können. Und Nullen produzieren eben gerne Nullen.<br />

Riebartsch: Aber FrauMerkel will doch die Banken nach all<br />

den Erfahrungen enger an die Kandare nehmen. Ordnung<br />

schaffen wie eine richtige Hausfrau. Den Commerzbank-Vorstand,<br />

mit 18 Milliarden Steuerknete gepampert, an seine<br />

gedeckelten Bezüge vonschlappen 500000 Europro Kopf und<br />

Jahr erinnern. Die denken ja schon wieder viel weiter. Unglaublich.<br />

Eigentlich nur für Porsche eine gute Nachricht.<br />

Projektleitung<br />

Dagmar Bensch, Heike Röver<br />

Vertrieb<br />

Peter Kemper<br />

Technische Leitung<br />

Dr. Michael Horn<br />

Ladungsfähige Anschrift<br />

für Verlag, Verleger und alle<br />

Preu: Ja, super Idee von der Merkel. Aber darf man<br />

Hoffnung auf was Wasserdichtes haben? Betreutes<br />

Betrügen könnte man das auch<br />

nennen, wasdarauskommt.<br />

Riebartsch: Währenddessen können die Unternehmen<br />

und Unternehmer schauen,<br />

was sich überhaupt noch unternehmen<br />

lässt, um nicht unterzugehen,<br />

oder doch Unterlassen<br />

nicht sinnvoller ist. Warum<br />

wirdnicht in Berlin<br />

ausnahmsweise<br />

mal über Ausgabensenkungennachgedacht?<br />

Preu: Wie<br />

wahr. Aber<br />

wer beraubt<br />

sich bei einer Halbierung<br />

des Bundestages<br />

denn schon gern des<br />

eigenen Jobs –zumal man<br />

nebenbei noch ganz normal<br />

und entspannt weiterarbeiten<br />

kann als Rechtsanwalt<br />

� Gutfried, Thiemo 11<br />

� Holland, Ingo 33/36<br />

� Holle, Harald 39<br />

� Jennert,Heike 28<br />

� Karl, Rosemarie 1/10<br />

� König, Wolfgang 21/24<br />

� Koslitz,Reinhard 12<br />

� Krämer,Ralf 34<br />

� Krammig, Sascha 6<br />

� Lau, Alexander 30<br />

� Löhr-Müller,Katja 8<br />

� Mahr,Michael 35<br />

� Martens, Hans-Erwin 6<br />

� Matthies, Florian 29<br />

� Metzler,Friedrich, von 14<br />

� Oehm, Stefan 28<br />

� Rau, Rolf 22<br />

� Reckmann, Bernd 35<br />

� Reichenberger,Klaus 27<br />

� Ruch, Martin 28<br />

� Sattler,Sonja 3/9<br />

� Uhland, Eberhard 35<br />

� Unruh, Attila, von 16<br />

� Ziethmann, Jörn 7<br />

im Impressum genannten<br />

Verantwortlichen<br />

ECHO Zeitungen GmbH<br />

<strong>WirtschaftsEcho</strong><br />

Holzhofallee 25–31, 64295 Darmstadt<br />

Druck<br />

Echo Druck und Service GmbH<br />

Holzhofallee 25–31, 64295 Darmstadt<br />

Telefon 06151 387-1<br />

oder was immer. Und nicht mal sagen muss, was man konkret<br />

einsackt. Dann doch lieber bei der Bildung sparen.<br />

Riebartsch: Genau. Zumal das unsereeinzige Ressource ist.<br />

Und das käme der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse<br />

entgegen, Chancengleichheit würde produziert. Denn die<br />

Casting-Shows und deren Erfolg belegen das dominierende<br />

IQ-Niveau auf Zimmertemperatur.Schlecht geheizte Räume<br />

meine ich. Und wie steht es um die Fusion von Bundesländern,<br />

oder das Ende für chinesische Entwicklungshilfe?<br />

Preu: Die Schlagloch-Schuster in Südhessen dürfte es freuen,<br />

wenn sie mehr Füllmasse bekämen. Aber auch den<br />

Stadtkämmerer von Darmstadt, Chef über viel finanzielles<br />

Nichts. Mit Taschenrechnern könnte man denen zu Weihnachten<br />

sicher viel Freude machen. Insgesamt aber ist das<br />

Beharrungsvermögen enorm. Motto: Nimm, wasgeht. Und:<br />

Nach mir die Sintflut. Dieses Geschäftsmodell boomt.<br />

Riebartsch: In der Tat. Zum Glück fragt niemand nach der<br />

Bonität von Kommunen wie Darmstadt.<br />

Preu: Ja ja, irgendwie haben wir doch alle Dreck am Stecken,<br />

also stehen irgendwo bei irgendwem in der Schuld. So<br />

schlimm wie mit Griechenland muss es ja hoffentlich nicht<br />

kommen.<br />

Riebartsch: Danke für das Stichwort. Raten Sie mal, was<br />

Griechenland und ich gemein haben?<br />

Preu: Oh nein.<br />

Riebartsch: Oh doch. Ich bin auch Kunde bei der KfW.<br />

Preu: Und wer bürgt für Sie?<br />

Riebartsch: Niemand. Aber ich habe ja auch die eins vorm<br />

Komma beim Zinssatz.<br />

Preu: Respekt. Das heißt, dass IhreBonität etwazehnmal so<br />

gut ist wie die vonGriechenland.<br />

Riebartsch: Volltreffer, Herr Preu. Waidmannsheil.<br />

Preu: Waidmannsdank.<br />

»Durchblicker«<br />

E-Mail<br />

Vertrieb@darmstaedter-echo.de<br />

Anzeigenannahme@darmstaedter-echo.de<br />

Chefredaktion@darmstaedter-echo.de<br />

Internet www.echo-online.de,www.wirtschafts-echo.de<br />

Verkaufspreis 3,50 Euro<br />

Bezugspreis 18,00 Euro (inkl. 1,18 Euro Umsatzsteuer)<br />

Nachdruck vorbehalten, Zitate nur mit Quellenangabe<br />

Wirtschaftsecho und Wirtschaftsjunioren Südhessen<br />

sind Kooperationspartner


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 3<br />

<strong>Macher</strong> & Märkte<br />

Seite 9<br />

Frau im Hintergrund<br />

Die Hautärztin und Schönheitsverkäuferin<br />

Sonja Sattler kümmert sich in der Rosenparkklinik um<br />

Finanzen, Personal und Organisation.<br />

»Trends lassen sich –wie Pferde –<br />

leichter in jene Richtung lenken,<br />

in die sie sich ohnehin bewegen«<br />

John Naisbitt, amerikanischer Prognostiker<br />

Seite 7<br />

Herr der Autos<br />

Jörn Ziethmann ist beim<br />

Dax-Konzern Merck als Car-<br />

Fleet-Manager Herr über 630<br />

Fahrzeuge: Deutsch, Dunkel,<br />

Diesel lautet die Losung.<br />

Seite 8<br />

Miss Fuhrpark<br />

Deutschlandweit als Institution<br />

bei allen Themen ums<br />

Fuhrparkrecht gilt die promovierte<br />

Rüsselsheimer Anwältin<br />

Katja Löhr-Müller.<br />

Seite 11<br />

Immer schön locker<br />

Die G&G Eventmarketing<br />

GmbH bringt Rock 'n' Roll<br />

und seriöses Business,also<br />

Lederjacke und Anzug, erfolgreich<br />

unter einen Hut.<br />

Seite 12<br />

Bildung über alles<br />

Der Didacta-Verband, 90<br />

Jahre alt, hat seinen Sitz in<br />

Darmstadt und versucht den<br />

Spagat zwischen guter Bildung<br />

und guten Geschäften.<br />

Hohe Aufnahmefähigkeit für bessere Bildung.<br />

Möglichst viel Wissen aufzusaugen, ist eine Lebensaufgabe. Doch damit Bildung in allen Lebensphasen und auf<br />

allen Wissensstufen gelingen kann, braucht es qualitativ hochwertige Lehr- und Lernmittel und eine bedarfsgerechte<br />

Einrichtung und Ausstattung aller Lernorte –national wie international. Genau dafür machen wir uns stark.<br />

Seit 90 Jahren vertreten wir die Interessen der deutschen Bildungswirtschaft. Zuunseren Mitgliedern zählen mehr als 215<br />

Unternehmen und Organisationen. Sie sind es, die mit ihren Angeboten das gesamte Spektrum des lebenslangen Lernens<br />

abdecken und weltweit Qualitätsstandards in verschiedenen Branchen setzen. Durch unsere Verbandsarbeit erhält die<br />

Bildungswirtschaft eine eindringliche Stimme und zugleich eine einzigartige Bühne. Denn einmal im Jahr laden wir mit<br />

der didacta zur weltweit größten Bildungsmesse ein. Besuchen Sie uns schon jetzt: www.didacta.de<br />

Sonja Sattler FOTO: ALEXANDER HEIMANN


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 4<br />

FOTO: AP<br />

Die Fuhrparks werden<br />

umweltfreundlicher<br />

Während das Privatkundengeschäft<br />

durch die staatliche Abwrackprämie Rückenwind<br />

bekam, hatte das Geschäftmit<br />

der gewerblichen Kundschaft 2009<br />

Zündaussetzer. Nun aber geht es wieder<br />

deutlich voran. Nach Erhebungen von<br />

Dataforce, Marktforschungs- und Beratungsunternehmen<br />

für den deutschen<br />

Flottenmarkt, wurden in den ersten vier<br />

Monaten 4,2 Prozent mehr Fahrzeugezugelassen<br />

als im Vorjahreszeitraum. Sieben<br />

Prozent der Befragten wollen nicht<br />

nur Ersatzinvestitionen vornehmen, sondern<br />

die Flotte erweitern. Das soll mit<br />

umfangreichen Servicepaketen auch für<br />

Kunden mit nur wenigen Fahrzeugen gelingen.<br />

VW, Audi, Ford oder BMW haben<br />

hier spezielle Lösungen geschnürt.<br />

Wenigerist manchmal mehr<br />

Stimmen von Anbietern – Kleinere Motoren, niedrigerer Verbrauch –Der Trend geht zum Downsizing<br />

VON SABINE EISENMANN<br />

Geräumige Kombi-Fahrzeuge<br />

mit sparsamen Dieselmotoren<br />

sind bei Firmenflotten<br />

gefragt. In diesem Sektor<br />

können Marken wie Skoda<br />

durchaus mithalten. Die VW-<br />

Tochter hat sich im gewerblichen<br />

Geschäft auf kleinere Flotten bis<br />

zu zehn Fahrzeuge spezialisiert<br />

und den Skoda Octavia Combi gut<br />

etabliert, sagt Christoph Ludewig<br />

von der Unternehmenskommunikation<br />

der Skoda Auto Deutschland<br />

mit Sitz in Weiterstadt.<br />

„Auch für den Superb Combi, in<br />

dessen Segment Skoda erstmalig<br />

ein Fahrzeug anbietet, verzeich-<br />

Schwerpunktthema –Hohe Spritkosten sorgenfür neue Politik –<br />

Leasing die bevorzugte Finanzierungsform –Servicepakete gefragt<br />

nen wir ausgezeichnete Auftragseingänge“,<br />

sagt Ludewig weiter.<br />

Für Skoda scheint das gewerbliche<br />

Geschäft im Jahr 2010 sehr gut<br />

angelaufen. Der Autobauer belegt<br />

dies mit Zahlen: „Im ersten Quartal<br />

dieses Jahres konnten wir den<br />

Marktanteil im Großkundengeschäft<br />

von3,1 Prozent auf 4,7 Prozent<br />

steigern. 2009 erzielten wir<br />

40 000 der 190 000 Zulassungen<br />

in diesem Geschäftsbereich. Der<br />

Anteil der Privatkunden im vergangenen<br />

Jahr wardurch den Anreiz<br />

der Abwrackprämie besonders<br />

hoch.“<br />

Auch die VW-Tochter Seat<br />

zählt zu Gewinnern im Flottengeschäft.<br />

Mit einer Steigerung von<br />

Auf diesem, von heimischen Herstellern<br />

dominierten Markt (Importeursanteil<br />

rund 20 Prozent), sind aber auch<br />

weitereTrends erkennbar.Und das nicht<br />

nur, umKosten zu sparen. Bei einem<br />

Fuhrpark von 50Autos und einer jährlichen<br />

Fahrleistung von je40000 Kilometern<br />

können allein 20 000 Euro dadurch<br />

gespart werden, wenn es gelingt<br />

die Kosten je Kilometer um einen Cent<br />

zu senken.<br />

Über den Verbrauch geht das rasch,<br />

was zugleich natürlich den CO 2-Ausstoß<br />

senkt, der auf diesem Markt nur noch159<br />

Gramm je Kilometer betragen soll. Elektromobilität<br />

spielt bei alldem nochkeine<br />

Rolle. Aber jeder fünfte deutsche Flottenentscheider<br />

will zumindest bis 2013 sol-<br />

160 Prozent bei Flottenkunden<br />

gehört Seat zur am stärksten<br />

wachsenden Marke in Deutschland.<br />

Das Ziel: „Mittelfristig etwa<br />

20 Prozent des Gesamtvolumens<br />

in diesem Sektor abzudecken“,<br />

beschreibt Volker Werner (43),<br />

Leiter der Sparte Großkunden bei<br />

Seat Deutschland in Mörfelden-<br />

Walldorf. Erfolge bescheren vor<br />

allem Fahrzeuge der Mittelklasse<br />

wie der Kombi Exeo ST. Auch der<br />

Alhambraist seit vielen Jahren im<br />

gewerblichen Sektor beliebt. „Der<br />

Trend geht eindeutig zum Downsizing“,<br />

sagt Werner. Die Einstellung<br />

zum Thema Image habe sich<br />

klar gewandelt. „Es muss nicht<br />

immer ein Premium-Produkt sein,<br />

cheStromer nutzen. Bei dann geringeren<br />

Anschaffungskosten und größerer Batterie-Reichweite,<br />

versteht sich.<br />

Zunächst aber bestehen trotz der erhältlichen<br />

Hybrid- oder Gasantriebe die<br />

„grüner“ gewordenen Flotten aus Fahrzeugen<br />

mit optimierten Motoren, Karosserien<br />

und Reifen. Die laufen beispielsweise<br />

unter den Öko-Labels Bluemotion<br />

(VW), Efficent Dynamics (BMW), Blue Efficiency<br />

(Mercedes) oder Ecoflex (Opel).<br />

Diese Fahrzeugefinden sichbereits in 22<br />

Prozent aller Fuhrparks, wie die aktuelle<br />

Studie „CVO-Barometer 2010 –Trends im<br />

Fuhrparkmanagement“ zeigt, hinter der<br />

Arval als ein führendes Leasingunternehmen<br />

unter dem Dachder Bank BNP Paribas<br />

steht.<br />

wenn man für weniger Geld ein<br />

vergleichbares Produkt bekommt.“<br />

Auch auf die Frage der<br />

Umweltverträglichkeit hat sich<br />

die VW-Tochter eingestellt und<br />

bietet zum Beispiel Common-<br />

Rail-Dieselmotoren mit Start-<br />

Stopp-Automatik an. Der neue<br />

Seat Ibiza ST Ecomotive 1.2 TDI<br />

sei ein vollwertiger flottentauglicher<br />

Kombi, der auf 100Kilometer<br />

nur 3,6 Liter Diesel verbrauche.<br />

In Sachen Umweltschutz kann<br />

auch Skoda punkten: „Es wirdbesondersauf<br />

die Wirtschaftlichkeit<br />

und umweltschonende Antriebstechnik<br />

geachtet. Vor allem der<br />

CO 2-Ausstoß steht dabei im Mittelpunkt.<br />

Hier ist Skoda durch mo-<br />

derne Motorentechnik besonders<br />

gut aufgestellt. Der Verbrauch unserer<br />

Greenline-Modelle beginnt<br />

bei 3,4 Litern auf 100Kilometer,“<br />

so Ludewig.<br />

„Leasing von SUVs<br />

geht gegen Null“<br />

Wie esdort weiter heißt, hat sich Leasing<br />

hierzulande zuletzt als beliebteste<br />

Finanzierungsmethode erwiesen vordem<br />

Kauf (44 zu 43 Prozent). Die Anschaffung<br />

über einen Autokredit bleibe mit 13<br />

Prozent konstant niedrig. Bei der Anschaffung<br />

der Fahrzeugeräumt die Mehrheit<br />

der Unternehmen den Beschäftigten<br />

übrigens kein Mitspracherecht ein. Ein<br />

Drittel darfsichinnerhalb eines vorgegebenen<br />

finanziellen Rahmens frei entscheiden.<br />

Aufden folgenden vier Seiten kommen<br />

Fachleute aus der Praxis zu Wort –von<br />

der Angebots- sowie von der Nachfrageseite.<br />

Ergänzt wird das Ganze um einen<br />

juristischen Gastbeitrag für Flottenmanager.<br />

apd<br />

Großvolumige Fahrzeuge mit hohem<br />

Verbrauch sind out, sagt<br />

Wolfgang Ley(43), Verkaufsleiter<br />

beim Autohaus Brass in Darmstadt.<br />

„Leasing von SUVs gehen<br />

gegen Null“. Ein Firmenchef, der<br />

mit einem bulligen Auto vorfahre,<br />

sei nicht unbedingt ein Vorbild.<br />

„Das Image von sparsameren<br />

Kombi-Fahrzeugen ist allemal<br />

besser“, so die Erfahrung des Verkaufsleiters.<br />

Der Anteil an Kombi-<br />

Fahrzeugen, die Brass an Großkunden<br />

abgebe, betrage rund 95<br />

Prozent. Ausnahmen gebe es: Mit<br />

dem Opel Insignia hätten die Rüsselsheimer<br />

Autobauer zum Beispiel<br />

ein konkurrenzfähiges Fahrzeug<br />

in der oberen Mittelklasse<br />

auf den Markt gebracht. „Vor allem<br />

die Diesel-Limousine mit 160<br />

PS läuft gut.“ Das neue Flaggschiff<br />

von Opel lasse sich zudem sehr<br />

gut mit ökologischen Ansprüchen<br />

vereinbaren. Unterbodenverkleidung,<br />

Optimierung der Getriebeabstimmung<br />

und Leichtlaufreifen<br />

reduzierten bei den „Ecoflex-Modellen“<br />

von Opel den Schadstoff-


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 5<br />

Betriebskosten<br />

Marke/Modell/Version<br />

ausstoß.Damit könne der Insignia<br />

mit beliebten Flottenfahrzeugen<br />

vonBMW in dieser Fahrzeugklasse<br />

mithalten, sagt Ley. Rund 50<br />

Prozent aller Fahrzeuge,die Brass<br />

für Firmenflotten bereitstellt, sind<br />

von Opel. Kleingewerbe bevorzuge<br />

kleinereModelle wie Corsa, beliebt<br />

bei Pflegediensten sei der<br />

Smart, den Mehrmarken-Händler<br />

Brass ebenfalls im Portfolio hat.<br />

Im Sektor der Nutzfahrzeuge sind<br />

neben dem Opel Vivaro auch<br />

Fahrzeuge wie der Peugeot Boxer<br />

beliebt.<br />

Doch mit dem Angebot allein<br />

sei es heute längst nicht mehr getan.<br />

Fast ebenso viel Wert wie auf<br />

geeignete Fahrzeuge legten Kun-<br />

Betriebskosten in Euro/km bei einer Haltedauer von 36 Monaten und einer Jahreslaufleistung von 40.000 km<br />

Neupreis<br />

in Euro<br />

Wertverlust<br />

in Euro<br />

Kraftstoff-<br />

Verbrauch<br />

in Euro<br />

Wartung/<br />

Inst.-halt./<br />

Reparatur<br />

in Euro<br />

Betriebskosten<br />

in Euro/km<br />

Minicars<br />

Toyota Aygo 1.0 VVT-I (5-Türer) 9.975 6.883 7.830 2.656 0,18<br />

Citroen C1 1.0 Advance (3-Türer) 9.490 6.738 7.830 3.273 0,18<br />

Fiat Panda 1.1 8V Active (5-Türer) 9.690 7.171 8.700 2.877 0,19<br />

Hyundai i10 1.1 Classic 9.990 7.293 8.700 4.074 0,20<br />

Renault Twingo RIP Curl 1.2 LEV 16V 75 (3-Türer) 12.190 9.777 8.874 2.980 0,21<br />

Kleinwagen<br />

Skoda Fabia 1,2 (5-Türer) 10.580 7.512 9.918 2.623 0,20<br />

Opel Corsa 1.2 Twinport EcoFlex Selection (3-Türer) 11.300 7.910 9.222 2.849 0,21<br />

VW Polo 1.2 Trendline (44 kW/5-Türer) 13.015 9.241 9.570 2.535 0,22<br />

Ford Fiesta 1.25 Trend (60 kW/5-Türer) 13.800 9.522 9.744 2.801 0,23<br />

Peugeot 207 1.4 16V Filou 95 VTI (3-Türer) 13.100 9.301 10.266 2.805 0,23<br />

Renault Clio Expression 1.2 16V 75 Eco2 (3-Türer) 11.900 8.687 10.266 3.443 0,23<br />

Seat Ibiza 1.4 16V Reference (5-Türer) 13.750 9.625 10.440 3.284 0,24<br />

Kompaktklasse<br />

Opel Astra 1.4 EcoFlex Selection (64 kW/5-Türer) 15.900 10.176 9.570 2.782 0,24<br />

VW Golf 1.4 Trendline (5-Türer) 17.600 11.792 11.136 2.904 0,27<br />

Skoda Octavia Combi 1.6 Tour (5-Türer) 15.490 10.998 12.702 3.090 0,28<br />

VW Golf Plus 1.4 Trendline (5-Türer) 18.325 12.095 10.092 3.246 0,30<br />

BMW 118i (5-Türer) 24.700 17.043 10.614 3.337 0,33<br />

Mittelklasse<br />

VW Passat Variant 2.0 TDI DPF Trendline (5-Türer) 29.325 19.061 8.550 3.074 0,33<br />

Opel Insignia Sports Tourer 2.0 CDTI EcoFlex Selection (5-Türer) 28.690 18.075 7.950 3.196 0,33<br />

Ford Mondeo Turnier 2.0 TDCI DPF Trend (103 kW/5-Türer) 29.800 19.668 7.950 3.881 0,34<br />

Audi A4 2.0 Avant TDI (DPF) Attraction (5-Türer) 33.050 20.491 7.800 3.592 0,35<br />

Mercedes C 180 BlueEfficiency Autom. (4-Türer) 34.445 23.074 6.750 4.480 0,35<br />

Audi A5 3.0 TDI (DPF) Tiptronic quattro (2-Türer) 49.050 30.411 10.350 4.101 0,50<br />

Obere Mittelklasse<br />

Mercedes E 220 CDI BlueEfficiency Autom. (4-Türer) 44.328 26.126 8.700 5.108 0,44<br />

BMW 520d Touring Autom. (5-Türer) 44.800 29.467 7.950 4.891 0,47<br />

Audi A4 allroad quattro 3.0 TDI (DPF) (5-Türer) 45.900 30.753 10.800 4.014 0,50<br />

Chrysler 300C 3.0 CRD Auto (4-Türer) 40.890 28.623 11.550 6.346 0,50<br />

Audi A6 3.0 Avant TDI (DPF) Tiptronic quattro (5-Türer) 51.400 34.952 10.650 4.288 0,54<br />

Luxusklasse<br />

BMW 730d (4-Türer) 73.300 45.446 10.200 5.600 0,69<br />

Mercedes S 350 CDI BlueEfficiency (4-Türer) 73.721 42.758 11.400 9.618 0,72<br />

Audi A8 4.2 TDI Tiptronic quattro (4-Türer) 90.800 61.744 11.400 9.580 0,90<br />

Vans<br />

Nissan Qashqai 1.6 Visia 19.490 13.448 11.484 3.736 0,30<br />

Ford C-Max 1.6 Style+ 21.025 14.928 12.006 3.103 0,31<br />

Opel Zafira 1.8 Selection 22.095 14.804 12.876 2.964 0,32<br />

Mercedes B 180 1.7 BlueEfficiency 25.823 17.301 11.136 4.004 0,34<br />

SUV<br />

VW Tiguan 2.0 TDI 4Motion Trend & Fun 29.600 17.168 9.600 3.021 0,33<br />

Ford Kuga 2.0 TDCI 4WD Trend (103 kW) 29.000 17.690 9.000 3.886 0,36<br />

BMW X3 2.0 xDrive 38.600 22.774 9.750 3.843 0,42<br />

BMW X5 3.0 xDrive 54.200 30.894 11.100 5.836 0,55<br />

Mercedes ML 300 CDI 4Matic BlueEfficiency 53.074 32.375 12.600 7.096 0,59<br />

Quellen: Jato Dynamics, Bähr & Fess Forecasts, AuDaCon / Tabelle: ukb<br />

den auf den Service,sagt Ley. „Beratung<br />

wird immer wichtiger.<br />

Kunden erwarten beim Leasing<br />

heute einen Full-Service.“<br />

Gelassen blickt Matthias Magdon<br />

(36), Verkaufsleiter der<br />

BMW-Niederlassung in Darmstadt,<br />

auf das Leasing-Geschäft.<br />

„Von Krise ist keine Spur“, sagt er<br />

zufrieden. BMW könne sich auf<br />

die Markentreue seiner Kunden<br />

verlassen. Alternativen zur sportlichen<br />

Marke mit hohem Fahrkomfort<br />

gebe es nicht. Mit innovativer<br />

Technik habe man schon<br />

überzeugen können, bevor Themen<br />

wie Schadstoffausstoß aktuell<br />

wurden. „Mit unserer Start-<br />

Stopp-Automatik haben wir seit<br />

Jahren die Nase vorn. Da hat uns<br />

das CO 2-Thema super in den Kram<br />

gepasst.“ Auch Bremsenergie-<br />

Rückgewinnung bei zahlreichen<br />

Modellen und weitere umweltfreundliche<br />

Maßnahmen unter<br />

dem Motto „Efficient Dynamics“<br />

seien längst bei den Kunden etabliert<br />

und gefragt. Diesel-Fahrzeuge<br />

haben im Flottengeschäft auch<br />

bei BMW die Nase vorn. Anders<br />

als bei anderen Marken punktet<br />

hier jedoch die Limousine der<br />

Dreier-Serie, sagt Magdorn. Der<br />

Trend gehe zu kleineren Motoren.<br />

„Wir bedienen mehr Nischen als<br />

früher“, sagt Magdorn weiter. Als<br />

Beispiel nennt er den Vollhybriden<br />

X6 activ hybrid. Die Nachfra-<br />

ge sei zwar noch nicht allzu groß.<br />

„Aber mit diesem Fahrzeug sind<br />

wir in der Lage,auch diesen Markt<br />

zu bedienen.“<br />

Maskesetzt auf<br />

besondereAngebote<br />

„Autos liefern kann jeder. Mit Nischenfahrzeugen<br />

und besonderen<br />

Angeboten kann man heute in der<br />

Autovermietung punkten“, sagt<br />

Kai Marnet (41), Verkaufsleiter<br />

Region Mitte beim Unternehmen<br />

MaskeAutovermietung in Darmstadt.<br />

Das Unternehmen bietet<br />

Firmenflotten mit Fahrzeugen unterschiedlicher<br />

Marken an. Seit<br />

der Wirtschaftskrise drehen die<br />

Kunden an der Kostenschraube,<br />

wollen mehr Service, ist Marnets<br />

Erfahrung. Hol- und Bringservice<br />

bundesweit, punktgenaues Tauschen<br />

der Leasingfahrzeuge,Sonderwünsche<br />

bei der Ausstattung –<br />

auch Fahrzeuge mit Bluetooth für<br />

iPhones seien für Kunden von<br />

Leasingfahrzeugen heute schon<br />

fast selbstverständlich. Gleichzeitig<br />

sei bei der Motorisierung eine<br />

neue Bescheidenheit in. „Geschäftsführer<br />

fahren heute aus<br />

Überzeugung sparsame Autos,<br />

das ist auch gut so“, sagt Marnet.<br />

SUVs wie Touareg oder Q7 und X5<br />

fänden allenfalls auf dem privaten<br />

Sektor Abnehmer. Die Markentreue<br />

habe insgesamt nachgelas-<br />

sen. „Es gibt Alternativen.“ Mit<br />

dem Seat Exeo und dem Opel Insignia<br />

seien in der mittleren Oberklasse<br />

tolle Fahrzeuge auf dem<br />

Markt. Gefragt sei auch der VW<br />

Caddy, der als Neunsitzer oft als<br />

Baustellenfahrzeug eingesetzt<br />

werde. „In dieser Branche darf<br />

man nicht stehenbleiben“, sagt<br />

Marnet. Er berät Fuhrparkleiter in<br />

Sachen Ladungssicherung und<br />

Führerscheinkontrolle der Kollegen.<br />

Die „Geiz-ist-geil-Mentalität“<br />

führeoft zu schiefen Angeboten<br />

auf dem Markt. „Eine Full-Service-Rate<br />

ist nicht gleich eine Full-<br />

Service-Rate. Man sollte die Module<br />

des Angebots immer hinterfragen,<br />

erst dann gibt es ein Bild.“<br />

Folgekostenkönnen schnell<br />

zumEuro-Fresserwerden<br />

Betriebskosten – Da gibt es deutliche Unterschiede pro Kilometer, was übers Jahr einige tausend Eurobedeutet<br />

VON UTE KERNBACH<br />

Gerade für den Fuhrparkverantwortlichen<br />

sind die<br />

Betriebskosten ein wichtiges<br />

Kriterium, um sich für die Anschaffung<br />

bestimmter Modellreihen<br />

zu entscheiden. Selbstverständlich<br />

wird sich der Firmenberechtigte<br />

nicht für den Volkswagen<br />

Fox umstimmen lassen, wenn er<br />

für die automobile Oberklasse berechtigt<br />

ist. Dann kann der Blick in<br />

die Betriebskostentabelle aber<br />

durchaus dazu führen, dass anstatt<br />

eines Audi A6 quattroein Fünfer-BMW<br />

angeschafft wird. Selbstverständlich<br />

müssen die Ausstat-<br />

tung des Fahrzeuges, seine Farbe<br />

und einige andere Kriterien ebenfalls<br />

in die Überlegungen bei einer<br />

Neuanschaffung einbezogen werden.<br />

Die Betriebskosten darf man<br />

allerdings nie außer Acht lassen.<br />

Sonst ist die Gefahr sehr groß,dass<br />

aus einer vermeintlich günstigen<br />

Anschaffung ein Euro-Fresser<br />

werden kann.<br />

Zeiten haben<br />

sich geändert<br />

„Es gab Zeiten, da hat<br />

der Flottenmanager<br />

blind auf einen oder<br />

zwei Markennamen<br />

vertraut und die Autos ohne weiteres<br />

bestellt, davon ausgehend,<br />

dass er keine hohen Verluste mit<br />

Firmenwagen dieser Marke machen<br />

könnte. Geachtet wurde<br />

höchstens auf Dieselmotorisierung<br />

und die Leasingrate.Das war<br />

aber gestern“, sagt der Geschäftsführer<br />

von Jato Dynamics<br />

Deutschland Nick Margetts. Jato<br />

Dynamics bietet weltweit Automobildaten<br />

mit genauen, umfassenden<br />

und aktuellen Spezifikations-<br />

und Preisdaten an. An diesem<br />

Punkt arbeiten die Jato-Analysten,<br />

um jede Ecke der fälligen<br />

Gesamtkosten darzustellen, von<br />

Versicherung bis Wertverlust bei<br />

Sonderausstattungen, von Ölkapazitäten<br />

und Inspektionsintervallen<br />

bis hin zu Zins- und Verwaltungskosten.<br />

Und die Gesamtkosten<br />

in Cent proKilometer nehmen<br />

heutzutage auch die guten<br />

Flottenmanager unter die Lupe,<br />

bevor sie auf „Verbindlich bestellen“<br />

klicken.<br />

„Es geht nicht mehr nur um<br />

Verbrauchs- und CO 2-Werte. Obwohl<br />

die sogenannte grüne Bewegung<br />

bei Fuhrparkmanagern aus<br />

unternehmenspolitischen Gründen<br />

Fußgefasst hat, werden Fahrzeuge<br />

immer häufiger vorder Anschaffung<br />

auf eine umfassendere<br />

Kostenprobe gestellt, um die versteckten<br />

Geldvernichter auszufiltern,<br />

bevor sie in den Firmenbestand<br />

kommen können“, so Nick<br />

Margetts weiter.<br />

Die Besten aus jeder<br />

Fahrzeugklasse<br />

Anhand von Volumenfahrzeugen<br />

verschiedener Fahrzeugklassen<br />

(siehe Tabelle) haben die Experten<br />

vonAuDaCon, Jato Dynamics<br />

und Bähr &Fess Forecasts die Betriebskosten<br />

pro Kilometer bei einer<br />

Haltedauer von 36Monaten<br />

errechnet. Viele Komponenten<br />

wie Anschaffungspreis, Wertverlust,<br />

Verbrauch, Versicherung,<br />

Steuern und anderes spielen hier<br />

eine Rolle.<br />

Schaut man sich in den einzelnen<br />

Fahrzeugklassen mal genauer<br />

um, so kann mit der richtigen<br />

Wahl doch der ein oder andere<br />

Cent pro Kilometer gespart werden.<br />

Bei der Auswahl der Modelle<br />

wurden die volumenstärksten<br />

Autos des jeweiligen Segments<br />

und davon die am häufigsten zugelassenen<br />

Motorversionen ausgewählt.<br />

Bei den Minicars reichen die<br />

Betriebskosten von jeweils 18<br />

Cent proKilometer für den Toyota<br />

Aygo und Citroën C1 bis 21 Cent<br />

für die Besitzer des Renault Twingo.<br />

Bei den Kleinwagen öffnet sich<br />

die Kostenschere bereits um vier<br />

Cent pro Kilometer: Die geringsten<br />

Kosten mit 20 Cent – also<br />

schon einem Cent weniger als<br />

beim Kleinwagen Twingo –werden<br />

für den Skoda Fabia aufgerufen<br />

und 24 Cent lautet das Ergebnis<br />

für den Seat Ibiza. In der Kompaktklasse<br />

ermittelten die Experten<br />

24 Cent Betriebskosten für den<br />

Rüsselsheimer Ecoflex Astra, der<br />

Pilot des Wolfsburger Konkurrenten<br />

Golf muss dagegen 27 Cent<br />

pro Kilometer hinblättern. Legt<br />

der Fahrer Wert auf einen Premium-Kompaktwagen<br />

wie den fünftürigen<br />

BMW 118i lauten die Folgekosten<br />

33 Cent pro Kilometer.<br />

Das bedeutet in der Kompaktklasse<br />

einen Unterschied vonelf Cent<br />

proKilometer zwischen dem Rüsselsheimer<br />

und dem Münchner.In<br />

der Mittelklasse liegen mit einem<br />

Folgekostenunterschied von 17<br />

Cent für den VW Passat Variant<br />

beziehungsweise dem Opel Insignia<br />

Sports Tourer mit je 33 Cent<br />

und dem Audi Coupe A5 3.0 TDI<br />

Tip-tronic quattro (50 Cent) fast<br />

ARCHIVFOTO: AP<br />

Welten oder auf ein Jahr hochgerechnet<br />

6800 Euro.<br />

Ab der oberen Mittelklasse<br />

schießen die Betriebskosten in die<br />

Höhe. Unter 40 Cent pro Kilometer<br />

läuft nichts mehr. Mit Folgekosten<br />

von44Cent hat die E-Klasse<br />

Limousine E220 CDI Blue Efficiency<br />

von Mercedes in Sachen<br />

Betriebskosten die Nase vorn.<br />

Drei Cent mehr proKilometer kostet<br />

der BMW 520d Touring und für<br />

einen Audi A6 3.0 Avant TDI mit<br />

Tiptronic und Allrad werden sogar<br />

54 Cent nötig. Sofern man in<br />

der Luxusklasse mitfahren will,<br />

muss man mit 69 Cent proKilometer<br />

für einen 730d vonBMW rechnen.<br />

In Sachen Betriebskosten dominiert<br />

hier der Ingolstädter A8<br />

vonAudi mit 90 Cent Betriebskosten<br />

proKilometer.<br />

Bei den Vans dagegen geht es<br />

noch recht beschaulich zu. 30<br />

Cent betragen die Folgekosten für<br />

einen Nissan Qashqai und dann<br />

geht es in Cent-Schritten mit dem<br />

Ford C-Max (31Cent), Opel Zafira<br />

(32 Cent) und Mercedes B180 (34<br />

Cent) weiter.Bei den SUVs sind in<br />

Sachen Folgekosten der VW Tiguan<br />

und Ford Kuga auf der Gewinnerseite.<br />

Die Betriebskosten des<br />

Wolfsburger liegen mit 33 Cent<br />

um drei Cent niedriger als beim<br />

Zweitplazierten Kuga (36 Cent).<br />

Bei den größeren Geländegängern<br />

wird esteurer: So müssen beim<br />

BMW X5 55 Cent einkalkuliert<br />

werden und beim Mercedes ML<br />

300sogar 59 Cent.<br />

Gibt es durchgehende Gewinner<br />

unter den Marken? „Nur bedingt<br />

–erst bei näherer Betrachtung<br />

der Zahlen weiß man, ob ein<br />

heimisches oder importiertes Auto<br />

wirklich den besten Wert unter<br />

dem Strich haben wird“, sagt Jato-Deutschland-Chef<br />

Nick Margetts.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 6<br />

Rabattesind nurdie halbeWahrheit<br />

Mercedes-Niederlassung – Total Cost of Ownership<br />

die entscheidende Größe –60Prozent gewerbliches Geschäft<br />

Hans-Erwin Martens (57), Pkw-<br />

Verkaufsleiter bei der Mercedes-<br />

Niederlassung in Darmstadt<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Herr<br />

Martens, welchen Stellenwert<br />

nimmt das gewerbliche Geschäft<br />

derzeit ein?<br />

HANS-ERWIN MARTENS: Etwa<br />

60 Prozent beträgt der Anteil an<br />

gewerblichem Leasing in unserer<br />

Niederlassung in Darmstadt. Das<br />

entspricht etwa dem bundesweiten<br />

Trend bei Mercedes. Imvergangenen<br />

Jahr gab es eine Zurückhaltung<br />

der Kunden. Viele<br />

Leasingverträge wurden verlängert.<br />

Doch die Großkunden lösen<br />

den Stau auf.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Kombi<br />

oder Limousine, Diesel oder Benziner<br />

–was wirdvon den Kunden<br />

am häufigsten angefragt?<br />

MARTENS: Wer viel fährt, entscheidet<br />

sich aus Kostengründen<br />

nach wie vor für einen Diesel.<br />

Dauerbrenner ist bei uns zum einen<br />

das C-Klasse T-Modell als Diesel-Kombi.<br />

Es wird durch alle<br />

Branchen hinweg gerne genommen.<br />

Ein weiterer Favorit unter<br />

den Außendienstfahrzeugen ist<br />

der C220 CDI, eine geräumige Limousine.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Was<br />

macht den Kombi so attraktiv?<br />

Flottenmarkt<br />

festindeutscher Hand<br />

Marktüberblick – VW auf vordereRänge abonniert, aber Mercedes-Image unangefochten gut<br />

VON UTE KERNBACH<br />

Der Flottenmarkt gewinnt<br />

seit Jahren zunehmend an<br />

Bedeutung für die Autohersteller.<br />

„Die gewerblichen Zulassungen<br />

spielen eine enorme<br />

Rolle für die Wirtschaft und für die<br />

Fahrzeughersteller, ihr Anteil betrug<br />

im ersten Quartal 2010 wieder<br />

über 50 Prozent aller neuen Pkw in<br />

Deutschland, mit steigender Tendenz.<br />

Schon in der Designphase<br />

werden die kritischen Wünsche<br />

der Flottenmanager berücksichtigt.<br />

Günstige Betriebskosten, typische<br />

Vielfahrerausstattungen und<br />

leistungsfähige Dieselaggregate<br />

sind nur wenige der wichtigen Forderungen,<br />

damit Großkunden der<br />

Marke weiterhin treu bleiben“, so<br />

Jato-Deutschland-Chef Nick Margetts.Nicht<br />

nur großzügige Rabattierungen<br />

sind es, mit denen die<br />

Hans-Erwin Martens<br />

ARCHIVFOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />

MARTENS: Das Platzangebot<br />

und der Lifestyle-Aspekt. Viele<br />

Kunden nutzen den Wagen nicht<br />

nur als Arbeitsplatz, sondern<br />

auch privat für die Familie.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Ist das<br />

Leasing-Geschäft schwieriger geworden?<br />

MARTENS: Es war schon immer<br />

schwierig. Wir müssen auf jeden<br />

Fall viel Überzeugungsarbeit leisten.<br />

WIRTSCHAFTECHO: Inwiefern?<br />

MARTENS: Es werden viele Rabattschlachten<br />

geführt und oft orientieren<br />

sich Kunden an dem Listenpreis<br />

eines Fahrzeugs.Aber eine<br />

Beurteilung nach Listenpreis<br />

wird völlig schief und Rabatte<br />

sind nur die halbe Wahrheit. Relevant<br />

sind die „Total Costs of Ownership“,<br />

also die Kosten, die insgesamt<br />

anfallen und unter anderemauch<br />

den Restwert eines Fahrzeugsberücksichtigen.<br />

Und<br />

da können wir<br />

ganz klar<br />

punkten.<br />

WIRT-<br />

SCHAFTS-<br />

ECHO: Sind<br />

ökologische<br />

Aspekte Themen<br />

bei Leasingfahrzeugen?<br />

MARTENS:<br />

Auf jeden Fall.<br />

Schon allein<br />

deshalb, weil<br />

Großkunden<br />

mit ihrer FahrzeugflottegesetzlicheVorgabeneinhalten<br />

müssen,<br />

wasden CO 2-<br />

Ausstoß betrifft.<br />

Mit unserenBlue-Efficiency-Modellen<br />

bieten wir<br />

zahlreiche Maßnahmenpakete<br />

an, die zum Beispiel durch Getriebeabstufung,Gewichtseinsparung<br />

und verbesserte Aerodynamik<br />

Kraftstoffverbrauch und<br />

Emissionen optimieren.<br />

Das Interview führte<br />

Sabine Eisenmann<br />

Produzenten auf Kundenfang gehen;<br />

auch Sondermodelle, die mit<br />

speziellen „Flottenausstattungen“<br />

versehen werden, drängen immer<br />

häufiger auf diesen viel umkämpften<br />

Markt.<br />

Welches Fahrzeug aus dieser<br />

schier unüberschaubaren Angebotsvielfalt<br />

letztlich das Richtige<br />

ist, verrät nach wie vor der Blick<br />

auf die allgemeine Zulassungsstatistik.<br />

Hier treten die „üblichen<br />

Verdächtigen“ gegeneinander an:<br />

Golf und Co., BMW, Audi und<br />

Mercedes. Insofern keine Überraschungen.<br />

Unangenehme Überraschungen<br />

hingegen kann es geben,<br />

wenn die Kenntnisse über<br />

den zukünftigen Wertverlust nur<br />

unzureichend sind oder gar fehlen.<br />

Dann werden, je nach Größe<br />

der Flotte, schnell ein paar hunderttausend<br />

Euroinder Kasse fehlen.<br />

„Kunden wollen<br />

Service und Beratung“<br />

Flott im Geschäft: Der Skoda Superb Combi findet zunehmend als Firmenfahrzeug Absatz. FOTO: SKODA<br />

VW-Vielfalt – Sascha Krammig vom Autohaus Wiest ist<br />

nicht nur Verkaufsleiter,sondern auch Fuhrparkmanager<br />

VON SABINE EISENMANN<br />

Die Flaute im Flottengeschäft<br />

scheint überwunden.<br />

Bis zu 50 Prozent beträgt<br />

der Anteil am gewerblichen<br />

Geschäft. Doch gerade Anbieter<br />

der großen Marken müssen Überzeugungsarbeit<br />

leisten. Neben<br />

Prestige rücken Kosten und Service<br />

immer mehr in den Vordergrund.<br />

„Die Kunden sind anspruchsvoller<br />

geworden, es wird<br />

härter verhandelt“, ist die Erfahrung<br />

von Sascha Krammig (40),<br />

Verkaufsleiter beim Autohaus<br />

Wiest in Darmstadt. Neben Volkswagen<br />

und Audi führt das Unternehmen<br />

die Marke Skoda. Mit<br />

wachsendem Erfolg, wie Krammig<br />

sagt. „Fahrzeuge von Volkswagen<br />

und Audi genießen nach<br />

wie vor einen hohen Stellenwert<br />

am Markt. Der Audi A4 Avant ist<br />

zum Beispiel eines unserer Volu-<br />

Tendenzen im Flottenmarkt<br />

können auch regelmäßigen Befragungen<br />

der Flottenverantwortlichen<br />

entnommen werden, die ihre<br />

automobilen Präferenzen für<br />

die nächsten zwei bis drei Jahre<br />

kundtun. Dies wird sicherlich zu<br />

Verschiebungen innerhalb der<br />

ersten zehn Ränge führen, allerdings<br />

kann es als ausgeschlossen<br />

gelten, dass es wirklich neue Fahrzeuge<br />

in die TopTen schaffen werden.<br />

Die Dominanz der heimischen<br />

Automobilhersteller ist dafür<br />

einfach zu groß.Esscheint, als<br />

ob VW auf die vorderen Ränge<br />

abonniert sei.<br />

Mercedes, sokönnte man meinen,<br />

hat an Nimbus verloren,<br />

glaubt man der veröffentlichten<br />

Meinung. Dieter Fess, Mitinhaber<br />

der „Bähr & Fess Forecasts“ in<br />

Saarbrücken, hat hierzu eine etwas<br />

differenziertere Einstellung:<br />

menmodelle.Aber Fahrzeuge von<br />

Skoda wie der Superb werden immer<br />

häufiger als Firmenfahrzeuge<br />

eingesetzt. Aus Kostengründen<br />

und weil sie mittlerweile ein gutes<br />

Image haben.“<br />

Gefragt seien nach wie vorDieselfahrzeuge<br />

mit einer Motorisierung<br />

zwischen 105 und 170 PS.<br />

Bei der Karosserie schlägt bei<br />

Wiest der Kombi klar die Limousine.„Die<br />

Fahrzeuge haben längst<br />

nicht mehr das Handwerker-<br />

Image.Sie sind hübsch, praktisch<br />

und vor allem multifunktional.<br />

Außendienstmitarbeiter brauchen<br />

Platz, ganz gleich, welcher<br />

Branche sie angehören. Sie haben<br />

immer mehr im Gepäck als ein<br />

Notebook. Keine Kompromisse<br />

machten die Kunden – zumeist<br />

seien dies Außendienstmitarbeiter<br />

in der IT-Branche – bei der<br />

„Die Deutschen neigen, in allen<br />

Bereichen des gesellschaftlichen,<br />

wirtschaftlichen und politischen<br />

Lebens dazu, ihrer eigenen Ikonen<br />

überdrüssig zu werden. Die Tatsache,<br />

dass ein Automobilhersteller,<br />

der wie kein anderer seit Jahrzehnten<br />

mit Solidität und Sicherheit in<br />

Verbindung gebracht wird, wie<br />

eben Mercedes, zu schwächeln<br />

scheint, wirdmit etwas übertriebener<br />

Genugtuung und geradezu genüsslich<br />

in der Öffentlichkeit ausgeschlachtet.<br />

Dennoch ist das Markenimage,<br />

das zeigen Untersuchungen<br />

unterschiedlichster Provenienz,<br />

nach wie vor unangefochten<br />

gut. Dies alleine,inVerbindung<br />

mit den Anstrengungen, die<br />

bei Mercedes unternommen werden,<br />

sorgt dafür, dass auch in Zukunft<br />

mit den Untertürkheimern<br />

zu rechnen sein wird –vielleicht<br />

noch mehr als schon bisher!“<br />

Wahl der Farbe: „Schwarz und Silber<br />

sind die Favoriten“, sagt<br />

Krammig. Immer häufiger entschieden<br />

ökologische Aspekte bei<br />

der Wahl der Firmenflotte. „Bluemotion“<br />

heißt das Ausstattungspaket,<br />

mit dem Volkswagen bei<br />

seinen Modellen den CO 2-Ausstoß<br />

verringert. Leichtlaufreifen, die<br />

den Verbrauch senken, gehören<br />

dazu. Und vor allem Service sei<br />

gefragt. Hol- und Bringservice sei<br />

mittlerweile selbstverständlich.<br />

Zusätzlich bietet Wiest einen separaten<br />

Service-Schalter für Geschäftskunden<br />

an. „Sie geben das<br />

Fahrzeug ab und bekommen umgehend<br />

ein Ersatzfahrzeug, so<br />

dass sie keine langen Wartezeiten<br />

haben.“ Verkaufsleiter Sascha<br />

Krammig ist zugleich zertifizierter<br />

Image scheint auch das Stichwort<br />

und die Erklärung dafür zu<br />

sein, warum im Ausland renommierte<br />

Marken wie Peugeot, Alfa<br />

und Lexus hierzulande im Flottenmarkt,<br />

aber auch generell, nur ein<br />

Mauerblümchendasein fristen.<br />

Der durchschnittliche Firmenwagenfahrer<br />

scheint geradezu „reflexmäßig“<br />

auf die deutschen Marken<br />

zurückzugreifen und findet<br />

sich damit durchaus repräsentativ<br />

im allgemeinen deutschen Zulassungsklima<br />

wieder.InFrankreich,<br />

wie generell im europäischen<br />

Ausland, sehen die Bestückungen<br />

im Flottenmarkt ähnlich aus, das<br />

heißt auch hier sind die deutschen<br />

Fabrikate in den Spitzenpositionen<br />

zu finden, aber die lokalen<br />

„Einsprengsel“ von Peugeot 607<br />

und 407 sowie Renault Megane<br />

und anderen sind deutlicher als<br />

dies hierzulande der Fall ist.<br />

Sascha Krammig FOTO: WIEST<br />

Fuhrparkmanagement-Berater<br />

und versorgt seine Kunden nicht<br />

nur mit den geeigneten Fahrzeugen,<br />

sondern auch mit nützlichen<br />

Tipps und Infos rund um das Thema<br />

Fuhrpark und Firmenflotte.<br />

„Das wird heutzutage erwartet.<br />

Unser Beratungsangebot ist<br />

enorm gestiegen.“<br />

Flottenmarkt<br />

VW liegt vorn<br />

Durch die Abwrackprämie kam2009<br />

der deutsche Automarkt ordentlich<br />

auf Touren: Plus 23,2 Prozent auf<br />

mehr als 3,8 Millionen Neuzulassungen.<br />

Das Flottengeschäft aber legte<br />

den Rückwärtsgang ein –minus 22,4<br />

Prozent. Insgesamt wurden nur noch<br />

knapp 537 800 Flotten-Pkw verkauft<br />

nach 692 600 im Jahr davor.<br />

Stärkste Marke war hierzulande<br />

erneut VW mit 132 300Zulassungen<br />

und 24,6 Prozent Marktanteil. Es folgen<br />

Audi (81700/15,2 Prozent),<br />

BMW (64 200/11,9), Mercedes<br />

(51 700/9,6), Opel (44 200/8,2), Ford<br />

(43 300/8,1), Skoda (16 900/3,2),<br />

Renault (15 600/2,9), Peugeot<br />

(9300/1,7) und Volvo (8800/1,6).<br />

Das Ranking der gefragtesten Modelle<br />

führt der VW Passat an mit<br />

40 200Neuzulassungen vorAudi A4<br />

(33 200) und VW Golf (31100).<br />

[Infobox]


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 7<br />

Jörn Ziethmann<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

JörnZiethmann (43) arbeitet seit 2001 beim<br />

Darmstädter Dax-KonzernMerck KGaA. Der<br />

Leasing-Fachwirtist dortals Car-Fleet-Manager<br />

für 630 Fahrzeuge zuständig. Underhat eine<br />

internationale Koordinierungsfunktion inne für<br />

4500 Fahrzeuge. Zuvor warZiethmann bei Leasing-Gesellschaften<br />

tätig. Wirsprachen mit ihm<br />

über Kriterien bei der Anschaffung von Autos,<br />

ökologische Aspekte und die Untiefen des Alltags<br />

in diesem Job.<br />

Beispiel Merck –<br />

Flottenmanager Jörn Ziethmann hat stets auch<br />

den Verbrauch im Blick –Beschränkung auf<br />

wenige Hersteller –Meist Full-Service-Leasing<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Herr<br />

Ziethmann, welche Kriterien haben<br />

bei der Anschaffung von<br />

Fahrzeugen in ihrem Haus Priorität?<br />

JÖRN ZIETHMANN: Wir haben<br />

die Hersteller begrenzt auf Volkswagen,<br />

Audi, Mercedes und<br />

BMW in erster Linie. Als Abteilungsfahrzeuge<br />

kommen Opel-<br />

Modelle hinzu. Der Hintergrund<br />

ist der: In der Breite bekommen<br />

wir keine guten Nachlässe. Hier<br />

zu bündeln ist von Vorteil. Deutsche<br />

Marken werden bevorzugt<br />

aufgrund der vielen Incentive-<br />

Themen. Und deutsche Nutzer<br />

wollen in erster Linie deutsche<br />

Fahrzeuge fahren.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Warum<br />

ist dem so?<br />

ZIETHMANN: Es gibt teilweise<br />

eben auch einen Qualitätsunterschied.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: In welcher<br />

Beziehung?<br />

ZIETHMANN: Wir hatten mal für<br />

eine gewisse Zeit auch Peugeot<br />

aufgenommen und da einige<br />

Probleme. Beispielsweise bei Ersatzteillieferungen<br />

bis hin zur Karosserieform<br />

und dem Umstand,<br />

dass die Kennzeichen tief angebracht<br />

warenund regelmäßig verloren<br />

gegangen sind.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Hat die<br />

Beschränkung auch einen Grund<br />

darin, dass sie die Komplexität in<br />

der eigenen Werkstatt verringern<br />

wollen; oder gehen alle Fahrzeuge<br />

zur Wartung nach draußen?<br />

ZIETHMANN: Das ist nicht von<br />

der Hand zu weisen. Für unsere<br />

Management-Fahrzeuge haben<br />

wir in Darmstadt eine eigene<br />

Werkstatt. Der größte Teil der<br />

Flotte ist im Full-Service-Leasing<br />

untergebracht. Das beinhaltet Instandhaltung,<br />

Reifenersatz,<br />

Kraftstoffbezug und das durch<br />

Externe, weil unser Außendienst<br />

ja auch bundesweit unterwegs ist<br />

und wir das nicht regional lösen<br />

können.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Arbeiten<br />

sie da mit mehreren Leasinggesellschaften<br />

zusammen?<br />

ZIETHMANN: Ja, momentan<br />

sind es drei. Wir schreiben sozusagen<br />

in kleinerem Rahmen aus<br />

pro Fahrzeugbestellung. Wir haben<br />

da ein gutes System aufgebaut<br />

und können die Administration<br />

klein halten. UnsereLeasing-<br />

geber sind Daimler Fleet, Alphabet<br />

für BMW und Leaseplan.<br />

Deutsche<br />

Fahrzeuge<br />

mit Dieselmotor<br />

in dunklen Farben<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Zurück<br />

zu den Kriterien, um etwas mehr<br />

Tiefenschärfe reinzubringen hinsichtlich<br />

Spritverbrauch respektive<br />

CO 2-Ausstoß. Wie wichtig ist<br />

das Thema geworden?<br />

ZIETHMANN: Es ist für Merck sicher<br />

wichtiger geworden, als es<br />

früher war. Wir haben mittlerweile<br />

auch im Managementbereich<br />

CO 2-Beschränkungen sowie eine<br />

Malusvereinbarung mit den Mitarbeitern.<br />

Ab 180 Gramm CO 2 je<br />

Kilometer kostet es einen Aufschlag<br />

pro Gramm.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Wie teuer<br />

ist da jedes Gramm?<br />

ZIETHMANN: Fünf Euro. Beispiel:<br />

Wenn jemand einen Mercedes<br />

E350 nehmen würde, T-Modell,<br />

Benziner, dann liegt er 19<br />

Gramm drüber,was also rund 100<br />

Euro imMonat kostet. Das ist beträchtlich.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Gibt es<br />

dennoch genug Interessenten für<br />

solche Autos?<br />

ZIETHMANN: Wir konnten fast<br />

alle dazu bringen, Dieselfahrzeuge<br />

zu wählen. Die liegen hier<br />

deutlich günstiger durch ihren geringen<br />

Verbrauch.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Wie hoch<br />

ist die Dieselquote?<br />

ZIETHMANN: Die liegt bei 95<br />

Prozent.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Das heißt<br />

im Umkehrschluss, alternative<br />

Antriebe wie Hybrid oder Gas<br />

sind kein Thema?<br />

ZIETHMANN: Wir haben alles<br />

geprüft. So sind die Leasingkonditionen<br />

bei Flüssiggas-Autos nicht<br />

günstig, weil diese Fahrzeuge<br />

beim Wiederverkauf nicht mehr<br />

viel bringen, der Restwert niedrig<br />

ist. Der bestimmt ja die monatliche<br />

Rate. Auch die Leistungseffektivität<br />

spricht für den Selbstzünder.<br />

Nachlässe für Gasautos<br />

durch die Energiewirtschaft ändern<br />

an der Betrachtung nichts.<br />

Zudem ist das Netz an Tankstellen<br />

für Flüssiggas immer noch nicht<br />

groß genug, um flächendeckend<br />

zu sein für Außendienstler.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Befassen<br />

sie sich schon mit Elektromobilität?<br />

ZIETHMANN: Die verfügbaren<br />

Fahrzeuge sind momentan leider<br />

noch unwirtschaftlich. Reine E-<br />

Autos ohnehin, aber auch Hybridmodelle<br />

sind noch zu teuer. Zudem<br />

haben diese höhereKosten in<br />

der Instandhaltung und bieten<br />

teilweise weniger Platz wegen der<br />

großen Batterien.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Wie hoch<br />

ist der Spritkostenanteil denn bei<br />

Merck?<br />

ZIETHMANN: Der liegt bei einem<br />

Drittel.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Bisweilen<br />

sollen es in anderen Firmen<br />

schon 50 Prozent sein. Gibt es<br />

Spritspartrainings, schauen sie<br />

sich die individuellen Verbräuche<br />

an?<br />

ZIETHMANN: Wir haben vor einigen<br />

Jahren entsprechende Trainings<br />

durchgeführt, hatten kurzfristig<br />

auch Erfolg. Ohne dauerhafte<br />

Kommunikation verpufft<br />

derlei aber schnell. Da sind wir<br />

noch nicht soweit. Wir haben jedoch<br />

alles im Blick, wenn es Ausreißer<br />

beim Verbrauch gibt.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Waswäre<br />

ein Ausreißer?<br />

ZIETHMANN: Die Hersteller liegen<br />

mit ihren Angaben ja regelmäßig<br />

zu tief. Tatsächlich sind es<br />

mindestens ein bis 1,5 Liter mehr.<br />

Wenn jemand mehr als zwei Liter<br />

je 100 Kilometer darüber liegt,<br />

dann wirderangesprochen.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Und neben<br />

dem Verbrauch, wie steht es<br />

ums automobile Image.Ist das ein<br />

Faktor?<br />

ZIETHMANN: Ja. Das Imagethema<br />

spielt bei Merck wie bei allen<br />

anderen Gesellschaften eine große<br />

Rolle.Deshalb hat es beispielsweise<br />

Opel schwer,Fuß zu fassen.<br />

Obwohl die Rüsselsheimer mit ihrer<br />

neuen Modellpolitik auf dem<br />

richtigen Weg sind. Wir haben<br />

aber auch sehr gute Rahmenvertragskonditionen<br />

mit den anderen<br />

deutschen Herstellern. Der Dreier-BMW<br />

ist für uns das günstigste<br />

Fahrzeug momentan.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Wassind<br />

die beliebtesten Modelle?<br />

ZIETHMANN: Der 320 Touring<br />

von BMW ist das Referenzfahrzeug<br />

für den Außendienst. Im Management<br />

spielt der 520diese Rolle.<br />

Bei Mercedes ist es die C-Klasse,T-Modell,<br />

also auch Kombi beziehungsweise<br />

der E350.Bei Audi<br />

ist es A4 Avant 2.0 mit 140 PS und<br />

der A6 2.7 beziehungsweise 3.0<br />

TDi. Volkswagen und Audi nehmen<br />

den Hauptanteil ein, über 50<br />

Prozent. BMW kommt auf 20 Pro-<br />

zent, Daimler auf 18 Prozent,<br />

Opel auf acht Prozent. BMW und<br />

Mercedes aber holen auf.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Und wie<br />

steht es um die Individualisierung,<br />

etwadie Farbe?<br />

ZIETHMANN: Da müssen wir<br />

schauen, was die Leasinggesellschaften<br />

vorgeben. Die Farbe<br />

weiß –obwohl sie als trendy gilt –<br />

ist nach wie vornicht möglich wegen<br />

der Restwertproblematik. Andere<br />

Farben, die unseriös daherkommen,<br />

schließen wir auch aus.<br />

Beispiel: Feuerwehrrot.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Aber es<br />

gibt keine Corporate Identity-Vorgabe,<br />

etwablau mit Schriftzug?<br />

ZIETHMANN: Nein. Gibt es definitiv<br />

nicht. Es sollten jedoch bevorzugt<br />

dunkle Farben gewählt<br />

werden. Oder Silber.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Und wie<br />

steht es mit Sicherheitsfeatures.<br />

Machen Sie hier Vorgaben?<br />

ZIETHMANN: Die sind ja fast alle<br />

Serie wie ESP oder ABS. Vorgeschrieben<br />

wirddurch uns die Einparkhilfe<br />

Parc Distance Control.<br />

Denn wir haben wie andere auch<br />

eine Menge Einparkschäden.<br />

Gleichwohl ist die Schadensquote<br />

über alles von65Prozent gut.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Gibt es Limits<br />

bei den Kaufpreisen?<br />

ZIETHMANN: Die Limits sind<br />

durch das Referenzfahrzeug gegeben.<br />

Auf dieses Fahrzeug darf<br />

höchstens 100Europro Monat zugezahlt<br />

werden. Es geht also über<br />

die monatliche Rate, nicht über<br />

den Listenpreis.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Wie stufen<br />

sie die Qualität der Fahrzeuge<br />

generell ein?<br />

ZIETHMANN: Alle relativ ähnlich<br />

bei Audi, BMW und Mercedes.Die<br />

Qualität wechselt immer mal wieder<br />

ab. Wir haben Probleme gehabt<br />

bei Mercedes mit der E-Klasse.Mit<br />

Audi haben wir kontinuierlich<br />

gute Erfahrungen, ungleichmäßiger<br />

Reifenverschleiß einmal<br />

ausgenommen. Bei BMW ist mir in<br />

den letzten Jahren nichts bekannt<br />

geworden. Die Fahrzeuge sind ja<br />

auch maximal 3,5 Jahre alt im<br />

Schnitt bei einer Laufleistung von<br />

150000 Kilometern im Außenund<br />

rund 100000 im Innendienst.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Wie halten<br />

sie es als Fuhrpark-Chef mit<br />

der Kontrolle der aktuellen Fahrerlaubnis?<br />

ZIETHMANN: Dafür sind die Geschäftsführer<br />

der Tochtergesellschaften<br />

verantwortlich, auf die<br />

die Fahrzeuge zugelassen sind.<br />

Die Führerscheinkontrolle führen<br />

wir zweimal pro Jahr inhouse<br />

durch. Wir schauen uns gerade<br />

an, was extern möglich ist über<br />

spezielle Dienstleister.<br />

Das Interviewführte<br />

Achim Preu


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 8<br />

VON KATJA LÖHR-MÜLLER<br />

Welche rechtlichen<br />

Pflichten treffen einen<br />

Fuhrparkleiter? Diese<br />

Frage löst in der der Praxis regelmäßig<br />

heftige Diskussionen aus.<br />

Insbesondere dann, wenn eine<br />

schriftliche Aufgabenzuweisung<br />

durch das Unternehmen nicht erfolgt<br />

ist, besteht große Unsicherheit<br />

bei den betroffenen Mitarbeitern.<br />

Wasgehört also zum Pflichtenkreis<br />

desjenigen, dem die Fahrzeugflotte<br />

von seinem Arbeitgeber<br />

zugewiesen wurde und der<br />

den Fuhrpark in eigener Verantwortung<br />

leiten soll?<br />

Mit einer solchen Aufgabendelegation<br />

übernimmt ein Fuhrparkverantwortlicher<br />

diejenigen<br />

Pflichten, die sich aus der Haltereigenschaft<br />

für die Firmenfahrzeuge<br />

des Unternehmens ergeben.<br />

Gleichgültig ist hierbei, ob es<br />

sich um gekaufte Fahrzeuge handelt<br />

oder diese im Wege des Leasing<br />

genutzt werden.<br />

Geldstrafe oder<br />

Freiheitsstrafe<br />

In strafrechtlicher Hinsicht bedeutet<br />

das zunächst, dass sich der<br />

Fuhrparkverantwortliche selbst<br />

strafbar machen kann, wenn<br />

Fahrzeuge von Mitarbeitern gefahren<br />

werden, die nicht über die<br />

erforderliche Fahrerlaubnis verfügen.<br />

Der Gesetzgeber sieht hierfür<br />

eine Geldstrafe oder sogar eine<br />

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr<br />

vor. Der Fuhrparkleiter als Träger<br />

der Halterverantwortung für die<br />

Firmenfahrzeuge hat deshalb sicherzustellen,<br />

dass sämtliche<br />

Fahrzeugnutzer im Besitz einer<br />

für das Fahrzeug erforderlichen<br />

gültigen Fahrerlaubnis sind.<br />

Hierfür ist ein geeignetes Kontrollsystem<br />

zur Führerscheinüberprüfung<br />

im Unternehmen<br />

einzurichten. Dabei ist nicht nur<br />

zu prüfen, ob der Mitarbeiter<br />

überhaupt eine Fahrerlaubnis besitzt,<br />

sondern auch, für welche<br />

Fahrzeugklasse der Führerschein<br />

ausgestellt wurde und ob dem<br />

Führerscheininhaber gegebenenfalls<br />

Auflagen erteilt wurden. In<br />

welchen Abständen die Kontrolle<br />

des Führerscheins erfolgen sollte,<br />

ist für jedes Unternehmen individuell<br />

festzulegen. Häufig werden<br />

solche Überprüfungen zweimal<br />

im Jahr vorgenommen. Ein bestimmter<br />

Zyklus wird allerdings<br />

vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben.<br />

Da eine Führerscheinkontrolle<br />

nicht immer durch den Fuhrparkverantwortlichen<br />

oder von ihm<br />

beauftragte andere Mitarbeiter<br />

durchgeführt werden kann, ist es<br />

auch zulässig, eine firmenexterne<br />

Führerscheinkontrolle durchzuführen.<br />

Im Zuge der immer größer<br />

werdenden Sensibilisierung der<br />

Unternehmen hinsichtlich Fragen<br />

zur Halterhaftung bei Firmenfahrzeugen<br />

bietet heute eine Anzahl<br />

von Drittunternehmen (zum Beispiel<br />

TÜV oder Dekra) die Führerscheinkontrolle<br />

als Serviceleistung<br />

an. Das ist insbesondere für<br />

Unternehmen interessant, die ei-<br />

Katja Löhr-Müller FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

DemFuhrparkleiter fährt<br />

manals erstes an den Karren<br />

Pflichten – Schriftliche Aufgabenzuweisung durch die Geschäftsleitung dient der Rechtssicherheit –<br />

Regelmäßige Prüfung der Führerscheine und vieles mehr gehört dazu<br />

nen dezentralen Fuhrpark vorhalten.<br />

Gerade dann, wenn der<br />

Standort der Firmenfahrzeuge<br />

über ganz Deutschland verteilt<br />

ist, stellt die Führerscheinkontrolle<br />

für das Unternehmen ein logistisches<br />

Problem dar. Für sämtliche<br />

Formen der externen Kontrolle<br />

gilt, dass die „Kontrolleure“ des<br />

ausgewählten Dienstleistungsunternehmens<br />

über entsprechende<br />

Fachkenntnisse zur ordnungsgemäßen<br />

Führerscheinprüfung verfügen<br />

sollten. Statt eine Sichtprüfung<br />

des Führerscheins vorzuneh-<br />

men, bedienen sich immer häufiger<br />

Unternehmen der elektronischen<br />

Führerscheinkontrolle, wie<br />

sie etwa bei LapID angeboten<br />

wird.<br />

In bußgeldrechtlicher Hinsicht<br />

ergibt sich aus der Halterverantwortung<br />

auch die Verantwortung<br />

für den Zustand des Fahrzeugs.<br />

Befindet sich etwader Firmenwagen<br />

in nicht verkehrstüchtigem<br />

Zustand, kann es gegen den Fuhrparkmanager<br />

zu einem Bußgeldverfahren<br />

kommen. Zudem muss<br />

er mit einer Eintragung vonPunk-<br />

Unternehmen und Person<br />

ten im Verkehrszentralregister<br />

rechnen. Da der Fuhrparkverantwortliche<br />

die Verantwortung für<br />

die Betriebs- und Verkehrssicherheit<br />

der Firmenfahrzeuge trägt,<br />

sollten von ihm in regelmäßigen<br />

Abständen an den Fahrzeugen,<br />

die vonwechselnden Nutzern gefahren<br />

werden (wie Nutzfahrzeuge<br />

oder Poolfahrzeuge), Fahrzeugkontrollen<br />

durchgeführt werden.<br />

Natürlich kann der Fuhrparkleiter<br />

mit der Durchführung<br />

dieser Maßnahmen auch andere<br />

Personen beauftragen. Bei Fahr-<br />

Die Kanzlei Groth &Müller –1975 gegründet –ist<br />

die größte Rechtsanwaltskanzlei in Rüsselsheim<br />

und dem Kreis Groß-Gerau. Die Kanzlei ist überwiegend<br />

in den verschiedenen Bereichen des Zivilund<br />

Wirtschaftsrechtes tätig. Mit sieben Rechtsanwälten,<br />

davonzweiFachanwälte für Familienrecht,<br />

ein Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und<br />

ein Fachanwalt Steuerrecht werden die Mandanten<br />

bei ihren privaten und geschäftlichen Entscheidungen<br />

sowie bei der Durchsetzung ihrer außergerichtlichen<br />

und gerichtlichen Ansprüche qualifiziert<br />

und engagiert begleitet. Daneben bietet das Notariat<br />

der Kanzlei mit zwei Notaren das gesamte Spektrum<br />

notarieller Tätigkeiten an.<br />

Die promovierte Rechtsanwältin Katja Löhr-Müller<br />

arbeitet speziell in den Tätigkeitsfeldern Vertragsrecht,<br />

Fuhrparkrecht, Leasingrecht, Markenrecht<br />

sowie Wettbewerbs- und Urheberrecht. Sie ist<br />

Referentin beim Deutschen Verkehrsgerichtstag<br />

und Fachjournalistin im Bereich des Fuhrparkrechtes<br />

(www.fuhrparkrecht.com).<br />

Weitere Informationen: www.groth-mueller.de<br />

[Infobox]<br />

zeugen, die einem Mitarbeiter für<br />

eine gewisse Dauer zur alleinigen<br />

Nutzung überlassen wurden,<br />

muss der Fuhrparkleiter in regelmäßigen<br />

Abständen durch Stichproben<br />

kontrollieren beziehungsweise<br />

kontrollieren lassen und dokumentieren,<br />

ob Inspektionen,<br />

erforderliche Hauptuntersuchungen<br />

und die vonder Berufsgenossenschaft<br />

geforderten Sachkundigenprüfungen<br />

ordnungsgemäß<br />

durchgeführt worden sind.<br />

Werden im Unternehmen Mitarbeiter<br />

eingesetzt, die dem Fahrpersonalrecht<br />

unterliegen, können<br />

den Fuhrparkleiter auch die<br />

mit dem Einsatz vonFahrpersonal<br />

verbundenen Unternehmerpflichten<br />

auf Grundlage der Sozialvorschriften<br />

im Straßenverkehr treffen.<br />

Das Fahrpersonalrecht findet<br />

Anwendung auf Fahrzeuge,die im<br />

Güterverkehr eingesetzt werden<br />

und eine zulässige Gesamtmasse<br />

von über 2,8 taufweisen.<br />

Lenk-, Ruhezeiten sowie<br />

weitere Vorschriften<br />

Neben der Beachtung von Lenkund<br />

Ruhezeiten ist der Fuhrparkleiter<br />

auch für die Beachtung der<br />

Verpflichtungen, die sich aus den<br />

Unfallverhütungsvorschriften für<br />

Fahrzeuge – insbesondere der<br />

BGVD29 –ergeben, zuständig. So<br />

finden diese Vorschriften auf jedes<br />

Fahrzeug Anwendung, das<br />

von einem Unternehmen betrieblich<br />

eingesetzt wird. Betroffen<br />

sind damit nicht nur Lkw oder<br />

Fahrzeuge im Güterverkehr, sondern<br />

auch jeder Dienstwagen. Firmenfahrzeuge<br />

sind danach etwa<br />

mit einer Warnweste auszurüsten,<br />

an die Ladungssicherung<br />

werden besondere Anforderungen<br />

gestellt und die Fahrzeuge<br />

müssen vor Fahrtantritt vom Fahrereiner<br />

Sichtprüfung unterzogen<br />

werden. Der Fuhrparkleiter hat<br />

hier Maßnahmen zu treffen, um<br />

sicherzustellen, dass diesen Verpflichtungen<br />

nachgekommen<br />

wird. Gleiches gilt auch für die<br />

Sachkundigenprüfung, die mindestens<br />

einmal jährlich an jedem<br />

Firmenfahrzeug durchzuführen<br />

ist. Da ein Unternehmen, das Mitarbeitern<br />

Fahrzeuge zur dienstlichen<br />

Nutzung zur Verfügung stellt,<br />

verpflichtet ist, die Mitarbeiter in<br />

das Fahrzeug einzuweisen, fällt<br />

auch diese Aufgabe in der Regel in<br />

den Verantwortungsbereich eines<br />

Fuhrparkleiters. In Zusammenarbeit<br />

mit der Geschäftsleitung ist es<br />

deshalb zweckdienlich, Betriebsanweisungen<br />

für die Nutzung von<br />

Firmenfahrzeugen zu erlassen.<br />

Die entsprechenden Verpflichtungen<br />

des einzelnen Fahrzeugnutzers<br />

können sich natürlich auch<br />

aus einer Dienstwagenrichtlinie<br />

oder einem Überlassungsvertrag<br />

ergeben. Aufgabe des Fuhrparkleitersist<br />

es dabei, durch regelmäßige<br />

Stichproben zu überprüfen, ob die<br />

erteilten Anweisungen auch beachtet<br />

werden.<br />

Die Funktion eines Fuhrparkleitersbeinhaltet<br />

schließlich eine<br />

gesteigerte Vertraulichkeit im Umgang<br />

mit persönlichen Daten von<br />

Fahrzeugnutzern. Datenschutzrechtliche<br />

Bestimmungen sind insoweit<br />

strikt einzuhalten. Bedient<br />

sich der Fuhrparkverantwortliche<br />

zur Erfüllung seiner Aufgaben anderer<br />

Mitarbeiter, haben diese<br />

sich ebenfalls den datenschutzrechtlichen<br />

Bestimmungen strikt<br />

zu unterwerfen.<br />

AufGrund der Vielfältigkeit der<br />

Aufgaben eines Fuhrparkverantwortlichen,<br />

insbesondere auch in<br />

rechtlicher Hinsicht, sollte jeder<br />

Fuhrparkleiter seine Geschäftsleitung<br />

auffordern, eine schriftliche<br />

Aufgabenzuweisung für den Fuhrpark<br />

vorzunehmen, in der die Verpflichtungen<br />

des Fuhrparkmanagers<br />

ausdrücklich benannt werden.<br />

Eine solche Vorgehensweise<br />

dient der Rechtssicherheit. Aber jeder<br />

Fuhrparkverantwortliche sollte<br />

bedenken: Eine Haftung kann<br />

sich bereits aus seiner Position im<br />

Unternehmen ergeben, ohne dass<br />

dies ausdrücklich schriftlich niedergelegt<br />

wurde.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 9<br />

Zum Lunch mit …<br />

SONJA SATTLER<br />

VON ILKA ENNEN<br />

Sonja Sattler<br />

Wer die Schöpfungsgeschichte<br />

in zynischer<br />

Stimmung und konsequent<br />

männerfeindlich zu Ende<br />

denkt, den überrascht es nicht,<br />

dass Frauen selten mit ihrem<br />

Aussehen zufrieden sind. Wenn<br />

Gott Eva aus einer Rippe Adams<br />

erschaffen hat, ist es kein Wunder,<br />

dass sich Evas Töchter seit<br />

Jahrhunderten diverser Kulturtechniken<br />

bedienen, um ihr Erscheinungsbild<br />

zu korrigieren.<br />

Zur Not eben auch mit dem Skalpell.<br />

Nicht jede Frau wird derart<br />

umfangreich Hand anlegen lassen<br />

wie die Dänin Brigitte Nielsen. Die<br />

Ex-Gattin von Hollywood-Boxer<br />

Sylvester Stallone setzte sich mit<br />

der medialen Offenbarung ihrer<br />

Restauration als Hauptdarstellerin<br />

der RTL-Doku-Soap „Aus alt<br />

macht neu“ vor einem Millionen-<br />

Publikum in Szene. Und ließ der<br />

mit der Generalüberholung beauftragten<br />

Darmstädter Rosenparkklinik<br />

ein üppiges fünfstelliges<br />

Honorar zukommen. Derartig<br />

umfangreiche „Bauarbeiten am<br />

lebenden Objekt“, wie die Bild-<br />

Zeitung spottete,sind auch in der<br />

Rosenparkklinik nicht an der Tagesordnung.<br />

„Die deutsche Frau<br />

ist viel differenzierter und neigt<br />

nicht zu Übersprungshandlungen“,<br />

sagt Hautärztin Sonja Sattler.<br />

Sie ist eine, die es wissen<br />

muss.<br />

Die Frau<br />

im Hintergrund<br />

Sonja Sattler ist die FrauimHintergrund.<br />

Mitbegründerin der Rosenparkklinik,<br />

die spezialisiert darauf<br />

ist, den menschlichen Körper möglichst<br />

makellos zu formen. Dass sie<br />

eines Tages als Life-Style-Medizinerin<br />

richtig viel Geld mit dem Absaugen<br />

menschlichen Körperfetts<br />

verdienen würde und die Giftspritze<br />

zur Faltenglättung einsetzt, war<br />

viele Jahre nicht Bestandteil ihrer<br />

Vorstellungswelt. „Eigentlich wollte<br />

ich ja immer in die Entwicklungshilfe“,<br />

erzählt sie. Das war,<br />

bevorsie an der Darmstädter Hautklinik<br />

den Mann kennenlernte,der<br />

zum Schönheitspapst der Stadt<br />

avancieren sollte: Doktor Gerhard<br />

Sattler.<br />

Die Ehefrau wacht über die Finanzen,<br />

hütet das Personal, hält<br />

die Organisation am Laufen. Sie<br />

braucht ein wenig Anlaufzeit,<br />

wenn sie über sich selbst sprechen<br />

soll. „Es geht ja meistens um<br />

meinen Mann“, entschuldigt sie.<br />

Er ist das Aushängeschild der Klinik.<br />

Und sie mehr als ein hübsches<br />

Anhängsel.<br />

1996 gegründet, residiert die<br />

Klinik heute in zwei herausgeputzten<br />

Jugendstil-Villen an der<br />

Heidelberger Landstraße. Dort<br />

treffen sich heute Menschen, die<br />

es sich leisten können und wol-<br />

len, in ihr Aussehen zu investieren.<br />

„Als wir angefangen haben,<br />

war eseine halbe Baustelle“, erinnert<br />

sich Sattler. „Die Leute<br />

sind über Holzbohlen zum Fettabsaugen<br />

gelaufen.“ Die Zeiten<br />

sind vorbei.<br />

Aus der ganzen Republik<br />

kommt die Kundschaft, erzählt<br />

die Chefin. Seit der öffentlichkeitswirksamenNielsen-Aufbereitung<br />

im Sommer 2008 sind Sattler<br />

und Co. im Land bekannt.<br />

Gut sieht die Frauaus im Sommerlook,<br />

den sie in der Darmstädter<br />

Trattoria Romagnola ausführt:<br />

Weißes Top, weiße Jeans, weiße<br />

Chanel-Armbanduhr. Und obendrüber<br />

das Business-gerechte<br />

dunkle Nadelstreifen-Sakko. Neugierig<br />

macht aber vor allem das,<br />

wasman nicht sieht. Die 41-jährige<br />

ist ihr eigener Kunde.<br />

Die unerwünschten Körperhaare<br />

sind weggelasert. Unterspritztes<br />

Eigenfett kaschiert die<br />

Schatten unter den Augen. Die<br />

Zornesfalte dazwischen ist glattgespritzt.<br />

Richtig böse gucken<br />

kann Sonja Sattler nicht. Aber die<br />

Stirn runzelt sich. Schlechte Laune<br />

liegt möglicherweise nicht in<br />

ihrem Naturell, weil sie als Posi-<br />

Dr. med. Sonja Sattler gründete 1996 gemeinsam mit<br />

ihrem Mann Gerhard die Darmstädter Rosenparkklinik.<br />

Zu den Spezialgebieten der Hautärztin zählen<br />

Laser- und Faltentherapie, Botoxbehandlungen und<br />

Dermatologie. Hausintern gilt die 41-jährige als Finanzministerin,<br />

die sich um die kaufmännische Leitung,<br />

die Organisation und das Personal kümmert. In<br />

der Klinik arbeiten derzeit nach SattlersAngaben über<br />

50 Mitarbeiter, davon zehn Ärzte. Darüber hinaus<br />

organisiert die gebürtige Langenerin weltweit Kongresse<br />

im Fachbereich ästhetisch-operative Dermatologie<br />

und plastische Chirurgie. Sonja Sattler ist zweifache<br />

Mutter und Patchworkmama vondreiKindern,<br />

die ihr Mann mit in die Ehe gebracht hat.<br />

[Person]<br />

tivdenkerin schon glücklich ist,<br />

wenn morgens die Sonne scheint.<br />

Den Rest erledigt Botox.<br />

Medizinisch betrachtet ist die<br />

Behandlung mit dem Nervengift<br />

ein kleiner Eingriff ohne äußere<br />

Verletzungen. Zwei, drei Stiche<br />

in die Haut, das war’s. Botox<br />

lähmt die Muskeln und sorgt,<br />

wenn der Arzt sein Handwerk<br />

versteht, für vier bis sechs Monate<br />

andauernde Faltenfreiheit. Danach<br />

kehrt der Knitterlook zurück.<br />

Bei Pfusch können die Gesichtszüge<br />

allerdings ebenso<br />

lang entgleisen. Sattler weiß,<br />

dass sich die Klinik die Karl-Dallisierung<br />

ihrer Patienten nicht<br />

leisten kann. „Versauen Sie mal<br />

zwei oder drei Leute und die verklagen<br />

Sie.Danach wollen Sie nie<br />

wieder Arzt sein.“<br />

Beauty-Verkehr auf der<br />

Heidelberger Landstraße<br />

Das Geschäft mit der Schönheit<br />

brummt. Botox togo, die Schönheit<br />

auf die Schnelle in der Mittagspause<br />

oder nach Feierabend,<br />

zählt auch in der Rosenparkklinik<br />

zu den Umsatzbringern. Am<br />

Nachmittag setzt der Beauty-Ver-<br />

Thema Schönheit:<br />

Life-Style-Medizinerin Sonja Sattler<br />

im Gespräch mit ECHO-Redakteurin IlkaEnnen.<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

kehr auf der Heidelberger Landstraße<br />

ein und endet erst in den<br />

Abendstunden gegen 21 Uhr.<br />

Menschen aus allen Bevölkerungsschichten<br />

lassen sich aufhübschen.<br />

Der Rosenpark sei<br />

nicht nur Promi-, sondern auch<br />

Jedermann-Klinik, sagt Sattler.<br />

„Zu uns kommt auch die Friseurin,<br />

die sich das Geld zusammengespart<br />

hat. Anstatt in den<br />

Urlaub zu fahren, lassen sich<br />

Frauen die Reithosen entfernen.“<br />

Die Liposuktion, besser bekannt<br />

als Fettabsaugung, steht ebenfalls<br />

hoch im Kurs. Auch in Krisenzeiten.<br />

Die Wirrungen auf den Finanzmärkten<br />

hat die Welt der<br />

Darmstädter Schönheitsoperateure<br />

offenbar unberührt gelassen.<br />

„2009 war eines unserer besten<br />

Jahre“, sagt Sattler. „Statt das<br />

Geld auf die Bank zu bringen, haben<br />

die Leute es in sich selbst investiert.“<br />

Die eine oder andere Problemzone<br />

entdeckt die Schönheitsverkäuferin<br />

nach wie vor an<br />

sich. „Ich wäre auch gerne drei<br />

Kilo leichter. Aber ich will nicht<br />

auch noch überlegen, ob ich<br />

beim Brot die Butter weglasse.“<br />

Zum Lunch gibt sich die Lieb-<br />

Generation<br />

Botox<br />

Rosenparkklinik –<br />

Sonja Sattler ist die<br />

Finanzministerin<br />

der deutschlandweit bekannten Darmstädter Adresse –<br />

Geschäft mit der Schönheit boomt –Für Promis und Normalos<br />

haberin italienischer Küche unkonventionell,<br />

bestellt zwei Vorspeisen<br />

und lässt das Hauptgericht<br />

weg: Jakobsmuscheln mit<br />

Salat und ein Duett aus Tomate-<br />

Mozzarella. Die Kalorien werden<br />

abtrainiert, nicht fortgesaugt. Dafür<br />

sorgt entweder der Personal<br />

Trainer,das neue Rennrad oder im<br />

Zweifel die zwei Kinder, sechs<br />

und zehn Jahre alt.<br />

„Wir machen die<br />

Leute glücklich“<br />

Sonja Sattler genießt ihre Schönwettermedizin.<br />

Sie hat ein Stellenangebot<br />

in der Onkologie abgelehnt,<br />

weil sie nicht jeden Tagder<br />

Fratze Krebs ins Gesicht blicken<br />

will. „Das Schöne an unserer<br />

Sparte ist, dass wir die Leute<br />

glücklich machen.“ Trotzdem ist<br />

ihr die Beauty-Welt auf Dauer zu<br />

klein. „Ich würde alleine mit der<br />

Ästhetik nicht glücklich werden“,<br />

sagt sie. Als Geschäftsführerin einer<br />

kleinen Firma organisiert sie<br />

weltweit Kongresse für Dermatologen<br />

und Chirurgen und macht<br />

sich auf die Suche nach internationalen<br />

Trends. Kein Exportschlager<br />

werden die amerikani-<br />

schen Ideale, die aufgespritzte<br />

Schlauchboot-Lippen und überdimensionierte<br />

Brüste zum Statussymbol<br />

erhoben haben. „Das will<br />

hier kein Mensch.“<br />

Das Verlangen nach Schönheit<br />

hat mittlerweile aber auch Männer<br />

ergriffen. Die Zeiten, in denen<br />

Falten und graue Haare als interessant<br />

galten, vergehen. Geld und<br />

Macht kaschieren keine Bierplautze<br />

mehr. Eine gesunde und<br />

vitale Ausstrahlung ist gefragt.<br />

Zehn bis 15 Prozent der Eingriffe<br />

in der Klinik gehen laut Sattler auf<br />

das Konto vonMännern. Mit steigender<br />

Tendenz. Die Adams lassen<br />

sich Falten wegspritzen, die<br />

Lider straffen und das Doppelkinn<br />

absaugen. Und was für die Frau<br />

der silikonverstärkte Superbusen<br />

ist, ist für den Mann das handmodellierte<br />

Six Pack am Bauch.<br />

Emanzipation ist keine Einbahnstraße.<br />

„Sie müssen uns unbedingt<br />

mal besuchen“, sagt Sonja Sattler<br />

zum Abschied. Zurück bleibt der<br />

Zweifel, wie diese Einladung gemeint<br />

sein mag. Und der Eindruck,<br />

dass das Leben eine Baustelle<br />

ist. Je länger es dauert, desto<br />

größer wirdsie.<br />

Das Geschäft mit der Schönheit<br />

Die Operation Schönheit boomt wie noch nie.Eine Million ästhetische<br />

Eingriffe hat es in Deutschland nach Schätzungen der<br />

Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie im<br />

Jahr 2008 gegeben. Faltenunterspritzungen und Laserbehandlungen<br />

(jeweils rund 180 000) führen die Rangfolge an, dicht gefolgt<br />

von Botox-Behandlungen (170000). 80 000 mal saugten Ärzte<br />

Fett ab und operierten 45 000 Brüste. Die Zahl der klassischen<br />

Facelifts liegt bei 6000 und wird von 10 000 Intimoperationen<br />

überboten. Das Interesse der Männer steigt stetig. Rund 20 Prozent<br />

aller Eingriffe gehen auf ihr Konto. Dass keine gesicherten<br />

Zahlen vorliegen, führt die Gesellschaft auf den Umstand zurück,<br />

dass sich in Deutschland jeder Arzt Schönheitschirurg nennen<br />

und ästhetische Eingriffe vornehmen darf, auch wenn er keine<br />

Fachausbildung hat.<br />

[Hintergrund]


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 10<br />

Rosemarie Karl<br />

Rosemarie Karl ist gebürtige Reichelsheimerin.<br />

Und auch bekennende,<br />

selbst wenn sie gern in<br />

Mannheim shoppen geht. Straßencafés<br />

in Fußgängerzonen liebt. Ab<br />

und an sich mehr Privatleben<br />

wünscht. Die gelernte Krankenschwester<br />

ist durch einen herben<br />

Schicksalsschlag in die Unternehmer-Rolle<br />

gerutscht. Überraschend<br />

erlag 1999 ihr Mann Lothar beim<br />

Sport nach Feierabend einem Herzstillstand.<br />

Bis dahin hatte sie nur ab<br />

und an im Bürogeholfen, die Buchhaltung<br />

erledigt. Nach kurzem Innehalten<br />

folgte der Rollenwechsel.<br />

Und kamder erste Frust. Großkunde<br />

Siemens sprang ab, weil es den Firmengründer<br />

nicht mehr gab, der<br />

1980 gestartete Zulieferbetrieb<br />

scheinbar seiner Zukunft beraubt<br />

war. Im Januar 2000 mussten 15 der<br />

damals 32 Beschäftigten entlassen<br />

werden. Die Sparkasse Odenwald<br />

als Hausbank aber blieb an Bord.<br />

Ende 2000 kam Siemens zurück –<br />

und die meisten der Mitarbeiter,die<br />

nicht anderweitig untergekommen<br />

waren. Zu Siemens gesellte sich alsbald<br />

ABB. Und Messer Cutting und<br />

Welding in Groß-Umstadt. Heute<br />

stehen 142 Frauen und Männer auf<br />

den Lohn- und Gehaltslisten, strebt<br />

man 2010 einen Umsatz von elf bis<br />

zwölf Millionen Euro an.<br />

Bei allem Stress könne sie gut abschalten,<br />

habe einen sehr guten<br />

Schlaf, sagt Karl. Jogging und Nordic<br />

Walking sorgen für den nötigen<br />

Ausgleich. Oder ihr Freundeskreis<br />

und Urlaub in Meran. Vielschichtiges<br />

soziales Engagement versteht<br />

sich fast vonselbst. Im Vorstand der<br />

Mittelstands-Vereinigung sitzt sie.<br />

Und seit Dezember hat Rosemarie<br />

Karl eine weiterewichtige Funktion<br />

inne: Sie ist Oma, hat eine Enkeltochter:<br />

„Mein Sonnenschein“, sagt<br />

sie. Mutter ist Tochter Kerstin (33),<br />

Diplom-Betriebswirtin beim Chemieriesen<br />

BASF; zudem hat sie eine<br />

„Stand-by-Funktion“ inne. Esgebe<br />

einen Notfallplan, sagt Rosemarie<br />

Karl –die eigene bittere Erfahrung<br />

war hier offenbar der Ratgeber. Die<br />

zweite Tochter, Stephanie (29), ist<br />

übrigens als Krankenschwester tätig<br />

wie einst die Mutter,arbeitet im Kardiologischen<br />

Zentrum im Alice-Hospital<br />

in Darmstadt.<br />

[Person]<br />

Tragen ihreChefin auf Händen:<br />

Michael Geissner, Horst Arras, Regina Werner<br />

und Wilfried Pfeifer (von links) .<br />

FOTOS: ALEXANDER<br />

Karl Elektronikbau – Übernahme der insolventen<br />

GRSSchaltanlagen GmbH stellt das Reichelsheimer<br />

Unternehmen auf eine breitereBasis –<br />

Rosemarie Karl kombiniert soziale Ansätze<br />

und unternehmerischen Erfolg trefflich<br />

VON ACHIM PREU<br />

Die Filmtitel könnten lauten: Eine<br />

Frau steht ihren Mann. Mit<br />

weiblicher Intuition zum wirtschaftlichen<br />

Erfolg. Hauptsache, die<br />

Chemie stimmt. Oder: Der Betrieb als<br />

funktionierende Familie.<br />

Wasabgedroschen klingt, reichlich<br />

aufgesetzt, marketingtechnisch konstruiert,<br />

das ist hier gelebte Realität.<br />

Für die Besetzung der Hauptrolle<br />

drängt sich Rosemarie Karl (54) geradezu<br />

auf, obwohl es ihrem Naturell<br />

widerspricht, dick aufzutragen. Aber<br />

die geschäftsführende Gesellschafterin<br />

der Karl Elektronikbau GmbH ist<br />

ebenso authentisch wie mit ihrer optimistischen<br />

Grundeinstellung ansteckend.<br />

Und offenbar durchsetzungsstark,<br />

selbst wenn man das der kleinen<br />

zierlichen Frau mit der großen Ausstrahlung<br />

zunächst nicht zutraut. Vielleicht<br />

ist sie deshalb so erfolgreich, hat<br />

selbst in der Krise mit ihrer Firma trotz<br />

zum Teil massiver Umsatzeinbrüche<br />

keinen Schiffbruch erlitten. Und ist für<br />

viele gefragte Gesprächspartnerin –<br />

auch für Insolvenzverwalter.SoimFall<br />

der gestrandeten GRS Schaltanlagen<br />

GmbH aus Darmstadt, deren Wurzeln<br />

im zerlegten Schenck-Konzern zu finden<br />

sind. Im März beim Notar, kurz<br />

vorder Unterschrift, kamen zwar erste<br />

Zweifel, ob man GRStatsächlich übernehmen<br />

sollte: Wasmachst du da denn<br />

nur,schoss es ihr durch den Kopf, wie<br />

sie offen sagt. Aber das finanzielle Risikosei<br />

überschaubar,kein großer Kredit<br />

nötig gewesen, beruhigte eine innere<br />

Stimme. Unterstützung gab es von<br />

den zwei Töchtern, rationale Aspekte<br />

gewannen die Oberhand. Ohne Zweifel<br />

wichtig.<br />

Aber es gibt auch eine emotionale<br />

Ebene.Die taugt in der Wirtschaft bisweilen<br />

mehr als tiefschürfende und<br />

teure Analysen, die sich nur zu oft als<br />

Fehleinschätzung entpuppen. „Mein<br />

Bauchgefühl hat mir gesagt, das kann<br />

was werden.“ Die menschliche Basis<br />

muss passen, sagt sie. Dann erinnert<br />

sich die mit einem ehrlichen Odenwälder<br />

Idiom sowie viel Herz gesegnete<br />

Geschäftsfrau an ihren ersten Kontakt<br />

mit den GRS-Beschäftigten, den ersten<br />

Besuch in Darmstadt. Imponiert habe<br />

ihr, dass dort zielstrebig, ehrgeizig an<br />

Aufträgen gearbeitet wurde, obwohl<br />

die Gehälter nicht gezahlt worden waren.<br />

Schon da wardie Karl Anlagenbau<br />

GmbH gedanklich geboren. 17 Beschäftigte<br />

mussten nicht zur Arbeitsagentur,weil<br />

Karl sich den Verlockungen<br />

dieser „Herausforderung“ nicht<br />

Charmantes<br />

Odenwälder<br />

Geschäftsmodell<br />

ernsthaft widersetzt hat. Vonden drei<br />

GRS-Gründern sind nur noch Peter W.<br />

Schmidt aus Bad König an Bord und<br />

Jörg Gallei aus Lorsch. Das große R–<br />

dahinter stand Torsten Roß aus Otzberg–gehört<br />

nicht mehr dazu.<br />

Über 140 Mitarbeiter<br />

an mehreren Standorten<br />

Insgesamt stehen nun 142 Frauen und<br />

Männer (darunter sechs Auszubildende)<br />

auf der Payroll. Die Zahl der Leiharbeiter,<br />

früher etwa 20, wurde abgebaut.<br />

Also exakt das umgesetzt, was<br />

etwa Gewerkschaften fordern, sozialversicherungspflichtige<br />

Jobs geschaffen.<br />

Und Karl stellt ihreAktivitäten auf<br />

eine breitere Basis, bekommt knapp<br />

drei Millionen Umsatz hinzu, erreicht<br />

einen besseren Risikomix. Eine typische<br />

Win-win-Situation. Denn neben<br />

den Hauptkunden Siemens und ABB<br />

aus der Energiebranche hat sich nun<br />

mit Schenck Rotec und der Mutter<br />

Dürr AG das Torzur Autoindustrie geöffnet.<br />

Oder über Schenck Process in<br />

den Anlagenbau. Und dabei das qualitative<br />

Profil geschärft, denn die ehemalige<br />

GRS erledigt auch besonders<br />

komplexe Aufgaben. Der Standort<br />

Darmstadt mit seinen logistischen Vorteilen<br />

im Schenck Industriepark wird<br />

beibehalten mit Blick auf die Geschäftsbeziehungen<br />

zu Siemens im<br />

nahen Frankfurt. Die Fertigungen von<br />

Karl und GRSergänzten sich, heißt es.<br />

Zudem sei es nun einfacher, Kapazitätsengpässe<br />

auszugleichen. Photovoltaik,<br />

wo GRSfür Conergy nicht unproblematische<br />

Millionenaufträge abwickelte,<br />

gehört aber nicht mehr zum<br />

Portfolio.<br />

WoranGRS denn gescheitert ist? Bei<br />

dieser Frage hält man sich nicht lange<br />

auf. Belässt es bei Allgemeinem. Dass<br />

das Kaufmännische unterbelichtet war,<br />

Controlling gefehlt hat, zu viel Unproduktives<br />

an Bord war. Derzeit ist man<br />

dort bis Ende Juni ausgelastet, der Ordereingang<br />

ist gut. Auch skeptische Lieferanten<br />

wurden zurückgewonnen, obwohl<br />

dazu viel Überzeugungsarbeit geleistet<br />

werden musste. Die Fertigung<br />

wurde umgekrempelt, fast täglich ist<br />

man beim neuen Familienmitglied in<br />

Darmstadt. Man, das ist die Alleingesellschafterin<br />

Karl oder einer ihrer<br />

„Buben“: Prokurist Michael Geissner<br />

(36) oder Produktionsleiter Horst Arras<br />

(54). Da nimmt man die 25 Kilometer<br />

einfache Streckeanden Woog gerne in<br />

Kauf, um voranzukommen.<br />

Dieses schlanke Konstrukt an der<br />

Spitze garantiert hohe Flexibilität und<br />

kurze Wege bei zugleich viel Teamgeist.<br />

Wenn es den nicht ohnehin gäbe,<br />

würden ihn die Räumlichkeiten in der<br />

Reichelsheimer Hochstraße bedingen:<br />

Zwei kleine Büros links und rechts<br />

gleich hinter der gläsernen Eingangstür.<br />

Damuss man zusammenrücken.<br />

Sogar im angrenzenden Privathaus<br />

von Karl wird produziert. Und dennoch<br />

ist ein Standortwechsel kein Thema.<br />

Denn der Betrieb ist ohnehin dezentral<br />

aufgestellt. Kundennähe wird<br />

hier besonderswörtlich genommen. In<br />

Groß-Umstadt bei der Firma Messer<br />

Cutting und Welding wurden vor Ort<br />

Räume angemietet, um Steuerungen,<br />

Schaltschränke und Kleinteile nach<br />

Kundenvorgabe herzustellen. Bei der<br />

ABB AG in Hanau/Großauheim verkabeln<br />

seit 2004 rund 30 Frauen und<br />

Männer Schaltanlagen, produzieren<br />

Baugruppen und Strommodule. Die<br />

Schaltschränkefür diesen Kunden, bei<br />

dem Karl erster Lieferant ist, stammen<br />

aus dem Werk Gumpen, einem Ortsteil<br />

von Reichelsheim. Zwischen den einzelnen<br />

Standorten erfolgt ein reger<br />

Personalaustausch, je nachdem wo<br />

wieviel zu tun ist. Kontinuierliche<br />

Schulung ist da nötig, das niedrige<br />

Durchschnittsalter vonrund 30 Jahren<br />

hilft dabei. Dass Rosemarie Karl bei<br />

der Wahl der Auszubildenden bewusst<br />

Hauptschülern mit ansonsten<br />

„schlechten Chancen in der Industrie“<br />

eine Chance gibt, ist kein Widerspruch<br />

dazu. Und eigentlich haben wir so etwas<br />

auch erwartet. Dass durch die<br />

Konzerne die Produkte zu 90 Prozent<br />

indirekt meist im Export landen, überrascht<br />

da mehr. Odenwälder Elektrotechnik<br />

àlaKarl findet sich deshalb in<br />

Indien, Russland oder Abu Dhabi. Hin<br />

und wieder müssen Mitarbeiter deshalb<br />

vor Ort sein.<br />

Wenn als Folge der GRS-Transaktion<br />

schon mal öfter das Telefon bei Rosemarie<br />

Karl klingelt und weitere Firmen<br />

angedient werden, weil die dicht<br />

besetzte Branche gerade eine Konsolidierung<br />

durchläuft – beschleunigt<br />

durch die Krise –,bringt das die Geschäftsführerin<br />

nicht aus der Fassung.<br />

Aber an Übernahmen denkt sie momentan<br />

nicht, wiewohl sie sich in die<br />

jeweilige Situation „hineinzufühlen“<br />

versucht, keine Schadenfreude empfindet.<br />

Dazu geht heutzutage im Wirtschaftsleben<br />

vieles viel zu schnell.<br />

Zwölf Millionen Umsatz<br />

vorAugen<br />

Nach einem Umsatz von8,0 Millionen<br />

Euro (2008: 9,5 Millionen) sollen 2010<br />

konservativ geschätzt elf bis zwölf Millionen<br />

2010 mit zehn Kunden herauskommen.<br />

Damit habe man eine gute<br />

Betriebsgröße.Vor allem verdient man<br />

Geld, was heute nicht die Regel ist.<br />

Zahlen bleiben unter Verschluss. Verständlich.<br />

Karl sagt aber: „Der Gewinn<br />

war sehr gut.“ Welche Kollege würde<br />

derlei so ehrlich äußern? Richtig. Niemand.<br />

Dass man ohne Tarifbindung<br />

unterwegs ist bei einer Arbeitszeit zwischen<br />

37,5 und 40 Wochenstunden,<br />

dürfte wegen des engen Arbeitsmarktes<br />

nicht der Rendite-Hauptgrund sein.<br />

Zumal es seit vier Jahren eine Gewinnbeteiligung<br />

gibt. Zuvor werden mittels<br />

eines Punktesystems Qualität der Arbeit,<br />

Qualifikation und andereParameter<br />

zu einer Bewertung verdichtet.<br />

Durchgehende Qualität (ISO 9001 zertifiziert),<br />

gute Preise und hohe Reaktionsgeschwindigkeit<br />

sind bei alldem<br />

die betriebliche Basis.<br />

Weil Stillstand Rückschritt ist in der<br />

Wirtschaft, denkt Karl gleichwohl an<br />

weitere Betätigungsfelder. Klima- und<br />

Schwimmbadtechnik etwa, Umwelttechnik<br />

oder Labormedizin. Oder Komplettlösungen<br />

und Engineering-Leistungen.<br />

Die kluge Frau baut eben vor.<br />

Schließlich ist sie für viele Menschen<br />

und Familien verantwortlich, weil Karl<br />

Elektronik zu den drei größten Arbeitgebern<br />

in Reichelsheim gehört. Und ihre<br />

Chefin irgendwie eine Botschafterin<br />

ist –für den Odenwald, für Frauen in<br />

Führungspositionen, noch mehr freilich<br />

für Unternehmertum alter Prägung<br />

mit starken sozialen Wurzeln und abseits<br />

des schnellen Geldes. Berechenbar.<br />

Nachhaltig. Das macht das Ganze<br />

doppelt sympathisch. Und deshalb bislang<br />

so erfolgreich?


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 11<br />

Zwischen Rock ’n’Roll und Business<br />

FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />

G&G Eventmarketing GmbH – Mit dem Schlossgrabenfest haben sich Gutfried und Grossmann einen Namen gemacht –<br />

Firmenveranstaltungen und Kreativ-Marketing als zweites Standbein –Türöffner Telekom und Wella<br />

VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />

Es waren einmal zwei musikbegeisterteDarmstädter,die<br />

hatten einen Traum.<br />

Sie wollten Bands der regionalen<br />

Musikszene auf eine möglichst<br />

große Open-Air-Bühne stellen.<br />

Die Darmstädter <strong>Macher</strong>: Thiemo<br />

Gutfried (30) und Frank Friedrich<br />

Grossmann (41). Der Traum, der<br />

Wirklichkeit wurde: Das Darmstädter<br />

Schlossgrabenfest, das gerade<br />

wieder Ende Mai die Innenstadt<br />

rund um das Residenzschloss<br />

in Hessens größtes Rockfestival<br />

verwandelt hat. Dafür haben<br />

sie 1997 die Agentur G&G<br />

Eventmarketing gegründet, die<br />

schnell eine GmbH wurde.<br />

Begonnen hat alles 1999 mit<br />

zwei Bühnen, gemeinsam mit<br />

Freunden und ehrenamtlichen<br />

Helfern haben Gutfried und<br />

Grossmann das Festival aufgezogen.<br />

Respekt dem Jungunternehmertum<br />

–Gutfried hatte zwei Wochen<br />

zuvor erst seine Abiturprüfung<br />

gemeistert. 60 000 Besucher<br />

kamen zum Einstand, inzwischen<br />

sind 400 000 nicht selten. Die Organisationskosten<br />

beziffert Gutfried<br />

auf 1,2 Millionen Euro, sie<br />

kommen vor allem durch Sponsorenverträge<br />

und über die Lizenz<br />

für die Gastronomie wieder<br />

herein. Längst ist die Organisation<br />

ein Jahresjob für die Agentur<br />

mit zehn festen Mitarbeitern.<br />

Aber es ist nur einer von vielen:<br />

Die Spezialisten für Event-Marketing<br />

inszenieren Betriebsfeste,<br />

planen Golfturniere, vermitteln<br />

Künstler und organisieren die<br />

ganze Palette solcher Betriebsausflüge,<br />

die Mitarbeiter zusammenschweißen<br />

sollen. Das VIP-<br />

Arrangement bei einem Formel-<br />

Thiemo Gutfried und Frank Friedrich Grossmann<br />

Der Diplom-Medienwirt Thiemo Gutfried<br />

(30, links) ist in Wiesbaden geboren<br />

und in Darmstadt aufgewachsen.<br />

Schon zwei Jahrevor seinem Abitur an<br />

der Lichtenbergschule hat er im Jahr<br />

1997 mit seinem Geschäftspartner<br />

Frank Friedrich Grossmann die Agentur<br />

G&G Eventmarketing gegründet.<br />

Gutfried liebt Skifahren und Städtereisen.<br />

Lieblingsstadt: Darmstadt.<br />

Doch gleich danach kommen Hamburg,<br />

Berlin und Wien. An seinem<br />

Partner Grossmann schätzt er: dessen<br />

Offenheit und den ungebrochenen Optimismus.<br />

[Personen]<br />

1-Rennen findet sich ebenso im<br />

Katalog wie Rafting auf reißenden<br />

Flüssen.<br />

Die Telekom gehörte zu den<br />

ersten großen Kunden, erinnert<br />

sich Gutfried: Sein Team organisierte<br />

die Weihnachtsfeier, setzte<br />

die Eröffnung von T-Punkt-Filialen<br />

ins rechte Licht der Öffentlichkeit.<br />

„Das war ein wichtiger Türöffner“.<br />

Öffner zum gehobenen<br />

Veranstaltungsmanagement für<br />

Firmenkunden. Dass sie in T-Shirt<br />

und Lederjacke ein Rockfestival<br />

aus dem Boden stampfen können,<br />

hatten die quirligen Jungspunde<br />

bewiesen. Dass sie auch im Anzug<br />

auf dem Wirtschaftsparkett eine<br />

gute Figur machen, das halfen die<br />

Telekom und einst auch Wella zu<br />

etablieren. „Zwischen Rock ’n’<br />

Roll und Business“, beschreiben<br />

Gutfried und Grossmann seither<br />

ihre Arbeitswelt und Leidenschaft.<br />

Die Agentur G&G hat sich<br />

inzwischen ganz auf nichtöffentliche<br />

Veranstaltungen und Kreativmarketing<br />

spezialisiert. 150<br />

Veranstaltungen im Jahr, 1,3 Millionen<br />

EuroUmsatz, das sind Eckdaten<br />

des Geschäfts. Von der<br />

Wirtschaftsflaute hätten sie per-<br />

Der Kaufmann Frank Friedrich Grossmann<br />

(41, rechts), kurz „Freddy“, war<br />

vor seiner Zeit bei G&G bereits Eventgastronom<br />

und Konzertveranstalter. Er<br />

bezeichnet sich selbst als Mann der Praxis<br />

und ist gerichtlicher Sachverständiger<br />

für Veranstaltungswesen und der<br />

Mann für alle rechtlichen Fragen der<br />

Agentur.<br />

Er ist begeisterter Fußballfan, liebt<br />

das Skifahren. Sein größtes Glück: Sohn<br />

Luca (acht Monate). „Der soll den Laden<br />

hier mal schmeißen“, sagt Grossmann<br />

und lacht. Der Patenonkel? Klar,<br />

Thiemo Gutfried, „das ist Ehrensache“.<br />

Grossmann schätzt dessen Bodenständigkeit,<br />

das Organisationstalent und die<br />

stetige Ruhe in hitzigen Diskussionen.<br />

sönlich wenig gespürt, sie blickten<br />

auf ihr stärkstes Jahr zurück.<br />

„Wir haben Glück, unsere Kunden<br />

haben nicht gespart“, sagt<br />

Gutfried und glaubt an den soliden<br />

Branchenmix der Agentur:<br />

„Wir haben zum Beispiel keine<br />

Kunden aus der gebeutelten Autoindustrie“.<br />

Musikgeschäft<br />

ausgelagert<br />

Für das Marketing und Management<br />

öffentlicher Veranstaltungen,<br />

wie für das Schlossgrabenfest,<br />

haben die Jungunternehmer im<br />

Jahr 2005 eigens die Stage Groove<br />

Festival GmbH gegründet, das Musikgeschäft<br />

ausgelagert. Es wareine<br />

strategische Entscheidung, die<br />

Sparten zu trennen. Die Geschäftsführer<br />

und die Mitarbeiter sind<br />

identisch. Doch Stage Groove steht<br />

fortan für Rock ’n’ Roll und G&G<br />

eben für das ganz seriöse Business:<br />

Barfuß oder Lackschuh, Lederjackeoder<br />

Anzug.<br />

Bleiben wir beim Business.<br />

G&G inszenieren Marken, Produkte<br />

und Dienstleistungen, heißt<br />

es in der eigenen Image-Broschüre.Sie<br />

wollen emotional erlebbare<br />

Situationswelten schaffen. Von<br />

erfolgreichem Beziehungsmanagement<br />

zu Kunden ist da zu lesen<br />

und von „fühlbaren Markenbildern,<br />

profilscharfer Positionierung<br />

und verkaufsfördernder Bekanntheitsgradsteigerung“.<br />

Waskann man sich darunter<br />

vorstellen? „Kochevents für das<br />

Verlagshaus Axel Springer an den<br />

Standorten Frankfurt, Düsseldorf<br />

und Hamburg zum Beispiel“, erklärt<br />

Gutfried. Die Bickenbacher<br />

Bio-Markt-Kette Alnatura gehöre<br />

ebenso zu den treuen Kunden.<br />

Größter Auftrag im Vorjahr: Die<br />

Unternehmensfeier zum 25. Firmenjubiläum.<br />

G&G haben das Alnatura-Verteilzentrum<br />

in Lorsch<br />

zur Partyhalle umfunktioniert,<br />

grüne Luftballons zierten den<br />

Weghinein. Der Rest sei Betriebsgeheimnis.Auch<br />

der Darmstädter<br />

Energieanbieter HSE habe über<br />

Jahre zu den Kunden gezählt:<br />

Sommerfeste,ein Golfturnier und<br />

der „Tag des Wassers“ haben die<br />

kreativeHandschrift vonGutfried<br />

und Grossmann getragen. Der<br />

Pharma- und Chemiekonzern<br />

Merck und die Darmstädter Spar-<br />

kasse greifen regelmäßig auf G&G<br />

zurück. Ihr aufwendigstes Projekt<br />

aller Zeiten: ein Ball des Sports in<br />

Wien im Jahr 2005.Eine Produktvorstellung<br />

von Wella hatte die<br />

Agentur zuvor zu einem Projekt<br />

an die Donau verschlagen. Der<br />

örtliche Caterer hatte sich an G&G<br />

erinnert und die Darmstädter erneut<br />

ins Spiel gebracht. Bis zu 300<br />

flexible Aushilfen finden sich am<br />

Ende eines Jahres stets auf der<br />

Lohnliste der Agentur. Die Datei<br />

werde gut gepflegt, die flexiblen<br />

Teams seien eine der Stärken.<br />

Und wer sich neulich am 16.<br />

Mai über das Meer aus Gummi-<br />

Entchen auf<br />

dem Main bei<br />

Frankfurt ge-<br />

wundert hat:<br />

Auch hier hatten<br />

G&G ihr Organisationstalent<br />

im Spiel –<br />

rein ehrenamtlich<br />

für den guten<br />

Zweck. Der<br />

Frankfurter Lions-Clubtrommelte<br />

zu Gunsten<br />

mehrerer<br />

sozialer Einrichtungen<br />

in<br />

Frankfurt zum<br />

„Duck Race“.<br />

Firmen und Privatleute<br />

konnten Enten mit Losnummern<br />

kaufen und sie am Eisernen<br />

Steg aufs Rennen zum Holbeinsteg<br />

schicken. Die schnellste<br />

„Quakquak“ entschied über eine<br />

Reise auf die Malediven.<br />

Kommunikationsziel<br />

steht obenan<br />

Surftipp<br />

von Thiemo Gutfried und<br />

Frank Friedrich Grossmann<br />

www.gug-marketing.de<br />

Von der Veranstaltungsidee bis<br />

zur Versorgung mit dem Caterer<br />

oder der Vermittlung von Künstlern<br />

reicht die Leistung von G&G.<br />

„Wir arbeiten stark konzeptionell,<br />

sind kreativ und erfüllen das<br />

Kommunikationsziel“, erklärt<br />

Gutfried überzeugt. Denn jede<br />

Feier oder Werbeaktion habe<br />

schließlich ein Kommunikationsziel.<br />

Sei es, dass sich Mitarbeiter<br />

mit dem Unternehmen stärker<br />

identifizieren oder Produkte vermehrt<br />

gekauft werden. Und eben<br />

dafür gebe es Profis.Gutfried und<br />

Grossmann haben die Professionalisierung<br />

ihres jungen Berufs<br />

als Autodidakten der ersten Stunde<br />

miterlebt und mitgestaltet.<br />

Denn erst seit 2003 sei der Lehrberuf<br />

Veranstaltungskaufmann an<br />

der Industrie- und Handelskammer<br />

Darmstadt institutionalisiert.<br />

Gutfried sitzt seit Beginn im Prüfungsausschuss,<br />

ist heute dessen<br />

Vorsitzender.Erentscheidet unter<br />

anderem darüber, welchen Quereinsteigern<br />

mit besonderer Praxiserfahrung<br />

und Vorbildung das<br />

Berufszertifikat verliehen werden<br />

kann und setzt damit die Maßstäbe<br />

für seinen Berufsstand mit.<br />

Auch an Hochschulen sei das<br />

Eventmanagement ein recht junges<br />

Studienangebot, sagt Gutfried.<br />

Darum habe er selbst noch<br />

Medienwirtschaft an der Fachhochschule<br />

Wiesbaden studiert,<br />

weil es seinem Wunsch zumindest<br />

nahe kam.<br />

Leger geht es zu im Büro von<br />

Thiemo Gutfried und Frank Friedrich<br />

Grossmann. Noch tüfteln sie<br />

in einem Altbau am Riegerplatz,<br />

darunter eine Kneipe. Eswird zu<br />

eng, im August zieht die Agentur<br />

in die Erbacher Straße. Grossmann<br />

und Gutfried bezeichnen<br />

sich scherzhaft als „altes Ehepaar“,<br />

schließlich arbeiten die<br />

freilich jungen <strong>Macher</strong> schon dreizehn<br />

Jahregemeinsam. Sie sitzen<br />

sich gegenüber,haben Spaß,freuen<br />

sich über die „schlanken Strukturen<br />

ohne Blähbauch“, es wird<br />

sich geduzt und gern hessisch gebabbelt.<br />

Plakate vom Schlossgrabenfest<br />

an den Wänden, AC/DC<br />

steht auf einem Autokennzeichen<br />

an der Wand. Vieles sieht mehr<br />

nach Rock ’n’ Roll aus, als nach<br />

feinem Business, aber sie können<br />

auch anders.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 12<br />

Die Messe<br />

NurBauklötzchen<br />

funktionieren überall<br />

Bildungswirtschaft –Mit dem Didacta-Bundesverband<br />

hat eine ganz besondereBranche ihreInteressenvertretung in Darmstadt<br />

VON NINA VOIGT<br />

InDeutsch und Mathe sind die<br />

Unterschiede extrem. Jedes<br />

Bundesland in Deutschland<br />

hat einen anderen Lehrplan in diesen<br />

Fächern. Für die Schulbuchverlage<br />

bedeutet das: 16 verschiedene<br />

Lehrbücher in verhältnismäßig<br />

kleinen Auflagen. Und ständig<br />

eine Landtagswahl, die wieder<br />

Veränderungen für die Bildungslandschaft<br />

bedeuten kann. Neue<br />

inhaltliche Schwerpunkte zum<br />

Beispiel, aber auch mehr oder weniger<br />

Geld. Meistens weniger.<br />

Kaum eine andere Branche in<br />

Deutschland ist so sehr von den<br />

politischen Verhältnissen abhängig<br />

wie die Bildungswirtschaft.<br />

„Wir können nicht langfristig planen,<br />

sondern müssen in Wahlperioden<br />

denken“, erklärt Reinhard<br />

Koslitz, Geschäftsführer des Bundesverbands<br />

Didacta in Darmstadt.<br />

Die Hersteller von Unterrichtsmedien<br />

sind davon am<br />

stärksten betroffen. Aber auch<br />

Schulmöbelbauer und Spielzeugproduzenten,<br />

Softwareanbieter<br />

und Laborausstatter bekommen<br />

es schnell zu spüren, wenn Lan-<br />

„Didacta –Die Bildungsmesse“ ist die zentrale<br />

deutsche Fachveranstaltung für alle, die mit Bildung<br />

zu tun haben. Der Didacta-Verband als ideeller<br />

Träger arbeitet hierfür eng mit dem VdS Bildungsmedien<br />

aus Frankfurt zusammen, einst Verband<br />

der Schulbuchverlage. 850 Unternehmen<br />

stellten zuletzt im März 2010 in Köln ihreProdukte<br />

und Dienstleistungen vor, vonVerlagen über Anbieter<br />

vonKlassenfahrten und Schulspeisung bis<br />

hin zu Möbelherstellern, Textilunternehmen und<br />

privaten Nachhilfeinstituten. Der Bereich Schule<br />

ist am stärksten vertreten, gefolgt vonKindergar-<br />

[Hintergrund]<br />

despolitiker Mittel kürzen. Sie alle<br />

sind im Didacta-Verband organisiert,<br />

der sich für den Einsatz qualitativ<br />

hochwertiger Lehrmittel<br />

und Ausstattung stark macht und<br />

sich auch auch in Bildungsdebatten<br />

einmischt. Der Staat ist ihr<br />

größter Kunde.<br />

Zumindest bisher.Denn der öffentlichen<br />

Hand geht das Geld<br />

aus. Wenn es um höhere Ausgaben<br />

für die Bildung geht, seien<br />

immer nur mehr Lehrer und Erzieher<br />

für Schulen und Kindergärten<br />

gemeint, bemängelt Koslitz. Die<br />

Qualität der Schulbücher sei zwar<br />

sehr gut in Deutschland. Sachmittel<br />

blieben dennoch häufig auf der<br />

Strecke, neue Lernmaterialien<br />

würden nicht angeschafft, alte<br />

Schulbücher endlos weiter benutzt.<br />

Das ist nicht unbedingt<br />

neu: Nach dem Zusammenbruch<br />

der Sowjetunion und dem Ende<br />

der DDR haben noch Generationen<br />

von Schülern das geteilte<br />

Deutschland in ihren Atlanten vor<br />

Augen gehabt. Doch im digitalen<br />

Zeitalter veralteten Lehrbücher<br />

schneller, während die Schüler<br />

bei der Nutzung elektronischer<br />

Geräte an ständig neue Updates<br />

FOTO: DIDACTA<br />

gewöhnt seien, mahnt Koslitz. „Es<br />

wirdimmer ein klassisches Schulbuch<br />

geben“, sagt der 53-jährige,<br />

„aber die Laufzeiten vonBüchern<br />

sind zu lang.“ Manche Verlage<br />

stellen sich darauf ein: Der berühmte<br />

Diercke-Atlas etwa<br />

kommt heute mit Online-Schlüssel<br />

zu zusätzlichen Angeboten im<br />

Internet daher.<br />

Staat lässt viele<br />

finanzielle Lücken<br />

Die finanzielle Lücke, die der<br />

Staat vielerorts hinterlässt, füllen<br />

Sponsoren, private Initiativen<br />

und immer häufiger die Familien.<br />

„Heute müssen Elternverbände<br />

Batterien für Geräte kaufen, weil<br />

kein Geld dafür da ist“, so die Erfahrung<br />

von Koslitz. Gleichzeitig<br />

kümmerten sich die Eltern insgesamt<br />

mehr um die Bildung ihrer<br />

Kinder. Privatschulen seien deshalb<br />

ebenso auf dem Vormarsch<br />

wie Nachhilfeinstitutionen. Der<br />

Besucherkreis der Bildungsmesse<br />

Didacta, der zentralen Veranstaltung<br />

der Branche, erweitert sich<br />

dadurch immer mehr. Die Fachmesse,<br />

die der Didacta-Verband<br />

jährlich organisiert, ist bekannter<br />

als der Verband selbst. Das ganze<br />

Jahr über ist Koslitz, der in Griesheim<br />

lebt, als politischer Lobbyist<br />

in Sachen Bildung unterwegs. Im<br />

direkten Kontakt zu politischen<br />

Entscheidungsträgern in den Ministerien<br />

setzt er sich für Reformen<br />

im Schulwesen und mehr individuelle<br />

Förderung ein, spricht<br />

mit Unternehmen und Arbeitgeberverbänden<br />

über die Bedeutung<br />

frühkindlicher Bildung,<br />

Krippenplätze und Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf. Auf der<br />

Messe erntet der gelernte Bankkaufmann<br />

die Früchte seiner Aktivitäten<br />

während des Jahres.<br />

Zwischen dem hehren Anspruch,<br />

für gute Bildung in<br />

Deutschland zu sorgen, gleichzeitig<br />

aber auch Bücher, Software<br />

und Möbel verkaufen zu wollen,<br />

sieht Koslitz keinen Widerspruch.<br />

Immerhin kümmere sich der Verband<br />

ja auch um die Weiterbildung<br />

der Lehrer,die nach wie vor<br />

den Großteil der Messebesucher<br />

stellen. Die Messe fungiert hier<br />

auch als Kongress und Fachtagung:<br />

In einer Woche Didacta in<br />

Köln haben im März 25 000 Päd-<br />

agogen 1600 Seminare und Vorträge<br />

besucht. „Das ist auch ein<br />

finanzieller Aufwand, den wir als<br />

Verband betreiben“, so Koslitz.<br />

Der ehrgeizige Lehrer,der sich<br />

auf Messen über neue Trends und<br />

Lehrmethoden informiert und<br />

nach innovativem Unterrichtsmaterial<br />

stöbert, bestimmt nicht gerade<br />

das Image der Pädagogen in<br />

Deutschland. Koslitz jedoch hat<br />

ein positives Bild vom Personal<br />

der deutschen Schulen: „Die<br />

meisten sind bestrebt, ihren Job<br />

gut zu machen“, sagt er. Auf der<br />

Messe sehen sie, was möglich ist<br />

in ihrem Job und waskünftig eine<br />

Rolle spielen wird, zum Beispiel<br />

im Hinblick auf die Einbindung<br />

ten und Aus- und Weiterbildung für Pädagogen.<br />

Die Messe findet abwechselnd in Köln, Stuttgart<br />

und Hannoverstatt, um die ganze Republik abzudecken,<br />

weil sich herausgestellt hat, dass Lehrer<br />

nicht weiter als 300Kilometer anreisen. Ausrichter<br />

ist jeweils die Messegesellschaft. Die Veranstaltung<br />

in Köln ist die mit 110000 Besuchern die<br />

größte,nach Stuttgart kommen im Schnitt 90 000<br />

Besucher,nach Hannover75000. Im Rahmenprogramm<br />

der Messe gibt es Fortbildungsangebote<br />

und Workshops zu Didaktik, Medienkompetenz<br />

oder E-Learning für Lehrer und Angestellte im<br />

Bildungswesen. An den beiden großen Standorten<br />

erwirtschaftet die Didacta Messe GmbH damit<br />

im Schnitt einen Umsatz vonvier Millionen Euro.<br />

ReinhardKoslitz FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

Der Verband<br />

Der „Didacta – Verband der Bildungswirtschaft“<br />

mit rund 200 Mitgliedern<br />

hat seinen Sitz seit 1992 in<br />

Darmstadt in der Rheinstraße. Präsident<br />

ist Professor Wassilios E. Fthenakis.GeschäftsführerReinhardKoslitz<br />

ist mit sechs Mitarbeitern für die<br />

Organisation der Fachmesse Didacta,<br />

Unterstützung der Mitglieder,Öffentlichkeits-<br />

und Lobbyarbeit zuständig.<br />

Der Verband besteht seit 90 Jahren<br />

und feiert das Jubiläum im Juni<br />

mit einem großen Fest in Darmstadt.<br />

Er ist aus dem Bund der Lehrmittelverleger-<br />

und -fabrikanten hervorgegangen,<br />

hieß später Deutscher Didacta<br />

Verband und seit 2004 nur<br />

noch Didacta Verband e.V..Anfangs<br />

gab es eine Lehrmittelmesse, dann<br />

die beiden Veranstaltungen Didacta<br />

und Interschul des Konkurrenz- und<br />

Partnerverbands VdS Bildungsmedien.<br />

Seit 1997 laden beide gemeinsam<br />

ein, inzwischen heißt die Messe nur<br />

noch Didacta. 2000 wurde der Bereich<br />

Kindergarten und Vorschule integriert.<br />

[Infobox]<br />

der neuen Medien in den Unterricht.<br />

In diesem Bereich tut sich<br />

viel, angefangen bei den interaktiven<br />

White Boards,die nach und<br />

nach die herkömmlichen Tafeln<br />

ablösen sollen bis hin zu digitalen<br />

Lernspielen für Computer,Konsole<br />

oder Mobiltelefon, die gleichzeitig<br />

bilden und unterhalten. Die<br />

Branche, fasst es Koslitz zusammen,<br />

ist auf der Suche nach Unterrichtsformen,<br />

die Schülern und<br />

Lehrern Spaß machen.<br />

Bis zu sechs Messen<br />

im Ausland proJahr<br />

Und zwar nicht nur in Deutschland:<br />

Auffünf bis sechs Auslandsmessen<br />

pro Jahr ist Koslitz mit<br />

dem Didacta-Verband und Mitgliedern<br />

vertreten, zuletzt war er<br />

in Dubai, Indien und Shanghai,<br />

nächstes Jahr ist Kuweit dran.<br />

Großes Vorbild ist allerdings die<br />

Bett-Show inEngland, die größte<br />

Messe für Informations- und<br />

Kommunikationstechnik im Bildungswesen.<br />

Der riesige englischsprachige<br />

Markt ist dem deutschen<br />

häufig einen Schritt voraus,<br />

was technische Entwicklungen<br />

und Multimedia-Anwendungen<br />

im Klassenzimmer angeht. Doch<br />

auch deutsche Produkte sind gefragt<br />

im Ausland. Vorallem die<br />

Didacta-Mitgliedsunternehmen<br />

aus dem naturwissenschaftlichtechnischen<br />

Bereich, etwa Laborausstatter,<br />

sind im Exportgeschäft<br />

stark. Abnehmer sind insbesondere<br />

die arabischen Emirate.„Dort<br />

wirdgerade viel Geld für<br />

Bildung ausgegeben“, weiß Koslitz.<br />

Auch im Vorschulbereich gibt<br />

es keine Sprachbarriere: „Mit<br />

Bauklötzen kann man überall<br />

spielen.“


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 13<br />

Geld & Finanzen<br />

Seite 16<br />

Anonyme Insolvenzler<br />

Attila von Unruh, lange erfolgsverwöhnter<br />

Unternehmer, hat nach<br />

der Pleite eine Selbsthilfegruppe<br />

für Betroffene gegründet.<br />

»Wer seine Schweißtropfen zählt,<br />

wird nie sein Geld zählen«<br />

Christian Friedrich Hebbel, deutscher Dramatiker und Lyriker<br />

FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />

Seiten 14 +15<br />

Die andereBank<br />

Das 336 Jahre alte Frankfurter<br />

Bankhaus Metzler verkörpert<br />

Kernwerte des Geldgeschäftes:solide,gewissenhaft,<br />

nachhaltig.<br />

Seite 17<br />

SchwereZeiten<br />

Geld anlegen macht derzeit<br />

wenig Spaß.Das Pulver trocken<br />

halten, ist sicher nicht<br />

falsch. Auf alle Fälle Hände<br />

wegvon langen Laufzeiten.<br />

Seite 18<br />

Richtig rechnen<br />

Fonds über die Börse zu kaufen,<br />

muss nicht unbedingt<br />

günstiger sein. Viele Gesellschaften<br />

haben Angebote<br />

ohne Ausgabeaufschlag.<br />

Seite 20<br />

Nomen est omen<br />

Wohlklingende Straßennamen<br />

sind bei Immobilien<br />

nicht ganz unwichtig. Danach<br />

folgt freilich nur eines:<br />

Lage,Lage,Lage.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 14<br />

Bankhaus Metzler –<br />

Seit 336 Jahren unabhängig aus Prinzip –<br />

Reine Beraterbank ohne Kreditgeschäft –<br />

„Wir stehen für Aktien, Renten und Cash“<br />

VON BRUNO HIDDING<br />

Ein Bankhaus,das viele Jahre<br />

auf die Entwicklung des<br />

deutschen Kapitalmarktes<br />

–nach dem zweiten Weltkrieg –<br />

gewartet hat: kaum zu glauben.<br />

Ein Bankhaus,das seinen Kunden<br />

das langsame Geld verspricht:<br />

wer geht denn dahin? Ein Bankhaus,<br />

das Analysten mit gutem<br />

Charakter sucht: ist das nicht<br />

rückständig? Ein Bankhaus, das<br />

nur die zu ihm passenden Kunden<br />

akzeptiert: ist das nicht überheblich?<br />

Und doch gibt es das alles<br />

beim alteingesessenen Frankfurter<br />

Bankhaus B. Metzler seel.<br />

Sohn &Co.. Und das merkwürdige<br />

daran ist, es ist alles sogar<br />

glaubhaft, es wird wirklich so gelebt.<br />

Und es lebt gut, das Bankhaus.<br />

Aber das war nicht immer so,<br />

weiß Bankier Friedrich vonMetzler,<br />

Mitglied des achtköpfigen<br />

Partnerkreises des Bankhauses zu<br />

berichten. Gemeint sind dabei<br />

nicht die 336 Jahre seit der Gründung<br />

als Tuchhandel im Jahre<br />

1674 in Frankfurt, sondern eher<br />

In Asien wachen die bevölkerungsreichsten<br />

Länder der Welt auf. Davon<br />

können Europa und besonders die Bundesrepublik<br />

profitieren, meint Friedrich<br />

von Metzler, Partner und Namensträger<br />

des Frankfurter Bankhauses B. Metzler<br />

seel. Sohn &Co. Wenn es in Ländern wie<br />

China, Indien oder aber Brasilien keine<br />

sozialen Unruhen gäbe,die derzeit nicht<br />

zu erkennen seien, könnte es in diesen<br />

die ersten Jahrzehnte nach dem<br />

zweiten Weltkrieg. Das Bankhaus<br />

hat lange gewartet, bis sich der<br />

deutsche Kapitalmarkt einigermaßen<br />

entwickelt hatte,also wieder<br />

eine Basis für ihr angestammtes<br />

Beratungsgeschäft –und eine<br />

entsprechende, vermögende Klientel<br />

–vorhanden war. Eine bewusste<br />

Entscheidung war, bei<br />

Metzler auf das Kreditgeschäft<br />

oder den Eigenhandel in Aktien<br />

zu verzichten, weil das nicht zur<br />

Struktur einer modernen Privatbank<br />

passe. DaMetzler aber nur<br />

Geschäfte macht, die zu seiner<br />

Struktur passen, entwickelte sich<br />

das Geschäft erst später mit der<br />

zunehmenden Reife und Bedeutung<br />

des deutschen Kapitalmarktes.<br />

Jetzt, beziehungsweise seit<br />

einigen Jahren, sieht Friedrich<br />

vonMetzler sein Bankhaus als Investment-<br />

und Vermögensverwaltungsbank<br />

im Kapitalmarktumfeld<br />

gut positioniert. „Wir<br />

sind jetzt in den Wachstumsbereichen<br />

des Bankgeschäftes zu Hause“.<br />

Und er sieht, dass sein Bankhaus,<br />

noch wichtiger aber viel-<br />

Spezialisten<br />

für das<br />

langsame Geld<br />

„Vor allem Deutschland<br />

profitiertvon Chinaund Indien“<br />

Regionen ähnlich wie in Deutschland<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg eine langdauernde<br />

wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung<br />

voneventuell 20 Jahren geben.<br />

Ähnlich sei die Situation in Osteuropa<br />

einzuschätzen, wobei Russland sicher<br />

ein Sonderfall sei.<br />

Vondiesen Entwicklungen werdeEuropa,<br />

besondersDeutschland als starkes<br />

Exportland, langfristig deutlich profitie-<br />

Bankier<br />

Friedrich von Metzler.<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

ren. Vordiesem Hintergrund sieht er für<br />

deutsche Aktien durchaus noch einen<br />

Spielraum von zehn bis 15 Prozent bis<br />

Mitte 2011,wobei in dieser Aussage die<br />

sich zuspitzenden Bonitätsprobleme<br />

vonGriechenland &Co. sicher einen Unsicherheitsfaktor<br />

bilden. Für die asiatischen<br />

Märkte spreche, sodie Private-<br />

Banking-Spezialisten des Bankhauses<br />

Metzler, ein überproportionales Wirt-<br />

schafts- und Gewinnwachstum sowie eine<br />

vergleichsweise niedrige Verschuldung<br />

von Staat, Unternehmen und Privathaushalten.<br />

Abgerundet würde dieses<br />

positive Bild durch Leistungsbilanzüberschüsse,hohe<br />

Sparraten und mittelfristig<br />

günstige demografische Effekte.<br />

Zehnjährige Staatsanleihen der USA<br />

und Deutschlands hält Metzler-Private<br />

Banking für überbewertet. Anleihen mit<br />

leicht seine Kunden, aufgrund<br />

des konsequenten strategischen<br />

Langfristansatzes ausgesprochen<br />

gut durch die Krisen der letzten<br />

Jahre gekommen sind. Dazu hat<br />

eine gute Risikostreuung beigetragen.<br />

Motto: ein Drittel Aktien,<br />

ein Drittel Festverzinsliche Wertpapiere<br />

und ein Drittel in Cash.<br />

Letzteres kann je nach Einschätzung<br />

der Lage und der Mentalität<br />

des Kunden zu taktischen Investitionen<br />

eingesetzt werden. Dazu<br />

passt dann auch die an die Kunden<br />

gerichtete Aussage, dass das<br />

Bankhaus Spezialist für das langsame<br />

Geld sei. Soll heißen, langsam<br />

aber sicher,keine großen Risiken<br />

eingehen, keine Kurzfristzockereien,<br />

vielmehr mit einem<br />

international gut gestreuten Portfolio<br />

fahren, weil der Kunde damit<br />

am besten gegen Überraschungen<br />

abgesichert ist. Es werden<br />

keine Modetrends mitgemacht,<br />

keine Zertifikate in die Depots<br />

genommen, sondern nach<br />

intensiver sauberer Analyse die<br />

Depots langfristig strukturiert.<br />

Aber natürlich ständig überwacht.<br />

Viele vorbereitende<br />

Einzelgespräche<br />

Die jeweilige Strategie wirdinvielen<br />

vorbereitenden Einzelgesprächen<br />

zwischen dem Kunden und<br />

seinem Beraterteam sorgfältig abgestimmt.<br />

Wichtig dabei ist eine<br />

Gesamtanalyse aller Vermögens-<br />

kurzer bis mittlerer Laufzeit vonSchuldnern<br />

mit guter bis sehr guter Bonität,<br />

deren Anleihen auf Euro lauten und die<br />

einen Renditeaufschlag gegenüber<br />

Staatsanleihen bieten, werden hingegen<br />

weiter für attraktiv gehalten. Im Staatsanleihesegment<br />

wird empfohlen, den<br />

gestiegenen Inflationsrisiken mit inflationsindexierten<br />

Anleihen mittlerer Laufzeit<br />

zu begegnen.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 15<br />

teile des Kunden; auch solcher<br />

Vermögensteile wie beispielsweise<br />

das im eigenen Unternehmen<br />

gebundene Vermögen oder von<br />

Immobilien, die Metzler grundsätzlich<br />

nicht verwaltet. Schließlich<br />

ist das Wissen um diese Vermögensteile<br />

wichtig für eine optimale<br />

Risikostreuung des Gesamtvermögens.<br />

Die Bank erhält dann<br />

ein Mandat, das Vermögen des<br />

Kunden nach den getroffenen Absprachen<br />

zu managen. Diese klärenden<br />

Gespräche mit den Kunden<br />

finden im ersten und zweiten<br />

Jahr der Zusammenarbeit in der<br />

Regel häufiger statt; später richtet<br />

sich der Kontakt auch nach dem<br />

Wunsch des Kunden. Manche<br />

wollen aus Zeitmangel nur maximal<br />

zwei- bis viermal im Jahr kontaktiert<br />

werden. Allerdings werden<br />

in schwierigen Zeiten wie zuletzt<br />

die Kunden intensiver betreut,<br />

um sie zu informieren und<br />

die Strategie zu erläutern. Denn<br />

wesentlich ist, die einmal gewählte<br />

Strategie auch durchzuhalten.<br />

Doch passen nicht alle Kunden<br />

zu uns,sagt vonMetzler ohne Ironie,<br />

aber selbstbewusst. Wir verfolgen<br />

ganz eindeutig langfristig<br />

angelegte Strategien. Kommt nun<br />

ein Kunde mit spekulativ ausgelegtenKurzfriststrategiewünschen<br />

auf uns zu, dann müssen<br />

wir abwinken, dann passen wir<br />

nicht zusammen.<br />

In der Regel hat ein Depot dabei<br />

kaum mehr als 25 bis 30 Aktientitel.<br />

Auch bei den sogenannten<br />

Small Caps,also kleineren Unternehmen,<br />

tendiert Metzler regelmäßig<br />

zu Direktanlagen, sofern<br />

die Marktbreite des Papiers<br />

ausreicht. Fonds werden nur in<br />

besonderen Ausnahmefällen,<br />

zum Beispiel China-Anlagen, in<br />

die Kundendepots genommen,<br />

weil man nicht den Eindruck erwecken<br />

will, Metzler wolle seine<br />

eigenen Produkte verkaufen. Ansonsten<br />

wirdbei Anlagen in Euro-<br />

pa und auch den USA stets die<br />

Direktanlage in die Aktie bevorzugt.<br />

Das bedeutet auch, dass in<br />

diesem aktiven Managementansatz<br />

kein Platz für den Einsatz von<br />

ETFs (Exchange Traded Funds)<br />

ist.<br />

Die verschiedenen Teams aus<br />

den insgesamt 40 Beratern –in<br />

Gruppen über Deutschland verteilt<br />

–setzen sich aus erfahrenen<br />

Bankern und zunehmend auch<br />

Akademikern zusammen, die<br />

vielfach bereits 15 bis 20 Jahreim<br />

Hause sind. Die Fluktuation in<br />

diesem Bereich ist ausgesprochen<br />

gering. Das trägt dazu bei, dass<br />

der Kunde über längere Zeit immer<br />

den oder die gleichen Gesprächspartner<br />

hat. Wichtig ist<br />

von Metzler dabei die Feststellung,<br />

dass diese Berater nicht bonusgesteuert<br />

gegeneinander getrieben<br />

werden. Die Teammitglieder<br />

werden beurteilt nach dem<br />

Grad der Kundenzufriedenheit.<br />

Sicher ungewöhnlich ist in diesem<br />

Zusammenhang die Aussage von<br />

Metzlers, dass ganz wichtig für<br />

sein Haus ein guter Charakter des<br />

Beraterssei. Bleibt offen, wie dieser<br />

zertifiziert oder nachgewiesen<br />

werden kann.<br />

„Gute Arbeit leisten<br />

und wachsen“<br />

Wichtig ist von Metzler, dass in<br />

diesem Geschäftsfeld der Vermögensbetreuung<br />

die absolute Größe<br />

keine beziehungsweise nur eine<br />

untergeordnete Rolle spielt. Sicher<br />

müsse eine gewisse kritische<br />

Größe vorhanden sein, um für das<br />

Portfolio Management entsprechende<br />

IT-Lösungen und auch das<br />

Research bestreiten zu können.<br />

Doch dann gehe es darum, gute<br />

Arbeit zu leisten und zu wachsen.<br />

Die zuletzt viel diskutierte Honorarberatung<br />

ist im Bankhaus<br />

Metzler ein alter Hut. Das mache<br />

man immer schon, heißt es. Die<br />

B. Metzler seel. Sohn &Co. Holding AG<br />

Hauptsitz: Frankfurt am Main<br />

WeitereStandorte Inland:<br />

Hamburg, Köln/Düsseldorf, München,<br />

Stuttgart<br />

Ausland:<br />

Dublin, Los Angeles, Seattle, Tokio, Peking<br />

Profil/Geschäftsschwerpunkte:<br />

Investment- und Vermögensverwaltungsbank<br />

mit den Geschäftsfeldern Asset Management,<br />

Corporate Finance, Equities, Financial<br />

Markets und Private Banking<br />

Kundenzielgruppe:<br />

Unternehmen, institutionelle Auftraggeber,<br />

anspruchsvolle Privatkunden<br />

Mindestanlagebeträge (Private Banking):<br />

Vermögensverwaltung mit Einzeltitel ab drei<br />

Millionen Euro<br />

Bilanzsumme:<br />

3,4 Milliarden Euro (Bankengruppe 2008)<br />

Eigenkapital in Prozent der Bilanzsumme:<br />

ca. 15 Prozent<br />

Geschäftsvolumen: 3,4 Milliarden Euro<br />

Zahl der Mitarbeiter:<br />

In- und Ausland rund 750<br />

(wesentliche)Tochtergesellschaften<br />

(nach Geschäftsfeldern):<br />

� Private Banking, Equities und<br />

Financial Markets:<br />

B. Metzler seel. Sohn &Co. KGaA<br />

� Corporate Finance: B. Metzler GmbH<br />

� Asset Management:<br />

Metzler Asset Management GmbH<br />

� Fondsmanagement, Master KAG, Pension<br />

Management: Metzler Investment GmbH,<br />

Metzler/Payden, LLC<br />

� Vertrieb Metzler Publikumsfonds: Metzler<br />

Servicegesellschaft für Vertriebspartner mbH<br />

[Infobox]<br />

Bank verdiene überwiegend an<br />

der Vermögensverwaltungsgebühr;<br />

Provisionen und Kick Backs<br />

gebe es nicht. Man brauche also<br />

keine Umsätze, umGeld zu verdienen.<br />

Es sei ein identisches Interesse<br />

von Kunde und Bank.<br />

Wenn das verwaltete Vermögen<br />

steige,steige auch die Vermögensverwaltungsgebühr.<br />

Ausgesprochen zurückhaltend<br />

äußert sich Friedrich von Metzler<br />

zum Zahlenwerk und Erfolg des<br />

eigenen Hauses, das er in der elften<br />

Generation führt. Es gehe ihm<br />

gut, sagt er, umdann noch anzumerken,<br />

dass die Eigentümer und<br />

auch der Gesellschafterausschuss<br />

sehr wohl und detailliert über die<br />

Situation des Hauses informiert<br />

seien. Für die Kunden sei die Unabhängigkeit,<br />

Objektivität, Vertraulichkeit,<br />

Kontinuität, persönliche<br />

Verantwortung und die<br />

strukturelle Vermeidung von Interessenkollisionen<br />

zwischen<br />

Kunde und Bank bedeutsam. Bewusst<br />

ist das Bankhaus, sohatte<br />

es sein Partner Johannes Reich<br />

Anfang des Jahres formuliert, weder<br />

im klassischen Kreditgeschäft<br />

noch in Emissionskonsortien vertreten,<br />

betreibe kein Private-Equity-Geschäft<br />

und verzichte konsequent<br />

auf den Eigenhandel in Aktien.<br />

Der Tätigkeitsschwerpunkt<br />

liegt auf der Kundenberatung in<br />

ausgewählten Kapitalmarktfragen<br />

–und damit auf dem wenig<br />

kapitalintensiven und daher weit<br />

weniger risikoanfälligen Provisionsgeschäft.<br />

Und auf Fragen danach, ob er<br />

in Deutschland noch ähnlich agierende<br />

und strukturierte Privatbanken<br />

sieht, verweist er auf die<br />

Berenberg Bank und M.M. Warburg;<br />

aber gleich mit der Anmerkung,<br />

dass diese sich doch in der<br />

Struktur und den Aktivitäten<br />

deutlich vom Bankhaus Metzler<br />

unterscheiden würden.<br />

Die Gesamtaktivitäten des<br />

Gruppe/Eigentümer:<br />

B. Metzler seel. Sohn &Co. Holding AG,<br />

gesamtes Kapital in den Händen der Familie<br />

Metzler<br />

Management:<br />

Partnerkreis (operativ verantwortlich)<br />

� Karl-Emil Fuhrmann<br />

� Michael Klaus<br />

� Frank-Peter Martin<br />

� Friedrich von Metzler<br />

� Emmerich Müller<br />

� Hartmut Petersmann<br />

� Dr.Johannes Reich<br />

� Gerhard Wiesheu<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

Bankhauses Metzler verteilen<br />

sich auf fünf Kerngeschäftsfelder.<br />

Asset Management (Investmentberatung<br />

und -management,<br />

Fonds, Pension-Management und<br />

US-Real Estate), Corporate Finance<br />

(Mergers & Acquisitions,<br />

Kapitalmarktberatung, Privatisierungen<br />

und Finanzierungsberatung,<br />

Treuhandlösungen), Equities<br />

(Research, Sales,Trading), Financial<br />

Markets (Beratung Geldund<br />

Kapitalmarkt, Fremdwährungsmanagement,<br />

Research &<br />

Produktentwicklung, Devisen-<br />

/Rentenhandel) und Private Banking<br />

(Verwaltung, Vermögenstreuhand,<br />

Stiftungen).<br />

Umfangreiches<br />

soziales Engagement<br />

Passend zum zurückhaltenden<br />

Stil des Hauses gehen vonMetzler<br />

und sein Pressesprecher Jörg-<br />

Matthias Butzlaff erst auf Nachfrage<br />

auf das umfangreiche soziale<br />

Engagement des Bankhauses<br />

Verbandszugehörigkeiten (Auszug):<br />

� Bankenverband Hessen e. V.<br />

� Bundesverband Deutscher Banken e. V.<br />

� BVI Bundesverband Investment und<br />

Asset Management e. V.<br />

� European Association for Banking<br />

and Financial History e. V.<br />

� Die Familienunternehmer ASU e. V.<br />

� Frankfurt Main Finance e. V.<br />

� Frankfurter Gesellschaft für Handel,<br />

Industrie und Wissenschaft e. V.<br />

� Gesellschaft für Kapitalmarktforschung<br />

(Center für Financial Studies) e. V.<br />

� Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im<br />

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.<br />

ein. Dabei ist ihr Anliegen, nicht<br />

nur mit Geld, sondern vor allen<br />

Dingen mit Ratund Tatzuhelfen.<br />

Dazu gehören der Zugang zum<br />

Metzler’schen Netzwerk sowie<br />

Hilfe bei der Öffentlichkeitsarbeit<br />

und beim Fundraising –Metzler<br />

nennt es „Anstiften zum Stiften“.<br />

Das Engagement von Bankhaus<br />

und Familie von Metzler wird<br />

heute in der Metzler-Stiftung gebündelt.<br />

Der Schwerpunkt der<br />

Stiftungsarbeit liegt auf der ganzheitlichen<br />

Förderung vonKindern<br />

und Jugendlichen beim Sehen,<br />

Hören und Lernen –nicht nur in<br />

Frankfurt sondern auch hessenoder<br />

bundesweit. Aktuelle Projekte<br />

sind das „Netzwerk für Gehirnforschung<br />

und Schule“, eine Kooperation<br />

mit dem ZNL, dem<br />

Transferzentrum für Neurowissenschaften<br />

und Lernen in Ulm.<br />

Durch anwendungsorientierte<br />

Forschung und Erprobung in<br />

Schulen sollen wissenschaftlich<br />

abgesicherte und praxistaugliche<br />

Erkenntnisse über das Lernen gewonnen<br />

werden, die zu konkreten<br />

und umsetzbaren didaktischen<br />

Methoden für die Lehrer führen.<br />

Daneben unterstützt Metzler seit<br />

2009 erstmals die Frankfurter Anlaufstelle<br />

für straffällig gewordene<br />

Frauen, die unter dem Dach der<br />

AWOFrankfurt seit 30 Jahren erfolgreich<br />

und preisgekrönt arbeitet.<br />

Metzler fördert die Halbtagsstelle<br />

einer Sozialarbeiterin im<br />

Übergangswohnheim. Die meisten<br />

der betreuten Frauen – die<br />

stets freiwillig kommen –haben<br />

minderjährige Kinder.Die in Hessen<br />

einmalige Einrichtung arbeitet<br />

sehr erfolgreich.<br />

� Deutscher Gründerpreis<br />

� Prüfungsverband Deutscher Banken e. V.<br />

� Stiftung Familienunternehmen<br />

� Wissensfabrik –<br />

Unternehmen für Deutschland e. V.<br />

Gründungsjahr/Gründungszweck: 1674<br />

� Tuch-und Gewürzhandel mit<br />

angeschlossenem Kommissions- und<br />

Speditionsgeschäft (Kopplung von<br />

Waren- und Geldgeschäften war<br />

zu dieser Zeit völlig üblich)<br />

� Ab 1760 dann reines Bankhaus<br />

� Erster reiner Bankier warFriedrich Metzler<br />

(1749 bis 1825)


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 16<br />

Kontakt<br />

VON SILKE JUNGBLUTH-SEPP<br />

Aneinen seiner schwärzesten<br />

Tage kann sich Attila<br />

vonUnruh noch genau erinnern.<br />

Es warder Tag, als er einige<br />

Zeit nach der Insolvenz eine<br />

Kontoverbindung brauchte, deshalb<br />

bei einer Bank um ein Guthaben-Girokonto<br />

bat – und vom<br />

Kundenberater vordie Türgesetzt<br />

wurde.„Das ist eine ganz normale<br />

Erfahrung für Insolvenzler“, sagt<br />

er heute.Doch damals warer„einen<br />

ganzen Taglang im Schock“,<br />

empfand die Situation als entwürdigend.<br />

Weder eine Kreditkarte<br />

noch ein Konto zu bekommen,<br />

keine Wohnung mieten zu können<br />

und nicht mal einen Handyvertrag<br />

abschließen zu dürfen, sei<br />

hart: „Die simpelsten Dinge sind<br />

nicht mehr, wie man sie kennt,<br />

und man kann mit kaum jemandem<br />

darüber reden.“<br />

Mit anderen Betroffenen<br />

austauschen<br />

Letzteres immerhin ist heute anders.<br />

Dank von Unruh. Denn der<br />

lange Zeit erfolgsverwöhnte Unternehmer,<br />

der mit seiner Familie<br />

in der Nähe vonBonn lebt, wollte<br />

sich nach seiner Pleite mit anderen<br />

Betroffenen austauschen, offen<br />

über seinen drückenden<br />

Schuldenberg, das Gefühl des<br />

Scheiterns und die Selbstzweifel<br />

reden, gemeinsam Wege aus der<br />

Krise suchen. Doch er stellte<br />

schnell fest: „Eine Selbsthilfegruppe<br />

für Insolvenzler gab es nirgendwo<br />

in Deutschland.“ Also<br />

machte er kurzerhand selbst einen<br />

Gesprächskreis für Betroffene<br />

auf, in Köln, im Herbst 2007.Und<br />

traf mit dieser Idee einen Nerv.Er<br />

wurde mit Anfragen überschüttet,<br />

inzwischen haben sich quer<br />

durch die Republik Ableger der<br />

„Anonymen Insolvenzler“ gegründet,<br />

seit Mai trifft sich einmal<br />

pro Monat auch in Frankfurt eine<br />

Gruppe mit Teilnehmern aus dem<br />

Rhein-Main-Gebiet – anonym,<br />

kostenfrei und ohne Verpflichtungen.<br />

Wenn die Pleite<br />

alles verändert<br />

Der Frankfurter Gesprächskreis der<br />

„Anonymen Insolvenzler“ trifft sich<br />

jeweils am dritten Dienstag im Monat<br />

um 19 Uhr im Diakonie-Begegnungszentrum<br />

„Drehscheibe“,<br />

Fürstenbergerstraße 27, 60322<br />

Frankfurt. Die nächsten Termine<br />

sind der 15. Juni und 20.Juli 2010.<br />

Information und Anmeldung unter<br />

www.anonyme-insolvenzler.de.<br />

[Infobox]<br />

Second Life – WerInsolvenz anmelden muss, verliert nicht nur<br />

sein Vermögen, sondern oft auch sein altes Leben –<br />

Gesprächskreis der „Anonymen Insolvenzler“ in Frankfurt<br />

hilft beim Wegaus der Krise<br />

Seit die Wirtschaftskrise das<br />

Land erfasst hat, ist der Ansturm<br />

vonverzweifelten Unternehmern,<br />

die in der Klemme stecken, noch<br />

größer geworden. „Wir könnten<br />

noch zehn weitere Kreise aufmachen,<br />

die Nachfrage ist enorm“,<br />

sagt der heute 49-jährige, der früher<br />

Teilhaber einer gutgehenden<br />

Eventmarketing-Agentur warund<br />

sie eigentlich für gutes Geld verkauft<br />

hatte. Doch der Käufer ging<br />

wegen abgesprungener Investorensoschnell<br />

pleite,dass er seine<br />

Verpflichtungen nicht erfüllen<br />

konnte und es erwischte auch von<br />

Unruh –weil seine 300 000-Euro-<br />

Bürgschaft für die Agentur noch<br />

nicht gelöscht worden war und<br />

von der Bank sofort fällig gestellt<br />

wurde.<br />

Viele, die ihn in diesen Tagen<br />

anrufen, stehen noch vor dem<br />

Gang zum Insolvenzrichter. Sie<br />

haben oftmals in den vergangenen<br />

beiden Krisenjahren die<br />

Rücklagen aufgebraucht, jetzt<br />

drehen ihnen die Banken den<br />

Geldhahn zu, erzählt von Unruh<br />

in Frankfurt. Es sei eine Mär,dass<br />

es keine Kreditklemme im Mittelstand<br />

gebe. Nicht nur er rechnet<br />

deshalb mit einem weiteren Anstieg<br />

bei den Pleiten: Nach Ein-<br />

schätzung der Wirtschaftsauskunftei<br />

Creditreform könnte es<br />

2010 bis zu 40 000 Unternehmensinsolvenzen<br />

geben, nachdem<br />

schon im Vorjahr mit 34 300 Firmenpleiten<br />

ein Plus von 16Prozent<br />

verzeichnet wurde und 2009<br />

durch Insolvenzen über eine halbe<br />

Millionen Arbeitsplätze in Gefahr<br />

gerieten oder verloren gingen.<br />

Handwerker,Freiberufler,<br />

Anwälte oder Ärzte<br />

In den Gesprächskreisen sitzen<br />

Handwerker und Freiberufler,<br />

Chefs traditionsreicher mittelständischer<br />

Betriebe, Anwälte,<br />

Architekten, Ärzte –und bürgende<br />

Ehefrauen, die durch eine Insolvenz<br />

oft mit in die finanzielle<br />

Katastrophe gerissen werden. So<br />

unterschiedlich ihre Geschichten<br />

sind, so ähnlich empfinden sie<br />

doch alle den Schock, wenn es<br />

zum Äußersten kommt. Diesen<br />

Schock hat auch die Hessin Barbara<br />

Schmidt erlebt, deren Insolvenz<br />

alle ihreZukunftspläne zum<br />

Platzen brachte. Ihren richtigen<br />

Namen möchte die 58 Jahre alte<br />

Frau nicht öffentlich machen,<br />

ebenso wenig die Branche, inder<br />

sie als Freiberuflerin arbeitet,<br />

denn sie führt ihr Büro inFrankfurt<br />

weiterhin –unter dem strengen<br />

Regiment des Insolvenzverwalters.<br />

Bisher pendelte sie jeden<br />

Monat zu den Treffen der „Anonymen<br />

Insolvenzler“ nach Köln,<br />

jetzt ist sie im neu gegründeten<br />

Kreis im Frankfurter Nordend mit<br />

von der Partie.<br />

Sie macht sich vor allem Sorgen<br />

um ihre finanzielle Situation<br />

im Alter. Invier Jahren, mit 62,<br />

kann sie zwar einen Antrag auf<br />

Erlass der Restschulden stellen,<br />

doch finanziell steht sie dann vor<br />

dem Nichts. Die Immobilien, in<br />

die sie investiert hatte,sind verloren.<br />

Ebenso die beiden privaten<br />

Rentenversicherungen. In die gesetzliche<br />

Rentenkasse hat sie nie<br />

eingezahlt. „Auf mich wartet<br />

Hartz IV“, sagt Schmidt, die als<br />

Singlefrau auch nicht auf familiäre<br />

Unterstützung bauen kann. Zu<br />

lange hatte sie gehofft, dass ihre<br />

Geschäfte wieder besser laufen<br />

würden, schließlich war sie viele<br />

Jahre von Erfolg zu Erfolg geeilt<br />

und hatte richtig gut verdient.<br />

Doch die Wirtschaftsflaute, Kunden,<br />

die Rechnungen nicht bezahlten,<br />

und vor allem die eine<br />

oder andere Fehlinvestition sorg-<br />

ten dafür, dass sich ihr Schuldenberg<br />

sohoch türmte, dass sie ihn<br />

irgendwann nicht mehr in den<br />

Griff bekam. Mit insgesamt fast<br />

einer Million Euro steht sie heute<br />

in der Kreide.<br />

Die „Anonymen Insolvenzler“<br />

seien in dieser Situation ein wichtiger<br />

Halt für sie, berichtet sie.<br />

Man könne offen über Sorgen und<br />

Probleme reden, bekomme Trost<br />

und praktische Tipps, höre ermutigende<br />

Geschichten von denen,<br />

die nach ihrer Pleite schon wieder<br />

etwas Licht in ihrem Leben sehen.<br />

„Es ist wie unter Freunden“, sagt<br />

sie. Zudiesem Gefühl trage vor<br />

allem bei, dass nur Betroffene und<br />

ihreAngehörigen mitmachen dürfen.<br />

Besucher sind nicht erlaubt,<br />

um die Anonymität zu wahren.<br />

Schmidt selbst sagt inzwischen<br />

„es hätte schlimmer für mich<br />

kommen können“. Immerhin sei<br />

sie nicht krank geworden, so wie<br />

viele andere. Und sie habe gute<br />

Freunde,die ihr zur Seite stehen.<br />

Vielen Menschen, die vor und<br />

in der Insolvenz stecken, geht es<br />

anders. Sie verlieren nicht nur ihr<br />

Vermögen, sondern auch ihr<br />

Selbstwertgefühl, weiß von Unruh.<br />

Oft zerbricht die Ehe, Freunde<br />

und Bekannte wenden sich ab.<br />

Andere brechen selbst alle sozialen<br />

Kontakte ab, vereinsamen,<br />

werden depressiv, hegen Selbstmordgedanken.<br />

„Wenn sie sehen,<br />

dass andere Betroffene ähnlich<br />

fühlen wie sie,hilft das vielen aus<br />

ihrem Tief“, sagt er. Die Erfahrungen<br />

der anderen relativierten<br />

das eigene Erleben, häufig bildeten<br />

sich auch neue Freundschaften<br />

aus den Gruppen heraus.<br />

Wenn das nicht reicht, vermittelt<br />

die ehrenamtliche Insolvenzler-<br />

Initiative, die seit 2009 voneinem<br />

gemeinnützigen Trägerverein geführt<br />

wird, auch an Psychotherapeuten<br />

weiter. Zum Netzwerk<br />

zählen außerdem Schuldnerberater<br />

und Fachanwälte.<br />

Stigma der Niederlage<br />

abstreifen<br />

Doch mit der individuellen Heilung<br />

der Wunden, der Aufarbeitung<br />

vonScham und Versagensgefühlen<br />

in den Gesprächskreisen<br />

allein gibt sich von Unruh inzwischen<br />

nicht mehr zufrieden. Zu<br />

sehr steckt ein <strong>Macher</strong> in ihm,<br />

dem Spross einer Unternehmerfamilie,<br />

zusehr haben die eigenen<br />

Erfahrungen ihn spüren lassen,<br />

dass es nirgendwoeine Lobbyfür<br />

Insolvenzbetroffene gibt. Ihn<br />

treibt um, dass es hierzulande für<br />

gescheiterte Unternehmer kaum<br />

jemals eine zweite Chance gibt,<br />

weder von den Banken noch von<br />

der Gesellschaft. Dass ihnen meist<br />

für alle Zeit das Stigma der Niederlage<br />

anhaftet. Dass viele den<br />

Rest ihrer Tage als Hartz-IV-Empfänger<br />

fristen müssen. „Dabei<br />

könnte die Gesellschaft nicht nur<br />

von ihrem Wissen als Unternehmer,<br />

sondern auch von ihrer Krisenerfahrung<br />

profitieren“, wirbt<br />

er für ein Umdenken –und hat<br />

sich mit seinen Erfahrungen inzwischen<br />

auch bei Politikern ein<br />

Standing als Vertreter aus den Reihen<br />

der Betroffenen erarbeitet.<br />

Beruflich geht es ebenfalls<br />

langsam wieder aufwärts bei dem<br />

zweifachen Familienvater, der inzwischen<br />

als Unternehmensberater<br />

arbeitet. Vonseinen Honorarendarf<br />

er einen Pfändungsfreibetrag<br />

vonrund 1350Eurobehalten,<br />

der Rest geht an die Gläubiger.<br />

Noch ein gutes Jahr, bis zum 25.<br />

Juli 2011,muss vonUnruh durchhalten.<br />

Dann ist das sechsjährige<br />

Insolvenzverfahren zu Ende und<br />

er von seinen Restschulden befreit.<br />

Für ihn ist das ein großes<br />

Glück: Dann könne er wieder<br />

selbst über sein Leben entscheiden,<br />

sagt er. Eigentlich sei eine<br />

Insolvenz nämlich dank der<br />

Schuldenbefreiung eine große<br />

Chance. „Es dauert aber, bis man<br />

das so sehen kann“.<br />

Attila von Unruh<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 17<br />

Geldanlegenmacht keinen Spaß mehr<br />

Unstete Zeiten – Die Zinsen nähern sich der Null-Linie –Aktien taumeln südwärts –Der Euronicht nur im Ouzo-Schock –<br />

Gold, Silber, Platin &Co. als Ausweg? –Und was ist mit Immobilien?<br />

VON BRUNO HIDDING<br />

Geldanleger sind frustriert.<br />

Sie wissen nicht, was sie<br />

tun sollen. Kein Wunder,<br />

denn noch nie stand die westliche<br />

Welt vor einem solchen Problembündel<br />

wie derzeit. Da helfen alle<br />

gemachten Erfahrungen kaum<br />

noch, weil es ein derartiges Problemumfeld<br />

noch nie gegeben hat.<br />

Und es hagelt Empfehlungen in alle<br />

Himmelsrichtungen. Einmal ist<br />

die Rede vom idealen Anlagezeitpunkt<br />

für (die richtigen) Aktien<br />

und auch für Gold &Co.; aber auch<br />

die gegenteiligen Empfehlungen<br />

sind von ebenfalls qualifizierten<br />

Ökonomen und Kommentatoren<br />

zu hören. All das macht Anleger<br />

noch ratloser und unsicherer, zumal<br />

sie spüren, dass unsere Politikerauch<br />

mächtig schwimmen und<br />

Dinge vorgeben beziehungsweise<br />

der (bisher) unabhängigen Notenbank<br />

aufs Auge drücken, die sie<br />

bisher als absolut undenkbar bezeichnet<br />

hatten.<br />

In unsicheren Zeiten<br />

Risiken vermeiden<br />

Die Lage: Ein Dax bei unter 5900<br />

nach einem Zwölfmonatshoch<br />

von6341, ein Eurounter 1,22 Dollar<br />

nach der Bankenstützung in<br />

Spanien, aufkommenden Sorgen<br />

um das BonitätsrisikoFrankreichs<br />

und Überlegungen allerorten, wer<br />

wohl als nächstes ins Gerede<br />

kommt. All das mahnt an alte<br />

Geldanlage-Grundregeln. Je größer<br />

die Unsicherheit in Geldanlagedingen,<br />

desto mehr hält der Anleger<br />

sein Pulver trocken und<br />

bleibt in Liquidität, so weh es<br />

auch tut. Denn die Zinsen für die<br />

erste Qualität im Lande, die umlaufenden<br />

Bundesanleihen, liegen<br />

Anfang Juni im Einjahresbereich<br />

bei 0,70 Prozent, für fünf<br />

Jahre bei 1,90 und für zehn Jahre<br />

bei 2,80 Prozent. Okay,die Pfandbriefrenditen<br />

liegen jeweils einige<br />

Schnäpschen darüber, doch auch<br />

sie treiben dem zinsbewussten<br />

Anleger die Tränen in die Augen.<br />

Und es sollte kein Gedankeanhöher<br />

rentierende Griechenland-Anleihen<br />

oder andererenditeträchtigere<br />

Risikopapiere verschwendet<br />

werden. Schmalhans ist derzeit<br />

Küchenmeister. Damuss der Anleger<br />

durch.<br />

Lange Anleihelaufzeiten<br />

vermeiden<br />

Und was ist mit den Zinsaussichten?<br />

Die Zinsen steigen nicht so<br />

bald, weil dummerweise die Notenbanken<br />

aus Angst vor einer<br />

neuerlichen Krise sich vorerst<br />

nicht trauen, die zu viel in die<br />

Märkte gepumpte Liquidität wieder<br />

heraus zu ziehen; andererseits<br />

wird aber diese Liquidität noch<br />

nicht nachfragewirksam, treibt also<br />

die Inflation vorerst nicht an.<br />

Doch das wird und muss sich irgendwann<br />

ändern, zumal die<br />

hochverschuldeten Staaten kaum<br />

jemals ohne Inflation von ihren<br />

riesigen Schulden herunterkommen.<br />

Das heißt in Klarschrift, dass<br />

Anleger lange Laufzeiten vermeiden<br />

müssen, weil dort bei einem<br />

Anziehen der Zinssätze das Kursrisikosehr<br />

hoch ist. Maximal also<br />

zwei bis drei Jahre Laufzeit. Andererseits<br />

locken die niedrigen<br />

Zinsen naturgemäß Anleger, um<br />

zu den niedrigen Zinsen gezielt<br />

Immobilienbesitz zu erwerben.<br />

Das kann Sinn machen, wenn es<br />

wirklich gezielt geschieht, also<br />

die drei wichtigsten Einflussfaktoren<br />

für eine erfolgreiche Immobilienanlage<br />

beachtet werden: Lage,<br />

Lage, Lage!<br />

Noch zu früh für<br />

Aktienkäufe?<br />

Aber solange die Zeiten so unübersichtlich<br />

sind, ist noch keine Zeit<br />

für Aktienkäufe. Wie gesagt, das<br />

Pulver trocken halten. Viel spricht<br />

für die Strategie, wenn der Zeitpunkt<br />

gekommen ist, auf solche<br />

Regionen mit Aktien zu setzen, in<br />

denen voraussichtlich das Wachstum<br />

in den nächsten Jahren und<br />

Jahrzehnten höher ist als in den<br />

Kurz und<br />

bündig<br />

Mehr Eigenkapital<br />

für die Unternehmen<br />

Die Aktie muss als Finanzierungsinstrument<br />

attraktiver<br />

werden, damit die Innovationskraft<br />

und das Wachstum der<br />

deutschen Wirtschaft über eine<br />

bessere Eigenkapitalausstattung<br />

gestärkt wird, ruft das Deutsche<br />

Aktieninstitut die Politik zum<br />

Handeln auf. Die steuerliche Diskriminierung<br />

der Aktienanlage<br />

müsse beendet werden. Aktienerträge<br />

würden derzeit mit rund<br />

48 Prozent Steuer belastet, während<br />

Erträge aus Fremdkapital<br />

mit rund 26 Prozent besteuert<br />

würden. Der Koalitionsvertrag<br />

forderevöllig zu Recht eine Auseinandersetzung<br />

mit diesem<br />

Problem der Doppelbesteuerung.<br />

Jetzt müssten Wege gefunden<br />

werden, um die Diskriminierung<br />

des Eigenkapitals zu beenden.<br />

Fußball als<br />

Wirtschaftsfaktor<br />

Mehr als fünf Milliarden Euro<br />

soll nach der Studie einer internationalenBeratungsgesellschaft<br />

der deutsche Profifußball<br />

zum volkswirtschaftlichen Nutzen<br />

beitragen. Dabei wurden die<br />

Bundesligen, DFB-Pokal, internationale<br />

Wettbewerbe und Nationalmannschaft<br />

einbezogen<br />

sowie auch die mittelbaren Profiteure<br />

wie Hotels, Restaurants,<br />

Logistikunternehmen, ferner<br />

Sportartikelhersteller, Ausrüster,<br />

Vermarkter und Medien. Damit<br />

alten und etwas träge gewordenen<br />

Industriestaaten. Ähnliches wird<br />

gelegentlich auch in Sachen Währungen<br />

vertreten. Also auf ausgewählteSchwellenländer-Währungen<br />

setzen, eventuell auch auf die<br />

sogenannten Rohstoff-Währungen<br />

wie kanadische Dollar, australische<br />

Dollar oder die norwegische<br />

Krone. Aber: Der normale deutsche<br />

Geldanleger ist kein Währungsspekulant.<br />

Er verdient in Euro,<br />

erkonsumiert in Euro und er<br />

legt –zumindest schwerpunktmäßig<br />

–auch in Euroan. Selbst wenn<br />

er am stärkeren Wachstum in<br />

Schwellenländern profitieren will,<br />

kann er das immer auch noch über<br />

jene deutschen oder andere europäischen<br />

Werte tun, die in diesen<br />

generiere die Sportart Nummer<br />

eins in Deutschland jährliche<br />

Steuereinnahmen von 1,7 Milliarden<br />

Euro. Dem stünden Ausgaben<br />

–überwiegend für Polizeieinsätze<br />

–inHöhe von 200 Millionen<br />

Euro gegenüber, schreibt<br />

die Commerzbank in einem<br />

„Topthema des Tages“. Jeder<br />

500. Euro des Bruttoinlandsproduktes<br />

werdedurch die Fußballbundesliga<br />

generiert, was70000<br />

Vollarbeitsplätzen entspreche.<br />

Offensichtlich ein zarter Hinweis<br />

aus der Commerzbank-Arena,<br />

vomFußball die Erstattung jener<br />

200 Millionen für die Polizeieinsätze<br />

abzuwenden.<br />

Union Investment<br />

gewinnt Fonds-Rating<br />

Beste große Fondsgesellschaft in<br />

Deutschland für das erste Quartal<br />

2010 ist wie im Vorquartal<br />

Union Investment, ermittelte die<br />

Bad Homburger Feri EuroRating<br />

Services AG.Damit führt der Asset<br />

Manager des genossenschaftlichen<br />

Finanzverbundes seit<br />

September 2009 das Ranking unter<br />

den 34 großen Fondsgesellschaften<br />

an. AufPlatz zwei folgt<br />

mit geringem Abstand Threadneedle,wiederum<br />

gefolgt vonFidelity.Bei<br />

den kleinereFondsgesellschaften<br />

verteidigte Vitruvius<br />

den Spitzenplatz. Auf Platz<br />

zwei folgt mit geringem Abstand<br />

der Vermögensverwalter Star Capital.<br />

Wein bringt mehr<br />

als US-Aktien<br />

Seit Jahrzehnten schon steigt die<br />

Nachfrage nach alternativen Investments,<br />

darunter zum Beispiel<br />

auch Wein und Kunst. Auf<br />

Ländern sehr aktiv sind, also von<br />

dem dortigen starken Wachstum<br />

entsprechend profitieren. Das gibt<br />

ein Mehr an Sicherheit und Transparenz.<br />

Prognosen gehen<br />

weit auseinander<br />

der Suche nach Schutz vorInflation<br />

kommen neben den traditionellen<br />

Investments wie Aktien,<br />

Anleihen und Gold andere Kategorien<br />

ins Visier. Dabei haben<br />

Spitzenweine, sohaben Schweizer<br />

Ökonomen ermittelt, in den<br />

vergangenen 13 Jahren über<br />

zwei Rezessionen hinwegbesser<br />

abgeschnitten als US-Aktien,<br />

und das bei einer wesentlich geringeren<br />

Volatilität. Es wurden<br />

die Preise von 400 000 regelmäßig<br />

gehandelten Weinen studiert<br />

und ein Weinindex sowie eine<br />

Benchmark der Spitzenjahrgänge<br />

erstellt. Stiegen die Aktienkurse<br />

im Beobachtungszeitraum<br />

um 50 Prozent, so hat sich der<br />

Weinindex mehr als verdoppelt,<br />

die Spitzenweine kommen sogar<br />

auf einen fünfmal höheren Ertrag<br />

als die Aktien.<br />

Rohstoffwährungen<br />

beachten<br />

Die Probleme um Griechenland<br />

& Co. machen dem Euro zu<br />

schaffen. Andererseits gab es mit<br />

den steigenden Rohstoffpreisen<br />

seit 2003 einen strukturellen<br />

Umbruch zugunsten der sogenannten<br />

Rohstoffwährungen. So<br />

warfen zum Beispiel kurzlaufende<br />

Anleihen auf australische<br />

Dollar oder auch den kanadischen<br />

Dollar in den vergangenen<br />

zwölf bis 15 Monaten satte Renditen<br />

ab. Inzwischen haben beide<br />

Währungen deutlich aufgewertet<br />

und es mehren sich die<br />

Stimmen, dass sie überbewertet<br />

seien, beobachtet die Commerzbank.<br />

Doch liegt nach Meinung<br />

des Hauses keine fundamentale<br />

Überbewertung vor, zumal die<br />

Länder bei steigenden Rohstoffpreisen<br />

trotz fester Währungen<br />

Bleibt ein Wort zu Gold, Silber &<br />

Co. Mehrfach warbereits im WirtschaftsECHO<br />

auf die erfolgversprechende<br />

Geldanlage in Platin<br />

hingewiesen worden. Das hat sich<br />

bewahrheitet. Auf dem jetzigen<br />

Preisniveau von Gold hingegen<br />

gehen die Meinungen unter den<br />

Experten auseinander.Die Produzenten-Lobby<br />

sieht den Unzenpreis<br />

natürlich höher, oft bis zu<br />

konkurrenzfähig blieben. Bei äußerst<br />

soliden Staatshaushalten<br />

dürften die Währungen ihren<br />

Aufwärtstrend sogar fortsetzen<br />

können.<br />

Vorsicht beim<br />

Beratungsprotokoll<br />

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger<br />

(SdK) befürchtet,<br />

dass die soeben eingeführten Beratungsprotokolle<br />

die Rechte der<br />

Anleger bei einer Falschberatung<br />

durch die Kreditinstitute nicht<br />

verbessern. Sie befürchtet eher<br />

das Gegenteil. Mit den von den<br />

Banken entwickelten standardisierten<br />

Formularen würde nicht<br />

das Wertpapier dem Kundenprofil,<br />

sondern das Kundenprofil<br />

dem Wertpapier angepasst. „Die<br />

Berater werden gerade geschult,<br />

wie die Protokolle auszufüllen<br />

sind, damit eine Falschberatung<br />

möglichst schwer nachweisbar<br />

bleibt.“ Wichtig: Sich auf das Beratungsgespräch<br />

gut vorzubereiten,<br />

einen vertrauenswürdigen<br />

Zeugen mit zum Beratungsgespräch<br />

mitzunehmen und später<br />

zu Hause das Protokoll in Ruhe<br />

durchzugehen und jede Anlageempfehlung<br />

noch einmal zu<br />

überdenken.<br />

Initiative„Gründerland<br />

Deutschland“<br />

Mit der Initiative „Gründerland<br />

Deutschland“ will die Bundesregierung<br />

den Deutschen mehr<br />

Lust auf selbstständige oder unternehmerische<br />

Aktivitäten machen.<br />

Doch sollte diese Initiative<br />

noch weiter gehen, zum Beispiel<br />

beim Bürokratieabbau und der<br />

Reform des Insolvenzprozesses,<br />

heißt es in einer Analyse von<br />

2000 Dollar die Unze.Das ist nicht<br />

auszuschließen, solange sich genug<br />

Finanzinvestoren finden, die<br />

daran glauben. Doch es gibt auch<br />

andereStimmen, die vordem Hintergrund<br />

des erreichen Preisniveaus<br />

von 1230 Dollar die Unze<br />

(31,1 Gramm) zur Vorsicht mahnen<br />

und eher ein Engagement in<br />

den auch industriell benötigten<br />

Metallen Platin und Palladium anraten.<br />

Aufjeden Fall sollte kein physisches<br />

Metall unters Kopfkissen<br />

gelegt werden, sondern eine der<br />

angebotenen Kauf- und Verwahrangebote<br />

genutzt werden. Auf<br />

Xetra-Gold war an dieser Stelle<br />

schon mehrfach hingewiesen<br />

worden.<br />

dbresearch.de. Auch der kommerzielle<br />

Erfolg sollte stärker in<br />

den Vordergrund rücken. Gründungen<br />

sind kein Selbstzweck.<br />

Sie entfalten ihre Wirkung nur,<br />

wenn sie sich auch am Markt<br />

durchsetzen. Es geht also grundsätzlich<br />

darum, eine moderne,<br />

wettbewerbsfähige und dynamische<br />

Wirtschaft zu fördern, in<br />

der es innovativen Startups<br />

leichter fällt, zu wachsen und<br />

Gewinne zu machen. Richtige<br />

Vorbilder überzeugten stärker<br />

als jede Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Beweislastumkehr<br />

statt Beipackzettel<br />

Der Beipackzettel, also die Kurzund<br />

Knapp-Übersicht der Finanzinstitute<br />

zu bestimmten Finanzprodukten<br />

mag zwar gut gemeint<br />

sein, soll aber letztlich<br />

wohl den Instituten vor allem<br />

helfen, sich von ihrer Haftung<br />

freizukaufen, meint der Anlegeranwalt<br />

Julius F. Reiter. Umdie<br />

Anleger wirklich zu schützen<br />

fordert der Jurist eine Umkehr<br />

der Beweislast. Derzeit müsse<br />

selbst ein 80-jähriger, dem eine<br />

Lebensversicherung aufgeschwatzt<br />

wurde, nachweisen,<br />

dass er diese gar nicht wollte.<br />

Künftig sollten jedoch die Institute<br />

aufzeigen müssen,<br />

dass das Produkt für den<br />

Kunden sinnvoll ist. Jeder<br />

Kundenbetreuer<br />

würde sich dann<br />

genau überlegen,<br />

waser<br />

wemverkaufe.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 18<br />

Beim Fondskauf richtigrechnen<br />

Anlage – Über die Börse kaufen kann, muss aber nicht billiger sein –Viele Fondsgesellschaften haben Angebote ohne Ausgabeaufschlag<br />

VON BRUNO HIDDING<br />

Ein ausgebuffter Anleger<br />

versucht natürlich auch<br />

beim Kauf von Wertpapieren,<br />

so bei Investmentfonds, Kosten<br />

zu sparen. Fünf Prozent Ausgabeaufschlag<br />

am Anfang kann ja<br />

schließlich bedeuten, dass der<br />

Anleger im ersten Jahr seiner Anlage<br />

nichts verdient. Schnell sind<br />

pfiffige Ratgeber und Portale bei<br />

der Hand, die auf die Möglichkeit<br />

des Fondskaufes über die Börse<br />

aufmerksam machen und die damit<br />

–angeblich –sotollen Kostenvorteile.<br />

Schließlich werden an<br />

vielen deutschen Börsenplätzen<br />

(Hamburg, München, Stuttgart)<br />

und auch auf dem vollelektroni-<br />

schen Handelssystem Xetra der<br />

Deutsche Börse über 3000 Investmentfonds<br />

gehandelt.<br />

Und bei einem solchen Kauf<br />

über die Börse fällt natürlich kein<br />

Ausgabeaufschlag an, was aber<br />

nicht heißt, dass es keine sonstigen<br />

Kosten gibt. Der Kauf und<br />

Verkauf von Fondsanteilen über<br />

die Börse hat gewisse Vorteile,gerade<br />

jenseits der genannten Kostenüberlegungen.<br />

Vorallem die<br />

schnellen professionellen Trader<br />

wenden sich der Börse zu, weil<br />

sie dort ganztägig, quasi im Minutentakt,<br />

kaufen und verkaufen<br />

können. Diesen Weg über die<br />

Börse beschreiten jedoch nur<br />

knapp vier Prozent der Fondsbesitzer,<br />

hat der Branchenverband<br />

David schlägtGoliath<br />

BVI ermittelt. Der Kauf von<br />

Fondsanteilen über die Fondsgesellschaft<br />

kann hingegen bis zu<br />

zwei Tage dauern. Nicht beachtet<br />

wird oft, dass viele große Fondsgesellschaften<br />

für die schnellen,<br />

kurzfristig orientierten Anleger<br />

auch Fonds ohne Ausgabeaufschlag,<br />

sogenannte no-load-<br />

Fonds anbieten.<br />

Bei Veräußerung<br />

fallen wieder Kosten an<br />

Ein Fondskauf über die Börse ist<br />

nicht unbedingt immer preiswerter.<br />

Invielen Vergleichsrechnungen<br />

werden dem Ausgabeaufschlag<br />

von vier oder fünf Prozent<br />

beim Erwerb über die Fondsge-<br />

Börsenwerte – Aktien kleiner Unternehmen entwickeln sich nach<br />

einer Rezession besser als Standardwerte –Aber auch höhereVolatilität<br />

Eingehende Untersuchungen<br />

brachten es an den Tag. Die<br />

Aktien kleiner börsennotierter<br />

Unternehmen –der sogenannten<br />

Small Caps, die eine Marktkapitalisierung<br />

von unter vier<br />

Milliarden Euroaufweisen –haben<br />

sich in der Vergangenheit<br />

nach einer Rezession stets besser<br />

entwickelt als die Aktien großer<br />

Unternehmen (Large Caps).<br />

Das gilt auch für die jüngste Krise,konstatiert<br />

Allianz Global Investors.<br />

2009 legten Small Caps<br />

global um 46 Prozent zu, während<br />

Large Caps „nur“ 29 Prozent<br />

gewannen. In global ausgerichteten<br />

Aktiendepots haben<br />

sich Small Caps in der Vergangenheit<br />

stets als Performancetreiber<br />

im Depot erwiesen. Aber:<br />

Esstimmt zuversichtlich, dass inzwischen<br />

das Sparziel „Altersvorsorge<br />

klar die Spitzenposition der<br />

wichtigsten Sparziele der Bundesbürger<br />

einnimmt. Jedenfalls rangiert dieses<br />

Sparziel in der Frühjahrsumfrage<br />

der privaten Bausparkassen gegenüber<br />

der Herbstumfrage 2009 mit einem<br />

Zuwachs um 7,3 Prozentpunkte<br />

auf 67,6 Prozent eindeutig auf Rang<br />

eins. Auf Platz zwei folgt dann recht<br />

stabil das Sparziel „Erwerb/Renovierung<br />

von Wohneigentum“ (52,2 nach<br />

Wersich auf Small Caps konzentriert,<br />

muss neben einer zu erwartenden<br />

höheren Rendite<br />

auch mit einer höheren Volatilität<br />

zurecht kommen.<br />

Ein wesentlicher Grund für<br />

die bessere Performance der<br />

Small Caps ist die Tatsache,dass<br />

sich um die sehr hohe Zahl von<br />

Small Caps nur wenige Analysten<br />

kümmern, also von aufmerksamen<br />

Anlegern noch<br />

Schnäppchen herausgefiltert<br />

werden können. Hier können<br />

sich fundamentale Denker einen<br />

Informationsvorsprung erarbeiten<br />

und diesen dann in eine gute<br />

Rendite umsetzen. Das bedeutet<br />

aber auch, dass das Arbeiten mit<br />

Nebenwerten ein aktives „Asset<br />

Management“ erfordert.<br />

Für die augenblickliche Beurteilung<br />

sollten Small Caps<br />

trotz der schon starken Kurserholung<br />

auch aus Bewertungssicht<br />

weiter attraktiv sein. Dazu<br />

trägt bei, dass das Ertragswachstum<br />

kleiner Unternehmen<br />

regelmäßig größer ausfällt<br />

als das der großen Unternehmen.<br />

Für aktive, selbst analysierende<br />

Anleger sollte also alles<br />

klar sein: Weiter intensiv um<br />

die Ringeltauben unter den<br />

Small Caps kümmern. Und<br />

wenn der Erfolg sich eingestellt<br />

hat, sollten aber auch Gewinne<br />

mitgenommen werden. Denn<br />

an Gewinnmitnahmen ist noch<br />

niemand pleite gegangen, wohl<br />

aber am zu langen Warten auf<br />

noch weitere Gewinne. Og<br />

sellschaft regelmäßig „nur“ die<br />

Ankaufkosten bei einem Erwerb<br />

über die Börse gegenübergestellt.<br />

Das ist jedoch nicht exakt. Denn<br />

bei einer späteren Veräußerung<br />

über die Börse fallen wieder die<br />

entsprechenden Kosten an, so<br />

dass die Ankaufkosten bei einem<br />

Börsenkauf vorneweg kalkulatorisch<br />

erst einmal doppelt angesetzt<br />

werden müssten. Sollte sich,<br />

wasder Anleger natürlich erhofft,<br />

der Wert des Fonds im Laufe einiger<br />

Jahredann verdoppelt haben,<br />

müssen die Verkaufskosten sogar<br />

auf den dann verdoppelten Wert<br />

angesetzt werden.<br />

Daneben ist bei dem Wegüber<br />

die Börse der Spread, die Kursdifferenz<br />

zwischen dem Geld- und<br />

Sparen istnicht einfach<br />

Briefkurs, mit in die Rechnung<br />

einzubeziehen. Schließlich haben<br />

die Börsenmakler die Anteile vorab<br />

auf eigene Rechnung von der<br />

Kapitalanlagegesellschaft oder<br />

der Depotbank erworben und<br />

dem Anleger dann im Freiverkehr<br />

zu einem Preis weiter gegeben,<br />

der den Anteilswert des Fonds,<br />

daneben aber auch die Kosten des<br />

Maklers, die Kursrisiken und eine<br />

angemessene Gewinnmarge beinhalten;<br />

das alles neben den erwähnten<br />

Bankspesen für die Abwicklung.<br />

Hier ist mit spitzem<br />

Bleistift zu rechnen, ob die Börsenorder<br />

dann wirklich immer<br />

noch so viel vorteilhafter ist. Ein<br />

Aspekt, der auch bei einer Benutzung<br />

der Preisvergleichsrechner<br />

Untersuchung – Altersvorsorge ein wichtiges Ziel –Aber die Risikostreuung muss stimmen<br />

52,0 Prozent), also ein Motiv, das eigentlich<br />

auch dem Thema Altersvorsorge<br />

zugeordnet werden kann. Das<br />

Sparziel „Konsum/Anschaffungen“<br />

auf Rang drei mit 50,1 Prozent (minus<br />

9,8 Prozentpunkte) zeigt, dass das<br />

Thema Lebensfreude durchaus noch<br />

da ist, aber eben unter den krisenhaften<br />

Erscheinungen dieser Tage doch<br />

gelitten hat.<br />

Weniger Begeisterung hervorrufen<br />

sollte das Ergebnis,dass die Deutschen<br />

immer noch am liebsten mit dem Spar-<br />

buch sparen. Einschließlich Spareinlagen<br />

und Banksparplan kommt diese<br />

Anlageart immer noch auf einen Anteil<br />

von55,2 nach 55,7 Prozent im Frühjahr<br />

2009. Dahinter rangiert schon, was die<br />

Bausparkassen sicher freut, oder besser<br />

weshalb sie diese Untersuchung überhaupt<br />

machen beziehungsweise veröffentlichen,<br />

das Bausparen mit 39,0<br />

nach 38,3 Prozent. Dann folgen Investmentfonds<br />

mit 23,9 (20,9) und Immobilien<br />

mit 23,8 (21,1) Prozent. Auf die<br />

Geldanlage in Aktien entfielen nur 14,6<br />

(12,5) Prozent. Insgesamt positiv zu<br />

werten ist, dass ein steigender Anteil<br />

von immerhin 47,5 (44,4) Prozent der<br />

Befragten überhaupt spart, während<br />

andererseits der Anteil der Nicht-Sparer<br />

auf 55,0 (51,9) Prozent zurückgegangen<br />

ist. Doch sind eigentlich die<br />

Nichtsparer-Zahlen weiterhin erschreckend.<br />

Regelmäßig wirdzum Sparverhalten<br />

der Deutschen kritisiert, dass sie durch<br />

die gewählten Sparschwerpunkte viel<br />

Geld, also eigentlich eine bessere Al-<br />

tersvorsorge, verschenken. Da freut es<br />

die Aktienfans, dass der Anteil der Aktiensparer<br />

leicht gestiegen ist. Aber<br />

schon wird eine andere Kritik laut.<br />

Deutsche Aktienanleger, Private und<br />

auch Profis, hängen viel zu sehr an<br />

deutschen Werten, haben also den sogenannten<br />

„Home Bias“. Dadurch verpassen<br />

sie viele Chancen, die die Märkte<br />

in anderen Teilen der Welt, vorallem<br />

Nordamerikaund Asien, bieten. So verständlich<br />

es ist, dass in Darmstädter<br />

Depots relativ sicher wesentlich mehr<br />

der Börsen berücksichtigt werden<br />

muss.<br />

Eine ganz andere Überlegung<br />

ist, ob der Anleger sich einem Onlinebroker<br />

zuwendet. Denn Comdirekt,<br />

ING Diba, Cortal Consors<br />

und Co. haben eine breite Palette<br />

von Fonds ohne Ausgabeaufschläge<br />

im Angebot. Wenn der<br />

vom Anleger ausgewählte Fonds<br />

dabei ist, sollte die Marschroute<br />

klar sein. Dann spart er, zumal<br />

bei größeren Beträgen, wirklich<br />

Geld.<br />

Und im Verbraucherportal biallo.de<br />

kann jeder Anleger im<br />

Fondskauf-Rechner nachklicken,<br />

wo welcher Fonds ohne oder mit<br />

Rabatt auf den Ausgabeaufschlag<br />

angeboten wird.<br />

FOTO: DPA<br />

Merck-Aktien liegen als in Hamburger<br />

Depots,sodarf dieses Denken rund um<br />

den eigenen Schornstein nicht zu weit<br />

gehen.Wer nicht direkt IBM, Toyota<br />

oder Anglo American kaufen will, weil<br />

ihm die Kosten zu hoch sind oder die<br />

Informationsbeschaffung zu langwierig<br />

ist, der wählt eben einen guten<br />

Fonds,der die ganze Welt, oder Europa<br />

oder die Emerging Markets einfängt.<br />

Das Web überschüttet jeden Anleger<br />

mit Informationen, wenn er sich nur<br />

mal drum kümmert. hid


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 19<br />

FOTO: FOTOLIA<br />

Tun<br />

SieGutes –<br />

gehen Sie„stiften“<br />

Stiftungen – Kein Steuersparmodell –SoftwareAG-Stiftung eine der Größten im Lande –<br />

Hessen gut bestückt –Auch „Zustiftungen“ sind möglich<br />

VON BRUNO HIDDING<br />

Vielen Menschen vermittelt<br />

es innere Befriedigung,<br />

wenn sie anderen auch<br />

mit kleinen Beträgen wirklich helfen<br />

können. Und dieses gemeinnützige<br />

Denken und Handeln will<br />

der Staat –wenn die Voraussetzungen<br />

dazu im Detail stimmen –<br />

auch mit der Gewährung von<br />

Steuervorteilen beziehungsweise<br />

von Steuerfreiheiten unterstützen.<br />

Grundprinzip einer Stiftung<br />

ist, Kapitalvermögen auf Dauer<br />

für einen bestimmten, vorher genau<br />

definierten wohltätigen und<br />

gemeinnützigen Zweck zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

Leider, sokonstatiert der Bundesverband<br />

deutscher Stiftungen,<br />

wüssten die Deutschen trotz der<br />

großen gesellschaftlichen Bedeutung<br />

relativ wenig über das gemeinwohlorientierte<br />

Engagement<br />

der Stiftungen. Deshalb sei vorneweg<br />

gleich mit einem immer wieder<br />

zu hörenden Vorurteil aufgeräumt,<br />

dass Stiftungen ein steuerlicher<br />

Verschiebebahnhof für<br />

Wohlhabende in diesem Lande<br />

darstellen; sie sind keineswegs<br />

ein Steuersparmodell. Fürein Vermögen,<br />

das einer gemeinnützigen<br />

Stiftung überlassen wird, muss<br />

keine Erbschaftsteuer mehr gezahlt<br />

werden. Aber,das Vermögen<br />

gehört dann auch der Stiftung und<br />

die daraus fließenden Erträge dürfen<br />

nur noch für den gemeinnützigen<br />

Stiftungszweck verwendet<br />

werden. Und Gemeinnützigkeit<br />

liegt nur dann vor, wenn die Stiftung<br />

die Allgemeinheit, nicht nur<br />

einen bestimmten Personenkreis,<br />

auf materiellem, geistigem oder<br />

sittlichem Gebiet selbstlos fördert.<br />

Der Stifter hat materiell also<br />

nichts mehr von„seiner“ Stiftung,<br />

nur eben die Befriedigung, etwas<br />

Gutes für die von ihm vorgegebenen<br />

und ihm am Herzen liegenden<br />

wohltätigen Zwecke zutun.<br />

Zuwendungen an Stiftungen, die<br />

steuerbegünstigte Zwecke verfolgen,<br />

können allerdings bei der<br />

Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer<br />

und der Gewerbesteuer<br />

steuermindernd abgesetzt<br />

werden.<br />

Sicher können andererseits, so<br />

das Gemeinnützigkeitsrecht, Stif-<br />

tungen bis zu einem Drittel ihrer<br />

Vermögenserträge für den „angemessenen“<br />

Unterhalt des Stifters<br />

und seiner nächsten Angehörigen<br />

sowie der Pflege ihres Andenkens<br />

und ihrer Gräber verwenden. Diese<br />

Möglichkeit ist in vielen Stiftungssatzungen<br />

vorgesehen. Doch<br />

was nach einem Steuertrick aussieht,<br />

seine Vermögenseinnahmen<br />

steuerfrei zu gestalten, geht auch<br />

nicht auf. Denn die Empfänger dieser<br />

Erträge müssen diese auf Heller<br />

und Pfennig versteuern.<br />

Viele arbeiten<br />

im Verborgenen<br />

Das Dumme an der ganzen „Stifterei“<br />

ist, dass es in den wenigsten<br />

Fällen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit<br />

dringt, hat soeben der<br />

Bundesverband Deutscher Stiftungen<br />

noch einmal konstatiert.<br />

Dabei stieg allein im Jahre 2009<br />

die Zahl der Stiftungen bürgerlichen<br />

Rechts um 914auf einen Rekordstand<br />

von 17372. Viele, vor<br />

allem kleine Stiftungen, würden<br />

fast im Verborgenen arbeiten, dabei<br />

verfügten 70 Prozent aller Stiftungen<br />

über weniger als zwei Millionen<br />

Euro Stiftungskapital. Zudem<br />

liegt nach Meinung des Verbandes<br />

die Bedeutung der Stiftungen<br />

weniger in der Höhe der Fördermittel<br />

als in ihrer Rolle als Impulsgeber.<br />

Stiftungen sähen sich<br />

mehr als Werkstätten gesellschaftlichen,<br />

kulturellen und wissenschaftlichen<br />

Fortschritts. Sie<br />

griffen frühzeitig Themen auf, die<br />

oft später vomStaat oder anderen<br />

Trägern weiter geführt würden.<br />

Das Vermögen einer Stiftung<br />

kann in unterschiedlichster Weise<br />

gestreut sein. Es kann aus Immobilien<br />

(Häuser, Wald, Landwirtschaft)<br />

aus Kunstwerken, Beteiligungen<br />

an Unternehmen (Aktien),<br />

Anleihen oder auch verwertbaren<br />

Rechten (Patenten) und vielem<br />

anderen bestehen. Wichtig ist<br />

dabei, dass die Vermögenswerte<br />

der Stiftung laufende Erträge erbringen,<br />

damit die Stiftung ihre<br />

satzungsgemäßen Aufgaben auch<br />

erfüllen kann. Deshalb wird das<br />

Vermögen der Stiftung dabei<br />

grundsätzlich in seinem Bestand<br />

erhalten. Und bei der Anlage dieses<br />

Stiftungsvermögens unter-<br />

scheiden sich die Stiftungen naturgemäß<br />

grundlegend in ihrem<br />

Ansatz.<br />

Bei einer der größten deutschen<br />

Stiftungen, der Software<br />

AG-Stiftung in Darmstadt zum<br />

Beispiel, sind zwei Drittel des Vermögens<br />

in Höhe vonderzeit rund<br />

900 Millionen Euroineinem Aktienpaket<br />

an der Software AGgebunden.<br />

Der Rest steckt in Immobilien<br />

oder ist am Kapitalmarkt investiert.<br />

Die Stiftung fördert gemeinnützigeVereine,Gesellschaften<br />

und Initiativen für definierte<br />

Projekte in den Bereichen Erziehung<br />

und Bildung, Kinder- und<br />

Jugendhilfe,Behindertenhilfe,Altenhilfe,<br />

Wissenschaftsförderung<br />

in bestimmten Bereichen und Naturhilfe(www.software-ag-stiftung.com).<br />

Völlig anders gelagert ist die<br />

Anlage des Stiftungsvermögens<br />

zum Beispiel bei der Share Value<br />

Stiftung in Frankfurt/Darmstadt,<br />

wasder Name und das Motto „Mit<br />

Aktien helfen“ auch schon andeu-<br />

tet. 100Prozent des Vermögens in<br />

Höhe von derzeit rund 14 Millionen<br />

Euro ist in Aktien, in Value-<br />

Aktien, investiert. Kein Wunder,<br />

denn der Gründer dieser Stiftung<br />

(2003) ist der Aktienanalyst Günter<br />

Weispfenning, der einen Teil<br />

seiner Börsengewinne über diese<br />

kirchliche Stiftung für sozialdiakonisches<br />

Wirken zur Verfügung<br />

stellt. Seit Gründung der Stiftung<br />

wurden Fördermittel vonmehr als<br />

1,7 Millionen Euro vergeben und<br />

das jährliche Fördervolumen liegt<br />

bei 500000 Euro (share-value.de).<br />

Schader und Kübel<br />

zwei bekannte Namen<br />

Die 1988 gegründete Darmstädter<br />

Schader-Stiftung will die Kommunikation<br />

und Kooperation zwischen<br />

den Gesellschaftswissenschaften<br />

und der Praxis sowie die<br />

Praxisorientierung in den Gesellschaftswissenschaften<br />

fördern.<br />

Sie sieht ihre Aufgaben im Initiie-<br />

Die größten Stiftungen privaten Rechts<br />

Nach Vermögen Nach Gesamtausgaben<br />

Name In Euro<br />

Robert Bosch Stiftung GmbH 5.184.899.000<br />

Dietmar-Hopp-Stiftung gGmbH 2.900.000.000<br />

VolkswagenStiftung 2.374.314.000<br />

Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH 2.282.450.000<br />

Deutsche Bundesstiftung Umwelt 1.806.799.000<br />

Else Kröner-Fresenius-Stiftung 1.800.000.000<br />

Klaus Tschira Stiftung gGmbH 1.293.941.000<br />

Joachim Herz Stiftung 1.000.000.000<br />

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 898.803.000<br />

Gemeinnützige Hertie-Stiftung 798.603.000<br />

ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius 724.023.000<br />

Software AG-Stiftung 689.000.000<br />

Bertelsmann Stiftung 618.998.000<br />

Körber-Stiftung 510.000.000<br />

Siemens Stiftung 400.000.000<br />

ren (Fragen stellen und Ideen auf<br />

den Wegbringen), Kommunizieren<br />

(Akteure aus Wissenschaft<br />

und Praxis zusammenbringen),<br />

Moderieren (Entscheidungs- und<br />

Umsetzungsprozesse fördern),<br />

Evaluieren (nach Ergebnissen fragen)<br />

und Publizieren (Ideen, Erfahrungen<br />

und Ergebnisse verbreiten).<br />

Gemeinsam mit anderen<br />

wirdder „Preis Soziale Stadt 2010“<br />

ausgelobt. Bis zum 30. Juni 2010<br />

können Bewerber Projekte einreichen,<br />

die beispielhaft zeigen, wie<br />

das soziale Miteinander in den<br />

Stadtquartieren gefördert werden<br />

kann.<br />

Die 1972 gegründete Bensheimer<br />

Karl Kübel Stiftung für Kind<br />

und Familien sieht drei Säulen ihrer<br />

Stiftungsarbeit: Inlandsarbeit,<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

und Bildungsinstitute. Die Stiftung<br />

realisiert Projekte allein und<br />

zusammen mit Partnern. Sie kooperiert<br />

bei vielen Projekten mit<br />

einzelnen Unternehmen. Es stehen<br />

in der Regel solche Themen<br />

im Vordergrund, für die sich ein<br />

Unternehmen besonders einsetzen<br />

möchte: Wasserversorgung,<br />

Energie und Hausbau, Mikrofinanzprojekte,<br />

der Kampf gegen<br />

Kinderarbeit oder die Unterstützung<br />

schwangerer Teenager in<br />

Deutschland sind beispielhafte<br />

Schwerpunkte solcher Zusammenarbeit.<br />

Stiften hört sich stets nach Millionenbeträgen<br />

an, doch kann eine<br />

Stiftung auch mit wesentlich<br />

geringeren Mitteln ins Leben gerufen<br />

beziehungsweise können<br />

auch „Zustiftungen“ in bestehende<br />

gemeinnützige Stiftungen geleistet<br />

werden. Ausschlaggebend<br />

ist, dass die gestifteten Vermögenswerte<br />

laufende Erträge abwerfen,<br />

seien es Dividenden, Zinsen,<br />

Mieten oder Pachten. Denn<br />

mit diesen Erträgen, beziehungsweise<br />

nur mit diesen Erträgen sollen<br />

ja die Anliegen der Stiftung<br />

erfüllt werden, während das Stiftungsvermögen<br />

erhalten bleiben<br />

soll. Schon mit einem kleinen Vermögen<br />

kann gestiftet werden,<br />

wenn der Stiftungszweck, die gewählte<br />

Rechtsform und die sonstigen<br />

Umstände ein plausibles<br />

Konzept für eine nachhaltige Stiftungsarbeit<br />

ergeben und die Erträge<br />

des Vermögens für eine dauerhafte<br />

und nachhaltige Zweckverwirklichung<br />

ausreichen.<br />

Die richtige Rechtsform<br />

ist wichtig<br />

VorGründung einer Stiftung gilt<br />

es die richtige Rechtsform auszuwählen,<br />

wobei zwischen der<br />

Rechtsform und dem Stiftungskapital<br />

Abhängigkeiten bestehen.<br />

Hierzu merkt der Bundesverband<br />

Deutscher Stiftungen (www.stiftungen.org)<br />

an, dass für die Gründung<br />

einer selbstständigen<br />

rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen<br />

Rechts eine Mindestkapitalausstattung<br />

von etwa 50000<br />

Euro erforderlich sei, damit auch<br />

aus den Erträgen der Stiftungszweck<br />

adäquat verwirklicht werden<br />

kann. Daneben gebe es die<br />

kleinere Lösung über die Gründung<br />

einer unselbstständigen Stiftung<br />

mit einer Mindestkapitalausstattung<br />

von etwa10000 Euro.<br />

Werkann stiften? Jedermann,<br />

der geschäftsfähig ist. Auch jede<br />

juristische Person, zum Beispiel<br />

ein rechtsfähiger Verein, kann<br />

sich als Stifter betätigen.<br />

Voraussetzungen: Der Stifter<br />

muss die Absicht erklären, eine<br />

Stiftung zu gründen. Gleichzeitig<br />

muss er sich verpflichten, ein im<br />

Stiftungsgeschäft genau bestimmtes<br />

Vermögen auf die neue Stiftung<br />

zu übertragen.<br />

Rechtsformen: die rechtsfähige<br />

Stiftung bürgerlichen Rechts ist<br />

das geeignete Instrument, um als<br />

Stifter auf Dauer sein Vermögen<br />

einem bestimmten Zweck zu widmen.<br />

Die staatliche Aufsicht garantiert<br />

den dauerhaften Bestand<br />

der Stiftung und die Berücksichtigung<br />

des Stifterwillens. Daneben<br />

gibt es die Treuhandstiftung, die<br />

Stiftungs-GmbH und den Stiftungsverein.<br />

Zustiftungen sind Spenden in<br />

den Vermögensstock einer gemeinnützigen<br />

Stiftung, die auf Antrag<br />

des Steuerpflichtigen im Jahr<br />

der Zuwendung und in den folgenden<br />

neun Jahren bis zu einem Gesamtbetrag<br />

voneiner Million Euro<br />

abgezogen werden können.<br />

Name In Euro<br />

VolkswagenStiftung 121.861.000<br />

Bertelsmann Stiftung 77.500.000<br />

Robert Bosch Stiftung GmbH 75.856.000<br />

Landesstiftung Baden-Würtemberg gGmbH 71.074.000<br />

Alexander von Humboldt-Stiftung 67.871.000<br />

Deutsche Bundesstiftung Umwelt 60.815.000<br />

Studienstiftung des deutschen Volkes e.V. 51.618.000<br />

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 42.200.000<br />

Deutsche Stiftung Denkmalschutz 38.000.000<br />

Umweltstiftung WWF-Deutschland 35.330.000<br />

Dietmar-Hopp-Stiftung gGmbH 30.000.000<br />

ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius 27.528.000<br />

Stiftung Mercator 24.500.000<br />

Software AG-Stiftung 24.130.000<br />

Gemeinnützige Hertie-Stiftung 21.102.000<br />

Finanzdaten aus 2008 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (2010)


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Geld & Finanzen 20<br />

FOTO: MEYHOME/PIXELIO<br />

VON BRUNO HIDDING<br />

Es ist in Fachkreisen unbestritten,<br />

dass wohlklingende<br />

und vielversprechende<br />

Straßennamen schon einen gewissen<br />

Einfluss auf das Interesse von<br />

Immobilienkäufern oder auch<br />

Wohnungssuchenden ausüben.<br />

Vielleicht ist es ja auch nur der<br />

erste,spontane Eindruck, der dann<br />

bei einer Besichtigung vor Ort<br />

möglicherweise in sich zusammenschmilzt,<br />

wenn der Name<br />

eben mehr oder zu viel verspricht,<br />

und der angebliche Charme der<br />

Parkstraße von einem städtischen<br />

Parkhaus abgeleitet ist.<br />

Aber seien wir ehrlich, bei einer<br />

Wohnungs- oder Immobiliensuche<br />

springen wir doch alle sicher<br />

eher auf Panoramaweg oder<br />

Seeblick-Anlage als auf Puckelweg<br />

oder „Hinter der Verbren-<br />

Wirtschafts-TV:<br />

AfrikaimBlick<br />

VON TINO FRIEDERICH<br />

Analog zum sportlichen Großereignis<br />

dieses Jahres finden sich unter<br />

den Wirtschafts-TV-Sendungen der<br />

kommenden Wochen einige Beiträge<br />

zum Fußball und zu Afrika. Darüber<br />

hinaus erwartet Interessierte eine bunte<br />

Mischung aus Porträts, Dokus und<br />

Reportagen (Änderungen vorbehalten):<br />

Mittwoch, 9. Juni: Kurz vor dem Anpfiff<br />

zur 19. Weltmeisterschaft in Südafrika<br />

schaut sich das „Auslandsjournal<br />

XXL: Global Player–Die Weltmacht<br />

Fußball“ (ZDF, 22.15 Uhr) im internationalen<br />

Fußballgeschäft um, wo der<br />

Sport längst als Produkt verstanden<br />

wird. Dementsprechend führt der Weg<br />

zum Erfolg in großen Wettbewerben<br />

heutzutage häufig durch die Vorstandsetagen<br />

milliardenschwerer Großkonzerne.<br />

Später am Abend werden in der<br />

Reihe „Dynastien“ „Die Miele-Männer“<br />

(HR, 23.45 Uhr) porträtiert. Der<br />

Film erzählt die nordrhein-westfälische<br />

Familien- und Firmengeschichte<br />

Senior-Chef Rudolf Miele im Produktionswerk.<br />

FOTO: WDR/MIELE<br />

der Mieles und Zinkanns von den Anfängen<br />

des Unternehmens Ende des 19.<br />

Jahrhunderts bis zum letzten Wechsel<br />

Seeuferstraße<br />

an der Kläranlage<br />

Immobilien – Wirdaus Lage,Lage, Lage also Lage, Straßenname,Lage? –<br />

Alexanderstraße und AlexandraweginDarmstadt<br />

nungsanlage“, weshalb es derartige<br />

negativeNamen bezeichnenderweise<br />

ja auch gar nicht erst<br />

gibt –oder zumindest sehr selten.<br />

Spezialisten des Immobilienmarketings<br />

wissen schon seit ge-<br />

an der Doppelspitze der Dynastie, der<br />

im Jahre 2004 vollzogen wurde.<br />

Samstag, 12. Juni: Den Hauptumsatz<br />

macht „Der Pfandleiher –Retter in der<br />

Not“ namens Hans Niereisel mit Unternehmen,<br />

die Zahlungsengpässe überbrücken<br />

müssen oder kurz vorder Pleite<br />

stehen. Der „Hessen-Reporter“ (HR,<br />

17.30 Uhr) besucht ihn in Erlensee bei<br />

Hanau.<br />

Sonntag, 13. Juni: Als Retter der<br />

Schweizer Uhrenindustrie („Swatch“)<br />

ist der Unternehmer Nicolas G. Hayek<br />

weithin bekannt. In der Reihe „NZZ<br />

Standpunkte“ (3sat, 11.15 Uhr) erläutert<br />

der 82-Jährige seine Kritik am Managertum,<br />

macht deutlich, wasihm an<br />

den Schweizer Großbanken missfällt<br />

und erklärt, warum er weiterhin an den<br />

„Werkplatz Schweiz“ glaubt. Am<br />

Nachmittag blickt die Sendung „neues<br />

spezial: Afrikaconnect –Ein Kontinent<br />

sucht Anschluss“ (3sat, 16.30Uhr) beispielhaft<br />

nach Uganda, Ruanda und<br />

Kenia. Der Film will aktuelle Entwicklungen<br />

auf einem der am schnellsten<br />

wachsenden Märkte der Welt –dem<br />

afrikanischen Mobilfunksektor –nachzeichnen.<br />

Dienstag, 15. Juni: Um die Entsorgung<br />

des Hausmülls der deutschen Hauptstadt<br />

geht es in „Pulsschlag Berlin“<br />

(3sat, 13.45 Uhr). Die Doku schaut hinter<br />

die Kulissen der gigantischen technischen<br />

und wirtschaftlichen Unternehmung<br />

„Abfallbeseitigung“ und begleitet<br />

Menschen, die mit dem zuverlässigen<br />

Verschwindenlassen der Konsum-Reste<br />

ihr Geld verdienen. Später<br />

gibt es den Themenabend „Südafrika–<br />

Kapder großen Hoffnung?“.Sein erster<br />

Beitrag „Schwarz, arm, chancenlos?“<br />

(Arte, 20.45 Uhr) untersucht am<br />

Beispiel des Wirtschaftsprogramms<br />

„Black Economic Empowerment<br />

(BEE)“ die Wirtschaftspolitik am Kap.<br />

Mit dem voreinigen Jahren aufgelegten<br />

raumer Zeit, dass wohlklingende<br />

und bekannte Namen durchaus<br />

einen gewissen Reiz ausüben<br />

und auch einen gewissen Einfluss<br />

auf den Preis haben sollen,<br />

was sich sukzessive bei den<br />

BEE wirddas Ziel verfolgt, die Chancen<br />

auf wirtschaftlichen Erfolg von<br />

Schwarzen und anderen benachteiligten<br />

Bevölkerungsgruppen zu erhöhen.<br />

Die Doku zieht eine Zwischenbilanz.<br />

Freitag, 18. Juni: Die von Thea Dorn<br />

moderierte Gesprächssendung „Literatur<br />

im Foyer“ (SWR, 0.00 Uhr) steht<br />

Thea Dorn FOTO: SWR/ALEXANDER KLUGE<br />

unter dem Motto „Kapitalismus –was<br />

nun?“.Der Publizist Roger de Weck und<br />

der Sozialwissenschaftler Meinhard<br />

Meinhard Miegel ist ein Urgestein<br />

deutscher Sozialwissenschaften. In seinem<br />

neuen Buch „Exit. Wohlstand ohne Wachstum"<br />

wagt er sich an die heiligeKuh so gut<br />

wie aller Parteien: das Wachstum.<br />

FOTO:SWR/MICHAEL SCHULZE<br />

Stadtplanern herumgesprochen<br />

hat. Auch erste wissenschaftliche<br />

Gehversuche auf diesem Gebiet<br />

vermitteln den Eindruck, dass eine<br />

wohlklingende und interessante<br />

Namensgebung durchaus<br />

Miegel diskutieren darüber,obund wie<br />

der Kapitalismus noch zu retten und<br />

wie sinnvoll es ist, unsere Gesellschaft<br />

den Bankern anzuvertrauen.<br />

Samstag, 19. Juni: VonSegelflugfanatikern,<br />

Radsport-Fans, Lebensmittelhändlern<br />

und Kaffeeröstern erzählt die<br />

Reportage „Hessische Familienbetriebe<br />

mit Tradition“ (HR, 18.30Uhr). Bei diesen<br />

verschmelzen die Elemente Zusammenhalt,<br />

handwerkliches Geschick<br />

und gemeinsame Vision zum<br />

wirtschaftlichen Erfolg.<br />

Firmengründer Bernhard Rohloff<br />

bei der Arbeit. Der Familienbetrieb Rohloff<br />

AG in Fuldatal bei Kassel wurde 1986 von<br />

Barbara und Bernhard Rohloff gegründet.<br />

Die Firma stellt Fahrradkomponenten her.<br />

FOTO: HR/ROHLOFF AG<br />

Sonntag, 20. Juni: Um ein Großprojekt,<br />

das den hiesigen Erdgasbedarf zu<br />

einem Gutteil decken helfen soll, geht<br />

es in der „hitec“-Reportage „Die Ostsee-Pipeline“<br />

(3sat, 15.55 Uhr). Ab<br />

2012 wird durch sie russisches Erdgas<br />

direkt nach Deutschland gelangen.<br />

Montag, 21.Juni: Windparks auf hoher<br />

See und solarthermische Anlagen<br />

in Afrika verlangen nach neuen Techniken,<br />

um Strom über Hunderte von<br />

geeignet ist, werterhaltend und<br />

wertsteigernd zu wirken, beim<br />

Gegenteil aber auch wertmindernd.<br />

Nur müssen die Namen und<br />

die Assoziationen, die sie erzeu-<br />

Kilometern möglichst verlustarm zum<br />

Verbraucher zu transportieren. Die „hitec“-Doku<br />

„Das Stromnetz von morgen“<br />

(3sat, 21.30 Uhr) erklärt die neue<br />

Gleichstromtechnologie, zeigt, wo sie<br />

eingesetzt werden soll und fragt, warum<br />

die großen Energiekonzerne vor<br />

dieser Modernisierung zurückschrecken.<br />

Dienstag, 22. Juni: Im ersten von drei<br />

Teilen der Doku-Reihe „Spurensuche in<br />

Ruinen“ wird mit „Original Wolfen –<br />

Die Geschichte einer Filmfabrik“<br />

(MDR, 22.05 Uhr) erzählt. Unter dem<br />

Namen Agfa Wolfen wurde 1936 der<br />

erste „Farbfilm für jedermann“ entwickelt.<br />

Zu DDR-Zeiten arbeiteten 15 000<br />

Beschäftigte für den devisenträchtigen<br />

Industrieriesen. Doch kurz nach der<br />

Wende kamdas Aus.<br />

Freitag, 25. Juni: „Katanga –Krieg um<br />

Kupfer“ (Arte, 22.30 Uhr) berichtet<br />

vomgnadenlosen Kampf multinationaler<br />

Konzerne um das lukrativeGeschäft<br />

mit Rohstoffen. Denn in der südöstlichen<br />

Provinz der Demokratischen Republik<br />

Kongo lagern gigantische Vorkommen<br />

an Kobalt, Uran und anderen<br />

strategisch bedeutsamen Rohstoffen.<br />

Montag, 28. Juni: Am Beispiel eines<br />

mittelständischen Autozulieferers<br />

zeigt „ARD-exclusiv: Letzter Ausweg<br />

Insolvenz“ (HR, 11.25 Uhr), was die<br />

Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens<br />

für die Mitarbeiter bedeutet. Der<br />

Autor Mirko Tomic hatte dafür die Gelegenheit,<br />

einen Insolvenzverwalter<br />

von der ersten Betriebsversammlung<br />

bis zum Abschluss eines Kaufvertrages<br />

für den Betrieb zu begleiten.<br />

Dienstag, 29. Juni: Ums Konsumieren<br />

dreht sich der Themenabend „Ich kaufe,<br />

also bin ich“. Im ersten Beitrag<br />

„Shoppen bis zum Umfallen“ (Arte,<br />

20.15 Uhr) wird amBeispiel der USA<br />

das Konsumverhalten in den vergange-<br />

gen, auch stimmig sein. Eine<br />

Bahnhofstraße ist eben selten am<br />

Park und eine Parkstraße selten<br />

am Bahnhof. Mit Bahnhofstraße<br />

verbindet sich Lärm, Lagerschuppen<br />

und Rangiertätigkeit;<br />

da ist die Bahnhofstraße in Zürich<br />

als eine der teuersten Flanierstraßen<br />

der Welt sicher eine<br />

große Ausnahme.<br />

Der Zweck ist<br />

am wichtigsten<br />

Wichtig bei alledem ist, wozu die<br />

gesuchte Immobilie dienen soll.<br />

Eine gewerbliche Nutzung, zum<br />

Beispiel als Einzelhandelsshop,<br />

sucht sicher weniger die Panoramastraße,<br />

vielmehr die vielbegangene<br />

und vielbefahrene<br />

„Hauptstraße“.Datickt der Wohnungssuchende<br />

eher umgekehrt.<br />

Nur dürfen dann auch bei der<br />

„Parkstraße“ die Parks, also die<br />

Bäume, nicht fehlen. Und zu<br />

hoch greifen dürfen Stadtväter<br />

auch nicht in dem Bemühen, interessante<br />

Lagen per interessanten<br />

Namen zu erzeugen. Eine<br />

Seeuferstraße am Rande einer<br />

Kläranlage wäre sicher eine Vorspiegelung<br />

falscher Tatsachen.<br />

Interessenten müssen sich also<br />

nach dem ersten Namenseindruck<br />

vor Ort genau umschauen. Lage<br />

bleibt eben doch Lage,egal wie sie<br />

genannt wird. Dann wirdsich auch<br />

schnell herausstellen, dass die<br />

leicht zu verwechselnden Alexanderstraße<br />

und Alexandrawegzwar<br />

gar nicht weit voneinander entfernt<br />

liegen, jedoch nur der Alexandraweg<br />

zum exklusiven und<br />

beliebten Darmstädter Jugendstilviertel<br />

Mathildenhöhe zählt. Und<br />

beim Hingehen, Ansehen, Umhören,<br />

Einordnen und Vergleichen<br />

fällt dann auch auf, ob pfiffige<br />

Stadt- und Immobilienplaner aus<br />

Hinterhofadressen von bekannten<br />

Straßen eben bekannte Hinterhofadressen<br />

machen, indem sie die<br />

Hausnummern der bekannten<br />

Straße nur mit Zusätzen zu den<br />

Hausnummern, aoder boder c,<br />

versehen.<br />

Oft entscheidet die<br />

andereStraßenseite<br />

Manchmal ist auch die Straßenseite<br />

von großer Bedeutung. So<br />

bietet die Düsseldorfer Königsallee<br />

nur auf einer Seite die exklusive<br />

Shopping-Meile, auf der anderen<br />

Seite reihen sich Bankpaläste<br />

aneinander. Und nicht nur alte<br />

Düsseldorfer wissen, dass vordiesen<br />

Bankpalästen außerhalb der<br />

Bürostunden früher ein ganz altes<br />

Gewerbe flanierte.<br />

nen 60 Jahren unter die Lupe genommen.<br />

In „Anleitung zur Katastrophe –<br />

Ein Jahr auf Öl-Diät“ (Arte, 21.05 Uhr)<br />

unternimmt der Dokumentarfilmer<br />

John Webster mit seiner Familie den<br />

Versuch, ein Jahr lang auf den Konsum<br />

von Erdöl und Erdölprodukten zu verzichten.<br />

Am Abend geht die „Spurensuche<br />

in Ruinen“ mit „Zekiwa –Kinderwagen<br />

aus Zeitz“ in ihre zweite<br />

Runde. Inder zu DDR-Zeiten größten<br />

Kinderwagenfabrik Europas liefen<br />

jährlich mehr als 600000 Fertigprodukte<br />

vomBand. Mitte der neunziger Jahre<br />

kamfür das Traditionsunternehmen jedoch<br />

das Aus.<br />

Montag, 5. Juli: Die Doku „Henners<br />

Traum –Das größte Tourismusprojekt<br />

Europas“ (3sat, 23.10 Uhr) beschreibt<br />

ein Investitionsvorhaben mit einem Volumen<br />

von 420 Millionen Euro, mit<br />

dem der Bürgermeister des nordhessischen<br />

Hofgeismar, Henner Sattler<br />

(CDU), die verschlafene Domäne Beberbeck<br />

in ein mondänes Touristen-Resort<br />

verwandeln will. Der Film beleuchtet<br />

die ökonomischen und politischen<br />

Prozesse dahinter.<br />

Dienstag, 6. Juli: Im dritten und letzten<br />

Teil der Reihe „Spurensuche in Ruinen“<br />

geht es um „Malimo aus Wolkenberg“<br />

(MDR, 22.05 Uhr). Der Malimo-<br />

Stoff fand sich in fast jedem DDR-Haushalt,<br />

das Malimo-Webverfahren wurde<br />

vom Erzgebirge aus in die ganze Welt<br />

exportiert. Doch auch diese einstige Erfolgsgeschichte<br />

hatte kurz nach der<br />

Wende ein Ende.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 21<br />

<strong>WirtschaftsEcho</strong><br />

Handel, Handwerk und Industrie | Ihr Erfolg hat regionale Wurzeln.<br />

Weitersagen.<br />

DAS MAGAZIN FÜR MACHER<br />

UND MÄRKTE IN SÜDHESSEN.<br />

Handwerk &<br />

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Antworten, Preise, Informationen:<br />

Seiten 24 +25<br />

Maschinen zum Leben erwecken<br />

Weil ihm Meetings zu langweilig wurden,<br />

die Technikbegeisterung zunahm,<br />

hat Wolfgang König die<br />

Robolution AG gegründet.<br />

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»Niemand plant, zu versagen,<br />

aber die meisten versagen<br />

beim Planen«<br />

Lee Iacocca, Automanager<br />

Seite 22<br />

Süße Träume<br />

Hochwertiges aus Schaumstoff,<br />

Latex und Federkern<br />

wird bei der Matratzen-Fabrik<br />

Nirwana in Groß-Gerau<br />

hergestellt. Auch individuell.<br />

Seite 29<br />

Voll defensiv<br />

Ökostromanbieter Entega<br />

will den FSV Mainz 05 zum<br />

ersten klimaneutralen Fußball-Bundesligisten<br />

machen.<br />

Andere Klubs sollen folgen.<br />

Seite 30<br />

Klein und fein<br />

Der AV Markt vonAlexander<br />

Lau bietet Media Markt und<br />

Co. erfolgreich die Stirn: Der<br />

Hecht im Karpfenteich der<br />

Elektroketten in Südhessen.<br />

Seite 31<br />

Chat statt Jet<br />

Nach der Aschewolkemit<br />

Flugverbot boomen virtuelle<br />

Meetings mittels Videokonferenzen.<br />

Merck nutzt die<br />

Technik intensiv.<br />

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der Echo Zeitungen 6-mal im Jahr die Top-Themen der südhessischen Wirtschaft frei Haus.<br />

Ich ermächtige den Verlag, die Bezugsgebühr jährlich von meinem Konto einzuziehen<br />

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Wolfgang König FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />

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rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der<br />

Zeitung. Dieser ist zu richten an: Echo Zeitungen<br />

GmbH, Holzhofallee 25–31, 64295 Darmstadt.<br />

Datum/Unterschrift


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 22<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />

Längst nicht überall, wo Nirwana<br />

drin ist, steht auch<br />

Nirwana drauf. Denn die<br />

meisten bundesweiten Bettenhäuser,die<br />

hochwertige Matratzen des<br />

Groß-Gerauer Herstellers anden<br />

Mann und in die Schlafzimmer<br />

bringen, lassen die Produkte unter<br />

ihrer jeweiligen Hausmarkefirmieren.<br />

Im Darmstädter Bettenhaus<br />

Kalbfuß am Ludwigsplatz etwa,<br />

wo man den Hersteller gern als<br />

„Qualität aus Südhessen“ empfiehlt,<br />

heißt die Marke Dormabell.<br />

Auch in der Matratzenwelt in<br />

Groß-Zimmern und bei Betten Rid<br />

in Frankfurt und München gibt es<br />

Nirwana-Matratzen unter Hausmarken,<br />

verrät der Nirwana-Chef<br />

und Inhaber Rolf Rau(63).<br />

Direkt bei Nirwana bestellen<br />

und kaufen, können Endkunden<br />

nicht. Der Vertrieb über den<br />

Handel habe sich bewährt, es werde<br />

allein auf Bestellung gefertigt.<br />

Für den Moment zu produzieren<br />

hilft Lagerkosten zu sparen, verlangt<br />

aber Flexibilität von den 16<br />

festen Mitarbeitern. Aushilfen<br />

kommen regelmäßig hinzu. Wer<br />

im Bettenhaus bestellt, bekommt<br />

die Ware nach acht bis vierzehn<br />

Tagen geliefert, verspricht der<br />

Hersteller.<br />

13 000 bis 15 000 Matratzen<br />

verlassen die 5000 Quadratmeter<br />

Werkshallen in der Sudetenstraße<br />

inzwischen jedes Jahr.Federkern,<br />

Latex- und unterschiedlichste<br />

Schaumstoffmatratzen. Kaltschaummatratzen<br />

liegen dabei<br />

besonders imTrend, sie machen<br />

derzeit 60 Prozent der Produktion<br />

aus. „Sie sind leichter als Latex,<br />

lassen sich beim Putzen im<br />

Schlafzimmer auch gut verrücken<br />

und wenden und bieten aus orthopädischen<br />

Gesichtspunkten<br />

beste Voraussetzungen“, sagt<br />

Rau. Auch Topper liegen im<br />

Trend, dünne Matratzen, die man<br />

auf vorhandene Matratzen auflegt;<br />

in den USA sei das üblich.<br />

Der Absatz bei Nirwana habe sich<br />

nach der letzen Hallenerweiterung<br />

im Jahr 1996 eingependelt.<br />

Der Umsatz der GmbH bewege<br />

sich stabil bei 1,5 Millionen Euro,<br />

sagt Rau. Große Schwankungen<br />

kenne der Markt nicht, „geschlafen<br />

wird immer“.<br />

Eigene Philosophie<br />

durch die Schnitte<br />

Aber wie viel Schlafkomfort<br />

stammt tatsächlich aus Groß-<br />

Gerau? Werden die Schaumstoffkerne<br />

doch von verschiedenen<br />

Herstellern etwa aus Sinsheim-<br />

Steinsfurt und aus dem saarländischen<br />

Bexbach geliefert. „Eine<br />

ganze Menge“, erklärt der Chef.<br />

Denn auch bei den Zulieferern,<br />

wo „der Schaum aus der Düse<br />

kommt und aufgeht wie ein Hefekuchen“,<br />

werde nach Nirwana-<br />

Vorgaben gefertigt. Gewicht des<br />

Schaums und vor allem die<br />

Schnitte machen die ganz eigene<br />

Philosophie eines jeden Herstellers<br />

aus. Die Schnitte, die eine<br />

CNC-Maschine noch bei den Lieferanten<br />

in die Schaumblöcke<br />

fräst, sichern die Durchlüftung<br />

der Matratze und sorgen dafür,<br />

dass der Körper in unterschiedlichen<br />

Zonen genau so gebettet<br />

wird, dass die S-förmige Wirbelsäule<br />

punktgenau Unterstützung<br />

findet. Körpergröße und Gewicht<br />

spielen bei der Auswahl der richtigen<br />

Matratze daher die wichtigste<br />

Rolle.<br />

Die Matratzenrohlinge erhalten<br />

in der Nirwana-Näherei je nach<br />

Kundenwunsch variantenreiche<br />

Bezüge und Füllungen. Ob Rosshaar,<br />

Schurwolle oder Kokos, vieles<br />

ist als Füllung möglich, wird<br />

aber vom Kunden seit bald einem<br />

Jahrzehnt immer seltener gefragt,<br />

weiß Rau. Die Klimaschichten verdichten<br />

die Oberfläche. InZeiten,<br />

wo Hausstauballergien und orthopädische<br />

Gesichtspunkte bei der<br />

Auswahl in den Vordergrund treten,<br />

sind abzieh- und waschbare<br />

Bezüge aus Mehrlagen-Jersey-<br />

Stoff der Renner. Auf Füllungen<br />

werdehäufig verzichtet.<br />

Der Raumausstattermeister<br />

und Leiter der Polsterei, Heiko<br />

Kuhlmann, führt durch die Hallen,<br />

zeigt stolz manche Sonderanfertigungen:<br />

Für die Kajüte einer Motorjacht<br />

werden gerade besonders<br />

feste Kaltschaummatratzen zurechtgeschnitten,<br />

sie kommen in<br />

den spitzen Bug. FürYachten wurden<br />

auch schon kreisrunde Matratzen<br />

gefertigt, berichtet Kuhlmann.<br />

Süße Träume –<br />

nurauf Bestellung<br />

Matratzen – Hochwertiges aus Schaumstoff, Latex und Federkern<br />

wirdbei Nirwana in Groß-Gerau gefertigt –„Ein Stück Lebensqualität“<br />

Fürsolche Individualanfragen und<br />

Aufträge für die hauseigene Polsterei<br />

können sich Kunden auch direkt<br />

an den Hersteller wenden<br />

(www.nirwana-matratzen.de).<br />

Taschenfederkern-Matratzen<br />

erhalten noch immer bei Nirwana<br />

ihre Feder in die Tasche, werden<br />

komplett gefertigt. Der Federkern<br />

bestimmt die bewegte<br />

Geschichte des Betriebs,der 1908<br />

in Wuppertal begann. Damals<br />

hieß Nirwana noch „Frischauf<br />

Matratzenfabrik“. Rolf Raus<br />

Großvater Walter Tusch hatte an<br />

der Wupper die Firma gegründet.<br />

Seither ist der Betrieb fest in Familienhand.<br />

In den Dreißigerjahren<br />

zog die Produktion zunächst<br />

nach Offenbach. Doch das Werk<br />

wurde bei Fliegerangriffen im<br />

zweiten Weltkrieg zerstört. Ein<br />

Neustart im Büttelborner Volkshaus<br />

hat die Frischauf-Matratze<br />

dann ins Ried verschlagen, erzählt<br />

der Chef. Das war1945. Die<br />

Amerikaner hatten rasch andere<br />

Pläne mit dem Volkshaus und die<br />

Frischauf-Fabrik zog für fast 20<br />

Jahre anden Dornheimer Bahnhof,<br />

darauf an ihren heutigen<br />

Standort nach Groß-Gerau – in<br />

die Sudetenstraße 13.<br />

Im Jahr 1978 hat der studierte<br />

Volkswirt und Wirtschaftspädagoge<br />

Rolf Rau das Ruder übernommen.<br />

Er sprang in die Bresche.<br />

Inseinem „ersten Leben“,<br />

wie er sagt, war Rau Lehrer an<br />

einem Hanauer Wirtschaftsgymnasium.<br />

Mit seinem Vater Heinz<br />

Rauverband ihn nicht gerade Harmonie<br />

und Eintracht, verrät er.An<br />

die Nachfolge im Betrieb verschwendete<br />

Rau deshalb lange<br />

keine Überlegung, ging bewusst<br />

seinen eigenen Weg. Ein Onkel<br />

sollte die Frischauf-Matratzen<br />

übernehmen. Überraschend kam<br />

es anders. Rauhängte den Lehrerjob<br />

an den Nagel, ein Beruf in dem<br />

er glücklich war.<br />

Aber er hat es nicht bereut. Nur<br />

wenn er vonMaterialien und Wirbelsäulenaufbau<br />

referiert, bei<br />

komplizierten Zusammenhängen<br />

langsamer spricht, wenn er wartet,<br />

bis der Journalist mitgeschrieben<br />

hat, da mag der Lehrer noch<br />

durchkommen. Ein modernerer<br />

Firmenname war des frischgebackenen<br />

Unternehmers erste Tat.<br />

Nirwana steht im Buddhismus für<br />

den Austritt aus dem Kreislauf des<br />

Leidens und der Wiedergeburt, in<br />

das ewige Erwachen.<br />

Meist zwischen<br />

400 und 800 Euro<br />

Auch wenn die Preisliste bei 150<br />

Eurobeginnt, liegen Nirwana-Matratzen<br />

in der Standardgröße 200<br />

mal 80 Zentimeter je nach Machart<br />

und Material gern zwischen<br />

400 und 800 Euro. Qualität habe<br />

eben ihren Preis, sagt Rau: „Man<br />

kauft ein Stück Lebensqualität“,<br />

Rolf Rau<br />

Rolf Rau(63) ist in Darmstadt<br />

geboren, in Büttelborn aufgewachsen.<br />

Nach seinem Abitur<br />

in Groß-Gerau hat er in Mainz<br />

Volkswirtschaft und Wirtschaftspädagogik<br />

studiert,<br />

wurde zunächst Lehrer an einem<br />

Wirtschaftsgymnasium<br />

in Hanau. 1978 hat er kurzfristig<br />

umgesattelt und das Familienunternehmen<br />

„Frischauf<br />

Matratzenfabrik“ übernommen,<br />

taufte es fortan „Nirwana“<br />

und führte den Absatz<br />

von 6000 Matratzen auf recht<br />

konstante 13 000 bis 15 000<br />

Stück im Jahr.Rau liebt außergewöhnliche<br />

Skireisen und<br />

spielt leidenschaftlich Tennis,<br />

in der Regionalligaklasse des<br />

TC Rüsselsheim. Insgeheim<br />

träumt er davon, dass sein<br />

Sohn Max (29) einmal Nirwana<br />

übernehmen wird. Der studiert<br />

Philosophie und Homöopathie<br />

in Berlin.<br />

[Person]<br />

verbringe schließlich ein Drittel<br />

seines Lebens im Schlaf. Und –so<br />

der Rat vom Fachmann: alle acht<br />

Jahresollte man die Matratze aus<br />

hygienischen Gründen austauschen.<br />

Kein anderer Artikel werde<br />

so belastet und vonkeinem anderenerwarte<br />

man, dass er so lange<br />

halte. Matratzen sind ein klassisches<br />

„Low-Interest-Produkt“,<br />

kategorisiert der Volkswirt: ein<br />

Konsumgut, dem Verbraucher ein<br />

geringes Interesse entgegenbringen<br />

und das durch habituelles<br />

Kaufverhalten charakterisiert ist.<br />

Es gibt also Menschen, denen die<br />

Matratze von Haus aus wichtig<br />

ist, und vielen denen es vonHaus<br />

aus egal ist, auf was sie liegen.<br />

Breitere Matratzen für<br />

zwei lassen sich bei Nirwana<br />

übrigens auch ohne<br />

Aufpreis mit zwei unterschiedlich<br />

harten<br />

Matratzenkernen lie-<br />

fern, falls Mann es lieber<br />

hart mag, Frau weich –<br />

oder umgekehrt.<br />

Doch mal das brennende<br />

Interesse vorausgesetzt,<br />

welche Matratze<br />

soll es sein, Herr Rau?<br />

Latex, Federkern, Kaltschaum<br />

oder gar das<br />

neue Visco Flex, jener<br />

sich bei Wärme besonders<br />

anpassende viskoelastische<br />

Schaumstoff?<br />

Beste Laborwerte würden<br />

immer noch vonLatex-Matratzen<br />

erzielt,<br />

verrät der Chef. Das Material<br />

sei aber immer etwasteurer<br />

und erheblich<br />

schwerer als der heute<br />

meistverkaufte Kaltschaum,<br />

der auch im<br />

Schlafgefühl dem Latex<br />

kaum mehr nachstehe.<br />

Für Federkernmatratzen<br />

wiederum spreche die<br />

beste Belüftung. Wenn<br />

schon keine eindeutige<br />

Empfehlung – auf was<br />

schlafen Sie selbst zuhaus<br />

in Nauheim, Herr<br />

Rau? „Auf einer Kombination<br />

aus Taschenfederkern-<br />

und Kaltschaummatratze,<br />

im<br />

Handel wird sie als Matralux<br />

angeboten“, sagt er<br />

–und Rau wirkt ausgeschlafen.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 23<br />

VON JULIA LUMMA<br />

Unternehmen<br />

Vom odenwäldischen Örtchen<br />

Brensbach aus arbeitet<br />

der Maschinenbauer<br />

Zimmer und Kreim weltweit. Geschäftsführer<br />

Wolfgang Emert hat<br />

in der 5200-Einwohner-Gemeinde<br />

zwar seinen Schreibtisch, doch<br />

der 58 Jahre alte Manager ist selten<br />

da. Vertragsverhandlungen in<br />

Asien, Potenzialanalysen in Südamerika<br />

und Geschäftsessen bei<br />

europäischen Kunden dominieren<br />

Emerts Terminkalender.<br />

Doch auch die Tage in Brensbach<br />

sind schnell gefüllt, mit Mitarbeitergesprächen,<br />

einer Betriebsversammlung<br />

und einem<br />

Fotoshooting für den neuen Katalog.<br />

Immer wieder klingelt das Telefon:<br />

Mal ist London dran, mal<br />

Seoul. Die Verhandlungen für<br />

neue Verträge laufen, da wird der<br />

Chef um Ratgefragt.<br />

In Deutschland ist Zimmer und<br />

Kreim führend bei den Erodiermaschinen<br />

im Werkzeug- und Formenbau.<br />

Für seine Kunden wie<br />

Samsung, LG, Lego und Braun<br />

Medizintechnik entwickeln und<br />

bauen rund 60 Mitarbeiter in<br />

Brensbach individuelle Lösungen.<br />

Ergänzt werden sie durch<br />

entsprechende Software und<br />

Handling-Systeme.Sogibt es etwa<br />

das „Chamäleon“, einen Roboter,<br />

der fertige Werkstücke und Elektroden<br />

identifiziert und in ein Magazin<br />

sortiert. In die automatisierten<br />

Systeme können Zimmer und<br />

Kreim-fremde Maschinen, etwa<br />

Fräsanlagen, integriert werden.<br />

Den Kunden aus der Medizintechnik,<br />

Telekommunikations- und<br />

Automobilbranche ermöglicht<br />

dies individuelle Anpassungen.<br />

Kleinste Formen<br />

im Nanobereich<br />

Zimmer und Kreims Kunden stellen<br />

mit den Erodiermaschinen<br />

Formen her,aus denen später Produkte<br />

oder Bestandteile beispielsweise<br />

für Steckdosen oder Modelleisenbahnen<br />

gefertigt werden.<br />

Durch eine Elektrode werden<br />

Funken auf dem Werkstück erzeugt.<br />

Wie bei einer Erosion, bei<br />

der Wind die Erde abträgt, platzen<br />

Teile ab oder verdampfen. Möglich<br />

sind kleinste Formen im Nanobereich,<br />

etwa stecknadelgroße<br />

Rädchen für Pumpen im Herzschrittmacher,aber<br />

auch größere,<br />

etwaTurbinen für Flugzeuge.<br />

Ganz gegen den Trend, Produktionsstätten<br />

in Billiglohnländer zu<br />

verlagern, hat das Odenwälder Unternehmen<br />

sein Stammwerk in<br />

Brensbach erweitert. Rund 5500<br />

Quadratmeter groß ist nun das<br />

Areal mit Verwaltungsgebäude,<br />

Fertigungshallen und Technologiezentrum.<br />

Die Mittelstandsholding<br />

HPI (München), der Zimmer und<br />

Kreim seit 1998 gehört, ließ sich<br />

die Vergrößerung gut zwei Millionen<br />

Eurokosten.<br />

Erodiermaschinen werden in<br />

Brensbach seit 1985 gebaut. Viele<br />

werden heute nach Asien geliefert.<br />

„Unsere Kunden sind dort. Wir<br />

müssen hin, wo sie sind“, sagt<br />

Wolfgang Emert. Fürihn heißt das,<br />

einmal im Monat eine Woche nach<br />

Asien zu fliegen. Vorallem in China,<br />

Singapur, Korea, Hongkong,<br />

Malaysia und Thailand stellt er<br />

Produkte vor und führt Verhandlungen.<br />

Dass es dabei Unterschiede<br />

zu Deutschland gibt, merkt der<br />

Geschäftsführer dauernd: „Ein<br />

asiatischer Geschäftspartner wird<br />

immer nicken, egal ob er einverstanden<br />

ist oder nicht, ob er es<br />

verstanden hat oder nicht.“ Er er-<br />

Wolfgang Emert FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

Die Firmengründer Alfred Zimmer und Klaus<br />

Kreim mieteten 1985 wegen Platzmangels in<br />

Brensbach im Bad Königer Stadtteil Zell eine<br />

Produktionshalle an und entwickelten dort die<br />

erste Senkerodiermaschine.Noch im gleichen<br />

Jahr präsentierten die beiden auf der Werkzeugmaschinen-Weltausstellung<br />

Emo in Hannover<br />

ihre Weltneuheit: den damals einzigen<br />

Elektroden-Tellerwechsler. Drei Jahre später<br />

folgte der Umzug auf das heutige Firmengelände<br />

ins Brensbacher Gewerbegebiet.<br />

Seit seiner Gründung wuchs das Unternehmen<br />

kontinuierlich. Heute ist es den Angaben<br />

[Infobox]<br />

gänzt: „Das gebietet ihm die Höflichkeit.“<br />

Netzwerkpflege und der Aufbau<br />

vertrauensvoller Partnerschaften<br />

sind Emert wichtig. Die<br />

asiatische Gastfreundschaft sei<br />

immer sehr groß. „Es hat sieben<br />

Jahregedauert, bis ich einen Samsung-Manager<br />

auch mal zum Essen<br />

einladen durfte.“ Dass Verträge<br />

dann gelegentlich auf ungewöhnliche<br />

Art entstehen, erzählt<br />

der gebürtige Baden-Württemberger<br />

gerne, und berichtet von dem<br />

Anruf eines Geschäftspartners,<br />

der ihn vonjetzt auf nachher nach<br />

Singapur bestellte. Ein Vertrag<br />

sollte abgeschlossen werden.<br />

Emert zieht ein Stück Papier heraus.Auf<br />

ihm stehen ein paar Zahlen<br />

in Millionenhöhe, darunter<br />

Datum und Unterschriften –ein<br />

Vorvertrag, wie er in diesen Ländern<br />

nicht unüblich ist.<br />

Doch Emert weiß auch, dass er<br />

erst verbindlich, wenn das Geld<br />

geflossen ist.<br />

Bis zu hundert Mails bekommt<br />

der Geschäftsmann täglich. In seiner<br />

wenigen Freizeit liest er daher<br />

gerne mal ein Buch. Doch auch<br />

die Auswahl ist durch seinen Beruf<br />

geprägt. Die Bücher handeln<br />

von fremden Ländern, ihrer Kultur<br />

und Geschichte.„Ich will wissen,<br />

wann sich Personen so oder<br />

so verhalten.“ Seinen Beruf sieht<br />

Wolfgang Emert als Berufung:<br />

„Gesunder Stress kann jeder aushalten.“<br />

Für den dreifachen Vater gibt<br />

es keinen Feierabend, kein Wochenende.„Fürdie<br />

Familie ist das<br />

eine immense Belastung. Sie<br />

muss viel Verständnis haben“, reflektiert<br />

Emert, der selten bei Frau<br />

und Hund in Bad Wimpfen ist. In<br />

Brensbach hat er eine Einliegerwohnung,<br />

ansonsten fährt er.<br />

„Eineinhalb Stunden brauche ich,<br />

quer durch den Odenwald, immer<br />

am Neckar entlang.“<br />

Der Abstand zur Arbeit ist<br />

Emert wichtig: „Ich will nicht mit<br />

den Hausschuhen zur Arbeit, weil<br />

man diese dann in das Private hineinträgt.“<br />

Persönliches findet<br />

sich kaum in seinem Büro. Mehrere<br />

Aktenstapel, ordentlich sortiert<br />

in Klarsichthüllen, liegen auf dem<br />

hölzernen Schreibtisch. An der<br />

Wand hängt eine Weltkarte auf<br />

zufolge bei Erodiermaschinen im Werkzeugund<br />

Formenbau hierzulande führend und<br />

weltweiter Technologieführer bei Handlingsystemen.<br />

Geplant ist 2010 ein Umsatz von13<br />

Millionen Euro. Die Tochtergesellschaft ZK<br />

China mit Sitz in China und Hongkong sorgt<br />

für den Vertrieb der Maschinen in Asien, wo<br />

sich Zimmer und Kreim vermehrt engagiert.<br />

Alfred Zimmer zog sich 2001 aus dem Unternehmen<br />

zurück, Klaus Kreim Ende 2006. Bereits<br />

1998 wurde die Zimmer und Kreim<br />

GmbH &Co. KG von der HPI Holding übernommen.<br />

Im Internet ist Zimmer und Kreim auf<br />

www.zk-system.com vertreten.<br />

Ausder Idylle<br />

in die große<br />

weiteWelt<br />

Maschinenbau – Geschäftsführer Wolfgang Emert baut das internatonale<br />

Geschäft des Odenwälder Unternehmens Zimmer und Kreim aus –<br />

In Brensbach entwickeln 60 Mitarbeiter Erodiertechnik<br />

Glas graviert, ein Jahreskalender<br />

ohne Einträge und ein Personal-<br />

Organigramm.<br />

Die Kinder sind mittlerweile<br />

groß, haben eigene Familien und<br />

leben über ganz Europa verstreut.<br />

Der älteste Sohn ist in Stockholm,<br />

die Tochter in Kiel, der Jüngste in<br />

Brüssel. Emert war über 20 Jahre<br />

im Ausland tätig, arbeitete fünf<br />

Jahre in Schweden, 16 in Griechenland<br />

bei einem Maschinenbauer.<br />

Sokamen die Kinder jeweils<br />

woanderszur Welt.<br />

„Maximal eine<br />

Woche ausklinken“<br />

Gerne verbindet der Opa von<br />

sechs Enkeln Kundenbesuche mit<br />

Stippvisiten bei seinen Kindern.<br />

Entspannen kann sich der Geschäftsführer<br />

aber am besten bei<br />

Kurzurlauben. „Ich kann mich<br />

maximal eine Woche ausklinken,<br />

ohne das Gefühl zu haben, dass<br />

etwas anbrennt“, meint Emert.<br />

Der nächste Urlaub steht im<br />

August an. Dann fährt das Ehepaar<br />

Emert zu den Salzburger<br />

Festspielen. Wichtig ist ihnen da-<br />

bei: „Wir gehen gerne gepflegt essen<br />

und genießen einen guten<br />

Wein.“ Seine Leidenschaft, den<br />

Pferdesport, hat Wolfgang Emert<br />

aufgegeben. „Dazu ist keine Zeit<br />

mehr.“<br />

Seit 2003 ist der gelernte Kaufmann<br />

bei Zimmer und Kreim. Er<br />

arbeitete in der Produktentwicklung<br />

und baute den Vertrieb auf.<br />

„Früher haben die Gründer das<br />

Fenster aufgemacht und die Aufträge<br />

kamen geflogen. Diese Zeiten<br />

sind längst vorbei“, blickt<br />

Emert zurück.<br />

Anfang 2009 wurde der Bad<br />

Wimpfener Geschäftsführer. Sein<br />

Anspruch dabei: „Verspreche<br />

nichts, was du nicht kannst. Das,<br />

was du versprochen hast, halte<br />

ein.“ Seinen Kunden garantiert<br />

er individuelle Lösungen, ganz<br />

nach dem Firmenmotto „Simply<br />

genius“. Stolz ist Emert auf die<br />

Tatsache, dass es keinen Mitbewerber<br />

gebe, der ihnen in ihren<br />

drei Geschäftsfeldern Erodiermaschinen,<br />

Software und Handling-<br />

Systemen begegnen würde.<br />

Dass Zimmer und Kreim mit<br />

60 Mitarbeitern in Brensbach kein<br />

HPI-Mittelstandsholding<br />

Die HPI Holding AG mit Sitz in München<br />

hält Mehrheitsbeteiligungen an<br />

spezialisierten mittelständischen<br />

Produktionsunternehmen. Neben<br />

Zimmer und Kreim gehört der Holdinggesellschaft<br />

seit 1998 zu 100Prozent<br />

die Pfälzer Berger-Gruppe, die<br />

Spannringe für Kunststoff- und Metallfässer<br />

herstellt.<br />

HPI wurde 1997 in München gegründet.<br />

Aktionäre, die den Mittelstand<br />

fördern wollten, schlossen sich<br />

zusammen. VonAnfang an konzentrierte<br />

sich das Unternehmen auf den<br />

mehrheitlichen Erwerb von Unternehmen<br />

im Maschinen- und Werkzeugbau.<br />

15,6 Millionen Aktien mit<br />

einem Wert von jeeinem Euro wurden<br />

beim Start ausgegeben. Zielsetzung<br />

ist nach eigenen Angaben die<br />

langfristige Entwicklung vonWachstum<br />

und Ertrag der Beteiligungsgesellschaften.<br />

Eines der wesentlichen<br />

Ziele warder Börsengang, der im August<br />

2007 umgesetzt wurde.<br />

[Infobox]<br />

Riese ist, sieht der Geschäftsführerals<br />

Gewinn: „Wir sind flexibel,<br />

schnell und haben kurze Wege –<br />

das kann ein Großunternehmen<br />

nicht leisten.“ 2010 möchte er 13<br />

Millionen Euro umsetzen, 2009<br />

waren eszehn Millionen. „Und<br />

das trotz der wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen“, fügt er an.<br />

Als nächstes steht der Ausbau des<br />

asiatischen Marktes an, doch<br />

auch in Nord- und Südamerika<br />

möchte Zimmer und Kreim bald<br />

Fußfassen.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 24<br />

„Zuguckenwie<br />

ein kleines Kind“<br />

Robolution AG – Wolfgang König<br />

faszinieren Roboteranlagen wie am ersten Tag–<br />

Investitionen in zufriedene Mitarbeiter –Geschäftsvolumen,<br />

Standort Gräfenhausen und Zusammenhalt des Teams wachsen<br />

VON HELEN KNUST<br />

Wer als Kind mit Lego-<br />

Technik gespielt hat,<br />

wirddie Montagehalle<br />

von Robolution lieben. Kleine<br />

Schräubchen, Schaltschränke,<br />

Elektromotoren –die Firma mit<br />

Sitz in Gräfenhausen baut Roboteranlagen<br />

mit Schweißvorrichtungen.<br />

Geschäftsführer Wolfgang<br />

König ist hier in seinem Element.<br />

Komplettsimulation, Safety-Bus-Systeme<br />

und Offline-Programmierung<br />

– die Image-Broschüre<br />

seiner Firma ist für ein<br />

Fachpublikum gemacht. Entweder,<br />

man ist Techniker und von<br />

Maschinen mit Eigenleben fasziniert,<br />

oder man staunt stillschweigend<br />

und insgeheim ein bisschen<br />

kopfschüttelnd über den Erfindungsgeist,<br />

mit dem hier Automatisierungsprozesse<br />

möglich gemacht<br />

werden.<br />

König hat an der Hochschule<br />

Darmstadt Maschinenbau studiert,<br />

gleich sein erster Job bei<br />

ESAB-Masing in Dietzenbach hatte<br />

mit der Konstruktion vonRobotern<br />

zu tun. Seine Augen leuchten,<br />

wenn er heute vor einer Apparatur<br />

steht, die er vor20Jahren<br />

entwickelt hat. „Die arbeitet immer<br />

noch genauso, wie ich das<br />

damals dieser Maschine als Leben<br />

eingehaucht habe. Da guck ich<br />

dann zehn Minuten zu. Wie ein<br />

kleines Kind.“<br />

Im Betrieb ist er fleißig Sprosse<br />

für Sprosse die Karriereleiter<br />

hochgeklettert. Auf die Konstruktion<br />

folgte die Anlagenplanung,<br />

dann wurde er Projektleiter, als<br />

seine Firma an ein auf Robotertechnik<br />

spezialisiertes Unternehmen<br />

von Asea Brown Boveri<br />

(ABB) in Friedberg verkauft wurde<br />

schließlich technischer Leiter.<br />

Mit Anfang 40 spukte ihm aber<br />

immer häufiger die Frage im Kopf<br />

herum: Kann das alles gewesen<br />

sein? „Ich saß irgendwann nur<br />

noch in Meetings“, sagt König.<br />

Was er eigentlich gelernt hatte,<br />

trat immer mehr in den Hintergrund.<br />

2001 mit zwei Kollegen<br />

in die Selbstständigkeit<br />

Mit zwei Arbeitskollegen hat sich<br />

der Diplom-Ingenieur 2001 selbstständig<br />

gemacht. Bei ihm zu<br />

Hause, inder Garage in Gräfenhausen,<br />

wurde probiert und<br />

konstruiert. An Aufträge zu kommen<br />

warvergleichsweise einfach,<br />

erinnert sich König. Schon vor<br />

der Selbstständigkeit hatten sie<br />

Kontakte geknüpft, sich umgehört,<br />

wer mit einer sehr viel<br />

kleineren, aber dafür individuell<br />

und flexibel agierenden Firma zusammenarbeiten<br />

würde. Schwieriger<br />

war es, die Banken von der<br />

Rentabilität des Unternehmens zu<br />

überzeugen. Im zweiten Jahr lag<br />

der Umsatz bei etwa 500 000 Euro.<br />

Dann kam ein Auftrag von<br />

Daimler über 1,5 Millionen Euro.<br />

Bis eine Bank hierfür die Bürgschaft<br />

übernahm, war esein weiter<br />

Weg.<br />

In den vergangenen neun Jahrenhaben<br />

König und seine Kollegen<br />

kleinereund größereSchwierigkeiten<br />

dieser Art immer wieder<br />

souverän umschifft. „Es ist<br />

fast besser gelaufen, als gedacht“,<br />

sagt der Geschäftsführer<br />

ein bisschen zögerlich, als würde<br />

er innerlich drei Mal auf Holz<br />

klopfen. Dabei gibt es allen<br />

Grund, stolz zu sein. Statt in einer<br />

kleinen Garage sitzt er inzwischen<br />

in einer modernen Industriehalle,<br />

in der Montage, Fertigung,<br />

Konstruktion, Softwareentwicklung<br />

und Vertrieb untergebracht<br />

sind. Im ersten Stock<br />

sind die Büroarbeitsplätze, drei<br />

Angestellte und eine Auszubildende<br />

kümmern sich um Buchhaltung<br />

und Auftragsadministration.<br />

In fünf bis acht Jahren wollte<br />

König es mit Robolution auf<br />

rund 40 Angestellte bringen. Inzwischen<br />

beschäftigt er tatsächlich<br />

42 Kollegen, darunter Ingenieure,<br />

Anlagenelektroniker,<br />

Elektrotechniker und CNC-Fräser.<br />

Und die Firma soll weiter<br />

wachsen. Schon bald wird die<br />

Montagefläche von aktuell etwa<br />

700 Quadratmeter auf rund 1500<br />

erweitert.<br />

Wirtschaftskrise<br />

gut verkraftet<br />

Die Wirtschaftskrise hat Robolution<br />

relativ gut verkraftet. Es war<br />

keine Kurzarbeit nötig, im Gegenteil,<br />

es wurden sogar fünf neue<br />

Kollegen eingestellt. „Das Thema<br />

Fachkräftemangel hat uns natürlich<br />

schon Probleme bereitet“,<br />

sagt König. „Da haben wir die<br />

Wirtschaftsflaute ausgenutzt, wo<br />

der ein oder andere eher zum<br />

Wechseln bereit war.“ Vor zwei<br />

Jahren haben König und seine<br />

Kollegen beschlossen, auch die<br />

Fertigung selbst zu übernehmen.<br />

„Das war mit die spannendste<br />

Phase“, sagt König rückblickend.<br />

Es wurde eine eigene AG gegründet,<br />

an der die Mitarbeiter Anteile<br />

erwerben konnten. Nicht jeder<br />

hat das Angebot angenommen,<br />

Wolfgang König<br />

Nach dem Maschinenbau-Studium hatte<br />

gleich der erste Job von Wolfgang König mit<br />

Robotern zu tun. Als Ingenieur in der Konstruktion<br />

hat er Maschinen entworfen. Die<br />

Herangehensweise an ein eigenes Unternehmen<br />

war deshalb klar. Als kleine Firma widmet<br />

sich Robolution –wie die Namensschöpfung<br />

nahelegt –individuellen Roboterlösun-<br />

[Person]<br />

FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />

gen. „Natürlich muss man mit dem Produkt<br />

auch Geld verdienen“, sagt der Zweiundfünfzigjährige.<br />

Aber während große Konzerne in<br />

der Regel kaufmännisch getrieben sind, ist<br />

sein Ansatz immer ein technischer.<br />

Wolfgang König ist zum zweiten Mal verheiratet<br />

und baut gerade ein Haus im Odenwald.<br />

Dann kann er zwar nicht mehr mit dem<br />

Rad zur Arbeit fahren, aber es ist ruhiger als<br />

in Gräfenhausen, und es gibt einen Garten für<br />

seine Bonsai-Zucht.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 25<br />

Unternehmen<br />

aber insgesamt ist die Sache ein<br />

Erfolg. König wollte seine Angestellten<br />

langfristig binden, ihr Engagement<br />

in der Firma halten und<br />

unternehmerisches Denken in die<br />

Mannschaft bringen. „Ein Miteigentümer<br />

geht anders mit Ressourcen<br />

um“, ist seine Erfahrung.<br />

Vorkurzem wardie zweite Hauptversammlung,<br />

bei der sogar<br />

schon ein kleiner Gewinn ausgeschüttet<br />

wurde.<br />

Was König selbst als Angestellten<br />

gestört hat, versucht er in<br />

seiner Firma unter allen Umständen<br />

zu vermeiden. Die Dienstwege<br />

sind kurz, Konferenzen zielorientiert,<br />

es nimmt nur teil, wer<br />

auch was beizutragen hat. „Das<br />

ist eine ganz andere Besprechungskultur“,<br />

sagt der Unternehmer.<br />

„Wir versuchen, uns<br />

konzentriert und kompakt abzustimmen.“<br />

Und obwohl er als<br />

Chef von 42Angestellten bereits<br />

wieder weit vonder Konstruktion<br />

und seiner ursprünglich techni-<br />

Die Firma Robolution mit Sitz in Gräfenhausen<br />

entwickelt Robotersysteme und Zubehör<br />

vor allem im Bereich Sondermaschinen- und<br />

Schweißvorrichtungsbau. Mittelfristig soll es<br />

auch Angebote für andereProduktionsschritte<br />

wie Kleben oder Trennen geben. Vondrei<br />

Unternehmern im April 2001 gegründet, ist<br />

Robolution in den vergangenen neun Jahren<br />

[Infobox] FOTOS:<br />

schen Ausbildung abgerückt ist,<br />

ist er dennoch näher am Produkt<br />

als in einem großen Konzern wie<br />

ABB. Immer wieder schaut er<br />

sich Konstruktionen mit seinen<br />

Mitarbeitern gemeinsam an und<br />

tüftelt an noch effizienteren Lösungen<br />

für Kundenwünsche.<br />

„Hier kann ich auch mal selbst<br />

den Schraubenschlüssel in die<br />

Hand nehmen“, sagt König zufrieden.<br />

Flexibilität<br />

zahlt sich aus<br />

Die Entscheidung für die Selbstständigkeit<br />

hat er noch keinen Tag<br />

bereut. Kontinuierlich ging es mit<br />

der Firma voranbis zu einem Jahresumsatz<br />

vonrund 7,5 Millionen<br />

Euro imvergangenen Jahr. Geldreserven<br />

mussten bislang nicht<br />

angezapft werden. Ist die Auftragslage<br />

mal schwächer, werden<br />

Überstunden abgebummelt. Hier<br />

erwartet König von seinen Mitar-<br />

beitern Flexibilität. Muss eine Maschine<br />

schneller fertig werden, als<br />

es nach Plan dauern würde, sind<br />

die Arbeitstage entsprechend länger.<br />

Aber er bietet den Angestellten<br />

auch einiges. Vom Gratis-Kaffee<br />

als Wertschätzung im Alltag<br />

über Unternehmensfeste mit der<br />

ganzen Familie bis zum mehrtägigen<br />

Betriebsausflug ein Mal im<br />

Jahr.„Das ist ein Mehrwert für die<br />

Firma“, sagt König. Er war schon<br />

mit allen Kollegen zum Skifahren<br />

in den Bergen und zum Sonnetankenauf<br />

Mallorca, dieses Jahr steht<br />

eine Floßfahrt auf der Isar an. Er<br />

investiert und weiß: „Man bekommt<br />

zufriedene Mitarbeiter zurück.“<br />

Als Unternehmer sieht er für<br />

sich auch eine gesellschaftliche<br />

Verantwortung und bildet seit<br />

fünf Jahren junge Mitarbeiter aus.<br />

König hat zwei eigene Kinder,<br />

zwei hat seine zweite Frau mit in<br />

die Ehe gebracht. Er engagiert sich<br />

außerdem bei der Deutschen Le-<br />

auf 42 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz<br />

vonrund 7,5 Millionen Eurogewachsen. Kunden<br />

kommen aus der Autobranche wie Daimler<br />

oder MAN Nutzfahrzeuge, Auftraggeber<br />

sind aber auch der Einkaufswagen-Hersteller<br />

Wanzl, der Werkzeug- und Maschinenbauer<br />

Süssmilch oder die Firma Rauch mit Produkten<br />

für Dünge-, Sä- und Kommunaltechnik.<br />

ALEXANDER HEIMANN<br />

bensrettungsgesellschaft in Gräfenhausen<br />

und bekommt die Sorgen<br />

vieler Jugendlicher ohne<br />

Ausbildungsplatz direkt mit. Bei<br />

Robolution hat er deshalb eine<br />

angehende Bürokauffrau, eine<br />

technische Zeichnerin und einen<br />

Industriemechaniker unter seine<br />

Fittiche genommen. „Das ist mir<br />

im Konzern immer verwehrt<br />

worden“, sagt König, dem die<br />

Lehrlinge in drei Jahren richtig<br />

ans Herz wachsen. „Das ist auch<br />

eine Entwicklung für die Mitarbeiter,<br />

die die Ausbildung leiten“,<br />

sagt er und sieht in jedem Fall<br />

positive Effekte für seine Teams.<br />

„Eine Gruppe verändert sich dadurch.“<br />

In dem Maße, wie Robolution<br />

gewachsen ist, musste König lernen,<br />

auch wieder Verantwortung<br />

an Angestellte zu delegieren. Frühere<br />

Vorgesetzte sind ihm selbst<br />

mit viel Vertrauen begegnet, das<br />

versucht er weiterzugeben.<br />

„Wenn das gelingt, ist es sehr<br />

schön“, sagt König, dem der Zusammenhalt<br />

und die Identifikation<br />

seiner Mitarbeiter mit dem Betrieb<br />

wichtig sind. „Mit jedem<br />

neuen Mitarbeiter gibt es auch eine<br />

Entlastung.“ Ihm warauch von<br />

Anfang an klar, dass Robolution<br />

kein Drei-Mann-Betrieb bleiben<br />

würde. „Wir wollen Maschinen<br />

bauen, dafür braucht man Manpower.“<br />

Maximal 150Mitarbeiter<br />

sind denkbar<br />

Ein Konzern wirdaus dem Unternehmen<br />

aber nicht werden. „Wir<br />

wollen eine überschaubare,<br />

schlagkräftige Firma sein“, sagt<br />

König. Er könnte sich vorstellen,<br />

insgesamt 100bis 150Mitarbeiter<br />

zu führen, will aber immer in der<br />

Lage sein, auf Bedürfnisse von<br />

Kunden schnell und flexibel zu<br />

reagieren. Anders als in einem<br />

Konzern wird bei Robolution der<br />

Umsatz nicht über möglichst viel<br />

Erleben Sie beiRichter+Frenzeldie<br />

ganzeWeltder Haustechnik!<br />

Besuchen Sie unser Bad-Center in Büttelbornund<br />

unser Bad- &Technik-Center inDarmstadt.<br />

Richter+Frenzel GmbH +Co. KG<br />

Hessenring 25 •64572 Büttelborn •Telefon 06152 984-121<br />

Pfnorstraße 11 •64293 Darmstadt •Telefon 06151 8767-40<br />

verkaufte Maschinen erwirtschaftet,<br />

sondern über individuelle<br />

Roboter-Lösungen für ganz<br />

spezielle Probleme. Sich in einer<br />

solchen Branchen-Nische zu etablieren,<br />

wäre vermutlich nicht direkt<br />

nach dem Studium möglich<br />

gewesen. „Man braucht eine gewisse<br />

Erfahrung“, sagt König.<br />

Auch eine gründliche Planung<br />

des Vorhabens war ihm wichtig.<br />

„Das darf keine Ad-hoc-Geschichte<br />

sein. Man muss langfristig<br />

und fundiert untersuchen, ob<br />

das tragfähig ist.“ König und seine<br />

beiden Mitstreiter haben sich<br />

damals Ratbei der Industrie- und<br />

Handelskammer geholt, einen<br />

Business-Plan geschrieben, sich<br />

ein gutes Netzwerk geknüpft und<br />

vor allem auch die Skeptiker in<br />

der Gründungsphase ernst genommen.<br />

„Ich habe das Risiko<br />

bewusst gewählt“, sagt König.<br />

Ob er den Wegwieder gehen würde?<br />

Die Antwort kommt ohne Zögern:<br />

„Uneingeschränkt ja.“


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 26<br />

VON NINA VOIGT<br />

Wer bisher dachte,zueinem<br />

gelungenen Entspannungsbadgehörten<br />

bloß reichlich Schaum und die<br />

richtige Wassertemperatur, der<br />

merke sich: Eine Badewanne ist<br />

dann komfortabel, wenn Wasserlinie<br />

und Körperhaltung zusammen<br />

passen. Musik und Kerzen<br />

heben vielleicht die Stimmung,<br />

das körperliche Wohlbefinden garantiert<br />

allein der richtige Neigungswinkel<br />

des Rückens. Und<br />

die Länge der Wanne. Und ihre<br />

Form.<br />

Damit die Kunden bei der Wohnungsausstattung<br />

nicht eine falsche<br />

Entscheidung treffen, die sie<br />

dann jahrelang ausbaden müssen,<br />

hat Richter +Frenzel die<br />

Bad-Center erfunden. Schon vorab<br />

im Internet können Interessenten<br />

sich anhand verschiedener Parameter<br />

ihre ideale Wanne bestimmen<br />

und das Modell dann vor<br />

Ort austesten. Reinsetzen ist erlaubt.<br />

„Ein Auto fährt man ja auch<br />

nicht nur virtuell Probe“, sagt<br />

Matthias Brand, 46 Jahre alter<br />

Verkaufsleiter in der Niederlassung<br />

Büttelborn. In manchen<br />

Bad-Centern gibt es auch größenskalierbare<br />

Duschkabinen und<br />

auf Wunsch sogar die Badplanung<br />

im Maßstab 1:1, mit Wänden und<br />

Elementen aus Holz- und Styropor<br />

auf dem Originalgrundriss des<br />

heimischen Badezimmers. Als<br />

Entscheidungshilfe für diejenigen,<br />

denen es an räumlichem Vorstellungsvermögen<br />

mangelt.<br />

Intensiver Wettbewerb<br />

verlangt Mehrwert<br />

Die direkten Kunden des Großhändlersfür<br />

Sanitär,Heizung und<br />

Haustechnik sind zwar die Handwerker,<br />

die das Bad montieren.<br />

Um diese zu unterstützen, bietet<br />

sich Richter +Frenzel jedoch<br />

auch als Berater für die Endabnehmer<br />

vonDusche,Heizung und<br />

Wasserleitung an. „Das hat schon<br />

immer zur Firmenphilosophie gehört“,<br />

erklärt Clemens Elbert. Der<br />

Zweiundvierzigjährige ist seit fast<br />

25 Jahren für Richter +Frenzel<br />

tätig, hat als kaufmännischer<br />

Azubi angefangen und ist heute<br />

Leiter der Niederlassung in Büttelborn,<br />

zu deren Einzugsgebiet mit<br />

elf weiteren Standorten auch das<br />

Rhein-Main-Gebiet sowie Bergstraße<br />

und Odenwald gehören. Im<br />

Wettbewerb mit anderen Großhändlern<br />

wie der Cordes &Graefe-Gruppe<br />

und der Reisser AG,<br />

Baumärkten und immer stärker<br />

dem Internet muss das familiengeführte<br />

Unternehmen den Kunden<br />

seiner Kunden einen Mehrwert<br />

bieten. Individuelle Beratung<br />

und Hilfe bei der Raumgestaltung<br />

gehören dazu.<br />

Denn das Badezimmer ist nicht<br />

mehr nur funktionale Nasszelle.<br />

Es gehört heute zum Wohnraum,<br />

man gibt sich Mühe bei der Einrichtung<br />

und Dekoration und<br />

zeigt es gern. Besonders ins Gäste-WCwerde<br />

verhältnismäßig viel<br />

investiert. „Wir merken, dass das<br />

Interesse gestiegen ist, das Bad zu<br />

gestalten“, sagt Elbert. Immerhin<br />

beginne und beende man den Tag<br />

im Bad, da sei der Wohlfühlfaktor<br />

besonders wichtig. „In diesen<br />

Sendungen, in denen ein Fernsehteam<br />

eine Wohnung umgestaltet,<br />

wirddas verschönerte Bad immer<br />

als letztes gezeigt“, hat Brand festgestellt,<br />

„erst da fangen die Leute<br />

an zu heulen vor Freude.“<br />

Weniger emotional aufgeladen<br />

sind die beiden weiteren Ge-<br />

Niederlassungsleiter<br />

Clemens Elbert(vorne) und<br />

Verkaufsleiter Matthias Brand. FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

Welcher Wannentyp<br />

sind Sie?<br />

Richter +Frenzel – Der Sanitär-Großhändler setzt auf intensiveBeratung<br />

vonHandwerkern und ihren Kunden –InSüdhessen stark vertreten<br />

schäftsfelder vonRichter +Frenzel,<br />

Heizung und Haustechnik.<br />

Hier geht es um ressourcenschonende<br />

Wärmeerzeugung, effizienten<br />

Energieeinsatz und damit<br />

langfristige Kostenersparnis. Rationale<br />

Entscheidungen stehen im<br />

Vordergrund. Das Thema Heizen<br />

hat in den vergangenen drei bis<br />

vier Jahren durch die CO 2-Problematik<br />

und neue Gesetze und Vorgaben<br />

neuen Antrieb bekommen.<br />

„Das ist eine Riesenherausforderung<br />

für den Besitzer einer Heizungsanlage“,<br />

sagt Elbert. Und<br />

auch für den ausführenden Handwerksbetrieb,<br />

der im Wirrwarr<br />

der Verordnungen und Förderrichtlinien<br />

den Überblick behalten<br />

und sich mit immer neuerer<br />

Technik auskennen soll. „Es gibt<br />

längst nicht mehr nur Öl und<br />

Gas“, sagt Elbert, „sondern eine<br />

Vielfalt an Möglichkeiten und<br />

neuen Produkten, von der Solaranlage<br />

über die Wärmepumpe bis<br />

hin zu Festbrennstoffen wie<br />

Holz.“<br />

Auch hier sieht Elbert die Aufgabe<br />

des Großhändlersdarin, den<br />

Starker Standort<br />

Die Richter+Frenzel GmbH +<br />

Co. KG ist einer der führenden<br />

deutschen Großhändler in<br />

den Produktsegmenten Sanitär,<br />

Haustechnik, Werkzeug und<br />

Tiefbau.<br />

Die Niederlassung Büttelborn<br />

zählt zu den TopTen im<br />

Richter +Frenzel-Imperium,<br />

was den Umsatz angeht. 1996<br />

wurde sie gegründet, elf kleinere<br />

Filialen im Umkreis von 50<br />

[Infobox]<br />

Handwerker zu beraten und zu<br />

unterstützen, Produkte vorzuselektieren<br />

und Entscheidungshilfe<br />

zu geben. „Wir wollen nicht<br />

nur Waren von Anach Bliefern“,<br />

erklärt er. Der Handwerker als<br />

wichtiges Glied in der Gewährleistungskette<br />

soll das Gefühl haben,<br />

mit der Beratung im Rücken und<br />

den Produkten von Richter<br />

+Frenzel auf mehrere Jahre<br />

hinaus haftungsfrei zu arbeiten.<br />

Mitarbeiter müssen<br />

auf neuestem Stand sein<br />

Die Mitarbeiter von Richter<br />

+Frenzel müssen dementsprechend<br />

immer auf dem neuesten<br />

Stand sein, schon aus purem<br />

Selbsterhaltungstrieb. „Wenn wir<br />

heute noch dieselben Produkte<br />

hätten wie vor zehn Jahren, hätten<br />

wir enorme Umsatzeinbußen“,<br />

ist sich Elbert sicher. Die<br />

permanente Dynamik in diesem<br />

Geschäftsfeld gefällt sowohl dem<br />

Chef als auch seinem Verkaufsleiter.<br />

Beide sind Kaufmänner, müssen<br />

sich aber auch mit techni-<br />

bis 60 Kilometern gehören dazu.<br />

Das Gebiet reicht vonFrankfurt<br />

über den Vordertaunus,<br />

Mainz, Wiesbaden, Darmstadt<br />

bis zur Bergstraße und in den<br />

Odenwald.<br />

Unter den Kunden in der Region<br />

sind Fachhandwerksbetriebe,<br />

Industrieunternehmen mit eigenem<br />

Gebäudemanagement<br />

wie Merck und Opel, Telekom<br />

und Fraport sowie kommunale<br />

Unternehmen wie Mainova,<br />

Entega und HSE. Sie sind Garanten<br />

für eine gute Geschäfts-<br />

entwicklung, sagt Niederlassungsleiter<br />

Clemens Elbert. Die<br />

Firmen investierten selbst in<br />

Gebäudeausstattung und Technik,<br />

und gleichzeitig gebe es<br />

viele Privatleute mit gesunden,<br />

hochwertigen Jobs, die kaufkräftig<br />

sind.<br />

Die 141 Standorte von Richter<br />

+Frenzel in ganz Deutschland<br />

werden als eigenständige<br />

Profitcenter geführt und agieren<br />

im operativen Geschäft<br />

weitgehend selbstständig. 22<br />

weitere Niederlassungen gibt<br />

schen Innovationen auskennen.<br />

Da hilft es,dass beide auch Hausbesitzer<br />

sind, der eine im Raum<br />

Aschaffenburg, der andere im<br />

Main-Taunus-Kreis. „Wenn man<br />

sich in den eigenen vier Wänden<br />

mit einem Thema beschäftigt, ist<br />

das die beste Vorbereitung auf den<br />

Job“, findet Brand.<br />

Gebäudetechnik –<br />

das sensibelste Thema<br />

Viele Einfamilienhaus-Eigentümer<br />

wüssten dagegen gar nicht,<br />

dass sie zum Beispiel auch Besitzer<br />

eines Trinkwasserleitungssystems<br />

sind, das bestimmte Hygieneanforderungen<br />

erfüllen<br />

muss. Hinter dem unspektakulären<br />

Begriff Gebäudetechnik versteckt<br />

sich „unser sensibelstes<br />

Thema“, betont Elbert daher.<br />

Wenn ein Waschbecken nicht<br />

korrekt montiert ist, wird esausgetauscht<br />

und der Fall ist erledigt.<br />

Wenn die Trinkwasserleitung<br />

defekt oder nicht fachgerecht<br />

eingebaut ist, können sich<br />

Keime bilden, die eine Gefahr für<br />

die Gesundheit darstellen, zum<br />

Beispiel eine Legionelleninfektion<br />

hervorrufen können.<br />

Ähnlich wie inzwischen bei<br />

Heizungen gibt es auch bei Rohrleitungssystemen<br />

keinen Standard;<br />

das richtige Material, ob<br />

Kunststoff oder Metall, hängt von<br />

der Zusammensetzung des Wassers<br />

ab, die innerhalb Deutschlands<br />

unterschiedlich ist. Ähnlich<br />

wie bei den Bädern setzt<br />

Richter +Frenzel seit kurzem<br />

auch bei der Heizungs- und Gebäudetechnik<br />

auf greifbare Hilfe<br />

für den Endkunden: In Darmstadt<br />

hat Anfang des Jahres das<br />

erste Technik-Center von Richter<br />

+Frenzel in der Region eröffnet.<br />

Nach dem Vorbild der Bad-<br />

Center können sich hier die Endkunden<br />

Produkte von der Wärmepumpe<br />

bis zur Klimaanlage<br />

zeigen und über Vor- und Nachteile<br />

der Modelle beraten lassen.<br />

es in Tschechien. Hauptsitz des<br />

Großhändlers ist Augsburg.<br />

Dort führen die Nachkommen<br />

der Firmengründer –1895 hoben<br />

Emil Richter und Ernst<br />

Frenzel die „Großhandlung für<br />

Kanal-, Gas- und Wasserleitungs-Artikel“<br />

aus der Taufe –<br />

das Unternehmen in dritter Generation.<br />

3500 Mitarbeiter sind<br />

bei Richter +Frenzel beschäftigt,<br />

der Umsatz liegt inklusive<br />

der Tochterunternehmen bei<br />

rund einer Milliarde Euro im<br />

Jahr.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 27<br />

VON SABINE EISENMANN<br />

Suchmaschinen sind eine tolle<br />

Sache.Man gibt einen Namen<br />

oder einen Begriff in<br />

ein Feld ein und mit nur einem<br />

Mausklick findet der Computer<br />

sofort im Internet die gewünschten<br />

Angaben und Zusammenhänge.Soweit<br />

die Theorie.Inder Praxis<br />

sieht es andersaus.Unzählige<br />

Ergebnisse werden angezeigt, oft<br />

sind die Informationen weder hilfreich<br />

noch sinnvoll, schlimmstenfalls<br />

widersprechen sie sich sogar.<br />

Besonders kurios wird es, wenn<br />

mehrere Suchbegriffe miteinander<br />

kombiniert werden. Dann<br />

spuckt die Suchmaschine eine<br />

wahre Flut an verknüpften Merkwürdigkeiten<br />

aus,sodass sich der<br />

Nutzer an seinem Rechner schon<br />

häuslich einrichten muss, bis er<br />

sämtliche Ergebnisse nach den<br />

gewünschten Informationen<br />

durchforstet hat. Beim Online-<br />

Shopping offenbart der gut gemeinte<br />

Hinweis: „Wer sich für dieses<br />

Produkt entschieden hat,<br />

kaufte auch. ..“entweder tragische<br />

Schicksale oder ein zweifelhaftes<br />

Gesellschaftsbild. Wassind<br />

das für Menschen, die sich neben<br />

einem Reiskocher auch ostschwedische<br />

Lyrik, eine Punkrock-CD<br />

und einen Felgenreiniger kaufen?<br />

„Hinter diesen Angaben steckt<br />

selten ein System“, beruhigt Klaus<br />

Reichenberger (44), Geschäftsführer<br />

von Intelligent Views in<br />

Darmstadt. Er hat mit seinen Kollegen<br />

der Willkür des Datendschungels<br />

den Kampf angesagt.<br />

Denn was im privaten Gebrauch<br />

allenfalls nervt und verwundert,<br />

ist im<br />

Geschäftsalltag<br />

eines Unter-<br />

Surftipp<br />

nehmens ein<br />

Zeitfresser, der<br />

vonClaudia Baumer<br />

den Wissensaustauschaus-<br />

www.tchibo.de<br />

bremst,Kapazitätenvergeudet, Potenziale<br />

verschenkt<br />

und vor allem<br />

Geld kostet.<br />

Sehr viel Geld.<br />

„Böse Studien<br />

sprechen von<br />

Millionen von<br />

Euro, die jährlich<br />

völlig umsonst<br />

investiert werden, weil der<br />

Wissensaustausch in Unternehmen<br />

nicht optimal funktioniert“,<br />

sagt Klaus Reichenberger. Doch<br />

Hilfe naht. K-Infinity ist die Abkürzung<br />

für Knowledge-Infinity,<br />

was soviel wie grenzenloses Wissen<br />

bedeutet. So heißt auch die<br />

Standard-Software, mit der die Informatiker,Sprachwissenschaftler,<br />

Grafik-Designer, Ingenieure<br />

und Kommunikationswirte von<br />

Intelligent Views Unternehmensdaten<br />

zu einem sinnvollen Ganzen<br />

verknüpfen und einen einheitlichen<br />

intelligenten Zugang<br />

„Wir sind<br />

wiekleine<br />

Trüffelschweine“<br />

Intelligent Views –Mit semantischen Netzen bringen die<br />

Darmstädter IT-Spezialisten Ordnung in den Datendschungel –<br />

Wissen verschwindet nicht, Geld und Zeit werden gespart<br />

zu Daten und Informationen in einem<br />

Unternehmen herstellen.<br />

Für diese wegweisende Lösung,<br />

die auf dem Aufbau eines<br />

semantischen Wissensnetzes basiert,<br />

wurde das Darmstädter Unternehmen<br />

im vergangenen Jahr<br />

mit dem ersten Darmstädter IT-Innovationspreis,<br />

gesponsert von<br />

der Software AG, ausgezeichnet.<br />

Die Verzweiflung<br />

der Kunden ist groß<br />

Die Verzweiflung der Kunden, die<br />

Hilfe suchen, ist groß. „Denn das<br />

Wissen und die Informationen<br />

sind ja da“, sagt Reichenberger.<br />

Doch längst haben die Mitarbeiter<br />

den Überblick über ihr Datenlabyrinth<br />

verloren. Ablagesysteme,oft<br />

angelegt nach persönlichen Kriterien<br />

des jeweiligen Mitarbeiters<br />

und passwortgeschützte Datenbanken<br />

seien die Feinde des sinnvollen<br />

Informationsaustauschs.<br />

Vor allem Programme wie Outlook<br />

und Excel seien durch Mappen-<br />

und Ordnersysteme geradezu<br />

prädestiniert dafür, wichtige<br />

Infos in verzweigten Baumstrukturen<br />

unauffindbar zu machen,<br />

sagt Reichenberger.Auch der Umgang<br />

mit Begriffen kann den Datenfluss<br />

stoppen. „Was nützt es,<br />

wenn man das Wort Notebook<br />

eingibt, die benötigten Infos aber<br />

unter dem Begriff Laptop abgespeichert<br />

sind?“<br />

Wie schnell bestehende Datenbanken<br />

und Wissensnetze in einem<br />

Unternehmen an ihre Grenzen<br />

stoßen wird ebenfalls deutlich,<br />

wenn es um Verknüpfungen<br />

geht. Für die Erfassung und Datenpflege<br />

eines Lagerbestands<br />

gibt es eine Auswahl an guter und<br />

hilfreicher Firmensoftware, sagt<br />

Klaus Reichenberger. Doch die<br />

Datenerfassung allein bringt keinen<br />

Wettbewerbsvorteil. Der Teufel<br />

steckt in der Verwaltung der<br />

Information. Wer zum Beispiel<br />

ein bestimmtes Ersatzteil liefern<br />

kann, ist im Firmennetzwerk<br />

schnell ermittelt. Dass der Zulieferer<br />

aber schon mehrfach Termine<br />

nicht eingehalten hat, das wissen<br />

die Kollegen in einer anderen<br />

Abteilung des Unternehmens.<br />

Beide Infos im Wissensnetz zusammenzuführen,<br />

so dass sie in<br />

der Datenbank gemeinsam erscheinen,<br />

diese Aufgabe übernimmt<br />

ein semantisches Netz. Zusätzlich<br />

optimiert es Arbeitsprozesse.Projekte<br />

und Studien, die in<br />

Unternehmen schon doppelt gemacht<br />

wurden, weil niemand<br />

wusste, dass ein Kollege wusste,<br />

dass ein früherer Kollege das auch<br />

schon mal gemacht hat. „Es gibt<br />

unzählige Beispiele dafür, wie<br />

wertvolles Wissen in Köpfen und<br />

Schubladen auf Nimmerwiedersehen<br />

verschwindet“, sagt Reichenberger.<br />

Beeindruckend ist,<br />

wie logisch und eindeutig die Software<br />

K-Infinity Daten verarbeitet<br />

und zusammenführt. Das Programm<br />

erscheint als Symbol auf<br />

dem Desktop und wird geöffnet<br />

wie ein Internetbrowser. Die<br />

Suchmaske und Oberfläche des<br />

Programms sind ansprechend gestaltet,<br />

Verknüpfungen, zum Beispiel<br />

von Mitarbeitern und deren<br />

Mitwirkung an Projekten, werden<br />

grafisch dargestellt. Der Unterschied<br />

zu gängigen Baumstrukturenist,<br />

dass keine Verästelung ins<br />

Leere läuft. Alles ist miteinander<br />

verbunden, nichts bleibt unentdeckt,<br />

nichts ist überflüssig.<br />

Um diesen Idealzustand zu erreichen,<br />

ist neben einer intelligenten<br />

Softwareauch viel Handarbeit<br />

nötig, sagt Claudia Baumer (44).<br />

Die Sprachwissenschaftlerin und<br />

Marketing Communication Managerin<br />

bei Intelligent Views liebt es,<br />

Wissen zu strukturieren, Daten<br />

zu ordnen und in sinnvolle Zusammenhänge<br />

zu bringen. Etwa<br />

zwei bis sechs Monate dauere es,<br />

bis die Mitarbeiter von Intelligent<br />

Views Schwachstellen entdeckt,<br />

Infos eingepflegt und eine individuelle<br />

Variante der Standardsoftware<br />

K-Infinity erstellt haben.<br />

„Wir sind wie kleine Trüffel-<br />

Claudia Baumer und<br />

Klaus Reichenberger<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

schweine, die Daten finden und<br />

zu etwas ganz Wertvollem zusammenfügen.“<br />

Die Software arbeite<br />

wie ein Verbandskästchen, das<br />

dort repariere, wo noch etwas repariert<br />

werden kann. Denn so<br />

groß und verstreut das Datenchaos<br />

sein mag –essei kaum möglich,<br />

dass vor allem große Firmen<br />

ihr Datennetz ganz neu aufbauen.<br />

„Ein großer Teil, der für ein Wissensnetz<br />

nötig ist, liegt ja schon<br />

da, in Datenbanken und in Ordnern“,<br />

sagt Baumer.Ganz wichtig<br />

und nicht zu unterschätzen beim<br />

Sortieren des Datensalats sei der<br />

menschliche Faktor. Denn wer<br />

gibt schon gerne zu, dass er über<br />

Jahre eine schlechte Ablage geführt<br />

hat? Mitarbeiter der IT-Abteilungen<br />

seien häufig erst skeptisch,<br />

dann begeistert, ist Reichenbergers<br />

Erfahrung. Er erinnert<br />

sich noch gut daran, wie groß<br />

noch vor zehn Jahren der Widerstand<br />

vonUnternehmen war, EinblickeinihreDatenbanken<br />

zu gewähren.<br />

„Das hat sich total geändert.“<br />

Die Datenflut in der virtuellen<br />

Welt sei mittlerweile so riesig<br />

und unüberschaubar, dass es in<br />

Ordnung sei, sich Hilfe zu holen.<br />

Spin-off eines<br />

Fraunhofer-Projekts<br />

Schon bei der Gründung vonIntelligent<br />

Views im Jahr 1997 als Spinoff<br />

eines Fraunhofer-Projekts, sei<br />

Reichenberger sicher gewesen,<br />

dass er mit Wissensmanagementlösungen<br />

auf wachsenden Bedarf<br />

stoße.Aber als sich der Dudenverlag<br />

wenige Jahre später hilfesuchend<br />

an die Darmstädter Wissensmodellierer<br />

wandte, sei dies<br />

wie ein Ritterschlag für das damals<br />

noch junge Unternehmen gewesen,<br />

sagt Reichenberger.„Unser semantisches<br />

Netz hat den Duden<br />

revolutioniert“, freut er sich. Viele<br />

große Kunden kamen inzwischen<br />

hinzu, darunter die Lufthansa AG,<br />

SAP und die Messe Frankfurt. Für<br />

die Software, deren Kosten laut<br />

Reichenberger im fünfstelligen Bereich<br />

liegen, gibt es individuelle<br />

Updates,Schulungen und Support<br />

vor Ort. Bei der Frage nach einem<br />

Traumkunden fällt Claudia Baumer<br />

sofort der Kaffeeröster Tchibo<br />

ein. Als bekennender Fansei es für<br />

sie unerklärlich, warum das Unternehmen<br />

die Kundendaten in seinem<br />

Online-Shop nicht zu einem<br />

Kundenprofil verknüpft. „Wenn<br />

ich einen individuellen Newsletter<br />

bekäme, würde ich viel mehr dort<br />

kaufen. So ist alles viel zu versteckt,<br />

das könnte man viel besser<br />

machen.“ Dass nach wie vor der<br />

Mensch die Grenzen vonWissensnetzen<br />

festlegt, findet Reichenberger<br />

gut. Das motiviere auch dazu,<br />

vorhandene Wissensnetze weiter<br />

zu pflegen. Reichenberger sieht es<br />

als Win-win-Situation: „Wer intelligenten<br />

Output haben möchte,<br />

muss auch irgendwann einen intelligenten<br />

Input liefern.“<br />

Unternehmen<br />

Aufeinen Blick<br />

Intelligent Views GmbH<br />

Geschäftsführer: Achim Gärtner,<br />

Jörg Kleinz, Klaus Reichenberger<br />

Mitarbeiter: 30<br />

Branche:<br />

Wissensmanagement-Lösungen<br />

Gründung: 1997 als Spin-Off<br />

der Fraunhofer Gesellschaft<br />

Kunden: Duden Paetec GmbH,<br />

Daimler AG,Deutsche Lufthansa AG,<br />

SAP AG, Thyssen-Krupp AG.<br />

Kontakt<br />

Intelligent Views GmbH<br />

Julius-Reiber-Straße 17<br />

64293 Darmstadt<br />

Telefon 061515006 118<br />

Fax: 061515006138<br />

www.i-views.de<br />

Termin<br />

Das Unternehmen intelligent views<br />

präsentiert sich am 25. August<br />

beim Software-Cluster-Forum<br />

im Darmstadtium<br />

[Infobox]


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 28<br />

Stefan Oehm, HeikeJennert und Martin Ruch (von links).<br />

Digitale Reise<br />

durch den<br />

Körper<br />

Rhein-Main-Zentrum für Diagnostik –<br />

Die radiologische Praxis in Weiterstadt bietet exakte Darstellungen<br />

vonOrganen, Gelenken und Gefäßen –Von hoher Nachfrage überrascht<br />

VON SABINE EISENMANN<br />

Krankheiten erkennen, bevor<br />

sie entstehen, kleinste<br />

Geschwüre aufspüren und<br />

herausfinden, ob sie bösartig sind<br />

–digitale Aufnahmen von Herzkranzgefäßen,<br />

Organen und Gelenken<br />

in 3D machen es möglich.<br />

Wersich im Rhein-Main-Zentrum<br />

für Diagnostik in Weiterstadt<br />

durchleuchten lässt, weiß, wie es<br />

um ihn steht. Die exakte Darstellung<br />

vom Innern des menschlichen<br />

Körpersist Kern des Diagnostikzentrums<br />

in der Gutenbergstraße<br />

in Weiterstadt, nur wenige hundert<br />

Meter vom Einkaufszentrum<br />

Loop 5entfernt. Neueste Generationen<br />

von EKG, digitalem Röntgen,<br />

Ultraschall, Mammografie<br />

und Kernspin liefern exakte Abbildungen<br />

von Knochen, Gewebe<br />

und Gefäßen, die für die Diagnose<br />

und die weitereBehandlung wichtig<br />

sind. Starke Magnete und<br />

höchste Auflösungen können zum<br />

Beispiel Ablagerungen in Herzkranzgefäßen<br />

exakt darstellen,<br />

dreidimensionale Bilder von Gelenken<br />

können zeigen, wie viel<br />

Knorpel im Gelenk ist und wie<br />

dicht er ist, beschreibt Radiologe<br />

Martin Ruch. „Für die weitereBehandlung<br />

haben Chirurgen beste<br />

Bedingungen.“<br />

Mit seinen Kollegen HeikeJennert<br />

und Stefan Oehm hat er das<br />

Diagnostikzentrum realisiert.<br />

Acht Millionen Euro haben die<br />

Fachärzte in Bau und modernste<br />

Geräte investiert. Exakte Diagnosen,<br />

schonende Untersuchungen,<br />

rasche Ergebnisse, Konzepte zur<br />

Vorsorge und vieles mehr wollen<br />

die Mediziner bieten. Und das alles<br />

mit geringen Wartezeiten und<br />

zum Teil auf Rezept. Mit etwa100<br />

Patienten pro Tag hatten die drei<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

Radiologen im Vorfeld kalkuliert.<br />

Knapp ein halbes Jahr nach Eröffnung<br />

im Oktober 2009 sind es im<br />

Schnitt 120. „Die Entwicklung hat<br />

uns förmlich überrannt“, sagt<br />

Martin Ruch.<br />

Öffnungszeiten<br />

rasch verlängert<br />

Erst nach etwa einem Jahr sollte<br />

über eine Verlängerung der Öffnungszeiten<br />

nachgedacht wer-<br />

den. Schon wenige Wochen nach<br />

Eröffnung haben die Mediziner<br />

die Zeiten von6.30Uhr bis 23 Uhr<br />

ausgeweitet. Statt geplanter 15<br />

Mitarbeiter sind nun 20 Menschen<br />

in der Praxis beschäftigt.<br />

Ruch sei sich zwar sicher gewesen,<br />

mit dem Diagnostikzentrum<br />

eine Versorgungslücke zuschließen.<br />

„Aber die Nachfrage hat uns<br />

überrascht.“ Längst sollte die<br />

Homepage fertig sein, doch bislang<br />

fehlte dazu die Zeit. Patien-<br />

ten und Klienten nennt Ruch die<br />

Menschen, die das Diagnostikzentrum<br />

aufsuchen. Zum Teil<br />

werden sie vom Hausarzt oder<br />

Facharzt aus Weiterstadt und Umgebung<br />

überwiesen, um Befunde<br />

abklären zu lassen. Zum Teil kommen<br />

die Kunden auch ohne Befund.<br />

Denn es gehe nicht nur darum,<br />

schlechte Nachrichten zu<br />

überbringen.<br />

Ein ganzheitlicher Ansatz ist<br />

Schwerpunkt des „Instituts für<br />

Vorsorgemedizin und Früherkennung“,<br />

das neben der Praxis zweites<br />

Standbein des Diagnostikzentrums<br />

ist. Die Darstellung von<br />

Stoffwechselprozessen und<br />

kleinsten Gefäßen ermögliche eine<br />

Prognose für Menschen, die<br />

sich topfit fühlen. Die Radiologen<br />

können herausfinden, ob jemand<br />

innerhalb der nächsten fünf Jahre<br />

an Demenz erkranken wird und<br />

erste Anzeichen einer Herzerkrankung<br />

feststellen. Auf diese<br />

Weise haben sie in den vergangenen<br />

Monaten schon mindestens<br />

einem Menschen möglicherweise<br />

das Leben gerettet, sagt Ruch.<br />

„Ein 50 Jahrealter Mann ließ sich<br />

vorsorglich untersuchen, weil er<br />

beim Joggen eine leichte Beklemmung<br />

verspürte. Wir haben eine<br />

Verengung der Herzgefäße entdeckt,<br />

wenig später wurde der<br />

Mann operiert. Wäre er nicht gekommen,<br />

hätte er mit Sicherheit<br />

bald einen Herzinfarkt bekommen.“<br />

Werfamiliär mit Krebserkrankungen<br />

vorbelastet ist oder<br />

raucht, kann sich gezielt ein Bild<br />

von seinem Krankheitsrisiko machen.<br />

Für diese Privatleistungen bieten<br />

die Radiologen Untersuchungspakete<br />

an, die speziell Organe<br />

wie Gehirn, Herz und Lunge<br />

unter die Lupe nehmen. Durch die<br />

Zusammenarbeit mit internationalen<br />

Partnern aus Kardiologie,<br />

Sportmedizin, Ernährungswissenschaft,<br />

Neurologie und Fitness<br />

sollen die Angebote zur Gesundheitsvorsorge<br />

stetig ausgebaut<br />

werden.<br />

300 Eurofür den<br />

Rauchercheck<br />

Die dreidimensionale farbliche<br />

Darstellung von Gefäßen könne<br />

einen pädagogischen Nutzen haben.<br />

„Wenn ein Raucher sieht,<br />

wie seine Lunge aussieht, ändert<br />

er vielleicht sein Verhalten.“ Rund<br />

300 Euro kostet ein digitaler Rauchercheck.<br />

Doch mit der Bereitwilligkeit<br />

von Rauchern, einen<br />

Blick in ihreLunge zu werfen, haben<br />

sich die Radiologen bislang<br />

verrechnet. „Die kommen eher<br />

selten“, sagt Ruch. Stattdessen<br />

seien Untersuchungen des Dickdarms<br />

gefragt. Die moderne Technologie,<br />

die laut Ruch zum Teil<br />

einzigartig in Europa ist, habe für<br />

die Patienten einen hohen Nutzen.<br />

Etwa eine Viertelstunde<br />

dauere bislang die Untersuchung<br />

im Kernspin. Nur noch sechs Minuten<br />

seien es im Diagnostikzentrum.<br />

„Die Patienten müssen bei<br />

uns nicht mehr ewig in der Röhre<br />

schmachten und die Wartezeiten<br />

werden kürzer“, nennt Ruch den<br />

Vorteil. Bösartiges Gewebe kann<br />

erkannt werden, ohne den ohnehin<br />

angeschlagenen Patienten zu<br />

pieksen oder ihn belastender<br />

Strahlung auszusetzen. Vorallem<br />

Herzkatheteruntersuchungen<br />

können mit dieser Methode überflüssig<br />

werden. „Noch immer<br />

werden im Rhein-Main-Gebiet<br />

drei Mal mehr Menschen der belastenden<br />

und nicht ganz risikofreien<br />

Untersuchung mit Katheter<br />

unterzogen als in Texas. Und die<br />

haben sie erfunden.“<br />

Die Ergebnisse erhält der Patient<br />

sofort, die Gewissheit erfolgt<br />

in dreidimensionalen Bildern auf<br />

einem Computerbildschirm. Nur<br />

1,6 Prozent beträgt im Diagnostikzentrum<br />

die Rate einer sogenannten<br />

Falsch-Negativ-Aussage. Jene<br />

Fälle,indenen der Patient als vermeintlich<br />

gesund nach Hause geschickt<br />

wird, obwohl er doch einen<br />

Befund hat. Zwanzig Prozent<br />

beträgt diese Quote bei herkömmlichen<br />

Untersuchungsmethoden,<br />

sagt Ruch.<br />

Auch Fußballprofis<br />

kommen vorbei<br />

Auch das gibt es: Fußballprofis,<br />

die in Weiterstadt ihre Sprunggelenke<br />

untersuchen lassen um zu<br />

sehen, ob sie die kommende Saison<br />

überstehen. „Im Profisport<br />

geht es um viel Geld“, sagt Ruch.<br />

Mit dem Diagnostikzentrum<br />

Rhein-Main hat sich ein weiterer<br />

Riese in Weiterstadts Gewerbegebiet<br />

angesiedelt. Nur wenige<br />

hundert Meter vomEinkaufszentrum<br />

Loop 5entfernt steht das<br />

zweistöckige hochmoderne Haus<br />

mit fünf High-Tech-Geräten, Besprechungsräumen<br />

und Behandlungszimmern,<br />

rund 40 kostenfreien<br />

Parkplätzen vor dem Haus<br />

und einer Bushaltestelle ganz in<br />

der Nähe. ImStandort mit optimaler<br />

Verkehrsanbindung sehen<br />

die Radiologen einen Vorteil.<br />

Ebenso in der Entwicklung des<br />

Weiterstädter Gewerbegebiets,<br />

Kontakt<br />

Rhein-Main-Zentrum für Diagnostik<br />

Die Radiologen<br />

Gutenbergstraße 23<br />

64331Weiterstadt<br />

Telefon 0615178040<br />

Fax06151 7804200<br />

E-Mail info@dieradiologen-da.de<br />

Internet www.dieradiologen-da.de<br />

[Infobox]<br />

das Kunden weit über die Region<br />

hinaus anzieht. Für eine Ganzkörperdiagnose<br />

muss der Patient<br />

mit Vorgespräch, Untersuchung<br />

und Nachbesprechung etwa drei<br />

Tage einplanen. Kurzurlaube mit<br />

Rahmenprogramm wie Shopping-Ausflüge<br />

oder Abstecher in<br />

die Welt des Darmstädter Jugendstils<br />

bieten sich da an, überlegt<br />

Ruch. Nachrichten über weitere<br />

Ansiedlungen großer Unternehmen<br />

im Gewerbegebiet wie<br />

HP mit einem Rechenzentrum<br />

und die Deutschland-Zentrale<br />

der Autofirmen Seat und Skoda<br />

unter dann einem Dach zaubern<br />

ein Lächeln auf Ruchs Gesicht.<br />

Daher denken die Radiologen<br />

schon jetzt über eine Erweiterung<br />

des Diagnostikzentrums<br />

nach. Eine Fläche von 400 Quadratmetern<br />

haben sie dafür freigehalten.<br />

Vorsorglich.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 29<br />

Daseigene Torund<br />

dasKlimaverteidigen<br />

FOTO: FSV MAINZ 05 Stephan Bandholz<br />

FSV Mainz 05 und Entega –Ziel ist es,<br />

der erste klimaneutrale Fußball-Bundesligist<br />

zu werden –Profi Niko Bungert besonders<br />

engagiert –Der HSV und viele Klubs<br />

aus der Region sollen folgen<br />

VON HANS DIETER ERLENBACH<br />

So ein Tag, so wunderschön<br />

wie heute“, pflegen die Fans<br />

von Mainz 05 zu singen,<br />

wenn ihreMannschaft mal wieder<br />

gewonnen hat. Dann freut sich<br />

auch Innenverteidiger Niko Bungert.<br />

Seit neuestem verteidigt er<br />

nicht nur den Ball, sondern auch<br />

das Klima. Damit die Fans auch in<br />

Zukunft den alten Fastnachtsschlager<br />

noch singen können.<br />

Bungert, gerade mal 23 Jahre alt,<br />

bangt um diese Zukunft. Umwelt-<br />

Stephan Bandholz ist ein energischer<br />

Mann. Treten die Bundesligakicker<br />

von Mainz 05 im Stadion an,<br />

ist er in den Katakomben unterwegs.Bandholz<br />

hat eine Mission. Er<br />

ist Klimawart. In dieser Eigenschaft<br />

ist er maßgeblich mit verantwortlich<br />

für das Ziel der Mainzer, erster klimaneutraler<br />

Bundesligaverein zu<br />

werden. Deshalb gilt sein Augenmerk<br />

den Heizkörpern, den Fenstern<br />

und der Beleuchtung. Ein offenes<br />

Fenster bei voll bullernder Heizung<br />

in der Umkleidekabine geht<br />

gar nicht. Da setzt es Rüffel. Dass die<br />

Kicker einfach nach Hause gehen<br />

und Licht und Heizung anlassen, ist<br />

ebenfalls undenkbar. Stephan<br />

Bandholz sorgt dafür,dass so etwas<br />

nicht mehr vorkommt. Dabei hat er<br />

nicht nur die Profis im Blick, sondern<br />

auch die zweite Mannschaft<br />

und die Jugendmannschaften. Auch<br />

die trainieren am Bruchweg.<br />

Immer öfter ist Stephan Bandholz<br />

auf der Baustelle des neuen Stadions.<br />

Dort soll der Energieverbrauch<br />

mit allen heute technisch möglichen<br />

Mitteln minimiert werden. Das<br />

nutzt nicht nur dem Klima, sondern<br />

auch der Vereinskasse, wie Bandholz<br />

betont. Im neuen Stadion hat er<br />

es leichter, weil er dort Unterstützung<br />

durch modernste Technik hat.<br />

Ohnehin werden dort nur Bundesliga-<br />

und Sonderspiele durchgeführt.<br />

Alles andere geschieht weiter im<br />

Bruchwegstadion.<br />

Zwar sei es bis zum klimaneutralen<br />

Bundesligaverein noch ein weiter<br />

Weg. Doch jeden Tag komme<br />

man dem Ziel etwas näher,soBandholz.<br />

[Person]<br />

verschmutzung, Klimawandel<br />

oder eine Atomkatastrophe könnte<br />

die Zukunft der kommenden<br />

Generationen zerstören. Deshalb<br />

ist Bungert Klimaverteidiger. Und<br />

nicht nur er.Sondern die gesamte<br />

Mannschaft der Mainzer. Nach<br />

außen machten sie das bei einem<br />

Fußballspiel im vergangenen September<br />

deutlich. Statt des Logos<br />

ihres HauptsponsorsEntega stand<br />

„Klimaverteidiger“ auf den Trikots.Denn<br />

die Mainzer haben ein<br />

großes Ziel. Nicht nur sportlich.<br />

Sie wollen der erste klimaneutrale<br />

Fußballverein der Bundesliga<br />

werden.<br />

Niko Bungert engagiert sich in<br />

dieser Sache ganz besonders. Er<br />

ist der Klimabotschafter seiner<br />

Mannschaft. Er fährt ein besonders<br />

verbrauchsgünstiges Auto,<br />

ist auf Ökostrom umgestiegen<br />

(„Das geht in zehn Minuten“), radelt<br />

öfter mal ins Stadion und<br />

schaltet zu Hause seine Elektrogeräte<br />

konsequent aus, wenn er sie<br />

nicht braucht.<br />

Das Darmstädter Ökoinstitut<br />

bescheinigt den 05ern einen Kohlendioxidausstoß<br />

von900 Tonnen<br />

pro Jahr. 420 Tonnen entfallen alleine<br />

auf den Strom, den sie im<br />

Stadion verbrauchen. Für die<br />

Wärme gehen rund 290 Tonnen<br />

Niko Bungert FOTO: FSV MAINZ 05<br />

drauf, Fahrten zu Auswärtsspielen<br />

oder in Trainingslager schlagen<br />

mit 160 Tonnen zu Buche.<br />

Ökostrom kommt<br />

vonder Entega<br />

Um den größten Brocken des<br />

Schadstoffausstoßes zu eliminieren,<br />

stiegen die 05er auf den Ökostrom<br />

von Entega um. Und nicht<br />

nur sie,sondern auch der Caterer,<br />

der bei Heimspielen für die Verpflegung<br />

der Spieler, der Sponsoren<br />

und der Fans sorgt. Einweg-<br />

Plastikbecher gibt es im Stadion<br />

nicht mehr. Sie wurden durch<br />

Pfandbecher ersetzt. In den Umkleidekabinen<br />

wurde eine neue<br />

Belüftungsanlage installiert. Bisher<br />

einzigartig ist der Klimawart,<br />

den der Verein zu Beginn des<br />

Jahres einstellte. Erist dafür<br />

verantwortlich, dass im Stadion<br />

das Licht nicht unnötig<br />

brennt und die Räume nicht<br />

unnötig beheizt werden. Er<br />

sucht weitere Möglichkeiten,<br />

um Strom zu sparen.<br />

Kicker Niko Bungert sieht sich<br />

als Vorbild für die Jugend. „Denen<br />

will ich vermitteln, dass jeder etwas<br />

für den Klimaschutz tun<br />

kann“, sagt Bungert. Deshalb unterstützt<br />

er Aktionen, die Entega<br />

mit den Fans des Vereins organisiert.<br />

Kürzlich wurden die Anhänger<br />

gebeten, mit dem Fahrrad ins<br />

Stadion zu kommen. Dafür wurden<br />

sie belohnt. Während des<br />

Spiels wurden die Fahrräder von<br />

Fachleuten kostenlos durchgesehen<br />

und kleinere Reparaturen sofort<br />

erledigt. Nach dem Spiel waren<br />

die Fahrräder fit für den Sommer.<br />

Florian Matthies betreut bei<br />

der Entega das Sponsoring. Bewusst<br />

habe man sich für die erste<br />

Liga entschieden. Entega als bundesweit<br />

größter Ökostromanbieter,<br />

bezogen auf die Absatzmenge,<br />

will über die Region hinaus<br />

bekannt werden und für sein Konzept<br />

weg vom Atomstrom werben.<br />

„Wir waren Mitverursacher<br />

des Klimawandels und wollen<br />

jetzt zu denen gehören, die nachhaltige<br />

Energieversorgung betreiben“,<br />

sagt Entega-Sprecher Jürgen<br />

Hein-Benz. Dass ein Bundesligaverein<br />

nicht innerhalb weniger<br />

Wochen klimaneutral sein<br />

kann, liegt auf der Hand. Doch<br />

der Wegdorthin sei geebnet,<br />

sagt Florian Matthies und<br />

verweist auf die jüngsten<br />

Aktivitäten, bei denen<br />

Entega die Planungen<br />

für das neue Stadion<br />

der Mainzer noch so<br />

weit beeinflussen<br />

konnte,dass jetzt auch<br />

eine Photovoltaikanlage<br />

gebaut werden<br />

kann.<br />

Mit den 35 größten Fanclubs<br />

der Mainzer hat Entega ebenfalls<br />

Kontakt aufgenommen und mit<br />

einer Fragebogenaktion erkundet,<br />

wie die Fans zu Auswärtsspielen<br />

reisen. In Zukunft soll nicht mehr<br />

jeder alleine im Auto fahren, sondern<br />

Fahrgemeinschaften bilden.<br />

Noch besser wäre die Anmietung<br />

eines Busses oder die Anreise mit<br />

der Bahn. Nach Öko-Seminaren<br />

mit Spielern und Vorstand des<br />

Vereins wurde jetzt sogar beschlossen,<br />

die Fanartikel soweit<br />

als möglich aus umweltfreundlichen<br />

Materialien herstellen zu<br />

lassen.<br />

Je umweltfreundlicher,<br />

um so mehr Geld<br />

Das zweite Projekt geht Entega<br />

nun mit dem Hamburger SV an.<br />

Auch dort laufen bereits erste Gespräche,<br />

um den Verein klimaneutral<br />

zu machen. Die Hamburger<br />

beziehen seit kurzem den<br />

Strom für ihr Stadion vonEntega.<br />

In der Region<br />

in und um<br />

Darmstadt sponsort Entega 130<br />

Vereine.„Wir wollen sie nicht nur<br />

finanziell unterstützen, sondern<br />

mitnehmen“, betont Jürgen Hein-<br />

Benz. Zehn Vereine wurden bereits<br />

für das Ziel, klimaneutral zu<br />

werden, gewonnen, weitere sollen<br />

folgen. Die finanziellen Zuwendungen<br />

richten sich bei diesem<br />

Sponsorenmodell nach den<br />

Maßnahmen, die Vereine für ein<br />

klimaneutrales Wirken ergreifen.<br />

Je mehr Ideen greifen, umso höher<br />

ist der Sponsorenbetrag von<br />

Entega.<br />

„Wenn wir umweltfreundliche<br />

Energie für die nächste Generation<br />

anbieten, müssen wir uns auch<br />

um diese Generation kümmern“,<br />

betont Florian Matthies und verweist<br />

auf zehn Kinder-Sportclubs,<br />

die Entega ins Leben gerufen hat,<br />

um die Motorik von Kindern zu<br />

fördern. Auch hier greift die Verknüpfung<br />

zu Mainz 05. Immer<br />

wieder bekommen Kinder die<br />

Möglichkeit, mit den Profikickern<br />

aus Mainz gemeinsam zu trainieren.<br />

Klimaverteidiger NikoBungert<br />

hat inzwischen nahezu alle<br />

Spieler der Mainzer dazu bewogen,<br />

auf klimaneutralen<br />

Strom umzusteigen<br />

und hofft, dass<br />

viele Fans dem<br />

Beispiel folgen.<br />

„So kann jeder<br />

zu einem<br />

Klimaverteidigerwerden.“<br />

Florian Matthies<br />

FOTO: HANS-DIETER ERLENBACH


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 30<br />

Alexander Lau FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

DerHecht im Karpfenteich<br />

der Elektroketten<br />

AV Markt – Die Differenzierung gelingt<br />

Alexander Lau über günstigen Service<br />

und hohe Beratungsqualität –<br />

Die Einkaufskooperation Euronics<br />

sichert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Märkte in Darmstadt und Bensheim<br />

VON ACHIM PREU<br />

Das ist ein zupackender<br />

Typ. Einer der unter<br />

Strom steht. Das Zigarettchen<br />

zwischendurch sich wahrlich<br />

verdient hat. Stets gut drauf<br />

ist. Ein Kaufmann mit Leib und<br />

Seele eben. Ein Händler,der weiß,<br />

was Kunden heute so schätzen,<br />

wo alles schneller, austauschbarer,<br />

anonymer wird. Da geht er<br />

selbst mal eben mit auf die Suche<br />

nach dem richtigen Kabel. Fragt<br />

bei wartenden Kunden nach.<br />

Scheint alles im Blick zu haben.<br />

Hat obendrein noch freundliche<br />

Worte für seine Mitarbeiter übrig.<br />

Und ist wohl aus all dem genannten<br />

so erfolgreich, obwohl es Media<br />

Markt, Saturn und Co. gibt, die<br />

Aldisierung längst das Geschäft<br />

mit Fernsehgeräten oder Waschmaschinen<br />

beherrscht.<br />

Die Rede ist vonAlexander Lau<br />

(53) und seinem AV Markt. Exakt:<br />

Von der Lau GmbH & Co. AV<br />

Markt KG in Darmstadt und Bensheim,<br />

die einer Monokultur durch<br />

nur scheinbare Konkurrenz von<br />

Media Markt/Saturn (weil in ei-<br />

Unternehmen und Person<br />

Der stete Wandel im Handel ist auch<br />

bei Unterhaltungselektronik und<br />

Haushaltsgroßgeräten ablesbar.Und<br />

im Besonderen am Wandel von„Radio-Lau“,<br />

einem einst kleinen Darmstädter<br />

Fachgeschäft hin zum großflächigen<br />

AV Markt.<br />

Als 1950 die Eheleute Wilhelm<br />

und Hedda Lau, gerade 21 Jahre alt,<br />

sich im Martinsviertel, Pankratius-<br />

Ecke Arheilger Straße, mit viel Mut<br />

und noch mehr Zuversicht selbst-<br />

[Infobox]<br />

nem Konzern verbandelt, wasviele<br />

nicht wissen) einen Riegel vorschiebt.<br />

Mit einigen wenigen anderen<br />

wie den Hifi Profis oder<br />

Notebook.de in Darmstadt. In der<br />

Rolle als Hecht im Karpfenteich<br />

fühlt er sich mit dem Konzept des<br />

„großflächigen Fachgeschäftes“<br />

ausgesprochen wohl. Für was AV<br />

dabei steht? Audio und Video, so<br />

Lau. Reminiszenzen an die Anfänge.Und<br />

lachend dazu: Alexander<br />

und Verena, seine Frau. Operativ<br />

ist sie nicht tätig. Aber stete<br />

Diskussionspartnerin, wenn es<br />

um die Firmen-Belange geht.<br />

An diesem Tagwirdman nicht<br />

nur wegen der fachlichen Kompetenz<br />

des Verkaufspersonals, das<br />

man anderswo immer öfter vergeblich<br />

sucht beim Shoppen von<br />

erklärungsbedürftiger Technik,<br />

um Jahre zurückversetzt. Sondern<br />

auch deshalb, weil es vor<br />

ebenso wuchtigen wie antiquierten<br />

Röhren-TV-Geräten wimmelt.<br />

Eine Reihe von Kunden schiebt<br />

die alten Kisten auf Einkaufswagen<br />

und mit entschlossenem Blick<br />

ob der anstehenden Trennung<br />

vom Parkplatz ins Geschäft. Dort<br />

FOTOS: RADIO LAU/AV MARKT<br />

ständig gemacht hatten, war daran<br />

nicht zu denken. Schon bald warder<br />

Laden in der Nähe der Technischen<br />

Hochschule (heute TU) aber zu<br />

klein. Deshalb erfolgte 1952 der Umzug<br />

in die Grafenstraße,1956 dann in<br />

kommen sie auf die Waage.<br />

Schließlich locken sechs Europro<br />

Kilo. Damit ist der finanzielle<br />

Grundstock für den neuen Flachbildschirm<br />

gesichert. Und Lau hat<br />

mal wieder Kaufimpulse gesetzt.<br />

Am Samstag zuvor mussten<br />

gar Tieflader anrücken, um die<br />

matten Mattscheiben abzutransportieren.<br />

Alexander Lau weiß,<br />

wie man sich auf dem Markt der<br />

laut-schrillen Werbung Gehör<br />

verschafft. Und das ohne teure<br />

TV-Werbespots. Denn große<br />

Streuverluste kann er sich nicht<br />

leisten. Lieber ist ihm ohnehin<br />

Mundpropaganda. „Die ist wertiger.“<br />

Dennoch wirdesweitereAktionen<br />

geben. Ein Handy-Zielwerfen<br />

ist die nächste. Die Werbemacht<br />

der Konzerne lässt sich nur<br />

mit Fantasie kontern.<br />

Gründungsmitglied<br />

vonEuronics<br />

Aber natürlich muss dahinter viel<br />

mehr stecken. Gute Preise sind<br />

dabei längst die Grundvoraussetzung.<br />

Diese werden garantiert<br />

durch die Einkaufskooperation<br />

Euronics, deren Gründungsmitglied<br />

Vater Lau mit weiser Voraussicht<br />

in den siebziger Jahren war.<br />

Europaweit ist Euronics heute die<br />

Nummer eins, bekommt deshalb<br />

vonder Industrie absolut konkurrenzfähigeAngebote.DerAußen-<br />

umsatz hierzulande lag zuletzt<br />

bei 3,6 Milliarden Euro. Den Herstellern<br />

ist derlei natürlich willkommen,<br />

um nicht aufgrund der<br />

Einkaufsmacht einer Adresse erpressbar<br />

zu werden, so Lau. Denn<br />

Media Markt mit 800 Läden europaweit<br />

kommt auf 19 Milliarden<br />

Euro Umsatz; US-Champion Best<br />

Buy erreicht 50 Milliarden Dollar.<br />

Mit einem Jahresumsatz von<br />

rund 30 Millionen Eurogehört der<br />

AV Markt zu den TopTen des Konditionen-Klubs<br />

Euronics. Und<br />

liegt in Südhessen von der Größe<br />

her zwischen dem Weiterstädter<br />

Media Markt (50 Millionen) und<br />

Saturn in Darmstadt (20 Millionen).<br />

Die Kundenfrequenz wird<br />

nicht gezählt. So wie das andere<br />

gerne tun. Beim AV Markt zählt<br />

das Wesentliche: Wieviel Geld<br />

lassen die Kunden im Laden. Hier<br />

sei man vorn aufgrund der vielen<br />

Großgeräte. Während in Bensheim<br />

–dort wurde 1986 die Firma<br />

Radio Müller und alle Mitarbeiter<br />

übernommen –schon mal mehr<br />

CDs und ähnliches über den Tresen<br />

gehen, was die Kaufsumme<br />

drückt. Dass die Verkaufsflächen<br />

kleiner sind als bei den marketinggetriebenen<br />

Marktbegleitern wie<br />

dem Media Markt –inBensheim<br />

sind es 2000 Quadratmeter, in<br />

Darmstadt 1800 –wird nicht als<br />

Manko gesehen. Denn Lau beschränkt<br />

sich auf die Geräte jeder<br />

die Ludwigspassage. Ende der Sechziger<br />

wurden Filialen unter anderem<br />

in der Rheinstraße, in Bessungen<br />

und Groß-Zimmern eröffnet, später<br />

außerdem im Luisencenter.Mit dem<br />

Einstieg von Alexander Lau (53) ins<br />

Unternehmen gab es eine Zäsur,<br />

wurden neue Ideen umgesetzt,<br />

schlug 1983 die Geburtsstunde des<br />

AV Marktes in der Rheinstraße 97.<br />

Der erste große Elektromarkt in der<br />

Heiner-Stadt. Und gleich eine Erfolgsstory,was<br />

den neuen Geschäftsführer<br />

ermutigte zu einer großen<br />

Umstrukturierung. Heute konzen-<br />

Gattung, die am besten gehen. Da<br />

helfen Panels der GfK Gesellschaft<br />

für Konsumforschung in Nürnberg<br />

und die Orientierung am<br />

Markt sowie Testberichte.Auf der<br />

Internationalen Funkausstellung<br />

in Berlin ist Lau stets. Auch auf<br />

der Messe CES in Las Vegas, der<br />

Consumer Electronics Show, war<br />

er schon. Werglaubt, dass Lau bei<br />

alldem der Ehrgeiz umtreibt, alles<br />

Neue stets zuerst im heimischen<br />

Wohnzimmer zu haben, irrt freilich.<br />

Da bleibt er ganz gelassen.<br />

Regelmäßig Kontrollgänge<br />

bei der Konkurrenz<br />

Um stets am Ball zu sein, auch bei<br />

den Konditionen, werden alle<br />

zehn bis 14 Tage Kontrollgänge<br />

bei den Wettbewerbern unternommen.<br />

Dann ist es keine Seltenheit,<br />

dass eine Waschmaschine<br />

nicht nur am günstigsten angeboten<br />

wird, sondern auch Lieferung<br />

(zehn Euro) und Anschluss<br />

(15 Euro) nicht zu toppen sind.<br />

Der Grund ist einfach: Der AV<br />

Markt beschäftigt eigene Teams<br />

für diesen Service,den andeream<br />

Markt erst zukaufen müssen. Um<br />

die Marge halten zu können, gilt<br />

es freilich auch hier stetig an den<br />

Kosten zu feilen. Aufgrund des<br />

enormen Preisverfalls muss die<br />

Anzahl der verkauften Geräte entsprechend<br />

steigen. Innovationen<br />

triert man sich auf die beiden Standorte<br />

Darmstadt und Bensheim.<br />

Fußball-affin ist Alexander Lau<br />

fangen zwar manches ab. Denn<br />

hier wirddas Kauf-Gen technikaffiner<br />

Kunden angesprochen,<br />

schaltet das „Must have“ andere<br />

Erwägungen aus. Die anstehende<br />

Fußball-WM in Südafrikawirddabei<br />

einen zusätzlichen Anreiz geben.<br />

„Das ist zweifelsfrei eine tragende<br />

Säule für den Handel generell“,<br />

sagt Lau.<br />

Aber heute hat doch fast jeder<br />

drei Fernseher und auch sonst alles,<br />

oder? Eine Marktsättigung<br />

kann Lau nicht erkennen. Erstens<br />

ist die Marktpenetration beim<br />

Flachbildschirm noch deutlich<br />

ausbaubar.Zum anderen geht die<br />

Entwicklung weiter.Beispiel: Größere<br />

Bildschirmdiagonale. Beispiel:<br />

3-D-Geräte. Auch bei „Weißer<br />

Ware“ gibt es steten Fortschritt:<br />

weniger Strom- oder Wasserverbrauch<br />

etwa. Zusätzlich<br />

zum Ersatzbedarf.<br />

Die 60 Mitarbeiter<br />

werden ständig geschult<br />

Der Preis ist das eine, wobei beispielsweise<br />

im Zeitalter der alleskönnenden<br />

Smartphones die Mittelklasse<br />

wegbricht, billig und<br />

teuer gefragt sind. Aber es gibt<br />

eben auch andere Kriterien wie<br />

Freundlichkeit und Beratungsqualität.<br />

Als da wären zudem 60<br />

Mitarbeiter,die hälftig auf die beiden<br />

Standorte verteilt sind, die<br />

lange mit dabei sind und nicht<br />

jährlich ersetzt werden. Die also<br />

auf einen reichen Erfahrungsschatz<br />

bauen können –und mehrfach<br />

intensiv pro Jahr geschult<br />

werden. Wie Lau betont. Da wäre<br />

außerdem eine eigene Meisterwerkstatt<br />

mit sechs Beschäftigten<br />

in Bensheim, wo von der Espressomaschine<br />

bis zum Flat-TV alles<br />

repariert werden kann. Der Standort<br />

an der Bergstraße erhielt übrigens<br />

gerade von einem unabhängigen<br />

Prüfinstitut Bestnoten, liegt<br />

deutlich vordem Wettbewerb.Befragt<br />

wurden rund 1000 Kunden.<br />

Der Blick über den Tellerrand<br />

hat Alexander Lau 1983 den Anstoß<br />

für die Umstrukturierung<br />

zum AV Markt gegeben. Der Pro<br />

Markt, dahinter stand Radio Diehl<br />

in Frankfurt, sei der Vorreiter der<br />

Entwicklung hierzulande gewesen.<br />

Dem sei man gefolgt –mit<br />

einigem Erfolg. Da macht die Arbeit<br />

Spaß. Ans Aufhören denkt<br />

Alexander Lau deshalb noch lange<br />

nicht. „Aber die Nachfolge ist<br />

schon geregelt.“ Denn Sohn Sebastian<br />

(24), der nach dem Fachabitur<br />

eine Ausbildung zum Kaufmann<br />

gemacht und sich zum Marketing-Ökonomen<br />

weitergebildet<br />

hat, ist bereits im Unternehmen<br />

tätig. Und dort für die Mobile<br />

Kommunikation verantwortlich.<br />

Damit ist eines gewiss: Der<br />

Dreikampf auf diesem Markt in<br />

der Region geht ungebremst weiter.<br />

Womit ein Sieger schon feststeht:<br />

Der Verbraucher.<br />

ungemein. Diplomatisch lässt er<br />

seinen Lieblingsverein aber mal offen.<br />

Selbst gegen den Ball treten ist<br />

aber nach Verletzungen nicht mehr<br />

drin. Das Thema Sport wirdbei längeren,<br />

strammen Spaziergängen mit<br />

Frau Verena abgehandelt. Daneben<br />

schlägt sein Herz für den Motorsport.<br />

In seiner Freizeit setzt er sich<br />

gern auch auf sein Motorrad, wann<br />

immer es die Zeit zulässt: eine Harley<br />

Night Rod Special.<br />

Der Darmstädter hat einen Sohn.<br />

Sebastian (24) arbeitet schon im Betrieb<br />

mit.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 31<br />

Chattenstatt zu jetten<br />

Videokonferenzen – Virtuelle Meetings sind wirtschaftlich und<br />

umweltfreundlich –Boom nach der Aschewolkemit Flugverbot –<br />

Merck nutzt die Technik ebenso wie Fußball-Bundestrainer Löw<br />

VON SILKE JUNGBLUTH-SEPP<br />

Seit der isländische Vulkan<br />

Eyjafjalla mit seiner Aschewolke<br />

so manche Geschäftsreise<br />

hat platzen lassen,<br />

sind sie besondersgefragt: Videokonferenzen.<br />

Schließlich haben<br />

die Flugverbote den Blick auf Alternativlösungen<br />

für Besprechungen<br />

gelenkt, bei denen alle Teilnehmer<br />

am Boden bleiben können<br />

–und so nicht nur Geld und<br />

Reisezeit sparen, sondern quasi<br />

nebenbei auch die Umwelt schonen.<br />

Dabei braucht die Idee, zu<br />

chatten statt zu jetten, den Schub<br />

durch den aschespuckenden Vulkan<br />

eigentlich gar nicht. Die Videokonferenz-Branche<br />

boomt<br />

und Studien bescheinigen ihr in<br />

den nächsten Jahren weltweit<br />

satte Zuwachsraten von 20Prozent<br />

und mehr. „Es ist ein wachsender<br />

Markt“, bestätigt Marc<br />

Thylmann vom Telekommunikations-Branchenverband<br />

Bitkom.<br />

Grund sei die deutlich gestiegene<br />

Qualität der Konferenzsysteme.<br />

„Die Technik hat einen Sprung<br />

gemacht, die Übertragungskapazitäten<br />

haben sich verbessert und<br />

es gibt auch für kleinere Unternehmen<br />

bezahlbare Lösungen“,<br />

sagt er. Doch gerade im Mittelstand,<br />

so Bitkom-Präsident August<br />

Wilhelm Scheer, werde die<br />

Technik trotz ihrer Kostenvorteile<br />

kaum eingesetzt: „Hier werden<br />

Chancen verpasst.“<br />

Großunternehmen wie der<br />

Spezialchemie- und Pharmakonzern<br />

Merck in Darmstadt haben<br />

dagegen längst das Potenzial dieser<br />

Technologie für sich entdeckt.<br />

Der Sparzwang durch die Wirtschaftskrise<br />

hat den Einsatz allerdings<br />

erst so richtig beflügelt: Gab<br />

es bei Merck im Februar 2009 nur<br />

18 Videokonferenzen, kletterte ihre<br />

Zahl im April dieses Jahres auf<br />

481 Meetings mit insgesamt 1048<br />

Stunden Gesprächszeit, berichtet<br />

Pressesprecher Gerhard Lerch.<br />

Um möglichst viele Reisen über-<br />

Verhaltensregeln<br />

flüssig zu machen, sind insgesamt<br />

75 Standorte mit der notwendigen<br />

Technik für Gespräche via Bildschirm<br />

ausgerüstet. Besonders<br />

gut sind dabei neben der Zentrale<br />

die Firmensitze in Genf und Rockland<br />

bestückt. Insgesamt stehen<br />

an diesen drei Standorten 94 Videokonferenzsysteme<br />

zur Verfügung,<br />

konzernweit sind es 193.<br />

Beitrag zur<br />

Work-Life-Balance<br />

Moderne Videokonferenzanlagen erlauben<br />

konzentriertes Arbeiten –besonders,<br />

wenn sich alle Teilnehmer<br />

an einige Regeln halten.<br />

Störquellen: Ob Verkehrslärm, Gläserklirren<br />

oder Handyklingeln –<br />

hochsensible Mikrofone übertragen<br />

auch störende Hintergrundgeräu-<br />

[Infobox]<br />

Dabei geht es Merck nicht nur<br />

darum, Reisekosten zu senken,<br />

sagt Lerch. Es geht auch um die<br />

Zeit, die die daheimgebliebenen<br />

Mitarbeiter gewinnen – für die<br />

Arbeit und ihr Privatleben. „Das<br />

ist ein Beitrag zur Work-Life-Balance.“<br />

Stundenlang in Flugzeug<br />

oder Bahn sitzen, zeitraubende<br />

Verspätungen oder Umsteigepausen<br />

und Reisestress –das nervt in<br />

der Tatnicht nur die Beschäftigten,<br />

sondern kostet als „verlorene<br />

Arbeitszeit“ die Unternehmen<br />

viel Geld, betont auch Manfred<br />

Breul, Bereichsleiter TK-Technologien<br />

bei Bitkom. Bei der Überlegung,<br />

ob sich die Anschaffung<br />

von Videoanlagen lohnt, sollten<br />

deshalb nicht nur die reinen Reisekosten<br />

in die Rechnung einfließen,<br />

rät er.<br />

Dass sich Investitionen in Videotechnik<br />

inzwischen nicht<br />

mehr nur für Großunternehmen<br />

rechnen, liegt allerdings nicht nur<br />

an der wachsenden Zahl von<br />

Dienstreisen bei vielen Mittelständlern,<br />

sondern auch daran,<br />

dass ruckel- und rauschfreie Übertragungstechnik<br />

erschwinglicher<br />

geworden ist –die rasante technische<br />

Entwicklung bei Hardware<br />

und Breitbandverbindungen sowie<br />

purzelnde Preise für Elektronik<br />

machen es möglich. Dabei ist<br />

das angebotene Spektrum bei<br />

der Videokonferenztechnik sehr<br />

breit, sowohl in Sachen Qualität<br />

als auch beim Preis.Die Lösungen<br />

reichen von fest installierten<br />

High-Tech-Räumen bis hin zu Vi-<br />

deokonferenzen via Internet vom<br />

Büro-PC aus.<br />

Wie teuer es wird, hängt aber<br />

auch davon ab, ob nur zwei oder<br />

aber mehrere Standorte miteinander<br />

verknüpft werden sollen und<br />

ob jeweils einzelne Mitarbeiter<br />

oder ganze Gruppen vorder Videokamera<br />

Platz nehmen. Wichtig ist<br />

auch die Frage, obwährend der<br />

Konferenz über Zusatzbildschirme<br />

Dokumente oder Präsentationen<br />

eingespielt werden sollen.<br />

Während ein optimal ausgestatteter<br />

Videokonferenzraum<br />

aus einem Guss, indem Möbel,<br />

Akustik, Licht und Übertragungstechnik<br />

perfekt aufeinander abgestimmt<br />

sind, schnell 250000 Euro<br />

oder mehr kosten kann, gibt es am<br />

unteren Ende der Qualitäts- und<br />

Preisspanne auch Softwarelösungen,<br />

die nur einen dreistelligen<br />

Eurobetrag kosten oder gar, wie<br />

das wohl bekannteste Programm<br />

Skype,kostenlos zu nutzen sind –<br />

Webcam, Mikrofon und ein<br />

schneller Internetzugang vorausgesetzt.<br />

Allerdings bergen Billiglösungen<br />

wie Skype neben der oft<br />

eher mäßigen Bild- und Tonqualität<br />

sowie Stabilität für Firmennutzer<br />

noch andere Tücken: die Datensicherheit<br />

und die Anbindung<br />

an das Firmennetzwerk. „Diese<br />

Punkte sollten vorher immer mit<br />

den Anbietern geklärt werden“,<br />

sagt Breul.<br />

Professionelle Sicherheit<br />

ist wichtig<br />

Vertriebsleiter Arwed Plate von<br />

Vidofon, die sich als Dienstleister<br />

auf Videolösungen für Mittelständler<br />

spezialisiert hat, rät<br />

ebenfalls zu High-Definition-Systemen<br />

mit professioneller Sicherheitstechnik.<br />

Oft sei auch ein separater<br />

Internetanschluss zur Entlastung<br />

des Firmennetzwerkes<br />

sinnvoll. Die Telekom baut derzeit<br />

gar ein eigenes Konferenznetz mit<br />

Verschlüsselungstechnik auf, das<br />

dank hoher Bandbreiten zudem<br />

eine besonders gute Übertra-<br />

sche. Nur wenige High-Tech-Systeme<br />

filtern bislang Störgeräusche<br />

heraus. Ansonsten gilt: Fenster und<br />

Türen schließen, Handys ausschalten,<br />

nicht mit dem Nachbarn plaudern.<br />

Oder einfach das Mikro ausschalten,<br />

wenn die andereSeite längere<br />

Zeit spricht.<br />

Optik: Video ist wie Fernsehen. Deshalb<br />

besser keine auffälligen Karos<br />

oder Streifen tragen –wie TV-Mode-<br />

gungsqualität verspricht, berichtet<br />

Dirk Backofen, Segmentleiter<br />

Marketing Business. Überhaupt<br />

ist die Schnelligkeit des Netzes bei<br />

Videokonferenzen vongroßer Bedeutung,<br />

damit bei keinem der<br />

Partner verpixelte Bilder ankommen:<br />

„Dabei ist auch die Uploadgeschwindigkeit<br />

entscheidend“,<br />

so Breul.<br />

Die Kosten für die Videotechnik<br />

selbst fallen sehr unterschiedlich<br />

aus, jenachdem was die Systeme<br />

leisten sollen –und wer sie<br />

herstellt. Zu den großen Hardware-Anbietern,<br />

deren Systeme<br />

sich laut Plate dank einheitlicher<br />

Standards auch problemlos für<br />

Konferenzen zusammenschalten<br />

lassen, zählen etwa Tandberg,<br />

Lifesize und Polycom. Sollen nur<br />

Einzelplätze konferenztauglich<br />

ausgerüstet werden, kostet dies<br />

nach seinen Angaben ab jeweils<br />

3000 Euro. KleinereRaumsysteme<br />

seien ab 7000 Euro netto pro Anlage<br />

erhältlich –mit nach oben<br />

offener Preisskala. Sie bieten sich<br />

laut Plate an, wenn an zwei Standorten<br />

jeweils Gruppen vonvier bis<br />

fünf Teilnehmern vorKameraund<br />

Flachbildschirmen sitzen sollen.<br />

„Solche klassischen Zwei-Standort-Systeme<br />

gibt es im Mittelstand<br />

sehr häufig“. Sollen drei Orte verbunden<br />

werden, muss aufgestockt<br />

werden: Zwischen 12 000<br />

und 20 000 Euro netto kostet ein<br />

Mehrpunktsystem, das aber nur<br />

an einem der drei Standorte benötigt<br />

wird, um sich einzuschalten,<br />

erläutert Plate. Oft sei es für Mittelständler<br />

sinnvoll, klein anzufangen<br />

und nach Bedarf auszubauen,<br />

hat er festgestellt. „Die<br />

große Lösung passt oft nicht immer.“<br />

Mit moderner Technologie lassen<br />

sich auch weit mehr Standorte<br />

verknüpfen. Bis zu 48 verschiedene<br />

Plätze mit jeweils bis zu 18 Teilnehmern<br />

können nach Angaben<br />

von Dirk Backofen beispielsweise<br />

mit den Telepräsenz-Raumsystemen<br />

der Telekom und des Herstellers<br />

Cisco zusammengeschaltet<br />

ratoren auch. Außerdem: Körpersprache<br />

und Mimik spielen eine<br />

wichtige Rolle. Heftige und schnelle<br />

Bewegungen vermeiden, sie können<br />

aggressiv wirken und bei niedrigen<br />

Übertragungsraten den Bildaufbau<br />

holprig machen. Und: Die Kamera<br />

sollte so positioniert sein, dass alle<br />

Teilnehmer zu sehen sind.<br />

Kommunikation: Die Teilnehmer<br />

sollten sich vorstellen, vielleicht so-<br />

werden, die vor allem für größere<br />

Unternehmen interessant sind.<br />

Aber auch kleinere Anlagen sind<br />

über die Telekom möglich, wie das<br />

Beispiel von Bundestrainer Joachim<br />

Löw zeigt, der in den Monaten<br />

vor der WM mit seinem Stab<br />

ganz bequem vomheimischen Sofa<br />

aus über taktische Kniffe und<br />

Personalfragen diskutierte.<br />

Mietlösungen<br />

als Alternative<br />

Viele Anbieter bieten Konferenzanlagen<br />

auch als kurz- oder langfristige<br />

Mietlösung an, häufig<br />

samt aller Servicedienstleistungen,<br />

darunter etwa ein schnelles<br />

Troubleshooting während der<br />

Livekonferenz, wenn es mal<br />

klemmt. „Solche Angebote sind<br />

für viele Firmen interessant“, sagt<br />

Backofen. Da eigene Videoräume<br />

für Mittelständler oft trotzdem zu<br />

kostspielig sind, setzt die Telekom<br />

auch auf den Ausbau eines bundesweitenKonferenzraum-Netzes<br />

in Hotels und Tagungszentren.<br />

Für einen Stundensatz von<br />

200 bis 300 Euro können sich Interessenten<br />

dort einmieten. In der<br />

Region hat der Konzern gerade einen<br />

solchen Konferenzsaal im<br />

Frankfurter Lindner Hotel Walther-von-Cronberg-Platzeingeweiht.<br />

gar Namensschilder haben. Sind<br />

mehrere Standorte zugeschaltet, ist<br />

es sinnvoll, einen Moderator zu bestimmen.<br />

Durcheinanderreden und<br />

ins Wort fallen ist bei modernen Anlagen<br />

zwar technisch möglich, aber<br />

ebenso wenig höflich wie sonst auch.<br />

Außerdem gilt trotz Breitbandverbindung:<br />

Dem Partner Zeit für die Antwort<br />

lassen und mit Verzögerungen<br />

durch die Übertragung rechnen.<br />

FOTOS: FOTOLIA<br />

Auch der Dienstleister Regus,<br />

der weltweit 2500 Videokonferenzstudios<br />

betreibt, bietet in<br />

Frankfurt mehrere Videoräume<br />

an, darunter ein modernes Telepräsenzstudio<br />

nahe der Alten<br />

Oper. Die Kosten variieren nach<br />

Standort und Tageszeit und beginnen<br />

bei 229 Euro pro Stunde.<br />

Regus profitierte übrigens ganz<br />

besonders vom Aschewolken-<br />

Flugverbot im April: Das Unternehmen<br />

verzeichnete in dieser<br />

Zeit in Deutschland ein Buchungsplus<br />

von 290 Prozent.<br />

Das Darmstadtium bietet<br />

ebenfalls Videokonferenzen in<br />

seinen Sälen an –ab1500 Euro<br />

pro Tag. Rund 120 Euro kostet<br />

eine Konferenzstunde dagegen<br />

außerhalb des Rhein-Main-Ballungsraums:<br />

im Donnersberger<br />

Energie- und Gewerbepark in<br />

Kirchheimbolanden in der Pfalz.<br />

Virtuelle Meetings sind aber<br />

nicht nur wirtschaftlich und umweltfreundlich,<br />

sondern auch ein<br />

Erlebnis, findet Bitkom-Präsident<br />

Scheer: „Wer das erste Mal an einer<br />

Videokonferenz mit den neuen<br />

Highend-Geräten teilgenommen<br />

hat, will am Ende des Gesprächs<br />

seinem Geschäftspartner<br />

die Hand schütteln – er hat<br />

schlicht vergessen, dass er mehrere<br />

tausend Kilometer weg sitzt“,<br />

sagt er.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Handwerk & Hightech 32<br />

Schreibtische der <strong>Macher</strong><br />

THOMAS DOLD<br />

FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />

�<br />

Person und Unternehmen<br />

Thomas Dold (53), studierter Betriebswirt, seit<br />

Mai 2004 Geschäftsführer des Wirtschaftsinformationsdienstes<br />

D&B Deutschland. Er pendelt<br />

zwischen Düsseldorf und Darmstadt.<br />

Dold ist „noch so gerade verheiratet“, liiert<br />

und hat eine achteinhalb Jahre alte Tochter.<br />

„Sie ist mein wichtigstes Hobby“, sagt Dold.<br />

„In sie investiere ich ganz viel Zeit und Energie.“<br />

Auch Laufen und Kochen –„am liebsten<br />

asiatisch und mediterran, also leichte Küche“<br />

–gehören zu seinen Hobbys. Ansonsten besucht<br />

Dold gerne Flohmärkte.Dort ist er bevorzugt<br />

auf der Suche nach Art-déco-Gegenständen,<br />

die er sammelt. „Auch schöne Dinge wie<br />

[Infobox]<br />

Schreibtisch: Standardmodell, „haben alle Mitarbeiter,<br />

nicht nur der Chef“, sagt dieser. Ermag dieses<br />

„Chefbüro-Gehabe“ mit anderen Möbeln nicht.<br />

�<br />

Stuhl: ebenfalls ein Standardmodell, „nix Besonderes“.<br />

�<br />

6<br />

Großes Bild hintere Wand: Vonder Düsseldorfer<br />

Künstlerin „Micmac“. Dold entdeckte einst Werke<br />

von ihr auf einem Flohmarkt, später engagierte er<br />

sie für dieses Werk. Es zeigt die Summe der Erkenntnisse,<br />

wie es im Unternehmen funktionieren<br />

soll. Jeder Mitarbeiter solle sagen, „ich will“, erläutert<br />

Dold. Die Firma gebe ihm dann die Möglichkeiten,<br />

„also das Umfeld, die Infrastruktur und Ähnliches“,<br />

dass der Mitarbeiter sagt „ich kann“. Die<br />

dritte Aussage zielt auf die Umsetzung ab. Von die-<br />

1<br />

sen Bildern hängen laut Dold rund 25 Versionen in<br />

der Firma; sie seien ein Synonym für die Kultur des<br />

Unternehmens.<br />

�<br />

Sideboards: „Dienen eigentlich nur als Ablagefläche“,<br />

sagt Dold. Da er das papierlose Büro bevorzugt,<br />

hat er keine Aktenordner, die untergebracht<br />

werden müssen. Lediglich die Aktentasche des Chefs<br />

findet in dem großen SideboardPlatz. Darauf stehen<br />

unter anderem ein Foto vonDolds heute achteinhalb<br />

Jahre alter Tochter sowie zwei gläserne Trophäen.<br />

2007,2008 und 2009 wurde Dold vomUnternehmen<br />

zum „MD of the year“ gewählt. Ein Mal gab es eine<br />

Urkunde, zwei Mal die gläserne Trophäe. „Schöne<br />

Anerkennung, man freut sich“, sagt Dold dazu.<br />

„Mehr aber auch nicht.“<br />

�<br />

4<br />

Schreibtischlampe: „Billiges Katalogmodell“, funktional,<br />

schön, „das reicht“. Alles, was beim Chef im<br />

Bürosteht, haben die anderen Mitarbeiter auch.<br />

einen dunkelroten Murano-Aschenbecher und<br />

Silbergegenstände nehme ich gerne mit“, sagt<br />

Dold.<br />

Bevorzugte Urlaubsziele sind neben Asien –<br />

„besonders Bali“ –Frankreich, Italien und die<br />

USA. Zum Skilaufen geht es nach Südtirol. „Ich<br />

erfahregerne etwas über andereKulturen und<br />

lerne gerne andere Menschen kennen“, sagt<br />

Dold über seine Reiselust.<br />

D&B Deutschland<br />

Die Wirtschaftsinformationen vonD&B geben<br />

Kunden einen Überblick über die wirtschaftliche<br />

Situation ihrer Geschäftspartner.Die nach<br />

eigenen Angaben weltweit größte Unternehmensdatenbank<br />

von D&B enthält laufend aktualisierte<br />

Informationen zu 4,5 Millionen<br />

7<br />

�<br />

PC: von Dell. Da Dold oft dienstlich unterwegs ist,<br />

bevorzugt er ein leichtes Notebook mit Zwölf-Zoll-<br />

Bildschirm. An seinem Schreibtisch ist das Gerät per<br />

Docking-Station mit einem großen Bildschirm verbunden.<br />

�<br />

Schreibtischunterlagen und Utensilien (Stiftebox,<br />

Locher usw.): aus dem Top-Deck-Katalog. Sehen<br />

hübsch aus, findet der Chef. Außer ein paar Stiften<br />

benutzt er die Dinge jedoch kaum. „Da ich ein papierloses<br />

Büro habe, muss ich auch nichts lochen“,<br />

sagt Dold.<br />

�<br />

Tasse: Dold trinkt wenig Kaffee,„nur ab und zu einen<br />

Milchkaffee, aber die passende Maschine gibt es<br />

nicht im Büro.“ Heißen Kakao mit Rum mag Dold<br />

ebenfalls, „aber im Büro geht das nicht mit dem<br />

FOTO: D&B<br />

2<br />

deutschen und mehr als 160 Millionen Unternehmen<br />

weltweit. D&B aktualisiere weltweit<br />

täglich 1,8 Millionen Datensätze, davon<br />

120 000 in Deutschland. Zusätzlich wird für<br />

5<br />

Rum“. Also ist die Tasse eher Dekorationsobjekt als<br />

Gebrauchsgegenstand. Im Inneren der Tasse ist<br />

„Thomas ist der Beste“ zu lesen. Dold: „Jeder Mitarbeiter<br />

hat so eine Tasse, logischerweise mit dem<br />

jeweils eigenen Namen drin.“<br />

�<br />

Karaffe mit Gläsern: Dold ist Wassertrinker, schafft<br />

nach eigenen Angaben etwa drei Liter pro Tag. Er<br />

bevorzugt stilles Wasser,gerne aus dem Hahn. „Wir<br />

haben hier so ein Wasseraufbereitungssystem“,<br />

sagt er.<br />

�<br />

8<br />

3<br />

9<br />

10<br />

Wecker: Warmal eine Werbeaktion des Unternehmens,<br />

umKunden „aufzuwecken.“ Allerdings zeigt<br />

das Modell auf Dolds Schreibtisch keine Uhrzeit<br />

mehr an –die Batterie ist leer. Jeder aus dem Kollegium<br />

hat einen solchen Wecker bekommen. „Kolleginnen<br />

nutzen ihn gerne zum Nachschminken, da<br />

man sich in der Vorderseite prima spiegeln kann“,<br />

weiß der Chef. sojo<br />

die Bonitätseinschätzungen das tatsächliche<br />

Zahlungsverhalten der Unternehmen berücksichtigt.<br />

D&B ermittelt aus diesen und anderen<br />

Daten einen Zahlungsindex, einen Frühwarnindikator<br />

für mögliche Liquiditätsprobleme.<br />

Außerdem gibt das Unternehmen politische,<br />

finanz- und volkswirtschaftliche Informationen<br />

sowie Risikoinformationen über mehr als<br />

130Länder.<br />

Die D&B Deutschland GmbH gehört zur Unternehmensgruppe<br />

Bisnode AB und ist nach<br />

Unternehmensangaben einer der größten<br />

Business-to-Business-Informationsanbieter in<br />

Europa. Der deutsche Unternehmenssitz ist<br />

Darmstadt (ehemals Hoppenstedt), Niederlassungen<br />

befinden sich in Berlin, Hamburg, Düsseldorf<br />

und München.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 33<br />

Life & Style<br />

Die neue<br />

Hallwag Weinschule<br />

Dieses Buch führt den Einsteiger mit<br />

13 kompetent begleiteten Weinproben<br />

in die Kunst wahren Genießens ein.<br />

168 Seiten<br />

»Lifestyle ist die teure Art,<br />

so auszusehen wie die anderen«<br />

Klaus Klages,deutscher Gebrauchsphilosoph<br />

Seite 34<br />

Wasser ist chic<br />

Sekt oder Selters? Das ist oft<br />

die Frage.Was passt am besten<br />

zum Geschäftsessen?<br />

Getränke-Profi Ralf Krämer<br />

weiß,was gefragt ist.<br />

Seite 35<br />

Biss, stahlige Säure<br />

Aufder Suche nach Sommerweinen<br />

sind Experten bei einer<br />

Verkostung des WirtschaftsECHO<br />

in Südhessen<br />

fündig geworden.<br />

Seite 38<br />

Zwei Herzen<br />

Zeitgemäße Fortbewegung<br />

hat JörgRiebartsch im Lexus<br />

RX 450h erfahren, der die<br />

Kraft der zwei Herzen hat:<br />

Elektro- und Benzinmotor.<br />

Seite 40<br />

Fußball-Kultur<br />

Für den Fernsehabend planen<br />

oder Theaterkarten besorgen?<br />

Johannes Breckner<br />

versucht den Doppelpass<br />

zwischen WM und Kultur.<br />

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Seiten 36 +37<br />

Scharfe Sache<br />

Im „Alten Gewürzamt“<br />

des ehemaligen Sterne-Kochs<br />

Ingo Holland in Klingenberg<br />

entstehen die Zutaten,<br />

die feinem Essen den<br />

besonderen Kick geben.<br />

Ingo Holland FOTO: ALEXANDER HEIMANN


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 34<br />

Ralf Krämer FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

Business-Knigge<br />

DIESMAL: WELCHE GETRÄNKE ZUM GESCHÄFTSESSEN<br />

Sekt<br />

oder<br />

Selters?<br />

Umgangsformen –<br />

Wasser bei Führungskräften der Renner –<br />

Auch Apfel-, Orangensaft, Champagner,Wodka und Gin im Trend<br />

VON DIRK JANOWITZ<br />

Sekt oder Selters? Diese Frage<br />

müssen sich Manager heute<br />

nicht mehr stellen, denn<br />

beim Geschäftsessen ist es kein<br />

Fauxpas,alkoholfreie Getränkezu<br />

bestellen, auch dann nicht, wenn<br />

der Gastgeber hochprozentige bevorzugt.<br />

„Vielmehr entscheiden<br />

sich Verhandlungspartner für<br />

Wasser,nicht nur um einen klaren<br />

Kopf zu behalten, sondern weil es<br />

einfach chic ist“, erklärt Ralf Krämer<br />

(46), Geschäftsführer der<br />

Krämer GmbH in Alsbach-Hähnlein,<br />

die rund 2000 Kunden (Sterne-Restaurants,<br />

Hotels, Szene-<br />

Kneipen, Klubs, Bars und Diskotheken)<br />

im Rhein-Main-Neckar-<br />

Gebiet mit Getränken beliefert.<br />

Der 46-jährige führt das 1926 ge-<br />

gründete Familienunternehmen<br />

in dritter Generation.<br />

Wasser ist jedoch nicht gleich<br />

Wasser und so haben die Geschäftsleute<br />

unter einer Vielzahl<br />

verschiedener Sorten die Qual der<br />

Wahl. „Außerdem ist es nicht einfach,<br />

das richtige Wasser zum Essen<br />

zu finden, da es keine festen<br />

Kriterien gibt“, sagt Krämer. Und<br />

es dürfe auf keinen Fall mit Zitronenschnitz<br />

und Eis serviert werden,<br />

da beides den feinen Geschmack<br />

zerstöre. „Heilwasser<br />

könnte zu geschmorter Lammkeule<br />

gut passen, aber nicht zu<br />

Fisch. Herren bevorzugen ein<br />

kräftigeres Wasser, Damen eher<br />

ein weiches“, so der Experte. Der<br />

Gemütszustand der Manager<br />

spiele ebenfalls eine Rolle: Kohlensäurehaltiges<br />

Wasser sei ge-<br />

Sekt –halbtrocken, trocken oder brut<br />

[Infobox]<br />

stressten Gesprächsteilnehmern<br />

nicht zu empfehlen, da es noch<br />

mehr aufkratze und für „Turbolenzen“<br />

im Magen sorge.<br />

Sprudel zum Wein<br />

weniger geeignet<br />

Der typische Sprudel ist auch zum<br />

Wein weniger geeignet. „Er macht<br />

den Gaumen schnell satt, so dass<br />

der Geschmack des Weins untergeht“,<br />

weiß Krämer. Seiner Meinung<br />

nach passt stilles Wasser am<br />

besten zu edlen Tropfen, da es<br />

weicher ist und den Gaumen offen<br />

hält. TeureSorten, wie etwaexotische<br />

Wässerchen aus Norwegen,<br />

Kanada und Hawaii werden in<br />

Klubs und auf Szene-Partys serviert.<br />

„Besondersangesagt warim<br />

vergangenen Jahr stilles Wasser<br />

Die Bezeichnung der Geschmacksrichtung beim<br />

Sekt unterscheidet sich vonder beim Wein. Das hat<br />

einen einfachen Grund: Die Kohlensäure, die für<br />

den Sekt unentbehrlich ist, mildert die Wahrnehmung<br />

von Süße. Dieser Tatsache trägt das Weingesetz<br />

Rechnung und hat die Bezeichnungen für die<br />

Geschmacksrichtungen bei Sekt angepasst:<br />

extra brut – entspricht der ganz trockenen Geschmacksvariante<br />

und enthält weniger als sechs<br />

Gramm Restzucker proLiter.<br />

brut – bevorzugen Liebhaber der trockenen Geschmacksrichtung.<br />

Mit bis zu 15 Gramm Restzucker<br />

proLiter wirddie feine Frucht leicht unterstrichen,<br />

ohne den trockenen Charakter aufzugeben.<br />

extra trocken – ist eine Geschmacksrichtung, die<br />

beim Wein als „harmonisch trocken“ bezeichnet<br />

würde.Ein dezenter Restzuckergehalt vonzwölf bis<br />

20 Gramm pro Liter unterstreicht die aromatische<br />

Frucht und Fülle im Sekt.<br />

trocken – hinterlässt auf der Zunge einen zartsüßen<br />

Hauch und ist für Liebhaber eher halbtrockener<br />

Weine die richtige Geschmacksrichtung. Ein<br />

Restzuckergehalt von 17bis 35 Gramm pro Liter<br />

betont die Frucht.<br />

halbtrocken – die richtige Geschmacksrichtung für<br />

Liebhaber lieblicher Weine. Die Süße ist mit 33 bis<br />

50 Gramm Restzucker pro Liter ausgeprägt und<br />

sorgt für volles süß-fruchtiges Aroma.<br />

vonJean Paul Gaultier,das schon<br />

durch seine künstlerisch designte<br />

Flasche auffiel“, schmunzelt der<br />

Getränkefachgroßhändler. Der<br />

Preis scheint, ebenso wie bei den<br />

anderen trendigen, hochprozentigen<br />

Getränken wie Wodka, Gin<br />

und Champagner, keine Rolle zu<br />

spielen.<br />

Doch zurück zum geschäftlichen<br />

Treffen. Bei den Meetings<br />

nehmen die Manager meist mit<br />

regionalen, weniger hochpreisigen<br />

Produkten vorlieb. Als Aperitif<br />

sind Rosé-Sekt und Prosecco-<br />

Rosé im Trend. Bei den nicht alkoholischen<br />

Getränken sind die<br />

Klassiker Apfel- und Orangensaft<br />

beliebt. Zu Rennern entwickeln<br />

sich vor allem bei Frauen die<br />

Cranberry-Schorle und die sogenannten<br />

Smoothies (dickflüssiger<br />

mild – ist eine Geschmacksrichtung, die beim Sekt<br />

selten angeboten wird. Mit einem Restzuckergehalt<br />

von über 50 Gramm pro Liter ist die Süße sehr<br />

ausgeprägt.<br />

Wasser ist nicht gleich Wasser<br />

So unterscheiden sich die Wassersorten:<br />

� Natürliches Mineralwasser stammt aus bis zu<br />

1000 Meter tiefen unterirdischen Quellen, seine<br />

Reinheit wirdbehördlich geprüft. Es darf „enteisent“<br />

–von Eisen und auch von Schwefel, Mangan<br />

und Arsen befreit –sowie „mit Kohlensäure<br />

versetzt“ werden. Auf dem Etikett sind die entsprechenden<br />

Angaben zu finden.<br />

� Natürliches Heilwasser aus unterirdischen<br />

Quellen darf nicht verändert werden und benötigt<br />

eine amtliche Zulassung als Heilmittel.<br />

� Quellwasser aus unterirdischen Vorkommen enthält<br />

weniger Mineralstoffe als Mineralwasser. Es<br />

bedarf keiner amtlichen Anerkennung, muss aber<br />

den allgemeinen Trinkwasseranforderungen genügen.<br />

Nach neuem EU-Recht darf es sich aber trotzdem<br />

auch Mineralwasser nennen. Viele bekannte<br />

französische stille Wasser sind Quellwässer.<br />

� Tafelwasser wird als Mischung aus vor allem<br />

Leitungswasser, Meerwasser, Sole, Mineralsalzen<br />

und Kohlensäure industriell hergestellt.<br />

Saft mit besonders viel Fruchtmark).<br />

„Außerdem zählen Energie-Drinks<br />

zu den Favoriten“, sagt<br />

Krämer.<br />

Zum Mittagessen werden<br />

überwiegend Weine gereicht: nationale<br />

aus der Region, internationale<br />

im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft<br />

häufig aus Südafrika.<br />

„Die Regel, dass zu Geflügelgerichten,<br />

Fisch und hellem<br />

Fleisch zumeist Weißweine serviert<br />

werden, zu dunklem oder rohem<br />

Fleisch Rotweine, ist bei Geschäftsessen<br />

überholt. Heute gilt:<br />

Erlaubt ist, was schmeckt“, erklärt<br />

der Geschäftsführer.<br />

Neben der richtigen Wahl<br />

spielt auch die Darreichung des<br />

Weines eine wichtige Rolle.„Mancher<br />

Feinschmecker zelebriert ein<br />

regelrechtes Ritual, insbesondere<br />

bei hochwertigen Rotweinen,<br />

welche bei Zimmertemperatur dekantiert,<br />

das heißt, in eine Weinkaraffe<br />

gefüllt werden“, unterstreicht<br />

Krämer. Die optimale<br />

Temperatur für einen Rotwein<br />

liegt zwischen 15 und 17 Grad Celsius,<br />

bei Spitzenweinen bis zu 19<br />

Grad Celsius. Der edle Tropfen<br />

sollte in dickbauchige Gläser mit<br />

Stiel (zur Hälfte) eingeschenkt<br />

werden, um sein Aroma voll entfalten<br />

zu können.<br />

Weißweine hingegen sollten<br />

ihrem Aroma entsprechend kühl<br />

serviert werden: Trockene,leichte<br />

Weißweine entfalten bei acht bis<br />

zehn Grad, halbtrockene bei bis<br />

zu zwölf Grad Celsius ihren besten<br />

Geschmack. Roséweine liegen<br />

bei zwölf bis 15 Grad Celsius<br />

optimal in der Mitte zwischen<br />

Rot- und Weißwein, so der Experte.<br />

Kühler Weißwein schmeckt<br />

aus einem schlichten, dünnwandigen<br />

Glas oder aus einem kleinen<br />

Kelch am besten.<br />

Nach dem Essen sind Espresso,<br />

Kaffee oder Mokka angesagt.<br />

Absolut tabu sind dagegen Softdrinks,<br />

dasie sättigen und den<br />

Geschmack von Speisen überdecken.<br />

„Da es sich mit Bier ähnlich<br />

verhält, lehnen die meisten Manager<br />

den Gerstensaft konsequent<br />

ab“, bestätigt Krämer.<br />

Am Abend wählen die Geschäftsleute<br />

hochprozentige Getränkeaus,wenn<br />

sie den Tagnach<br />

den oft schwierigen Verhandlungen<br />

in lockerer Atmosphäre ineiner<br />

Bar oder einem Klub ausklingen<br />

lassen. Dort werden meist neben<br />

Sekt, Champagner, Gin und<br />

Wodkaauch Bourbon und Scotch,<br />

irischer und Tennessee Whiskey<br />

sowie Malt und Canadian Whisky<br />

bestellt.<br />

Nicht mehr gefragt sind nach<br />

Krämers Angaben ehemalige<br />

Klassiker wie Sherry, Portwein,<br />

Calvados, Armagnac und Longdrinks.<br />

Auch deutsche Edelbrände<br />

und Likör sind eher beliebte<br />

Familiengetränke und bei Manager-Meetings<br />

nicht „in“. Ausnahme:<br />

Cognac.„Er erlebte durch die<br />

Fernsehwerbung eines bekannten<br />

US-Rappers eine Renaissance“,<br />

sagt Krämer.„International<br />

bekannte Musiker fungieren<br />

häufig als Getränke-Trendsetter.<br />

Seitdem bekannt wurde,dass der<br />

Techno-Star Sven Väth gerne<br />

Champagner trinkt, stiegen die<br />

Umsatzzahlen für den edlen<br />

Schaumwein deutlich an“, ergänzt<br />

der 46-jährige.<br />

Cocktails bei Managern<br />

nicht so sehr beliebt<br />

Ähnlich begehrt wie Champagner<br />

sind Cocktails,allerdings sind die<br />

alkoholischen Mischgetränke vor<br />

allem in der Party-Szene beliebt,<br />

bei geschäftlichen Treffen von<br />

Führungskräften spielen sie kaum<br />

eine Rolle. „Im Trend sind Pina<br />

Colada, Caipirinha, Sex on the<br />

Beach und der Mojito, der auch<br />

mehr und mehr von Managern<br />

entdeckt wird”, stellt Krämer fest.<br />

Bei den alkoholfreien Cocktails<br />

kommen Virgin Colada, Ipanema<br />

und San Francisco besonders gut<br />

an.<br />

Das gilt auch –vor allem auf<br />

Partys, privaten Festen und in<br />

Klubs –für das Anstoßen. „Ein<br />

schöner, alter Brauch –aber häufig<br />

unangebracht“, bekennt Krämer,denn<br />

nur mit Wein, Champagner<br />

oder Sekt wird angestoßen,<br />

nicht aber mit Bier-, Longdrinkund<br />

schon gar nicht mit Milchkaffeegläsern.<br />

Bei Geschäftstreffen<br />

wirdheute meist ganz darauf verzichtet.<br />

Die Manager heben einfach<br />

ihre Gläser an, während sie<br />

sich zunicken und zuprosten –<br />

Cheers!<br />

Krämer GmbH<br />

Erlenweg 10<br />

64665 Alsbach-Hähnlein<br />

Geschäftsführer:<br />

Ralf Krämer<br />

Telefon: 06257 93700<br />

Fax: 06257 937010<br />

E-Mail:<br />

info@kraemergmbh.de<br />

Internet:<br />

www.kraemergmbh.de<br />

� Leitungswasser steht nicht auf der Getränke<br />

karte eines Restaurants.Für US-Amerikaner ist es<br />

selbstverständlich, „tap water“ zum Essen zu<br />

bestellen, genauso selbstverständlich steht es am<br />

Ende nicht auf der Rechnung. Hierzulande kann<br />

es durchaus passieren, dass für eine Karaffe Leitungswasser<br />

ein Obolus abverlangt wird.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 35<br />

Weinkenner unter sich:<br />

Karl Eisele, Lisa Edling, Enis Ersü,<br />

Bernd Reckmann, Orlando Carroccia, Eberhard Uhland,<br />

GosbertDölger und Michael Mahr (von links). FOTOS: GÜNTHER JOCKEL<br />

Die besten Tropfen<br />

für die Sommerzeit<br />

Weinverkostung – Beschränkung auf Anbaugebiete vor der Haustüresind keine<br />

Beschränkung beim Genuss –Fachkundige Probierer beim WirtschaftsECHO<br />

VON ILKA ENNEN<br />

Die Bewertung<br />

Karl Eisele ist lange genug<br />

im Geschäft, um zu wissen,<br />

wann er die gute Kinderstube<br />

vergessen muss. Er<br />

trinkt. Zieht Luft durch den angespitzten,<br />

leicht geöffneten Mund.<br />

Schlürft ausgiebig, schmeckt und<br />

spuckt. Letzteres auch nach 33<br />

verschiedenen Weinen in üppigen<br />

zwei Stunden mit einer zielgerichteten<br />

Eleganz, die den Darmstädter<br />

Weinhändler und Gastronomen<br />

als routinierten und sachkundigen<br />

Probierer ausweist.<br />

Guter Wein wird nicht einfach<br />

nur getrunken oder gezischt wie<br />

ein Durstlöscher. Erwird erlebt,<br />

entdeckt, genossen. Kein Wunder,<br />

dass Kenner eine eigene Sprache<br />

erfunden haben, die sich ähnlich<br />

blumig entfaltet wie ein Bukett.<br />

Bewertet wurden die Weine nach<br />

dem Hundert-Punkte-System. Farbe,<br />

Duft, Geschmack, die Balance<br />

von Körper und Aromen und das<br />

Potenzial sollen beurteilt werden.<br />

Jeweils maximal zehn Punkte können<br />

für Farbe und Duft vergeben<br />

werden. Geschmack sowie die Balance<br />

von Körper und Aromen gelten<br />

als wichtigste Kriterien, die mit<br />

30 Punkten honoriert werden können.<br />

Das Potenzial (20 Punkte) ist<br />

für Probenleiterin Lisa Edling eine<br />

sinnvolle Ergänzung, mit der die<br />

Summe der einzelnen Kategorien<br />

für den Gesamteindruck nach oben<br />

oder unten korrigiert werden kann.<br />

[Infobox]<br />

Lisa Edling<br />

Wenn sich das Vokabular der Laien<br />

in Beschreibungen von lieblich,<br />

trocken oder herb erschöpft,<br />

setzen die Experten und fortgeschrittenen<br />

Genießer bei der dritten<br />

Weinverkostung des WirtschaftsECHO<br />

im Darmstädter Restaurant<br />

„Orangerie“ ihreDuftmarken.<br />

Sie sprechen vom Wein mit<br />

Biss,stahliger Säure, erfreuen sich<br />

am Pfirsicharoma oder loben den<br />

sanften Abgang. Manchmal fällt<br />

auch ein schlichtes, aber vielsagendes:<br />

„Schmeckt mir nicht.“<br />

Nur vom Chambrieren, also auf<br />

Zimmertemperatur bringen, ist<br />

keine Rede, denn das wäre fatal:<br />

Gesucht sind die besten Tropfen<br />

für die Sommerzeit. Gut gekühlte<br />

Terrassenweine, die vor der eigenen<br />

Haustüre im Anbaugebiet<br />

Hessische Bergstraße zu finden<br />

sind. Ein Heimspiel für Winzerin<br />

Lisa Edling vom Roßdorfer Weingut<br />

Edling, die zwei Weine zur<br />

Verkostung anstellt, wie es im<br />

Weinsprech heißt, und deshalb<br />

nicht der Jury angehört. Sie avanciert<br />

in der vonECHO-Chefredakteur<br />

Jörg Riebartsch moderierten<br />

Veranstaltung zur Chef-Ausschenkerin.<br />

Der Riesling ist der König<br />

unter den Rebsorten<br />

In drei Kategorien teilt die einstige<br />

deutsche Weinprinzessin und Gebietsweinkönigin<br />

die Weine aus<br />

18 Bergsträßer Weingütern ein:<br />

Riesling, Nicht-Riesling und Rosé.<br />

Allesamt bewegen sich die Einheimischen<br />

in der erschwinglichen<br />

Preisklasse zwischen fünf und<br />

acht Euro. Die Vorkosterin ist sehr<br />

zufrieden mit der Auswahl: „Es<br />

sind ein paar schöne Sachen dabei.“<br />

Das Anbaugebiet ist zwar<br />

das kleinste in Deutschland, aber<br />

die Trauben haben es in sich: Der<br />

Riesling ist hier der König unter<br />

den Rebsorten und genießt einen<br />

guten Ruf.<br />

Zahlenmäßig überlegen sind<br />

die Nicht-Rieslinge bei der Verkostung.<br />

Rivaner, Silvaner, Grauund<br />

Weißburgunder verstecken<br />

sich unter 16 geriffelten Pappmänteln,<br />

die den Ursprung der<br />

Tropfen verhüllen. Farbe, Duft,<br />

Geschmack, die Balance vonKörper<br />

und Aromen und das Potenzial<br />

sollen bewertet werden. „Sie<br />

dürfen ruhig auspunkten“, fordert<br />

Lisa Edling die Weinprobenden<br />

auf, bei der Beurteilung nicht<br />

zu geizen. 100Punkte sind jeweils<br />

zu vergeben. Zwischen 100 und<br />

95 Punkten vergibt Edling die Note<br />

sehr gut, von 94bis 80 ein gut.<br />

„Unter 50 Punkten haben Sie Weine,<br />

die Sie nicht mehr in den<br />

Mund nehmen wollen.“<br />

Die Juroren haben die Nase<br />

schon in manches Glas gehalten.<br />

Zum dritten Mal dabei ist Eberhard<br />

Uhland, Schreinermeister<br />

und Inhaber der Uhland Werkstätten,<br />

und als fähiger Kopfrechner<br />

darf Volksbank-Vorstand Michael<br />

Mahr nicht fehlen. Neu in der<br />

Runde sind Bernd Reckmann,<br />

Doktor der Biochemie und Merck-<br />

Gesellschafter, und Enis Ersü,<br />

Vorstandsvorsitzender der IsraVision<br />

AG. Verkostungs-Nachwuchs<br />

ist auch Polizeipräsident<br />

Gosbert Dölger, der nicht nur das<br />

Gesetz hütet, sondern auch einen<br />

eigenen Präsidiums-Weinberg.<br />

Fürden gastgebenden Orangerie-Inhaber<br />

Orlando Carroccia,<br />

Karl Eisele oder Thilo Patzelt, Inhaber<br />

des Parkhotels Herrenhaus<br />

Bensheim-Auerbach, ist Wein<br />

nicht in erster Linie liebgewonnener<br />

Feierabend-Begleiter,sondern<br />

Ganztages-Umsatzbringer. Das<br />

Gläserkreiseln und Fachsimpeln<br />

ist ihr Alltagsgeschäft. Karl Eisele<br />

kennt sich aus mit dem Balzverhalten<br />

der Weintrinker. Ein<br />

Schaukampf, der meist nach ein<br />

paar Fachausdrücken schon beendet<br />

sei, sagt er und lächelt süffisant.<br />

Unnötig zu sagen, wer gewinnt.<br />

In Darmstadt werden die Flaschen<br />

hingegen auf Augenhöhe<br />

geleert. Die Juroren urteilen fachmännisch,<br />

zum Teil bissig in ihren<br />

Kommentaren. „Animalisch“<br />

empfindet Carroccia den Inhalt<br />

von Nummer drei. Eine Beschrei-<br />

bung, die auch als „Pferdeschweiß“<br />

oder „nasser Hund“<br />

Eingang in die Fachliteratur gefunden<br />

hat. Nur dort und nicht in<br />

Darmstadt ist auch das Mäuseln<br />

zu finden. Ein Geruch, der Experten<br />

an Mäuseharn erinnern soll.<br />

Auch die 16 kann der Italiener<br />

nicht riechen, reklamiert Körperverletzung<br />

und fordert Gosbert<br />

Dölger auf, einen Haftbefehl zu<br />

beantragen. Der Polizeichef erfreut<br />

sich hingegen am Chanel 05artigen<br />

Duft des Frauenweins, erweitert<br />

den Weinprobendualismus<br />

Riechen und Schmecken zu<br />

fortgeschrittener Stunde um<br />

Schlucken und vergibt mit Vorliebe<br />

eine in Punkte umgerechnete<br />

zwei minus, umsich Luft nach<br />

oben zu lassen. „Ich weiß ja nicht,<br />

wasalles noch kommt.“<br />

Wein des Abends: 2009er<br />

Bensheimer Kalkgasse<br />

Die Frage, obein Wein Potenzial<br />

hat, übersetzt Patzelt mit: „Kann<br />

ich ihn verkaufen?“ Um gute Weine<br />

zu finden, muss der Bensheimer<br />

die Stadtgrenze nicht überschreiten.<br />

Platz eins und drei in<br />

der Riesling-Runde gehen an das<br />

Weingut der Stadt, deren Erzeugnisse<br />

die 600-Punkte-Marke knacken.<br />

Der 2009er Bensheimer<br />

Kalkgasse mit seinem filigranen<br />

Pfirsich- und Aprikosenbukett ist<br />

der Wein des Abends und lässt mit<br />

Die Sieger-Weine<br />

Riesling:<br />

� 1. 2009er Bensheimer Kalkgasse,<br />

Kabinett trocken vomWeingut der<br />

Stadt Bensheim. Wein mit fein ausgewogenem<br />

und belebendem Fruchtspiel,<br />

filigranes Pfirsich- und Aprikosenbukett,<br />

viel Schmelz, weicher Abgang.<br />

7Euro.<br />

� 2. 2009er Umstädter Steingerück,<br />

Kabinett trocken von der Odenwälder<br />

WinzergenossenschaftVinum<br />

Autmundis in Groß-Umstadt. DuftigesBukett<br />

nach Pfirsich, Zitrusfrüchten<br />

und Ananas. Im Geschmack<br />

fruchtigeSäure, vollmundig, harmonisches<br />

Säure-Süße-Spiel, anhaltender<br />

Abgang. 4,90 Euro.<br />

� 3. 2009er Bensheimer Kirchberg,<br />

Qualitätswein trocken vomWeingut<br />

der Stadt Bensheim. Junger,frischer,<br />

saftiger Riesling mit dezenten Aromen<br />

vonPfirsich und Aprikose bei<br />

angenehm weicher Säure. Literflasche.<br />

5,30 Euro.<br />

Nicht-Riesling:<br />

� 1. 2009er Auerbacher Höllberg,<br />

Rivaner trocken vomWeingut Seitz in<br />

Bensheim. Frischer,unkomplizierter<br />

Weißwein, zartgelbe Farbe mit Aromen<br />

vonZitrone und Apfel. Leichter<br />

Muskatton. 5,70 Euro.<br />

� 2. 2009er Heppenheimer Grauer<br />

Burgunder,Kabinett trocken vom<br />

Weingut Freiberger inHeppenheim.<br />

Frischer Wein mit stark ausgeprägtem<br />

Burgunder-Typ und angenehmer<br />

Fruchtsäure. Markantes Bukett mit<br />

vielfältigen Primäraromen. 4,70 Euro.<br />

� 3. 2009er Grauer Burgunder,Kabinett<br />

trocken vom Weingut GötzingerinBensheim.<br />

Wein, der nach Äpfeln<br />

und Mango duftet. 4,25 Euro.<br />

Rosé:<br />

� 1. 2009er Blanc de Noir vomPinot<br />

Noir vomWeingut Mohr in Bensheim.<br />

Wein mit spritziger Säureaus Spätburgunder-Trauben,<br />

weiß gekeltert.<br />

Duftnach roten Johannesbeeren<br />

und grünen Bananen. Bereits ausgezeichnet<br />

mit der goldenen Preismünze<br />

der Landesweinprämierung 2010.<br />

7,90 Euro.<br />

� 2. 2009er Roßdorfer Roßberg,<br />

Rotling vomWeingut Edling in Roßdorf.<br />

Frischer Wein mit feinfruchtiger<br />

Aromatik und einem saftigen Geschmack.<br />

5,50 Euro.<br />

� 3. 2009er Auerbacher Rott Rotling,<br />

Kabinett trocken vomWeingut<br />

Seitz in Bensheim. Fruchtiger Wein<br />

mit einer frischen Erdbeernote und<br />

einem leichten Honigton. 6Euro.<br />

Knapp am Sieg vorbei: Weitere Weine mit hoher Punktzahlbei der Verkostung<br />

� 2009er Bensheimer Streichling, Riesling Spätlese trocken vomWeingut Volker Dingeldey<br />

in Bensheim. Frischer,spritziger Weißwein, mineralisch und harmonisch, mit einem Duft<br />

von Aprikose und Pfirsich.<br />

� 2008er Granit-Riesling trocken vom Weingut Simon<br />

Bürkle in Zwingenberg. Frischer, lebendiger Wein mit<br />

Pfirsich-Orangenduft, filigrane, mineralische Frucht.<br />

7Euro.<br />

� 2009er Alsbacher Schöntal, Silvaner trocken vomWeingut<br />

Simon Bürkle in Zwingenberg. Wein mit frischem Duft<br />

und neutraler Art. Literflasche, 6Euro.<br />

640 Punkten auch die Nicht-Rieslinge<br />

und Roséweine hinter sich.<br />

Auch die Siegerweine der beiden<br />

anderen Kategorien sind Bensheimer.<br />

Ein Rivaner vom Weingut<br />

Seitz mit Aromen von Zitronen<br />

und Äpfeln überzeugt die Jury in<br />

der Kategorie Nicht-Riesling. Ein<br />

Blanc de Noir, ein aus roten Trauben<br />

gekelterter weißer Wein vom<br />

Weingut Mohr, ist die Nummer<br />

eins bei den Rosé-Weinen.<br />

Karl Eisele ist zufrieden. Der<br />

Riech-Schmeck-Spuck-Experte<br />

konstatiert zu vorgerückter Stunde,<br />

aber vollkommen nüchtern:<br />

„Das ist eine saubere, anständige<br />

Qualität. Es gibt keine Ausreißer<br />

nach unten, wie wir es bei den<br />

Ausländern schon hatten.“ Das<br />

hat auch der Polizeipräsident festgestellt,<br />

der sich irgendwann fürs<br />

Genießen entschieden hat. Für<br />

ihn endet der Abend in ungewohnter<br />

Rolle: als gutgelaunter<br />

Beifahrer.<br />

Anbaugebiet Hessische Bergstraße<br />

Rund 450Hektar Rebfläche umfasst<br />

Deutschlands kleinstes Anbaugebiet,<br />

das eingebettet zwischen<br />

Neckar, Rhein und Main<br />

im Schutz des Odenwaldes liegt.<br />

Schon die Römer, die die „Via<br />

strata montana“ (Bergstraße)<br />

angelegt haben, bauten hier<br />

Wein an. VonKaiser Joseph II<br />

(1741–1790) ist angesichts des<br />

milden Klimas der Ausruf überliefert:<br />

„Hier fängt Deutschland<br />

an, Italien zu werden.“ Das An-<br />

[Hintergrund]<br />

baugebiet ist in die zwei Bereiche<br />

Umstadt (Odenwälder<br />

Weininsel) und Starkenburggegliedert.<br />

Der Riesling nimmt bei<br />

den Weißweinen mit einer Anbaufläche<br />

von 51Prozent Platz<br />

eins ein, mit weitem Abstand gefolgt<br />

vom auch als Grauer Burgunder<br />

bekannten Ruländer mit<br />

9,5 Prozent. Ordentlich zugelegt<br />

haben die Rotweine, deren Flächenanteil<br />

inzwischen bei über<br />

20 Prozent liegt.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 36<br />

Ingo Holland<br />

VON BIRGIT REUTHER<br />

Aromafundus im Kopf<br />

Mehr als Pfeffer und Salz – Im „Alten Gewürzamt“ von Ingo Holland in Klingenberg<br />

wirdkreiert, gemischt, zerstoßen oder gemahlen, wasbei Spitzenköchen in die Töpfe kommt<br />

Klingenberg. „Nun am besten nicht<br />

viel reden: Hier ist die Luft zu<br />

scharf“, grinst der Gewürzexperte<br />

auf dem Weginden kleinen Nebenraum,<br />

in dem gerade fünf Sorten Pfefferkörner<br />

grob gemahlen werden. Na gut, ich stelle<br />

meine Fragen erstmal zurück. Und bin<br />

froh, dass noch eine Ecke weiter gerade<br />

keine Chili-Schoten (botanisch: Beeren)<br />

geröstet werden. Weiter vorn in dem von<br />

außen unscheinbaren Betriebsgebäude<br />

duftet es nach Lavendel, und liegt da<br />

nicht auch eine Spur von Fenchel oder<br />

Anis in der Luft?<br />

In einem ehemaligen Einkaufsmarkt<br />

in Klingenberg amMain –imHintergrund<br />

die Weinberge, gegenüber das<br />

Flussufer –hat Ingo Holland (52), berühmt<br />

geworden als Sternekoch und<br />

nun apostrophiert als Deutschlands<br />

Gewürzmüller Nummer 1, seine Manufaktur<br />

„Altes Gewürzamt“ untergebracht.<br />

Dort, an der Unterlandstraße<br />

50, wird geprüft, gelagert, sortiert,<br />

experimentiert, gemischt, geröstet,<br />

zerstoßen oder gemahlen und letztlich<br />

verpackt, was später bei wohl den meisten<br />

deutschen Spitzenköchen wie auch<br />

bei vielen Freunden guten Essens in die<br />

Töpfe und auf die Teller kommt.<br />

Genuss-Reise um<br />

die ganze Welt<br />

Rund 70 Mischungen entstehen in dem<br />

Städtchen in Unterfranken, von der Idee<br />

bis hin zum küchenfertigen Produkt,<br />

licht- und aromasicher verpackt in grün<br />

beschichteten Stülpdeckeldosen aus<br />

Weißblech, die Wertigkeit transportieren<br />

und einen gewissen Wiedererkennungseffekt<br />

garantieren. Werdie Regale des Ladengeschäfts<br />

in der Klingenberger Altstadt<br />

oder die Seiten des auch online einzusehenden<br />

Kataloges durchstöbert, reist<br />

fast durch die ganze Welt: Die Palette<br />

reicht vonPfeffermischungen und Currys<br />

über Mixturen zum Würzen von Eintöpfen,<br />

Gegrilltem, Braten und Salaten bis<br />

hin zur heißen Schokolade mit Zimtblüten<br />

und Mischungen für feines Gebäck.<br />

Hinzu kommen Einzelgewürze, ungewöhnliche,<br />

raffinierte Salze, Chutneys,<br />

Pasten, Soßen, Essige, Öle, Senfe sowie<br />

eingelegte Früchte und Gemüsesorten.<br />

Am beliebtesten sind die Currys. „Die ernähren<br />

uns“, sagt Holland, der weder<br />

Umsatzzahlen noch Produktionsmengen<br />

nennen möchte. Den Markt erstklassiger<br />

Gewürze und Gewürzmischungen teilt<br />

sich das bewusst als Manufaktur firmie-<br />

Ingo Holland (52) ist gebürtiger Klingenberger<br />

und passionierter Sternekoch.<br />

Seine Künste stellte er unter anderem<br />

in den Hotels „Baur au Lac“ in<br />

Zürich und „Traube Tonbach“ in<br />

Baiersbronn sowie den Restaurants<br />

„Schweizer Stuben“ in Wertheim und<br />

Burg Windeck bei Bühl unter Beweis.<br />

Ende der achtziger Jahre machte sich<br />

Holland in Klingenberg mit seinem<br />

Restaurant „Winzerstübchen“ selbstständig,<br />

Ende der Neunziger eröffnete<br />

er, ebenfalls in diesem Städtchen, das<br />

Restaurant „Zum Alten Rentamt“.<br />

2000 begann der mehrfach ausgezeichnete<br />

Koch –trotz des steigenden<br />

Arbeitseinsatzes in der Gastronomie –<br />

mit dem „Alten Gewürzamt“ eine<br />

zweite Firma aufzubauen. Die zunehmende<br />

zeitliche Belastung führte dazu,<br />

dass Holland 2007 Kochlöffel und<br />

Schürze an den Nagel hängte,umsich<br />

fortan fast ausschließlich seiner zweiten<br />

Leidenschaft, den Gewürzen, widmen<br />

zu können. Der Genussmensch<br />

ist geschieden, hat einen Sohn, hört<br />

gern Musik, liest viel, liebt gute Weine<br />

und Reisen nach Frankreich –doch<br />

„Sport gehört nicht zu meinen Hobbys“.<br />

[Person]<br />

rende Unternehmen mit derzeit 25 Mitarbeitern<br />

mit einer Hand voll weiteren Herstellern<br />

im deutschsprachigen Raum.<br />

Ingo Holland, waschechter Klingenberger,wirkte<br />

seit Mitte der siebziger Jahre<br />

als Koch in international renommierten<br />

Hotels und Restaurants und stand noch<br />

bis August 2007 am Herd des von ihm<br />

selbst geführten Restaurants „Zum Alten<br />

Rentamt“.Seiner Leidenschaft für Gewürze<br />

frönt er seit 1996. Fünf Jahre später<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

gründete der mit der Region verwurzelte<br />

Franke das „Alte Gewürzamt“, ein Wirkungsfeld,<br />

das ihn fortan immer mehr<br />

reizte,forderte und erfreute.Sein Ziel dabei<br />

war und ist: qualitativ erstklassige<br />

Gewürze und Mischungen zu (er)finden<br />

beziehungsweise herzustellen. Der Kochlöffel<br />

blieb dafür öfter hängen. Heute<br />

kocht der Chef eigentlich nur noch zu<br />

Hause und während der von ihm veranstalteten<br />

Kurseund Incentives.<br />

Sich ganz auf das Thema Gewürze zu<br />

konzentrieren, „das habe ich noch keine<br />

Sekunde bereut“, blickt Holland zurück.<br />

Wasihn an diesen Aroma-Wundern aus<br />

Körnern, Samen, Blättern, Wurzeln,<br />

Rinden oder Blüten derart fasziniert,<br />

erklärt Ingo Holland so: „Dass ich<br />

mit einer minimalen Menge einer<br />

Substanz eine große Menge einer Speise<br />

perfekt abrunden kann. Oder dass ich einer<br />

Speise eine neue, ungeahnte Wendung<br />

geben kann.“ Auch wer mal einen<br />

Nelkenbaum gesehen habe oder eine Vanillestange<br />

am Stock, die noch gar nicht<br />

rieche, oder wer etwa den Prozess der<br />

Fermentierung verfolge, der erhalte zumindest<br />

eine Ahnung vomZauber dieser<br />

Naturprodukte: „Gewürze sorgen seit<br />

Jahrtausenden für Wohlbefinden und Genuss.Schon<br />

mit einem richtig guten Salz<br />

kann man ein Essen zum Strahlen bringen.“<br />

Qualität steht<br />

an erster Stelle<br />

Aber, und da lässt der Koch und Genussmensch<br />

keine Kompromisse zu: „An erster<br />

Stelle steht die Qualität. Zudem sollten<br />

Gewürze nur zaghaft verwendet werden;<br />

das Grundprodukt soll im Vordergrund<br />

bleiben, der Kabeljau<br />

zum Beispiel noch zu<br />

schmecken sein.“ Derzeit<br />

jedoch sei<br />

es fast Mode,mit möglichst hohen Dosierungen<br />

zu arbeiten, auch um so Farbe auf<br />

den Teller zu bringen. Dem stellt Holland<br />

–neben seinen langjährigen Erfahrungen<br />

als Sternekoch –eine üppige Portion gesunden<br />

Menschenverstands entgegen:<br />

Weniger ist eben doch meistens mehr.Ein<br />

richtig gutes Brot mit bester Butter und<br />

einem köstlichen Salz, ein Teller Spargel<br />

und Kartoffeln, angerichtet mit selbst aufgeschlagener<br />

Sauce Hollandaise –dieser<br />

Mann braucht „keinen Hummer und<br />

auch keine Gänseleber auf dem Teller“.<br />

Dennoch rät er allen Hobbyköchen,<br />

auch mal was auszuprobieren und,<br />

genauso wichtig, „sich selbst<br />

nicht zu ernst zu nehmen“.<br />

Ingo Holland, der 35<br />

Jahre lang Gourmetklasse<br />

gekocht<br />

hat, zieht es<br />

mittler-


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 37<br />

Unternehmen<br />

Zur „Altes Gewürzamt GmbH Ingo<br />

Holland“, 2001 als Einzelunternehmen<br />

gegründet, gehören die Manufaktur<br />

an der Unterlandstraße 50<br />

und das Ladengeschäft in der Altstadt<br />

von Klingenberg. Die aktuell<br />

25 Mitarbeiter arbeiten hauptsächlich<br />

in Produktion und Verpackung.<br />

Personell will das Unternehmen<br />

nicht wachsen, doch effektiver werden.<br />

„Wir wollen Manufaktur bleiben,<br />

weiterhin selbst mahlen, überschaubar<br />

bleiben und unser Niveau<br />

halten“, so Inhaber und Geschäftsführer<br />

Ingo Holland. Die Kunden –<br />

Gastronomen, Händler und Endverbraucher<br />

–kommen aus dem gesamten<br />

deutschsprachigen Raum,<br />

vor allem aus Deutschland und der<br />

Region. Der Vertrieb erfolgt über das<br />

Ladengeschäft und den Webshop<br />

des Unternehmens, über Einzelhändler<br />

sowie Online Shops etwa<br />

vonFeinkosthändlern.<br />

[Infobox]<br />

weile zu den eher einfachen Gerichten<br />

einer bodenständigen Küche.<br />

„Wir haben große Vielfalt in<br />

Deutschland, wenngleich die<br />

kaum kultiviert wird. Doch sollten<br />

wir uns dann auch die Arbeit<br />

machen, den Knödelteig selbst<br />

herzustellen, den Rotkohl frisch<br />

aufzuschneiden und den Sauerbraten<br />

selbst einzulegen“, nennt<br />

der Mainfranke ein Beispiel.<br />

Blickt er im Einkaufsmarkt in die<br />

Karren anderer Kunden, packt ihn<br />

mitunter das kalte Grausen. Etwa<br />

bei Kartoffelbrei aus der Packung,<br />

zum Anrühren: „Völlig denaturiert,<br />

das schmeckt doch furchtbar!“<br />

Auch in seinen Kochkursen<br />

und Gewürzseminaren sagt Holland<br />

entwaffnend ehrlich und direkt,<br />

was er denkt. Als Dogma<br />

möchte er seine Meinung nicht<br />

verstanden wissen. „Denn wir<br />

wissen, dass in Europa gerade mal<br />

zwei bis vier Prozent der Menschen<br />

wirklich einen Bezug haben<br />

zu gutem Essen.“<br />

Ihnen und potenziell neuen<br />

Freunden kulinarischen Könnens<br />

möchte die Klingenberger Gewürz-Manufaktur<br />

beste Qualität<br />

bieten: Eingelagert, verarbeitet<br />

und veredelt wirdnur,was die geforderten<br />

Zertifizierungen und<br />

Analysen sowie die optischen und<br />

geschmacklichen Tests der eigens<br />

eingestellten Ernährungswissenschaftlerin<br />

bestanden hat. Bio-<br />

Produkte finden sich ebenfalls in<br />

den Regalen. Die verwendeten<br />

Einzelgewürze kommen hauptsächlich<br />

aus Indien und Indonesien,<br />

aber auch aus Afrika, Mittelamerikaund<br />

Australien. Seit einiger<br />

Zeit greift Holland zudem verstärkt<br />

auf Erzeugnisse aus<br />

Deutschland und –„noch lieber“<br />

–aus der Region zurück: „Wir haben<br />

da einen sensationellen Koriander<br />

aus Franken. Warum also<br />

sollte ich den aus Indien beziehen?“<br />

Und statt auf Himalaya-Salz<br />

schwört die Manufaktur auf Bergkernsalz<br />

aus Österreich. Meerrettich,<br />

Senfe,Öle –auch da könnten<br />

Deutschland und seine Nachbarländer<br />

sicher noch einiges bieten,<br />

meint Holland.<br />

Baharat, QuatreEpices<br />

oder Curry Anapurna<br />

Frische ist unabdingbar, daAnis,<br />

Vanille, Piment, Muskatblüte,<br />

Kardamom, Wacholderbeeren,<br />

Pfefferkörner, Koriander, Kurkuma<br />

oder Kreuzkümmel nur begrenzte<br />

Zeit eingelagert werden<br />

können. Wasebenso für die am<br />

Untermain kreierten Mischungen<br />

mit ihren verheißungsvollen Namen<br />

gilt: für Baharat (typisch für<br />

die Golfregion; vielseitig einsetzbar),<br />

Quatre Epices (Frankreich;<br />

für Terrinen, Eintöpfe, Weihnachtsgebäck),<br />

Curry Anapurna<br />

(Nepal; für Currysoßen, Geflügel,<br />

Lamm), Garam Masala<br />

(Nordindien; Eintöpfe, Geflügel,<br />

Fisch) oder Melange Noir (Pfeffermischung;<br />

vielseitig einsetzbar).<br />

Erst wird gemischt, dann<br />

gemahlen. „Diese Reihenfolge<br />

kommt dem Aroma zugute“,<br />

weiß der Chef. Geröstet werden<br />

nur manche Erzeugnisse. Farbund<br />

Aromastoffe kommen<br />

grundsätzlich nicht in die Dose,<br />

und Salz wird nur wenigen und<br />

dann entsprechend deklarierten<br />

Mischungen beigefügt.<br />

Fünfzehn Prozent des Umsatzes<br />

macht die Manufaktur mit ihrem<br />

Ladengeschäft in der Altstadt.<br />

„Das hat sich zu einer Art<br />

Pilgerstätte entwickelt, die Kunden<br />

reisen sogar aus mehr als 200<br />

Kilometer Entfernung an“, freut<br />

sich Ingo Holland. Der Großteil<br />

des Vertriebs erfolgt über Einzelhandelsgeschäfte<br />

in Deutschland,<br />

Österreich, der Schweiz, Frankreich<br />

und Liechtenstein, vom Gewürz-,<br />

Feinkost- oder Bioladen<br />

über den Buch- oder Weinhandel<br />

bis hin zum Küchenstudio. Zudem<br />

sind die „Gewürzamt“-Erzeugnisse<br />

über den Webshop des<br />

Unternehmens wie auch über Online-Shops<br />

etwa von Feinkostanbietern<br />

zu beziehen.<br />

Erfahrung als Koch und<br />

Freude am Experiment<br />

Woher Holland seine Inspirationen<br />

für neue Mischungen nimmt?<br />

Aus seinem in Jahrzehnten gesammelten<br />

Wissen als Koch, dem<br />

seitdem angehäuften „Aromafundus<br />

im Kopf“, ebenso aus Freude<br />

am Experimentieren. „Ich weiß,<br />

welche Wirkung, welchen Duft<br />

und Geschmack ich womit erzielen<br />

kann. Der Rest ist Intuition,<br />

Probieren, Verbessern.“ Ebenso<br />

reagiert das Unternehmen auf<br />

Kundenanfragen oder Wünsche<br />

von Auftraggebern. Für einen<br />

französischen Autohersteller zum<br />

Beispiel kreierte das Team vom<br />

Untermain die Mischung „Lion<br />

Poivré“, in der sich Tellicherry-<br />

Pfeffer, langer Pfeffer, Paradieskörner,Piment<br />

und Knoblauch zu<br />

einem Wohlklang in Duft und Geschmack<br />

vereinen. Anregungen<br />

zuhauf bietet zudem der Blick in<br />

die Kochbücher fremder Länder<br />

oder vergangener Zeiten, und mit<br />

dem japanischen Koch Joji Hachimure<br />

steht dem Gewürzexperten<br />

seit vier Jahren auch ein Ideengeber<br />

und Mitentscheider zur Seite.<br />

Die Zeitspanne, nach der eine<br />

neue Mischung küchenfertig entwickelt<br />

und ausgereift ist, dauert<br />

„zwischen 20 Minuten und einem<br />

halben Jahr“. Die Idee zu einer<br />

Neukreation indes kann auch mal<br />

Jahrezurück liegen, bevorsie Gestalt<br />

und Duft annimmt.<br />

Obwohl Ingo Holland „nicht<br />

auch noch am Abend übers Kochen<br />

und Würzen sprechen muss“<br />

und sein Gesicht „nicht überall sehen<br />

will“, ist offensichtlich: Der<br />

Gewürzmüller vom Untermain<br />

liebt seine Arbeit, freut sich, seine<br />

Nase stets weiter zu schulen. Auch<br />

wenn er –wie derzeit wegen seiner<br />

Seminare, Kochkurse und Gewürzreisen<br />

–volles Programm und keinen<br />

freien Samstag hat. Danach<br />

will er sich wieder jenen Freiraum<br />

für Kreativität schaffen, ohne den<br />

es in diesem Metier ganz und gar<br />

nicht geht. Um die Zukunft der Manufaktur<br />

muss sich der Chef wahrscheinlich<br />

nicht allzu sehr sorgen:<br />

Sohn Kilian (20) bringt als Rüstzeug<br />

eine Ausbildung in der Gastronomie<br />

mit (wenn auch nicht als<br />

Koch). Er soll die Firma einmal<br />

übernehmen. Senior Holland will<br />

ihm dann so lang wie nötig zur<br />

Seite stehen –„als väterlicher Berater“.<br />

Geschäftspartner auf einen Blick<br />

VomZustand höchster Glückseligkeit<br />

„Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr!“<br />

sagt Arthur Schopenhauer und meint damit, dass man schlafend Energie tankt,<br />

leere Speicher auffüllt und Kraft schöpft für den Tag.<br />

Guter Schlaf kann aber noch mehr bedeuten: Tiefsten Frieden, paradiesische<br />

Ruhe,absolute Entspannung.Also beinahe so etwas wie den Zustand höchster<br />

Glückseligkeit –das Nirwana.<br />

Gute Matratzen tragen dazu maßgeblich bei. Neben orthopädischen Kriterien<br />

entscheidet auch das subjektive Empfinden über einen erholsamen Schlaf.<br />

Deshalb können Sie bei uns hochwertige Matratzenkerne aus Schaumstoff,<br />

Kaltschaum, Latex, Federkern und Taschenfederkern kombiniert mit<br />

entsprechenden Bezugsstoffen in unterschiedlichen Härteabstufungen je<br />

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braucht es mehr Ideen pro m². Für die Küchenplanung<br />

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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 38<br />

Auf Probefahrt<br />

MIT JÖRG RIEBARTSCH<br />

Reiseins Hybridzeitalter<br />

Lexus RX 450h – Wie man 2,2 Tonnen mit Elektromotoren bewegt –Vollhybrid im Premiumsegment<br />

Leasingbeispiel<br />

AufProbefahrt–JörgRiebartsch,<br />

Chefredakteur von Wirtschafts-<br />

ECHO und ECHO-Zeitungen, ist<br />

im Jahr 30 000 Kilometer mit<br />

dem Auto unterwegs. In dieser<br />

Rubrik bewegt er als potenzieller<br />

Geschäftswagenkunde über einige<br />

Tage ein Vorführfahrzeug und<br />

schildertpersönliche Eindrücke.<br />

Ich muss mir irgendetwas<br />

überlegen, wie ich das Geräusch<br />

nenne, das der Lexus<br />

macht, wenn man ihn an der Ampel<br />

abbremst. Er hat dann seinen<br />

Benzinmotor längst schon wieder<br />

abgestellt, rollt energie-aufnehmend<br />

aus.Vielleicht wie die Elektrische,die<br />

Straßenbahn. Der Vergleich<br />

mit elektrischem Schienenverkehr<br />

wäre gar nicht so abwegig.<br />

Denn der Lexus RX450h, ein<br />

SUV, der als Vollhybrid auch kurze<br />

Strecken oder im Rückwärtsgang<br />

rein mit selbst erzeugtem<br />

Strom fahren kann, klingt dann<br />

ähnlich wie die Tram; nur viel,<br />

viel leiser.<br />

Seit etlichen Jahren schon feilt<br />

der japanische Automobilhersteller<br />

Toyota auch bei seinem Luxus-<br />

Ableger Lexus an der Weiterentwicklung<br />

seiner Vorstellung von<br />

einem zeitgemäßen Antrieb: Benzinmotor<br />

gekoppelt mit Elektromotor.<br />

Das verbindet die Laufruhe<br />

eines Benzinmotors mit dem<br />

kaum wahrnehmbaren Geräusch<br />

eines Strommotors, der zudem<br />

Preisbeispiel für einen Lexus RX 450h Hybrid<br />

Drive Automatik ExecutiveLine.<br />

Nettopreise (unverhandelt), ausgearbeitet<br />

vonEmek Erdogan, Verkaufsleitung Lexus-Forum<br />

Darmstadt.<br />

Leasingdauer: 36 Monate.<br />

Laufleistung: 15 000 km im Jahr.<br />

Rate pro Monat: 799,- Euro<br />

Ausstattung (Auswahl): Elektronisch geregelter<br />

Allradantrieb, stufenloses Automatikgetriebe,<br />

Festplatten-Navigation mit Rückfahrkamera,<br />

Premium-Audiosystem, Heckklappe elektrisch<br />

schließend und öffnend, LED-Scheinwerfer.<br />

MEHR BILDER VOM<br />

LEXUS RX 450H<br />

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den Vorteil hat, über unerreichte<br />

Drehmomente zu verfügen. Bei<br />

Lexus wird die Energie für die<br />

Strommotoren immer selbst<br />

durch das Fahrzeug erzeugt. Ein<br />

Anschluss an eine externe Stromversorgung,<br />

um die Batterie aufzuladen,<br />

ist nicht möglich und<br />

nicht notwendig (hierzu auch die<br />

vertiefenden Erläuterungen in der<br />

Infobox).<br />

SUV prädestiniert für<br />

das Hybrid-Konzept<br />

Der RX 450h ist ein sogenannter<br />

SUV, also eine Art höher gelegter<br />

Kombi mit Allradantrieb. Für die<br />

Verwirklichung des Konzepts des<br />

Vollhybrids ist ein SUV geradezu<br />

prädestiniert, denn er bietet im<br />

Wagenboden viel Raum für die<br />

notwendigen Komponenten des<br />

Hybridsystems ohne den Platz für<br />

die Insassen oder das Gepäck in<br />

irgendeiner Form einzuschränken.<br />

So bietet dieser Lexus viel<br />

Platz innen und hat dennoch eine<br />

gefällige Form. Die Verarbeitung<br />

und die verwendeten Materialien<br />

entsprechen dem hohen Niveau,<br />

das man von Lexus gewohnt ist.<br />

Das Armaturenbrett ist aufgeräumt<br />

und übersichtlich. Um<br />

Platz für ein zentrales Bedieninstrument<br />

zu schaffen, wanderte<br />

der Hebel für das stufenlose Automatikgetriebe<br />

nicht an die Lenksäule,<br />

sondern steht beinahe<br />

senkrecht am Fuße des Armaturenbretts.Das<br />

macht den Wegfrei<br />

für ein Bedienelement auf der Mittelkonsole,<br />

das Lexus „Remote<br />

Touch“ nennt. Ich nenne es „die<br />

Maus“.Die Maus ist etwas kleiner<br />

als ein Handteller und lässt sich<br />

wie am Computer hin- und herschieben.<br />

Damit bewegt man ein<br />

frei wählbares Symbol auf dem<br />

Navigationsbildschirm, mit dem<br />

man alle Funktionen des Autos<br />

steuern kann. Als gewissermaßen<br />

linke oder rechte Maustaste fungiert<br />

ein größerer Schalter, den<br />

man, während die Fingerspitzen<br />

auf der Maus ruhen, bequem beispielsweise<br />

mit dem Daumen drücken<br />

kann. Pfiffig gemacht.<br />

Große Augen werden neue Lexusfahrer<br />

auch machen, wenn sie<br />

der Instrumente angesichtig werden.<br />

Drehzahlmesser? Gibts<br />

nicht. Dafür findet sich neben<br />

dem Tacho eine kreisrunde Energie-Anzeige,<br />

die zeigt, ob der Lexus<br />

seine Batterie aus zurückgewonnener<br />

Energie lädt, Benzinund<br />

Elektromotor gleichzeitig benutzt<br />

oder zum Abrufen vonLeistungsspitzen<br />

die volle Power des<br />

Sechszylinder-Benzinmotors abruft.<br />

Insgesamt bietet der Lexus<br />

eine Systemleistung von 299 PS.<br />

Damit kann man schön ordentlich<br />

davon brausen. Die Spitzengeschwindigkeit<br />

wird mit 200 Stundenkilometer<br />

angegeben. Rein<br />

elektrisch schafft der Lexus Orts-<br />

tempo auf ebener oder abschüssiger<br />

Strecke. Mit sanftem Gasfuß<br />

gelang es mir manchmal, den halben<br />

Stromer nach dem Tacho mit<br />

50 Sachen ohne Benzinantrieb<br />

fortzubewegen.<br />

Verbrauch auf dem<br />

Niveau günstiger Diesel<br />

Und der Benzinverbrauch? Da<br />

darf man keine Wunderdinge erwarten,<br />

denn der RX wiegt ja leer<br />

allein etwa 2,2 Tonnen. Nun, der<br />

Verkaufsprospekt verspricht jedenfalls<br />

einen Mixverbrauch von<br />

6,3-Litern. Was selbst im Vergleich<br />

zu Diesel-SUVs dieser<br />

Gewichtsklasse eine<br />

Sensation wäre.<br />

Während meinerProbefahrt<br />

mit einempolarblauenVorführwagen,<br />

für den mir<br />

GeschäftsführerMichaelSchneider<br />

vom Lexus-<br />

Forum Darmstadt<br />

den Schlüssel<br />

in die Tasche gesteckt<br />

hatte, kann ich diesen<br />

Durchschnitt nicht vermelden.<br />

Aber deutlich unter zehn Litern<br />

lag der Verbrauch schon. Wohl gemerkt,<br />

das Auto wiegt 2,2 Tonnen.<br />

PuresUnderstatement<br />

Interview –Emek Erdogan über den Vollhybrid-SUV<br />

des japanischen Premium-Herstellersund das grüne Gewissen seiner Kunden<br />

Emek Erdogan, 29, ist seit 2006 Verkaufsleiter<br />

im Lexus-Forum, Auto<br />

Schneider GmbH, in Darmstadt.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Herr Erdogan,<br />

der RX 450h ist das beliebteste Modell<br />

von Lexus hier in Deutschland. Wie<br />

ist das zu erklären?<br />

EMEK ERDOGAN: Wenn man sich<br />

heute auf die Suche nach einem gesellschaftlich<br />

vertretbaren SUV macht, der<br />

die komfortablen Vorzüge hat wie erhöhte<br />

Sitzposition, übersichtlicheres<br />

Fahren, und das mit 299 PS Gesamtsystemleistung,<br />

also Sportwagen-Niveau,<br />

dem Verbrauch einer Mittelklasse-Limousine<br />

und dem CO ²-Ausstoß eines<br />

Kleinwagens, dann kommt man am<br />

RX450h einfach nicht vorbei.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Ist das alles,<br />

wasfür den Lexus spricht?<br />

ERDOGAN: Nein, keineswegs. Denn<br />

hinzu kommen ja noch innovative<br />

Ausstattungsideen wie LED-Scheinwerfer,<br />

Rundumblick mit Kameras,<br />

Elektromotoren, mit denen man rein<br />

elektrisch fahren kann und nicht<br />

schleichen und zudem bietet Lexus<br />

noch einen Preis,der 15 bis 20 Prozent<br />

unter den vergleichbaren deutschen<br />

Premium-Herstellern liegt.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Ist der Lexus-<br />

Hybrid nicht auch Vorbild für andere<br />

Hersteller geworden?<br />

ERDOGAN: In der Tatist er das. Die<br />

Beliebtheit unseres RX 450h ist auch<br />

unseren Marktbegleitern nicht entgangen<br />

und diese sind jetzt selbst dabei,<br />

Hybrid-Fahrzeuge auf den Markt<br />

zu bringen. Deren Elektromotoren<br />

bringen zwar keine Leistung von<br />

mehr als 150 Kilowatt, aber es ist<br />

wichtig, dass hier überhaupt die Notwendigkeit<br />

erkannt wurde.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Wie sieht<br />

denn bei Ihnen die Zielgruppe für einen<br />

RX 450haus?<br />

ERDOGAN: Ich liebe diese Frage,denn<br />

es gibt keine Zielgruppe, die für oder<br />

gegen das Fahrzeug spricht. Unsere<br />

Kunden sind Menschen mit einem grü-<br />

Dafür ist man übrigens ausgesprochen<br />

behände unterwegs. Zu<br />

der bei SUV üblichen erhöhten<br />

Sitzposition, die ein souveränes<br />

Fahren fördert, kommt beim Lexus-Vollhybrid<br />

die enorme Laufruhe<br />

hinzu, die natürlich kein Diesel<br />

bieten kann. Da wirdplötzlich<br />

allein der Wind bei hohen Geschwindigkeiten<br />

zur lauten Angelegenheit.<br />

Vielleicht tatsächlich<br />

die Antwort auf die Frage nach<br />

dem Antrieb für die automobile<br />

Fortbewegung der Zukunft –die<br />

Reise im Hybridzeitalter.<br />

Emek Erdogan<br />

nen Gewissen. Es sind Menschen, die<br />

großen Wert auf ihre Umwelt legen<br />

und auf das, was sie hinterlassen.<br />

Selbstverständlich kommen hier auch<br />

die sportlichen Fahrer nicht zu kurz,<br />

denn das Drehmoment eines Elektromotors<br />

kann kein Diesel liefern. Der<br />

Lexus-Kunde möchte auch nicht mit<br />

einer protzigen CO 2-Schleuder auffallen,<br />

sondern schätzt das Understate-<br />

Technisch hohes Niveau<br />

demonstriertder Lexus RX 450h, dessen Preise<br />

netto bei knapp oberhalb von 50000 Eurobeginnen.<br />

Das „h“ steht dabei für den Hybrid-Antrieb.<br />

FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />

Vollhybrid –<br />

so funktioniert es<br />

Der Lexus RX450h verfügt über insgesamt drei<br />

Motoren: ein Sechszylinder-Benzinaggregat mit<br />

immerhin 3,5 Litern Hubraum und zwei Elektromotoren.<br />

Der sogenannte Drehstromsynchronmotor<br />

vorn leistet 167 PS, der Motor an der<br />

Hinterachse 68 PS. Zusammen mit dem Benzinmotor<br />

kommt der Lexus-SUV deshalb auf 299<br />

PS.<br />

Gespeist werden die beiden Elektromotoren<br />

von einer Nickel-Metallhydrid-Batterie. Diese<br />

wirdimmer dann über einen Generator aufgeladen,<br />

wenn der Benzinmotor läuft oder wenn<br />

Energie aus dem Fahrzeug zurückgewonnen<br />

wird. Dazu genügt es schon, den Fuß vom Gas<br />

zu nehmen. Noch mehr Energie,die vomGenerator<br />

in Form von Strom für die Batterie zur<br />

Verfügung gestellt wird, entsteht beim Bremsen.<br />

Wenn ausreichend Ladekapazität in der Batterie<br />

besteht, können die Elektromotoren laufen.<br />

Der Elektromotor für die Front bewegt bis zu<br />

einer Geschwindigkeit von etwa 45Stundenkilometer<br />

das Auto auch ausschließlich mit Strom.<br />

Dazu muss man allerdings den Gasfuß behutsam<br />

einsetzen. Sobald es über dieses Tempo<br />

oder leicht bergauf geht, schaltet sich der Benzinmotor<br />

dazu. Bei starker Beschleunigung unterstützt<br />

der Elektromotor den Benzinmotor<br />

und auf den ersten Metern hängt der Lexus jeden<br />

Sportwagen nach einem Ampelstopp ab.<br />

Die Hinterachse für das Rückwärtsfahren<br />

wirdausschließlich durch den Elektromotor angetrieben.<br />

Steht nicht genügend Kapazität in der<br />

Batterie zur Verfügung, schaltet sich der Benzinmotor<br />

ein, um genügend Strom zu erzeugen,<br />

damit der Lexus rückwärts fahren kann.<br />

Das Zu- oder Abschalten des Benzinmotors<br />

ist kaum spürbar. Wenn der Energiemonitor im<br />

Bildschirm des Navigationsgerätes angewählt<br />

ist, lässt sich das dort anschauen.<br />

[Infobox]<br />

ment der Markeund das geräuschlose<br />

Dahingleiten.<br />

WIRTSCHAFTSECHO: Lexus lanciert<br />

im kommenden Jahr ein neues Hybridmodell<br />

auf dem Markt, den CT 200h.<br />

Wasversprechen Sie sich davon?<br />

ERDOGAN: Wir versprechen uns einen<br />

größeren Marktanteil. Der Vollhybrid<br />

CT 200h ist für uns eine neues<br />

Kapitel der Luxusfahrzeuge,wie auch<br />

für die gesamte Automobilbranche.Es<br />

ist uns gelungen durch die Erschließung<br />

des Segments der Kompaktklasse<br />

neue Kunden für unsere Marke zu<br />

begeistern. Durch steigende Verkaufszahlen<br />

werden wir in Deutschland<br />

zwar sicherlich kein Insider-Tipp<br />

mehr sein, sondern ein Hersteller der<br />

auch im deutschen Markt seinen sicheren<br />

Platz im Premium Segment<br />

verdient hat und nicht mehr weg zu<br />

denken ist.<br />

Das Gespräch führte<br />

Jörg Riebartsch


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 39<br />

DasHotel der tausend i-Tüpfelchen<br />

Info<br />

www.budersand.de<br />

In den Sommermonaten<br />

bietet die Fluggesellschaft<br />

Air Berlin Direktflüge von<br />

Frankfurt nach Westerland<br />

an, www.airberlin.com.<br />

Luxusurlaub –<br />

Ein Jahr Sternehotel Budersand –<br />

Die Investition der Darmstädter<br />

Unternehmerfamilie Ebert<br />

hat den Süden von Sylt verändert<br />

VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />

Klar steht eine dieser<br />

schwarzen bayerischen<br />

Limousinen am Bahnhof<br />

Westerland für Sie bereit oder am<br />

kleinen Flughafenterminal, je<br />

nachdem wo Sie ankommen. Und<br />

natürlich kennt der Fahrer schon<br />

Ihren Namen, genau wie alle anderen<br />

Mitarbeiter, die Sie gleich<br />

im Hotel Budersand am Südzipfel<br />

vonSylt begrüßen werden. So gehört<br />

es zum guten Ton, am Zenit<br />

der Hotellerie.<br />

Tagezeitung und Mineralwasser<br />

klemmen in den weit entfernten<br />

Ledersitzen vor Ihnen, aber<br />

Sie werden die zwölf Minuten<br />

doch lieber rausgucken: Es geht<br />

vorbei an Rantum und an Reet gedeckten<br />

Häusern. Vorbei an wehendem<br />

Gras auf nahen Dünen<br />

und an der Sansibar. Richtig, das<br />

ist die wohl erfolgreichste deutsche<br />

Bretterbude direkt am<br />

Strand, ein brummendes Restaurant<br />

mit Lifestylemarkeund allerhöchstem<br />

Kultstatus.Für die Schickeria<br />

war hier lange Zeit Sylt<br />

schon zu Ende. Das Dörfchen<br />

Hörnum am<br />

Südzipfel lag<br />

bis vor fünf<br />

Jahren noch<br />

hinter den<br />

Schuppen der<br />

verlassenen<br />

Pidder-Lüng-<br />

Kaserne versteckt.<br />

Für<br />

Touristen bot<br />

sich ein bedrückendes<br />

Entree. In<br />

Hörnum lebten<br />

vor allem<br />

Insulaner. EinigeBesucher<br />

nutzten<br />

den Hafen für<br />

Ausflüge auf<br />

die Nachbarinsel<br />

Amrum,<br />

andere verfütterten<br />

Fisch an die zutrauliche<br />

Kegelrobbe Willi, die hier im Hafen<br />

noch immer täglich Dauergast<br />

ist. Und der Nehrungshaken am<br />

Südzipfel lockte Naturliebhaber<br />

zum Spaziergang.<br />

Bei Wind und Wetter<br />

wirdhier gegolft<br />

Die Kaserne ist verschwunden,<br />

die Landschaft renaturiert. Bei<br />

Wind und Wetter ziehen jetzt Golfer<br />

mit ihren Caddies über einen<br />

18-Loch-Golfplatz. Ein „Links-<br />

Course“ –sonennen die Spieler<br />

besonders naturnahe Plätze mit<br />

Heidekraut und wehendem Dünengras,<br />

gebaut nach schottischem<br />

Vorbild. Das Golfmagazin<br />

hat ihn 2009 als besten neuen<br />

Golfplatz Deutschlands ausgezeichnet.<br />

Golfmanager Harald<br />

Holle ist stolz, fährt nur noch mit<br />

einem 007-Anstecker am Revers<br />

über den Platz. Im Rücken des<br />

Areals thront schon immer die<br />

Düne Budersand, ein Naturschutzgebiet<br />

und direkt am Hafen<br />

hat nun seit einem Jahr das Golfund<br />

Wellness-Hotel Budersand<br />

eröffnet.<br />

Moderne Architektur, puristische<br />

Quader,die silbrig-graue Zedernholzverkleidung<br />

passt zu den<br />

Dünen und bietet den 79 herrschaftlichen<br />

Zimmern Blickschutz.<br />

Der imposante Bau hat<br />

sich herumgesprochen auf der Insel,<br />

er wird selbst zum Ausflugsziel<br />

für Neugierige. Sie sind willkommen,<br />

am liebsten nach telefonischer<br />

Anmeldung, sagt Hotelmanagerin<br />

Sandra Jacobs. Denn<br />

manchmal platzten so viele herein,<br />

dass Budersand ein echtes<br />

Gafferproblem bekomme. Aufgeblasene<br />

Charaktereseien auch darunter,<br />

die glaubten, dass ihnen<br />

die Welt gehöre. „Wann wirddenn<br />

das Gerüst abgebaut“, hört man<br />

Nostalgiker fragen, die sich nach<br />

Reetdächern und Seemannsromantik<br />

sehnen und über die Holzlamellen<br />

spötteln möchten.<br />

Dezente,persönliche<br />

Spuren sind prägend<br />

Budersand ist ein Gegenpol.<br />

Darmstädter haben hier investiert.<br />

Und wer genau hinschaut,<br />

könnte erkennen, dass Claudia<br />

Ebert (57) und ihr Sohn Simon<br />

(32) in dieses Hotel mehr hineingesteckt<br />

haben als die 50 Millionen<br />

Euro Baukosten, die bei dem<br />

Projekt Budersand im Gespräch<br />

sind. Die persönlichen Spuren der<br />

Investoren sind dezent und prägen<br />

doch das Image des Hauses:<br />

Nobel, doch nicht dekadent, modern<br />

und schlicht, zuvorkommend<br />

und nie aufdringlich, weltoffen<br />

und unbedingt heimatverbunden,<br />

großzügig und doch detailverliebt<br />

–das ist Budersand.<br />

Nicht jeder mag bei dieser sensiblen<br />

Mischung aus Nuancen auf<br />

gleicher Wellenlänge liegen. Darum<br />

hat das junge Hotel mit Sandra<br />

Jacobs (39) schon den zweiten<br />

Hotelmanager, und gerade hat<br />

Sternekoch Jens Rittmeyer (35)<br />

die Küche von Burkhard Lindlar<br />

übernommen. Claudia Ebert zählt<br />

auf ihr junges, neues Team. Mehr<br />

regionale Küche soll es mit Rittmeyer<br />

geben, im Hotelrestaurant<br />

„Kai 3“ und draußen auf der Veranda,<br />

direkt am Wattenmeer mit<br />

Blick auf den Leuchtturm.<br />

Die Eberts haben ihre Architekten<br />

eng begleitet, im Großen<br />

wie im Kleinen Akzente gesetzt.<br />

Der riesige Akazientisch in der Vinothek<br />

ist ein Mitbringsel vonden<br />

Philippinen, die filigranen Lampen<br />

darüber haben sie in Murano<br />

entdeckt. Die Krebsskulpturen<br />

wurden auf einem Pariser Flohmarkt<br />

ausgegraben. Viele der Gemälde<br />

stammen aus ihrer privaten<br />

Kunstsammlung. Und manche<br />

der Schwarz-Weiß-Fotografien,<br />

die in den weiten Gängen wie zufällige<br />

Relikte aus alten Syltzeiten<br />

wirken, sind in Wahrheit Familienbilder<br />

aus den Kindheitstagen<br />

vonClaudia Ebert. Sie stammt aus<br />

der Unternehmerfamilie Ströher,<br />

hat schon als Kind stets die Ferien<br />

auf der Insel verbracht. Ihr Urgroßvater<br />

gründete den Haarpflege-<br />

und Kosmetikkonzern Wella.<br />

Über zwei Jahrzehnte hat die Diplomkauffrau<br />

die Geschicke des<br />

Konzerns am Darmstädter<br />

Stammsitz mit gelenkt. Dass Wella<br />

im Jahr 2004 für mehrereMilliarden<br />

an Procter &Gamble wechselte,<br />

sei eine Mehrheitsentscheidung<br />

der Eigentümer gewesen,<br />

aber nicht die ihre, betont Claudia<br />

Ebert, wenn man sie fragt. Mit<br />

Wella ging ein Stück Identität ver-<br />

Die Investoren Claudia und Simon Ebert.<br />

Golfmanager<br />

Harald Holle.<br />

FOTOS: BUDERSAND<br />

loren. Das schmerze sie genauso<br />

wie der Abbau von Arbeitsplätzen,<br />

der dem Verkauf in Darmstadt<br />

folgte, sagt Ebert.<br />

Doch dieses Buch scheint zugeklappt.<br />

1200 neue stehen heute<br />

in der gemütlichen Bibliothek des<br />

Hotels, Schriftstellerin Elke Heidenreich<br />

hat sie exklusiv ausgewählt:<br />

Bestseller, Klassiker und<br />

jüngste Empfehlungen. „Wir bestellen<br />

Ihnen die Lektüregerne zu<br />

Ihnen nach Hause“, hat Ebert in<br />

das Leihverzeichnis geschrieben<br />

–sie bittet um Anstand, ist erschüttert,<br />

dass immer wieder Bücher<br />

abhanden kommen.<br />

Je nach Saison variieren die<br />

Preise für ein Doppelzimmer zwischen<br />

250 und 300 Euro pro<br />

Nacht, die 65- Quadratmeter- Sui-<br />

te mit großer<br />

Terrasse kostet<br />

1100 bis 1200<br />

Euro. Hunde<br />

müssen draußen<br />

bleiben,<br />

vor allem der<br />

naturbelassenenTeppichfasern<br />

wegen,<br />

und Raucher<br />

müssen draußen<br />

rauchen.<br />

Buchen kann<br />

man ausschließlich<br />

nach persönlichem<br />

Kontakt,<br />

telefonisch, so<br />

will es die ManagerinJacobs.<br />

Wer die<br />

Anfrage im Internet<br />

ausfüllt,<br />

wird zurückgerufen. Für Jacobs<br />

nur ein Signal vonExklusivität. In<br />

den Zimmern folgt die Fortsetzung:<br />

In vielen reicht der Blick<br />

aufs Wasser, bis zum endlosen<br />

Horizont – andernfalls auf den<br />

Golfplatz. Meeresrauschen und<br />

Möwenschreie inklusive. Perlino<br />

Bianco-Marmor ziert die Bäder.<br />

Auf Knopfdruck kommt der Radio-<br />

oder Fernsehton vom Flachbildschirm<br />

mit in die Badewanne.<br />

Raffiniert: Durch eine verdunkelbare<br />

Scheibe kann man in den<br />

Südzimmern aus der Wanne über<br />

das Bett und den Balkon hinweg<br />

aufs Meer und den Hafen blicken.<br />

Architektur und Ambiente, die<br />

Wertigkeit der Einrichtung und<br />

die Verarbeitung begeistern, man<br />

scheint angekommen im Hotel<br />

der tausend I-Tüpfelchen. Großzügigkeit<br />

unterstützt die Ruhe im<br />

SPA, allein der Ausblick aus der<br />

Sauna direkt aufs Meer wäre hier<br />

noch schöner gewesen. Wohlig<br />

eingehüllt auf den Liegen im Ruheraum,<br />

stochernd im frischen<br />

Obstsalat, liegt einem das Watt<br />

wieder direkt vorAugen.<br />

Claudia und Simon Ebert<br />

oft selbst vor Ort<br />

Claudia und Simon Ebert sind oft<br />

selbst greifbar im Hotel. „Die Motivation<br />

meiner Budersandfamilie<br />

liegt mir am Herzen“, sagt die Eigentümerin.<br />

Ja, sie kenne fast alle<br />

Mitarbeiter beim Namen. Im<br />

Stockwerk über dem Restaurant<br />

Strönholt, auf dem Hügel über<br />

dem Hotel gelegen, in einer restaurierten<br />

Kommandozentrale<br />

aus Kasernenzeiten, hat die Chefin<br />

ein Penthouse eingerichtet.<br />

Ein erhabener Platz. Der freie<br />

Blick reicht im Westen auf die<br />

Nordsee, imOsten auf das Watt.<br />

Hier kann sie ganz nah dran sein<br />

am Geschehen. Als Kulturliebhaberin<br />

hat sie eine klassische Konzertreihe<br />

ins Leben gerufen, die<br />

auch in der Nebensaison zusätzlich<br />

Gäste begeistern soll. Sohn<br />

Simon kümmert sich um den Golf-<br />

platz und um frische Kooperationen:<br />

Viele Markenhersteller, von<br />

Luxuslimousinen bis zum Kugelschreiber,<br />

glauben plötzlich zu<br />

Budersand zu passen, verrät Managerin<br />

Jacobs. Jüngste Idee von<br />

Simon Ebert ist folgendes Arrangement:<br />

Fünf Nächte in Budersand,<br />

leckeres Gänge-Menü,<br />

Sportmassage und eben mal mit<br />

dem Privatjet zum Golfen nach<br />

Inverness in Schottland und zurück,<br />

ab 3385 Euro pro Person.<br />

Rund 13 000 Übernachtungen<br />

zählt Jacobs seit der Eröffnung,<br />

die durchschnittliche Belegung<br />

sind 57,3 Prozent, stärkster Monat<br />

war der August 2009. Eberts<br />

sind mit ihrem Hotelstart zufrieden.<br />

Beide wohnen in Darmstadt<br />

und auf Sylt. In der Darmstädter<br />

Holzhofallee sitzt ihreSüdern Verwaltungs<br />

GmbH, die das Hotel<br />

Budersand und weitere, kleinere<br />

Immobilienprojekte betreibt. Am<br />

Steinernen Kreuz in Darmstadt<br />

haben sie Wohnungen gebaut, in<br />

Berlin gebe es aktuell weiterePläne,<br />

verrät Simon Ebert.<br />

Immobilienpreise haben<br />

sich verdoppelt<br />

Mit Budersand hat sich der Süden<br />

von Sylt verändert. Zusammen<br />

mit der Investition der Schweizer<br />

Hapimag-Gruppe, die auf der<br />

Nordseeseite fast zeitgleich ein<br />

Ferienwohnungs-Ressort baute,<br />

ging ein Ruck durch Hörnum.<br />

Auch im letzten, zuvor verschlafenen<br />

Winkel Sylts ist jetzt der gehobene<br />

Tourismus entbrannt. Die<br />

Immobilienpreise haben sich<br />

mehr als verdoppelt. Neben Golfplatz<br />

und Hotel haben Eberts<br />

auch in die Infrastruktur investiert<br />

und Mitarbeiterhäuser im<br />

skandinavischen Stil errichtet. Einige<br />

Häuser wurden zudem gezielt<br />

an junge Familien verkauft,<br />

erklärt Claudia Ebert. Viele Investoren<br />

vorihr hatten Pläne mit Budersand,<br />

aber stets kurz vor dem<br />

Zuschlag den Aufwand aus Renaturierung<br />

und Umweltauflagen<br />

gescheut. Im August 2004 kam<br />

Claudia Ebert erstmals auf die Budersanddüne,<br />

blickte über die Kasernenruinen<br />

und über den Nehrungshaken,<br />

den sie als Kind oft zu<br />

Fuß umrunden musste. „Damals<br />

kam esmir wie eine Strafe vor“,<br />

sagt sie und lacht. Im Geiste sah sie<br />

Hotel und Golfplatz schon vor<br />

sich, an diesem entscheidenden<br />

Tag, die Idee reifte. Der Platz, an<br />

dem sich das Schicksal über Budersand<br />

entschied, ist längst gesperrtes<br />

Naturschutzgebiet. Ebert<br />

wandert noch immer manchmal<br />

zur Besinnung hier herauf. Sie hat<br />

eine Sondergenehmigung.<br />

Die Morgensonne strahlt über<br />

das Frühstücksbuffet im Kai 3.<br />

Unter den vielen Töpfchen mit<br />

Brotaufstrich findet sich auch die<br />

Marmelade des Monats: Claudia<br />

Ebert kocht sie immer selbst, heute<br />

gibt es Blutorange.


<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·JUNI/JULI 2010 Life & Style 40<br />

Fußballbei Frank<br />

VON JOHANNES BRECKNER<br />

Jetzt geht die Rechnerei wieder los.Soll man seine Theaterkarten<br />

nun für den 26. Juni bestellen oder doch lieber<br />

für den Tagdanach? Wenn Deutschland Gruppenerster wird,<br />

empfiehlt sich der zweite Termin. WirdDeutschland zweiter,<br />

braucht man Karten für den ersten Abend. So hat man nichts<br />

verpasst, nicht auf der Bühne und auch nicht auf dem<br />

südafrikanischen Rasentheater.Rücksichtsvollerweise wird<br />

beim Festival „Neue Stückeaus Europa“ an beiden Abenden<br />

das gleiche Programm geboten –die kroatische Truppe<br />

„Zagrebačko Kazalište Mladih“ tritt im Kleinen Haus des<br />

Wiesbadener Staatstheatersauf und kann entspannt spielen,<br />

weil Kroatien an der WM ja gar nicht teilnimmt. Ebenso<br />

verhält es sich mit Island, das auf dem Rasen nicht punkten<br />

kann, wohl aber in der Wiesbadener Wartburgmit dem<br />

Drama „Liebe Isländer“, das den Staatsbankrott zur Komödie<br />

macht. Zeitgleich treten im Malersaal des Staatstheaters<br />

polnische Schauspieler auf mit einem albtraumhaften Familiendrama,<br />

ebenfalls ungefährdet voneinem möglichen<br />

WM-Spiel der eigenen Nationalelf. Die Gäste also können<br />

spielen, nur die Deutschen müssen zittern, dass sie möglicherweise<br />

vordie Entscheidung zwischen Kultur und Fußball<br />

gestellt werden.<br />

Aneinem Tagdieser wunderbaren Biennale, die einen<br />

Höhepunkt der ausgehenden Theatersaison verspricht,<br />

bevor die Spiellust wieder an die Freilichtbühnen<br />

abgegeben wird, stellt sich diese Frage nicht. Das Stück<br />

„Türkiye –Almanya 0:0“bringt eine sportliche Begegnung<br />

zweier Nationen auf die Bühne, die sich bei der<br />

Fußball-WM so nicht ereignen kann; die Türkei hat sich<br />

nicht qualifizieren können. Und die Sache ist sehr unterhaltsam,<br />

obwohl man den Ausgang schon kennt –auf dem<br />

Rasen ist diese sportliche Nulldiät zu Recht wenig geliebt,<br />

im Theater kann sie einiges Vergnügen bereiten. Weres<br />

erleben möchte, kann sich hinterher aussuchen, ob er die<br />

zweite Halbzeit des Vorrunden-Duells zwischen Mexiko<br />

und Uruguayverpasst hat oder des Spiels zwischen Frankreich<br />

und Südafrika.<br />

Wer in diesen Tagen Kultur ans Publikum bringen<br />

will, muss sich schon anstrengen. Museen sind eindeutig<br />

im Vorteil. Voreinem spannenden Spiel sehen die<br />

Bilder noch genauso aus wie hinterher, essei denn, ein<br />

Trupp schlecht orientierter Fußballfans sucht in der Ausstellung<br />

einen Ort des „Public Viewings“ und verschafft der<br />

Enttäuschung Luft, wenn sich auf den Picasso-Gemälden<br />

kein Ball bewegt. Wenn diese meist männlichen Gestalten<br />

ins Frankfurter Museum für komische Kunst gelangen,<br />

könnte es ihnen vorkommen, als sähen sie sich im Spiegel.<br />

Dort ist nämlich den Sommer über eine riesige Ausstellung<br />

vonFranziskaBecker zu sehen. Die Karikaturistin hat ihre<br />

Karriere beim Frauenmagazin „Emma“ begonnen und<br />

wurde in feministischen Kreisen dadurch berühmt, dass<br />

die Männerwelt in ihren Zeichnungen weder besonders<br />

intelligent noch besondersschön erscheint. Das klingt<br />

ziemlich einfältig und ist doch ein Vergnügen, weil FranziskaBecker<br />

erstens auch die Marotten der Frauenbewegung<br />

satirisch aufs Korn nimmt und zweitens neben Männern<br />

und Frauen noch viele andereThemen gefunden hat.<br />

Diese sehr vergnügliche Ausstellung muss sich keine<br />

Sorgen um ihr Publikum machen. AndereKulturveranstalter<br />

werden ihre Kunden während der Fußball-WM<br />

vielleicht mit kleinen Geschenken bei Laune halten. Vorbilder<br />

gibt es genügend. In Belgien sind in diesem Frühjahr<br />

Zeitschriften der Pressekrise begegnet, indem sie Gutscheine<br />

für Bier verteilten –zujedem Heft gab es sechs Flaschen<br />

gratis. Das passt zum Einzelhandel dieser Tage, der ja das<br />

Geschäft durch Geschenke ankurbelt. Wereine Sonnenbrille<br />

kauft, bekommt eine Zahnbürste geschenkt, wersein<br />

Auto durch die Waschstraße fährt, wirdmit einer „WM-<br />

Tröte“ belohnt.<br />

WahreKünstler müssen ihr Publikum allerdings nicht<br />

bestechen. In Mainz hat Frank Buchholz sein Restaurant,<br />

ein großer Meister der entspannten Kochkultur.<br />

Weil er aber auch Realist ist und überdies selbst gerne<br />

Fußball guckt, weiß er, dass an WM-Abenden in diesem<br />

schönen Lokal wenig los sein wird. Also lädt Frank, wie<br />

seine Schüler ihn vertraut nennen, an WM-Abenden in<br />

seine Kochschule ein –erst kocht er ein paar leckere Kleinigkeiten,<br />

dann wirdgemeinsam mit den Gästen Fußball<br />

geguckt und Rheinhessischer Wein getrunken. An solchen<br />

Abenden ist garantiert, dass auch bei einem 0:0der<br />

Zuschauer auf der Gewinnerseite ist.<br />

Und zwei Frankfurter Privattheater haben während der<br />

Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft die Rabattaktion<br />

„2 :1für die Damen“ ersonnen: Wenn zwei<br />

Frauen kommen, ist die zweite Karte gratis. Dafür gibt es<br />

in der Komödie Walter Renneisens Solo „Die Sternstunde<br />

des Josef Bieder“, im Rémond-Theater aber ein Stück, das<br />

Frauenherzen zuverlässig höher schlagen lässt: Es heißt<br />

„Männer und andere Irrtümer“.<br />

Wenn die Börsenkurse fallen,<br />

regt sich Kummer fast bei allen,<br />

aber manche blühen auf:<br />

Ihr Rezept heißt Leerverkauf.<br />

Keck verhökern diese Knaben<br />

Dinge, die sie gar nicht haben,<br />

treten selbst den Absturz los,<br />

den sie brauchen –echt famos!<br />

Leichter noch bei solchen Taten<br />

tun sie sich mit Derivaten:<br />

Wenn Papier den Wert frisiert,<br />

wirddie Wirkung potenziert.<br />

Wenn in Folge Banken krachen,<br />

Tucholsky 1930<br />

haben Sparer nichts zu lachen,<br />

und die Hypothek aufs Haus<br />

heißt, Bewohner müssen raus.<br />

Trifft’shingegen große Banken,<br />

kommt die ganze Welt ins Wanken –<br />

auch die Spekulantenbrut<br />

zittert jetzt um Hab und Gut!<br />

Soll man das System gefährden?<br />

Da muss eingeschritten werden:<br />

Der Gewinn, der bleibt privat,<br />

die Verluste kauft der Staat.<br />

Dazu braucht der Staat Kredite,<br />

und das bringt erneut Profite,<br />

hat man doch in jenem Land<br />

die Regierung in der Hand.<br />

Fürdie Zechen dieser Frechen<br />

hat der kleine Mann zu blechen.<br />

Und –das ist das Feine ja –<br />

nicht nur in Amerika!<br />

Und wenn Kurse wieder steigen,<br />

fängt vonvorne an der Reigen –<br />

ist halt Umverteilung pur<br />

stets in eine Richtung nur.<br />

Aber sollten sich die Massen<br />

das mal nimmer bieten lassen,<br />

ist der Ausweg längst bedacht:<br />

Dann wird ein bisschen Krieg gemacht.

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