Macher - WirtschaftsEcho
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D79227 3.Jahrgang /Nummer 2 MAGAZIN FÜR MACHER UND MÄRKTE IN SÜDHESSEN<br />
April/Mai 2010 3,50 Euro<br />
<strong>Macher</strong> &Märkte<br />
Freiheit unter Sternen<br />
Bei der Darmstädter Firma Spacecamper<br />
werden VW-Busse mit<br />
viel Know-howzuvielseitigen<br />
Wohnmobilen umgebaut. Seite 11<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
4 1978930 03501 02<br />
Ugra/FOGRA MiniTarget<br />
c 1999 v1.1 eps<br />
MedienhausSuedhessen<br />
Geld &Finanzen<br />
Keine Kreditklemme<br />
Die Sparkasse Darmstadt will<br />
ihreRolle als Partner der südhessischen<br />
Wirtschaft 2010 intensiv<br />
wahrnehmen. Seite 14<br />
Ugra/FOGRA MiniTarget<br />
c 1999 v1.1 eps<br />
MedienhausSuedhessen<br />
Handwerk &Hightech<br />
WM-Tore via Darmstadt<br />
Wenn der Fußball in Südafrika<br />
rollt, ist die Vidi GmbH im Auftrag<br />
der Fifa mit am Ball. Ohne sie<br />
bliebe der TV schwarz. Seite 27<br />
Life &Style<br />
Maßstäbe aus Bayern<br />
Mit dem neuen Fünfer-BMW und<br />
dem GT gibt es zwei Hightech-Modelle,<br />
die vor allem für Vielfahrer<br />
interessant sind. Seiten 41,42+43<br />
Suche Nachfolger(in)<br />
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für gut eingeführtes Berufsbekleidungs-Unternehmen<br />
mit Textil- und kaufmännischen<br />
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unter Telefon 0173 3039597<br />
Nichtvon Pappe<br />
Wellpappe-Werk Biebesheim –<br />
Aus Bergen von braunen Papierrollen und Stärkeleim<br />
stellt die Firma Kunert (Foto: Andreas Kunert)<br />
diese ökologische Verpackung her.<br />
Seiten 4+5<br />
ECHO Zeitungen GmbH /Holzhofallee 25–31 /64295 Darmstadt<br />
Telefon: Zentrale 06151387-1 / Redaktion: Fax387-307 /Abo-Service: Telefon 387-431,Fax 387-505 / Anzeigen: Telefon 387-387, Fax 387-448<br />
Internet: www.wirtschafts-echo.de /www.echo-online.de
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Editorial & Index 2<br />
Editorial<br />
RIEBARTSCH: Werter Herr Preu, mit Kannegießer<br />
oder Adenauer.<br />
PREU: Herrje,geschätzter Herr Riebartsch, was<br />
haben Sie denn jetzt wieder auf der Pfanne?<br />
RIEBARTSCH: Ja, ganz einfach. Ob ich mit<br />
Kannegießer oder Adenauer anfangen soll.<br />
PREU: Na, da geht es doch bestimmt um die<br />
Rüffel der Wirtschaftsverbände gegen die glorreichen<br />
Zwei in Berlin, Schweige-Merkel und<br />
Plauder-Westerwelle.<br />
RIEBARTSCH: Schlau wie immer, der Herr<br />
Preu. Martin Kannegießer, Präsident des Arbeitgeberverbandes<br />
Gesamtmetall findet, die<br />
Regierung gibt ein diffuses Erscheinungsbild<br />
ab.<br />
PREU: Na, mir scheint da alles<br />
klar. Und Adenauer, welcher<br />
eigentlich?<br />
RIEBARTSCH: Patrick<br />
Adenauer, Präsident der<br />
Familienunternehmer,<br />
Schwarz-Gelb könne<br />
weder Bevölkerung<br />
noch Wirtschaft Verlässlichkeit<br />
vermitteln.<br />
PREU: Ich hab<br />
auch noch<br />
Verlag<br />
Echo Zeitungen GmbH<br />
Verleger und Geschäftsführer<br />
Dr. Hans-Peter Bach<br />
Index<br />
Impressum<br />
Chefredakteur und verantwortlich<br />
für den redaktionellen Teil<br />
JörgRiebartsch<br />
Redaktionsleitung<br />
Achim Preu<br />
FIRMEN<br />
� BMW Niederlassung Darmstadt 41/42/43<br />
� Cosynus 26<br />
� Count +Care 22<br />
� Darmstadtium 12<br />
� DevoteamDanet 6<br />
� DHL 10<br />
� Dorndruck/„Drucken und Lernen“ 28<br />
� Enmore 24<br />
� Köhl 32<br />
� Malzfabrik Rheinpfalz 15<br />
� Mayence 30<br />
� Michelsbräu 7<br />
� Miltenberger Otto Aulbach GmbH 36/37<br />
� Odenwald-Quelle 8/9<br />
� Ramada Hotel 34/35<br />
� Spacecamper 11<br />
� Sparkasse Darmstadt 14<br />
� Studio für Digitaltechnik 25<br />
� Töpferei Müller-Dönig 29<br />
� Vidi Video Digital Studiotechnik 27<br />
� Volksbank Darmstadt/Kreis Bergstraße 15<br />
� Wellpappen-Werk Biebesheim 4/5<br />
� Restaurant „Zur Krone“ 38<br />
Redaktion<br />
einen: Die Koalition sollte sich endlich an die<br />
Arbeit machen, statt sich mit weiteren Kindereien<br />
aufzuhalten.<br />
RIEBARTSCH: Klare Worte von?<br />
PREU: Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbands<br />
BGA.<br />
Dicke Luftherrscht<br />
derzeit zwischen großer Politik und Wirtschaft. Achim Preu (links)<br />
und Jörg Riebartsch haben versucht, die Szene mit Zigarrenrauch nachzustellen.<br />
FOTO: HANS DIETER ERLENBACH<br />
Johannes Breckner, Sabine Eisenmann,<br />
Ilka Ennen, Hans Dieter Erlenbach,<br />
Tino Friederich, Kim Jenny Geyer,<br />
Daniel-Patrick Görisch, Klaus Thomas<br />
Heck, Bruno Hidding, Dirk Janowitz,<br />
Sonja Jordans,Silke Jungbluth-Sepp,<br />
Helen Knust, Andreas Müller, Silke<br />
Schmidt, Nina Voigt, Andreas Wollny<br />
RIEBARTSCH: Ich hätte da noch das<br />
bodenständige Handwerk<br />
zu bieten. Also<br />
die, die gerne jammern,<br />
aber nie Zeit<br />
haben, wenn man<br />
einen braucht.<br />
Oder die erst ab<br />
20 000 Euro antanzen.<br />
Von<br />
Arheilgen<br />
Umbruchredaktion/Layout<br />
Christian Meister<br />
Fotografie<br />
Alexander Heimann<br />
Grafik<br />
GerhardBerger<br />
Verlagsleitung<br />
Heike Findeis<br />
Verantwortlich<br />
für den Anzeigenteil<br />
Sabina Sturr, Andreas Wohlfart<br />
nach Eberstadt fahren wollte jüngst ein Bad-<br />
Sanierer erst ab dieser Summe, Wahnsinn.<br />
PREU: Nette Story, aber sicher nicht die Regel.<br />
Es sei denn, der Wahnsinn hätte Methode. Zurück<br />
zur Sache. Ich nehme an, Otto Kentzler,<br />
Präsident des Zentralverbands des Deutschen<br />
Handwerks, fordert auch irgend was.<br />
RIEBARTSCH: Exakt. Und zwar: Der Koalitionsvertrag<br />
muss eingehalten und endlich auf<br />
den Weggebracht werden.<br />
PREU: Recht so! Pacta sunt servanda.<br />
Da darf der Mittelstand<br />
nicht fehlen.<br />
RIEBARTSCH: Ich empfehle<br />
den Präsidenten des<br />
Bundesverbandes mittelständische<br />
Wirtschaft,<br />
Mario Ohoven.<br />
PREU: Sie kennen<br />
sich aber aus. Der<br />
Mittelstand, ver-<br />
NAMEN<br />
� Aulbach, Philipp 37<br />
� Aulbach, Stefan 37<br />
� Brüssermann, Johannes 22<br />
� Carroccia, Pasquale 43<br />
� Degenhard, Tilo 43<br />
� Dönig, Bernd 21/29<br />
� Dönig, Erika 29<br />
� Dorn, Bernhard 28<br />
� Eichenauer,Anton 15<br />
� Eisele, Karl 37<br />
� Fenn, Bernhard 23<br />
� Filbert,Albert 23<br />
� Fischer,Thomas 42<br />
� Geisselhart, Oliver 39<br />
� Glaubauf,Heinz-Jürgen 24<br />
� Grütters, Eckard 27<br />
� Hartmann, Marcus 24<br />
� Hatzipantelis, Jürgen 6<br />
� Keck, Thomas 43<br />
� Knaup, Armin Kurt 25<br />
� Köhl, Thomas 32<br />
� Krumrey,Klaus 12<br />
� Kunert,Andreas 1/4/5<br />
Projekt-und Verkaufsleitung<br />
Dagmar Bensch, Heike Röver<br />
Vertrieb<br />
Peter Kemper<br />
Technische Leitung<br />
Dr. Michael Horn<br />
Ladungsfähige Anschrift<br />
für Verlag, Verleger und alle<br />
meldet Ohoven, ist enttäuscht und verärgert<br />
über die bisherige Arbeit vonSchwarz-Gelb.<br />
RIEBARTSCH: Arbeit? Aha! Meinte BDI-Präsident<br />
Hans-Peter Keitel damit die Debatte über<br />
Leistung und Verteilungsgerechtigkeit in der<br />
Bundesregierung?<br />
PREU: Offenbar spricht man wieder mal über<br />
Dinge, die es nicht gibt. Selbst wenn der deutsche<br />
Außenminister, heavy on wire wie sonst<br />
keiner,eine Welle nach der anderen macht und<br />
darauf bei Ausflügen mit seinem familiären<br />
Hofstaat im Ausland surft.<br />
RIEBARTSCH: Apropos.Dahätte ich<br />
noch eine Fabel aus dem Managerleben.<br />
PREU: Oweia, mir bleibt heute aber<br />
auch nichts erspart.<br />
RIEBARTSCH: Eine Krähe saß auf<br />
einem Baum und tat den ganzen<br />
Tagnichts. Ein kleiner<br />
Hase sah die<br />
Krähe und<br />
fragte sie:<br />
� Leisler, Christian 15<br />
� Lindner, Volker 43<br />
� Liste, Patrick 43<br />
� Mahr, Michael 15<br />
� Müller, Bernhard 30<br />
� Reibold, Michael 26<br />
� Riese, Markus 11<br />
� Scaramella, Enzo 43<br />
� Schmidt, Andreas 3/8<br />
� Schneider, Michael 36<br />
� Schoen, Catherine, Freifrau von 7<br />
� Schoger, Hildegard 12<br />
� Schork, Ronald 3/8<br />
� Schütz,Alexander 15<br />
� Seidel, Gabriele 34<br />
� Sellner, Georg 14<br />
� Stapelfeldt, Alfred 31<br />
� Tuero Gutierrez, José Luis 30<br />
� Vester, Vanessa 36<br />
� Voigt, Silvia 10<br />
� Wawra, Ben 11<br />
� Weinmeister, Mark 23<br />
� Winterberg, Karsten 27<br />
� Wölfelschneider-Daab, Iris 33/38<br />
im Impressum genannten<br />
Verantwortlichen<br />
ECHO Zeitungen GmbH<br />
<strong>WirtschaftsEcho</strong><br />
Holzhofallee 25–31, 64295 Darmstadt<br />
Druck<br />
Echo Druck und Service GmbH<br />
Holzhofallee 25–31, 64295 Darmstadt<br />
Telefon 06151 387-1<br />
„Kann ich mich auch so hinsetzen und den<br />
ganzen Tagnichts tun?“ Die Krähe gab zur Antwort:<br />
„Sicher, warum denn nicht.“ So setzte<br />
sich der kleine Hase auf den Boden unter der<br />
Krähe und ruhte. Plötzlich kam ein Fuchs,<br />
sprang auf den kleinen Hasen und fraß ihn. Und<br />
nun die Frage an Sie,Herr Preu. Welche Lehren<br />
ziehen Sie daraus?<br />
PREU: Ganz einfach. Um herumzusitzen und<br />
nichts zu tun, müssen Sie sehr, sehr weit oben<br />
sitzen! Nur in der Höhe fliegt der Adler einsam,<br />
hat schon der ehemalige BMW-Chef Eberhard<br />
von Kuenheim gesagt. Was er verschwiegen<br />
hat: Dort ist die Luft ziemlich dünn. Dabei mangelt<br />
es mancher Denkmurmel schon heute an<br />
Sauerstoff und Nahrung, was dem Hochziehen<br />
bei Schnupfen eine ganz andere Bedeutung<br />
gibt.<br />
RIEBARTSCH: Völlig neue Denkansätze. Respekt.<br />
PREU: Daher möchte ich aus gegebenem Anlass<br />
eine Bitte nach ganz oben richten: Gott, lass<br />
es Hirn regnen! In der Kirche freilich stehen<br />
derzeit leider ganz andereKörperteile im Fokus.<br />
Deshalb kommt es hier wie in der großen Politik<br />
an der Spree wohl zum klassischen Drama in<br />
fünf Akten: Exposition, Steigerung, Peripetie,<br />
Retardation und schließlich Katastrophe.<br />
RIEBARTSCH: Da möchte ich eigentlich<br />
nicht dagegen wetten.<br />
»Bequemer sitzen«<br />
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Wirtschaftsecho und Wirtschaftsjunioren Südhessen<br />
sind Kooperationspartner
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 3<br />
Seiten 8+9<br />
Na,denn Prost<br />
Nach dem Management-<br />
Buy-out soll es bei der<br />
Odenwald-Quelle<br />
wieder bergauf<br />
gehen.<br />
<strong>WirtschaftsEcho</strong><br />
Handel, Handwerk und Industrie | Ihr Erfolg hat regionale Wurzeln.<br />
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DAS MAGAZIN FÜR MACHER<br />
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<strong>Macher</strong> &<br />
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»Was immer du tun kannst<br />
oder erträumst zu können,<br />
beginne es jetzt.«<br />
Johann Wolfgang von Goethe<br />
Seite 6<br />
Wände einreißen<br />
In der Weiterstädter Zentrale<br />
der Devoteam Danet GmbH<br />
und in den Köpfen der IT-<br />
Experten ist das Ende fester<br />
Strukturen gekommen.<br />
Seite 7<br />
Brau-Adel<br />
Juristen sind überall. Catherine<br />
Freifrau vonSchoen,<br />
neue Chefin vonMichelsbräu<br />
in Babenhausen, verrät beim<br />
Lunch einiges über sich.<br />
Seite 10<br />
Alles im Griff<br />
Damit DHL täglich 70 Millionen<br />
Briefe weltweit zustellen<br />
kann, ist eine leistungsfähige<br />
IT nötig. Deren Herz schlägt<br />
in Darmstadt.<br />
Seite12<br />
Der nächste Schritt<br />
Auf das Darmstadtium ist<br />
man im Ausland als Kongresszentrum<br />
mit Öko-Appeal<br />
aufmerksam geworden.<br />
Die Vermarktung steht an.<br />
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Roland Schork (links) und Andreas Schmidt FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
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Datum/Unterschrift
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 4<br />
Die Kunert Gruppe<br />
Die Kunerts können vor allem mit ihrer Erfahrung<br />
punkten. Seit 110Jahren sind sie im Verpackungsgeschäft.<br />
1893 hat Alois Paul, der Urgroßvater von<br />
Andreas Kunert, dem heutigen Geschäftsführer des<br />
Wellpappe-Werks in Biebesheim, seine Schachtelproduktion<br />
gegründet. Gemeinsam mit seinem<br />
Schwiegersohn Karl Kunert macht er aus dem Familienunternehmen<br />
Paul &CoinEulau im Sudetenland<br />
rasch einen Industriebetrieb.<br />
Bereits 1902findet sich Wellpappe im Sortiment,<br />
später kommen Hartpapierhülsen hinzu. Nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg und der Flucht in den Westen<br />
gründen die Söhne vonKarl Kunert die Firma 1948<br />
neu. Paul &CoinWildflecken an der Rhön wirdder<br />
Hauptsitz der Hülsenproduktion. 1957 folgt die<br />
Gründung der Kunert Wellpappe in Bad Neustadt,<br />
seit 1985 gibt es Kunert Wellpappe in Biebesheim.<br />
Heute produzieren 16 WerkeinWest- und Osteuropa<br />
sowie Asien Hartpapierhülsen, Wellpappe und<br />
Hülsenkarton. Die Kunert-Gruppe beschäftigt 1800<br />
Mitarbeiter weltweit und produziert jährlich<br />
300 000 Tonnen Hülsen, Wellpappe und Kantenschutz.<br />
[Infobox]<br />
Inspiration durch<br />
den Faltenrock<br />
Wellpappe – Die Kunert-Gruppe,die auch in Biebesheim produziert, baut auf Tradition<br />
und gestaltet die Zukunft des Öko-Produktes mit –Branchenverband sitzt in Darmstadt<br />
VON HELEN KNUST<br />
Braunes Papier und Stärkeleim<br />
gehören zu den Kunerts<br />
wie Mehlstaub und<br />
Zucker zu einer Bäcker-Familie.<br />
Schon der Urgroßvater war<br />
Schachtelmacher,hat 1893 im Sudetenland<br />
angefangen, mit Verpackungen<br />
Geld zu verdienen. Die<br />
Söhne traten in seine Fußstapfen,<br />
nach dem zweiten Weltkrieg nahmen<br />
die Enkel die Produktion wieder<br />
auf. Die Urenkel sind noch immer<br />
im Geschäft, einer vonihnen<br />
ist Andreas Kunert. Wenn er heute<br />
im Wellpappenwerk Biebesheim<br />
eine wichtige Entscheidung treffen<br />
muss, telefoniert er sich deshalb<br />
nicht bis zu einer Konzernzentrale<br />
durch, wo im vollen Terminkalender<br />
des Chefs erst in drei<br />
Tagen eine Lückefür ein Gespräch<br />
frei ist. Er geht einfach ins Nebenzimmer<br />
und bespricht sich mit<br />
seinem Bruder Wolfgang, mit dem<br />
er die Geschäfte in Biebesheim gemeinsam<br />
führt. Oder er ruft seinen<br />
Cousin Manfred in Wildflecken<br />
an, Mathias in Bad Neustadt<br />
oder Walter in Peiting.<br />
„Im Familienbetrieb sind die<br />
Wege kurz“, sagt der 48-jährige.<br />
Entscheidungen können auch mal<br />
einfach aus dem Bauch heraus getroffen<br />
werden.<br />
Flexibilität ist wichtig auf<br />
umkämpften Markt<br />
Diese Flexibilität ist wichtig auf<br />
dem hart umkämpften Papiermarkt.<br />
110 Wellpappefabriken<br />
gibt es in Deutschland, etwa<br />
40 Prozent davon sind in der<br />
Hand vonKonzernen und werden<br />
zentral gesteuert.<br />
In Biebesheim produziert die<br />
Kunert-Gruppe klassische Faltkisten<br />
aus Wellpappe, ganz nach<br />
Wunsch mit bis zu sechs Farben<br />
bedruckt. So bekommt ein Staubsauger<br />
der Firma Xnicht nur einen<br />
individuellen Karton, der im<br />
Elektromarkt gleichzeitig Regal-<br />
Dekoration ist. Er kann in seiner<br />
Verpackung auch bis zu sieben<br />
Meter hoch gestapelt werden und<br />
würde nach einem Sturz aus<br />
knapp zwei Meter Höhe ohne<br />
Beulen und Kratzer noch zuverlässig<br />
saugen.<br />
Auch Teleskop-Verpackungen,<br />
werbewirksame Verkaufsaufsteller<br />
für den Kassenbereich, Kartons<br />
für Gefahrgut aus der eigenen<br />
Zertifizierungsstelle und wasserfeste<br />
Verpackungen gehören<br />
ins Sortiment. Die Kunerts können<br />
ihre Wellpappe ziemlich vielen<br />
Bedingungen anpassen, entscheidend<br />
ist eine genaue Absprache<br />
mit dem Kunden. Wenn der<br />
Lieferant für Peking-Ente in Senfkruste<br />
aber vorher nicht sagt, dass<br />
er seine Kisten längerfristig in<br />
Kühlhäusern unterstellen will,<br />
kann die Fracht auch mal einknicken<br />
und die Soße auf den Boden<br />
tropfen.<br />
Damit das nicht passiert, gibt<br />
es im Wellpappenwerk eine ausgefeilte<br />
Qualitätskontrolle. „Produziert<br />
wird millimetergenau“,<br />
betont Kunert. Um Lager- und<br />
Transportkosten zu minimieren,<br />
werden in Biebesheim in der Regel<br />
nur die flachen, gestanzten<br />
Pappen gefertigt. Falten und Aufstellen<br />
übernehmen die Kunden<br />
selbst. Früher war das Handarbeit,<br />
heute sind Maschinen am<br />
Werk. Und die können nicht gegensteuern,<br />
wenn die linke Kistenseite<br />
mal ein bisschen länger<br />
ist als die rechte.Die Pappen müssen<br />
automatengängig sein, ein<br />
Qualitätsmerkmal, das für jeden<br />
Wellpappenhersteller ein Muss<br />
ist.<br />
27 000 Quadratmeter bebaute<br />
Fläche hat das Gelände der Kunert-Gruppe<br />
in Biebesheim. In<br />
großen Mengen wird aus Wasser<br />
und Kartoffel-, Mais- oder Weizenstärke<br />
der Leim angerührt,<br />
über riesige Rollen und Walzen<br />
laufen in der Produktionshalle die<br />
braunen Papierbahnen, der Rohstoff<br />
für die Wellpappenproduktion.<br />
„Das Papier ist zu 80 Prozent<br />
recycelt“, sagt Kunert. Frischfaserpapier<br />
werde nur selten, als<br />
einzelne verstärkende Schicht für<br />
einen besonders stabilen Karton<br />
verwendet.<br />
Aber auch dann handelt es sich<br />
um Verschnitt der Holzwirtschaft,<br />
betont Oliver Wolfrum vom Verband<br />
der Wellpappen-Industrie<br />
(VDW) in der Darmstädter Hilpertstraße.<br />
Seit 2009 weist ein<br />
Öko-Signet auf die Umweltverträglichkeit<br />
der Papp-Verpackung<br />
hin. Aber das ist kein neuer Trend:<br />
„Wellpappe war schon immer<br />
öko“, sagt Wolfrum. Rund 80 Prozent<br />
aller Waren, die in Deutschland<br />
auf Reisen gehen, würden in<br />
Wellpappe verpackt.<br />
Einfache Prinzipien<br />
bringen den Erfolg<br />
„Erfolgreiche Unternehmen bauen<br />
auf einfache Prinzipien“, sagt<br />
Andreas Kunert selbstbewusst.<br />
Zum klassischen Nebenprodukt<br />
Wellpappe,das zwar keiner wirklich<br />
haben möchte,aber doch alle<br />
brauchen, hat angeblich der Faltenrock<br />
Ende des 18. Jahrhunderts<br />
einen Tüftler in den USA inspiriert,<br />
erzählt Wolfrum. Auch<br />
Kunert bedient sich Vokabeln aus<br />
der Modewelt, um das Prinzip<br />
Wellpappe zu erklären. Wie mit<br />
einem Lockenstab die Haarewird<br />
in den Maschinen die Papierfaser<br />
gebogen und ist auch ohne Leim<br />
schon stabil. Umhüllt von zwei<br />
glatten Papierbahnen entsteht ein<br />
Karton mit Luftpolster. Jenachdem,<br />
wie fest er sein soll, werden<br />
bis zu drei Wellen übereinandergelegt.<br />
In die Kisten kann fast alles.<br />
VonKnabbergebäck über Getränkedosen,<br />
Ersatzteile für Autos,<br />
Schrauben oder Blumenzwiebeln<br />
bis zu Kosmetikprodukten oder<br />
Lacken und Farben.<br />
Die Zusammenarbeit mit derartig<br />
vielen Branchen hat sich bei<br />
den Kunerts schon immer als Vorteil<br />
erwiesen. Ist der Sommer<br />
trüb und grau, geht zwar die Produktion<br />
in der Getränkeindustrie<br />
zurück, aber die Regenschirmhersteller<br />
legen zu. In der aktuellen<br />
Wirtschaftskrise gab es auch<br />
im Biebesheimer Werk Einbrüche<br />
und Kurzarbeit, die breite<br />
Aufstellung hat das Unternehmen<br />
aber vor größerem Schaden<br />
bewahrt, sagt der Geschäftsführer.<br />
Der Umsatz lag 2009 bei etwa<br />
30 Millionen Euro. So gab es zwar<br />
einen Einstellungsstopp, vonden<br />
190 Mitarbeitern wurde aber nie-<br />
mand entlassen. Andreas Kunert<br />
ist das wichtig. Als Leiter eines<br />
mittelständischen Unternehmens,<br />
bei dem der Großteil der<br />
Belegschaft aus der Region<br />
kommt und der demnächst sein<br />
25-jähriges Dienstjubiläum feiert,<br />
ist er sich seiner sozialen Verantwortung<br />
bewusst. „Wir ziehen<br />
auch mal einen Mitarbeiter<br />
mit, der nicht auf dem Höhepunkt<br />
seiner Leistungsfähigkeit<br />
ist“, sagt er.<br />
Der VDW vertritt etwa80Prozent<br />
der deutschen Wellpappenindustrie.<br />
Hier ist der Umsatz<br />
2009 im Schnitt um etwa 16Prozent<br />
gesunken, von 3,6 auf 3,06<br />
Milliarden Euro. Was das Problem<br />
für die Wellpappenproduzenten<br />
verstärkt hat, waren die<br />
drastisch gestiegenen Papierpreise<br />
ausgerechnet im Krisenjahr.<br />
Das an die Kunden weiterzugeben,<br />
sei nicht drin gewesen, sagt<br />
Wolfrum. Und da die Roh- und<br />
Hilfsstoffe etwa 50Prozent der<br />
Gesamtkosten bei den Herstellern<br />
ausmachen, war der Effekt<br />
enorm. Während ein Quadratmeter<br />
Wellpappe 2008 im Schnitt<br />
noch 52,1 Cent brachte,waren es<br />
2009 nur noch 46,7 Cent. Ein Minus<br />
vonetwa10, 4Prozent. „Wir<br />
haben die Talsohle erreicht, aber<br />
es wird nicht gleich wieder bergauf<br />
gehen“, sagt Wolfrum.<br />
Tendenz geht zu<br />
„Mikrowellen“<br />
Derzeit gibt es die Tendenz zu<br />
immer bunteren und leichteren<br />
Wellpappen. Der Verbandsgeschäftsführer<br />
spricht im Fachjargon<br />
vonMikrowellen, auch wenn<br />
sich damit kein Essen warm machen<br />
lässt. „Damit erobern wir<br />
Bereiche, die früher der Faltschachtel<br />
gehörten“, sagt Wolfrum.<br />
Ob Handy-Karton oder Bic-<br />
Mac-Schachtel, das meiste ist aus<br />
Wellpappe machbar.Auch der Internethandel<br />
kommt den Wellpappe-Produzenten<br />
zugute.<br />
Während 1999 nur 1,3 Milliarden<br />
Euro auf diesem Feld umgesetzt<br />
wurden, waren es 2009 schon<br />
21,9 Milliarden Euro. Hauptabnehmer<br />
für Wellpappe ist die Le-<br />
Andreas Kunert FOTOS: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 5<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Andreas Kunert<br />
bensmittelbranche mit 30 Prozent.<br />
Die Kunden der Kunerts rufen<br />
die Pappen dann ab,wenn sie sie<br />
brauchen. Gelagert werden sie<br />
auf dem Gelände in Biebesheim.<br />
Mit einem eigenen Fuhrpark und<br />
Speditionen wird die Ware in der<br />
Region verteilt. Etwa 80Prozent<br />
geht an Kunden im Industriegebiet<br />
Rhein-Main-Neckar. Die Firma<br />
hat ihren Schwerpunkt in der<br />
chemischen Industrie. Bayer,<br />
BASF und Merck gehören zu den<br />
Stammkunden. Die pünktliche<br />
Lieferung ist das Aund O, sagt<br />
Kunert: „Es gibt nichts Ärgerlicheres<br />
für einen Kunden, als<br />
wenn er seine Produktion anhal-<br />
Obwohl er seine ganze Kindheit<br />
mit Wellpappe gespielt<br />
und gebastelt hat, wollte Andreas<br />
Kunert nicht unbedingt in<br />
die Branche einsteigen. Zahnmedizin<br />
wäre eine Alternative<br />
gewesen, aber dann hat er<br />
doch in Würzburg Betriebswirtschaft<br />
studiert. 1985 hat<br />
die Kunert-Gruppe das Werk in<br />
Biebesheim gekauft und sich<br />
neben Bad Neustadt einen<br />
zweiten Standort für die Wellpappen-Produktiongeschaffen.<br />
Nach beruflichen Stationen<br />
in anderen Wellpappe-Fabriken<br />
hat Kunert 1987 mit<br />
seinem Bruder die<br />
Geschäftsführungübernommen,<br />
ist mit<br />
seiner Frau zu-<br />
[Person]<br />
ten muss, weil die Verpackung<br />
fehlt.“<br />
Der Familienbetrieb ist bodenständig.<br />
Seit Generationen produzieren<br />
die Kunerts Verpackungen<br />
aus Wellpappe und Hartpapierhülsen,<br />
was anderes kommt dem<br />
Unternehmen nicht aufs Gelände.<br />
„Wir haben uns immer auf unser<br />
Produkt konzentriert und nie<br />
wilde Zukäufe gemacht“, sagt Kunert<br />
und befindet sich damit in<br />
guter Gesellschaft. „Bescheiden“,<br />
nennt Oliver Wolfrum die Branche.<br />
Als Geschäftsführer verhandelt<br />
Andreas Kunert nicht nur mit<br />
den Kunden, er betreut auch die<br />
technische Ausstattung der Firma,<br />
ist verantwortlich für das Per-<br />
erst nach Seeheim-Jugenheim,<br />
dann in ein kleines Dorf bei<br />
Bensheim gezogen. „In die<br />
Fußstapfen des Vaterstreten zu<br />
können, ist auch etwas sehr<br />
Schönes“, sagt der 48-jährige<br />
heute. Vor sechs Jahren kam<br />
seine Tochter zur Welt, das Kinderzimmer<br />
ist ähnlich von<br />
Wellpappe dominiert wie früher<br />
beim Vater.Aus den Hülsen<br />
werden Ferngläser gebaut, aus<br />
Wellpappe Spielhäuser, Fahrräder<br />
und Autos. Privat schaltet<br />
Andreas Kunert gern einen<br />
Gang zurück. Zieht die Wanderschuhe<br />
an und macht sich<br />
auf in den Odenwald oder<br />
kocht mit seiner Frau und<br />
Freunden. Schnelles Essen<br />
zwischendurch ist für den Geschäftsmann<br />
nichts: „Da lasse<br />
ich meinen Magen lieber länger<br />
knurren.“<br />
sonal, den Einkauf und vor allem<br />
viele Kleinigkeiten. Das Essen in<br />
der Kantine muss schmecken, das<br />
Toilettenpapier darf nicht zu hart<br />
sein und wenn der Zaun auf der<br />
Grundstücksgrenze kaputt ist,<br />
kümmert sich Kunert darum, dass<br />
er geflickt wird. Eingebunden sein<br />
ins Tagesgeschäft ist für ihn elementar.Auch<br />
sein Bruder und die<br />
Cousins halten es so. „Da gibt es<br />
keinen Erklärungsbedarf. Alle haben<br />
vollkommenes Verständnis<br />
für die Belange des Unternehmens.“<br />
Ohne Verpackung gibt es kei-<br />
Glänzende Perspektiven.<br />
nen Fortschritt, sagt Kunert. Einkaufen<br />
im Supermarkt wäre<br />
schlicht undenkbar. Trotzdem<br />
sehnt er sich manchmal nach ruhigeren<br />
Zeiten zurück. Der Umgang<br />
im Geschäftsleben habe gelitten,<br />
„überall spürt man den<br />
zeitlichen Druck.“ Auch manche<br />
Das neue Porsche Zentrum Darmstadt.<br />
Lebensläufe von Bewerbern erschrecken<br />
ihn eher, als dass sie<br />
beeindrucken. „Wenn jemand nie<br />
länger als zwei Jahreineinem Betrieb<br />
ist, hat er sich auch nicht<br />
tiefergehend mit dem Produkt beschäftigt“,<br />
urteilt er. „Aber das<br />
Produkt verdient das.“<br />
Porsche Zentrum Darmstadt<br />
Wiest Sportwagen GmbH<br />
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 6<br />
Jürgen Hatzipantelis FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
VON ANDREAS WOLLNY<br />
Wer Jürgen Hatzipantelis<br />
konsultiert, dem<br />
schwebt in der Regel<br />
der ganz große Wurf vor: Die Kunden<br />
der vomDiplom-Informatiker<br />
geführten Devoteam Danet GmbH<br />
wollen vielfach ihren Markt neu<br />
erfinden – oder zumindest sich<br />
selbst. Die meisten von ihnen beackern<br />
Geschäftsfelder in der Telekommunikation,<br />
andere stammen<br />
aus Branchen wie Automotive,<br />
Logistik und Medien. Ihr häufigstes<br />
Anliegen: schneller,besser<br />
und hipper als die Konkurrenz<br />
werden; oder es bleiben. Dazu benötigen<br />
sie das Know-howder IT-<br />
Dienstleister aus Weiterstadt.<br />
Devoteam Danet gehört laut<br />
dem Lünendonk-Anbieterranking<br />
Unternehmen und Hintergrund<br />
Danet wurde am 30. Oktober 1981 aus der<br />
französischen GSI-Datel ausgegründet. Die<br />
Aktivitäten umfassen Consulting, IT-Dienstleistungen<br />
und -Lösungen. Seit Januar 2009<br />
gehört Danet zur Devoteam Group, einer börsennotierten<br />
Gesellschaft (Umsatz 460 Millionen<br />
Euro) mit Hauptsitz in Paris. Neben<br />
der Devoteam Danet-Zentrale in Weiterstadt<br />
gibt es Filialen in Hamburg, Köln, München<br />
und Stuttgart. Die Niederlassungen des Unternehmens<br />
in Österreich und Großbritannien<br />
wurden an die jeweiligen Devoteam-Landesgesellschaften<br />
angeschlossen. Dies ließ<br />
2009 den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr<br />
um rund acht auf 34 Millionen Euro sinken.<br />
Devoteam Danet beschäftigt bundesweit 318<br />
[Infobox]<br />
zu den Top25IT-Spezialisten für<br />
Beratung- und Systemintegration<br />
in Deutschland. Der Schlüsselbegriff<br />
des Wettbewerbs lautet Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie.<br />
Diese garniert Devoteam<br />
Danet mit Kompetenz in<br />
punkto Betriebswirtschaft. „Wir<br />
verstehen die Sprache, die Geschäftsmodelle<br />
und die Schwierigkeiten<br />
unserer Kunden“, sagt<br />
Hatzipantelis. Im Arbeitsalltag<br />
heißt dies: Devoteam Danet konzipiert,<br />
entwickelt, implementiert<br />
und betreibt innovative Geschäftslösungen<br />
über die gesamte<br />
Wertschöpfungskette der Kunden<br />
hinweg.<br />
Zu ihnen gehört derzeit zum<br />
Beispiel ein Zeitungsverlag, der<br />
sich langfristig von den „Fesseln<br />
des Printformats zu befreien ver-<br />
DasEnde<br />
festerStrukturen<br />
IT-Dienstleister – Zeitung im E-Book-Reader<br />
oder Kundenanalyse im Musik-Downloadportal:<br />
Die Weiterstädter Devoteam Danet GmbH entwickelt,<br />
implementiert und betreibt innovativeGeschäftslösungen<br />
sucht“, so Hatzipantelis –„und<br />
mit seinem Produkt auch per E-<br />
Book-Reader Geld verdienen<br />
will.“ Spätestens seit Apple das<br />
iPad präsentiert habe, „überlegen<br />
zahlreiche Entscheidungsträger<br />
in der Medienbranche: Können<br />
wir von dieser Technologie profitieren?<br />
Und wenn ja: wie?“ Devoteam<br />
Danet bietet maßgeschneiderte<br />
Projektunterstützung in<br />
technischen, organisatorischen<br />
und finanziellen Fragen an. Im<br />
Fall des Zeitungsverlags feilen die<br />
IT-Experten unter anderem daran,<br />
wie eine Zeitung in das elektronische<br />
Lesegerät gelangt, darin<br />
möglichst gut aussieht und einfach<br />
bezahlt werden kann.<br />
Solche Aufträge an Land zu<br />
ziehen, sei spannend und mühsam<br />
zugleich, findet Hatzipante-<br />
Mitarbeiter,davonsind 261inWeiterstadt beschäftigt.<br />
Informations- und<br />
Kommunikationstechnik (IKT)<br />
Informationstechnik und Kommunikationstechnik<br />
(IKT) sind Schlüsseltechnologien der<br />
Informationsgesellschaft. Sie stellen Bindeglieder<br />
zwischen den klassischen Disziplinen<br />
Elektrotechnik und Informatik dar.Ein zentrales<br />
Ziel der IKT ist dabei, Hardware und Software<br />
für ganz unterschiedliche Anwendungen<br />
und neue Dienste zu entwickeln. Beispiele<br />
hierfür sind Kommunikationsnetze über (Mobil-)Funksysteme,E-Learning-Dienste<br />
und intelligente<br />
Assistenzsysteme in Fahrzeugen.<br />
Die wichtigsten IKT-Trends sind aktuell Cloud<br />
Computing und die Virtualisierung.<br />
lis. „Denn wir haben es nahezu<br />
ständig mit Technologien zu tun,<br />
von denen 90 Prozent vor zwei,<br />
drei Jahren noch gar nicht existierten.“<br />
Für die Arbeitsstruktur<br />
bedeutet dies: „Es gibt meist keine<br />
Vorlagen oder Regeln, an denen<br />
man sich orientieren kann –was<br />
zählt ist Kreativität, gestützt von<br />
Fachwissen.“<br />
IT und viel Verständnis<br />
fürsBusiness<br />
Wie intensiv bei den Arbeitsprozessen<br />
von Devoteam Danet ITund<br />
Business-Verständnis ineinander<br />
greifen, das zeigt ein Projekt<br />
für das Internetportal Musicload.<br />
Die Südhessen berieten das<br />
zur Telekom AG gehörende Unternehmen<br />
in Sachen System-Architektur.<br />
Zudem brachten sie Ideen<br />
für die Content Delivery-Plattform<br />
ein. Kernstück der Zusammenarbeit<br />
war „Markis“, ein System<br />
zur Marketinganalyse. Esist<br />
ein Werkzeug, um auf Kundengruppen<br />
zugeschnittene Marketingkampagnen<br />
starten zu können.<br />
Die Software erlaubt es zum<br />
Beispiel, die Verkaufszahlen im<br />
Genre „Pop“ mit der Kundensegmentierung<br />
in Altersklassen in<br />
Beziehung zu setzen.<br />
Hatzipantelis’ Mitarbeiter begleiten<br />
Markis während des kompletten<br />
Lebenszyklus: Design,<br />
Systemintegration, Datenschutzkonzept,<br />
Betrieb und Wartung –<br />
die richtigen Leute dafür zu finden,<br />
sei schwer. „Nicht jede IT-<br />
Fachkraft ist in der Lage, andem<br />
unterhaltsamen, aber komplexen<br />
Spiel bei uns teilzunehmen.“ Die<br />
meisten Angestellten in der 318köpfigen<br />
Belegschaft sind Akademiker.<br />
„Bindestrich-Informatiker<br />
mit mehreren Kompetenzfeldern“,<br />
unterstreicht Hatzipantelis.<br />
Dagegen haben Spezialisten,<br />
die ausschließlichpro-<br />
grammieren, bei Devoteam Danet<br />
ausgedient. „Seit Oktober letzten<br />
Jahres produzieren wir keine eigenen<br />
Software-Produkte mehr, das<br />
ist zu teuer, das können zudem<br />
andere besser.“<br />
Verbessern wollen sich die<br />
Weiterstädter IT-Tüftler nun unter<br />
dem Dach der Devoteam Group.<br />
2009 wurden sie übernommen.<br />
Die französische Devoteam konnte<br />
dadurch nach einigen erfolglosen<br />
Versuchen endlich den hart<br />
umkämpften IKT-Markt in<br />
Deutschland betreten, für Danet<br />
ist der mächtige Mutterkonzern<br />
vor allem ein Türöffner bei Großkunden.<br />
„Bei Outsourcing-Projekten<br />
von zehn Millionen Euro waren<br />
wir bis dahin potenziellen Kunden<br />
wirtschaftlich zu klein gewesen“,<br />
sagt Hatzipantelis. Heute<br />
sieht es andersaus.Für einen Mobilnetzbetreiber<br />
in den Vereinigten<br />
Arabischen Emiraten automatisiert<br />
Devoteam Danet zurzeit die<br />
Geschäftsprozesse und betreut<br />
die Qualitätssicherung im Netz.<br />
„Eine ideale Chance, umsich im<br />
Nahen Osten zu etablieren –vor<br />
einigen Jahren noch schwer vorstellbar<br />
für uns.“<br />
Firmenkultur<br />
verändert sich<br />
Finanzen, Know-how und Kontakte<br />
stimmen also. Doch Jürgen<br />
Hatzipantelis, seit Sommer 2008<br />
an der Unternehmensspitze, will<br />
mehr.Erwill die Firmenkultur bei<br />
Devoteam Danet verändern. „Innovation,<br />
Kommunikationsstärke<br />
und Dynamik lassen sich nicht<br />
nach draußen verkaufen, wenn<br />
man intern von festen Strukturen<br />
gebremst wird.“ Diese sollen nun<br />
aufgebrochen werden. Dabei setzt<br />
Hatzipantelis auf seine Erfahrungen<br />
beim US-Konzern Hewlett<br />
Packard. Inzwischen duzen<br />
seine Mitarbeiter sich,<br />
den Chef und bisweilen<br />
sogar die Kunden;<br />
dabei auf die<br />
Surftipp<br />
Krawatte oder gleich den Anzug<br />
zu verzichten, bewertet der Firmenlenker<br />
nicht als unschick.<br />
Auch den StandardEinzelbüro<br />
gab Hatzipantelis auf. Im Frühjahr<br />
ließ er die meisten Wände der<br />
Büroflächen einreißen. Seit April<br />
arbeiten alle Beschäftigten, auch<br />
die Führungscrew, ingroßen Gemeinschaftsräumen;<br />
inklusive<br />
„Shared Desk“-Prinzip, firmeneigenem<br />
Café und der Nachricht,<br />
dass die eingesparten Mietkosten<br />
für die nun überflüssigen Büroetagen<br />
vor allem in Marketingmaßnahmen<br />
des Unternehmens investiert<br />
werden.<br />
Man kann somit beruhigt feststellen:<br />
Es kommt nicht nur auf<br />
die richtigen IT-Anwendungen an,<br />
um schneller, besser und hipper<br />
als die Konkurrenz zu sein.<br />
Jürgen Hatzipantelis<br />
Jürgen Hatzipantelis wurde 1961 in<br />
Rottenburg amNeckar geboren. Der<br />
Diplom-Informatiker studierte an<br />
den Universitäten Karlsruhe und<br />
Stuttgart. Seit November 2007 ist der<br />
Hörbuchfan bei Danet, erst als CSO<br />
und später als CEO. Zuvor führte er<br />
unter anderem den IT-Dienstleister<br />
Tieto Enator und warinunterschiedlichen<br />
Managementpositionen bei<br />
Hewlett Packard Deutschland beschäftigt.<br />
Hatzipantelis verbringt freie Zeit<br />
am liebsten mit seiner Frau Friederike<br />
(45) sowie Sohn Konstantin (9)<br />
und Tochter Antonia (7).<br />
[Person]<br />
von Jürgen Hatzipantelis<br />
www.bitkom.org
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 7<br />
Zum Lunch mit …<br />
CATHERINE FREIFRAU VON SCHOEN<br />
Im Sauseschritt<br />
aufden<br />
Chefsessel<br />
Catherine Freifrau von Schoen –<br />
Die neue Inhaberin vonMichelsbräu<br />
in Babenhausen ist Juristin, hat die<br />
Geheimnisse des Bieres aber verinnerlicht –<br />
Unprätentiös, konservativ und doch kreativ<br />
VON ILKA ENNEN<br />
Wenn Catherine Freifrau<br />
von Schoen abends<br />
nach Hause kommt,<br />
greift sie gerne zur Flasche. Dass<br />
es zurzeit ein alkoholfreies Pfungstädter<br />
sein muss, hat für sie nur<br />
erfreuliche Gründe. Der leidenschaftlichen<br />
Biertrinkerin aber einen<br />
alkoholfreien Prosecco als<br />
Aperitif vorzuschlagen, kommt<br />
fast einer unanständigen Offerte<br />
gleich und ist der erste Schritt in<br />
Richtung Fettnäpfchen. „Nein“,<br />
sagt die Brauereichefin von Michelsbräu<br />
in Babenhausen entschieden<br />
und es klingt wie „igitt“.<br />
„Davon habe ich nur Schlechtes<br />
gehört.“<br />
Aristokratische Arroganz trägt<br />
die Freifrau nicht zur Schau. Sie<br />
kann ihr Bier mit dem Feuerzeug<br />
öffnen. Gibt Auskunft über die<br />
maximal erlaubte Dosierung von<br />
Aspirin und outet sich als chronische<br />
Zuschnell-Fahrerin.<br />
Zum Lunch-Termin präsentiert<br />
sie sich nicht im Society-Look mit<br />
Kostüm und steilen Absätzen,<br />
sondern erscheint authentisch im<br />
Jedermann-Aufzug mit Jeans und<br />
Stiefeln. „Ich verkaufe Bier, da<br />
kann man das schon vertreten“,<br />
sagt sie und lacht. Auch auf der<br />
Internet-Seite des Unternehmens<br />
erscheint vonSchoen nicht als retuschierte<br />
Fotostudio-Schönheit<br />
im hochhackigen Maßgeschneiderten.<br />
Ein Schnappschuss zeigt<br />
sie naturburschig im Grünen mit<br />
Anorak und Baumwolltuch.<br />
Die Michelsbräu-Inhaberin,<br />
die in der elften Generation die<br />
Babenhäuser Brauereifamilie<br />
Schubert anführt und mit einem<br />
Schuss Pils im Weihwasser ge-<br />
tauft wurde, ist keine matroneske<br />
Oktoberfest-Zenzi mit üppiger<br />
Oberweite zum Bierkrugabstellen,<br />
sondern weitgehend zierlich.<br />
Catherine von Schoen kaschiert<br />
den fülligen Bauch mit einem<br />
Schwarz-macht-schlank-Pulli.<br />
Die weibliche Rundung hüllt<br />
nicht weich den Körper ein, sondern<br />
kugelt nach vorne und birgt<br />
nicht etwa überflüssige Bierpfunde,<br />
sondern den nächsten Freiherrn<br />
vonSchoen. Im Juni ist Geburtstermin.<br />
Dass Bier dick<br />
macht, ist für die Fraumit Kleidergröße<br />
36 ausgeschlossen. „Meine<br />
Mutter und ich sind der lebende<br />
Beweis“, sagt sie. „Bier regt nur<br />
den Appetit an.“<br />
Der ist beim Mittagessen im<br />
Restaurant „Bölle“ eher bescheiden.<br />
Dicke Sahnesoßen seien<br />
nicht nach ihrem Geschmack,<br />
sondern eher die leichte mediterrane<br />
Küche, erzählt von Schoen<br />
und ordert eine überschaubare<br />
Ofenkartoffel mit Kräuterdip, garniert<br />
mit einem versprenkelten<br />
Salatbouquet. Keine Vorspeise.<br />
Keinen Nachtisch. Vielleicht liegt<br />
es an der schwangerschafts-kompatiblen<br />
Apfelsaftschorle. Oder<br />
daran, dass die Jung-Unternehmerin<br />
keine Zeit für ein anschließendes<br />
Nickerchen hat, wie früher<br />
zu Studentenzeiten, wo die<br />
geschäftige Ruhe der Universitätsbibliothek<br />
die angehende Juristin<br />
zum Schlafen animierte.<br />
Norddeutsch<br />
angehaucht<br />
Seit dem Studium in Bremen und<br />
Hamburg und dem Referandariat<br />
in Lübeck ist die in Frankfurt Geborene<br />
norddeutsch angehaucht.<br />
Den zu jeder Tageszeit üblichen<br />
„Moin“-Gruß hat sich die als Langschläferin<br />
verdächtigte Frühaufsteherin<br />
schweren Herzens abgewöhnt.<br />
Morgens um viertel vor<br />
sechs,erzählt sie,sei ihreNacht zu<br />
Ende. Die Leitung des Unternehmens<br />
ist unwegsames Gelände.<br />
Die Routine fehlt, um die Stolperfallen<br />
des Geschäftslebens zu umgehen.<br />
Oder um den Kopf nach einem<br />
anstrengenden Arbeitstag auf<br />
Feierabend zu programmieren.<br />
„Der Jobbeschäftigt mich rund um<br />
die Uhr“, sagt die 28-jährige.Schlaflose<br />
Nächte gehören seit dem fliegenden<br />
Wechsel von der Referandariatsstelle<br />
auf den Chefsessel<br />
zum Alltagsgeschäft. Der Notizblock<br />
neben dem Bett auch. Trotzdem<br />
bereut vonSchoen nicht, sich<br />
in die Familientradition gefügt und<br />
vor fünf Monaten die Nachfolge<br />
von Mutter Susan Schubert angetreten<br />
zu haben, anstatt eigene We-<br />
ge zu gehen. Noch genießt sie<br />
„Mutter-Schutz“. Als Prokuristin<br />
soll sie sich langsam mit ihrer neuen<br />
Rolle vertraut machen und nach<br />
einer Eingewöhnungszeit die Geschäftsführung<br />
übernehmen. Frau<br />
Mama, die zwei Brauereien in Frankenund<br />
eine Mälzerei in Schweinfurt<br />
leitet, steht als Beraterin im<br />
Dauerkontakt mit der Tochter.<br />
Wenn die Last der Verantwortung<br />
nicht drückt, genießt die<br />
Nachwuchskraft die Vorteile des<br />
Chef-Seins: Freiheiten, die sich in<br />
einem anderen Leben als Staatsanwältin<br />
nicht geboten hätten.<br />
„Ich kann endlos kreativ sein und<br />
habe keinen Oberstaatsanwalt,<br />
der mir den Mund verbietet.“ Die<br />
Welt der Paragrafen ist ihr so<br />
fremd geblieben wie die Liebe<br />
zum Detail. „Es wareine Fehlentscheidung,<br />
Jurazustudieren. Gute<br />
Juristen sind wahnsinnig genau.<br />
Ich bin kein Krümelkacker,<br />
Catherine Freifrau von Schoen Unternehmen<br />
Catherine Freifrau von Schoen (28), die zur elften<br />
Generation der Babenhäuser Brauereifamilie<br />
Schubert gehört, folgt ihrer Mutter Susan nach,<br />
die –ebenfalls von Haus aus Rechtsanwältin –<br />
mit 27 Jahren die Michelsbräu-Leitung von ihrem<br />
Vater übernommen hatte. Von Schoen, die<br />
nach der neunten Klasse in der Gesamtschule<br />
Babenhausen aufs Elite-Internat Schloss Salem<br />
wechselte, schloss im Herbst 2009 ihr Jura-Studium<br />
mit dem Zweiten Staatsexamen ab und<br />
übernahm als Prokuristin die Leitung der Privatbrauerei.<br />
Sie ist verheiratet und erwartet im Juni<br />
ihr erstes Kind. Ab 2014 soll die begeistereLäuferin<br />
und Reiterin auch die Brauereien in Arnstein<br />
und die Mälzerei in Schweinfurt übernehmen, die<br />
bis dahin vonSusan Schubert geleitet werden.<br />
[Person]<br />
Mit 28 „on the Top“:<br />
Catherine Freifrau von Schoen –<br />
beim Lunch mitECHO-Redakteurin IlkaEnnen –<br />
folgt zielstrebig und volksnah einer langen Familientradition.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
sondern sehe eher das Ganze.“<br />
Gut für sie, dass Michelsbräu ein<br />
übersichtliches, mittelständisches<br />
Unternehmen mit zwölf Angestellten<br />
ist.<br />
Platz für Bierkästen<br />
und Jagdhund<br />
Der trendige Smart ist dem gutbürgerlichen<br />
Golf Variant gewichen.<br />
Im Kofferraum hat neben<br />
Bierkästen auch der leicht angegraute<br />
Jagdhund Platz. Mit der<br />
Bierkutsche pendelt von Schoen<br />
täglich nach Neu-Isenburg, wo<br />
sich die Jungverheiratete mit ihremMann<br />
nach achtjähriger Hessen-Abstinenz<br />
einlebt. VonSchoen<br />
genießt die Anonymität im<br />
Landkreis Offenbach, wo sie morgendlich<br />
zerknautscht und unfrisiert<br />
zum Bäcker gehen kann, ohne<br />
das Opfer des Babenhäuser<br />
Kleinstadt-Tratsches zu werden.<br />
Michelsbräu ist eine mittelständische Privatbrauerei,<br />
deren Geschichte fast 200Jahre<br />
zurückreicht. Zwölf Mitarbeiter arbeiten<br />
derzeit für das Familienunternehmen, das<br />
1815 in Babenhausen gegründet wurde<br />
und seit 1925 von der Familie Schubert<br />
betrieben wird. Seit 1. November 2009 leitet<br />
Catherine von Schoen die Michelsbräu<br />
GmbH, die im vergangenen Jahr 20 000<br />
Hektoliter Bier produziert hat. Der Familie<br />
gehören zwei weitere Brauereien in Franken<br />
sowie eine Mälzerei in Schweinfurt.<br />
Michelsbräu braut sechs Sorten für den<br />
lokalen Markt. 60 Prozent der Jahresproduktion<br />
sind Pils, der Fassbieranteil liegt<br />
bei 70 Prozent.<br />
[Infobox]<br />
Keine Experimente wagen,<br />
lautet die konservativeDevise der<br />
neuen Chefin. Tradition wirdpostuliert,<br />
anstatt Produkte populistisch<br />
auf den vermeintlichen Einheitsgeschmack<br />
zu trimmen. Michelsbräu<br />
hat nicht genug Reserven,<br />
um große Summen zu investieren.<br />
Den Anteil des Flaschenbierswürde<br />
vonSchoen gerne erhöhen.<br />
Einen Sixpack einführen,<br />
weil Frauen keine Kisten schleppen.<br />
Und Getränkemärkte und<br />
den Einzelhandel mit heimischem<br />
Bier aus Babenhausen überschwemmen.<br />
Doch der heftige<br />
Preiskampf, den die übermächtigen<br />
Großkonzerne mit harten<br />
Bandagen auf dem Massenmarkt<br />
führen, ist für Michelsbräu nicht<br />
zu gewinnen. Im Duell David gegen<br />
Goliath siegt Goliath.<br />
Die Bügelflasche ist eine Anleihe<br />
an den Zeitgeist, genauso wie<br />
die Hexe-und Hexator-Kreationen,<br />
die den mauen Absatz vonExportbier<br />
steigern sollen. In den Markt<br />
der Biermixgetränkeeinzusteigen,<br />
kommt nicht in Frage.„Das ist eine<br />
Mode, die hat ihre Konjunktur gehabt.<br />
Ich glaube,<br />
das bricht<br />
wieder ein“,<br />
sagt von Schoen.<br />
Vier ProzentUmsatzplus<br />
hatte sie<br />
bei Arbeitsantrittausgegeben.<br />
Mehr Ansporn<br />
denn realistischeZielsetzung.<br />
Die<br />
Durststrecke<br />
der Brauindustrie<br />
währt schon<br />
viele Jahre, die<br />
Lust der Deutschen<br />
auf Hopfen<br />
und Malz<br />
geht kontinuierlich<br />
zurück.<br />
„Man kann to-<br />
tal glücklich sein, wenn man bei<br />
null landet“, sagt sie.Fremdes Territorium<br />
zu erobern, ist schwer.<br />
Darmstadt sei ein gutes Pflaster für<br />
das Unternehmen. Außerhalb Hessens<br />
hat Michelsbräu nur einen<br />
Kunden in Mainz. Annäherungsversuche<br />
nach Bayern seien erfolglos.<br />
„Bayern trinken kein hessisches<br />
Bier“, sagt vonSchoen. „Die<br />
sind ganz rabiat.“<br />
„Ich sage gerne,<br />
wasich denke“<br />
Surftipp<br />
von Catherine<br />
Freifrau von Schoen<br />
www.tagesschau.de<br />
„Ich bin ein<br />
Nachrichtenjunkie.“<br />
VonSchoen hat die Geheimnisse<br />
des Biers verinnerlicht. Es klingt<br />
nicht mühsam angelernt, wenn<br />
sie über die Kunst des Zapfens,<br />
gepflegte Leitungen und die richtige<br />
Temperatur des Bieres philosophiert.<br />
Eine auf Absatz und Verkauf<br />
getrimmte Sprache und die<br />
Kunst der Diplomatie geht ihr<br />
nicht so leicht über die Lippen.<br />
„Ich sage gerne, was ich denke.<br />
Das kommt nicht immer gut an,<br />
vor allem, wenn man einen Verkäuferjob<br />
hat.“<br />
Das eigene Unternehmen zum<br />
Verkauf auf den Markt zu werfen,<br />
auf das es einverleibt wird von<br />
einem Brauerei-Platzhirsch, hält<br />
vonSchoen für eine Schnapsidee.<br />
„Das kommt überhaupt nicht in<br />
Frage.“ Schließlich wächst gerade<br />
die zwölfte Generation des Brauereigeschlechts<br />
im Babybauch heran.<br />
Vielleicht wird der Sohn irgendwann<br />
die Privatbrauerei weiterführen,<br />
denn die Vernunfts-Juristin<br />
hat schon Pläne für den Ruhestand.<br />
Studieren will sie nochmal,<br />
diesmal nach Interesse: Politik,<br />
Geschichte oder Philosophie.<br />
Spätestens dann wird auch wieder<br />
ein Nickerchen zur Mittagszeit<br />
möglich sein. Den Kopf auf<br />
den Armen abgelegt in der Universitätsbibliothek.<br />
Vorher wird die<br />
Mutterchefin in Personalunion<br />
noch einige durchwachte Nächte<br />
haben. Nicht nur wegen der Firma.<br />
Wenn der Kleine nach der Flasche<br />
schreit, muss die Michelsbräuerin<br />
nur auf eines achten: Der<br />
Kleine hat garantiert keinen Bierdurst.<br />
Er steht einzig und allein<br />
auf Milch.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 8<br />
VON ACHIM PREU<br />
Der Blick aus dem Fenster<br />
des Besprechungszimmers<br />
führt in die Irre. Er<br />
fällt an diesem sonnigen Nachmittag<br />
Ende März nämlich direkt auf<br />
Weinberge.Idyllisch –und entlarvend?<br />
Wasser predigen und dann<br />
lieber Wein trinken, wie in der Politik<br />
oder der Kirche. „Nein“, sagt<br />
Ronald Schork (55) und lächelt,<br />
die sind verpachtet. Und auch keine<br />
Liefermengen vereinbart. Bislang<br />
jedenfalls, so Andreas<br />
Schmidt (42), vonHaus aus Jurist<br />
und durch diese Nachfrage wohl<br />
auf eine Idee gekommen. Kurz<br />
nach dem Ortsende von Heppenheim<br />
Richtung Laudenbach dreht<br />
sich nämlich alles nur um Wasser.<br />
Konkret, um Mineralwasser und<br />
mit Fruchtzusätzen versehene<br />
Ableger der über 75 Jahre alten<br />
Odenwald-Quelle.Und das um einiges<br />
intensiver als zuletzt. Denn<br />
der Vertriebschef Schork und der<br />
Mannheimer Anwalt Schmidt, sie<br />
haben das Unternehmen aus dem<br />
inzwischen aufgespaltenen Getränkekonzern<br />
Actris des SAP-<br />
Mitbegründers Dietmar Hopp herausgekauft.Management-Buy-<br />
out (MBO) wirddas genannt. Milliardär<br />
Hopp, unternehmerisch<br />
weiter vorallem in der Biotechnologie<br />
unterwegs, hat nämlich seine<br />
Brauerei-Beteiligungen – darunter<br />
Eichbaum –jüngst als Betriebsunfall<br />
bezeichnet. Und zu<br />
Actris, heute nur noch Immobilien-Sammelstelle,<br />
gehörte eben<br />
auch die Odenwald-Quelle sowie<br />
die dazugehörige Finkenbach-<br />
Quelle.<br />
Ausstieg vonHopp<br />
dauert Jahre<br />
Der Ausstieg nach neunjährigem<br />
Engagement zog sich über drei<br />
Jahre hin, es gab auch andere Interessenten:<br />
Wettbewerber, nur<br />
an der Marke, nicht am Standort<br />
Heppenheim interessiert, wie es<br />
heißt. „Das hat für uns gesprochen“,<br />
so Schmidt. Nach achtmonatigen<br />
Verhandlungen aufgrund<br />
der komplexen Materie war die<br />
Sache endlich perfekt. Aus Beschäftigten<br />
waren Bosse geworden.<br />
Kaufpreis? Kein Kommentar.<br />
Dass es deutlich weniger sind als<br />
die im Jahr 2000 gezahlten 30 Millionen<br />
Mark von Hopp an die damalige<br />
Eigentümerfamilie<br />
Strauch, liegt auf der Hand. Im<br />
eigenen Namen und auf eigene<br />
Rechnung sei man aktiv geworden,<br />
so das neue Führungsduo,<br />
das auch schon mal kurz vor 23<br />
Uhr in der Produktion auftaucht,<br />
mal Hand anlegt trotz Anzugs,<br />
wenn was imWeg rumliegt oder<br />
es klemmt. In den Feierabend strebende<br />
Mitarbeiter während unseres<br />
Rundgangs werden namentlich<br />
verabschiedet. Geben sich so<br />
Strohmänner?<br />
Die beiden kennen sich seit<br />
acht Jahren, duzen und ergänzen<br />
sich trefflich. So unser Eindruck.<br />
So ihreEinschätzung. Nach zwölf<br />
Jahren als Anwalt, die Hälfte davonals<br />
Partner einer Kanzlei, reizte<br />
Schmidt das Neue.Und Schork,<br />
im Vertrieb auch für Actris tätig<br />
und 16 Jahre bei der Odenwald-<br />
Quelle, will nun sein Know-how<br />
unternehmerisch nutzen. Aber in<br />
einer Branche,inder die Produkte<br />
verramscht werden, der Preisverfall<br />
immens ist, ebenso wie der<br />
Wettbewerb? Die Antworten kommen<br />
rasch. Aggressive Harddiscounter<br />
werden nicht beliefert.<br />
Die Preisstellung im Getränkefachgroßhandel<br />
und der Gastronomie<br />
sei eine andere. Eine gehobene.<br />
Als Marktführer in der<br />
Rhein-Main-Neckar-Region, als<br />
Vollsortimenter, als starkes Label<br />
sieht man gute Perspektiven.<br />
Denn, so der nicht unkritische<br />
Blick zurück, das Unternehmen<br />
In Heppenheim<br />
sprudeln neue Ideen<br />
Odenwald-Quelle –<br />
Ronald Schork und Andreas Schmidt haben<br />
nach dem Management-Buy-out viel vor –<br />
Gute Perspektiven für den regionalen<br />
Mineralwasser-Marktführer<br />
PET-Rohling:<br />
Aussolchen „Reagenzgläsern“<br />
werden in Sekundenschnelle<br />
Kunststoff-Flaschen.<br />
sei zuletzt „suboptimal“ geführt<br />
worden. Konkret: Einiges ist liegen<br />
geblieben. Beispielsweise im<br />
Einkauf. Reichlich Potenzial hat<br />
die Due Diligence zu Tage gefördert.<br />
Also die sorgfältige,systematische<br />
und detaillierte Prüfung inklusiveeiner<br />
Stärken- und Schwächenanalyse<br />
des Übernahmeobjektes.<br />
Und auch die teuren und ökologisch<br />
unsinnigen 6000 Shuttles<br />
pro Jahr ins angemietete Zwischenlager<br />
nach Viernheim sollen<br />
bald der Vergangenheit angehören.<br />
Denn auf der anderen Straßenseite<br />
der B3 am Stammsitz<br />
wird ein seit langem geplantes,<br />
aber auf Eis gelegtes Logistikzentrum<br />
jetzt in Angriff genommen.<br />
Spatenstich soll spätestens 2011<br />
sein. Etwa vier Millionen kostet<br />
das Ganze, was sich innerhalb<br />
vonvier Jahren amortisieren dürfte.<br />
Professionell umgeplant aber<br />
muss werden. Denn Optimierung<br />
steht bei Schork/Schmidt obenan.<br />
Ausder Region für die<br />
Region ist das Motto<br />
Dabei liegt der unternehmerische<br />
Fokus weiter auf der Region, 60<br />
Kilometer im engeren und 90 Kilometer<br />
im erweiterten Markt.<br />
Distribution bis zur Nordsee mache<br />
keinen Sinn. Eine bessere<br />
Marktpenetration, wertigerer Auftritt,<br />
neue Geschmacksrichtun-<br />
Andreas Schmidt und Ronald Schork<br />
Ronald Schork stammt aus Sulzbach,<br />
einem Stadtteil vonWeinheim, ist verheiratet<br />
und hat zwei Söhne (27 und<br />
32). Der Älterearbeitet im Vertrieb bei<br />
der Odenwald-Quelle,woder neue geschäftsführende<br />
Gesellschafter seit<br />
1994 tätig ist. Fünf Jahre Eichbaum-<br />
Brauerei und seit 2006 Tätigkeiten bei<br />
der Actris hat der Verkaufsprofi ebenfalls<br />
im Lebenslauf stehen. Ausgebildet<br />
zum Verwaltungskaufmann wurde<br />
[Personen]<br />
der begeisterte Rennradfahrer bei der<br />
Stadt Weinheim.<br />
Andreas Schmidt hat seine berufliche<br />
Karrieremit einer Ausbildung zum<br />
Bankkaufmann bei der Deutschen<br />
Bank begonnen. Danach studierte er in<br />
seiner Geburts- und Wohnstadt Mannheim<br />
sowie in Denver Jura. Seit 2003<br />
warerPartner einer Kanzlei. Schmidt,<br />
verheiratet und ebenfalls Vater zweiter<br />
wenngleich jüngerer Söhne (drei und<br />
fünf) fährt gerne Rad und im Winter<br />
Ski alpin.<br />
Prost Odenwald-Quelle: Andreas Schmidt (links) und Ronald Schork. FOTOS: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 9<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
gen, jüngereund frischereAußendarstellung,<br />
Nutzen der Netzwerke<br />
auch im sportlichen und kulturellen<br />
Leben: Das Spektrum der<br />
Möglichkeiten ist breit und nur<br />
ansatzweise gehoben. Ob Sponsoring-Partner<br />
des Fußball-Bundesligisten<br />
Hoffenheim, Engagement<br />
beim Eishockeyclub Adler<br />
Mannheim, den Festspielen Heppenheim<br />
oder vielen kleinen Vereinen.<br />
Das sind die Betätigungsfelder<br />
ebenso wie ein Stand auf<br />
dem Maimarkt in Mannheim.<br />
Große Sprünge wie Rossbacher<br />
mit Michael Schumacher sind<br />
schließlich nicht drin.<br />
Dass die nicht quantifizierte<br />
(aber verbesserungsbedürftige)<br />
Marge poliert werden soll, ist das<br />
Ziel. Denn derlei sichert auch die<br />
132 Jobs, darunter drei Ausbildungsstellen.<br />
45 sind es am Standort<br />
Viernheim, vier in Finkenbach.<br />
Und würde dem neuen Management,<br />
das sich erst gar nicht<br />
am Bau von Luftschlössern versucht,<br />
letztlich das Zeugnis ausstellen,<br />
dass man es besser kann.<br />
Eine interessante Erkenntnis<br />
hat man nach kurzer Zeit schon<br />
gewonnen. Weil sich die Odenwald-Quelle<br />
absolut autark gemacht<br />
hat vonEichbaum, wo früher<br />
zentral die Lohnabrechnung<br />
erledigt wurde und die Personalabteilung<br />
saß,gab es bereits positive<br />
Kosteneffekte. Der eigene<br />
Fuhrpark mit 14 Zügen freilich<br />
steht nicht zur Disposition. Zu 80<br />
Prozent werden hiermit Getränkefachhändler<br />
und Lebensmittelhandel<br />
beliefert; 20 Prozent entfallen<br />
auf Selbstabholer.<br />
Belegschaft hat<br />
ihreSkepsis abgelegt<br />
Nach anfänglicher Skepsis steht<br />
die Belegschaft den Angaben zufolge<br />
nun motiviert hinter der<br />
Neuausrichtung. Der Betriebsrat<br />
habe das MBO unterstützt, die<br />
Chancen der neuen Freiheit früh<br />
erkannt. Und weil man durch die<br />
Kooperation mit Eichbaum auch<br />
weiter das Getränke-Deputat in<br />
Form vonBier erfüllen kann, trübt<br />
selbst von dieser Seite nichts die<br />
Neuausrichtung. Dass bei einer<br />
Betriebsversammlung der Odenwald-Quelle<br />
GmbH &CoKGzum<br />
Verkauf diese Frage am Anfang<br />
stand, belegt schlicht, dass es<br />
eben überall menschelt.<br />
Maschinen dominieren dagegen<br />
die Produktion. In der PET-<br />
Abfüllanlage, die zehn Millionen<br />
gekostet hat und 2002 eine Zeitenwende<br />
einläutete sowie die Zukunft<br />
sicherte, sind nur noch vier<br />
Beschäftigte je Schicht tätig. In<br />
atemberaubendem Tempo werden<br />
hier aus Rohlingen, die Reagenzgläsern<br />
ähneln, Kunststoff-<br />
Flaschen in drei Größen von 0,5<br />
bis 1,5 Liter „geblasen“. Die werden<br />
dann vollautomatisch abgefüllt<br />
– wobei möglichst große<br />
Chargen wegen der jeweiligen<br />
Umstellung wichtig sind. 22 000<br />
Flaschen schafft die Anlage je<br />
Stunde. Spülen, Abfüllen, Verschließen,<br />
in Kästen verpacken,<br />
Palettieren: Ein faszinierendes<br />
Schauspiel, was da im elektronisch<br />
gesteuerten Räderwerk modernster<br />
Technik abläuft zwischen<br />
Flaschen-Karussells, Laufbändern<br />
und Roboterarmen. Ohne<br />
das O.K. des Labors geht freilich<br />
keine Flasche in den Verkauf.<br />
Zwar werden 60 Prozent der<br />
Produkte in PET-Flaschen ausgeliefert,<br />
aber „traditionsbewusste<br />
Glasverwender“ gibt es weiter.<br />
Mehr sogar als im Marktdurchschnitt.<br />
Vorallem die gehobene<br />
Gastronomie verlangt danach.<br />
Hier will man die Gebinde noch<br />
nobler gestalten. Schließlich werden<br />
generell hochpreisige Rohstoffe<br />
auch vonDöhler aus Darmstadt<br />
verwandt für aromatisierte<br />
Mineralwässer, Schorlen oder<br />
Wellnessgetränke. Neuem steht<br />
man offen gegenüber, trendy zu<br />
sein will man jedoch anderen<br />
überlassen. Bei 80 verschiedenen<br />
Gebinden, 50 verschiedenen Getränken<br />
und immer kürzeren Lebenszyklen<br />
gibt es ohnehin genug<br />
zu tun. Mit 90 Millionen Füllungen<br />
kommt man auf rund 800 000<br />
Hektoliter im Jahr.Von der technischen<br />
Kapazität ginge noch mehr.<br />
Wobei von April bis September<br />
„Saison“ ist, vor allem Juni, Juli<br />
und August das stark wetterabhängige<br />
Geschäft brummt. Hinter<br />
alldem stehen dann 21 Millionen<br />
Euro Umsatz –daist man vorne<br />
mit dabei in der Branche, vor allem<br />
im Ranking der Familienbetriebe,<br />
zudenen sich die Odenwald-Quelle<br />
nun wieder zählt.<br />
Unternehmen und Produkt<br />
Die Odenwald-Quelle GmbH &Co. KG wurde<br />
1931 von Diplom-Kaufmann Hans<br />
Strauch gegründet. Mitte 2000 erfolgte der<br />
Verkauf an den Getränkekonzern Actris AG<br />
für rund 15 Millionen Euro. Seit Januar<br />
2010 ist das Unternehmen nach dem Management-Buy-out<br />
wieder in privater<br />
Hand. Die 132 Beschäftigten setzen rund 21<br />
Millionen Euroum. Die Produktion liegt bei<br />
80 Millionen Litern im Jahr. Das für die<br />
Herstellung der Getränke verwendete natürliche<br />
Mineralwasser stammt aus bis zu<br />
170 Meter Tiefe. Die Geschäftsidee wurde<br />
im heißen Sommer 1929 geboren, als es eng<br />
wurde bei der Versorgung der Bevölkerung<br />
an der Bergstraße mit sauberem Trinkwasser.Die<br />
Quelle befindet sich auf der bereits<br />
den Römern bekannten Gemarkung, die<br />
früher als „gesalzenes Wasser“ bekannt<br />
war.<br />
Natürliches Mineralwasser hat seinen<br />
Ursprung in unterirdischen, vor Verunreinigungen<br />
geschützten Wasservorkommen,<br />
wirdander Quelle abgefüllt und muss amtlich<br />
anerkannt werden. Mit physikalischen<br />
Verfahren darf Kohlensäure entzogen oder<br />
hinzugefügt werden. Eisen und Schwefel<br />
dürfen entfernt werden. Weil Leitungswasser<br />
als Substitut gilt, wird Mineralwasser<br />
im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln<br />
mit 19 und nicht mit sieben Prozent Umsatzsteuer<br />
belastet. Der Pro-Kopf-Verbrauch<br />
hat hierzulande von 12,5 Litern<br />
1970 auf inzwischen 138 Liter zugelegt.<br />
Tendenz: Weiter steigend. Es gibt etwa220<br />
Brunnenbetriebe in Deutschland.<br />
[Infobox]
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 10<br />
Silvia Voigt FOTOS: HANS DIETER ERLENBACH<br />
VON HANS DIETER ERLENBACH<br />
Wer in 220 Ländern und<br />
Territorien weltweit<br />
tätig ist, wer täglich<br />
mehr als 70 Millionen Briefe und<br />
bis zu drei Millionen Pakete zustellt,<br />
wer invielen Ländern dieser<br />
Welt Filialen unterhält, der<br />
muss gut organisiert sein. Und<br />
wer ein ehemaliges Staatsunternehmen<br />
in einen effizienten<br />
Dienstleister umbauen will,<br />
braucht viel Geduld und oftmals<br />
einen langen Atem. Dass DHL als<br />
Dienstleister weltweit den besten<br />
Ruf der Branche hat, dafür arbeiten<br />
auch in Darmstadt rund 400<br />
Mitarbeiter an wichtigen Schaltstellen.<br />
Ein Mitarbeiter von DHL<br />
braucht Briefumschläge. Schließlich<br />
verschickt auch die Post gelegentlich<br />
Post. Früher schrieb er<br />
IT-Services – Darmstadt spielt eine zentrale Rolle,damit bei der Post alles läuft,<br />
wie es soll und kostenoptimal dazu –Computerprogramme in 17 Sprachen<br />
eine Materialanforderung. Die<br />
ging durch zahlreiche Hände,<br />
wurde mehrfach gestempelt und<br />
landete irgendwann in einem<br />
Zentrallager. Tage oder Wochen<br />
später kamen die gewünschten<br />
Briefumschläge.<br />
Mit einem Klick<br />
ans Ziel<br />
Heute geht das viel unkomplizierter.<br />
Der Mitarbeiter klickt in seinem<br />
Computer auf ein bestimmtes<br />
Programm, sieht, ob und wo<br />
die Umschläge verfügbar sind<br />
oder wo er sie preisgünstig einkaufen<br />
kann. Aber auch die Rentenabrechnungen<br />
für die ehemaligen<br />
Postbediensteten, die Computersysteme<br />
der rund 14 000 Postfilialen<br />
in Deutschland, die gesamte<br />
betriebsinterne Buchführung<br />
oder die Verwaltung des Fuhr-<br />
parks werden über die Informationstechnologie<br />
gesteuert.<br />
Oder es geht um den Einkauf<br />
von Kleidung. DHL-Mitarbeiter<br />
sollen möglichst weltweit einheitlich<br />
auftreten. Nun finden Asiaten<br />
rote Hosen total unmännlich und<br />
würden sie nie tragen. Deshalb<br />
müssen für sie andere Hosen geordert<br />
werden. Außerdem fragen<br />
Asiaten nicht nach, wenn sie etwas<br />
nicht verstanden haben. Sie<br />
machen es einfach so, wie sie es<br />
verstanden haben. Deshalb müssen<br />
PC-Programme möglichst so<br />
narrensicher sein, dass es erst gar<br />
nicht zu Nachfragen oder Unsicherheiten<br />
kommt.<br />
IT-Services nennt sich die in<br />
der Darmstädter Hilpertstraße<br />
angesiedelte DHL-Tochter, inder<br />
IT-Spezialisten für reibungslose<br />
Betriebsabläufe im DHL-Konzern<br />
sorgen. 3000 Mitarbeiter welt-<br />
DasHerz<br />
vonDHL<br />
weit beschäftigt DHL im IT-Bereich,<br />
davon 800 in der Bonner<br />
Zentrale und eben 400 in Darmstadt.<br />
Nach außen tritt das Unternehmen<br />
kaum in Erscheinung,<br />
obgleich es so etwas wie das Herz<br />
von DHL ist. Die Programmierer<br />
sorgen für optimale Betriebsabläufe<br />
rund um den Globus. Das<br />
interne DHL-Einkaufssystem<br />
wurde in Darmstadt entwickelt<br />
und wird von hier aus gewartet.<br />
Silvia Voigt, eine von vier Geschäftsführern<br />
der IT-Services<br />
Deutschland, leitet die Darmstädter<br />
Niederlassung. Hier werden<br />
nicht nur vorhandene Programme<br />
gepflegt und verbessert,<br />
sondern ständig neue Programme<br />
für DHL entwickelt.<br />
In einem weltweit agierenden<br />
Unternehmen nicht immer ganz<br />
unkompliziert. Die Philosophie<br />
deutscher Pünktlich- und Gründ-<br />
lichkeit lässt sich nicht einfach per<br />
Datenkabel rund um den Globus<br />
verbreiten. „Viele Völker dieser<br />
Welt ticken andersals wir.Die vielen<br />
Kulturen sind eine große Herausforderung“,<br />
gibt Silvia Voigt<br />
zu bedenken. Da ist viel Überzeugungsarbeit<br />
nötig. Vorallem müssen<br />
die Anwender in jeder DHL-<br />
Filiale der Welt nicht nur die deutschen<br />
Eigenheiten, sondern auch<br />
die Computerprogramme verstehen.<br />
Deshalb gibt es sie in 17 Sprachen.<br />
Packstationen eine<br />
Erfolgsstory<br />
Eine Erfolgsgeschichte habe DHL<br />
mit den Packstationen geschrieben,<br />
freut sich Silvia Voigt. Die<br />
Darmstädter haben daran einen<br />
großen Anteil. Die Packstationen,<br />
an denen Kunden rund um<br />
die Uhr Pakete abgeben oder abholen<br />
können, stehen inzwischen<br />
sogar in größeren Firmen.<br />
Dass ein Kunde sein Paketinzwischen<br />
vonder Abgabe bis zur Ankunft<br />
beim Adressaten im Internet<br />
verfolgen kann, ist eine weitere<br />
Leistung der IT-Mitarbeiter<br />
des DHL-Konzerns.„Wir machen<br />
die Highlights“ freut sich Silvia<br />
Voigt, die in Darmstadt auf eine<br />
enge Kooperation mit dem Softwareentwickler<br />
SAP setzt.<br />
Eine weitere Herausforderung<br />
ist die Vernetzung von DHL mit<br />
diversen Firmennetzwerken. Vorbei<br />
sind Zeiten, in denen jeder seine<br />
Pakete zur Post bringen musste.DHL<br />
holt Pakete bei Klein- und<br />
Großkunden ab und ist dort oft<br />
sogar mit eigenem Personal vertreten.<br />
Um den Versand so reibungslos<br />
wie möglich zu gestalten,<br />
müssen das Firmennetzwerk<br />
und das DHL-Netzwerk für den<br />
Versand aufeinander abgestimmt<br />
sein. Viele Firmen arbeiten mit eigener<br />
Software und nach eigenen<br />
Philosophien. Die muss von IT-<br />
Services verstanden und aufgenommen<br />
werden. „Die IT ist nicht<br />
so genormt wie Schrauben“, gibt<br />
Silvia Voigt<br />
Silvia Voigt wurde in Breisach geboren<br />
und nahm nach dem Abitur ein<br />
Studium bei der Post auf. Die gelernte<br />
Diplom-Verwaltungswirtin war<br />
zunächst Sachbearbeiterin, zeigte<br />
aber schon früh Interesse an der IT.<br />
1980/81 wechselte sie in diesen Bereich<br />
der Post und arbeitete an den<br />
ersten Programmen mit. Später betreute<br />
sie IT-Projekte,bevorsie in die<br />
Personalleitung der Post einstieg.<br />
2002 half sie, den neuen Bereich IT-<br />
Services zu gründen. Seit 2005 ist sie<br />
eine der Geschäftsführerinnen. Ihre<br />
Hobbys sind – neben ihrem Ehemann<br />
–Tennis und Lesen.<br />
[Person]<br />
Silvia Voigt zu bedenken.„Wir arbeiten<br />
an mehreren tausend Projekten“,<br />
schildert sie den Alltag<br />
bei IT-Services. Die Spezialisten<br />
im Haus könnten noch mehr machen.<br />
Doch es gibt Grenzen. „Vieles<br />
wäre technisch möglich, aber<br />
nicht alles ist wegen des Datenschutzes<br />
erlaubt.“<br />
Jedes Programm wird unter<br />
dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit<br />
entwickelt. „So gesehen<br />
sind wir der größte Kostensenker<br />
vonDHL“, sagt Silvia Voigt<br />
nicht ohne Stolz. DHL sieht das<br />
offenbar genauso. Denn Pläne,<br />
den eigenen IT-Service aufzugeben<br />
und mit dieser Arbeit externe<br />
Dienstleister zu beauftragen, sind<br />
erst mal wieder in der Schublade<br />
verschwunden.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 11<br />
VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />
Wenn es links zu einem<br />
Grandhotel geht, mit<br />
Sektempfang, Dinner,<br />
Whirlpool, einer Crew für erstklassigen<br />
Service und rechts mit<br />
dem Auto in die Wildnis, zuunbekanntenÜbernachtungsplätzen,<br />
vielleicht zu summenden<br />
Stechmücken, dann gibt es Menschen,<br />
die rechts abbiegen. Man<br />
nennt sie Camper.Aus dem lateinischen<br />
„campus“, das bedeutet<br />
„Feld“.Nicht zu verwechseln mit<br />
jener Spezies, die mit luxuriösen<br />
Wohnanhängern Campingplätze<br />
besiedeln, Vorzelte aufbauen,<br />
Geranienkästen aufstellen und<br />
ihr Vorgartenrevier abstecken –<br />
diese nennt man Dauercamper.<br />
Und Camper lassen sich mit ihnen<br />
nicht gern in einen Topf werfen.<br />
Markus Riese (41), Mitbegründer<br />
der erfolgreichen Darmstädter<br />
Fahrradmanufaktur Riese und<br />
Müller und sein Kumpel und Geschäftspartner<br />
Ben Wawra (40)<br />
sind solche Rechtsabbieger –aus<br />
Überzeugung. Sie lieben Freiheit<br />
unterm Sternenhimmel, neue Wege,<br />
sich im Urlaub treiben lassen<br />
und einfach dort über Nacht bleiben,<br />
wo immer man will. Und sie<br />
lieben kleine Busse, indie Surfbretter<br />
und Fahrräder hineinpassen,<br />
ein Gaskocher und eine Matratze.<br />
Der Maschinenbauingenieur<br />
Riese hat den VW-Bus schon<br />
als Kind erlebt. Spanien, Italien –<br />
Rieses waren zufünft unterwegs,<br />
im kleinen „Bulli“. Diesen liebevollen<br />
Spitznamen hatte das von<br />
Volkswagen erstmals als „Typ 2“<br />
gebaute, inzwischen bis zum T5<br />
vielfach modifizierte Kultmobil<br />
zuerst von Werksmitarbeitern erhalten,<br />
wegen seiner stämmigen<br />
Frontansicht.<br />
Noch mehr Buserfahrung<br />
bringt der Bauingenieur Ben<br />
Wawra mit. Der logierte am Anfang<br />
seines Studiums wegen des<br />
Mangels an Studentenbuden in<br />
Darmstadt gar komplett in einem<br />
Ford Transit. In fünf Jahren wurde<br />
aus der Notlösung ein Spaß und<br />
eine Lebensart: „Ich hatte immer<br />
staunenden Besuch“, erinnert<br />
sich Wawra.<br />
Keine Frage: die beiden wissen,<br />
wo beim Camping die Matratze<br />
zwickt, und wassich auf Dauer<br />
als praktisch erweist. Und sie haben<br />
ihr Hobby zum Beruf gemacht.<br />
Sie bauen in Darmstadt<br />
seit 2005 VW-Busse aus, die von<br />
ihren Erfahrungen zeugen. Die<br />
besser,praktischer und ein wenig<br />
schicker sein sollen als etwa das<br />
Serien-Campingmodell California,<br />
das bei VW-Nutzfahrzeuge in<br />
Hannover-Stöcken vom Band<br />
rollt. Wasimmer sie auch an den<br />
Produkten traditionsreicher Ausbauer<br />
wie Westfalia oder Reimo<br />
im nahen Egelsbach auszusetzen<br />
haben, wollen sie besser machen,<br />
mit ihrem Spacecamper, made in<br />
Darmstadt.<br />
Mit viel Handarbeit und<br />
Liebe fürsDetail<br />
Spacecamper heißt auch das Unternehmen<br />
mit derzeit zehn festen<br />
und zehn freien Mitarbeitern, darunter<br />
Schreiner und Kraftfahrzeugmechaniker.<br />
Mit reichlichem<br />
Einsatz vonHandarbeit fertigt man<br />
in der Haasstraße 4–gleich neben<br />
der Fahrradfabrik, die Riese mit<br />
Heiko Müller betreibt. Der Blick<br />
auf die Türme der benachbarten<br />
Markus Riese und Ben Wawra<br />
Moscheen weckt Fernweh, schon<br />
hier,wovon VW zum Vorzugspreis<br />
angelieferte Busse ihre praktische<br />
Campingausstattung erhalten. Es<br />
werden je nach individuellem<br />
Kundenwunsch allerlei Raffinessen<br />
eingebaut, vorallem das Dach<br />
für ein aufklappbares Hochdach<br />
aufgeschnitten. Dessen zeltartige<br />
Stoffwände lassen sich allein in der<br />
Spacecamper-Version so zusammenraffen,<br />
dass ein riesiger überdachter<br />
Freisitz in der Natur entsteht.<br />
IhreAutos sollen die Alltagstauglichkeit<br />
als Business-Mobil<br />
oder familienfreundlicher Sechssitzer<br />
behalten, so das Ziel vonRie-<br />
Der Maschinenbauingenieur Markus Riese (41) ist Konstrukteur<br />
des sportlichen und voll gefederten Klapprades<br />
„Birdy“, hergestellt vonRiese und Müller in Darmstadt. Mit<br />
seinem Kompagnon Heikeund Müller hat er noch im Studium<br />
1995 die Fahrradmanufaktur gegründet. Inzwischen<br />
wurden weltweit über 100000 seiner leichten Falträder aus<br />
dem Hochpreissegment verkauft. Fahrräder faszinierten<br />
Riese schon immer, genau so wie das Campen im VW-Bus.<br />
„Als Kind bedeutete mir das Fahrrad meine Unabhängigkeit,<br />
ich war immer mit dem Rad unterwegs“. Und auch geschraubt<br />
und experimentiert hat er schon immer gerne. Er<br />
ist im Paulusviertel aufgewachsen, studierte an der Darmstädter<br />
Universität und gründete 2005 mit seinem Freund<br />
und Geschäftspartner Ben Wawra den Wohnmobilausbau-<br />
[Personen]<br />
Abenteuer –<br />
made in Darmstadt<br />
Spacecamper – Die Darmstädter IngenieureMarkus Riese und Ben Wawra<br />
bauen VW-Busse zu besonders vielseitigen Wohnmobilen aus –Ziel: 300 Fahrzeuge im Jahr<br />
se und Wawra. Campingelemente<br />
sollen weder vonaußen besonders<br />
auffallen, noch innen stören. 62<br />
unter dieser Perspektiveausgebaute<br />
Autos haben die Halle im Vorjahr<br />
verlassen, der Umsatz der GmbH<br />
lag bei 2,3 Millionen Euro. In diesem<br />
Jahr sind die Ausbauer bereits<br />
bis August ausgebucht, Riese rechnet<br />
mit über 100Fahrzeugen.<br />
Die Darmstädter Campingtüftler<br />
sehen ihr Babynach Jahren der<br />
Etablierungsphase gerade in die<br />
Rationalisierungsphase krabbeln.<br />
„Wir brauchen täglich weniger<br />
Zeit für bestimmte Abläufe,spüren<br />
den Fortschritt“, sagt Wawra. Der<br />
Markt und die Kapazitäten von<br />
Spacecamper sollten langfristig bis<br />
zu 300 Fahrzeuge im Jahr hergeben,<br />
so der Traum der <strong>Macher</strong>.<br />
Es gibt vier Modellvarianten<br />
mit normalem und extralangem<br />
Radstand, sowie schier endlose<br />
Extrawünsche,die das Team erfüllen<br />
möchte. Familien, Geschäftsleute<br />
und Extremsportler gehören<br />
zu den Kunden, die für einen<br />
Spacecamper in der Einstiegsvariante<br />
„light“ ab 33 000 Euroausgeben,<br />
mit etwas Ausstattung sind es<br />
rasch 50 000 bis 60 000 Euro.<br />
Testsieger<br />
beim ADAC<br />
Im Januar hat der Automobilclub<br />
ADAC in seiner Freizeit-Mobil-<br />
Zeitschrift sechs kompakte Camper<br />
verglichen. Das stolze Ergebnis<br />
für Riese und Wawra: Ihr<br />
Spacecamper ist Testsieger mit<br />
schnellem Bettenumbau, bestem<br />
Schlafkomfort, bester Dinette –<br />
wie sich die multifunktionale Essecke<br />
im gehobenen Camperdeutsch<br />
nennt –und bestem Möbelbau,<br />
liest man auf der Homepage<br />
www.spacecamper.de.Doch<br />
was machen die Darmstädter andersals<br />
andere Ausbauer?<br />
„Unser Bett im Fahrzeugheck<br />
muss nicht erst im Fahrzeug verschoben<br />
werden, um es von der<br />
Bank zum Bett zu klappen“, beginnt<br />
Riese die Führung durch<br />
sein Produkt. Der Schlafplatz im<br />
Innenraum habe mehr an Schlafkomfort,<br />
Ruhe und Isolierung als<br />
im ausklappbaren Dachbett. Beide<br />
Kojen in Kombination bieten<br />
aber vier vollwertige Schlafplätze.<br />
Die Sitzbank sei zudem andersals<br />
betrieb Spacecamper.Hotelaufenthalte verbinde der Tüftler<br />
stets mit Arbeit, er kann beim Campen richtig ausspannen<br />
und würde die Klappbank stets der Luxussuite vorziehen.<br />
Riese ist seit kurzem Vater,liebt Sport in der Natur und spielt<br />
gern Gitarre.<br />
Der Bauingenieur Ben Wawra(40) liebt Nächte unter freiem<br />
Himmel, im Biwaksack in den Alpen fühlt er sich lebendig.<br />
„Gewitter auf 4000 Meter sind das Größte“, sagt er. Nicht<br />
allein die Geschäftsführung vonSpacecamper verbindet ihn<br />
mit Markus Riese. Sie kennen sich seit zehn Jahren, haben<br />
gemeinsam mehrere Abenteuerreisen erlebt. Wawra ist in<br />
Bensheim aufgewachsen und hat während seiner Studienzeit<br />
an der TU Darmstadt fünf Jahreineinem Bus gelebt. Er<br />
hat zwei Kinder –und eine Doktorarbeit im Wasserbau liegt<br />
in der Schublade. Esfehle nicht mehr viel, doch die Spacecamper-Produktion<br />
vermag ihn gerade mehr zu fesseln.<br />
bei vielen Mitbewerbern während<br />
der Fahrt nahe bei den Vordersitzen<br />
arretiert, statt im Heck –was<br />
Unterhaltungen ermögliche. Und<br />
sie biete darunter die variable<br />
Durchlademöglichkeit für Umzüge<br />
–oder für Surfbretter auf der<br />
Fahrt. Die Bank- und Bett-Elemente,die<br />
Spacecamper bei einem slowenischen<br />
Zulieferer bestellt,<br />
sind laut Riese leichter und komfortabler<br />
als die Serienbank und<br />
lassen sich mit 17 Kilo auch von<br />
Nichtbodybuildern handlich bewegen<br />
und herausnehmen.<br />
Besonders die Verarbeitung,<br />
der Klapptisch und Küchenelemente<br />
fallen auch dem Laien positiv<br />
ins Auge. Stabile Möbelbauplatten<br />
mit echtem Furnier fassen<br />
den schmalen Küchenblock. In<br />
die kleine Küchenversion mit Minispüle<br />
ist ein Outdoorkocher der<br />
bewährten Marke Trangia integriert,<br />
der sich auch auf Wanderungen<br />
im Rucksack mitnehmen<br />
lässt. Der Warmwassertank im<br />
Heck wird während der Fahrt<br />
durch die Motorabwärme geheizt,<br />
dank guter Isolierung habe man<br />
darin knallheißes Wasser über<br />
mindestens zwei Tage.Damit lässt<br />
sich dann auch eine Außendusche<br />
speisen: Heckklappe hoch, den<br />
integrierten Duschvorhang herunter,und<br />
fertig ist die Dusche im<br />
überdachten Vorraum.<br />
Ein schmutzabweisender, dennoch<br />
schicker Gummiboden zieht<br />
sich durch das ganze Fahrzeug.<br />
Die hölzerne WC-Brille, die sich<br />
toll kaschiert aus der Schiebetür<br />
zaubern lässt, mögen Nicht-Camper<br />
skurril finden, in Notfällen<br />
wird man sie schätzen lernen.<br />
Nach dem Prinzip vonEinwegwin-<br />
Ben Wawra und<br />
Markus Riese (von links).<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
deln lassen sich Kunststoffbeutel<br />
darunter ziehen, die man in der<br />
nächst erreichbaren Restmülltonne<br />
entsorgt. Spezielle Vorhänge<br />
machen das Mobil blickdicht,<br />
denn man campt ja nicht immer in<br />
der freien Prärie, sonder auch mal<br />
in Städten. Riese rät zur hellen<br />
Fahrzeuglackierung, damit sich<br />
das Mobil in Südländern nicht so<br />
sehr aufheize.Esscheint viel Herzblut<br />
und Tüftelei in den Spacecampern<br />
zu stecken. Und wenn die<br />
Sonne scheint, wird Campen zum<br />
Genussmoment; mit schönem<br />
Ausblick das Dach aufstellen und<br />
die Füße über die Windschutzscheibe<br />
baumeln lassen.<br />
Andere Basisfahrzeuge<br />
rasch verworfen<br />
Über andere Basisfahrzeuge haben<br />
Riese und Wawrazwarnachgedacht,<br />
diese aber verworfen.<br />
Bei den Volkswagen-Bussen<br />
stimmten die Qualität und der<br />
Wiederverkaufspreis, zudem seien<br />
sie kultig. Sie sind verbrauchsgünstig,<br />
dabei flink.<br />
Und so buhlen die Darmstädter<br />
Wohnmobilbauer mit ihrem<br />
schicken Spacecamper erklärtermaßen<br />
auch um Kunden, die<br />
(noch) keine Camper sind. Um<br />
Familien und Geschäftsleute, die<br />
viel unterwegs sind. Sie bieten<br />
Computer- und Büroausstattung,<br />
die den „Bully“ zum fahrenden<br />
Businessmobil machen. Mit dem<br />
man aber ganz spontan ausbrechen<br />
kann, wenn es mal wieder<br />
links ins Grandhotel geht und<br />
rechts das Abenteuer ruft. Mit<br />
diesem Fahrzeug scheint die Verlockung<br />
groß.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 12<br />
VON ILKA ENNEN<br />
Die Zeit als hauptberuflicherSpülmaschinenausräumer<br />
ist schon länger<br />
vorbei. Knapp dreieinhalb Jahre<br />
ist es her,dass Klaus Krumrey seinen<br />
Job als Hausmann aufgegeben<br />
hat und als Geschäftsführer<br />
der Congress Centrum GmbH<br />
nach Böblingen ging. Dort guckten<br />
ihn die Darmstädter Stadtoberen<br />
als Chef für eine ihrer Problemzonen<br />
aus: das neugebaute<br />
Wissenschafts- und Kongresszentrum.<br />
Der Ruheständler im<br />
Wartestand nahm das Angebot<br />
an. Seine Abschiedsvorstellung<br />
vom Berufsleben hatte sich der<br />
Karlsruher hübsch ausgedacht.<br />
Als neuer Geschäftsführer vom<br />
Darmstadtium wollte er die vornehmste<br />
Aufgabe übernehmen:<br />
Das Haus repräsentieren und an<br />
nationalen und internationalen<br />
Netzwerken spinnen, auf dass<br />
Darmstadt künftig ein Bauchnabel<br />
der Tagungswelt wird. Natürlich<br />
wusste Klaus Krumrey, dass<br />
seine Aufgabe über das Grußonkel-Dasein<br />
hinausgehen wird.<br />
Doch statt zu netzwerken, musste<br />
er vomersten TaganKrisen managen.<br />
Das Haus war offen, aber<br />
nichts fertig.<br />
Werbung im<br />
In- und Ausland<br />
Ein futuristisches Grau dominiert<br />
das Gebäude, doch für viele<br />
Darmstädter scheint es nur<br />
Schwarz oder Weiß bei der Betrachtung<br />
des Darmstadtiums zu<br />
geben: Für die einen ist es avantgardistische<br />
Vorzeigeimmobilie,<br />
für die anderen städtisches Millionengrab.<br />
Geschäftsführer Klaus<br />
„Defizitär,aber<br />
gewinnbringend“<br />
Darmstadtium – Kongresszentrum mit Öko-Appeal und optimaler Infrastruktur –<br />
Avantgardistische Vorzeigeimmobilie oder städtisches Millionengrab?<br />
Krumrey muss nicht nur Kunden<br />
in Deutschland und der Welt für<br />
sein Kongresszentrum gewinnen,<br />
sondern direkt vor der Haustür<br />
mit der Imagewerbung anfangen.<br />
„Die Darmstädter werden alle<br />
noch eingefangen“, verspricht er.<br />
Ein ehrgeiziges Ziel in begrenzter<br />
Zeitspanne. Ende des Jahres verabschiedet<br />
sich Krumrey in den<br />
Ruhestand. Mal wieder.<br />
Der Mann wirkt wie ein Farbtupfen<br />
im minimalistischen Farbdesign<br />
des Hauses. Der dunkle,<br />
sanft gestreifte Anzug bildet den<br />
Kontrast für ein Hemd von kräftigem<br />
lila. Eine robuste Goldkette<br />
hängt um den krawattenfreien<br />
Hals.Eine Kapitänsmütze,ein Geschenk<br />
seiner Mitarbeiter, hängt<br />
an der Garderobe.Die Aufgabe im<br />
Darmstadtium ist ein Gastspiel<br />
auf Zeit, dennoch fühlt er sich hier<br />
angekommen: „Ich bin hier zu<br />
Hause“, sagt Krumrey.<br />
Der Problemlöser gibt sich<br />
freundlich im Tonund bestimmt<br />
in der Aussage. Viele Baustellen<br />
hat er in den vergangenen zwei<br />
Jahren beseitigt. Nun geht es dar-<br />
um, das „publizistisch und in der<br />
Öffentlichkeitswahrnehmung<br />
stark angeschlagene“ Haus, das<br />
die Darmstädter ironisch-liebevoll<br />
„Schepp Schachtel“ nennen,<br />
nach außen positiv zu verkaufen.<br />
Hildegard Schoger, Krumreys<br />
Stellvertreterin, tourt mit Mitarbeitern<br />
durchs In- und Ausland<br />
und wirbt für ihre berufliche Heimat.<br />
Sie besucht Messen in Millionenstädten<br />
oder ködert Veranstaltungsagenturen,<br />
Verbände und<br />
große Unternehmen in Köln, Berlin<br />
und München mit interessan-<br />
ten Vortrags-Promis. Ein großes<br />
Ziel ist, das bisher kleinste Segment<br />
der internationalen Veranstaltungen<br />
zu pushen: von zehn<br />
Prozent in 2009 auf zwanzig Prozent<br />
in 2012.<br />
„Green Meetings“<br />
heißt das Zauberwort<br />
Richtig angeben kann das Darmstadtium<br />
in Sachen Umwelt.<br />
„Green Meetings“ heißt das Zauberwort<br />
der Branche, und beim<br />
Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz<br />
übernimmt das<br />
Darmstadtium als „Grünes Haus“<br />
nicht nur in Deutschland eine Vorreiterrolle.Das<br />
German Convention<br />
Bureau, die Vermarktungsorganisation<br />
des Tagungsstandortes<br />
Deutschland mit Sitz in Frankfurt,<br />
beschreibt das Darmstadtium als<br />
Multitalent, das in punkto Energieverbrauch<br />
auf Sparflamme<br />
läuft. Photovoltaikanlagen sorgen<br />
für Strom, Regenwasser spült die<br />
Toiletten, ein Holzhackschnitzel-<br />
Kraftwerk mit Holz aus dem nahegelegenen<br />
Odenwald und Spessart<br />
versorgt das Haus mit Heizung<br />
und Warmwasser. Der Öko-<br />
Appeal findet auch im Ausland<br />
Beachtung. Das Thema Nachhaltigkeit<br />
sei im Veranstaltungsgewerbe<br />
in den USAnoch höher angesiedelt<br />
als in Europa, sagt Hildegard<br />
Schoger. „Wir waren der<br />
Renner für die Amerikaner.“ Auch<br />
was die Veranstaltungstechnik<br />
angeht, ist das Darmstadtium auf<br />
dem neuesten Stand. Selbst IT-Unternehmen<br />
seien begeistert von<br />
der Ausstattung. „Hier gibt es keine<br />
Verkabelungsorgien. Die Infrastruktur<br />
lässt keine Wünsche offen“,<br />
sagt Schoger.<br />
230 Veranstaltungen sind für<br />
2010 bereits gebucht. Krumrey ist<br />
sicher, dass es ein besseres Jahr<br />
wird als das vergangene, das ihm<br />
mit einer mauen zweiten Hälfte<br />
die Bilanz verhagelt hat. Zu den<br />
2,4 Millionen Euro Finanzaufwand<br />
aus Zins und Tilgung summierte<br />
sich der operativeBetriebsverlust<br />
von1,7 Millionen Euroauf<br />
einen städtischen Zuschussbedarf<br />
von 4,1 Millionen. 2010 rechnet<br />
Krumrey mit einem operativen<br />
Minus von 1,2 Millionen Euro.<br />
Dass das Haus irgendwann in die<br />
Gewinnzone kommt, hält der Geschäftsführer<br />
für ausgeschlossen.<br />
„Wir haben uns mit vielen Städten<br />
verglichen, die haben alle<br />
schöne Defizite“, sagt Krumrey.<br />
„Kein Kongresszentrum in<br />
Deutschland schreibt schwarze<br />
Zahlen.“ Schlimm findet er das<br />
nicht. Seine Rechnung geht den-<br />
Zahlen und Fakten<br />
Das Wissenschafts- und Kongresszentrum<br />
verfügt über eine<br />
Gesamtfläche von 18000 Quadratmetern.<br />
Der Kongresssaal<br />
„Spectrum“ mit bis zu 1677<br />
Sitzplätzen und einer Deckenhöhe<br />
vonrund 14 Metern kann<br />
in zwei oder drei Säle geteilt<br />
werden. Mit Hubpodien können<br />
die Höhen der Sitzplätze<br />
variiert werden. Darüber hinaus<br />
gibt es 18 flexibel kombinierbare<br />
Konferenzräume für<br />
insgesamt bis zu 1300 Personen.<br />
Größte Veranstaltungen<br />
waren nach Unternehmensangaben<br />
2009 die „Touristica“ mit<br />
18 000 Besuchern, die Unternehmenskontaktmesse<br />
für Studenten<br />
„Konaktiva“ (14 500),<br />
der „Tag der Vereine“ (13 000)<br />
und die Hochschul- und Berufsinformationstage<br />
für Schüler<br />
„Hobit“ (12 000).<br />
[Infobox]<br />
noch auf. Das Darmstadtium ist<br />
„defizitär,aber gewinnbringend“,<br />
sagt Krumrey und bedient sich dabei<br />
der prägnanten Formulierung<br />
eines FAZ-Redakteurs. Nur beim<br />
ersten Hören sei das ein Widerspruch.<br />
Das Haus generiere Umsatz<br />
und Wertschöpfung für die<br />
Stadt, seine Gastronomie, Hotel-<br />
lerie und die Geschäfte. Wie viel<br />
genau, das soll das Europäische<br />
Institut für Tagungswirtschaft in<br />
Wernigerode ausrechnen. Noch<br />
vor den Sommerferien wollen die<br />
Verantwortlichen das Ergebnis<br />
verkünden. Mit einem Kaufkraftzufluss<br />
von 20 Millionen Euro<br />
rechnet der Geschäftsführer.<br />
Zu wenig Hotelbetten<br />
in Darmstadt<br />
Aus seiner Sicht könnte es auch<br />
mehr sein, wenn es da nicht eine<br />
Wachstumsbremse gäbe: das unzureichende<br />
Bettenangebot in der<br />
Stadt. Mit der Hartnäckigkeit eines<br />
Wadenbeißers fordert Krumrey<br />
ein weiteres Drei- oder Vier-<br />
Sterne-Haus. Offensichtlich hat<br />
die Penetranz Erfolg: „Die Diskussion<br />
ist angeregt“, sagt er. Fakten<br />
hat derweil HildegardSchoger geschaffen.<br />
Sie hat dem Veranstalter<br />
des Ärztekongresses mitgeteilt,<br />
dass er die Anzahl an Betten bekommt,<br />
die er für seine Tagung<br />
2014 braucht: 1400 Besucher<br />
werden erwartet.<br />
Klaus Krumrey<br />
wird dann nicht mehr<br />
der erste Mann vorOrt<br />
sein. Über seine Nach-<br />
folge wirdam21. April<br />
entschieden. Die Stellvertreterin<br />
hat sich beworben.<br />
Bis dahin hat<br />
Krumrey noch einiges<br />
zu tun. Er will das unselige<br />
Kapitel um die<br />
Baukosten schließen,<br />
die Finanzsituation<br />
klären und Personalfragen<br />
lösen. Auf dass<br />
sich der neue Geschäftsführer<br />
um die<br />
vornehmste Aufgabe<br />
kümmern kann: repräsentieren<br />
und netzwerken.<br />
Dass Krumrey dann<br />
zu Hause in Karlsruhe<br />
Grashalme zählt, ist<br />
unwahrscheinlich.<br />
„Wenn es nach anderenginge,wäreich<br />
bis<br />
2012 wieder verplant.<br />
Aber es gibt noch ein<br />
Leben vor dem Tode“,<br />
sagt der 68-Jährige.<br />
Nach seinem Empfinden<br />
hat Krumrey noch<br />
32 Jahre Zeit für Dinge,<br />
die ihm wichtig<br />
sind. Er will vor allem<br />
reisen. Den Kilimandscharo<br />
besteigen und<br />
zum Basislager des<br />
Mount Everest stapfen.<br />
BoraBoraund die<br />
Galapagosinseln sehen.<br />
Durch Wüstensand<br />
stiefeln. Ohne Handy. Ohne<br />
Laptop. Unerreichbar sein für die<br />
Mühen dieser Welt. Krumrey bekommt<br />
glänzende Augen, wenn<br />
er davon spricht. Nebenher wird<br />
er sich noch ein bisschen Taschengeld<br />
verdienen als Berater. Beim<br />
Tagessatz von 1500 Euro ist er offen<br />
für vieles.<br />
Geschäftsführungsduo:<br />
Hildegard Schoger und<br />
Klaus Krumrey.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 13<br />
Computer<br />
und Technik<br />
Geld & Finanzen<br />
»Ein Bankier ist ein<br />
Mensch, der seinen<br />
Schirm verleiht, wenn<br />
die Sonne scheint,<br />
und ihn sofort zurückhaben<br />
will, wenn es<br />
zu regnen beginnt.«<br />
Mark Twain, US-Schriftsteller<br />
Seite 16<br />
VonPrivat an Privat<br />
Online-Kreditbörsen erfreuen<br />
sich regen Zuspruchs.<br />
Doch Verbraucherschützer<br />
sind bei diesen Plattformen<br />
für frisches Geld skeptisch.<br />
Seite 17<br />
Ende der Langeweile<br />
WerinAktien investiert hat,<br />
schaut aktuell wieder mehr<br />
auf die Ausschüttung: Gute<br />
Rendite mit gebremstem<br />
Risikoeben.<br />
Seiten 18 +19<br />
Krisenfeste Anlage<br />
Absolute Sicherheit steht bei<br />
vielen Anlegern längst ganz<br />
weit oben. Mit Bundeswertpapieren<br />
kann man ruhig<br />
schlafen und gut kassieren.<br />
Seite 20<br />
Reif für die Börse?<br />
Wersein Eigenkapital stärkenund<br />
wachsen will, der<br />
denkt womöglich auch an<br />
ein Going Public.Doch dabei<br />
gibt es einiges zu beachten.<br />
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Kultur und<br />
Exkursionen<br />
Seite 15<br />
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Thema Mittelstandsfinanzierung FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 14<br />
Tiefe Spuren in den Unternehmen<br />
hat die schwerste<br />
Wirtschaftskrise seit Bestehen<br />
der Bundesrepublik hinterlassen.<br />
Das Schlimmste scheint<br />
überstanden –aber für Entwarnung<br />
ist es nochzufrüh. Zwar<br />
kommen Firmen bei den<br />
Banken in Deutschland wieder<br />
einfacher an Geld. Zum dritten<br />
Mal in Folgeist die sogenannte<br />
Kredithürde für die gewerbliche<br />
Wirtschaftgesunken, wie<br />
das IfoInstitut für Wirtschaftsforschung<br />
mitgeteilt hat.<br />
Dennochkann es hier weiter<br />
Probleme geben, die einen<br />
nachhaltigen Aufschwung<br />
bremsen. In einigen Beiträgen<br />
beleuchten wir nachfolgend<br />
das Thema vor allem aus<br />
südhessischer Perspektive.<br />
Kreditversorgung<br />
für den Mittelstand<br />
istsichergestellt<br />
Sparkasse Darmstadt – Vorstandschef Georg Sellner sieht keine<br />
ungewöhnlichen Engpässe –„Partnerschaftliches Miteinander“<br />
GeorgSellner (57) arbeitet seit 25 Jahren<br />
als Sparkassenvorstand. Erst im Odenwald,<br />
seit rund sieben Jahren als Vorstandschef<br />
in Darmstadt. Darüber hinaus<br />
ist Sellner in diversen Funktionen des Verbandes<br />
tätig, beispielsweise als Landesobmann<br />
aller hessischen/thüringischen<br />
Sparkassenvorstände und stellvertretender<br />
Bundesobmann.<br />
Georg Sellner FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Frühlingserwachen<br />
auch in der Konjunktur.<br />
Die Jobkrise ist bislang<br />
weitgehend ausgeblieben. Aber<br />
im südhessischen Mittelstand<br />
herrscht Unsicherheit und zum<br />
Teil Angst, dass das Geld zur Finanzierung<br />
des anziehenden Geschäftes<br />
2010 ausgeht. Ist das berechtigt?<br />
GEORG SELLNER: Die Einschätzung<br />
zur weiteren wirtschaftlichen<br />
Entwicklung ist sicher nicht<br />
ohne Grund von einer gewissen<br />
Skepsis geprägt. Der Mittelstand<br />
hat jedoch einen Vorteil gegenüber<br />
größeren Unternehmen: Er<br />
weiß, dass er in der Frage Kreditversorgung<br />
keine Probleme zu befürchten<br />
hat.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Das müssen<br />
Sie sagen. Ist dem wirklich so?<br />
SELLNER: Das ist meine feste<br />
Überzeugung. Denn der Mittelstand<br />
profitiert davon, dass er seine<br />
Kredite im Wesentlichen von<br />
den Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />
bekommt. Und die<br />
sind in jeder Beziehung leistungsfähig.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Andererseits<br />
kommen jetzt langsam die<br />
Bilanzen 2009 auf den Tisch, die<br />
bisweilen Zeugnisse des Schreckens<br />
sein dürften. Wie gehen die<br />
Institute dann mit solchen Firmen<br />
um bezüglich neuer Kredite?<br />
SELLNER: Es gibt ja ein differenziertes<br />
Bild auch in der Wirtschaft.<br />
Etwaein Drittel der Unternehmen<br />
ist kaum berührt vonder<br />
aktuellen Wirtschaftskrise.40bis<br />
45 Prozent sind von der Krise<br />
durch Umsatz- und Gewinneinbrüche<br />
stärker betroffen, werden<br />
die Krise aber aus eigener Kraft<br />
bewältigen. Und dann gibt es so<br />
etwa25Prozent, die sich schwertun.<br />
Es ist häufig produzierendes<br />
Gewerbe, meistens exportorientiert.<br />
Davon sechs Prozent sind<br />
akut gefährdet. So differenziert<br />
ist dann auch das Bild bei Kreditanfragen.<br />
Sparkassen und Volksbanken,<br />
die viele Jahre mit den<br />
Unternehmen partnerschaftlich<br />
verbunden sind, werden diese sicher<br />
nicht im Stich lassen, wenn<br />
die Bilanzen mal zwei Jahre<br />
schwächer sein sollten, die Perspektiven<br />
des Unternehmens<br />
aber gut sind.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Aber,dass<br />
sich gar nichts tut, ist doch unwahrscheinlich,<br />
oder?<br />
SELLNER: Man wird sicher genauer<br />
hinschauen, mehr Fragen<br />
stellen als in der Vergangenheit.<br />
Worauf ist die Verlustsituation<br />
konkret zurückzuführen? Was<br />
kann der Unternehmer selbst zur<br />
Verbesserung der Liquidität beitragen?<br />
Ist auf Basis einer realen<br />
Planung die Kapitaldienstfähigkeit<br />
in einem vertretbaren Zeitraum<br />
wieder zu erreichen? Sind<br />
die Produkte weiterhin wettbewerbsfähig?<br />
Wenn es nur annäherungsweise<br />
Chancen gibt, die Krise<br />
zu meistern, dann wird man<br />
einen solchen Kunden auch weiter<br />
begleiten.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Sie haben<br />
die Einschränkung gemacht,<br />
wenn es etwas schwächer laufen<br />
sollte.Was ist mit Firmen, die vom<br />
Markt eigentlich schon verabschiedet<br />
wurden, die Geschäftsführung<br />
das aber noch nicht bemerkt<br />
hat?<br />
SELLNER: Das gibt es ja in jeder<br />
Wirtschaftsphase, Einzelfallprobleme,die<br />
nicht lösbar sind. Wo ein<br />
Unternehmen keine Zukunft hat.<br />
Dies wird dann in der Krise<br />
schneller offenkundig. Wenn jemand<br />
vor der Wirtschaftskrise<br />
schon in seiner Existenz gefährdet<br />
war, wird esjetzt natürlich ganz<br />
schwierig.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Die deutschen<br />
Unternehmen sind international<br />
betrachtet vonder Eigenkapitalseite<br />
eher schwach positioniert.<br />
SELLNER: Das ist so. Die durchschnittliche<br />
Eigenkapitalquote<br />
liegt bei etwa 14Prozent. Das ist<br />
wenig, die Quote hatte sich 2008<br />
aber um knapp zwei Prozentpunkte<br />
verbessert.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Waswäre<br />
eine gute Quote?<br />
SELLNER: 20 bis 25 Prozent, das<br />
hängt aber auch von der Branche<br />
ab.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie steht<br />
es denn um die Kreditkonditionen,<br />
wenn einerseits das Ausfallrisiko<br />
der Bank steigt und auch deren Eigenkapitalanforderungen?<br />
SELLNER: Wir haben in der Konditionspolitik<br />
nur marginale risikoorientierte<br />
Anpassungen vorgenommen.<br />
Dies hat sicher auch etwas<br />
damit zu tun, dass wir als<br />
Sparkasse Darmstadt eine sehr<br />
gute Eigenkapitalausstattung und<br />
eine gute Refinanzierungsbasis<br />
über Kundeneinlagen haben.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Gibt es da<br />
breiten Konsens der sechs Südhessen-Sparkassen<br />
zum Procedere?<br />
SELLNER: Alle wissen um ihre<br />
Verantwortung für den Mittelstand,<br />
sind sehr solide unterwegs,<br />
so dass dies für alle gilt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wirdesin<br />
diesem Kontext eine Neuauflage<br />
der Mittelstandsoffensive geben?<br />
SELLNER: Wir haben uns vorwenigen<br />
Tagen darauf geeinigt. Und<br />
wir senden dabei auch das Signal<br />
aus, dass wir gemeinsam auch<br />
größere Kunden bedienen können.<br />
Dazu wurden konkrete Absprachen<br />
getroffen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Bis zu<br />
welchen Volumina?<br />
SELLNER: Da sind auch 20 bis 30<br />
Millionen durchaus zu stemmen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Woranvor<br />
allem drohen denn Kreditgespräche<br />
überhaupt zu scheitern? Was<br />
sind Kardinalfehler der Firmen?<br />
SELLNER: Der Grad der Transparenz<br />
muss in kniffligen Fällen natürlich<br />
entsprechend erhöht werden.<br />
Wegschauen oder Leugnen<br />
von Problemen und Vorlage von<br />
intransparenten, veralteten und<br />
nicht auswertbaren Unterlagen<br />
gefährden den Erfolg jedes Kreditgespräches.<br />
Kooperation und Be-<br />
reitschaft, eigenes finanzielles Risikoeinzugehen,<br />
sind vertrauensstiftend<br />
und positive Faktoren.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Haben Sie<br />
denn den Eindruck, dass es genügend<br />
nachhaltige Geschäftsmodelle<br />
gibt oder innovativeAnsätze<br />
auf der Produktseite? Dass die Unternehmen<br />
mehr zu bieten haben<br />
als früher?<br />
SELLNER: Vieles wird weiter extrapoliert.<br />
Das ist vielleicht gar<br />
nicht so falsch. Zukunftsstrategien<br />
sollten durchaus eng am<br />
Kerngeschäft dran bleiben. In prekärer<br />
Lage zu viel Kapital in problematischen<br />
Innovationen zu<br />
verbrauchen, ist nicht gut. Das<br />
Kerngeschäft muss man erst mal<br />
optimieren. Darauf aufbauend<br />
müssen die nächsten Schritte folgen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Andersherum:<br />
War die Krise insofern<br />
fruchtbar, als Schwachpunkte rascher<br />
und schonungsloser offengelegt<br />
wurden?<br />
SELLNER: Das sehe ich anders.<br />
Auf solche extremen Entwicklungen<br />
kann sich ein Unternehmen<br />
nur schwer einstellen. Substanz,<br />
Eigenkapital in guten Phasen aufzubauen,<br />
das ist von großer Bedeutung.<br />
Eigenkapital ist nicht<br />
nur bei Banken wichtig, sondern<br />
auch bei mittelständischen Unternehmen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Neben<br />
dem klassischen Kredit gibt es ja<br />
auch Mittel der KfW, die aber offenbar<br />
von den Sparkassen mit<br />
spitzen Fingern angefasst werden,<br />
weil man wenig daran verdient.<br />
Ist dem noch so?<br />
SELLNER: Es gibt da bei uns überhaupt<br />
keine Vorbehalte. Die Risikotoleranz<br />
der KfW ist zum Teil<br />
geringer als die der Sparkassen.<br />
Die Möglichkeiten, über KfW-Mittel<br />
ein Unternehmen zu stabilisieren,<br />
werden von uns voll ausgeschöpft.<br />
Wir haben deutlich über<br />
100Millionen solcher Mittel in der<br />
Bilanz stehen. Ein Mittelständler<br />
aber braucht stets eine mittelständische<br />
lokale Bank als Hauptbankverbindung.<br />
Das ist die beste<br />
Grundlage für eine langfristig sichere<br />
Finanzierung.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Andere<br />
Finanzierungen wie etwaein Börsengang<br />
sind also keine echten Alternativen?<br />
SELLNER: Das ist eine Nische,<br />
wie man auch in Südhessen sieht,<br />
abgesehen von der Phase des<br />
Neuen Marktes. Für die meisten<br />
ist das keine wirkliche Option.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Angeblich<br />
tickt eine Zeitbombe bei Mezzaninen-Programmen,<br />
also einer Mischung<br />
aus Fremd- und Eigenkapital.<br />
Haben Sie diese Befürchtung<br />
auch?<br />
SELLNER: Das wirdsosein. Wenn<br />
die Fälligkeiten kommen bei zugleich<br />
schlechteren Bilanzen kann<br />
das ganz schnell zu einem Problem<br />
werden. Ohne stabile Hausbankverbindung<br />
kann ein Unternehmen<br />
dann sehr schnell in größere<br />
Schwierigkeiten kommen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Haben Sie<br />
solche Kandidaten im Haus?<br />
SELLNER: Mir ist kein konkreter<br />
Fall bekannt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie viele<br />
Gewerbekunden haben Sie, wie<br />
viele Unternehmenskredite ausgegeben?<br />
SELLNER: Wir haben knapp 1,5<br />
Milliarden Kredite an Unternehmen<br />
zugesagt, davonsind aktuell<br />
1,25 Milliarden in Anspruch genommen.<br />
Und das bei insgesamt<br />
etwa15000 Gewerbekunden.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Das böse<br />
Wort vonder Kreditklemme –alle<br />
reden über sie,aber keiner hat sie<br />
gesehen, ähnlich wie das Ungeheuer<br />
vonLoch Ness –ist also für<br />
Südhessen nicht wirklich ein Thema?<br />
SELLNER: Das wird deutlich<br />
überstrapaziert. Es gibt jedoch<br />
Unternehmen, die noch nicht kapitalmarktfähig<br />
sind, aber auf größereKredite<br />
der Geschäftsbanken<br />
angewiesen sind. Für die mag es<br />
ein solches Problem geben. Denn<br />
diese Banken haben sich wegen<br />
dünner Eigenkapitaldeckeund erhöhter<br />
Risiken teilweise aus diesem<br />
Geschäft zurückgezogen. Die<br />
Politik sollte hier zum Beispiel<br />
über die KfW die staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten<br />
klar<br />
auf die Unternehmen direkt ausrichten<br />
und nicht weitere Bankenhilfen<br />
organisieren.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Sie denkenanCommerzbank/Dresdner?<br />
SELLNER: Zum Beispiel. Vonkeiner<br />
der früheren Mittelstandsbankenist<br />
mehr viel geblieben.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Aber<br />
spuckt nicht auch Ihnen und den<br />
Genossenschaftsbanken Berlin<br />
jetzt in die Suppe mit der Bankenabgabe?<br />
Wird das unmittelbar<br />
Auswirkungen zeitigen auf Ihre<br />
Kreditvergabe?<br />
SELLNER: Das Problem in der Finanzindustrie<br />
wirddamit nicht gelöst.<br />
Die richtige Schlussfolgerung<br />
aus der Finanzkrise wäre es doch,<br />
diejenigen stärker zu belasten und<br />
zu regulieren, die risikoreiche internationale<br />
Finanzgeschäfte machen<br />
oder wegen ihrer Größe für<br />
die ganze Volkswirtschaft ein Systemrisiko<br />
darstellen. Das sind weder<br />
die Sparkassen noch die Genossenschaftsbanken.<br />
Selbst mit<br />
einer Bankenabgabe wird esfür<br />
unser Haus aber zu keiner veränderten<br />
Kreditpolitik kommen; für<br />
andereschließe ich dies allerdings<br />
nicht aus.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: 2010 wird<br />
also eine solide Geschichte. Oder<br />
lauert noch Risikopotenzial?<br />
SELLNER: In Südhessen kann ich<br />
kein Damoklesschwert erkennen,<br />
das 2010 über uns schwebt. Wir<br />
selbst sind optimistisch, werden<br />
auf keinen Fall in eine Situation<br />
kommen, in der wir unserer Verantwortung<br />
für den Mittelstand<br />
nicht gerecht werden können.<br />
Das Interviewführte<br />
Achim Preu
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 15<br />
VON SILKE JUNGBLUTH-SEPP<br />
In den vergangenen Monaten<br />
hatten Christian Leisler und<br />
Anton Eichenauer einen randvollen<br />
Terminkalender: Rund ein<br />
halbes Dutzend ausführliche Gespräche<br />
mit der Bank, dazu zahlreiche<br />
Mails und Telefonate –bis<br />
alle Details ausgehandelt waren<br />
und die beiden Geschäftsführer<br />
der Pfungstädter Malzfabrik<br />
Rheinpfalz im Februar ihreUnterschrift<br />
unter ihren Kreditvertrag<br />
setzen konnten, gab es viel Abstimmungsbedarf.<br />
Doch damit<br />
nicht genug. Schon vorab, so Leisler,<br />
„haben wir zu-<br />
sätzlich mindestens zehn Gespräche<br />
mit insgesamt drei Banken geführt,<br />
um für unser Projekt den<br />
richtigen Finanzierungspartner<br />
zu finden“. Ganz abgesehen von<br />
unzähligen Verhandlungen rund<br />
um die Auftragsvergabe.<br />
Neues Weichhaus<br />
für rund 1,5 Millionen<br />
Dieses Engagement hat sich für<br />
das mittelständische Unternehmen<br />
gelohnt: Bis zum Sommer<br />
wird die Malzfabrik ein neues<br />
Weichhaus bekommen, als Ersatz<br />
für die in die Jahre gekommene<br />
alte Produktionsanlage. Auf dem<br />
Betriebsgelände in Pfungstadt<br />
wird bereits emsig gebaut. Rund<br />
1,5 Millionen Euro investiert das<br />
inhabergeführte Unternehmen in<br />
das Zukunftsprojekt – und die<br />
Volksbank Darmstadt/Kreis Bergstraße<br />
steuert gemeinsam mit der<br />
Förderbank KfW einen großen Teil<br />
dieser Summe bei. „Das Weichhaus<br />
ist eine klassische Ersatzinvestition<br />
und dient der Standortsi-<br />
Mittelstands-Tisch:<br />
Michael Mahr,Vorstand der Volksbank Darmstadt/Kreis Bergstraße (links)<br />
und sein KollegeAlexander Schütz (rechts)<br />
mit den Vertretern der Malzfabrik Rheinpfalz,<br />
Anton Eichenauer (zweiter von links)<br />
und Christian Leisler.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Ohne gutes<br />
Kreditmarketinghaben<br />
die Firmen schlechte Karten<br />
Mittelstandsfinanzierung – Fallbeispiel Malzfabrik Rheinpfalz in Pfungstadt –<br />
Volksbank Darmstadt/Kreis Bergstraße geht stets vor Ort, um alles zu verstehen<br />
cherung“, so Leisler. Der Neubau<br />
komme kaum teurer als eine Renovierung<br />
der alten Anlage und<br />
die aktuell niedrigen Zinsen hätten<br />
die Investitionsentscheidung<br />
begünstigt. Die 20 Mitarbeiter des<br />
1866 gegründeten Traditionsunternehmens,<br />
das seit 1922 als<br />
Malzfabrik Rheinpfalz GmbH firmiert,<br />
dürften sich ebenfalls über<br />
das neue Weichhaus freuen: Es<br />
gehe einzig um Qualitätssicherung,<br />
nicht um Stellenabbau oder<br />
Rationalisierungseffekte,betonen<br />
die Geschäftsführer.<br />
Klassisch ist ein solches Investitionsprojekt<br />
auch für die<br />
Volksbank Darmstadt/Kreis Bergstraße,<br />
die sich bei<br />
Gewerbekrediten<br />
auf kleine und<br />
mittlere Unternehmen<br />
in<br />
Südhessen<br />
konzentriert –<br />
und daher<br />
Mittelständler<br />
vom Handwerksbetrieb<br />
bis eben hin<br />
zur Mälzerei<br />
in der Kundenkartei<br />
hat. Damit<br />
es zwischen<br />
Bank<br />
und Unternehmen<br />
in Sachen<br />
Kredit gut<br />
klappt, ist laut Volksbank-Vorstand<br />
Michael Mahr vor allem eines<br />
wichtig: „Wir müssen verstehen,<br />
was das Unternehmen überhaupt<br />
macht und warum investiert<br />
werden soll“, sagt er.<br />
Im Fall des Weichhauses war<br />
das für Alexander Schütz, Bereichsleiter<br />
Firmenkunden bei der<br />
Volksbank, eine besondere Herausforderung.<br />
„Mit der Malzproduktion<br />
hatte ich mich vorher<br />
noch nicht beschäftigt“, sagt er.<br />
Also musste er dazulernen:<br />
„Christian Leisler und Anton Eichenauer<br />
haben mich zwei Stunden<br />
lang durch die Fabrik geführt,<br />
damit ich alles kennenlerne“, erinnert<br />
er sich. Dabei fand er nicht<br />
nur heraus, was ein Weichhaus<br />
ist, sondern auch wie das Mälzen<br />
funktioniert: Die Braugerste wird<br />
eingeweicht, damit ihr Wassergehalt<br />
von 13auf 38 Prozent steigt.<br />
Danach kommt sie für einige Tage<br />
zum Keimen in Keimkästen und<br />
wird schließlich auf der Darre getrocknet,<br />
bis sie nur noch vier Prozent<br />
Wassergehalt hat. Fertig ist<br />
das Malz, von dem in Pfungstadt<br />
jährlich rund 30 000 Tonnen produziert<br />
werden, die an regionale<br />
Brauereien, aber auch an nationale<br />
und internationale Abnehmer<br />
gehen. Fast 40 000 Tonnen Gerste<br />
werden dafür benötigt.<br />
Zahlen spielen<br />
die Hauptrolle<br />
Einen solchen Besuch vorOrt machen<br />
Volksbank-Mitarbeiter bei allen<br />
Kreditentscheidungen, sagt<br />
Schütz: „Wir gehen immer zu den<br />
Kunden, um uns ein Bild zu machen.“<br />
In erster Linie spielen bei<br />
einer Kreditvergabe aber natürlich<br />
die Zahlen eine Rolle: aktuelle betriebswirtschaftliche<br />
Daten und<br />
aussagefähige Planungsrechnungen.<br />
Bei der Kreditentscheidung<br />
folgt die Bank laut Schütz einer<br />
„klaren Strategie“ in zwei Schritten<br />
–egal ob es um kleine oder<br />
große Firmen, um kleine oder große<br />
Summen geht. Zunächst wird<br />
die Kreditwürdigkeit geprüft, also<br />
ob das Unternehmen wirtschaftlich<br />
in der Lage ist, den Kapitaldienst<br />
zu leisten. „Diese Prüfung<br />
muss immer positiv ausfallen“.<br />
Im zweiten Schritt geht es um die<br />
Sicherheiten. Hapert es hier,könne<br />
man die KfW oder die Bürgschaftsbank<br />
Hessen einbeziehen, sagt<br />
Schütz. Auf Branchenratings legt<br />
die Volksbank nach seinen Angaben<br />
weniger Gewicht: „Es gibt in<br />
jeder schlechten Branche gut laufende<br />
Unternehmen und<br />
in jeder guten Branche schlechte<br />
Unternehmen.“ Deshalb gehe es<br />
der Bank immer um eine individuelle<br />
Einschätzung der Firmen,<br />
nicht zuletzt aus Eigeninteresse:<br />
„Schließlich wollen wir auch in<br />
kritischen Branchen Geld verdienen.“<br />
Für die Malzfabrik Rheinpfalz<br />
musste Schütz’ Team ohnehin<br />
einen eigenen Maßstab finden: „Es<br />
gibt nur 40 Mälzereien in Deutschland,<br />
da kommt man mit einem<br />
Branchenschlüssel nicht weit“,<br />
sagt Geschäftsführer Christian<br />
Leisler. Und noch etwas passt bei<br />
dieser Mälzerei nicht in den Branchentrend:<br />
Zwar sei der Bierkonsum<br />
bundesweit seit Jahren rückläufig,<br />
die Auftragsbücher in<br />
Pfungstadt aber trotzdem gut gefüllt,<br />
so Leisler. Die aktuelle Wirtschaftskrise<br />
ist ebenfalls nicht angekommen.<br />
„Unser Geschäft ist<br />
antizyklisch, wir arbeiten mit langfristigen<br />
Verträgen.“ Frühestens<br />
2011,wenn wieder neu mit den Ab-<br />
nehmern verhandelt wird, rechnet<br />
er deshalb mit Auswirkungen der<br />
Krise –wenn überhaupt.<br />
Dies alles offen zu kommunizieren<br />
und alle Details, angefangen<br />
vonden Zahlen über die Produkte<br />
und die Branche bis hin<br />
zum Sinn der geplanten Investition<br />
der Bank gegenüber ehrlich<br />
und verständlich darzustellen,<br />
ist nach Ansicht von Leisler der<br />
Königsweg zum Erfolg. „Ohne<br />
gutes Kreditmarketing von Firmenseite<br />
geht es heute nicht<br />
mehr“, sagt er. Deshalb ist er<br />
auch überzeugt, dass viele Firmenchefs,<br />
die über eine zu restriktive<br />
Haltung ihrer Bank klagen,<br />
einfach schlecht kommunizieren.<br />
Oder schlicht die Chemie<br />
zwischen Unternehmer und<br />
Bankberater nicht stimmt. Die<br />
Entscheidung für die Volksbank,<br />
die vorher nicht ihre Hausbank<br />
war, haben laut Eichenauer viele<br />
Faktoren beeinflusst –auch personenabhängige:<br />
„Wir fühlten<br />
uns gut aufgehoben, uns hat der<br />
Mix aus guter Beratung, Interesse<br />
und Kompetenz überzeugt“. Und<br />
natürlich die Konditionen.<br />
KfW-Unternehmerkredit<br />
eingebunden<br />
In die Finanzierung des Weichhauses<br />
hat die Volksbank die<br />
KfW eingebunden –über das speziell<br />
für Mittelständler aufgelegte<br />
Programm „KfW-Unternehmerkredit“.Dieses<br />
kann laut KfW für<br />
Investitionen, aber auch für Betriebsmittelkredite<br />
eingesetzt<br />
werden. „Der KfW-Unternehmerkredit<br />
ist in der Mittelstandsfinanzierung<br />
das gängigste Programm“,<br />
sagt Schütz. Mit einer<br />
Laufzeit zwischen fünf und 20<br />
Jahren eröffnet es zwei Wege: Die<br />
KfW refinanziert den Banken den<br />
Kredit komplett –kann zusätzlich<br />
aber auch bis zur Hälfte mit<br />
für das Darlehen haften, wenn es<br />
an Sicherheiten fehlt. Oder wenn<br />
es, wie im Fall der Malzfabrik,<br />
strategisch sinnvoll ist, vorhandene<br />
Sicherheiten für mögliche<br />
spätere Investitionen zurückzuhalten.<br />
Vorteil für den Kunden in<br />
allen Fällen: Er profitiert von der<br />
KfW-Refinanzierung durch niedrige<br />
Kreditzinsen, die an ihn weitergegeben<br />
werden, sagt Volksbank-Vorstand<br />
Mahr. Und die<br />
Bank, weil sie in der aktuellen<br />
Niedrigzinsphase vorallem kurzfristige<br />
Einlagen verbucht, die<br />
nicht in vollem Umfang langfris-<br />
tig ausgeliehen werden dürfen<br />
und sie daher verstärkt auf andere<br />
Refinanzierungsmittel zurückgreifen<br />
muss.<br />
Unter dem Strich entpuppte<br />
sich die Einbindung der KfW daher<br />
sowohl für die Malzfabrik als<br />
auch die Bank als günstigste Lösung<br />
– wie bei vielen anderen<br />
Kunden auch, berichtet Schütz.<br />
Obwohl die Volksbank Darmstadt/Kreis<br />
Bergstraße die meisten<br />
Mittelstandskredite alleine<br />
stemme, gebe es keine Vorbehalte,<br />
die KfW immer dann mit ins<br />
Boot zu holen, wenn es notwendig<br />
oder sinnvoll sei: „Bei energetischen<br />
Sanierungen sind zum<br />
Beispiel KfW-Mittel dank Zinssubventionierung<br />
unschlagbar<br />
günstig.“ Dank verbesserter Margen<br />
sei die aufwendige Abwicklung<br />
über die KfW heute im übrigen<br />
für Banken keine Belastung<br />
Die folgende Liste ist das Ergebnis einer<br />
Befragung von Beratungsexperten der<br />
KfW.<br />
Die zehn wichtigsten Signale<br />
für eine Strategiekrise<br />
1. Sie gewinnen keine neuen Kunden dazu.<br />
2. Neue Angebote werden von den Kunden<br />
nicht angenommen.<br />
3. Sie verlieren Kunden an neue Konkurrenten.<br />
4. Zunehmende Konkurrenz drückt das<br />
Preisniveau<br />
5. Es gibt über unternehmerische Entscheidungen<br />
persönliche Differenzen<br />
unter den Verantwortlichen.<br />
6. Sie verschieben aus Zeitmangel immer<br />
wieder strategische Planungssitzungen.<br />
7. Sie haben keine Planung für die nächsten<br />
Jahre.<br />
8. Ihre Produktionsverfahren sind nicht<br />
mehr auf dem neuesten Stand.<br />
9. Der Service lässt nach.<br />
10. Reklamationen werden nicht systematisch<br />
ausgewertet.<br />
Die zehn wichtigsten Signale<br />
für eine Ertragskrise<br />
1. Der Umsatz geht erkennbar zurück.<br />
2. Der Gewinn geht erkennbar zurück.<br />
3. Sie verlieren einige Stammkunden.<br />
[Checkliste]<br />
mehr,ergänzt Mahr.„Das warvor<br />
zehn Jahren anders.“ Bei kleineren<br />
Krediten rechne sich der Aufwand<br />
allerdings noch immer<br />
nicht. Die Bürgschaftsbank Hessen<br />
kommt dagegen in der Praxis<br />
selten ins Spiel – nämlich nur<br />
dann, wenn die Einbindung der<br />
KfW nicht ausreiche und zusätzliche<br />
Bürgschaften benötigt werden.<br />
„Das ist vor allem bei Existenzgründern<br />
der Fall“, so Schütz.<br />
Ansonsten seien die Bürgschaften<br />
wegen relativ hoher Kosten für<br />
Kreditnehmer meist weniger attraktiv<br />
als die Offerten der KfW.<br />
Christian Leisler und Anton<br />
Eichenauer von der Malzfabrik<br />
Rheinpfalz sind indes sicher,dass<br />
sie ein attraktives Kreditpaket geschnürt<br />
bekommen haben –nicht<br />
zuletzt dank der vielen Gespräche<br />
und hartnäckigen Verhandlungen<br />
in den vergangenen Monaten.<br />
Signale, wann es langsam eng wird<br />
4. Sie haben deutliche Außenstände.<br />
5. Kundenbeschwerden häufen sich.<br />
6. Die Kapazitäten Ihrer Produktion sind<br />
nicht immer ausgelastet.<br />
7. Die Ausgaben Ihres Unternehmens<br />
übersteigen die Einnahmen.<br />
8. Sie überziehen immer wieder Ihre<br />
Kontokorrent-Kreditlinie.<br />
9. Die Bank fragt nach erwarteten Zahlungseingängen<br />
(Rückführung der Überziehung).<br />
10.Qualifizierte Mitarbeiter kündigen.<br />
Die zehn wichtigsten Signale<br />
für eine Liquiditätskrise<br />
1. Der Umsatz geht stark zurück (25 Prozent<br />
und mehr).<br />
2. Der Gewinn geht stark zurück (25 Prozent<br />
und mehr).<br />
3. Sie verlieren viele Stammkunden (25<br />
Prozent und mehr).<br />
4. Sie haben hohe Außenstände (mehr<br />
als zehn Prozent des Umsatzes)<br />
5. Lieferanten liefern nur noch gegen<br />
schlechtere Lieferkonditionen.<br />
6. Die Bank erhöht die Zinsen für Kredite.<br />
7. Die Bank verlangt mehr Sicherheiten<br />
für (laufende) Kredite.<br />
8. Die Produktionsanlagen des Unternehmens<br />
sind kaum noch ausgelastet.<br />
9. Sie müssen Kurzarbeit einführen.<br />
10.Sie können Löhne und Gehälter nicht<br />
mehr zahlen.<br />
www.kfw-mittelstandsbank.de
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 16<br />
Mikrokredite: Das „Man-kennt-sich-Prinzip“<br />
Die einen sitzen in Berlin-Kreuzberg<br />
und wollen bunte Kuschelkissen unter<br />
die Leute bringen. Die andere ist Friseurin<br />
in Dortmund und träumt vom<br />
eigenen Salon. Eine gemeinsame Agentur<br />
schwebt zwei Werbefachleuten in<br />
München vor. Alle haben eines gemeinsam:<br />
Ihnen fehlt das Kapital, denn ihre<br />
Hausbanken melden bei der Kreditwürdigkeit<br />
Bedenken an. Die Berliner,<br />
die Dortmunderin und die Münchner<br />
haben es trotzdem geschafft. Sie sind<br />
heute erfolgreich selbstständig dank<br />
Mikrokrediten. Die Kleinkredit-Idee<br />
[Infobox]<br />
Marktplätze für frisches Geld<br />
Online-Kreditbörsen – Selbstständige und Existenzgründer nutzen diese Plattformen vonPrivat zu Privat,<br />
weil Banken bei Klein- und Betriebsmittelkrediten zögern –Verbraucherschützer skeptisch<br />
VON SILKE JUNGBLUTH-SEPP<br />
Die Geschäfte vonSusanne<br />
Mann (Name geändert)<br />
laufen gut. VomFirmensitz<br />
im Raum Frankfurt aus vermittelt<br />
die 37-jährige seit 2003<br />
Berater und Trainer an Mittelständler<br />
und Großbetriebe,<br />
bei denen es Personalentwicklungsbedarf<br />
gibt. „Unter anderem<br />
machen wir<br />
Vertriebsmitarbeiter<br />
fit für<br />
Verhandlungen<br />
oder<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
begleiten Personalveränderungen<br />
bei einer Firmenübernahme“, beschreibt<br />
sie. Das ist gefragt, der<br />
Jahresumsatz ihrer Firma liegt bei<br />
rund 500000 Euro, die Zahlen<br />
sind gut, sagt Mann, die auch<br />
Kunden in Südhessen betreut.<br />
Deshalb rechnet sie nicht mit<br />
Problemen, als sie Mitte 2009 expandieren<br />
will und dafür einen<br />
Kredit über 18 000 Euro braucht.<br />
Doch weit gefehlt.<br />
IhreHausbank, eine Sparkasse<br />
im Süddeutschen, windet sich<br />
trotz eines Bürgschaftsangebots<br />
der KfW, will dort keinen Antrag<br />
stellen „weil sie daran nichts verdient“.<br />
Fordert dann eine Bürgschaft<br />
ihres Mannes ein, der mit<br />
wird hierzulande immer populärer,<br />
trotz oder wegen der Krise.<br />
„Durch Mikrokredite haben Menschen<br />
Zugang zu Krediten, die bei Banken<br />
keine Chance haben, denn diese<br />
Finanzierung ist besonders leicht zugänglich“,<br />
sagt der Mikrofinanz-Experte<br />
Falk Zientz von der Bochumer GLS-<br />
Bank, die sich als deutschlandweit erstes<br />
Geldinstitut auf Kleinkredit-<br />
Vergabe spezialisiert hat. Unbürokratisch<br />
gibt es hier Kredite bis maximal<br />
20 000 Euro –nach dem Prinzip „Man<br />
kennt sich“, sagt Zientz.<br />
Das Geld kommt aus dem gut drei<br />
Millionen Euroschweren Mikrofinanzfonds<br />
der GLS-Bank. Der wird unter<br />
anderem von der Förderbank KfW sowie<br />
den Bundesministerien für Arbeit<br />
der Firma nichts zu tun hat und<br />
lässt schließlich wochenlang<br />
nicht von sich hören. Und bei ihrer<br />
zweiten Bank, einer Frankfurter<br />
Großbank, braucht sie erst gar<br />
nicht anzuklopfen: „Für die sind<br />
wir viel zu klein.“<br />
Den Ausweg aus ihrer persönlichen<br />
Kreditklemme findet die<br />
entnervte Unternehmerin schließlich<br />
im Internet –sie stößt beim<br />
Surfen auf die Berliner Online-<br />
Kreditbörse Smava, die private<br />
Geldgeber und Kreditnehmer zusammenbringt.<br />
Da ist sie nicht die<br />
Einzige, seit Beginn der Finanzkrise<br />
entdecken neben Privatleuten<br />
auch immer mehr Freiberufler<br />
und Gewerbetreibende die Kreditmarktplätze<br />
im Netz für sich, wie<br />
die rasanten Zuwachsraten beim<br />
und Wirtschaft und von Privatleuten<br />
bestückt. Bewilligt werden die Kredite<br />
von elf regionalen Mikrofinanzierern,<br />
deren Mitarbeiter vor Ort „dicht am<br />
Kunden“ seien, sagt Zientz. Da bei Kreditausfällen<br />
auch die Mikrofinanzierer<br />
anteilig haften, ist eine gründliche Prüfung<br />
der Bewerber in ihrem eigenen<br />
Interesse.<br />
AndereSchwerpunkte<br />
bei der Kreditvergabe<br />
Doch sie setzen bei ihren Vergabekriterien<br />
andere Schwerpunkte als die Kreditabteilung<br />
einer Bank. An die Stelle<br />
der klassischen Prüfung eines Geschäftskonzepts<br />
bei der Hausbank<br />
kann bei der Mikrofinanzierung ein<br />
Marktführer Smava und dem kleineren<br />
Konkurrenten Auxmoney<br />
aus Hilden zeigen. Deutlich kleiner<br />
sind Portale wie Money4friends,<br />
Gevopa oder Geldmieten.<br />
„Nachfrage ist<br />
sehr gewachsen“<br />
„Die Nachfrage von Selbstständigen<br />
ist sehr gewachsen“, sagt<br />
Smava-Geschäftsführer Alexander<br />
Artopé.Gerade kleinereInvestitionen<br />
und Betriebsmittelkredite<br />
mit Laufzeiten zwischen einem<br />
und drei Jahren würden vonBankennur<br />
noch zögerlich finanziert,<br />
hat er beobachtet. Auch deshalb<br />
können Kreditsuchende bei Smava<br />
seit März bis zu 50 000 Euro<br />
aufnehmen, zuvor galt eine Obergrenze<br />
von 25000 Euro. „Mit der<br />
Anhebung reagieren wir auf den<br />
höheren Kreditbedarf von<br />
Unternehmen“, sagt<br />
Artopé, auf dessen<br />
Plattform<br />
sich zu rund 35<br />
Prozent Selbstständige<br />
und Existenzgründer<br />
mit ihrenKreditwünschen<br />
tummeln.<br />
Auch bei Auxmoney,<br />
kurz nach Smava<br />
im Frühjahr 2007<br />
gestartet, sind<br />
Selbstständige<br />
vom Freiberufler<br />
bis zum<br />
Handwerksbetrieb<br />
eine wichtigeKundengruppe.<br />
„Ihr Anteil<br />
liegt bei rund<br />
30 Prozent und es<br />
ist ein großer<br />
Markt für uns“,<br />
sagt Auxmoney-<br />
Mitgründer und<br />
Firmensprecher<br />
Philip Kamp. Die<br />
maximale Kreditsumme<br />
liege bei<br />
20 000 Euro.<br />
Das Prinzip der<br />
Online-Kreditbörsen<br />
ist einfach: Die<br />
Kreditsuchenden<br />
stellen ihr Vorhaben<br />
samt gewünschter Kreditsumme<br />
vor –sowie den<br />
Zinssatz, den sie zahlen wollen.<br />
Je nach Projekt und Bonität<br />
fällt der sehr unterschiedlich<br />
aus, sollte aber so attraktiv sein,<br />
dass Anleger einsteigen. Sicherheiten<br />
müssen nicht gestellt werden.<br />
Die Kreditgeber entscheiden<br />
selbst, wem sie ihr Geld leihen –<br />
und tragen je nach Geschäftsmodell<br />
ganz oder teilweise das Risiko,<br />
sollte der Schuldner<br />
säumig bleiben. Deshalb<br />
empfehlen die Plattform-Anbieter,dieAnlagesumme<br />
stets auf mehrere<br />
Projekte zu verteilen.<br />
Smava federt Verluste zudem<br />
über Risikopools ab, die<br />
alle Anleger bestücken müssen.<br />
Dies schmälert zwar die Nettorendite,schließt<br />
dafür aber einen Totalverlust<br />
aus, wenn der Kredit<br />
platzt. Das passiert immerhin in<br />
drei bis fünf Prozent aller Fälle.<br />
Hausbesuch treten: Der Finanzierer<br />
macht sich sein Bild vom Interessenten.<br />
Freunde können sich für den Gründer<br />
verbürgen. Auch ein Blick in die<br />
Kontoauszüge des Bewerbers „zeigt<br />
viel“, sagt Zientz. Rasch stelle sich heraus,<br />
ob der Interessent zuverlässig<br />
scheint.<br />
Die Gründer der Kissen-Firma Kazik<br />
aus Berlin-Kreuzbergliefen 2006 bei ihrerHausbank<br />
vordie Wand, als sie drei<br />
Jahre nach Geschäftsgründung dort<br />
zwei Kredite über 5000 und 10 000 Euro<br />
beantragten, um neue Produkte auf<br />
den Markt bringen zu können. „Wir<br />
sind abgeschmettert worden“, erinnert<br />
sich Sven-Oliver Nerger: „Der Bank<br />
waralles zu schwankend.“ Die Berater<br />
hätten nur die Zahlen angeschaut.<br />
Die Renditen, die Online-Anleger<br />
nach Angaben der Portale<br />
erwirtschaften können, lassen<br />
sich sehen: im Schnitt gut sieben<br />
Prozent, heißt es bei Smava und<br />
fast acht Prozent bei Auxmoney.<br />
Der durchschnittliche Kreditzinssatz<br />
liege bei rund neun Prozent,<br />
sagt Smava-Chef Artopé.<br />
Die Spannweite ist dabei groß:<br />
„Bei guten Bonitäten sind es rund<br />
fünf Prozent, bei risikoreichen<br />
bis zu 14 Prozent“. Für Kreditnehmer<br />
sei das Gesamtpaket attraktiv:<br />
„Die Zinsen sind oft<br />
günstiger als bei Kontokorrentkrediten,<br />
es sind keine Sicherheiten<br />
notwendig und der Kredit<br />
kann jederzeit getilgt werden“,<br />
sagt Artopé. Eine Besonderheit<br />
bietet Auxmoney: Wollen viele<br />
Anleger in ein Projekt einsteigen,<br />
können sie sich beim Zinssatz<br />
unterbieten –dann wird esfür<br />
den Schuldner günstiger.<br />
Innerhalb von Minuten<br />
18 000 Eurobeisammen<br />
Manns Kreditwunsch finden offenbar<br />
viele Anleger attraktiv, innerhalb<br />
weniger Minuten sind die<br />
18 000 Eurozusammen. 36 Bieter<br />
geben ihr zwischen 250 und 1000<br />
Euro –zueinem Zinssatz von 9,8<br />
Prozent. „Wahrscheinlich hätte<br />
ich auch ein Prozent weniger bieten<br />
können, da warich zu blauäugig“,<br />
sagt sie rückblickend. Da<br />
aber absehbar sei, dass sie das<br />
Geld vorzeitig zurückzahlen könne,sei<br />
der Zinssatz kein Problem.<br />
FürihreExpansionspläne wardie<br />
Finanzspritze auf jeden Fall unentbehrlich:<br />
„Nur so konnte ich<br />
einen Geschäftszweig ausbauen<br />
und eine Mitarbeiterin einstellen“.<br />
Ist ein Projekt durchfinanziert,<br />
kommt auch bei Online-Kreditvermittlern<br />
meist eine klassische<br />
Bank ins Spiel, die die Abwicklung<br />
übernimmt. Gläubiger und<br />
Schuldner kommen nicht unmittelbar<br />
in Kontakt. Bei Smava ist<br />
die Bank für Investments und<br />
Wertpapiere (BIW) zwischengeschaltet,<br />
Auxmoney arbeitet mit<br />
der SWK Bank zusammen. Allerdings<br />
kommen auch im Netz<br />
längst nicht alle Kreditwilligen<br />
zum Zuge. Während bei Smava<br />
immerhin 90 Prozent der Kreditgesuche<br />
erfüllt werden, sind es<br />
bei der offeneren Plattform Auxmoney<br />
nur rund 20 Prozent.<br />
Grund: „Viele bieten nur einen<br />
Zinssatz von einem Prozent oder<br />
ihr Vorhaben ist nicht kreditwürdig“,<br />
so Kamp.<br />
Smava mit vermittelten<br />
15 Millionen 2009<br />
Smava verdreifachte nach eigenen<br />
Angaben 2009 das vermittelte<br />
Kreditvolumen im Vergleich zum<br />
Vorjahr –auf rund 15 Millionen<br />
Euro. Allein im Dezember seien<br />
zwei Millionen Euro vergeben<br />
worden. Auxmoney vermittelt<br />
laut Kamp monatlich fast eine<br />
Million Euro, Tendenz steigend.<br />
Trotz des Booms raten Experten<br />
allerdings zu einem kritischen<br />
Blick auf die Geschäftsmodelle<br />
der Portale. Nicht alle seien emp-<br />
Der Mikrofinanzierer IQ Consult dagegen<br />
habe dasselbe Konzept durchgewunken,<br />
sagt Nerger: „Die kannten<br />
uns.“ Die „direkte persönliche Betreuung“<br />
sei ein wichtiges Merkmal der<br />
Mikrokreditvergabe. Der Mikrofinanzierer<br />
habe bei Kazik einschätzen können,<br />
dass „viel Nachdruck und Kompetenz<br />
dahintersteckt“.Statt nackter Zahlen<br />
wurde hier anerkannt, dass die<br />
Kreuzberger ein Produktions- und Vertriebsnetz<br />
geschaffen hatten. Die vier<br />
Gründer leben heute von ihrem Geschäft<br />
und haben zwei Halbtagskräfte<br />
eingestellt.<br />
Der Mikrofinanzfonds soll nach<br />
dem Willen des Bundesarbeitsministeriums<br />
jetzt mit 100Millionen Euro neu<br />
aufgelegt werden. Das Ministerium<br />
fehlenswert, warnt etwa die Stiftung<br />
Warentest in der Zeitschrift<br />
Finanztest (11/2009). Bei Smava<br />
stimme das Konzept, bei Auxmoney<br />
nicht, so das Fazit der Fachleute.<br />
Zu diesem Urteil trägt vor allem<br />
die unterschiedliche Sicherheit<br />
für Anleger bei. Denn Auxmoney<br />
verzichtet auf eine Bonitätsprüfung<br />
und spricht daher auch<br />
Menschen an, die anderswo kein<br />
Geld bekommen. „Mit weiterer<br />
Verschuldung ist ihnen aber zumeist<br />
nicht geholfen<br />
und für<br />
Anleger können<br />
sie zum Ri- Surftipp<br />
siko werden“,<br />
urteilt Finanz- www.smava.de<br />
test. Wer für<br />
bessere Kondi- www.auxmoney.com<br />
tionentrotzdem geprüft<br />
werden will,<br />
muss extra dafür<br />
zahlen. Bei<br />
Smava müssen<br />
Selbstständige<br />
hingegen Jahresabschlüsse<br />
und betrieblicheAuswertungen<br />
vorlegen, Privatleute Einkommensnachweise<br />
–genau wie<br />
bei einer Bank. Geeignete Kreditnehmer<br />
werden in Bonitätsklassen<br />
von Abis Heingeteilt. Zugleich<br />
verteilen Anlegerpools die<br />
Risiken auf viele Schultern, gestaffelt<br />
nach Bonität. So stehen alle<br />
Geldgeber mit A-Schuldnern<br />
füreinander ein und alle Anleger<br />
mit H-Schuldern ebenfalls. Dies<br />
kostet die Anleger derzeit zwischen<br />
0,7 Prozent (A) und 8,9 Prozent<br />
(H) Risikoabschlag bei der<br />
Rendite.<br />
Hohe Gebühren<br />
ein wichtiger Punkt<br />
Auch die hohen Gebühren einiger<br />
Anbieter sehen Verbraucherschützer<br />
kritisch: „Kreditnehmer<br />
sollten genau prüfen, welche<br />
Kosten auf sie zukommen“, rät<br />
Stefanie Laag von der VerbraucherzentraleNordrhein-Westfalen.<br />
Gebührenhöhe und -struktur<br />
änderten sich sehr häufig, sagt<br />
sie. Smava kassiert nach eigenen<br />
Angaben derzeit je nach Kreditlaufzeit<br />
bis zu 2,5 Prozent Bearbeitungsgebühr,<br />
Anleger zahlen<br />
vier Euro für jeden Kauf einer<br />
Kreditforderung. Auxmoneylässt<br />
sich bereits das Einstellen des<br />
Projekts ins Internet mit 9,95 Euro<br />
bezahlen, im Erfolgsfall<br />
kommt eine Provision von 1,95<br />
Prozent dazu. Bonitätsnachweise,etwavon<br />
der Schufa, schlagen<br />
vorab jeweils mit 9,95 Euro zu<br />
Buche. Anleger zahlen einen Euro<br />
pro Investment. Laut Finanztest<br />
summieren sich bei Auxmoneydie<br />
Kosten für ein 5000-Euro-<br />
Darlehen auf 188 Euro, bei Smava<br />
auf 100Euro.<br />
Susanne Mann schrecken diese<br />
Kosten nicht. Sie hat inzwischen<br />
über Smava noch einen<br />
zweiten Kredit aufgenommen:<br />
7000 Euro zusieben Prozent für<br />
die Renovierung von Küche und<br />
Bad.<br />
sieht „eine erhebliche Angebotslücke<br />
bei Mikrokrediten“, die durch die Finanzkrise<br />
gewachsen sei. „Mit dem<br />
neuen Fonds wird das Angebot erweitert“,<br />
sagt Zientz –die GLS-Bank bewirbt<br />
sich, die Kooperation steht aber<br />
auch anderen Banken offen.<br />
Die Idee der Mini-Gründerkredite ist<br />
zwar in Deutschland vergleichsweise<br />
neu, das Konzept ist allerdings älter.<br />
Schon in den siebziger Jahren machte<br />
der Ökonom Muhammad Yunus in<br />
Bangladesch mit dem Mikrofinanz-Gedanken<br />
Furore. 2006 wurden er und<br />
seine Grameen-Bank für ihr Engagement<br />
mit dem Friedensnobelpreis geehrt.<br />
Und heute lernt die Industrienation<br />
Deutschland in Sachen Mikrokredite<br />
vonden Entwicklungsländern. afp
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 17<br />
VON BRUNO HIDDING<br />
In der Hausse an den Kapitalmärkten<br />
gelten sichere Anlagen<br />
und entsprechende Strategien<br />
als langweilig. In Phasen wie<br />
derzeit jedoch, in denen die weiteren<br />
Börsenaussichten nach einer<br />
ersten deutlichen Aufschwungphase<br />
durch viele Unsicherheitsfaktoren<br />
vernebelt werden,<br />
sind diese Langweiler wie Dividendenwerte<br />
oder auch generell<br />
Dividendenstrategien wieder<br />
richtig „in“.<br />
Kein Wunder, zumal an den<br />
Zinsmärkten die Sätze von den<br />
Notenbanken noch ausgesprochen<br />
niedrig gehalten werden. Sie<br />
wagen es bislang nicht, ihre Krisenbekämpfungsmaßnahmenzurückzunehmen<br />
und die in die<br />
Märkte geschleuste Liquidität<br />
wieder einzusammeln beziehungsweise<br />
zumindest damit zu<br />
beginnen. Die Folge: Zinsen auf<br />
fünf- oder zehnjährige Bundesanleihen<br />
von2,40 oder 3,30Prozent<br />
sind vielen Anlegern zu wenig.<br />
Und da Griechenland-Anleihen<br />
mit ihren gut sechs Prozent nicht<br />
jedermanns Sache sind, schaut<br />
der Investor halt auf den Aktienkurszettel<br />
und bemerkt die oft<br />
deutlich über den genannten Kapitalmarktzinsen<br />
liegenden guten<br />
Dividendenrenditen.<br />
Um Missverständnissen gleich<br />
vorzubeugen. Natürlich geht der<br />
Anleger mit Aktien sofort ein völlig<br />
anderes, inder Regel höheres<br />
Risikoein als mit einer Bundesanleihe.Dort<br />
weiß er mit Sicherheit,<br />
dass er zum festgesetzten Termin<br />
seine zugesagten Zinsen bekommt<br />
und am Ende der Laufzeit<br />
seine 100Prozent Einzahlung zurück.<br />
Das weiß er bei Aktien nicht.<br />
Die Dividende kann gesenkt wer-<br />
Hohe<br />
Dividenden<br />
als Airbag<br />
Ausschüttungssaison – Aber die<br />
Nachhaltigkeit muss gewährleistet sein –<br />
Spezielle Fonds,ETFs und Zertifikate helfen<br />
dem Anleger –Abgeltungsteuer bewirkt Strategieänderung<br />
den oder sogar ausfallen. Und eine<br />
Rückzahlung gibt es bei einer<br />
Aktie auch nicht, schließlich läuft<br />
diese in der Regel unendlich. Der<br />
Aktienkurs kann steigen, aber<br />
eben auch fallen. Insofern ist eine<br />
Aktie eine andere Risikoklasse,<br />
mit mehr Chancen, wenn gut ausgewählt,<br />
aber auch mit mehr Risiken.<br />
Unterschiedliche<br />
Risikoklassen<br />
Aber unter Aktien gibt es eben<br />
auch unterschiedliche Risikoklassen.<br />
Und zu den eher stabileren<br />
und weniger volatilen Werten gehören,<br />
wie lange empirische Untersuchungen<br />
eindeutig zeigen,<br />
die sogenannten Dividendenwerte;<br />
also jene Aktien, die dem Anleger<br />
eine gute Dividendenrendite<br />
abwerfen und sich auf Sicht auch<br />
durch ein wesentlich stabileres<br />
Kursverhalten auszeichnen als<br />
die reinen Wachstumswerte ohne<br />
die Absicherung durch eine gute<br />
und dauerhafte Dividende. Alles<br />
Argumente, weshalb eine solche<br />
Dividendenstrategie oft als eine<br />
gute Anlagepolitik für Senioren<br />
angesehen wird. Gute Rendite mit<br />
gebremstem Risiko.<br />
Das sind im wesentlichen die<br />
Gründe,weshalb derzeit bei Anlegern<br />
die Dividendenstrategie gefragt<br />
ist. Allein im April und Mai<br />
ist bei 25 der 30 Dax-Werte Dividendentermin.<br />
Dabei lockt die<br />
Anleger sicher, dass die durchschnittliche<br />
Dividendenrendite<br />
der Dax-Werte mit etwa 3,5 Prozent<br />
über dem Kapitalmarktzins<br />
liegt, zumindest in Deutschland.<br />
Sinn macht eine solche Strate-<br />
gie allerdings nur, wenn die Dividende<br />
der ausgesuchten Werte<br />
voraussichtlich nachhaltig erzielt<br />
werden wird. Wasnutzt dem Anleger<br />
eine historisch tolle Rendite,<br />
wenn im nächsten Jahr die Dividende<br />
deutlich gesenkt oder gar<br />
ausfallen wird? Da sind Dividendenrenditen<br />
wie bei der Deutschen<br />
Telekom und dem Immobilienwert<br />
Gagfah reiner Etikettenschwindel.<br />
Denn die Telekom verdient<br />
die Dividende nicht, sondern<br />
zahlt diese nur aus ihrem guten<br />
Cash flow. Doch das geht nicht<br />
unendlich. Insofern ist diese Dividende<br />
nur als ein krampfhafter<br />
Versuch des Managements zu sehen,<br />
den Aktienkursnoch einigermaßen<br />
in der Balance zu halten.<br />
Hier also Finger weg. Andersliegt<br />
der Fall beim Dividendenrendite-<br />
Spitzenreiter Gagfah, deren Dividende<br />
über dem operativen Gewinn<br />
liegt. Hier bedient sich der<br />
amerikanische Großaktionär, der<br />
Finanzinvestor Fortress.<br />
Überhaupt ist es gar nicht so<br />
einfach wie es klingt, eine gute<br />
Dividendenstrategie auf die Beine<br />
zu stellen. Doch wären wir ein<br />
Land ohne pfiffige Finanzdienstleister,<br />
wenn hier dem Anleger<br />
nicht gleich unterschiedlichste<br />
Hilfen präsentiert würden. Da gibt<br />
es zum Beispiel einen Dividenden-Dax<br />
von der Deutsche Börse.<br />
Er enthält die 15 Unternehmen<br />
des Dax mit der höchsten Dividendenrendite.<br />
Rückrechnungen<br />
zeigen, dass dieser DivDax den<br />
normalen Performance-Dax in<br />
den vergangenen zehn Jahren um<br />
60 Prozentpunkte geschlagen hat.<br />
Und auf diesen DivDax gibt es natürlich<br />
sofort auch Exchange Tra-<br />
ded Funds /ETFs. ,zum Beispiel<br />
DE0002635273. Doch soll nicht<br />
verschwiegen werden, dass auch<br />
einige gute gemanagte Fonds auf<br />
dem Markt sind, die sich diesem<br />
Dividendenansatz verschrieben<br />
haben. Genannt seien nur der<br />
DWSTop Dividende (984811)und<br />
der DJE Dividende & Substanz<br />
(164325).<br />
Auch hier Haare<br />
in der Suppe<br />
Allerdings fanden findige Köpfe<br />
bei diesen Strategieansätzen sofort<br />
auch schon wieder Haare in<br />
der Suppe.Denn der DivDax zum<br />
Beispiel orientiert sich an den bereits<br />
gezahlten Dividenden. Es<br />
kann also passieren, dass in diesem<br />
Index Werte enthalten sind,<br />
die zwar eine hohe Dividende gezahlt<br />
haben, diese aber voraussichtlich<br />
nicht halten können und<br />
dies sogar schon angekündigt haben.<br />
Flugs hat die Deutsche Börse<br />
einen Daxplus Maximum Dividend<br />
entwickelt, der sich an der<br />
erwarteten Dividendenrendite<br />
orientiert. Und auch dieser Index<br />
hat sich, wie Rückrechnungen<br />
zeigen, deutlich besser entwickelt<br />
als der normale Dax. Die Indexgewichtung<br />
des Daxplus Maximum<br />
Dividend richtet sich an der erwarteten<br />
Dividendenrendite aus,<br />
nicht mehr an der Marktkapitalisierung.<br />
Auch auf diesen Index<br />
gibt es schon die ersten ETFs,zum<br />
Beispiel DE000ETFL235 vonETFlab.<br />
Wemder Dax beziehungsweise<br />
nur Werte aus Deutschland zu<br />
eng sind, dem bieten sich darüber<br />
hinausgehende Varianten für eine<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
international ausgerichtete Dividendenstrategie<br />
an. So enthält der<br />
DowJones EuroStoxx Select Dividend<br />
30 Index die 30 dividendenstärksten<br />
Werte aus dem Euroraum.<br />
Und die Dividendenrendite<br />
dieses Index ist noch um einiges<br />
höher als bei den Dax-Indices, da<br />
in diesem Index mehr Titel aus<br />
besonders dividendenstarken<br />
Branchen enthalten sind, zum<br />
Beispiel France Telecom und Belgacom.<br />
Die logische Folge ist, dass<br />
inzwischen mehrere Fondsgesellschaften<br />
ETFs auf diesen Index<br />
anbieten. So zum Beispiel ComStage<br />
(LU0378434236) und db xtrackers<br />
auf den DJ Stoxx Global<br />
Select Dividend 100(Dividendenfavoriten<br />
aus aller Welt/<br />
LU0292096186).<br />
Wäre noch auf zwei besondere<br />
Qualitätsaspekte der DJ Euro<br />
Stoxx Select Dividend Indices hinzuweisen:<br />
Bei keinem Indexmitglied<br />
darf die Dividende in den<br />
zurückliegenden fünf Jahren gesunken<br />
sein und die Ausschüttungsquote<br />
der Unternehmen darf<br />
nicht über 60 Prozent liegen. Aspekte,<br />
die die Nachhaltigkeit der<br />
Dividendenzahlung, und damit<br />
den Anleger, absichern sollen.<br />
Bliebe noch auf zwei mit guten<br />
Testnoten versehene Euroland Dividendenfonds<br />
hinzuweisen: ING<br />
Invest Euro High Dividend<br />
(666311)und LBBW Dividenden<br />
Strategie Euroland (978041).<br />
Im Rahmen einer steuerlichen<br />
Betrachtung der Dividendenstrategie<br />
ergeben sich durch die inzwischen<br />
anzuwendende Abgel-<br />
tungsteuer einige neue taktische<br />
Verhaltensweisen. Dividenden<br />
waren und sind, zumindest bei<br />
Überschreiten der jeweiligen Freibeträge,<br />
steuerpflichtig. Sie werden<br />
gleich an der Quelle, von der<br />
Bank, mit dem Abgeltungsteuersatz<br />
von 25Prozent plus<br />
Solidaritätszuschlag und<br />
eventuell Kirchensteuer,<br />
versteuert und erhöhen<br />
dann in der Einkommensteuererklärung<br />
nicht mehr das dort auszurechnendesteuerpflichtige<br />
Einkommen.<br />
Bisher war das ähnlich,<br />
allerdings wurden Dividendenerträge<br />
mit dem individuellen Steuersatz<br />
belegt. Nun ist die Situation<br />
derart, dass, abgesehen von Altbesitz,<br />
Kursgewinne aus Aktien<br />
ebenfalls mit der Abgeltungsteuer<br />
belegt werden, also genau so behandelt<br />
werden wie Dividenden.<br />
Das warbisher anders, da Kursgewinne<br />
außerhalb der zwölfmonatigen<br />
Haltefrist für Privatpersonen<br />
steuerfrei vereinnahmt werden<br />
konnten. Das warder Grund, weshalb<br />
viele Gutverdienende mit hoherSteuerprogression<br />
keine Dividenden<br />
haben wollten<br />
und mehr auf das<br />
Vereinnahmen steuerfreier<br />
Kursgewinne gesetzt<br />
haben. Das entfällt nun, weshalb<br />
künftig Dividenden für Gutverdienende<br />
steuerlich nicht mehr benachteiligt,<br />
sondern mit den Kursgewinnen<br />
gleichgestellt sind. Ein<br />
Umstand, der auch Gutverdienende<br />
mit hoher Steuerprogression<br />
eher mal wieder auf Dividendenrenditen<br />
als früher schauen lassen<br />
dürfte.<br />
Wasist eigentlich mit dem Anlagepapier<br />
Zertifikat in Zusammenhang<br />
mit diesen Dividendenfragen?<br />
Der Aussteller der Zertifikate<br />
vereinnahmt die Dividenden<br />
zum Beispiel bei Bonus- und auch<br />
Discount-Zertifikaten. Das allerdings<br />
nicht ohne<br />
eine Gegenleistung.<br />
Bei<br />
Unternehmen<br />
mit hohen Dividendenerwartungen<br />
wandeln die<br />
Emittenten diese<br />
während der<br />
Laufzeit des<br />
Zertifikates zu<br />
erwartende Dividende<br />
in einen<br />
attraktiven<br />
Bonus um. Bei<br />
Discount-Zertifikaten<br />
führt eine<br />
hohe zu erwartendeDividende<br />
zu einem<br />
hohen<br />
Preisabschlag<br />
des Zertifikates<br />
gegenüber dem<br />
aktuellen Kurs<br />
des zugrunde<br />
liegenden Titels.<br />
Der Anleger<br />
hat also ab-<br />
zuwägen, was ihm vorteilhafter<br />
erscheint. Die Dividende auf der<br />
einen Seite bei einer Direktanlage<br />
in die Aktie oder einen attraktiven<br />
Preisabschlag auf den Kurs der<br />
Aktie, was ihm sein Problem des<br />
Kauftimings erleichtert.<br />
Effekt eventuell<br />
spekulativ nutzen<br />
Pfiffige Fortgeschrittene können<br />
diesen Effekt eventuell auch spekulativ<br />
nutzen. Sind sie zum Beispiel<br />
der Meinung, dass die Dividendenerwartungen<br />
für die beobachtete<br />
Aktie zu positiv sind,<br />
kann man sich diese bei entsprechender<br />
Auswahl der Laufzeit des<br />
Zertifikates sichern. Denn man<br />
bekommt ja einen Discount, der<br />
auf Basis der zu hohen Dividendenerwartung<br />
errechnet worden<br />
ist. Das macht aber nur<br />
Sinn, wenn er ansonsten<br />
für die zugrunde liegende<br />
Aktie weiter positiv gestimmt<br />
ist.<br />
Am Rande noch etwas<br />
Wichtiges: Es gibt,<br />
oder besser es gab bis zur<br />
Einführung der Abgeltungsteuer,<br />
auch steuerfreie Dividenden.<br />
Zum Beispiel bei Deutsche<br />
Euroshop oder auch der<br />
Deutschen Post aufgrund diffiziler<br />
Steuerkonstruktionen im Unternehmen.<br />
Jetzt ist die Dividende<br />
zum Beispiel bei Deutsche Euroshop<br />
voraussichtlich für die nächsten<br />
vier Jahrenur noch für die Altbesitzer<br />
steuerfrei. Werjetzt die<br />
Aktie kauft, der erhält zwar auch<br />
die Dividende brutto für netto ausgezahlt,<br />
also ohne den<br />
Abzug der Abgeltungsteuer.<br />
Doch bei einem<br />
Verkauf der Aktien wird<br />
ihm die erhaltene Dividende<br />
kalkulatorisch von seinem<br />
Einstandspreis abgezogen. Dieser<br />
Abzug erhöht also dann seinen<br />
eventuellen Kursgewinn und<br />
wird mit der Abgeltungsteuer belegt.<br />
Die Besteuerung der Dividende<br />
wird also quasi beim späteren<br />
Verkauf nachgeholt. Wasbleibt, ist<br />
der Zinsvorteil. Dieser ist um so<br />
größer, jelänger der Anleger die<br />
Aktie behält.<br />
Ändern die Unternehmen<br />
ihrePolitik?<br />
Zum Schluss noch ein Blick in die<br />
Zukunft, aber nicht in die Kristallkugel.<br />
Möglich erscheint, dass<br />
viele Unternehmen in den nächsten<br />
Jahren eine andere Dividendenpolitik<br />
betreiben als bisher<br />
und als von den Auguren derzeit<br />
erwartet wird.<br />
In einem wachstumsschwachen<br />
Umfeld werden möglicherweise<br />
steigende Gewinne nicht<br />
mehr zu einem (Wieder-) Anheben<br />
der Dividendensätze führen.<br />
Schon derzeit ist es vielen Unternehmen<br />
nur möglich, sich zu steigenden<br />
Zinssätzen zu refinanzieren.<br />
Diese Finanzierungskosten<br />
sollten bei einem Anziehen der<br />
Kapitalmarktzinsen noch zunehmen.<br />
Auch die zunehmenden Eigenkapitalzwänge<br />
bei den Banken<br />
dürften mit zu einem Anhalten<br />
der als „Kreditklemme“ bezeichneten<br />
Verhaltensweise der<br />
Kreditinstitute beitragen.<br />
Fazit: Selbst wenn die Unternehmensgewinne<br />
steigen sollten,<br />
dürften die Aktionäre daran nur<br />
deutlich unterproportional beteiligt<br />
werden. Sicher ein Aspekt, der<br />
bei Verfolgung von Dividendenstrategien<br />
in der Zukunft beachtet<br />
werden sollte.<br />
Die nächsten<br />
Dax-Hauptversammlungstermine<br />
9.4. Merck<br />
14.4. Daimler<br />
19.4. Henkel<br />
22.4. RWE<br />
22.4. VW<br />
28.4. Deutsche Post<br />
28.4. Münchener Rück<br />
29.4. Lufthansa<br />
29.4. Beiersdorf<br />
29.4. BASF<br />
30.4. Bayer<br />
3.5. Deutsche Telekom<br />
[Infobox]<br />
4.5. Linde<br />
5.5. Allianz<br />
5.5. Metro<br />
6.5. Adidas<br />
6.5. E.ON<br />
11.5. K+S<br />
11.5. Fresenius<br />
Medical Care<br />
12.5. Fresenius<br />
18.5. BMW<br />
19.5. Commerzbank<br />
27.5. Deutsche Bank<br />
27.5. Deutsche Börse<br />
8.6. Salzgitter<br />
8.6. SAP
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 18<br />
So wie der Januar,<br />
so wirdauch das<br />
gesamte Börsenjahr...<br />
... lautet eine Börsianerweisheit.<br />
In diesem Jahr hat der<br />
Dax im Januar sechs Prozent<br />
verloren, folglich. .. Doch so<br />
recht stimmt das nicht. Denn<br />
zwischen 1960 und 2009 hat<br />
der Dax nach einem schwachen<br />
Januar zehn Mal ins Plus<br />
gedreht und im Schnitt 27 Prozent<br />
Plus gemacht. Und elf Mal<br />
folgte auf einen guten Januar<br />
ein schlechtes Börsenjahr mit<br />
einem Verlust von durchschnittlich<br />
13 Prozent, hat das<br />
DAI errechnet. Offensichtlich<br />
ist es mit dieser Börsenregel also<br />
ähnlich wie bei der bäuerlichen<br />
Wettervorhersage:<br />
„Wenn der Hahn kräht auf dem<br />
Mist, ändert sich das Wetter<br />
oder es bleibt wie es ist.<br />
Wasser als<br />
Investitionsgut<br />
Die Prognose ist nicht neu,<br />
dass über kurz oder lang um<br />
das knappe Gut Wasser auf<br />
der Welt Kriege entstehen<br />
könnten. Auf diesem Gebiet<br />
sind die Chancen –auch für<br />
Anleger –aber auch die Herausforderungen<br />
groß. Umso<br />
bemerkenswerter eine Studie<br />
der Deutschen Bank Research<br />
zu den Weltwassermärkten.<br />
Fazit: Die Wasserpreise spiegeln<br />
derzeit nicht die Knappheit<br />
der Ressource wieder. Es<br />
seien viele Technologien zur<br />
Bewältigung der Wasserprobleme<br />
vorhanden, doch scheitere<br />
die Umsetzung vielerorts<br />
an zu geringen Wasserpreisen.<br />
Und das liegt zum Teil daran,<br />
dass bei der Preisgestaltung<br />
soziale Belange berücksichtigt<br />
werden müssen. Das<br />
Absatzpotenzial für Hersteller<br />
von Wassertechnologien sei<br />
trotz vieler Risiken sehr groß.<br />
Über eine Milliarde Euro<br />
in Xetra-Gold<br />
Gold im Gegenwert von über<br />
einer Milliarde Euro verwahrt<br />
die Deutsche Börse zur physischen<br />
Deckung der begebenen<br />
Schuldverschreibungen Xetra-<br />
Gold. Zusammen sind das 38,5<br />
Tonnen Gold. Xetra-Gold entspricht<br />
einem Gramm Gold<br />
und ist damit eine der günstigsten<br />
Möglichkeiten, physisches<br />
Gold zu erwerben und börsentäglich<br />
zu handeln. Die Spanne<br />
zwischen Kauf- und Verkaufspreis<br />
liegt bei 0,1 Prozent. Damit<br />
kombiniert die Schuldverschreibung<br />
Xetra-Gold (ISIN<br />
DE000A0S9GB0) die Vorteile<br />
des Besitzes von physischem<br />
Gold mit optimaler Transparenz<br />
und niedrigen<br />
Kosten. Jede Teilschuldverschreibung<br />
verbrieft<br />
die Option auf<br />
Lieferung voneinem<br />
Gramm<br />
Gold und kann<br />
Kurz &bündig<br />
Die Dividendensaison hat begonnen,<br />
es fließen also nun die Ausschüttungen<br />
für das Jahr 2009. Für<br />
Anleger ein Grund, noch schnell einmal<br />
ihre Freistellungsaufträge zu<br />
überdenken und eventuell zu verändern,<br />
also möglicherweise von einer<br />
auf die andere Bank zu verlagern. Allerdings<br />
müssen die Anleger den Banken<br />
hierfür schon etwa vier Wochen<br />
Zeit geben, um zu reagieren und ihre<br />
Computer entsprechend zu füttern. In<br />
Zeiten wie diesen, in denen Anleger<br />
gern einmal auch größereBeträge von<br />
einem Tagesgeldangebot zum anderen<br />
schaufeln, wirddie exakte Disposition<br />
der Freistellungsaufträge zu einem<br />
Muss. Sonst gehen nämlich wieder<br />
Zinsen dadurch verloren, dass man<br />
jetzt zu viele Steuern zahlt und diese<br />
erst wesentlich später mit der Einkommensteuererklärung<br />
für 2010, also<br />
vielleicht erst gegen Ende 2011,zurück<br />
erhält.<br />
über die Xetra-Handelsplattform<br />
fortlaufend gekauft und<br />
veräußert werden. Noch ungeklärt<br />
ist, ob diese Schuldverschreibung<br />
künftig der Abgeltungsteuer<br />
unterliegt.<br />
Gold als globale<br />
Krisenwährung<br />
Während Währungs- und Börsenkrisen<br />
immer wieder die<br />
Vermögen der Anleger zunichte<br />
machten, blieb Gold ein stabiler<br />
Wertspeicher, heißt es in<br />
einer Studie des World Gold<br />
Council und des FAZ-Instituts.<br />
Da Gold mit anderen Geldanlagen<br />
wie Aktien oder Anleihen<br />
nicht korreliert, sorgt es für eine<br />
stabile Gesamtrendite, ist<br />
folglich zur Beimischung in einem<br />
Vermögensportfolio besondersgut<br />
geeignet. Andererseits<br />
meint Uni-Credit zur aktuellen<br />
Lage am Goldmarkt,<br />
dass zur Zeit keine ausreichende<br />
Nachfrage nach Gold zu<br />
beobachten sei. Erwartet wird<br />
für 2010 ein durchschnittlicher<br />
Goldpreis pro Unze (31,1<br />
Gramm) von 1200Dollar.<br />
Einfach und transparent<br />
in Rohstoffe investieren<br />
Eine Plattform für börsengehandelte<br />
Rohstoffprodukte (Exchange<br />
Traded Commodities,<br />
ETCs) hat die Deutsche Bank<br />
soeben mit vier Produkten gestartet.<br />
Bis Juni sollen mehr als<br />
30 Produkte angeboten werden.<br />
Es handelt sich um besicherte<br />
Schuldverschreibungen<br />
der db ETCIndexplc,die kontinuierlich<br />
im Xetra Handelssystem<br />
an der Deutschen Börse gehandelt<br />
werden können. Sie ermöglichen<br />
eine einfache,transparente<br />
und effiziente Partizipation<br />
an der Wertentwicklung<br />
von Rohstoffen, und das währungsgesichert.<br />
Die vier db<br />
ETCs sind mit physischen Goldbarren<br />
hinterlegt und kosten eine<br />
niedrige Produktgebühr von<br />
0,45 Prozent proJahr.<br />
Beratungsprotokoll<br />
kein Freifahrschein<br />
Das seit Jahresbeginn vonjeder<br />
Bank nach einem persönlichen<br />
oder telefonischen Beratungsgespräch<br />
mit Kunden auszufertigende<br />
Beratungsprotokoll<br />
scheint manchen Anlegern in<br />
die falsche Kehle gekommen zu<br />
sein. Keineswegs ist dieses Protokoll<br />
für den Anleger ein risikoloser<br />
Freifahrschein, um im<br />
Vertrauen auf eine mögliche Regresspflicht<br />
der Bank heiße Spekulationen<br />
einzugehen und<br />
diese,wenn sie nicht aufgehen,<br />
der Bank mit dem Hinweis auf<br />
eine falsche Beratung an die Backezuheften.<br />
Nach wie vor<br />
ist der Anleger immer<br />
selbst für seine Anlageentscheidung<br />
verantwortlich<br />
und sollte nur<br />
Dinge kaufen,<br />
die er wirklich<br />
versteht. dd<br />
Ruhigschlafen...<br />
... und dennoch<br />
kassieren<br />
Krisenfeste Anlage – Werseine Börsenwunden noch leckt,<br />
schwört inzwischen auf absolute Sicherheit –Von der<br />
Tagesanleihe über den Schatzbrief<br />
bis zur Bundesanleihe<br />
VON BRUNO HIDDING<br />
Vieles, was vor Jahren von<br />
vielen Anlegern noch als<br />
langweilige und indiskutable<br />
Geldanlage abgetan wurde,<br />
ist nach den Kurseinbrüchen in<br />
der Finanzkrise plötzlich wieder<br />
absolut „in“. Zum Beispiel alle<br />
Spielarten an Bundeswertpapieren,<br />
welche die Finanzagentur des<br />
Bundes auf ihren Web-Seiten<br />
(www.bundeswertpapiere.de)<br />
selbstbewusst anbietet.<br />
Viele Aktienanleger mit hohen<br />
Verlusten wären froh, sie hätten<br />
sich schon früher mit diesen de-<br />
Flexibel anpassen<br />
Freistellungsaufträge – Viel Banken bieten Online-Service –Tricksen fällt auf<br />
Mehr Netto vomBrutto wollen naturgemäß<br />
auch Anleger. Und um das<br />
im Rahmen der seit 2009 geltenden<br />
jährlichen Sparerpauschbeträge (801<br />
Euro, Ehepaare 1602 Euro) bestmöglich<br />
zu gewährleisten, müssen Anleger<br />
ihren Banken stimmige Freistellungsaufträge<br />
rechtzeitig einreichen.<br />
Das sind Anweisungen von Steuerpflichtigen<br />
an ihr Kreditinstitut oder<br />
ihre Kreditinstitute (bei mehreren<br />
Konten), anfallende Kapitalerträge<br />
(Zinsen, Dividenden, Kurserträge)<br />
automatisch vomSteuerabzug freizustellen.<br />
Dann bleiben diese Erträge<br />
bis zu diesem der Bank erteilten Freistellungsbetrag<br />
frei von 25Prozent<br />
Abgeltungsteuer, 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag<br />
und einer eventuellen<br />
Kirchensteuerbelastung.<br />
Diese Pauschbeträge können Anleger<br />
auf mehrere Banken verteilen,<br />
bei denen sie Konten und/oder Depots<br />
unterhalten; nur dürfen die<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
Höchstbeträge dabei nicht überschritten<br />
werden, sonst gibt es Ärger<br />
mit dem Finanzamt. Werden Ehepaare<br />
gemeinsam steuerlich veranlagt,<br />
sind diese Aufträge auch gemeinsam<br />
zu erteilen. Wergerne einmal Tagesgeldschnäppchen<br />
hier und dort ausnutzt,<br />
sollte seine Freistellungsaufträge<br />
jeweils maximal für ein Jahr erteilen<br />
und dann für das nächste Jahr<br />
–oder auch zwischenzeitlich –die<br />
Aufteilung seines Pauschbetrages<br />
neu kalkulieren. Bei vielen Kreditinstituten<br />
können Anleger ihre genau<br />
durchdachten Freistellungsaufträge<br />
flexibel per Internet verwalten, also<br />
auch online erteilen und im Jahresverlauf<br />
abändern.<br />
Wichtig ist, dass Kapitalerträge<br />
vonKindern nicht auf den Pauschbetrag<br />
der Eltern anzurechnen sind.<br />
Denn auch für Kinder kann ein eigenständiger<br />
Freistellungsauftrag<br />
bis zu jeweils 801 Euro erteilt wer-<br />
fensiven Sicherheits-Geldanlagen<br />
auseinander gesetzt. Der Staat ist<br />
nun mal der erste Schuldner im<br />
Lande, was erfreulicherweise für<br />
Deutschland auch heute noch gilt.<br />
Und da der Staat keine Aktien ausgibt,<br />
handelt es sich immer um<br />
zinstragende Anlagen. Und diese<br />
haben, sofern sie börsengehandelt<br />
sind, also Kurse haben, sich<br />
durchaus positiv entwickelt. Was<br />
aber primär kein Verdienst des<br />
Staates ist, sondern eine Folge der<br />
weltweit niedrigen Zinsen an den<br />
Geld- und Kapitalmärkten. Denn<br />
wenn die Zinsen ständig sinken,<br />
steigen die Kurse der zuvor bege-<br />
den. Ein solcher Auftrag ist vonallen<br />
gesetzlichen Vertretern zu unterzeichnen.<br />
Geringverdiener,die nicht<br />
zur Einkommensteuer veranlagt<br />
werden, haben die Möglichkeit, von<br />
Steuerabzügen völlig freigestellt zu<br />
werden. Eine solche Nichtveranlagungsbescheinigung<br />
kann der Steuerpflichtige<br />
beim zuständigen Finanzamt<br />
beantragen. Dann bleiben<br />
Kapitalerträge generell steuerfrei,<br />
selbst wenn sie über den obigen<br />
Pauschbeträgen liegen.<br />
Anleger sollten wissen, dass die<br />
Banken verpflichtet sind, dem Fiskus<br />
die Höhe der eingerichteten Freistellungsaufträge<br />
jährlich mitzuteilen<br />
und auch die Höhe der tatsächlich<br />
freigestellten Kapitalerträge zu<br />
melden. Damit weiß das Finanzamt<br />
also die genaue Höhe der auf jeden<br />
Steuerpflichtigen entfallenden Kapitalerträge.<br />
Tricksen ist also nicht<br />
drin. Og<br />
benen festverzinslichen Wertpapiere.<br />
Eben weil sie noch die höheren<br />
Zinsen vongestern verbriefen,<br />
also bessereZinsen abwerfen<br />
als die später emittierten Wertpapiere.<br />
Inzwischen bietet die Finanzagentur<br />
auch für Privatanleger die<br />
unterschiedlichsten Anlagemöglichkeiten<br />
in einer breiten Laufzeitenspanne<br />
und verschiedensten<br />
Ausstattungsvarianten. Am<br />
kurzen Laufzeitenende ist das die<br />
sogenannte Tagesanleihe, die seit<br />
der Jahresmitte 2008 angeboten<br />
wirdund jeweils am Jahresanfang<br />
wieder auf den Kurs von 100 gesetzt<br />
wird. Da die Tagesanleihe<br />
täglich über die Erhöhung des Tagespreises<br />
verzinst wird, ist an jedem<br />
Tagablesbar, was bisher im<br />
Jahresverlauf an Zinsen aufgelaufen<br />
ist. Der flexible Zins ist ausgerichtet<br />
am EONIA, dem European<br />
Over Night Index Average, einem<br />
Durchschnittszinssatz für auf Euro<br />
lautende Übernachtausleihungen<br />
unter Banken. Der Mindestanlagebetrag<br />
liegt bei 50 Euro, bei<br />
Wiederanlagen sind auch Kleinstbeträge<br />
möglich. Die Laufzeit ist<br />
unbefristet. Die Verwahrung erfolgt<br />
im Schuldbuchkonto bei der<br />
Finanzagentur, das vom Anleger<br />
voraberöffnet werden muss.<br />
Alternativefür Private<br />
zu Tagesgeldkonten<br />
Gedacht wardiese Anlageform als<br />
Alternative für Privatanleger zu<br />
den Tagesgeldkonten der Banken.<br />
Denn viele Privatanleger warenin<br />
den vergangenen zehn bis fünfzehn<br />
Jahren sukzessiveinandere<br />
Geldanlageformen privater Anbieter<br />
abgewandert. Bei dem derzeitigen<br />
niedrigen Stand des EO-<br />
NIA von etwa 0,4 Prozent erscheint<br />
das Tagesgeldkonto aber<br />
auch unter Berücksichtigung des<br />
Sicherheitsaspektes zumindest<br />
im Augenblick wenig interessant,<br />
zumal viele Tagesgeldangebote<br />
der Banken doch ausgesprochen<br />
deutlich darüber liegen und in der<br />
Regel –auch von der deutschen<br />
Einlagensicherung und vomStaat<br />
–garantiert werden.<br />
Eine ähnliche Beurteilung<br />
müsste derzeit für ein anderes Anlagegebot<br />
des Bundes gelten, die<br />
ein- oder zwei Jahrelaufenden Finanzierungsschätze(Mindestauftrag<br />
500Euro). Diese Titel sind als<br />
Diskontpapier konstruiert, der<br />
vereinbarte Zins wird also vornewegvom<br />
Kaufpreis abgesetzt. Am<br />
Fälligkeitstag erhält der Anleger<br />
dann nach Abzug der Abgeltungsteuer<br />
den Nennwert (Kaufpreis<br />
plus Zinsertrag) zurückgezahlt.<br />
Da nun die Geldmarktzinsen an<br />
den Märkten ausgesprochen niedrig<br />
sind, liegt der Verkaufszinssatz<br />
für den Zwölf-Monats-Titel bei<br />
0,38 Prozent und für den 24-Monats-Titel<br />
bei 0,67 Prozent. Auch<br />
unter Berücksichtigung der Tatsache,<br />
dass weder beim Erwerb<br />
noch bei Fälligkeit der Schätze<br />
Kosten und Gebühren anfallen<br />
und auch die Verwahrung und<br />
Verwaltung der Titel im Schuldbuchkonto<br />
der Finanzagentur<br />
kostenlos ist, stößt diese Anlage<br />
bei Privatanlegern derzeit nicht<br />
auf viel Zuspruch, so Pressesprecher<br />
Boris Knapp vonder Finanzagentur.<br />
Weiterhin durchaus gut gekauft<br />
werde von Privatanlegern<br />
jedoch der Bundesschatzbrief,<br />
fügt er hinzu, wenn auch nicht<br />
wie zu seinen besten Zeiten. Bei<br />
diesem Titel liegen die Endrenditen<br />
der derzeit angebotenen Serien<br />
2010/01Typ Amit sechs Jahren<br />
Laufzeit und 2010/02Typ B(nicht<br />
ausschüttend) mit sieben Jahren<br />
Laufzeit bei 2,16 und 2,45 Prozent.<br />
Dabei liegt der Anreiz zum<br />
Durchhalten dieses seit rund 40<br />
Jahren angebotenen Titels in der<br />
aufsteigenden Zinsstaffel. So<br />
steigt der Zinssatz von 0,25 Prozent<br />
im ersten Jahr auf vier Prozent<br />
im sechsten und bei TypB<br />
auch im siebten Laufzeitenjahr.<br />
Diese Bundesschatzbriefe werden<br />
immer dann in einer neuen<br />
Tranche ausgegeben, wenn die<br />
Renditen der laufenden Ausgabe<br />
nicht mehr den Marktgegebenheiten<br />
entsprechen. Die Schatzbriefe<br />
der jeweils aktuellen Serie können<br />
gebührenfrei bei der Finanzagentur<br />
erworben und verwahrt werden,<br />
die Rendite wird also nicht<br />
durch Spesen oder Gebühren vermindert.<br />
Damit ist der Schatzbrief<br />
ein klassischer Titel nach dem<br />
Motto: Gut schlafen, wissen was<br />
kommt, nicht übermäßig reich<br />
werden, aber eine feste Kalkulationsbasis<br />
haben.<br />
Und die nicht allzu langen<br />
Laufzeiten sollten verhindern,<br />
dass von Seiten einer anziehenden<br />
Inflation böse Überraschungen<br />
eintreten können. Außerdem<br />
hat der Schatzbriefinhaber durchaus<br />
die Möglichkeit, bei heraufdräuenden<br />
Inflationsgefahren –<br />
oder aus sonstigen Gründen –<br />
auszusteigen. Denn er kann nach<br />
Ablauf des ersten Laufzeitenjahres<br />
monatlich für 5000 Euro<br />
Schatzbriefe zum Nennwert zurückgeben.<br />
Daneben wissen Zinsjäger,<br />
dass zum Beispiel die bei<br />
einer Bank zurückfließenden
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 19<br />
BUNDESWERTPAPIERE AUF EINEN BLICK<br />
Merkmale<br />
Stückelung<br />
Mindestauftrag<br />
Anlagehöchstbetrag<br />
Zinszahlung<br />
Zinsberechnungsmethode<br />
Laufzeit<br />
Rückzahlung<br />
Erwerber<br />
Verkauf bzw. vorzeitige<br />
Rückgabe<br />
Übertragbarkeit auf Dritte<br />
Verkaufsstellen<br />
Lieferung<br />
Verwahrung/Verwaltung<br />
Kosten und Gebühren<br />
beim Erwerb<br />
Einlösung bei Fälligkeit<br />
Verwaltung durch Kreditinstitute<br />
Finanzagentur*<br />
Stückelung<br />
Mindestauftrag<br />
Anlagehöchstbetrag<br />
Zinszahlung<br />
Zinsberechnungsmethode<br />
Laufzeit<br />
Rückzahlung<br />
Erwerber<br />
Verkauf bzw. vorzeitige<br />
Rückgabe<br />
Übertragbarkeit auf Dritte<br />
Verkaufsstellen<br />
Lieferung<br />
Verwahrung/Verwaltung<br />
Kosten und Gebühren beim<br />
Erwerb<br />
Einlösung bei Fälligkeit<br />
Verwaltung durch Kreditinstitute<br />
Finanzagentur*<br />
Schatzbriefe auch an Dritte übertragen<br />
werden können und auch<br />
dürfen. So gab es –gibt es? –bei<br />
der einen oder anderen Bank<br />
durchaus Wartelisten, wo gutbetuchte<br />
Anleger Schatzbriefe mit<br />
hohen Zinsen in den letzten Jahren<br />
jagen, falls solche von Anlegern<br />
mit Geldbedarf vorzeitig zurückgegeben<br />
werden sollten.<br />
Im Auktionsverfahren<br />
begeben<br />
Die fünf Jahrelaufenden Bundesobligationen<br />
werden seit 2003 im<br />
Rahmen eines Auktionsverfahrens<br />
begeben und direkt nach der<br />
Auktion an der Börse eingeführt.<br />
Damit sind sie seitens der Finanzagentur<br />
primär als Produkt für<br />
Institutionelle konzipiert, können<br />
nach der Börseneinführung<br />
aber natürlich auch von Privatanlegern<br />
erworben werden; und<br />
zwar auch kostenfrei zum Börsenkurs<br />
bei der Finanzagentur.<br />
Doch hat die Finanzagentur den<br />
Eindruck, dass hier Private kaum<br />
in größerem Umfang zugreifen.<br />
Die jüngste Emission vom15. Januar<br />
2010 mit Laufzeit bis zum<br />
27. Februar 2015 (WKN 114156)<br />
trägt einen Nominalzins von2,50<br />
Prozent.<br />
Die längsten Laufzeiten aller<br />
Bundeswertpapiere haben Bundesanleihen,<br />
ab dem Emissionszeitpunkt<br />
zehn oder dreißig Jahre.<br />
Sie sind, richtig ausgewählt und<br />
auf die persönlichen Bedürfnisse<br />
zugeschnitten, ein guter Anlagetitel<br />
auch für Private.Die Sicherheit<br />
des Emittenten Bund bedeutet je-<br />
Tagesanleihe<br />
0,01 €<br />
50 €. Keine Mindestbetragsgrenze bei<br />
Wiederanlagen von Zins- und Tilgungsleistungen<br />
aus dem Schuldbuch<br />
250 000 € je Person und Bankgeschäftstag.<br />
Keine Höchstbetragsgrenze bei Wiederanlagen<br />
von Zins und Tilgungsleistungen aus<br />
dem Schuldbuch<br />
immer zum 31.12., Umwandlung in Anteile<br />
actual/360<br />
unbefristet<br />
zum Tagespreis (Nennwert + Zinsen)<br />
jedermann,<br />
Direkterwerb bei der Finanzagentur*<br />
tägliche Rückgabe bei der Finanzagentur*<br />
zum Tagespreis möglich,<br />
max. 1 Mio. € je Gläubiger und Geschäftstag<br />
jederzeit 3)<br />
gebührenfrei<br />
gebührenfrei<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
Bundesschatzanweisungen<br />
0,01 €<br />
Börse: kein Mindestauftrag<br />
(Tenderverfahren:<br />
Mindestgebot 1 Mio. €)<br />
unbeschränkt<br />
jährlich nachträglich<br />
actual/actual<br />
2 Jahre<br />
zum Nennwert<br />
jedermann,<br />
Ex Emission nur Mitglieder der Bietergruppe<br />
nach Börseneinführung täglicher Verkauf zum<br />
aktuellen Kurs möglich<br />
bei Verkauf über Finanzagentur* 2) :<br />
zum Einheitspreis der Frankfurter<br />
Wertpapierbörse als Festpreis<br />
jederzeit 3)<br />
übliche Bankprovision<br />
gebührenfrei bei Finanzagentur*;<br />
übliche Bankprovision<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
doch nicht, dass mit solchen langlaufenden<br />
Papieren nicht auch<br />
Verluste eingefahren werden können.<br />
Verluste, die nicht aus dem<br />
Emittenten-Risiko herrühren,<br />
sondern dem Zinsveränderungsrisiko.<br />
Ein Beispiel: Derzeit liegen<br />
die Zinsen sowohl im kurzen als<br />
auch im langen Laufzeitenbereich<br />
auf einem historisch ausgesprochen<br />
niedrigen Niveau. Werjetzt<br />
Bundesanleihen mit langer Laufzeit<br />
und einem niedrigen Kupon<br />
erwirbt, muss damit rechnen,<br />
dass er bei einem Anziehen der<br />
Zinssätze an den Märkten mehr<br />
oder wenige deutliche Kurseinbußen<br />
erleidet.<br />
Ende März rentierten zehnjährige<br />
Bundesanleihen an den<br />
Märkten mit etwa 3,40 Prozent.<br />
Sollten nun die vielfach gehegten<br />
Inflationsbedenken wahr werden<br />
und die Notenbanken daran gehen,<br />
Liquidität aus den Märkten<br />
zu nehmen, wäre nach Meinung<br />
vieler Auguren durchaus ein Zinsanstieg<br />
auf vier Prozent möglich.<br />
Das würde dann dazu führen,<br />
dass die alten Anleihen mit dem<br />
niedrigen Zinskupon so weit fallen<br />
müssten, bis sich auch für diese<br />
Emissionen auf Basis des gesunkenen<br />
Kurses dann auch eine<br />
Rendite auf Marktniveau vonvier<br />
Prozent errechnet. Das heißt<br />
nichts anderes, als dass bei einer<br />
Geldanlage in Anleihen, abgesehen<br />
einmal von der Qualität des<br />
Emittenten, dem Zinsänderungsrisiko<br />
Rechnung getragen werden<br />
muss.Drohen also wirklich in absehbarer<br />
Zeit Zinserhöhungen,<br />
tut der Anleger gut daran, sich die<br />
Bundesschatzbriefe<br />
0,01 €<br />
50 €<br />
52 € im Direkterwerb bei der Finanzagentur*<br />
unbeschränkt<br />
Typ A: jährlich<br />
Typ B: Zinsansammlung (Auszahlung der Zinsen mit<br />
Zinseszinsen bei Rückzahlung des Kapitals)<br />
actual/actual<br />
Typ A: 6 Jahre<br />
Typ B: 7 Jahre<br />
Typ A zum Nennwert<br />
Typ B zum Rückzahlungswert (= Nennwert + Zinsen)<br />
nur natürliche Personen, gebietsansässige Einrichtungen<br />
die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen<br />
Zwecken dienen, sowie WEG 4)<br />
nach dem 1. Laufzeitjahr bis zu 5. 000 € je<br />
Gläubiger innerhalb von 30 Zinstagen<br />
jederzeit auf Erwerbsberechtigte 3)<br />
gebührenfrei<br />
gebührenfrei<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
derzeit niedrigen Zinsen nicht zu<br />
lange ans Bein zu binden. Soll heißen,<br />
in solchen Zeiten kauft der<br />
Anleger eher zwei- oder dreijährige<br />
Anleihen, weil er damit dem<br />
Zinsänderungsrisiko weitgehend<br />
ausweicht. Schließlich erhält er<br />
nach den zwei oder drei Jahren<br />
seine 100 Prozent zurück, muss<br />
also nur für einen kurzen Zeitraum<br />
den Minderzins zum gestiegenen<br />
Marktzins verkraften. Bundesanleihen<br />
sind folglich dann eine<br />
gute Anlage, wenn dem neben<br />
dem Emittentenrisiko gegebenen<br />
Zinsrisiko in geschickter Weise<br />
Rechnung getragen wird.<br />
Palette der Angebote<br />
wächst weiter<br />
Mit diesen Produkten ist die Palette<br />
der Bundesemissionen keineswegs<br />
erschöpft. Doch sind die<br />
Bundesschatzanweisungen, die<br />
inflationsindexierten Bundesobligationen<br />
(fünf Jahre) und -anleihen<br />
(zehn Jahre), die unverzinslichen<br />
Schatzanweisungen und<br />
auch die Dollar-Anleihen primär<br />
für institutionelle Anleger gedacht.<br />
Wasnicht heißt, dass auch<br />
hier aufgeschlossene Privatanleger<br />
mit von der Partie sein können.<br />
Außerdem, so merkt die Finanzagentur<br />
an, seien viele Privatanleger<br />
indirekt über Fonds<br />
oder die Portfolios ihrer Lebensversicherung<br />
in solchen Titeln engagiert,<br />
ohne es zu wissen. Auf<br />
jeden Fall hat der Bund als der<br />
Emittent Nummer eins im Lande<br />
derzeit einen großen, krisenbedingten<br />
Vertrauensvorsprung und<br />
Finanzierungsschätze<br />
0,01 €<br />
500 €<br />
250 000 € je Person und<br />
Geschäftstag<br />
Abzinsung<br />
(Nennwert -- Zinsen = Kaufpreis)<br />
actual/actual<br />
1 Jahr und<br />
2 Jahre<br />
zum Nennwert<br />
jedermann<br />
außer Kreditinstitute<br />
nicht möglich<br />
jederzeit auf Erwerbsberechtigte 3<br />
gebührenfrei<br />
gebührenfrei<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
Bundesobligationen<br />
0,01 €<br />
Börse: kein Mindestauftrag<br />
110 € im Direkterwerb bei der Finanzagentur* 1)<br />
(Tenderverfahren: Mindestgebot 1 Mio €)<br />
unbeschränkt; bei Direkterwerb Finanzagentur* 1)<br />
250 000 € je Person und Geschäftstag<br />
ohne Wiederanlage und Umtausch<br />
jährlich<br />
actual/actual<br />
5 Jahre<br />
zum Nennwert<br />
jedermann<br />
Direkterwerb bei der Finanzagentur* 1)<br />
Ex Emission nur Mitglieder der Bietergruppe<br />
nach Börseneinführung täglicher Verkauf<br />
zum aktuellen Kurs möglich<br />
bei Verkauf über die Finanzagentur* 2) : zum<br />
Einheitspreis der Frankfurter Wertpapierbörse<br />
als Festpreis<br />
jederzeit<br />
Finanzagentur* Finanzagentur* und Kreditinstitute Kreditinstitute<br />
Wertrechte (= Anteile an einer Sammelschuldbuchforderung oder Einzelschuldbuchforderung), keine effektiven Stücke<br />
Finanzagentur*, Banken, Sparkassen, sowie Kreditgenossenschaften<br />
Unverzinsliche Schatzanweisungen<br />
0,01 €<br />
Börse: kein Mindestauftrag<br />
(Tenderverfahren:<br />
Mindestgebot 1 Mio. €)<br />
unbeschränkt<br />
Abzinsung<br />
(Nennwert – Zinsen = Kaufpreis)<br />
actual/360<br />
6 Monate<br />
zum Nennwert<br />
jedermann,<br />
Ex Emission nur Mitglieder der Bietergruppe<br />
nach Börseneinführung täglicher Verkauf<br />
zum aktuellen Kurs möglich<br />
bei Verkauf über Finanzagentur* 2) :<br />
zum Einheitspreis der Frankfurter<br />
Wertpapierbörse als Festpreis<br />
jederzeit 3)<br />
übliche Bankprovision<br />
gebührenfrei bei Finanzagentur*;<br />
übliche Bankprovision<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
Klarheit über die Konditionen im Anleihendschungel verschafft auch ein Blick in den Wirtschaftsteil<br />
der Zeitung. FOTO: TMN<br />
damit guten Zuspruch für seine<br />
Titel im In- und Ausland. Ob er<br />
diesen wie geplant zu weiteren<br />
Aktivitäten und Produkten nutzen<br />
kann wie zum Beispiel einer<br />
Ausweitung des Privatkundengeschäfts<br />
generell, einen Sparplan<br />
auf ein Bundeswertpapierportfolio,<br />
einen inflationsgeschützten<br />
Schatzbrief Aoder langlaufende<br />
Floater, ist abhängig von politischen<br />
Entscheidungen in Berlin.<br />
Die Finanzagentur ist keine Bank<br />
und soll sich, so steht es im Koalitionspapier,<br />
nicht im konkurrierenden<br />
Umfeld zu den Banken bewegen.<br />
Ihre jüngste Tagesanleihe<br />
aus dem Jahre 2008 hatte schon<br />
einen Aufschrei im Kreditgewerbe<br />
Inflationsindexierte Anleihe<br />
0,01 €<br />
Börse: kein Mindestauftrag<br />
(Tenderverfahren:<br />
Mindestgebot 1 Mio. €)<br />
unbeschränkt<br />
jährlich nachträglich, auf Basis des<br />
indexierten Zinssatzes<br />
actual/actual<br />
10 Jahre<br />
abhängig von Inflationsentwicklung,<br />
mindestens zum Nennwert<br />
jedermann, Ex Emission nur<br />
Mitglieder der Bietergruppe<br />
nach Börseneinführung täglicher<br />
Verkauf zum aktuellen Kurs möglich<br />
bei Verkauf über Finanzagentur* 2) :<br />
zum Einheitspreis der Frankfurter<br />
Wertpapierbörse als Festpreis<br />
jederzeit 3)<br />
übliche Bankprovision; gebührenfrei bei<br />
Direkterwerb Finanzagentur* 1)<br />
gebührenfrei bei Finanzagentur*,<br />
übliche Bankprovision<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
Finanzagentur*, Banken, Sparkassen, sowie Kreditgenossenschaften<br />
übliche Bankprovision<br />
übliche Bankprovision<br />
gebührenfrei bei Finanzagentur*;<br />
übliche Bankprovision<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
verursacht, ähnlich wie vor 40<br />
Jahren bei der Taufe des Bundesschatzbriefes.<br />
Damit sind der<br />
Agentur derzeit die Hände gebunden;<br />
sie denkt und produziert im<br />
Augenblick zwar Neues mit Blick<br />
auf die Privatanleger,vorerst aber<br />
nur für die Schublade.<br />
Organisiert wirddie Schuldenaufnahme<br />
des Staates seit Juni<br />
2001 durch die Bundesrepublik<br />
Deutschland Finanzagentur<br />
GmbH mit Sitz in der Lurgiallee in<br />
Frankfurt. Seit der Zusammenlegung<br />
im August 2006 mit der Bundeswertpapierverwaltung<br />
bietet<br />
die Finanzagentur die kostenlose<br />
Depotverwaltung für Bundeswertpapiereund<br />
deren gebühren-<br />
Inflationsindexierte Obligation<br />
0,01 €<br />
Börse: kein Mindestauftrag<br />
(Tenderverfahren:<br />
Mindestgebot 1 Mio. €)<br />
unbeschränkt<br />
jährlich nachträglich, auf Basis des<br />
indexierten Zinssatzes<br />
actual/actual<br />
5 Jahre<br />
abhängig von Inflationsentwicklung,<br />
mindestens zum Nennwert<br />
jedermann, Ex Emission nur Mitglieder der<br />
Bietergruppe<br />
nach Börseneinführung täglicher<br />
Verkauf zum aktuellen Kurs möglich<br />
bei Verkauf über Finanzagentur* 2) :<br />
zum Einheitspreis der Frankfurter<br />
Wertpapierbörse als Festpreis<br />
jederzeit 3)<br />
Kreditinstitute<br />
Wertrechte (= Anteile an einer Sammelschuldbuchforderung oder Einzelschuldbuchforderung), keine effektiven Stücke<br />
gebührenfrei bei Finanzagentur*;<br />
übliche Bankprovision<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei<br />
Bundesanleihen<br />
0,01 €<br />
Börse: kein Mindestauftrag<br />
(Tenderverfahren:<br />
Mindestgebot 1 Mio €)<br />
unbeschränkt<br />
US-Dollar-Anleihe<br />
1.000 U.S.$<br />
Börse: kein Mindestauftrag<br />
unbeschränkt<br />
jährlich nachträglich<br />
30/360<br />
5 Jahre<br />
zum Nennwert<br />
jedermann<br />
nach Börseneinführung täglicher<br />
Verkauf zum aktuellen Kurs möglich<br />
jederzeit 3)<br />
Miteigentumsanteil an einem in einer Globalurkunde<br />
verbrieften Wertpapiersammelverband<br />
Kreditinstitute<br />
übliche Bankprovision<br />
übliche Bankprovision<br />
Depotgebühren<br />
nicht möglich<br />
* Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH (kurz: Finanzagentur)<br />
1) nur Erwerb der jeweils zuletzt börseneingeführten Bundesobligation durch natürliche Personen, gebietsansässige Einrichtungen die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, sowie WEG 4) möglich<br />
2) einmalige Gebühr in Höhe von 0,4 % des Kurswertes<br />
3) von einem Schuldbuchkonto auf ein anderes Schuldbuchkonto gebührenfrei<br />
4) Wohnungseigentumsgemeinschaft: wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile von natürlichen Personen gehalten wird<br />
jährlich<br />
actual/actual<br />
10 bzw. 30 Jahre<br />
zum Nennwert<br />
jedermann<br />
Ex Emission nur Mitglieder der Bietergruppe<br />
nach Börseneinführung täglicher Verkauf<br />
zum aktuellen Kurs möglich<br />
bei Verkauf über die Finanzagentur*) 2) :<br />
zum Einheitspreis der Frankfurter<br />
Wertpapierbörse als Festpreis<br />
jederzeit 3)<br />
Surftipp<br />
freien Erwerb auch für Privatanleger<br />
an (kostenlose Hotline: 0800-<br />
2225510). Die Gesellschaft erfüllt<br />
Aufgaben bei der Haushalts- und<br />
Kassenfinanzierung des Bundes,<br />
die zuvor dezentral vom Bundesfinanzministerium,<br />
der Deutschen<br />
Bundesbank und der Bundeswertpapierverwaltungwahrgenommen<br />
wurden. Dazu zählen<br />
Dienstleistungen bei der Emission<br />
von Bundeswertpapieren, die<br />
Kreditaufnahme mittels Schuldscheindarlehen,<br />
der Einsatz derivativer<br />
Finanzinstrumente sowie<br />
Geldmarktgeschäfte zum Ausgleich<br />
des Kontos der Bundesrepublik<br />
Deutschland bei der Deutschen<br />
Bundesbank.<br />
Wermehr wissen will über<br />
Bundeswertpapiere und die<br />
Finanzagentur: www.deutsche-finanzagentur.de<br />
oder<br />
auf dem Messestand der Finanzagentur<br />
vom23. bis 25.<br />
April 2010 auf der Invest in<br />
Stuttgart. Kostenlose Eintrittskarten<br />
können über die<br />
Finanzagentur bestellt werden.<br />
übliche Bankprovision<br />
gebührenfrei bei Finanzagentur*;<br />
übliche Bankprovision<br />
Depotgebühren<br />
gebührenfrei
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 20<br />
Istmein Unternehmen<br />
reif für die Börse?<br />
Kapital durch Aktienausgabe –<br />
Stephan Mahn, Vorstandsmitglied<br />
Blättchen &<br />
Partner AG aus<br />
Leonberg zu<br />
Aspekten eines<br />
Going Public<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
Über Jahre und Jahrzehnte hieß es,<br />
dass Deutschland mit seiner geringen<br />
Wohneigentumsquote international<br />
einen riesigen Nachholbedarf habe.<br />
Während in vielen anderen europäischen<br />
Ländern 60 bis 80 Prozent der<br />
Haushalte in den eigenen vier Wänden<br />
wohnen, dürften es in Deutschland nur<br />
gut 40 Prozent sein und in den Großstädten<br />
sogar noch deutlich weniger.<br />
Das war auch einer der Gründe, weshalb<br />
über Jahreund Jahrzehnte das Ansparen<br />
und Errichten eines eigenen<br />
Häuschens mit den unterschiedlichsten<br />
Maßnahmen vom Staat gefördert wurde.Ok,<br />
die Eigenheimzulage ist Anfang<br />
2006 ausgelaufen, aber immerhin gibt<br />
es jetzt den sogenannten Wohn-Riester.<br />
VON STEPHAN MAHN<br />
Nach einer krisenbedingten<br />
Pause kamen zuletzt endlich<br />
wieder einige deutsche<br />
Unternehmen an die Börse.<br />
Mit diesen Börsengängen (oder<br />
IPOs, „Initial Public Offerings“)<br />
könnte die seit 2008 andauernde<br />
weitgehende Emissionsflaute am<br />
deutschen Eigenkapitalmarkt zu<br />
Ende gehen. Bei den Kandidaten<br />
handelt es sich um große Mittelständler<br />
aus dem Mehrheitsbesitz<br />
von Beteiligungsgesellschaften,<br />
die Umsatzerlöse in einer Größenordnung<br />
von wenigstens mehrerenhundert<br />
Millionen Euroerwirtschaften<br />
und an der Börse einen<br />
Betrag im dreistelligen Millionenbereich<br />
bewegen beziehungsweise<br />
hereinholen wollen.<br />
Sind diese Bemühungen von<br />
Erfolg gekrönt, dann steht die Tür<br />
zum Kapitalmarkt nach Meinung<br />
vonIPO-Beratern auch wieder für<br />
viele andere Unternehmen, auch<br />
wieder kleinere, offen. Doch für<br />
wen kommt dieser Schritt wirklich<br />
in Betracht? Welcher Mittelständler<br />
ist reif für die Börse oder<br />
kann sich in relativ kurzer Zeit reif<br />
machen? Neben formalen Kriterien<br />
wie der Rechtsform und inhalt-<br />
In der letzten Zeit mehren sich hingegen<br />
die Stimmen, die im Verhalten<br />
der Deutschen international eine Vorreiterfunktion<br />
sehen. Die Argumentationsketten<br />
laufen dabei auf verschiedenen<br />
Bahnen. So meint Florian Lanz,<br />
Vorstandsvorsitzender der Estavis AG<br />
in Berlin, dass bei einem Eigenheim<br />
nicht von einer guten Kapitalanlage<br />
und einer zweckmäßigen Altersvorsorge<br />
geredet werden könne. Denn dabei<br />
werde infataler Weise das wichtigste<br />
Auswahlkriterium einer Immobilie,die<br />
Standortwahl, verletzt. Zum einen werde<br />
aus Kostengründen oft am Stadtrand<br />
gebaut, zum anderen werdeder Makrostandort<br />
nach dem Sitz des aktuellen<br />
Arbeitgebers ausgewählt. Das binde<br />
lichen Fragestellungen wie der Attraktivität<br />
der Branche und des<br />
Unternehmens für Investoren<br />
spielt immer wieder die Frage<br />
nach der „kritischen Unternehmensgröße“<br />
eine entscheidende<br />
Rolle. Weder der Gesetzgeber<br />
noch die Börsen legen sich hier<br />
wirklich fest.<br />
Emittenten ganz<br />
unterschiedlicher Größe<br />
Helfen kann ein Blick in die Emissionsstatistik<br />
früherer Jahre: Anhand<br />
der Börseneinführungen<br />
2006 und 2007 lässt sich belegen,<br />
dass die Emittenten je nach<br />
Marktsegment sehr unterschiedliche<br />
Größenmerkmale aufwiesen:<br />
So erwirtschafteten die 52 IPOs<br />
des Prime Standards, dem Transparenzstandard<br />
der Deutschen<br />
Börse mit den höchsten Anforderungen<br />
an Emittenten wie etwa<br />
einer internationalen Rechnungslegung<br />
im Median einen Umsatz<br />
von66Millionen EuroimJahr vor<br />
der Börseneinführung und erzielten<br />
im Median ein Emissionsvolumen<br />
von 88Millionen Euro. Die<br />
entsprechenden Zahlen für die 57<br />
Börsengänge im Entry Standard,<br />
wo beispielsweise die Rechnungs-<br />
Rational contraemotional<br />
Immobilien – Das eigene Häuschen wird längst nicht mehr generell als gute Geldanlage angesehen –„Lieber zur Miete wohnen“<br />
heutzutage zu sehr an die Region und<br />
könne der Karriereplanung im Wege<br />
stehen.<br />
Sinnvoller sei es, weiter zur Miete<br />
zu wohnen und eine Immobilie als Kapitalanlage<br />
zu kaufen. Denn dann<br />
müsste der Standort der Immobilie<br />
nicht der persönlichen Situation, etwa<br />
einem Wechsel des Arbeitsplatzes<br />
oder der größer werdenden Familie,<br />
angepasst werden. Auch unter Steuerund<br />
Abschreibungsgesichtspunkten<br />
sei dieser Wegsinnvoller.Zudem gebe<br />
es später das Problem eines viel zu<br />
großen Hauses nicht, wenn die Kinder<br />
auszögen. Ganz zu schweigen davon,<br />
dass mit der Alterung sich das Anforderungsprofil<br />
an das gewünschte Haus<br />
ändert, sei es in Bezug auf die Größe,<br />
den Zuschnitt oder auch die Frage der<br />
Barrierefreiheit.<br />
Das ist sicher alles rational und<br />
richtig, vernachlässigt andererseits<br />
aber die irrationale Seite des Wunsches<br />
nach etwas eigenem für die Familie,<br />
nach ungestörtem, freiheitlichem<br />
Wohnen und damit einer gehobenen<br />
Lebensqualität. Doch stellt sich<br />
dann sofort die Frage, wieso die indirekte<br />
Immobilienanlage in offenen<br />
und geschlossenen Immobilienfonds<br />
in Deutschland so beliebt ist wie in<br />
keinem anderen Land der Welt. Dazu<br />
meint Torsten Deutsch, Geschäftsführer<br />
der Hannover Grund Vermögensanlagen<br />
GmbH, dass deutsche Anleger<br />
legung nach dem deutschen<br />
HGB auch zulässig ist, belaufen<br />
sich beim Umsatz lediglich<br />
auf 8,4 Millionen<br />
Euro und beim Emissionsvolumen<br />
auf 7,3 Millionen<br />
Euro ohne Berücksichtigung<br />
reiner Notierungsaufnahmen.<br />
Das zeigt zumindest,<br />
dass Börsengänge mit<br />
deutlich kleineren Volumina,<br />
als sie derzeit diskutiert<br />
werden, in einem<br />
guten Marktumfeld<br />
möglich sind. Wichtig<br />
ist dabei das „gute<br />
Marktumfeld“. Obsolche<br />
Börsengänge auch<br />
sinnvoll sind, kann<br />
nur für den Einzelfall<br />
beurteilt werden und<br />
hängt entscheidend davon ab,<br />
welche Ziele mit dem Börsengang<br />
verbunden werden. Geht es zum<br />
Beispiel vorallem um die Herstellung<br />
der Handelbarkeit vonAnteilen<br />
–etwa, um den Handel von<br />
bereits ausgegebenen Mitarbeiteraktien<br />
zu ermöglichen –sostehen<br />
dem auch relativ geringe<br />
Emissionsvolumina nicht notwendigerweise<br />
entgegen. Geht es<br />
aber um den idealtypischen Fall<br />
der langfristigen Wachstumsfinanzierung,<br />
so muss das Volumen<br />
nicht nur den unmittelbar bevorstehenden<br />
Wachstumsschritt ermöglichen.<br />
Vielmehr sollte die<br />
Transaktion auch für institutionelle<br />
Investoren interessant sein,<br />
denn sie können das Unternehmen<br />
auch in den weiteren Wachstumsphasen<br />
mit Kapitalerhöhungen<br />
in nennenswertem Umfang<br />
begleiten.<br />
Das setzt voraus, dass die Investoren<br />
ausreichend mit Informationen<br />
über die Attraktivität<br />
des Unternehmens versorgt werden<br />
und sich vor allem später an<br />
der Börse auf eine ausreichende<br />
Liquidität der Aktie verlassen<br />
können. Damit es sich für einen<br />
institutionellen Investor lohnt, zu<br />
DAS BRINGT DER GANG AN DIE BÖRSE<br />
Das Fazit eines Börsenganges<br />
formuliertdie Deutsche Börse<br />
in ihrer für jeden Mittelständler<br />
lesenswerten Broschüre<br />
„Wachstum und Unabhängigkeit<br />
durch Eigenkapitalfinanzierung,<br />
Strukturwandel und<br />
Lösungsansätze für den deutschen<br />
Mittelstand in der aktuellen<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise“<br />
wie folgt:<br />
� Aus finanzwirtschaftlicher<br />
Perspektive dient ein Börsengang<br />
vor allem der Finanzierung<br />
von Wachstumsstrategien<br />
und der Stärkung des Eigenkapitals,<br />
aber auch der besseren<br />
Risikodiversifizierung der Alteigentümer<br />
oder der Lösung einer<br />
Nachfolgeproblematik.<br />
� Mit der Harmonisierung des<br />
EU-Kapitalmarktrechts haben<br />
die Börsen Angebote für die Unternehmen<br />
entwickelt, einen<br />
Börsengang unter deutlich geringeren<br />
formalen Anforderungen<br />
außerhalb des EU-regulierten<br />
Markts durchzuführen. Diese<br />
alternativen Wege werden<br />
sehr stark in Anspruch genommen.<br />
� Die Mehrzahl der Unternehmen<br />
realisiert tat-<br />
sich offenbar eher für Bürohäuser in<br />
Australien, Kanada oder Amerika begeistern<br />
als für den Erwerb eines eigenen<br />
Häuschens mit Garten. Seit Jahren<br />
steige die Wohneigentumsquote nicht<br />
mehr, wohl aber das in indirekten Immobilien<br />
angelegte Vermögen.<br />
Und gerade diese Anlageform und<br />
Verhaltensweise der Deutschen hält er<br />
für modern und vorbildhaft. Das Investment<br />
in das eigene Haus sei emotional<br />
motiviert, das indirekte Immobilieninvestment<br />
in Fonds oder Immobilienaktien<br />
hingegen rational motiviert.<br />
Auch unter dem Gesichtspunkt<br />
der Diversifikation, also Risikostreuung,<br />
sei es nicht sinnvoll, die eigenen<br />
Mittel fast gänzlich in ein Haus zu ste-<br />
investieren, muss er nämlich ein<br />
bestimmtes Mindestvolumen bewegen,<br />
das selten unterhalb von<br />
100000 Euro liegen wird. Bei einem<br />
geringen Emissionsvolumen<br />
hält der Investor dann einen relativ<br />
hohen Anteil der ganzen Emission<br />
und muss befürchten, dass er<br />
anschließend bei Bedarf an der<br />
Börse weder nennenswert zukaufen<br />
noch veräußern kann. Daher<br />
empfiehlt es sich in diesen Fällen,<br />
bereits bei der Erstplatzierung ein<br />
Mindestvolumen anzupeilen, das<br />
auch in guten Kapitalmarktphasen<br />
nicht deutlich unter 20 Millionen<br />
Euroliegen sollte.<br />
Beispiele Geneart<br />
und Halloren<br />
sächlich Wachstumsstrategien<br />
und verbessert die Finanzierungssituation<br />
durch eine Stärkung<br />
der Eigenkapitalbasis.<br />
Diese Effekte sind bei kleinen<br />
Unternehmen deutlicher als bei<br />
großen.<br />
� Die Realisierung vonWachstumspotentialen<br />
findet ihren<br />
Ausdruck in wachsenden Bilanzsummen,<br />
in steigenden<br />
Umsätzen, in steigenden Mitarbeiterzahlen,<br />
in wachsendem<br />
Auslandsumsätzen und ausländischen<br />
Vermögenswerten sowie<br />
einem deutlich verbesserten<br />
Diversifikationsgrad.<br />
� Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />
werden<br />
deutlich erhöht und die M&A-<br />
Aktivitäten steigen.<br />
� Mit der höheren Eigenkapitalbasis<br />
wachsen die Finanzierungsspielräume,<br />
auch im<br />
Fremdkapitalbereich,<br />
und die Investitionsvolumina<br />
steigen.<br />
Beispiele hierfür sind der Börsengang<br />
des Biotechnologieunternehmens<br />
Geneart mit einem<br />
Emissionsvolumen von rund 20<br />
Millionen Euro imMai 2006 oder<br />
der Halloren Schokoladenfabrik<br />
mit einem Emissionsvolumen von<br />
rund 16 Millionen im Mai 2007.<br />
Da unterschiedliche Unternehmen<br />
je nach Branche und Situation<br />
sehr unterschiedliche Bewertungen<br />
erzielen, ist es schwierig,<br />
daraus direkte Rückschlüsse auf<br />
die Unternehmensgröße im Sinne<br />
beispielsweise des Jahresumsatzes<br />
des Unternehmens zu ziehen.<br />
So erzielte Geneart etwa einen<br />
Umsatz von4,5 Millionen Euroim<br />
Jahr vor der Börseneinführung,<br />
Halloren immerhin rund 26 Millionen<br />
Euro. In jedem Fall empfiehlt<br />
es sich, die Überprüfung der<br />
Relationen am konkreten Einzelfall<br />
vorzunehmen und bei einem<br />
positiven Ergebnis die Vorbereitungen<br />
gründlich und mit fundierter<br />
Beratung anzugehen. Doch<br />
zeigen diese Zahlen, dass in<br />
Deutschland zwar noch nicht, wie<br />
in den USA, die Drogerie an der<br />
Ecke „public“ gehen kann, aber<br />
durchaus der „mittlere Mittelständler“,<br />
von denen es in Südhessen<br />
ausgesprochen viele gibt.<br />
cken. So würde kein Wertpapiersparer<br />
alle seine Mittel in eine Aktie stecken<br />
anstatt in Fonds mit einer breiten Risikostreuung.<br />
Aus solchen Einschätzungen ergeben<br />
sich sofort weitergehende Schlüsse<br />
beziehungsweise Fragen. Ist unter diesem<br />
Aspekt die staatliche Immobilienförderung<br />
noch sinnvoll? Warum sind<br />
fremdvermietete Immobilien ausgenommen?<br />
Warum indirekte Immobilienanlagen?<br />
Sein Fazit: Die staatliche<br />
Förderung folgt einem anachronistischen<br />
Verständnis von Immobilienanlagen<br />
und wird dem Paradigmenwechsel,<br />
der in einer modernen Gesellschaft<br />
eher in Richtung indirekter Anlagen<br />
weist, nicht gerecht. Og
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 21<br />
Seite 29<br />
Individuell<br />
und dekorativ<br />
Töpfer-Tradition verkörpert<br />
Bernd Dönig aus Erbach.<br />
Odenwälder Keramik ist seine Leidenschaft.<br />
echo-auktion.de<br />
Handwerk &<br />
Hightech<br />
Traumangebote bis zu 60 %günstiger!<br />
Mitbieten und Schnäppchen sichern –viele tolle Angebote vom 10. bis 20. April 2010!<br />
»Ein schlechter Handwerker<br />
schimpft immer auf sein Werkzeug.«<br />
Bernd Dönig FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
Englisches Sprichwort<br />
Seite 25<br />
Digitale Manufaktur<br />
Armin Kurt Knaup und sein<br />
Team bedrucken alles von<br />
der Visitenkarte bis zur Lkw-<br />
Plane. Auch Künstler kommen<br />
wegen der Qualität.<br />
Seite 26<br />
Unterwegs arbeiten<br />
Die Darmstädter Firma Cosynus<br />
entwickelt Software, damit<br />
iPhone und Blackberry<br />
effizient genutzt werden<br />
können im Business.<br />
Seite 28<br />
Alt und Neu<br />
Im Raunheimer Lehrmittelverlag<br />
vonBernhard Dorn<br />
treffen Gutenbergs Drucktechnik<br />
und die hochmoderne<br />
Medienwelt aufeinander.<br />
Seite 31<br />
KomplexeMaterie<br />
Das Umweltrecht vonAnlagenzulassung<br />
bis Ökodesign<br />
beeinflusst die Unternehmenspraxis.Gastbeitrag<br />
von<br />
Alfred Stapelfeldt.<br />
…und ab 10. April mitbieten –<br />
auf echo-auktion.de
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 22<br />
Die Erbsenzähler<br />
Count +Care –Entega-Tochter nutzt die Liberalisierung der Energiemärkte<br />
und arbeitet jetzt auch als Dienstleister für andereUnternehmen<br />
VON HANS DIETER ERLENBACH<br />
Das Gänseblümchen ist eine<br />
der unscheinbarsten<br />
Blumen überhaupt. Klein<br />
duckt es sich neben Grasnarben,<br />
wirdmeist achtlos zertreten oder<br />
mit dem Rasenmäher beseitigt<br />
und gilt gelegentlich als Liebeshoroskop.<br />
Nämlich dann, wenn<br />
man Blättchen für Blättchen von<br />
der Blüte abzupft: „Sie liebt<br />
mich, sie liebt mich nicht, sie<br />
liebt mich ...“<br />
Diese unscheinbare Blume,<br />
schon ein wenig gerupft, ziert das<br />
Firmenlogo von Count + Care.<br />
Zwar eine Tochter der HSE-Vertriebsfirma<br />
Entega, am Markt aber<br />
auch für andere Energieversorger<br />
tätig.<br />
Energie ist zu einem kostbaren<br />
Gut geworden, seit die Preise<br />
in immer höhere Regionen vorstoßen<br />
und der Blick auf den<br />
ständig rotierenden Stromzähler<br />
einem Hausbesitzer oder Mieter<br />
schon mal Schweißperlen auf die<br />
Stirn treibt. Für Geschäftsführer<br />
Johannes Brüssermann weisen<br />
die fehlenden Blätter des Gänseblümchens<br />
auf das Zählen hin.<br />
Denn gezählt wird bei Count +<br />
Care injeder Sekunde. Nämlich<br />
Energie.<br />
Sparen durch<br />
intelligente Stromzähler<br />
Genau hier setzt das Geschäftsmodell<br />
des Dienstleisters an, der<br />
rund 230Mitarbeiter hat. Tendenz<br />
steigend. Er unterstützt Energie-<br />
Noch besser als unser Service<br />
sind nur unsere Preise.<br />
Wechseln Sie jetzt zu Mainova Strom Direkt! Top-Service, faire Verträge und<br />
günstige Preise –ausgezeichnet mit Bestnoten in der Verivox Strom-Service-<br />
studie 2009.<br />
sparmaßnahmen durch den Einbau<br />
intelligenter Stromzähler.<br />
Nicht nur für Privatkunden, sondern<br />
vor allem für große Firmen<br />
und Filialketten. Neben der Firmenzentrale<br />
in der Darmstädter<br />
Landwehrstraße besteht eine kleine<br />
Niederlassung in Mainz.<br />
Früher, soerinnert sich Brüssermann,<br />
gab es bei der Heag alle<br />
Leistungen unter einem Namen.<br />
Das begann mit der Energieerzeugung,<br />
ging über die Verteilung<br />
der Energie auf die Netze<br />
und den Vertrieb sowie die Abrechnung.<br />
Die Liberalisierung<br />
der Energiemärkte eröffnete dem<br />
Unternehmen neue Geschäftsfelder.<br />
Eines davon ist Count +<br />
Care, früher besser als Entega-<br />
Service bekannt. „Der neue<br />
Name ist ein sprechender Name.<br />
Er drückt aus, was wir tun“, sagt<br />
Brüssermann. „Nämlich zählen<br />
und kümmern.“ Bei Count +<br />
Caresind inzwischen alle Prozesse<br />
vom Zähler über die Abrechnung<br />
bis zum Forderungsmanagement<br />
angesiedelt.<br />
Die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes<br />
ermöglicht es<br />
Stromkunden seit 2009, sich<br />
selbst einen Stromzähler zu besorgen.<br />
Früher musste man nehmen,<br />
was der Stromanbieter installierte.<br />
Brüssermann ist sicher,<br />
dass die schwarzen Zähler mit<br />
dem rotierenden Rad, die seit<br />
Jahrzehnten installiert werden,<br />
bald ausgedient haben.<br />
Ein moderner Zähler hat<br />
durchaus Vorteile, wie Brüssermann<br />
erläutert. Er kann detailliert<br />
Jetzt wechseln: www.direktwechsel.de oder: 0800 11 333 88 (kostenfrei)<br />
aufzeigen, zu welcher Tageszeit<br />
und an welchen Geräten der<br />
Stromverbrauch besonders hoch<br />
ist. Fürdie Kunden liegen hier große<br />
Sparpotenziale, mit denen die<br />
monatliche Miete von zwei bis<br />
drei Euro für die Zähler meist<br />
schnell hereinzuholen ist. Bestellen<br />
kann man diese Zähler unter<br />
anderem bei Count +Care.<br />
Unrentablen Kühlgeräten<br />
auf der Spur<br />
Noch spannender als für einen<br />
Privathaushalt ist eine detaillierte<br />
Aufschlüsselung des Stromverbrauchs<br />
für Firmen oder große<br />
Handelsketten mit vielen hundert<br />
Märkten. Sie können tagesgenau<br />
sehen, in welchem Markt wie viel<br />
Strom verbraucht wird. So kommen<br />
sie unrentablen Kühlgeräten<br />
auf die Schliche oder lokalisieren<br />
Stromfresser.Das bringt nicht nur<br />
einen Spareffekt, sondern ist gut<br />
für die Umwelt. Count + Care<br />
bündelt für solche Firmen die Daten<br />
und wertet sie aus.<br />
Stromzähler müssen künftig<br />
nicht mehr abgelesen werden,<br />
Johannes Brüssermann FOTOS: HANS DIETER ERLENBACH<br />
sondern liefern ihre Daten per<br />
Funk direkt an den Abrechnungsbetrieb.<br />
Auf Wunsch kann ein<br />
Stromnutzer tagesaktuell seine<br />
Daten bekommen. Johannes<br />
Brüssermann spricht in diesem<br />
Zusammenhang von „intelligenten<br />
Zählern, die kommunikationsfähig<br />
sind.“ Die Daten sind sogar<br />
auf Wunsch auf bis zu 15 Minuten<br />
aktualisiert im Internet abrufbar.<br />
Gegründet wurde Count +<br />
Care2003als Entega-Service.2010<br />
firmierte das Unternehmen in<br />
Count +Careum. Die 230Mitarbeiter<br />
erwirtschafteten vergangenes<br />
Jahr 60 Millionen Euro Umsatz.<br />
Momentan werden 900 000<br />
Kunden bundesweit betreut.<br />
„Wir sind neutraler Dienstleister<br />
und Servicepartner für Vertriebe,<br />
Netzgesellschaften, Handel,<br />
Gewerbe, Industrie und Kommunen“,<br />
umschreibt Brüssermann<br />
das Tätigkeitsfeld des jungen Unternehmens.<br />
„Wir sind die Erbsenzähler,<br />
die Geschäftsmodelle<br />
absichern.“ Count +Carebetreut<br />
nicht nur Strom-, sondern auch<br />
Gas- und Wasserkunden.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 23<br />
VON KLAUS THOMAS HECK<br />
Der Stromzähler spricht<br />
deutsch, das Kraftwerk<br />
englisch, die Trafostation<br />
serbokroatisch und die Waschmaschine<br />
chinesisch. So ähnlich<br />
muss man sich die europäische<br />
Energieversorgung vorstellen.<br />
Ein babylonisches Sprachgewirr.<br />
Einheitliche Standards sind Mangelware,<br />
viele Systeme nicht mal<br />
miteinander kompatibel. Wie<br />
soll daraus jemals ein effizienter<br />
Markt entstehen? Sechs Modellprojekte<br />
in Deutschland, Spanien,<br />
Großbritannien und den Niederlanden<br />
sollen nun die Entwicklung<br />
intelligenter Stromnetze<br />
erforschen. Das umfassendste<br />
startet dieser Tage in Südhessen:<br />
Web2energy.<br />
„Der Strommarkt steht vorgroßen<br />
Herausforderungen“, sagt Albert<br />
Filbert, Vorstandsvorsitzender<br />
der Heag Südhessische Energie<br />
AG (HSE). Der Darmstädter<br />
Energieversorger führt das<br />
„Web2energy“-Konsortium an,<br />
an dem zehn Unternehmen und<br />
Forschungseinrichtungen beteiligt<br />
sind. Die Europäische Union<br />
fördert das fünf Millionen Euro<br />
teure Projekt mit 2,9 Millionen.<br />
Die HSE zahlt eine Million.<br />
Zunehmend lösen dezentrale,<br />
regenerative Energiequellen die<br />
großen Kraftwerke ab. Wasserkraft,<br />
Biomasse- und Solaranlagen<br />
statt großer Braunkohle- oder<br />
Kernkraftwerke. Experten erwarten,<br />
dass der Anteil erneuerbarer<br />
Energien von derzeit 15 Prozent<br />
bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent<br />
steigt. Doch das stellt so manchen<br />
Netzanbieter vor ungeahnte<br />
Probleme.Wie kann Strom von<br />
den großen Windkraftparks an<br />
der Küste ohne Verluste ins Gebirge<br />
transportiert werden? Lässt<br />
sich Energie dauerhaft speichern?<br />
Schließlich sind Wind<br />
und Sonne oft nur für wenige<br />
Stunden am Tagnutzbar. Doch<br />
noch sind viele Fragen weitestgehend<br />
ungelöst.<br />
Europa lernt<br />
in Eppertshausen<br />
In Südhessen sollen Antworten<br />
gefunden werden. Bis Ende 2012<br />
will das Konsortium in sechs repräsentativen<br />
Baugebieten in<br />
Darmstadt und im Landkreis<br />
Darmstadt-Dieburg sogenannte<br />
„smart grids“ – intelligente<br />
Stromnetze –testen: in der St.-<br />
Barbara-Siedlung in Eberstadt<br />
zum Beispiel, auf dem Miag-Gelände<br />
in Ober-Ramstadt und in<br />
den Neubaugebieten vonSchaafheim,<br />
Eppertshausen, Münster<br />
und Groß-Bieberau. 200 Haushalte<br />
erhalten dort kostenlos intelligente<br />
Stromzähler mit einem<br />
Wirtschafts-TV:<br />
Familien im Fokus<br />
VON TINO FRIEDERICH<br />
Unterschiedlich große und erfolgreiche<br />
Familienunternehmen bilden<br />
den inhaltlichen Schwerpunkt der an<br />
ökonomischen Sachverhalten orientierten<br />
TV-Sendungen der kommenden<br />
Wochen. Daneben werden zahlreiche<br />
charismatische Unternehmerpersönlichkeiten<br />
porträtiert, die mit Geschick<br />
und Mut ihreteilweise verwegenen Ideen<br />
verwirklichen konnten (Änderungen<br />
vorbehalten):<br />
Donnerstag, 8. April: „Karstadt –Der<br />
große Schlussverkauf“ (WDR, 14.15<br />
Uhr) aus der Reihe „die story“ unternimmt<br />
den Versuch, eine der größten<br />
Firmenpleiten der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />
zu analysieren. Die<br />
ehemaligen Karstadt-Quelle-Chefs<br />
Thomas Middelhoff und Wolfgang Urban<br />
nehmen in Interviews Stellung.<br />
Um den sagenhaften Aufstieg eines baden-württembergischenUnternehmens<br />
und seines Chefs zur Weltspitze<br />
berichtet am Nachmittag das Porträt<br />
„Artur Fischer –Der Dübelkönig aus<br />
dem Schwarzwald“ (SWR, 18.15 Uhr).<br />
Denn die Befestigungssysteme des genialen<br />
Erfinders sind inzwischen Bestandteil<br />
unzähliger Bauwerkeauf dem<br />
gesamten Erdball.<br />
Nachdenklich geht es am Abend in der<br />
Gesprächssendung „scobel“ (3sat,<br />
21.00 Uhr) zu. Moderator Gerd Scobel<br />
diskutiert mit seinen Gästen die Frage,<br />
wie objektiv der Maßstab Geld wirklich<br />
ist. Denn die aktuellen globalen Krisen<br />
zeigen, dass Faktoren wie Vertrauen<br />
und Hoffnung in die Wirksamkeit der<br />
Zirkulation einfließen. Diese sind jedoch<br />
keine Bestandteile ökonomischer<br />
Wege ausBabylon<br />
Energieversorgung – In Südhessen beschäftigt sich ein europäisches Modellprojekt<br />
mit intelligenten Stromnetzen –Trendsetter für Europa und die Welt<br />
speziellen Kommunikationsmodul.<br />
Das misst einerseits den viertelstundengenauen<br />
Verbrauch,<br />
kann andererseits dem Kunden<br />
aber auch Tipps geben –etwa,<br />
wann die Waschmaschine am<br />
günstigsten läuft. Außerdem<br />
werden die Trafostationen der<br />
Baugebiete mit speziellen Pufferspeichern<br />
ausgerüstet. Das soll<br />
Überangebote und Versorgungsengpässe<br />
verhindern.<br />
Theorien. Wird etwa eine neue Philosophie<br />
des Geldes gebraucht?<br />
Freitag, 9. April: Voneinem Investmentbanker<br />
mit Spitzeneinkommen,<br />
der in eine Sinnkrise gerät, seinen hoch<br />
dotierten Job an den Nagel hängt und<br />
eine Pilgerfahrt unternimmt, erzählt<br />
die Doku „Die Zehn Gebote –Banker’s<br />
Blues“ (HR, 5.20Uhr).<br />
Samstag, 10. April: Im Rahmen der<br />
Reihe „Norddeutsche Dynastien“<br />
steht mit der Folge „Berentzen –Die<br />
Erfinder des Apfelkorns“ (NDR, 11.30<br />
Uhr) ein über 250 Jahre altes Traditionsunternehmen<br />
im Fokus, das Mitte<br />
der siebziger Jahre des vergangenen<br />
Jahrhunderts mit einer genialen Innovation<br />
den Weltmarkt eroberte. Friedrich<br />
Berentzen, der gemeinsam mit<br />
seinem Bruder Hans lange Jahre das<br />
Unternehmen führte,berichtet aus der<br />
Historie.<br />
Sonntag, 11.April: Voneinem weiteren<br />
Familienbetrieb erzählt die Doku<br />
„Die Blüthner Klavierbauer –Ein Klang<br />
vonWeltruf“ (MDR, 22.10Uhr) aus der<br />
Doku-Reihe „Lebensläufe“.Nach mehr<br />
als 150 wechselvollen Jahren hat die<br />
Leipziger Musikinstrumentenschmiede<br />
zu alter Stärke zurückgefunden.<br />
Montag, 12. April: Hinter die Kulissen<br />
eines Berufsstandes,der in den vergangenen<br />
Jahren immer mehr in das Blickfeld<br />
der Öffentlichkeit geraten ist,<br />
schaut die Reportage „Wenn der Arbeitgeber<br />
pleite geht –unterwegs mit<br />
einem Insolvenzverwalter (SWR, 22.30<br />
Uhr). Der Film hat den Anwalt Sebastian<br />
Laboga vier Monate lang begleitet.<br />
Dienstag, 13. April: Im Rahmen des<br />
Themenabends „Hungerkrisen, vermeidbare<br />
Katastrophen?“ beleuchtet<br />
die investigative Doku „Krieg um den<br />
Reis“ (Arte, 20.15 Uhr) den gesamten<br />
Weg des Reises von der Produktion<br />
über den Export, den Großhandel bis<br />
„Wir hoffen auf neue Erkenntnisse<br />
für das ganze Land“, sagt<br />
Mark Weinmeister,Staatssekretär<br />
im hessischen Umweltministerium.<br />
„Die Stromnetze wurden in<br />
den vergangenen Jahren stiefmütterlich<br />
behandelt.“<br />
In den sechs Baugebieten will<br />
die HSE mit ihren Partnern testen,<br />
wie es besser geht. So sollen<br />
die Stromzähler dem Verbraucher<br />
ihrerseits Vorschläge ma-<br />
zum Konsumenten und versucht die<br />
Mechanismen zu ergründen, die „Reiskrisen“<br />
wie die des Jahres 2008 ermöglichen.<br />
Eine „Debatte“ (Arte, 21.35<br />
Uhr) schließt sich an.<br />
Donnerstag, 15. April: Den Unternehmer<br />
Reinhold Würth, mittlerweile Chef<br />
von weltweit 28 000 Verkäufern, porträtiert<br />
die Doku „Wie wird man Milliardär?“<br />
(SWR, 18.15 Uhr). Auch mit<br />
über 70 sorgt er dafür, dass bei seinen<br />
Mitarbeitern die Motivation stimmt.<br />
Freitag, 16. April: Die Doku „Die Mannesmann-Story“<br />
(3sat, 20.15 Uhr) erzählt<br />
die Geschichte der nordrheinwestfälischen<br />
Erfinder- und Unternehmerdynastie.<br />
Familienmitglieder und<br />
ehemalige Beschäftigte des einstigen<br />
deutschen Vorzeigekonzerns äußern<br />
sich. Anschließend schaut die „3satbörse“<br />
(3sat, 21.30 Uhr) nach Shanghai,<br />
wo am 1. Mai die Expo 2010 ihre<br />
Tore öffnet. Stolze 40 Milliarden Dollar<br />
lässt sich China das sechsmonatige<br />
Spektakel kosten.<br />
Sonntag, 18. April: Im Rahmen der<br />
Reihe „Tele-Akademie“ (SWR, 8.30<br />
Uhr) hält Professor Peter Hennickeeine<br />
Vorlesung zum Thema „Weltmacht<br />
Energie“. Angesicht des stetig steigenden<br />
Bedarfs an billiger Energie verdeutlicht<br />
er die absehbaren politischen,<br />
wirtschaftlichen und auch militärischen<br />
Aspekte künftiger Entwicklungen.<br />
Mittwoch, 21. April: Um die „Supermacht<br />
China“, die sich innerhalb von<br />
knapp 25 Jahren aus einem rückständigen<br />
Agrarstaat zu einer modernen<br />
Volkswirtschaft entwickelt hat, geht es<br />
in der Doku-Reihe „wissen aktuell“<br />
(3sat, 20.15 Uhr). Der Beitrag schaut<br />
nicht nur auf die Erfolge,sondern auch<br />
die negativen Effekte dieser Entwicklung,<br />
wie beispielsweise den gewachsenen<br />
Anteil an Kinderarbeit oder die<br />
chen, wann sich der Verbrauch<br />
am besten rechnet. Die Kommunikations-<br />
und Datenformate –<br />
vom Energieversorger bis zum<br />
Netzbetreiber, von der Netzleitstelle<br />
bis zur Steckdose –werden<br />
vereinheitlicht. Gleichzeitig werden<br />
die Anlagen miteinander vernetzt<br />
und die Datenbanken der<br />
beteiligten Unternehmen einander<br />
angeglichen. „Damit alle eine<br />
einheitliche Sprache sprechen“,<br />
zusätzlichen Belastungen für die Umwelt.<br />
Im Spätprogramm wird „Hugo<br />
Junkers–Der Ikarus vonDessau“ (HR,<br />
23.40 Uhr) porträtiert. Der rheinländische<br />
Fabrikantensohn hatte schon in<br />
der Pionierzeit der Luftfahrt sehr genaue<br />
Vorstellungen voneinem europäischen<br />
Linienflugnetz.<br />
Donnerstag, 22. April: Mit der Reportage<br />
„Stadt der Träume“ geht es noch<br />
einmal in Chinas erste moderne Mega-<br />
City,den 20-Millionen-Einwohner-Moloch<br />
Shanghai. Filmemacher William<br />
Cobban hat sich auf die Suche nach<br />
Gewinnern und Opfern des Fortschritts<br />
begeben.<br />
Sonntag, 25. April: Die Doku „Kopfende<br />
Haßloch –Die kontrollierte Realität“<br />
(Arte,0.10Uhr) porträtiert mit der pfälzischen<br />
Gemeinde Haßloch das<br />
„durchschnittlichste Dorf Deutschlands“.Gerade<br />
diese Eigenschaft macht<br />
die 3000 Haushalte für die Gesellschaft<br />
für Konsumforschung interessant und<br />
zum perfekten Testmarkt für die gesamte<br />
Republik. Unter realistischen Bedingungen<br />
wird dort die Wirksamkeit<br />
medialer Werbung überprüft.<br />
Montag, 26. April: Um Frauen in der<br />
Chef-Etage geht es in der Doku „Mit<br />
Charme und Ellenbogen“ (HR, 15.30<br />
Uhr). Der Film begleitet die Geschäftsführerin<br />
einer PR-Agentur und die Justiziarin<br />
einer Softwarefirma durch ihren<br />
Alltag rund um Job und Familie.<br />
„Der afrikanische Patient –Wunderheiler<br />
China?“ (ARD, 21.00 Uhr) beleuchtet<br />
am Abend das enorme Engagement<br />
der asiatischen Supermacht zur Schaffung<br />
einer Infrastruktur auf dem<br />
schwarzen Kontinent. Anders als die<br />
Europäer, die Afrika wie einen kränkelnden<br />
Patienten behandeln, sieht<br />
China die Region als einen bedeutenden<br />
Global Player voller Reichtum,<br />
Rohstoffe und Absatzmärkte.<br />
sagt Projektberater Bernd Michael<br />
Buchholz. Südhessen sei damit<br />
Trendsetter „für Europa und die<br />
Welt“.<br />
In ihrem Modellprojekt will<br />
die HSE besonders eifrige Stromsparer<br />
mit Boni belohnen. Langfristig,<br />
so Filbert, solle es lastund<br />
zeitvariable Stromtarife geben.<br />
Die verhindert zurzeit das<br />
deutsche Eichrecht. Bis zu 15<br />
Prozent der Kosten lassen sich<br />
Mittwoch, 28. April: WarenzuSchleuderpreisen,<br />
die damit einhergehenden<br />
Dumpinglöhne und Verbraucher, die<br />
für Schnäppchen auch über skandalöse<br />
Produktions- und Arbeitsbedingungen<br />
hinwegzusehen bereit sind, stehen im<br />
Zentrum der „betrifft“-Reportage<br />
„Hauptsache billig“ (SWR, 20.15 Uhr).<br />
Der Film untersucht die Zusammenhänge.<br />
Die Frage, was die Hypo-Real-<br />
Estate-Pleite letztendlich kostet, stellt<br />
im Abendprogramm die Doku „Verzockt,<br />
verloren, verstaatlicht …“ (3sat,<br />
23.20 Uhr). Der Film verdeutlicht, mit<br />
welch riskanten Geschäften die Banker<br />
das Geld verspielt haben. Täter, Opfer,<br />
Krisenmanager und Krisenverlierer<br />
kommen zu Wort.<br />
Am Beispiel eines mittelständischen<br />
Autozulieferers aus dem Saarland begleitet<br />
die „Leben live“-Reportage<br />
„Letzter Ausweg Insolvenz –wie Arbeitnehmer<br />
für die Krise bezahlen“<br />
(SWR, 1.05Uhr) über mehrereMonate<br />
das Tuneines Insolvenzverwalters.<br />
Donnerstag, 29. April: Den „Jarmark<br />
Europa“ (Arte, 10.10 Uhr), einen der<br />
größten Warenumschlagplätze Osteuropas,besucht<br />
die gleichnamige Doku.<br />
In einem Warschauer Sportstadion gelegen,<br />
spiegeln sich in ihm die wirtschaftlichen<br />
Veränderungen Polens der<br />
letzten Jahre. Am Abend beobachtet<br />
die Doku „Wem gehört das Meer?“<br />
(3sat, 20.15 Uhr) den Wettlauf um die<br />
wohl letzten noch nicht verteilten großen<br />
Rohstoffreserven unseres Planeten.<br />
Denn die Tiefsee stand bisher<br />
kaum im Blickfeld von Erkundungen.<br />
Freitag, 30. April: Um das weltweit<br />
drittgrößte Direktvertrieb-Unternehmen<br />
geht es in „Die Vorwerker“ (3sat,<br />
20.15 Uhr). Der Film erzählt die spannende<br />
Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens<br />
mit Sitz im Bergischen<br />
Land. Anschließend dreht sich in der<br />
durch einen intelligenteren Verbrauch<br />
und eine dynamische<br />
Preisgestaltung sparen, schätzen<br />
Experten.<br />
Und wann profitiert die gesamte<br />
Republik von den intelligenten<br />
Stromnetzen? Zehn, 15<br />
Jahre werde das wohl noch dauern,<br />
vermutet Projektleiter Bernhard<br />
Fenn. „Wir betreiben hier<br />
erstmal nur die Grundlagenforschung.“<br />
Ehrgeizige Idee: In Südhessen<br />
werden die Stromnetze der Zukunft<br />
erforscht. Projektleiter Bernhard<br />
Fenn, HSE-Vorstandsvorsitzender Albert<br />
Filbert und Staatssekretär Mark<br />
Weinmeister (von links) bei der Präsentation<br />
von Web2energy in Darmstadt.<br />
FOTO: KLAUS THOMAS HECK<br />
„3satbörse“ (3sat, 21.30Uhr) alles ums<br />
Thema Kunststoffe. Während die Produktion<br />
des Materials boomt wie noch<br />
nie,wirddie Entsorgung zu einer regelrechten<br />
Mammut-Aufgabe für die Zukunft.<br />
Dienstag, 4. Mai: Einen mutigen deutschen<br />
Kleinunternehmer,der der Wirtschaftskrise<br />
erfolgreich mit einer Firmengründung<br />
in Asien trotzt, stellt die<br />
„ZDF.reportage: Auf nach Indien!“<br />
(3sat, 13.15 Uhr) vor.<br />
Mittwoch, 5. Mai: Die mit dem „Adolf-<br />
Grimme-Preis“ prämierte Doku „Der<br />
große Ausverkauf“ (BR, 23.40 Uhr) untersucht<br />
die Folgen der Privatisierung<br />
von Wasser- und Stromversorgung, öffentlichem<br />
Verkehr und dem Gesundheitssektor<br />
ganz konkret anhand von<br />
Einzelschicksalen auf der ganzen Welt.<br />
Vertretern der WTO, des IWF und der<br />
Weltbank werden Menschen gegenübergestellt,<br />
die von deren Entscheidungen<br />
betroffen sind und ums alltägliche<br />
Überleben kämpfen müssen.<br />
Sonntag, 9. Mai: Die zweite Folge der<br />
Dokureihe „Wir Europäer“ (Arte,14.00<br />
Uhr) trägt den Untertitel „Europa erfindet<br />
den Kapitalismus“. Die skizzierten<br />
Lebenswege von Wilhelm Brömse, Jakob<br />
Fugger und Etienne Turquet illustrieren<br />
die Ideen des 16. Jahrhunderts,<br />
die sich unter dem Motto „Wirtschaften<br />
für Profit statt wirtschaften, um ein<br />
Auskommen zu haben“ zusammenfassen<br />
lassen.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 24<br />
VON KLAUS THOMAS HECK<br />
494 544 vinkulierte Stammaktien<br />
gibt es vonder Enmore<br />
Consulting AG, doch vor<br />
einer feindlichen Übernahme ist<br />
Vorstand Heinz-Jürgen Glaubauf<br />
nicht bange.„Im Grunde gehören<br />
wir uns selbst“, sagt der 59-jährige.<br />
Glaubaufs Aktionäre sind seine<br />
Kollegen –der Griesheimer IT-<br />
Dienstleister gehört zu 100 Prozent<br />
den eigenen Mitarbeitern.<br />
Ein bundesweit wohl einmaliges<br />
Modell.<br />
Die Geschichte von Enmore<br />
beginnt am 13. Januar 2000 im<br />
Kellerbüro von Jürgen Welter in<br />
Roßdorf bei Darmstadt. Mit acht<br />
Gleichgesinnten gründet der Diplom-Mathematiker<br />
sein IT-Beratungsunternehmen<br />
für die Energiewirtschaft.<br />
Die verspricht für<br />
die kommenden Jahren gute Geschäfte:<br />
Der Strommarkt wird liberalisiert.<br />
Aus einstigen Monopolisten<br />
wie RWE sollen Dienstleister<br />
werden, Stromnetze und<br />
Vertrieb voneinander getrennt<br />
werden. „Energie wird zum Produkt“,<br />
sagt Welter.<br />
Beinahe monatlich ändert die<br />
Bundesnetzagentur ihre Vorschriften,<br />
und jede Änderung<br />
lässt bei den IT-Beratern die Sektkorken<br />
knallen. Schließlich erfordert<br />
jede Neuerung spezielle EDV-<br />
Lösungen. Die Software ist bei<br />
vielen Energieversorgern auf dem<br />
Stand der achtziger Jahre.<br />
Zehn Jahre<br />
ohne Wachstumsknick<br />
Enmore wächst. 2006 zieht das<br />
Unternehmen in den Griesheimer<br />
Leuschnerpark. 2009 erwirtschaften<br />
die 97 Mitarbeiter einen<br />
Umsatz von15,323 Millionen Euro.<br />
Neben der Griesheimer Zentrale<br />
gibt es Standorte in Dortmund,<br />
Geraund Berlin. Die Berater<br />
–meist Betriebswirte, Mathematiker<br />
oder Informatiker –betreuen<br />
Projekte von Peking bis<br />
Zürich. Den Bilanzgewinn 2009<br />
schätzt Vorstand Heinz-Jürgen<br />
Glaubauf –einer der Gründer und<br />
seit 2001 im Amt –auf 705000<br />
Euro. Bislang ist die wichtigste<br />
Kennzahl noch in jedem Jahr gestiegen.<br />
Davon profitieren alle<br />
Mitarbeiter.<br />
„Wir wollten ein Unternehmen,<br />
das nach eigenen Kriterien<br />
tickt. Mit partnerschaftlichen<br />
Prinzipien“, sagt Glaubauf. Weil<br />
Enmore vom Wissen und der<br />
Kreativität seiner Angestellten<br />
lebt, können nur Mitarbeiter Aktien<br />
der Firma erwerben. So kommen<br />
zu den Fixgehältern mögliche<br />
Kursgewinne, Dividenden<br />
und zusätzliche variable Vergütungen.<br />
So mancher Kollege verdient<br />
deshalb mehr als der Chef,<br />
den er –indirekt via Aufsichtsrat<br />
–selbst wählen kann.<br />
Entscheidenden Einfluss auf<br />
die Aktiengesellschaft hat er des-<br />
Die beiden Vorstände<br />
Heinz-Jürgen Glaubauf (59, links) ist<br />
seit 42 Jahren in der Energiewirtschaft<br />
tätig. Zunächst arbeitete der<br />
Industriekaufmann bei Energieversorgern<br />
wie den Stadtwerken Wiesbaden<br />
und Bad Kreuznach oder dem<br />
GGEW in Bensheim, später wechselte<br />
er zu verschiedenen Beratungsunternehmen<br />
in Mannheim. 2000 gehörte<br />
er zu den neun Gründern von<br />
Enmore, seit 2001 ist er Vorstandsmitglied.<br />
Den Generationenwechsel verkörpert<br />
Marcus Hartmann (40, rechts),<br />
seit 1. Januar gleichberechtigter Vorstand.<br />
Der Diplom-Betriebswirt war<br />
zuvor Projektmanager und Abteilungsleiter<br />
des Energieriesen E.ON in<br />
Würzburg und Berlin sowie Unternehmensberater<br />
in Mannheim. Beide<br />
Geschäftsführer sind verheiratet.<br />
[Personen]<br />
Tickennach<br />
eigenen<br />
Kriterien<br />
Enmore AG–<br />
Der Griesheimer IT-Dienstleister<br />
gehört zu 100Prozent<br />
seinen Angestellten –<br />
Energiebranche<br />
hält die Geschäfte<br />
unter Strom<br />
halb trotzdem nicht. Maximal 7,5<br />
Prozent der Anteilsscheine darf<br />
eine Einzelperson halten. So viele<br />
haben aber derzeit nur zwei Mitarbeiter<br />
und ein ehemaliger Vorstand.<br />
Keine Gruppe hat so viele<br />
Stimmrechte, dass sie die Sperrminorität<br />
erreicht. Werdas Unternehmen<br />
verlässt, muss seine<br />
Stammaktien verkaufen – oder<br />
kann sie in Vorzugsaktien umwandeln.<br />
Wenn Marcus Hartmann (40)<br />
aus dem Panoramafenster seines<br />
Büros schaut, hoch oben im fünften<br />
Stock des Leuschnerparks,<br />
rauschen unter ihm die Pkw über<br />
die Autobahn 67 vorbei. „Die Zeit<br />
ist schnelllebig“, sagt er. Seit 1.<br />
Januar ist der Familienvater zwei-<br />
FOTO: KLAUS THOMAS HECK<br />
ter Vorstand von Enmore. Griesheim<br />
statt Mannheim oder Berlin.<br />
Das besondere Geschäftsmodell<br />
habe ihn gereizt.<br />
Jetzt sitzt er in seinem Büro<br />
und ist fast alleine. Alle Mitarbeiter<br />
sind unterwegs. „Wäre es anders,<br />
würden wir etwas falsch machen.“<br />
Die 103 Angestellten haben<br />
keine Präsenzpflicht. „Ihr<br />
Wohnort ist ihr Dienstsitz“, sagt<br />
Hartmann.<br />
2010 könnte das erste Jahr<br />
werden, in dem der Bilanzgewinn<br />
sinkt. Mit 454 000 Euro<br />
rechnet der Vorstand. Zwar verspricht<br />
die Energiesektor noch<br />
immer gute Geschäfte. Doch die<br />
Wirtschaftskrise hat Spuren hinterlassen.<br />
Der Konkurrenzkampf<br />
nimmt zu. Immer öfter versuchen<br />
branchenfremde Berater ihr<br />
Glück auf dem Markt. Die Margen<br />
sinken.<br />
Maßgeschneiderte<br />
Lösungen<br />
Mehr als 40 Kunden hat Enmore<br />
zurzeit, von den Stadtwerken<br />
Schifferstadt bis zur Gasversorgung<br />
Main-Kinzig. Mit den großen<br />
Vier der Energiebranche<br />
(RWE, E.ON, Vattenfall und<br />
EnBW) wurden Rahmenverträge<br />
geschlossen. Enmore schneidert<br />
ihnen eine meist SAP-basierte<br />
Software auf den Leib, etwa zur<br />
Kunden- oder Lieferantendatenerfassung,<br />
zur Abrechnung, der<br />
Formularerstellung, zur Kommunikation<br />
mit Netzbetreibern und<br />
Bundesnetzagentur oder der<br />
Zählerablesung – etwa bei den<br />
modernen intelligenten Stromzählern.<br />
„Wir stehen vor einem Quantensprung<br />
der Messtechnik“, sagt<br />
Glaubauf. „Die Entwicklung wird<br />
zu vielen neuen Produkten führen.“<br />
Und jedes verspricht Enmore<br />
neue Geschäfte. Stromeinkauf,<br />
Fakturierung, Geräteverwaltung,<br />
Debitoring –all das muss immer<br />
wieder neu organisiert werden.<br />
Hinzu kommt eine Strategie- und<br />
Prozessberatung, die langfristig<br />
ausgebaut werden soll. Enmore,<br />
so scheint es,wirdauch weiterhin<br />
unter Strom stehen.<br />
FOTO: DPA
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 25<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
VON DANIEL-PATRICK GÖRISCH<br />
Armin Kurt Knaup, der<br />
Mann hinter dem Studio<br />
für Digitaltechnik, hat bei<br />
erstaunlichen Projekten seine<br />
Tinte mit im Spiel. Eines davon<br />
konnte in der zurückliegenden<br />
Weihnachtszeit jeder bewundern,<br />
der den Darmstädter Cityring passierte<br />
–die bunten Transparente,<br />
die das Kongresszentrum Darmstadtium<br />
in einen Adventskalender<br />
verwandelten, stammen aus<br />
Knaups Produktion.<br />
Auch der Chemie- und Pharmakonzern<br />
Merck KGaA lasse seit<br />
Jahren seine Werbemittel bei Knaup<br />
fertigen, verrät der Chef und<br />
gelernte Fotografenmeister. Nicht<br />
nur Transparente und Werbebanner<br />
im Lkw-Format, auch Messetheken<br />
und Säulen liefert sein Betrieb<br />
mit sieben Mitarbeitern.<br />
Das Unternehmen ist inhabergeführt,<br />
von Armin Kurt Knaup<br />
(53) und seiner Frau Inge Knaup<br />
(54). Er ist für die Technik zuständig,<br />
sie für das Wirtschaftliche.<br />
Auch Wella, heute Teil vonProcter<br />
&Gamble,gehörezuden regelmäßigen<br />
Großkunden des vielseitigen<br />
Anbieters für Druck, Bildveredelung<br />
und Präsentation. Rolls Royce<br />
lässt seine Mitarbeiterzeitschrift<br />
bei ihm drucken, manche Fotogeschäfte<br />
besonders große Formate;<br />
oder reichen eigene Druckezur feinen<br />
Veredelung weiter.<br />
„Kein Auftrag zu klein,<br />
fast keiner zu groß“<br />
Doch wie sagt der Chef so gern? Er<br />
schickekeinen Kunden nach Hause:<br />
„Kein Auftrag ist uns zu klein<br />
–und fast keiner zu groß, das ist<br />
eben meine Philosophie“. So<br />
bringt der Druckspezialist auch<br />
Bilder und Schriften von Privatleuten<br />
und Endkunden in wohnzimmertauglicher<br />
Größe auf unterschiedlichste<br />
Materialien –darunter<br />
Keramik, Plexiglas, Spanplatten,<br />
Kunststoffe und auch auf<br />
Wellpappe, Teppichböden und<br />
neuerdings auch auf Tapeten. Und<br />
dies in beeindruckender Brillanz.<br />
Die Geschäftsadresse des Studios<br />
liegt in Einhausen, doch in ihrem<br />
Heimatort betreiben die Knaups<br />
nur ein kleines Büro. Die grafische<br />
Arbeit wirdkomplett im Studio in<br />
Darmstadt. ausgeführt:<br />
Drucken, Veredeln und<br />
Präsentieren, das<br />
sind die Standbeine<br />
von Knaup, die<br />
seinem Unternehmen<br />
auch im<br />
„wirtschaftlich<br />
Armin Kurt Knaup<br />
Seine erste Kamerabekam der in Einhausen<br />
geborene Armin Kurt Knaup<br />
(heute 53) mit 16 Jahren, als er als<br />
freier Mitarbeiter bei der Einhäuser<br />
Heimatzeitung anfing. Nach dem<br />
Dienst bei der Bundeswehr und einem<br />
Theologiestudium, das er „wegen<br />
des vielen Hebräisch“ aufgab,<br />
machte er sein Foto-Hobby zum Beruf.<br />
1997 führte das Zerwürfnis mit<br />
seinem Lehrmeister zur Gründung<br />
des eigenen Studios für Digitaltechnik,<br />
das Knaup gemeinsam mit Ehefrau<br />
Inge (54) führt. Daheim in Einhausen<br />
ist er im Kirchenvorstand aktiv,<br />
sowie Marketingleiter in seinem<br />
Tennisclub in Lorsch. Zu seiner Leidenschaft<br />
Motorradfahren komme er<br />
viel zu selten. Knaup hofft insgeheim,<br />
sein Sohns Tobias könne Interesse<br />
entwickeln, das Studio einmal<br />
weiterzuführen. Doch der Junior habe<br />
gerade nach der Schule andere<br />
Träume.Vielleicht wirddas ja noch –<br />
zwölf Jahremöchte Knaup auf jeden<br />
Fall noch drucken. www.knaup-digitaltechnik.de<br />
[Person]<br />
schweren Jahr 2009“ 1,3 Millionen<br />
EuroUmsatz beschert haben.<br />
Washeißt hier Studio? Mit einem<br />
Atelier hat die große Werkshalle<br />
mit acht Druckmaschinen<br />
wenig gemein. Doch künstlerisch<br />
kreativ geht es hier sehr wohl zu,<br />
nur eben im großen Stil. Ein kreatives<br />
Netzwerk hat sich vor drei<br />
Jahren zudem im Benzweg neben<br />
dem Studio für Digitaltechnik angesiedelt.<br />
Das Nachbargrundstück<br />
hatte Knaup dafür eigens<br />
hinzugekauft und dort seine Vision<br />
umgesetzt: ein Print- und Mediencenter,<br />
das großen wie kleinen<br />
Kunden vollen Service bietet,<br />
vonder Visitenkarte bis zum Werbebanner<br />
auf dem Fußballplatz.<br />
Dafür haben sich gleich nebenan<br />
drei unabhängige, doch rege kooperierende<br />
Spezialisten eingemietet:<br />
„Synthese Network“ bietet<br />
Computerservice vor Ort, Internet-<br />
und Webservice, „Bosspress“<br />
hat unter anderem Fotografie,<br />
Design und Direktmarketing<br />
im Programm, die „Fabrik 14“<br />
Promotion- und Event-Marketing.<br />
Etliche Vorstufen hat Knaup dorthin<br />
ausgelagert und sein Angebot<br />
zugleich pfiffig ergänzt.<br />
Eine Manufaktur der<br />
besonderen Art<br />
„Manufaktur“ nennt er sein Atelier<br />
auch gern, weil er darin so<br />
viele ganz individuelle Aufgaben<br />
erfüllen kann. Der Mann denkt im<br />
Großen wie im Kleinen, ist ein findiger<br />
Netzwerker: Friseure können<br />
zum Teil jenes Werbematerial<br />
direkt bei ihm ordern, das Haarkosmetikherstellerquerfinanzieren,<br />
um sich damit auch selbst in<br />
den Salons ins rechte Licht zu rücken.<br />
2500 Friseursalons zähle die<br />
eigene Datenbank.<br />
Auch mit den Grafik- und Industriedesignern<br />
der Hochschule<br />
Darmstadt pflegt Knaup eine rege<br />
Symbiose. Inderen Rahmen schicke<br />
eretwa gerne seine Fachleute<br />
zur Unterstützung in die Räume<br />
auf der Mathildenhöhe, wenn an<br />
den hochschuleigenen Druckmaschinen<br />
das Spezialwissen der<br />
Profis gefragt ist. Im Gegenzug<br />
wurden bereits etliche Diplomarbeiten<br />
im Studio für Digitaltechnik<br />
gedruckt, „und wie oft auf die<br />
letzte Sekunde“, erinnert sich<br />
Knaup. Auch bedruckte Bettwäsche<br />
war schon unter den Ideen<br />
der Hochschulkreativen. Die Studenten<br />
sind ihm wichtig, da dürfe<br />
es auch mal noch mehr Einsatz für<br />
überschaubares Geld sein. „Das<br />
sind schließlich meine Kunden<br />
von morgen“, so Knaup. Just bei<br />
unserem kleinen Rundgang<br />
sprüht gerade die Zünd 215C, eine<br />
bewährte Schweizer Direktdruckmaschine,<br />
Schriftzüge über ein<br />
Acrylgemälde. „Auch eine Hochschularbeit“,<br />
sagt Knaup. Der<br />
Umgang mit Unikaten, in welchen<br />
Herzblut und große Erwartungen<br />
stecken, sei ein Vertrauensbeweis<br />
für ihn und seine Mitarbeiter. Sie<br />
wissen, welch ideellen und monetären<br />
Werte sie hier veredeln.<br />
Auch der Darmstädter Maler<br />
und Videokünstler Willi Bucher<br />
lässt hier seine Sprachlandschaften<br />
auf Bilder drucken: Feinste<br />
Schriftzüge auf Malereien, die je<br />
nach Perspektiveselbst zum Bildnis<br />
werden. Es sei bei solchen Arbeiten<br />
an unersetzlichen Unikaten<br />
noch nie etwas schief gelaufen,<br />
aber man sei auch gut versichert,<br />
sagt Knaup und lacht.<br />
Erfahrung mündet<br />
in hoher Qualität<br />
„Zuverlässigkeit, Schnelligkeit<br />
und Erfahrung“: So zählt er gern<br />
die Stärken seines Unternehmens<br />
auf. Knaup schöpft reiches Kapital<br />
aus seiner Fotoausbildung und<br />
besonders aus den Kenntnissen<br />
der Farbenlehre. Wenn eine Maschine<br />
farbstichig drucke, wisse<br />
er ebenso wie seine Mitarbeiter<br />
genau, wie er dem Stich entgegensteuern<br />
muss. Diese Erfahrung<br />
zeige sich in der Qualität. Bedächtig,<br />
fundiert und gründlich geht es<br />
offenbar im Knaupschen Studio<br />
zu –nicht standardisiert und automatisiert.<br />
„Wir schauen genau<br />
hin, jagen nicht einfach etwas<br />
durch die Maschine“, erklärt der<br />
Chef. Nicht selten haben seine<br />
Mitarbeiter in „druckfertig“ angelieferten<br />
Werbeslogans noch Fehler<br />
gefunden und vor dem Andruck<br />
freundlich beim Vorlieferanten<br />
nachgehakt.<br />
Derartigen Einsatz schätzen<br />
Kunden, Knaup verneigt sich demonstrativ<br />
vor seinen Mitarbeitern:<br />
Eine kleine Familie, die Großes<br />
leiste. Viele sind lange dabei.<br />
Im Team<br />
gehts besser:<br />
Armin Kurt Knaup, IngeKnaup,<br />
Walter Barberio, Markus Willwohl,<br />
Brigitta Broll, Bianca Mölbert, Stefanie Dörsam,<br />
Natalie Freigang und Maria ConcettaGenova (von links).<br />
Die niedlichen „Firmenhunde“ sind Abi (braun) und Cora (weiß).<br />
FOTO: STUDIO FÜR DIGITALTECHNIK<br />
DasDruckzentrum,<br />
dem Künstler vertrauen<br />
Studio für Digitaltechnik – Vonder Visitenkarte bis zur Lastwagenplane,das Team<br />
um Armin Knaup lässt nichts unbedruckt –Neu: Eigene Bilder auf der Tapete<br />
Mit Produktionsmanagerin Bianca<br />
Mölbert arbeitet Knaup seit 22<br />
Jahren zusammen.<br />
Beide lernten sich einst im<br />
Darmstädter Studio für Fototechnik<br />
kennen, wo Knaup Fotograf<br />
lernte, seine Meisterprüfung ablegte<br />
und schließlich zum Prokuristen<br />
aufstieg. Gemeinsam standen<br />
sie den gewaltigen Technikwandel<br />
Mitte der Neunziger<br />
durch, als Computer und Digitaltechnik<br />
urplötzlich die traditionelle<br />
Fototechnik im Labor verdrängte,<br />
mit Papier- und Filmbelichtung,<br />
nassen Prozessen mit<br />
Entwickler-, Unterbrecher und<br />
Fixierbädern, Tricks mit Tonungen<br />
im Labor.„Ich löste mich mit<br />
Wehmut von der Labortechnik“,<br />
erinnert sich Mölbert.<br />
Im Streit über technische Zu-<br />
kunftsvisionen habe sich<br />
Knaup 1997 von seinem Lehrmeister<br />
getrennt. Er setzte früh<br />
auf Digitaldruck und gründete<br />
mit seiner Frauein eigenes Unternehmen,<br />
Mölbert ging mit. Nach<br />
dem Start des eigenen Betriebs in<br />
der Holzhofallee zog das Studio<br />
für Digitaltechnik nach einem<br />
Jahr an den heutigen Standort<br />
um.<br />
Unter dem Wandel der Technik<br />
wurde auch der neue Beruf des<br />
Mediengestalters geboren. Die<br />
Handwerkskammer hat unter<br />
Würdigung von Knaups praktischen<br />
Kenntnissen den Fotografenmeister<br />
als Ausbilder in diesem<br />
neuen Berufsbild anerkannt.<br />
Auch Knaups früher Einstieg in<br />
die Verwendung lösemittelfreier<br />
Druckfarben erwies sich als zu-<br />
kunftsweisend: In seiner Werkshalle<br />
herrscht frische Luft, mit<br />
den beißenden Dämpfen der traditionellen<br />
Druckfarben wollte<br />
Knaup weder sich selbst, noch<br />
seine Mitarbeiter belasten. So erwies<br />
er sich mehrfach als Visionär<br />
der Branche, hat das Ohr am<br />
Markt und Sinn für Nischen.<br />
Teamarbeit rangiert<br />
weit oben<br />
„Teamarbeit ist bei uns ganz<br />
wichtig“, sagt der Chef. Man duzt<br />
sich im Atelier und es komme<br />
nicht selten vor, dass Walter Barberio,<br />
Finisher und Experte für<br />
Kaschierarbeiten, Bild- und Stoffveredelung,<br />
italienische Schlager<br />
durch die Halle schmettert. Der<br />
gelernte Maurer hat im grafischen<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
Gewerbe seine Erfüllung gefunden.<br />
„Ich habe immer Wert drauf<br />
gelegt, dass meine Leute breit aufgestellt<br />
und vielseitig sind“, sagt<br />
Knaup: „Ich habe auch einen eigenen<br />
Elektriker. Wenn Werbeinstallationen<br />
zu liefern sind, nicht<br />
selten mit Beleuchtung, kann ich<br />
alles aus einer Hand umsetzen.<br />
Wenn einer Werbefahnen bestellt,<br />
bekommt er auch den Mast dazu<br />
gleich einbetoniert“. Bis zu 1,5<br />
Meter breit kann die Druckmaschine<br />
Mimaki JV 22 Stoffbahnen<br />
wie Fahnen bedrucken, die Länge<br />
kennt kaum Grenzen. Müssen<br />
Transparente breiter sein, kommt<br />
ganz pragmatisch Mama Knaup<br />
ins Spiel. Gisela Knaup (71) aus<br />
Einhausen ist Schneiderin, sie<br />
verbindet einzelne Stoffbahnen<br />
flugs zum beliebig großen Transparent.<br />
„Möge sie noch lange fit<br />
sein“, wünscht sich der Sohn.<br />
Seine jüngste Errungenschaft:<br />
Ein Latexdrucker L25500 des Herstellers<br />
Hewlett-Packard. Der<br />
surrt seit Februar in der Studiohalle,<br />
als erste Maschine ihres Formats<br />
in Deutschland, sagt Knaup<br />
stolz. Sie bedruckt Bambus-Faserstoffe<br />
mit wasserbasierter Latex-<br />
Tinte und biete in feiner Qualität<br />
eine sehr umweltfreundliche Art<br />
der Werbemittelgestaltung. „Voll<br />
ökologisch abbaubar“, erklärt der<br />
Unternehmer. Auch individuelle<br />
Tapeten lassen sich hiermit umweltverträglich<br />
bedrucken, etwa<br />
mit wandfüllenden Motiven aus<br />
dem letzten Urlaub oder vom<br />
Lieblingshaustier. Klar, dass der<br />
findige Geschäftsführer da schnell<br />
eine Kooperation mit dem großen<br />
Tapetenhersteller Erfurt geschlossen<br />
hat. Das Unternehmen vermittelt<br />
ihm Interessenten, dafür<br />
werden Vinyl-Tapeten von Erfurt<br />
verwendet, pvc-frei und verrottbar,<br />
versteht sich.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 26<br />
Jedes Zeitfensterüberall nutzen<br />
VON KIM JENNY GEYER<br />
Wie ein Heinzelmännchen<br />
im Hintergrund<br />
wirken die Programme,<br />
die Cosynus aus Darmstadt<br />
entwickelt. Unsichtbar für den Benutzer<br />
läuft die Software imHintergrund<br />
auf dem Smartphone und<br />
dem Firmen-Server,verbindet beide<br />
und tauscht Daten, ohne dass<br />
der Nutzer aktiv werden muss.Das<br />
erleichtert die Arbeit und spart<br />
Zeit: Werunterwegs ist, kann mit<br />
dem Smartphone auf Unternehmensdaten<br />
zugreifen und so zum<br />
Beispiel während einer Taxifahrt<br />
oder im Flugzeug arbeiten.<br />
Das Motto von Cosynus-Geschäftsführer<br />
Michael Reibold ist,<br />
auch das kleinste Zeitfenster effizient<br />
zu nutzen. Reibold spricht<br />
von„Timeslots“.Dank Smartphones<br />
wie Apples iPhone und dem<br />
Blackberry der kanadischen Firma<br />
Research in Motion (RIM) ist<br />
die Verwaltung von Korrespondenz,<br />
Terminen und Kontakten<br />
unterwegs kein Problem mehr.<br />
Und seit diese Geräte nicht mehr<br />
ausschließlich im Top-Management,<br />
sondern auch auf den unteren<br />
Ebenen bei kleineren Firmen<br />
verbreitet sind, steigt für Mittelständler<br />
die Bedeutung, ohne<br />
Zeitverlust Daten zwischen den<br />
Systemen im Unternehmen und<br />
verschiedenen Endgeräten wechselseitig<br />
abzugleichen und auszutauschen<br />
(synchronisieren).<br />
Zusammen mit Harold Strohmaier<br />
hat Reibold Cosynus 1993<br />
gegründet. Der Name Cosynus<br />
steht für Computer, Systeme,<br />
Netzwerktechnik und Softwareentwicklung.<br />
Zum Zeitpunkt der<br />
Gründung war eswichtig, auch<br />
geeignete Computersysteme zu<br />
beschaffen. Da dies mittlerweile<br />
kein Problem mehr ist, hat der<br />
Hardwarevertrieb seit 1999 keine<br />
nennenswerte Bedeutung mehr<br />
für das Unternehmen. Die IT-Firma<br />
hat ihren Sitz in der Heidelberger<br />
Straße 44 in Darmstadt. „Informationsaustausch,<br />
je schneller,<br />
desto besser und am besten<br />
überall –das ist heute sehr wichtig<br />
geworden“, sagt Reibold. Deshalb<br />
entwickeln die Programmierer bei<br />
Cosynus Software für verschiedene<br />
Endgeräte, die es erlaubt, unterwegs<br />
auf Unternehmensdaten<br />
zuzugreifen. Seit 2002 hat sich<br />
Cosynus auf mobile Lösungen<br />
spezialisiert.<br />
Markt hat sich durch<br />
iPhone verändert<br />
Das iPhone habe den Markt verändert,<br />
so der Geschäftsführer.<br />
Der Siegeszug des Apple-Smartphones<br />
begann im Consumer-<br />
Markt bei Privatkunden. Viele Applikationen(Softwareanwendungen,<br />
kurz Apps) wurden zuerst<br />
in der Freizeit genutzt, das Gerät<br />
war ein Lifestyle-Accessoire. Dieser<br />
Trend erhöhte den Druck auf<br />
den Geschäftsmarkt: „Die Nutzer<br />
erwarten die Anwendungen Ihres<br />
privaten Smartphones mittlerweile<br />
auch bei dienstlichen Endgeräten.“<br />
Smartphones werden jetzt<br />
auch bei kleineren Unternehmen,<br />
deren Mitarbeiter häufig unterwegs<br />
sind, genutzt.<br />
„Mobiles Arbeiten ist in diesem<br />
Jahr einer der größten Trends<br />
auf der Cebit gewesen“, sagt Reibold.<br />
Die meistgenutzten Anwendungen<br />
unterwegs sind Email,<br />
Terminkalender und die Verwaltung<br />
von Kontakten, alles kein<br />
IT-Branche – Das Darmstädter Unternehmen Cosynus entwickelt Software,<br />
damit man unterwegs mit dem iPhone oder Blackberry effizient und schnell arbeiten kann<br />
Problem mit einem Smartphone.<br />
Es wird häufig für mobiles Internet<br />
und als Navigationsgerät eingesetzt<br />
„Danach wirdesindividuell.“<br />
Statt deshalb pauschal jedem<br />
Benutzer die gleichen Anwendungen<br />
zur Verfügung zu stellen, werden<br />
Apps für die Mitarbeiter individuell<br />
vom Arbeitgeber freigeschaltet.<br />
„Kleinere Tools, die die<br />
Arbeit erleichtern, schaffen für<br />
die Firmen einen großen Mehrwert.“<br />
Cosynus unterhält seit 2002<br />
eine Partnerschaft mit der Tele-<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Cosynus-Geschäftsführer Michael Reibold<br />
kom-Tochter T-Mobile. Unmittelbar<br />
nach dem Markteintritt von<br />
Blackberry in Deutschland entstand<br />
so der Kontakt zum Blackberry-Hersteller<br />
RIM. Das kanadische<br />
Unternehmen lieferte<br />
zunächst für den europäischen<br />
Markt nur eine Schnittstelle, die<br />
globale Mailplattformen wie Microsoft<br />
Exchange und Lotus unterstützte.<br />
Mittelständische Unternehmen<br />
benutzen in Deutschland<br />
aber häufig andere Systeme, wie<br />
zum Beispiel David vonTobit Software<br />
und konnten deshalb mit<br />
dem Blackberry nicht viel anfangen.<br />
„In Deutschland wardas Unternehmen<br />
noch nicht so groß vertreten<br />
und hat sich deshalb zuerst<br />
auf den Mainstream konzentriert,<br />
erklärt Reibold. Dann entwickelte<br />
Cosynus für den deutschen Hersteller<br />
Tobit Softwaremit Firmensitz<br />
im westfälischen Ahaus eine<br />
Schnittstelle für den Blackberry<br />
und machte das Gerät so für viele<br />
Unternehmen in Deutschland attraktiv.<br />
Seit gut vier Jahren ist Blackberry<br />
auch in Deutschland, Öster-<br />
Hintergrund<br />
reich und der Schweiz breit im<br />
Markt vertreten. „Prominente<br />
Kunden wie Paris Hilton, Barack<br />
Obama und Kai Pflaume haben<br />
auch zur Bekanntheit des Blackberrys<br />
beigetragen“, sagt Ulrike<br />
Lehmann schmunzelnd. Sie betreut<br />
bei Cosynus Sales und Marketing.<br />
Und hat natürlich auch<br />
selbst einen Blackberry in der Tasche,wie<br />
ihr Chef.<br />
Im Geschäftsalltag werden Daten<br />
aller Art in verschiedene Anwendungen<br />
und Systeme übertragen:<br />
Mails, Terminverschiebun-<br />
Unified Communication (UC) –englisch für<br />
vereinfachte Kommunikation –steht für die<br />
Integration und Automatisierung der Unternehmenskommunikation.<br />
Die Idee ist es,alle<br />
Kommunikationsdienste, die ein Unternehmen<br />
seinen Mitarbeitern und Kunden bietet,<br />
zusammenzuführen. So sind Kommunikationspartner<br />
besser zu erreichen und geschäftliche<br />
Prozesse werden beschleunigt. Verschiedene<br />
Kommunikationskanäle werden<br />
unter einer Benutzeroberfläche gebündelt.<br />
Weltweit bieten Unternehmen wie Microsoft,<br />
Cisco und die Telekom UC-Lösungen an.<br />
gen, Kundendaten, Bestellungen,<br />
Rechnungen per Fax und Post.<br />
„Durch fehlende Integration müssen<br />
dabei viele Arbeitsschritte<br />
manuell erledigt werden, und<br />
nicht selten entstehen Fehler, Informationen<br />
gehen verloren oder<br />
müssen manuell gesucht werden.<br />
Das ist nicht nur kostenintensiv<br />
und langsam, sondern auch unpraktisch<br />
und fehleranfällig –unnötig<br />
unmodern“, sagt Reibold.<br />
Ein System<br />
für alle Wege<br />
Ein System für alle Kommunikationswege<br />
ist die Lösung: Neue<br />
Mails, Faxe und Sprachnachrichten<br />
sowie entgangene Anrufe<br />
und Nachrichten auf dem Anrufbeantworter<br />
werden dem Nutzer<br />
auf einen Blick im Postfach angezeigt.<br />
Und das auch unterwegs<br />
auf jedem Gerät, dank der Software<br />
von Cosynus. Das nennt<br />
sich Unified-Communication,<br />
steigert die Produktivität und<br />
vereinfacht die Kommunikation<br />
mit anderen Geschäftspartnern.<br />
Der Vorteil des von Cosynus entwickelten<br />
Systems ist die Synchronisation<br />
der verschiedenen<br />
Geräte.<br />
„Keine vollen Postfächer mehr<br />
nach Geschäftsreisen und keine<br />
verärgerten Geschäftspartner,die<br />
nur eine Abwesenheitsmeldung<br />
erhalten haben. Durch die Synchronisation<br />
der Unternehmensdaten<br />
und dem Smartphone kann<br />
auch unterwegs integriert kommuniziert<br />
werden.“ Dass die Arbeit<br />
so schneller und effizienter<br />
wird, dafür sorgt die Cosynus<br />
Software.<br />
Beim iPhone war das Darmstädter<br />
Unternehmen nicht so<br />
schnell wie beim Blackberry,<br />
sondern hat sich zwei Jahre Zeit<br />
gelassen und den Markt beobachtet,<br />
bis die Firma eine Software-Lösung<br />
als Schnittstelle für<br />
Apples Smartphone entwickelte.<br />
„Als das iPhone Mitte 2007 auf<br />
den Markt kam, haben wir es<br />
noch nicht im geschäftlichen<br />
Segment gesehen“, begründet<br />
Reibold. Erst als Apple die Software<br />
3.0 für das Gerät entwickelt<br />
hatte und der App-Store rasant<br />
wuchs, hatte das Gerät auch bei<br />
Geschäftskunden Interesse geweckt<br />
und war damit auch für<br />
Cosynus attraktiv geworden.<br />
Zukunft verspricht<br />
weitereChancen<br />
Auf Apples neuestes Gerät, das<br />
iPad, ist das Darmstädter Unternehmen<br />
schon vorbereitet. „Das<br />
Gerät hat für Softwareentwickler<br />
eine ähnliche Struktur wie das<br />
iPhone, sodass unsere Software<br />
mit einigen Anpassungen auch<br />
dort laufen wird.“ Fürdie Zukunft<br />
erwartet er einen weiteren Schub<br />
auf dem Smartphone-Markt durch<br />
Google.„Google wirdab2012der<br />
Drittgrößte Anbieter von Smartphones<br />
nach RIM und Apple werden.<br />
Zudem werden sich in den<br />
kommenden Jahren auch App-<br />
Stores für den Geschäftsbereich<br />
etablieren.“<br />
Im Nachgang zur Cebit hat Cosynus im<br />
März in Darmstadt die eintägige Regionalmesse<br />
„Kommunikation 2010“inder Orangerie<br />
organisiert. Rund 70 Interessenten besuchten<br />
die Ausstellung. Michael Reibold plant auf<br />
Grund des Erfolgs eine Wiederholung im<br />
kommenden Jahr, denn viele kleine und mittelständische<br />
Unternehmen haben nicht genügend<br />
personelle Kapazitäten, um die Cebit<br />
zu besuchen. Eine Regionalmesse bietet demgegenüber<br />
den Vorteil, dass Aussteller und<br />
Kunden leichter und gezielter Kontakte knüpfen<br />
können, so Reibold.<br />
[Infobox]
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 27<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Eckard Grütters (57) ist<br />
Schalke-Fan, seit er denken<br />
kann. So oft es geht, fährt<br />
der Gelsenkirchener zu den Heimspielen<br />
der Königsblauen ins<br />
Ruhrgebiet, sogar ein Modell von<br />
der Arena „Auf Schalke“ hat sich<br />
der Geschäftsführer der Vidi Video<br />
Digital Studiotechnik in<br />
Darmstadt in sein Büro gestellt.<br />
„Hier sitze ich dann immer“, sagt<br />
der Ingenieur mit einem verschmitzten<br />
Lächeln und deutet<br />
auf eine winzige Stelle auf der<br />
Plastiktribüne. Auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft<br />
im Juni<br />
wirdGrüttersdabei sein. Den Anpfiff<br />
am 11.Juni in Johannesburg<br />
wird er live miterleben. Doch<br />
dann wirdernicht auf der Tribüne<br />
sitzen, sondern dafür sorgen, dass<br />
Fernsehteams aus der ganzen<br />
Welt die Partien in höchster Qualität<br />
rund um den Globus auf die<br />
heimischen Fernsehbildschirme<br />
übermitteln können. Dass die<br />
Fernsehübertragung weltweit<br />
funktioniert, dafür sind Grütters<br />
und seine neun Mitarbeiter von<br />
Vidi verantwortlich. Sie werden<br />
während der Weltmeisterschaft<br />
bei sämtlichen Partien vor Ort<br />
sein, um das technische Gesche-<br />
Ohne Vidi fallen<br />
im Wohnzimmer<br />
keine Tore<br />
Video Digital Studiotechnik –<br />
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika<br />
überträgt Technik aus Darmstadt<br />
die Live-Partien auf die Fernsehbildschirme –<br />
Zweiter Auftrag der Fifa<br />
hen in den Stadien von Kapstadt,<br />
Johannesburg, Port Elisabeth,<br />
Pretoria, Polokwane und Rustenburgzuüberwachen.<br />
Ganz am Anfang<br />
der Übertragungskette<br />
Karsten Winterberg und<br />
EckardGrütters (von links).<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Zum zweiten Mal hat der Weltfußballverband<br />
Fifa die Ingenieure<br />
aus Darmstadt mit dieser exklusiven<br />
Aufgabe betraut. Doch wenn<br />
das Geschehen im Fußballstadion<br />
auf den Fernsehbildschirmen und<br />
Großleinwänden sämtlicher Kontinente<br />
läuft, haben Grütters und<br />
seine Kollegen ihre Aufgabe<br />
längst erledigt. Denn die Experten<br />
aus Südhessen stehen ganz am<br />
Anfang der Übertragungskette<br />
von Video- und Audiosignalen.<br />
Ihr Gebiet ist die Schnittstelle zwi-<br />
schen Fernsehkamera und Standort<br />
der jeweiligen Fernsehsender.<br />
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft<br />
ist es das riesige International<br />
Broadcast Center (IBC) in Johannesburg,<br />
in dem die Daten und<br />
Signale der insgesamt 64 Spiele<br />
sämtlicher Fußballstadien in Südafrikazusammenlaufen.<br />
„Das IBC<br />
ist so etwas wie die Schaltzentrale,<br />
die Signale werden von dort<br />
weiter an die weltweit angeschlossenen<br />
Fernsehsender verteilt“,<br />
erklärt Grütters.<br />
Diese wiederum versorgen ihr<br />
Fernsehpublikum in den verschiedenen<br />
Ländern mit Bild- und Tonaufnahmen<br />
über andere Netze<br />
wie zum Beispiel DBV-T, DBV-B<br />
oder DBV-S. Aufdem Wegvon den<br />
Fußballstadien zum IBC kommen<br />
die Geräte von Vidi zum Einsatz.<br />
Unternehmen<br />
Vidi<br />
Video Digital Studiotechnik GmbH<br />
Röntgenstraße 3<br />
64291Darmstadt<br />
Telefon: 06151938515<br />
Fax: 06151 938535<br />
Internet: www.vidi.eu<br />
Branche:<br />
Vertrieb und technischer<br />
Support von Systemprodukten<br />
in der Sparte Fernsehtechnik<br />
Gründung: 1983<br />
Geschäftsführung:<br />
Eckard Grütters, Karsten Winterberg<br />
Mitarbeiter: neun<br />
Umsatz:<br />
rund zehn Millionen Euro (2010)<br />
[Infobox]<br />
Sie leiten die von den Fernsehkameras<br />
aufgezeichneten Signale<br />
weiter an das IBC und nutzen dazu<br />
die Transportnetze der jeweiligenTelekommunikationsgesellschaften.<br />
Vidi ist dafür verantwortlich,<br />
dass die Qualität auf<br />
dem Weg durch das Kabelnetz<br />
zum IBC erhalten bleibt.<br />
Auch bei der Fußball-Europameisterschaft<br />
vor zwei Jahren<br />
hatten die Techniker aus Darmstadt<br />
den Zuschlag bekommen,<br />
die Video- und Audiodaten der<br />
Fernsehteams Pixel-perfekt in die<br />
heimischen Wohnzimmer zu liefern.<br />
Außerhalb der Fußball-WM<br />
ist Vidi ebenfalls seit Jahren bei<br />
Fernsehübertragungen mit von<br />
der Partie. Sämtliche öffentlichrechtlichen<br />
und privaten Rundfunkanstalten<br />
in Deutschland,<br />
Betreiber von Übertragungswagen<br />
und Produktionsstudios vertrauen<br />
inzwischen auf die Produkte<br />
und den Support aus<br />
Darmstadt.<br />
Beachtlicher Aufschwung<br />
seit dem Jahr 2006<br />
Seit dem Auftrag für die WM im<br />
Jahr 2006 hat das Unternehmen<br />
einen beachtlichen Aufschwung<br />
erlebt. Als Eckard Grütters, der<br />
zuvor Entwickler beim Elektronikkonzern<br />
Grundig in Nürnberg<br />
war, das Unternehmen im Jahr<br />
1999 übernahm, hatte es einen<br />
Jahresumsatz vonetwaeiner Million<br />
Euro. Im Jahr 2006 waren es<br />
vier Millionen Euro, mit dem Zuschlag<br />
für die zweite Fußball-<br />
Weltmeisterschaft in diesem Jahr<br />
wirdVidi den Umsatz auf mehr als<br />
zehn Millionen Euro steigern.<br />
Knackpunkt und Kernkompetenz<br />
ist die zuverlässige Weiterleitung<br />
von Video- und Audiosignalen<br />
und Daten bei Live-Übertragungen.<br />
Diese Aufgabe erfüllen kleine<br />
blinkende Kästchen, die im Demo-Raum<br />
von Vidi in der Röntgenstraße<br />
als Anschauungsobjekte<br />
für Kunden dienen. Die Module<br />
des Herstellers Media Links vertreibt<br />
man seit vielen Jahren weltweit.<br />
Seit mehr als 25 Jahren gehört<br />
Vidi zu den führenden Unternehmen<br />
auf dem deutschen<br />
Markt, die Produkte und Serviceleistungen<br />
im Schnittbereich von<br />
professioneller Fernsehtechnik<br />
und Telekommunikation anbieten.<br />
Mit dem wachsenden Erfolg<br />
wächst auch das Unternehmen.<br />
Seit 2009 ist Karsten Winterberg<br />
(42) neben Eckard Grütters Geschäftsführer<br />
bei Vidi. Beim Fuß-<br />
ballspielen am Woog in Darmstadt<br />
haben sich die beiden kennen<br />
gelernt. Winterberg war zuvor<br />
bei einem Telekommunikationsunternehmen<br />
tätig und wollte<br />
sich weiterentwickeln. „Vidi hat<br />
mich gereizt, vorallem wegen der<br />
Live-Übertragungen“, sagt er.<br />
Doch die beiden Fußballfans haben<br />
durch ihren Beruf mittlerweile<br />
ein gespaltenes Verhältnis zu<br />
ihrem Lieblingssport, so dass die<br />
sonntäglichen Partien am Woog<br />
die einzigen Fußballspiele sind,<br />
die sie noch ganz entspannt genießen<br />
können. Denn wann immer<br />
eine Live-Übertragung läuft: „Ein<br />
bisschen Aufregung, ob alles<br />
klappt, ist schon dabei“, sagt Winterberg.<br />
Nie vergessen werden die<br />
Ingenieureden Stromausfall während<br />
des Halbfinales der Europameisterschaften<br />
vor zwei Jahren<br />
bei der Partie Deutschland gegen<br />
die Türkei. Dass Vidi daran keine<br />
Schuld hatte, war zwar schnell<br />
klar. Doch als der Stromausfall in<br />
Wien minutenlang für schwarze<br />
Bildschirme sorgte, gab es einen<br />
denkwürdigen Austausch panischer<br />
SMS zwischen Winterberg<br />
und Grütters, den beide bis heute<br />
auf ihren Handys gespeichert haben.<br />
Über SMS wie „Karsten, tu<br />
was!“ können beide heute herzlich<br />
lachen.<br />
Sechs weitere<br />
Ingenieure gesucht<br />
Das Hightech-Unternehmen<br />
möchte weiter wachsen. Sechs<br />
weitere Ingenieure mit den<br />
Schwerpunkten Fernsehtechnik<br />
oder Telekommunikationstechnik<br />
sollen in diesem Jahr eingestellt<br />
werden. Ebenso möchte Grütters<br />
künftig mit Technischen Universitäten<br />
und Fachhochschulen kooperieren,<br />
um den Nachwuchs im<br />
Unternehmen zu fördern. „Das,<br />
waswir machen, kann man nicht<br />
so einfach lernen. Da steckt jahrelange<br />
Erfahrung und Projektentwicklung<br />
im Unternehmen drin“,<br />
sagt Grütters. Daher mache es wenig<br />
Sinn, Praktikaanzubieten, die<br />
nur wenige Wochen dauern. Doch<br />
denkbar wäre, imRahmen einer<br />
Kooperation mit Unis Diplomarbeiten<br />
zu begleiten. Schon jetzt<br />
möchte Vidi seine Zuverlässigkeit<br />
bei Live-Übertragungen großer<br />
Fußballereignisse nutzen und die<br />
Fühler nach der Europameisterschaft<br />
im Jahr 2012 und der Weltmeisterschaft<br />
2014 ausstrecken.<br />
Weiteres Ziel sind Aufträge bei<br />
den Olympischen Spielen.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 28<br />
SpracheinHandarbeit<br />
Drucken und Lernen – Im Raunheimer Lehrmittelverlag<br />
treffen Gutenbergs Drucktechnik und moderne Medienwelt aufeinander –<br />
„Wenn man den Vorgang anschaulich macht, vernetzt sich das Erlebte im Gehirn“<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Das Euro-Zeichen fühlt sich<br />
komisch an. Überraschend<br />
schwer ist der kleine<br />
Kegel aus Zinn, glänzend und<br />
kalt. Im Setzkasten von Buchdrucker<br />
BernhardDorn aus Raunheim<br />
gesellt er sich in die Reihe weiterer<br />
Sonderzeichen, unter denen auch<br />
das „@“ zu finden ist. Die markanten<br />
Prägungen der gegossenen Metallstempel<br />
werden einmal auf Visitenkarten<br />
und nostalgisch anmutenden<br />
Menükarten Eindruck hinterlassen.<br />
Zart und mit gestochen<br />
scharfen Kanten werden sich die<br />
Zeichen vonihren oberflächlichen<br />
Kollegen aus der Offsetdruckmaschine<br />
abheben.<br />
Im Druckhaus von Bernhard<br />
Dorn treffen Gutenbergs Druckverfahren<br />
und moderne Medienwelt<br />
aufeinander.<br />
Während im einen Teil des Firmengebäudes<br />
in der Anton-Flettner-Straße<br />
in Raunheim Offsetmaschinen<br />
im Sekundentakt<br />
Briefbögen, Broschüren, Blöcke<br />
und bunte Papierbögen auswerfen,<br />
scheint im hinteren Teil des<br />
Flachbaus die Zeit stehen geblieben<br />
zu sein. Gusseiserne Handpressen<br />
aus den Jahren um 1800,<br />
alte Intertype-Druckmaschinen<br />
aus den 1930er Jahren, Setzkästen,<br />
Gießformen, Rahmen und<br />
Werkzeug geben einen Abriss<br />
über die Geschichte der Buchdruckerei.<br />
Hier verbringt Firmeninhaber<br />
Dorn oft Stunden an der<br />
Gießmaschine, um aus kiloschweren<br />
Zinnbarren komplette<br />
Schriftsätze zu gießen. Viele hundert<br />
Zeichen haben die begehrten<br />
Serien des 46 Jahre alten Buchdruckers.<br />
Füreinen Schriftsatz einer<br />
24 Punkt großen Times-<br />
Schrift muss der Buchdrucker<br />
zum Beispiel exakt 568 Zeichen<br />
gießen. 193,01Eurokostet der fertige<br />
Satz, den es wahlweise auch<br />
aus Blei gibt. Weil sich häufig Kinder<br />
als Buchdrucker ausprobieren,<br />
verwendet Dorn jedoch ausschließlich<br />
die ungiftige Variante<br />
aus Zinn. Aus welcher Metalllegierung<br />
auch immer: VomBindestrich<br />
über ein Geviert bis zum<br />
kursiven A – gedruckt werden<br />
kann später alles, was der Setzkasten<br />
hergibt.<br />
Zweites Standbein<br />
von „Dorndruck“<br />
„Drucken und Lernen“ heißt<br />
Dorns Lehrmittelverlag für Schule<br />
und Kunst. Er ist zweites Standbein<br />
und Vertriebspartner der<br />
Raunheimer Druckerei „Dorndruck“,<br />
die Dorn als eingetragener<br />
Kaufmann führt. Mit dem<br />
Lehrmittelverlag stattet Bernhard<br />
Dorn in erster Linie Schulen aus.<br />
Vom Papier über Farbe bis zur<br />
Presse bietet Dorn alles an, was<br />
Schuldruckereien benötigen.<br />
„Drucken und Lernen, nicht Drucken<br />
lernen ist die Devise“, betont<br />
Dorn den Unterschied. Die Grundüberlegung<br />
seines pädagogischen<br />
Ansatzes ist es, mit dem Drucken<br />
in Handarbeit einen Zugang zur<br />
Sprache zu schaffen. Vorreiter<br />
dieser Überlegung warder französische<br />
Erziehungswissenschaftler<br />
Célestin Freinet (1896 bis 1966).<br />
„Wenn man den Vorgang an-<br />
schaulich macht, vernetzt sich<br />
das Erlebte im Gehirn“, ist Dorn<br />
sicher. Nicht als abstrakte Zeichen,<br />
sondern als greifbare Bestandteile<br />
sollen sich Buchstaben<br />
zu Wörtern zusammenfügen, bis<br />
sie einen Sinn ergeben. Mit Hilfe<br />
der Metallzeichen und der Hervorhebung<br />
der Schrift auf dem Papier<br />
bekomme Sprache mehr Gewicht,<br />
sagt Dorn.<br />
Die Schule als Lernwerkstatt<br />
zu nutzen sei in den vergangenen<br />
Jahren wieder populärer geworden.<br />
Da zahlreiche Schuldruckereien,<br />
die es früher in fast jeder<br />
Bildungseinrichtung gab, nicht<br />
mehr existierten, sei Dorns umfangreiches<br />
Angebot an Buchstabensätzen,<br />
Walzen und Papierschöpf-Material<br />
gefragt.<br />
Mit der Gründung des Lehrmittelverlags<br />
im Jahr 2005 richtete<br />
Dorn einen Internet-Shop ein. Anfragen<br />
zu selten gewordenen<br />
Werkzeugen und Zubehör für den<br />
klassischen Buchdruck kommen<br />
mittlerweile aus der ganzen Welt.<br />
Denn mit dem Ende der Linotype-<br />
Maschinen für Zeitung/Zeitschriften<br />
und der Monotype-Maschinen<br />
für Bücher in den achtziger<br />
Jahren ist auch das Zubehör<br />
und Werkzeug der tonnenschweren<br />
Druckmonster verloren gegangen.<br />
Doch es gebe eine Renaissance<br />
in der Druckbranche, sagt<br />
Dorn. Das Interesse an klassischen<br />
Druckverfahren ziehe sich<br />
wie ein roter Faden durch kreative<br />
Berufe und habe längst die Lehrstühle<br />
für Gestaltung erreicht.<br />
Erst vor kurzem habe eine deutsche<br />
Universität in KairoZubehör<br />
angefragt. Bei einem Theaterstück<br />
von Molière inden Niederlanden<br />
dienten vor einigen Wochen<br />
riesige handgedruckte Buchstaben<br />
aus Raunheim als Bühnendekoration.<br />
„Das finde ich toll“,<br />
freut sich Dorn.<br />
Ein Traum<br />
erfüllt sich<br />
Mit dem Lehrmittelverlag hat sich<br />
der Buchdrucker einen Traum erfüllt.<br />
Seit 1987 betreibt er die Druckerei<br />
am Raunheimer Stadtrand<br />
mit fünf Mitarbeitern, ab Herbst<br />
wird dort ein Azubi zum Mediengestalter<br />
ausgebildet. Eher zufäl-<br />
Bernhard Dorn<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
lig warDorn damals zum Inhaber<br />
der Druckerei geworden, die bis<br />
1987 als „Druckhaus Sahm“ firmierte.<br />
Dort hatte Dorn schon<br />
Jahrezuvor die politisch-kulturelle<br />
Jugendzeitschrift „Dickworz“<br />
drucken lassen, für die er als Jugendlicher<br />
während der Startbahn-Bewegung<br />
schrieb. Mit der<br />
Ausbildung zum Elektroanlageninstallateur<br />
wich Dorns publizistische<br />
Seele zunächst dem Handwerk.<br />
Er bildete sich zum Elektrotechnikassistenten<br />
fort, studierte<br />
anschließend Elektrotechnik, war<br />
einige Zeit lang im Rettungsdienst<br />
beschäftigt. Der eigene Wissensdurst<br />
und der Wunsch, pädagogisch<br />
zu arbeiten, führten ihn später<br />
wieder an die Uni, Lehrer für<br />
Deutsch und Elektrotechnik wollte<br />
er werden. Doch die Lehrmethoden<br />
seien ernüchternd und<br />
frustrierend gewesen, sagte Dorn.<br />
Jahrzehnte alte Skripte und Dozenten<br />
ohne Ambitionen hätten<br />
ihn erneut an seiner Berufswahl<br />
zweifeln lassen. Als ihn die Nachricht<br />
über die Schließung des<br />
„Druckhauses Sahm“ erreichte,<br />
da saß Dorn gerade in einer Vorlesung<br />
über Mechanik. Lange hat er<br />
nicht überlegt. „Ich fand es so<br />
schade und wollte probieren, etwas<br />
aus der Druckerei zu machen“.<br />
Briefbögen drucken und<br />
Maschinen einrichten –„das war<br />
endlich was Konkretes“, beschreibt<br />
Dorn. Zunächst mit einem<br />
Partner, später allein, stellte<br />
er die Druckerei wieder auf solide<br />
Beine.<br />
Bundesweit einen<br />
Namen gemacht<br />
Die Druckerei „Dorndruck“ ermöglicht<br />
dem Kaufmann heute,<br />
sich wieder mehr seiner publizistischen<br />
Seele zu widmen. In der<br />
überschaubaren Szene der Handpressendrucker<br />
und Buchdrucker<br />
hat er sich mittlerweile bundesweit<br />
einen Namen gemacht. Seit<br />
seinem ersten Linolschnitt im<br />
Jahr 1989 –das Motiv wardie Comicfigur<br />
„Popeye“ –hat er sich<br />
schon unzählige Male künstlerisch<br />
auf Drucken verewigt. Mittlerweile<br />
hat er ein Netzwerk aus<br />
Künstlern aufgebaut, die Motive<br />
für Kunstdrucke gestalten, die<br />
Dorn in seinem Internet-Shop vertreibt.<br />
Nach Absprache öffnet<br />
Dorn seine Druckwerkstatt für Besuchergruppen.<br />
Auch an den Tagen<br />
des offenen Ateliers am18.<br />
und 19. September bietet er<br />
Schnupperkurse in klassischem<br />
Buchdruck an. Für den bleibenden<br />
Eindruck stellt Dorn kleine<br />
Zinnkegel mit Sonderzeichen bereit.<br />
Kontakt<br />
Drucken &Lernen<br />
Anton-Flettner-Straße 1<br />
65479 Raunheim<br />
Telefon 06142 46478<br />
Telefax 06142 459 99<br />
E-Mail:<br />
info@drucken-und-lernen.de<br />
Internet:<br />
www.drucken-und-lernen.de<br />
[Infobox]
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 29<br />
„Übersteht<br />
auch einen Sturz–<br />
Surftipp<br />
vonErika und<br />
Bernd Dönig<br />
www.google.de<br />
„Da sucht manimmer<br />
irgendwas.“<br />
VON SILKE SCHMIDT<br />
Aus dem Herz in der glänzend<br />
glasierten Tellermitte<br />
entspringen jede Menge<br />
Knospen und Blüten. „Das ist<br />
der Lebensbaum“, erklärt Töpfermeister<br />
Bernd Dönig. „Ein für den<br />
Odenwald typisches Dekor.“ Typisch<br />
für traditionelle Odenwälder<br />
Keramik sind auch andere<br />
Muster: Herzen, Blumen, Linien,<br />
Ornamente.<br />
Mit Tradition kennt man sich<br />
aus bei der Erbacher Töpferei<br />
Müller-Dönig: Schließlich wurde<br />
die Töpferei vor exakt 401 Jahren<br />
zum ersten Mal schriftlich erwähnt.<br />
Wahrscheinlich reicht die<br />
Geschichte des Familienbetriebs<br />
noch ein gutes Stück weiter zurück,<br />
nur Unterlagen gibt es darüber<br />
keine. Die Familie Müller jedenfalls<br />
ist schon 1470 inErbach<br />
belegt. „Aber ob die auch Töpfer<br />
waren?“ Jedenfalls führte die Familie<br />
Müller die Töpferei bis zur<br />
Jahrhundertwende und darüber<br />
hinaus: „Es gab zwei Söhne –der<br />
eine fiel im Krieg, der andere<br />
starb,weil er krank war.“Männliche<br />
Nachfolger, die den Namen<br />
hätten bewahren können, gab es<br />
damit keine mehr –doch da war<br />
ja noch Bernd Dönigs Oma Marie:<br />
„Sie hat so um 1918, 1920 herum<br />
einen Dönig geheiratet.“<br />
Wenige Gehminuten zum<br />
Erbacher Schloss<br />
Längst ist die Töpferei, keine drei<br />
Gehminuten vom Erbacher<br />
Schloss, die einzige auf die Herstellung<br />
traditioneller Odenwälder<br />
Keramik spezialisierte Produktionsstätte<br />
der Gegend. Natürlich<br />
gibt es in dem rustikalen Laden(www.odenwaelder-kunsttoepferei.de)<br />
Äppelwoi-Bembel,<br />
aber auch jede Menge anderer<br />
Tonwaren, die nicht nur nützlich,<br />
sondern auch überaus dekorativ<br />
sind: Teller, Tassen, Becher, Töpfchen<br />
für Marmelade oder solche<br />
für Knoblauch, Zwiebeln und Kartoffeln<br />
etwa.<br />
FürRätselraten bei vielen Kunden<br />
sorgt etwas ebenfalls sehr Traditionelles,<br />
das im Odenwald<br />
aufden Teppich“<br />
Töpferei Müller-Dönig – Geschichte des Erbacher Traditionsbetriebes<br />
reicht Jahrhunderte zurück –Vom individuellen Hundenapf<br />
bis zum Buttertöpfchen, das einen Kühlschrank entbehrlich macht<br />
einst ein weit verbreitetes Utensil<br />
war. Tassenartig sieht es aus, nur<br />
hat es einen Deckel. Und in dem<br />
sitzt, bei aufgelegtem Deckel in<br />
den tassenartigen Unterbau hineinragend,<br />
wiederum so etwas<br />
wie ein breiter Becher. Bernd Dönigs<br />
Ehefrau Erika lüftet das Geheimnis:<br />
„Das ist ein Buttertöpfchen.“<br />
Unten in die Tasse kommt<br />
Wasser,indie becherartige Vertiefung<br />
im Deckel wird Butter hineingedrückt,<br />
dann der Deckel<br />
wieder auf die Tasse gesetzt. So<br />
kann die Butter außerhalb des<br />
Kühlschranks aufbewahrt werden,<br />
bleibt schön streichzart und<br />
trotzdem frisch –nur muss alle<br />
zwei, drei Tage das Wasser gewechselt<br />
werden.<br />
Viele Stammkunden beehren<br />
die Familie Dönig immer wieder:<br />
„Oft kamen auch schon die Eltern<br />
und Großeltern.“ Doch haben die<br />
Stammkunden mal wieder kräftig<br />
eingekauft, sehen Dönigs sie<br />
meist für längere Zeit nicht wieder:<br />
„UnsereSachen sind halt sehr<br />
haltbar“, sagt Erika Dönig und<br />
lacht. Stimmt wohl: Backofenund<br />
spülmaschinenfest sind sie,<br />
und sogar einen Sturz auf den<br />
Teppich überstehen sie –das sagt<br />
jedenfalls Bernd Dönig – meist<br />
unbeschadet.<br />
Wenn der Töpfermeister in der<br />
Echte Handarbeit: Dönigsche Tonwaren sind durchweg individuelle<br />
Einzelstücke. FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Werkstatt an seiner Drehscheibe<br />
sitzt, bestimmt selten sein Wille,<br />
was erproduziert: „Eigentlich ist<br />
es die Ware,die bestimmt, wasich<br />
mache.“ Nämlich in der Regel das,<br />
was imLaden gerade zur Neige<br />
geht. Auch bei Brand und Glasur<br />
hat die Ware jeweils ihren eigenen<br />
Rhythmus. Und dann fertigt<br />
Bernd Dönig ja auch nach Bestellung:<br />
Mal ein Tee- oder Kaffeeservice<br />
nach besonderem Wunsch,<br />
aber auch Ehrenteller für Vereine,<br />
Schmuckteller anlässlich einer<br />
Hochzeit, Geburt, Taufe oder Konfirmation.<br />
Selbst Hundenäpfe,<br />
gern individuell verziert und beschriftet,<br />
sind kein Problem.<br />
Und seit einiger Zeit fühlen<br />
sich sogar südamerikanische Nagetiere<br />
inDönigschen Tonwaren<br />
wohl – einem Geschäftskunden<br />
sei Dank: „Er hatte aus Asien<br />
Schlaf- oder Futterhöhlen und anderes<br />
aus Tonimportiert. Aber die<br />
Tierehaben es mit ihren scharfen<br />
Zähnen immer recht bald zerlegt.“<br />
Bernd Dönig startete im<br />
Auftrag seines Kunden einen erfolgreichen<br />
Versuch mit schwarzem<br />
Manganton: „Wenn der gebrannt<br />
ist, kriegen das Nagerzähne<br />
nicht mehr klein.“<br />
Im täglichen Geschäft sind es<br />
freilich andere Dinge, die besonders<br />
gut gehen: Becher, Tassen,<br />
Müslischalen, Ess- und Dessertteller<br />
etwa oder Dosen für Mehl,<br />
Zucker oder Salz. Krüge dagegen<br />
mutieren seit geraumer Zeit eher<br />
zum Ladenhüter. Auch die einst<br />
so modernen Bodenvasen gehen<br />
nur noch selten über den Ladentisch.<br />
Flexibel und individuell<br />
geht es zu<br />
„Aber da liegt unser Vorteil im<br />
Vergleich mit Betrieben, die Töpferwaren<br />
in großen Massen herstellen:<br />
Wir können flexibel reagieren<br />
und Dinge schnell in kleineren<br />
Mengen, anders oder eine<br />
Weile gar nicht produzieren, ohne<br />
dass uns dadurch große Kosten<br />
oder andere Nachteile entstehen.“<br />
Und noch etwas hebt die<br />
Dönigschen Tonwarenvon industriell<br />
produzierter Keramik ab: ihre<br />
Individualität. „Bei uns sind nie<br />
zwei Teile gleich –immer sind sie<br />
etwas anders.“ Echte Handarbeit<br />
eben.<br />
Seit Bernd Dönig 1968 seine<br />
Töpferlehre machte und ins elter-<br />
liche Geschäft einstieg, das er<br />
1984 übernahm, ist es merklich<br />
ruhiger geworden im Laden. Vor<br />
allem Touristen dürften ruhig öfter<br />
hereinschauen, meint das Ehepaar<br />
Dönig –doch das Hinweisschild<br />
der Töpferei am Marktplatz<br />
ist eher unscheinbar.„Aber etwas<br />
anderes erlaubt die Stadt nicht.“<br />
Die Familientradition soll dennoch<br />
weitergehen: Auch Sohn<br />
Tobias (27) hat den Beruf des<br />
Töpfers gelernt –nach dem Gesellenbrief<br />
sattelte er eine Ausbildung<br />
zum Keramiktechniker<br />
drauf, denn für Töpfer gibt es keine<br />
Meisterprüfung mehr. Überhaupt<br />
heißen Töpfer inzwischen<br />
ganz offiziell „Keramiker“: „Keramiker<br />
ist ja nur der Überbegriff“,<br />
erklärt Tobias Dönig. „Das<br />
teilt sich in Industriekeramiker<br />
und Handwerker. Die beiden<br />
Sparten sind dann nochmals in<br />
die jeweiligen Fachrichtungen<br />
unterteilt. Im Handwerk etwa in<br />
Baukeramiker, Scheibentöpfer<br />
oder Gestalter.“<br />
Nötig sei die Zusammenlegung<br />
gewesen, um ausreichende Schülerzahlen<br />
in den Berufsschulklassen<br />
zu gewährleisten. „Für mich<br />
ist das aber nicht negativ,daman<br />
so ein breiteres Feld behandelt<br />
und sich auch in anderen keramischen<br />
Bereichen auskennt. Die<br />
Praxis erlernt man sowieso im Betrieb.“<br />
Tobias Dönig arbeitet derzeit in<br />
einem Ludwigshafener Unternehmen.<br />
„Zwei Familien ernährt unsere<br />
Töpferei derzeit einfach<br />
nicht“, bedauern seine Eltern.<br />
Doch dass der Sohn in den elterlichen<br />
Betrieb einmal einsteigen<br />
soll, ist schon das Ziel, wie Tobias<br />
Dönig bestätigt: „Den Betrieb der<br />
Eltern würde ich schon gerne<br />
übernehmen.“<br />
Und so hat sich die Familie fest<br />
vorgenommen, ihreUmsätze wieder<br />
zu steigern und neue Kunden<br />
zu gewinnen: „Unser Wunsch wäre,<br />
dass die Leute wieder mehr<br />
zum bodenständigen Geschirr<br />
übergehen und lieber gleich Qualität<br />
kaufen statt das oft schadstoffbelastete<br />
Zeug aus Fernost.“<br />
Dass die Dönigs ihren Beruf lieben,<br />
daran bleibt kein Zweifel. Tobias<br />
Dönig ist überzeugt: „Als<br />
Töpfer hat man ständig neue Aufgaben<br />
und Herausforderungen,<br />
und es wird nie langweilig. Man<br />
ist Handwerker und kann trotzdem<br />
kreativ sein.“<br />
Hintergrund<br />
Die Töpferei ist eines der ältesten<br />
Handwerke überhaupt. Grundsätzlich<br />
verbergen sich hinter dem Begriff<br />
Töpferei unterschiedliche Techniken,<br />
um Tone oder Lehme zu formen<br />
und durch Brennen hart zu<br />
machen. Die ältesten Keramik-Funde<br />
sind schätzungsweise 18 000 Jahre<br />
alt und stammen aus China. Glasierte<br />
Tonwaren tauchen erstmals im<br />
dritten Jahrtausend vorChristus auf,<br />
und zwar in Mesopotamien und<br />
Ägypten. Längst werden die meisten<br />
Tonwaren industriell hergestellt.<br />
Handwerkliche Töpferei findet man<br />
zunehmend im Bereich des Kunsthandwerks;<br />
Betriebe wie die Traditionstöpferei<br />
der Familie Dönig in Erbach<br />
–dazu mit mehr als 400 Jahren<br />
Geschichte –sind inzwischen eine<br />
Rarität.<br />
[Infobox]<br />
Odenwälder<br />
Keramik<br />
mit jahrhundertelangerTradition:<br />
Erikaund<br />
Bernd Dönig in<br />
ihrem rustikalen<br />
Laden unweit<br />
des Erbacher<br />
Schlosses.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 30<br />
„Wir machen alles“:<br />
Bernhard Müller (links) und<br />
José Luis TueroGutierrez.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Unternehmen<br />
Gegründet 1993 in Frankreich von Xavier de<br />
Fouquières. Ergründet eine Below-the-line-Agentur,wie<br />
sie vonvielen marketingorientierten Unternehmen<br />
erwartet worden ist. Vincent Frémont<br />
schließt sich ihm an.<br />
2000 steigt Mayence ins Print-Management-Geschäft<br />
ein, 2004 wird eine Niederlassung in Polen<br />
gegründet. 2005 folgen Geschäftsstellen in Großbritannien<br />
und Deutschland. Außer der Dependance<br />
in Dieburg betreibt das Unternehmen eine Niederlassung<br />
in München. 2006 expandiert das Unternehmen<br />
und verfügt somit über rund 300Kooperationspartner.<br />
2007 widmet sich Mayence der Entwicklung<br />
neuer fortschrittlicher Software für<br />
Komplettlösungen. 2009 entstehen Niederlassungen<br />
in Italien, Belgien und Portugal.<br />
Inzwischen verfügt das Unternehmen über acht<br />
Niederlassungen in Europa und eine Division in<br />
China. Im Jahr 2008 setzt Mayence 45 Millionen<br />
Euro um, zuletzt waren esrund 56 Millionen.<br />
Internet: www.mayence.com<br />
[Infobox]<br />
Damit der<br />
Kunde<br />
Erfolg<br />
hat<br />
Fullservice – Firma Mayence vermarktet Produkte und Dienstleistungen<br />
vonder Idee bis zur Umsetzung –„Vernetzung ist unser großes Plus“<br />
VON SONJA JORDANS<br />
Was haben das Plastikspielzeug<br />
aus der<br />
Cornflakes-Packung,<br />
die Bedienungsanleitung für den<br />
Wasserhahn, der moderne Kugelschreiber,<br />
der Beipackzettel für<br />
ein Asthma-Medikament und die<br />
Werbebroschüre für ein Nahrungsergänzungsmittelgemeinsam?<br />
Auf den ersten Blick nichts.<br />
Dennoch haben all diese Produkte<br />
einen gemeinsamen Nenner: Die<br />
Firma Mayence, die im südhessischen<br />
Dieburgeine Niederlassung<br />
betreibt.<br />
Mayence vermarktet Produkte<br />
und Dienstleistungen –ähnlich einer<br />
Werbeagentur. Allerdings:<br />
„Wir machen alles“, bringt es<br />
Mayence-Deutschlandchef José<br />
Luis Tuero Gutierrez auf den<br />
Punkt. Vonder Idee für eine Anzeige<br />
über Layout, Modelcasting<br />
und Auswahl eines Fotografen bis<br />
zum Internet-Auftritt –Mayence<br />
kümmert sich darum, das Produkt<br />
seines Kunden nachhaltig bei der<br />
gewünschten Zielgruppe zu platzieren.<br />
„Das funktioniert wie in einem<br />
Baukastensystem“, ergänzt Bernhard<br />
Müller, Key Account Manager<br />
bei Mayence.Komme ein Kunde<br />
etwamit einem fertigen Werbespruch,<br />
einer bestehenden Idee<br />
und einem gebuchten Modell,<br />
kümmert sich Mayence je nach<br />
Wunsch um einen Fotografen, eine<br />
geeignete Umgebung für das<br />
Fotoshooting oder übernimmt<br />
den Druckauftrag für Werbebroschüren.<br />
Bei Bedarf bietet Mayence<br />
seinen Kunden aber auch Fullservice<br />
an: Vonder Entwicklung<br />
einer Idee bis zur Umsetzung und<br />
darüber hinaus erledigt das Unternehmen<br />
mit Hauptsitz in Frankreich<br />
alles. „Für Egana-Goldpfeil<br />
etwa haben wir das Konzept für<br />
eine komplette Schmuckmesse<br />
organisiert“, sagt Tuero. Für die<br />
Schmuckkollektion der ehemaligen<br />
Eiskunstläuferin Katharina<br />
Witt kreierte Mayence Werbekataloge,<br />
kümmerte sich unter anderem<br />
umSchaufensterplakate und<br />
Anzeigen in Zeitschriften.<br />
Kunden vonMayence sind unter<br />
anderem der Elektrogerätehersteller<br />
Braun, der Lebensmittelproduzent<br />
Nestlé und Keramag,<br />
ein Hersteller von Badezimmer-<br />
Armaturen.<br />
Zusammenarbeit mit<br />
400 Partnern<br />
Auch das Pharmaunternehmen<br />
Glaxo-Smithkline ist Mayence-<br />
Kunde. Als das Unternehmen für<br />
sein Mundwasser Odol ein Gewinnspiel<br />
initiierte, übernahm<br />
Mayence die Abwicklung des<br />
Druckauftrags. Dass die Bedienungsanleitung<br />
eines Infrarot-<br />
Wasserhahns in gedruckter Form<br />
vorliegt, ist Mayence zu verdanken.<br />
Und auch das Plastikspielzeug<br />
aus der Cornflakes-Packung<br />
kommt von Mayence. „Zwar haben<br />
wir es nicht entworfen, aber<br />
um die Produktion haben wir uns<br />
gekümmert“, betont der Deutschland-Chef.<br />
Bei all diesen Aufträgen<br />
greift das Unternehmen auf<br />
ein globales Netzwerk bestehend<br />
aus 400 Partnern wie Fotografen,<br />
Onlinespezialisten, Grafikern,<br />
Druckereien und Messebauern<br />
zu. Allein für die Niederlassung in<br />
Dieburg arbeiten rund 60 externe<br />
Partner. Zudem betreibt Mayence<br />
unter anderem Niederlassungen<br />
in Belgien, Italien, Österreich, der<br />
Schweiz und Ungarn. „Außerdem<br />
haben wir eine chinesische Division“,<br />
erläutert Müller.Dort werden<br />
Werbemittel wie Kugelschreiber<br />
und das Plastikspielzeug aus der<br />
Cornflakes-Packung hergestellt.<br />
„Diese Vernetzung ist unser großes<br />
Plus“, so Tuero.<br />
Wo andere Unternehmen wie<br />
etwa reine Werbeagenturen sich<br />
externe Partner suchen müssten,<br />
die zusätzlich Geld kosten, biete<br />
Mayence alles aus einer Hand.<br />
Das spareGeld, sagt Müller.Gerade<br />
in Zeiten, in denen auch bei<br />
Großkunden das Geld nicht locker<br />
sitzt, sei das ein wichtiges Argument.<br />
Zwar hätten die europäischen<br />
Mayence-Niederlassungen<br />
nicht unter der Krise gelitten, sagt<br />
Tuero. Die deutsche Niederlassung<br />
dagegen spüresie durchaus.<br />
„Nicht schlimm und auch nicht<br />
überraschend, aber wir merken,<br />
dass etwas los ist“.InDeutschland<br />
herrsche ein großes Sicherheitsdenken,<br />
„und das heißt bei vielen<br />
Unternehmen, an Werbung zu<br />
sparen“, bedauert Müller. Zudem<br />
sei der Werbemarkt in Deutschland<br />
hart umkämpft. Hier gebe es<br />
große Werbemittelindustrien und<br />
viele Grafik-Agenturen. In andereneuropäischen<br />
Ländern sei das<br />
nicht so, weiß Tuero. Zwar biete<br />
Mayence preiswerte Lösungen an,<br />
„doch preiswert heißt nicht billig“,<br />
betont er. Denn auf die „Billigschiene“<br />
wolle das Unternehmen<br />
nicht geraten. Das schade auf<br />
Dauer Kunden, Partnern und Mitarbeitern.<br />
„Die klassische Ein-<br />
kaufslinie der vergangenen Jahre,<br />
dass alles bis zur Schmerzgrenze<br />
sein muss, ist nämlich Mitschuld<br />
an der globalen Wirtschaftskrise“,<br />
glaubt er.<br />
Im Kampf um Aufträge verlässt<br />
sich Mayence jedoch nicht nur darauf,<br />
Kunden im Bereich Werbung<br />
alles aus einer Hand zu bieten.<br />
Schulungen für Redner und Präsentationstechniken<br />
gehören<br />
ebenfalls zum Portfolio des Unternehmens.„Auch<br />
so helfen wir unseren<br />
Kunden, ihre Produkte besser<br />
zu verkaufen“, sagt Müller.<br />
Mitarbeiter vonPharmaunternehmen<br />
etwa würden in Redetechniken<br />
geschult. Zudem schult<br />
Mayence Firmenmitarbeiter, die<br />
von ihren Unternehmen ins Ausland<br />
geschickt werden. Derzeit<br />
verhandelt Mayence nach eigenen<br />
Angaben mit einem Ingenieurbüro,<br />
das eine Niederlassung in den<br />
USAgründen möchte.<br />
Schulungen helfen<br />
beim Auslandseinsatz<br />
„Wir bringen den Mitarbeitern<br />
bei, worauf sie in den USA oder<br />
wo auch immer sie hingeschickt<br />
werden, unbedingt zu achten haben“,<br />
erläutert Müller.Inden USA<br />
etwastehe „political correctness“<br />
an erster Stelle. Müller fasst es<br />
knapp zusammen: „Eine Veranstaltung<br />
ist dort nicht 'langweilig'<br />
wie bei uns, sondern 'interesting'<br />
oder 'quiet different'.“ Eine hässliche<br />
Person sei nicht hässlich,<br />
sondern eine „kosmetische Herausforderung“.<br />
Müller weiß: Ein<br />
Amerikaner werdesich immer politisch<br />
korrekt äußern, um niemandem<br />
vor den Kopf zu stoßen.<br />
Das müssten Deutsche erst noch<br />
lernen. Ähnliches gelte für den<br />
asiatischen Markt. BesondersMitarbeiter,die<br />
nach Japan oder China<br />
geschickt werden, müssten<br />
vorher unterrichtet und vorbereitet<br />
werden. Auch dabei greife<br />
Mayence auf sein globales Netzwerk<br />
zurück. „Die Kunden freuen<br />
sich und sind begeistert, dass wir<br />
auch so etwas anbieten“, sagt<br />
Müller.<br />
Doch auch in der Werbung,<br />
dem ursprünglichen Betätigungs-<br />
feld vonMayence,beschreitet das<br />
Unternehmen neue Wege: „Die<br />
personalisierte Werbung nimmt<br />
einen immer größeren Stellenwert<br />
ein“, erläutert Tuero. Selbst bei<br />
Werbegeschenken wie Kugelschreibern,<br />
Plüschtieren oder<br />
Tischkalendern genüge es nicht<br />
mehr,einfach nur den Namen des<br />
Unternehmens irgendwo klein<br />
draufzudrucken. Der Kunde wolle<br />
persönliche Geschenke, in denen<br />
sich das Unternehmen widerspiegelt.<br />
Ein besonderes Modellauto<br />
für einen französischen Autohersteller<br />
etwa oder einen Kalender<br />
mit einer aufwendigen Fotostrecke<br />
für ein spanisches Unternehmen.<br />
Tuero: „Solche Dinge sind<br />
derzeit Trend.“
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 31<br />
Rechtsanwälte SZK<br />
Kanzlei<br />
Rechtsanwälte SZK<br />
Stapelfeldt Zweschper Krumb<br />
Steubenplatz 12<br />
64293 Darmstadt<br />
E-Mail: kanzlei@kanzlei-szk.de<br />
www.kanzlei-szk.de<br />
� Gegründet 2005 in Darmstadt<br />
� Spezialisiert auf das<br />
Öffentliche Recht sowie das<br />
Bau- und Immobilienrecht<br />
[Infobox]<br />
Es grüntsogrün<br />
Rechtliche Grundlagen – VonAnlagenzulassung bis Ökodesign –<br />
Wie das Umweltrecht die Unternehmenspraxis beeinflusst<br />
VON ALFRED STAPELFELDT<br />
Eine immer lückenloser werdende<br />
Gesetzgebung hat<br />
dazu geführt, dass das öffentliche<br />
Recht –und hierbei insbesonderedas<br />
Umweltrecht –stetig<br />
wachsenden Einfluss auf das<br />
Wirtschaftsleben erhält. Deshalb<br />
ist das Umweltrecht nicht nur für<br />
Unternehmen aus der Umwelttechnologie<br />
von hoher praktischer<br />
Relevanz. Inzwischen sind<br />
Unternehmen aus praktisch jeder<br />
Branche immer schärferen umweltrechtlichen<br />
Vorgaben ausgesetzt.<br />
Die Beachtung und Erfüllung<br />
dieser rechtlichen Vorgaben<br />
ist ohne eine fundierte rechtliche<br />
Beratung kaum mehr zu gewährleisten.<br />
Errichtung und<br />
Erweiterung des Betriebs<br />
Gesetzliche Anforderungen an<br />
Unternehmen sind bereits bei der<br />
Errichtung gewerblicher Anlagen<br />
zu beachten. In der Regel bedarf<br />
die Zulassung einer baulichen Anlage<br />
oder deren Erweiterung anstelle<br />
oder neben einer Baugenehmigung<br />
einer umweltrechtlichen<br />
Genehmigung, etwaaufgrund des<br />
Immissionsschutzrechts, des Abfallrechts,<br />
des Wasserrechts oder<br />
des Naturschutzrechts.Ein Unternehmen,<br />
das sich neu ansiedelt<br />
oder am bisherigen Standort erweitert,<br />
muss die bauplanungsrechtliche<br />
und bauordnungsrechtliche<br />
Zulässigkeit vorab<br />
ebenso prüfen wie die Frage, ob<br />
weitere –insbesondere umweltrechtliche<br />
–Vorgaben zu beachten<br />
sind. Eine enge und frühzeitige<br />
Abstimmung mit den zuständi-<br />
Alfred Stapelfeldt<br />
Nach dem Studium in Osnabrück<br />
wurde er zu dem Thema „Die immissionsschutzrechtlicheAnlagenzulassung<br />
nach europäischem<br />
Recht“ promoviert und leistet sein<br />
Referendariat beim Landgericht<br />
Darmstadt. Es folgte eine fünfjähriger<br />
Tätigkeit als angestellter Anwalt<br />
und sodann zusammen mit den<br />
Rechtsanwälten Zweschper und<br />
Krumb 2005 die Gründung der<br />
Rechtsanwaltspartnerschaft Rechtsanwälte<br />
SZK. Seit Juni 2005 ist er<br />
Fachanwalt für Verwaltungsrecht.<br />
Seine Schwerpunkte liegen im öffentlichen<br />
Bau- und Planungsrecht,<br />
Umweltrecht, Vergaberecht sowie<br />
Kommunalrecht.<br />
[Person]<br />
gen Genehmigungsbehörden ist<br />
dabei ebenso wichtig wie ein<br />
grundlegendes Verständnis für die<br />
Verfahrensabläufe und die besondere<br />
Sichtweise der öffentlichen<br />
Verwaltung.<br />
PräventiveProblemlösung<br />
statt Rechtsstreit<br />
Generell gilt, dass die frühzeitige<br />
Klärung der maßgeblichen Genehmigungsfragen<br />
und die Lösung<br />
eventueller Probleme im<br />
Konsens mit der Behörde der gerichtlichen<br />
Entscheidung von<br />
Streitfragen vorzuziehen ist. Vor<br />
allem unter finanziellen, planerischen<br />
und zeitlichen Aspekten<br />
kann die gerichtliche Auseinandersetzung<br />
mit der Behörde aus<br />
unternehmerischer Perspektive<br />
immer nur das letzte Mittel dar-<br />
stellen. Die Praxis zeigt, dass der<br />
Ablauf der Genehmigungsverfahren<br />
maßgeblich durch den Antragsteller<br />
und entsprechende<br />
Sondierungen im Vorfeld in rechtlicher<br />
und tatsächlicher Hinsicht<br />
beeinflusst werden können. Um<br />
frühzeitig Streitpunkte auszuräumen<br />
und ein zügiges Zulassungsverfahren<br />
zu gewährleisten, empfiehlt<br />
sich daher in allen Zulassungs-<br />
und Genehmigungsverfahren<br />
von Beginn an die Hinzuziehung<br />
eines mit der Materie und<br />
den Verwaltungsabläufen vertrauten<br />
Rechtsanwalts.<br />
Nachbarn und<br />
Bürgerinitiativen<br />
Im Blick behalten muss jedes Unternehmen<br />
neben den rechtlichen<br />
und tatsächlichen Aspekten eines<br />
Projekts immer auch die Möglichkeit<br />
von Einwendungen der betroffenen<br />
Bürger oder die Bildung<br />
von Bürgerinitiativen, die ihre<br />
Rechte durch das Vorhaben betroffen<br />
sehen und dagegen vorgehen<br />
möchten. Diese Beteiligungsrechte<br />
der betroffenen Bürger und<br />
Nachbarn sind Bestandteil vieler<br />
Zulassungsverfahren und in besonderem<br />
Maße geeignet, Verzögerungen<br />
in erheblichem Ausmaß<br />
herbeizuführen.<br />
Betriebsführung<br />
und Umweltschutz<br />
Ist der Betrieb einmal zugelassen,<br />
bedeutet dies nicht, dass an das<br />
Unternehmen in der Zukunft keine<br />
weiteren rechtlichen Anforderungen<br />
gestellt werden können.<br />
Gerade im Umweltrecht besteht<br />
vielfach die Möglichkeit, dass die<br />
Behörden durch nachträgliche<br />
Anordnungen steuernd in den<br />
laufenden Betrieb eingreifen. Diese<br />
Anordnungen sollen im Einzelfall<br />
die Anpassung der gewerblichen<br />
Anlage an den Stand der<br />
Technik bewirken, zum Beispiel<br />
durch nachträgliche Maßnahmen<br />
zur Verringerung der Emissionsgrenzwerte.Allerdings<br />
sind derartige<br />
Anordnungen an eine Reihe<br />
rechtlicher Voraussetzungen geknüpft,<br />
so dass ein Vorgehen gegen<br />
diese, zumeist sehr kostenintensiven<br />
Maßnahmen durchaus<br />
Erfolg versprechend sein kann.<br />
Hierzu empfiehlt sich die Hinzuziehung<br />
eines entsprechend spezialisierten<br />
Rechtsanwaltes,inder<br />
Regel eines Fachanwaltes für Verwaltungsrecht.<br />
Betreiberpflichten<br />
Ungeachtet dieses besonderen Instrumentariums<br />
der Umweltverwaltung<br />
muss jeder Betrieb dergestalt<br />
betrieben werden, dass<br />
schädliche Umwelteinwirkungen<br />
nicht hervorgerufen werden kön-<br />
nen. Dies gilt auch für Unternehmen,<br />
die nicht den strengen Voraussetzungen<br />
eines Genehmigungs-<br />
oder Zulassungsverfahrens<br />
unterliegen. Daneben hat jedes<br />
Unternehmen natürlich noch<br />
weitere rechtliche Betriebspflichten,<br />
etwaaus dem Bereich des Gesundheits-<br />
und Arbeitsschutzes,<br />
zu berücksichtigen.<br />
Die Einhaltung der umweltrechtlichen<br />
Betriebspflichten<br />
wird nicht nur durch die direkte<br />
behördliche Kontrolle gewährleistet,<br />
sondern zudem durch strafund<br />
haftungsrechtliche Regelungen<br />
untermauert. Diese Regelungen<br />
führen bei Verstößen gegen<br />
umweltrechtliche Vorgaben zu erheblichen<br />
finanziellen, gegebenenfalls<br />
aber auch persönlichen<br />
Konsequenzen für den Unternehmer.<br />
Sie sind ein weiterer wichti-<br />
ger Grund, weshalb sich jedes Unternehmen<br />
und jeder Unternehmer<br />
eingehend mit seinen umweltrechtlichen<br />
Pflichten auseinandersetzen<br />
sollte.<br />
Haftung für<br />
Umweltschäden<br />
Eine wichtige Rolle kommt in diesem<br />
Zusammenhang dem bereits<br />
1991 inKraft getretenen Umwelthaftungsgesetz<br />
zu, mit dem eine<br />
verschuldensunabhängige Verursacherhaftung<br />
eingeführt wurde.<br />
Während sich dieses Gesetz auf<br />
reine Sach- und Personenschäden<br />
beschränkt, die durch betriebliche<br />
Umwelteinwirkungen entstanden<br />
sind, regelt das seit November<br />
2007 geltende Umweltschadensgesetz<br />
die Haftung für Schäden, die<br />
durch unternehmerische Tätigkeiten<br />
in und an der natürlichen Umwelt<br />
eintreten können. Ausdiesen<br />
haftungsrechtlichen Regelungen<br />
können sich im Schadensfall erhebliche,<br />
wenn nicht gar Existenz<br />
gefährdende wirtschaftliche Folgen<br />
ergeben.<br />
Strafrechtliche<br />
Konsequenzen<br />
Hinzu kommen Straftatbestände,<br />
die den gesetzlichen Verboten des<br />
Umweltrechts zusätzlichen Nachdruck<br />
verleihen. So sind „Straftaten<br />
gegen die Umwelt“ im Strafgesetzbuch<br />
ausdrücklich geregelt (§§<br />
324 ff. StGB); zudem finden sich in<br />
verschiedenen Umweltschutzgesetzen<br />
Bußgeldtatbestände. Verstößt<br />
ein Betriebsinhaber oder Unternehmer<br />
selbst gegen einen dieser<br />
Tatbestände,sobereitet es keine<br />
Probleme, ihm als Betreiber<br />
auch die straf- oder bußgeldrechtliche<br />
Verantwortung zuzuschreiben.<br />
Strafbar wegen eines Umweltdelikts<br />
kann sich außerdem derjenige<br />
machen, dem innerbetrieblich<br />
Betreiberpflichten im Rahmen<br />
der arbeitsteiligen Betriebsorganisation<br />
übertragen worden sind.<br />
Schließlich kann sich zum Beispiel<br />
der Beauftragte für Immissionsoder<br />
Gewässerschutz selbst dann<br />
strafbar machen, wenn er keine eigene<br />
Entscheidungsbefugnis hat,<br />
wie das Oberlandesgericht Frankfurt<br />
bereits 1987 entschied. Diese<br />
Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof<br />
in seiner jüngsten „Compliance-Entscheidung“<br />
vom 17.<br />
Juli 2009 im Kern bestätigt und auf<br />
den Compliance-Beauftragten ausgeweitet.<br />
Auch vordiesem Hintergrund<br />
ist ein betriebliches System,<br />
welches die Einhaltung des Umweltrechts<br />
gewährleistet, unabdingbar.<br />
Anforderungen<br />
an Produkte<br />
Wurden bislang insbesondere<br />
Produktionsprozesse hinsichtlich<br />
ihrer Umweltauswirkungen regu-<br />
liert, rückt seit einigen Jahren die<br />
Gestaltung von Produkten unter<br />
ökologischen Gesichtspunkten,<br />
kurz deren Ökodesign, in den<br />
Vordergrund umweltpolitischer<br />
Betrachtungen. Die Impulse hierzu<br />
gehen von der europäischen<br />
Ebene in Gestalt des Konzepts<br />
der Integrierten Produktpolitik<br />
(IPP) aus. InDeutschland wird<br />
dieses Konzept derzeit vor allem<br />
durch das Gesetz über die umweltgerechte<br />
Gestaltung energiebetriebener<br />
Produkte (EBPG)<br />
umgesetzt, das das Inverkehrbringen<br />
und die Inbetriebnahme<br />
energiebetriebener Produkte regelt.<br />
In Zukunft werden vermehrt<br />
neben die bereits bekannten Regelungen<br />
zur Produktsicherheit<br />
und Produktkennzeichnung umweltrechtliche<br />
Regelungen tre-<br />
ten, die sich direkt auf die Gestaltung<br />
der Produkte auswirken.<br />
Die besondereBrisanz dieser umweltrechtlichenProduktregelungen<br />
liegt unter anderem auch<br />
darin, dass das Wettbewerbsrecht<br />
die Möglichkeit zur Verfügung<br />
stellt, gegen Konkurrenten,<br />
deren Produkte gegen gesetzliche<br />
Ökodesign-Anforderungen<br />
verstoßen, wegen eines Wettbewerbsverstoßes<br />
vorzugehen;<br />
hierfür kommen vor allem Nr. 9<br />
des Anhangs zu §3Abs. 3UWG<br />
(Gesetz gegen den unlauteren<br />
Wettbewerb), §§ 3, 4Nr. 11 UWG,<br />
§§ 3, 5Abs. 1Nr. 1UWG und §§<br />
3, 5a Abs. 2,4UWG in Betracht.<br />
Dies birgt für Unternehmen nicht<br />
nur die Gefahr, dass sie den weiteren<br />
Vertrieb eines solchen Produktes<br />
unterlassen müssen, sondern<br />
auch, dass sie dem Gewinnabschöpfungsanspruch<br />
nach §10<br />
UWG ausgesetzt sind.<br />
Aktuelle Entwicklungen<br />
im Blick behalten<br />
Das europäische und deutsche<br />
Umweltrecht ist auch weiterhin<br />
ständig im Fluss, jedes Jahr werden<br />
Unternehmen und Unternehmer<br />
mit neuen oder geänderten<br />
Umweltanforderungen konfrontiert.<br />
Diese Entwicklungen muss<br />
jedes Unternehmen im Blick behalten,<br />
was ohne juristische<br />
und damit in der Regel anwaltliche<br />
Unterstützung<br />
kaum mehr möglich ist. So<br />
ist zum Beispiel am 11.Januar<br />
2010 die neue<br />
EMAS-Verordnung in<br />
Kraft getreten. Vonbesonderer<br />
Bedeutung ist<br />
für Unternehmen zudem<br />
die Novelle der<br />
Abfallnachweisverordnung.<br />
Das bislang<br />
freiwillige<br />
elektronische<br />
Abfallnachweisverfahren<br />
ist seit<br />
dem 31.<br />
März 2010<br />
für jedes Unternehmen<br />
Pflicht. Erwartet<br />
wird<br />
im laufenden<br />
Jahr außerdem<br />
eine Neufassung<br />
der EU-<br />
Richtlinie über Industrieemissionen,<br />
die strengere<br />
Emissionsgrenzwerte<br />
für und eine verstärkte<br />
Überwachung von Industrieanlagen<br />
mit sich<br />
bringen wird. Am 1. Dezember<br />
2010 läuft schließlich<br />
die Frist zur Registrierung von<br />
Chemikalien nach der EU-Chemikalienverordnung<br />
REACH aus.<br />
Alfred Stapelfeldt FOTO: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 32<br />
Schreibtische der <strong>Macher</strong><br />
THOMAS KÖHL<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
� Schreibtische: zwei Modelle,beide höhenverstellbar.<br />
An dem Tisch, auf dem der Computerbildschirm<br />
steht, sitzt Köhl meist. „Den anderen stelle ich<br />
manchmal so ein, dass ich im Stehen daran arbeiten<br />
kann“, sagt er. Der Wechsel zwischen Sitzen und<br />
Stehen sei schließlich gesund.<br />
�<br />
Stuhl: Modell Aureo, entwickelt vonder Firma Köhl.<br />
Drehsessel mit serienmäßiger Bandscheibenstütze<br />
und Mesh-Gewebe im Rücken. „Das wirkt thermoregulierend<br />
–imSommer kühlend, im Winter wärmend“,<br />
sagt Thomas Köhl. Der Clou: Die Rückseite<br />
des Sessels kann mit einem zur Büroeinrichtung passenden<br />
Foliendruck versehen werden, etwa inCarbon-,<br />
Aluminium- oder Wurzelholzoptik. „Der Renner<br />
ist derzeit die Carbon-Optik“, so Köhl.<br />
Person und Unternehmen<br />
1<br />
�<br />
Schreibtischunterlage: aus Leder,„schon seit Jahren<br />
im Betrieb“, sagt der Chef. Viele tolle Verträge seien<br />
darauf unterschrieben worden.<br />
�<br />
PC: eigentlich ein Notebook mit Dockingstation und<br />
großem Extra-Bildschirm. Für E-Mails und Internetrecherchen<br />
zwecks Marktanalyse. „Alles andere erledigt<br />
die Assistentin“, sagt Köhl.<br />
�<br />
7<br />
6<br />
Telefon: Köhl telefoniert gerne,denn: „Kommunikation<br />
ist wichtig“, betont er. Nummern sind nur wenige<br />
darin gespeichert, er pflegt seine Kontakte über<br />
eine spezielle Softwareauf seinem Notebook. Mitarbeiter<br />
haben die Durchwahl, enge Geschäftspartner<br />
auch.<br />
1<br />
3<br />
2<br />
�<br />
Tasse: mit „Köhl“-Logo, gleiche Modelle bekommen<br />
ab und an Kunden und Geschäftspartner geschenkt.<br />
„Steht für Gemütlichkeit.“ Sich zwischendrin mal<br />
Zeit für einen Kaffee oder Teezunehmen, lüfte den<br />
Kopf durch. Köhl trinkt bevorzugt Wasser,imWinter<br />
darf es aber auch mal Teesein. „Grüner und Kräutertee,<br />
die Sorten sind gesund.“<br />
�<br />
Sideboards: zwei Stück mit viel Platz für Ordner; mit<br />
ausklappbaren Ablagen für Pläne und ähnliche Unterlagen.<br />
�<br />
Weißes Gestell auf dem Schreibtisch: Tischkalender,<br />
der drei Monate pro Blatt zeigt. Werbegeschenk der<br />
Firma Köhl, geht auch an Kunden.<br />
Thomas Köhl (44), verheiratet,<br />
zwei Kinder (zwölf und 15). In seiner<br />
Freizeit geht er gerne mit seiner<br />
Familie Bergwandern. „Wir lieben<br />
die Natur.“ Am liebsten verbringt er<br />
die Zeit mit seiner Frauund seinen<br />
Kindern, gemeinsame Aktivitäten<br />
sind der Familie wichtig. Radfahren<br />
und im Garten arbeiten gehören<br />
ebenfalls zu Köhls Hobbys. „Und<br />
da ich meinem Beruf mit Leidenschaft<br />
nachgehe, bezeichne ich<br />
auch meine Arbeit als Hobby.“<br />
Köhl beschäftigt sich auch mit<br />
Pilgerreisen. „Derzeit noch in<br />
8<br />
9<br />
[Infobox]<br />
5<br />
4<br />
�<br />
Bild an der Wand links hinten: „Das Thema des<br />
Bildes ist Kommunikation.“ Es solle daran erinnern,<br />
dass alle Kollegen und Mitarbeiter die Richtung kennen,<br />
in die es gehen soll.<br />
�<br />
Urkunden rechts an der Wand: „Gebote für Führungskräfte“<br />
sowie eine Urkunde der IHK-Wirtschaftsjunioren,<br />
bei denen Köhl aktiv war.<br />
�<br />
Deutschland, aber den Jakobsweg<br />
nach Santiago de Compostella in<br />
Spanien möchte ich auch mal gehen“,<br />
sagt er.Köhls machen gerne<br />
in Deutschland Urlaub: „Wir erkunden<br />
das Land von der Ostsee<br />
bis zum Schwarzwald“, sagt Thomas<br />
Köhl und lacht. Aber auch Österreich,<br />
Spanien und Italien sind<br />
beliebte Ferienziele der Familie.<br />
Die Köhl GmbH<br />
10<br />
Die Firma Köhl aus Ober-Roden<br />
entwickelt, fertigt und vermarktet<br />
ergonomisch hochwertige Sitzmöbel.<br />
Gegründet wurde das Unternehmen<br />
1976 vonGünter und Inge<br />
11<br />
Stehlampe: Modell Waldmann, sorgt für indirekte<br />
Beleuchtung im gesamten Büro. Köhl bevorzugt warmes<br />
Licht. „Die Leuchte ist ein Highlight in Funktion<br />
und Design.“ sojo<br />
Köhl, den Eltern von Thomas<br />
Köhl, „in einer Garage in Ober-Roden“,<br />
wie der Junior sagt. Seit<br />
1979 sitzt das Unternehmen im Industriegebiet<br />
von Ober-Roden.<br />
Thomas Köhl ist seit 18 Jahren dabei.<br />
Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />
und einer<br />
vorherigen Ausbildung zum Großund<br />
Außenhandelskaufmann absolvierte<br />
Köhl Junior seine Assistenzzeit<br />
in der Möbelindustrie,bevor<br />
erinden elterlichen Betrieb<br />
zurückkehrte. Seit 1. Januar 1992<br />
ist er Geschäftsführer der Köhl<br />
GmbH. Die Firma setzt mit 70 Beschäftigten<br />
rund 18 Millionen Euro<br />
im Jahr um.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 33<br />
Life & Style<br />
The Tapas Wine Collection<br />
Bestehend aus:<br />
1Flasche 2004er Castillo de Clavijo Reserva Rioja,<br />
290 g Piementos del Piquillo,<br />
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Seite 34 +35<br />
Offen und zentral<br />
Das Ramada Hotel in Darmstadt<br />
fällt vonaußen durch<br />
seine abgerundete Fassade<br />
auf –hat aber auch eine<br />
Reihe innerer Qualitäten.<br />
Seiten 36 +37<br />
Wasträgt manwann<br />
Gut und vor allem dem Anlass<br />
angemessen angezogen<br />
zu sein, ist im heutigen Geschäftsleben<br />
so wichtig wie<br />
fachliche Kompetenz.<br />
Seite 39<br />
Voll im Bild<br />
Gedächtnistrainer Oliver<br />
Geisselhart zeigt Managern<br />
und Verkäufern, wie man<br />
sich Namen und Argumente<br />
am besten einprägt.<br />
Seite 40<br />
Frikadellen und mehr<br />
Auch die Kultur schnauft mal<br />
durch. Das ist die Zeit, die<br />
neuen Spielpläne zu inszenieren.<br />
Ein spezielles Ritual,<br />
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Aromen von tropischen Früchten, vornehmlich Limette,<br />
Passionsfrucht und Grapefruit.<br />
Farbe: helles Gelb mit grünlichen Reflexen;<br />
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Geschmack: erfrischend herzhaft am Gaumen,<br />
Aromen im Duft bestätigen sich auch am Gaumen,<br />
intensiv und anhaltend.<br />
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Seite 38<br />
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ist Sommelière imRestaurant<br />
„Zur Krone“ in Höchst-Hetschbach.<br />
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Brunello di Montalcino,<br />
2003, Caparzo, Toscana (Italien)<br />
Der große, weltweit gerühmte Klassiker,<br />
Brunello di Montalcino, der erste italienische Wein,<br />
der die Anerkennung der Ursprungsbezeichnung DOCG<br />
erhalten hat, wird nach einer Ruhezeit von zwei Jahren<br />
in mittelgroßen Fässern aus slowenischem Holz in Flaschen<br />
abgefüllt und weiter ausgebaut. So bringt dieser Wein<br />
seine elegantesten Eigenschaften zum Ausdruck.<br />
*Die Zustellung beginnt mit der nächsten Ausgabe, Ihre Auftragsbestätigung erhalten Sie mit separater Post.<br />
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 34<br />
Tagungshotels<br />
RAMADA HOTEL DARMSTADT<br />
DasHotel am Wegesrand<br />
Ramada Darmstadt – Offen, zentral gelegen und<br />
unkompliziert ist das Haus,das Geschäftskunden<br />
und Privatgäste gleichermaßen anzieht<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Am liebsten ist Gabriele<br />
Seidel (39) mittendrin.<br />
Wenn vormittags im Ramada<br />
Hotel in Darmstadt so richtig<br />
viel los ist, genießt die Hoteldirektorin<br />
das geschäftige Treiben<br />
im kleinen Foyer. Dann zieht es sie<br />
zum Herzstück, dem Empfangsschalter,wosie<br />
sich zwischen Tagungsräumen,<br />
Restaurant und<br />
Sitzgruppen immer wieder gerne<br />
selbst um kleine und große Wünsche<br />
der Gäste kümmert. „Ich liebe<br />
dieses internationale Flair und<br />
das Herumgewusel. Das fand ich<br />
schon als Kind toll, wenn ich mit<br />
meinen Eltern am Flughafen<br />
war“, sagt die gebürtige Südafrikanerin.<br />
Selbst freitagabends,<br />
wenn es im Hotel ruhiger zugehe<br />
und sich Seidel in ihreE-Mail-Flut<br />
stürzt, lässt sie die Türihres Büros<br />
direkt neben dem Empfang geöffnet.<br />
„Ich brauche die Geräuschkulisse,<br />
das ist mein kleiner persönlicher<br />
Bahnhof.“<br />
Das Reisefieber habe Gabriele<br />
Seidel vonihren Eltern geerbt. Den<br />
Traum, einmal ein Hotel zu leiten,<br />
nicht. „Ich wollte nie etwas anderesmachen<br />
und nach einem Praktikum<br />
wurde der Wunsch nur noch<br />
stärker“, sagt die quirlige Frau.<br />
Zwei Häuser hat sie bereits in Düsseldorf<br />
geleitet, mit dem Ramada<br />
Hotel in der Eschollbrücker Straße<br />
in Darmstadt habe sie vorwenigen<br />
Wochen einen Traumjob ergattert,<br />
sagt Seidel. „Das Haus ist nicht zu<br />
groß und nicht zu klein und vor<br />
allem kein unpersönlicher Klotz.<br />
Es hat Charme, ein junges Team<br />
und ein herzliches Klima. Es ist<br />
eben nicht so steif.“<br />
Die vonHoteldirektoren häufig<br />
beklagte Hemmschwelle,ein Hotel<br />
zu betreten, auch wenn man dort<br />
nicht übernachten möchte, ist im<br />
Ramada gering. Das Haus mit der<br />
auffälligen abgerundeten Fassade<br />
in der Eschollbrücker Straße hält,<br />
wassein Name verspricht. „Ramada“<br />
ist mexikanisch und heißt so<br />
viel wie „schattiger Rastplatz am<br />
Rande des Weges“.<br />
Kurze Wege<br />
in die City<br />
In Darmstadt liegt das Ramada<br />
mitten in einem Wohngebiet nahe<br />
der Darmstädter City und ist zu<br />
mehreren Seiten hin offen. Der<br />
Biergarten des Hotels grenzt direkt<br />
an den Gehweg, der Übergang<br />
zum hoteleigenen Restaurant<br />
„Papaver“ mit internationaler<br />
Küche ist fließend. Das sei ein<br />
Grund, warum sich neben Tagungsgästen,<br />
die laut Seidel etwa<br />
60 Prozent der Buchungen ausmachen,<br />
auch immer viele Einheimische<br />
in Restaurant und Biergarten<br />
bewirten lassen. „Die Lage des<br />
Hauses ist optimal, einige Gäste<br />
sind Geschäftsleute, die nach Feierabend<br />
hier vorbeikommen.<br />
Oder Pärchen, die am Wochenende<br />
zum Essen kommen. Auch Familienfeiern<br />
haben wir ganz oft“,<br />
sagt Seidel. Das Restaurant sticht<br />
mit seiner Einrichtung heraus.<br />
Erst vor wenigen Monaten<br />
wurde es re-<br />
Steckbrief<br />
noviert, die Einrichtung aus Holz<br />
und Leder wirkt modern und aufgeräumt,<br />
zahlreiche Spiegel und<br />
große Bilder geben dem Raum<br />
Weite. Und überall trifft man auf<br />
„Papaver“. Die Mohnblume, die<br />
dem Restaurant seinen Namen<br />
gab, prangt auf Bildern und steht<br />
als Deko-Arrangement auf den<br />
Regalen.<br />
Während sich Tagungsgäste<br />
zur Mittagszeit am reichhaltigen<br />
Büfett bedienen, läuft im Hinter-<br />
Hoteldirektorin<br />
Gabriele Seidel<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
Kontakt Aufeinen Blick<br />
Ramada Hotel Darmstadt Ramada Hotel Darmstadt<br />
Eschollbrücker Straße 16 Eröffnung:1995<br />
64295 Darmstadt Hoteldirektorin: Gabriele Seidel<br />
Telefon 061513850 Zimmer: 166<br />
Fax 06151 385100 Tagungsräume: 5<br />
E-Mail: darmstadt@ramada.de Preise: Doppelzimmer ab 80 Euro,<br />
Internet: www.ramada.de Miete Tagungsraum ab 240 Europro Tag<br />
Über Ramada: Die Hotelkette Ramada wurde 1954 in Arizona gegründet<br />
und gehörtheute mit zahlreichen anderen Hotelketten zur amerikanischen<br />
HotelgesellschaftWyndham Worldwide, die weltweit insgesamt<br />
rund 6500 Hotels unterschiedlicher Kategorien<br />
mit über einer halben Million Zimmer anbietet. Vermarktungsgesellschaftder<br />
Ramada-, Treff-, und<br />
Encore-Hotels in Deutschland, Österreich und<br />
der Schweiz ist die Hospitality Alliance AG<br />
mit Sitz in Bad Arolsen.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 35<br />
grund leise Popmusik. Gabriele<br />
Seidel nippt an ihrer heißen Schokolade<br />
und wirkt zufrieden. Für<br />
sie ist das Ramada seit Wochen<br />
Arbeitsplatz und Wohnzimmer<br />
zugleich. Denn derzeit bereitet sie<br />
den Umzug aus Düsseldorf nach<br />
Darmstadt vor. Noch wohnen dort<br />
Partner und Cockerspaniel „Charlie“,<br />
beide werden demnächst<br />
nachkommen. „Ich weiß ganz gut<br />
wie es ist, wenn man oft in Hotels<br />
übernachtet“, sagt die gelernte<br />
Hotelfachfrau. Daher lege sie großen<br />
Wert auf eine Wohnzimmeratmosphäre.<br />
„UnsereGäste sollen<br />
sich hier wohlfühlen, auch wenn<br />
sie hier tagen“.Luxus,aber unverkrampft,<br />
das sei die Devise des<br />
Hauses in der Kategorie drei Sterne<br />
plus.Übernachtungsgäste können<br />
zwischen zwei Kategorien<br />
wählen. Die 166 Zimmer des fünfstöckigen<br />
Hauses sind unterteilt<br />
in Raucher- und Nichtraucherzimmer.<br />
Esgibt außerdem Doppelzimmer<br />
in der Klasse Standard<br />
(90 Euro) und Deluxe (100Euro),<br />
Einzelzimmer (90 Euro) und Junior-Suiten<br />
mit bis zu 41 Quadratmeter<br />
Größe. Alle Zimmer sind<br />
großzügig geschnitten<br />
und<br />
verfügen über<br />
W-Lan, haben<br />
ein großes Bad,<br />
zum Teil mit<br />
Tageslicht und<br />
Badewanne,<br />
Einbauschränke<br />
und mehrere<br />
Sitz- und Ablagemöglichkeiten.<br />
Das<br />
und die Schallschutzfenster<br />
entschädigen<br />
allemal, dass<br />
die elegante,<br />
aber in die Jahre<br />
gekommene<br />
Einrichtung an<br />
Surftipp<br />
einigen Stellen<br />
deutliche Ge-<br />
vonGabriele Seidel<br />
brauchsspuren<br />
zeigt. Nach<br />
www.kapstadt.de<br />
und nach sollen<br />
demnächst<br />
die Zimmer renoviertwerden,<br />
wünscht<br />
sich Seidel.<br />
Doch an Flachbildfernseher<br />
mit PC-Funktion<br />
sei derzeit<br />
noch nicht zu<br />
denken. Ganz<br />
entzückend ist das runde Turmzimmer<br />
im obersten Stockwerk.<br />
Über eine Wendeltreppe gelangt<br />
der Gast in das höchste Zimmer<br />
des Hauses, das einer Person viel<br />
Platz und viele Fenster bietet. 90<br />
Euro kostet eine Übernachtung<br />
mit Blick über die Dächer von<br />
Darmstadt. Für Frühstück muss<br />
der Gast jeweils 13 Eurozuzüglich<br />
zahlen.<br />
Fünf klimatisierte<br />
Tagungsräume<br />
Und Tagungsgäste? Sie lernen im<br />
Ramada in Darmstadt in eher kleineren<br />
Dimensionen. Es sei denn,<br />
man legt die drei Räume „Zwingenberg“,<br />
„Lorsch“ und „Heppenheim“<br />
zusammen, dann haben etwa<br />
150Personen auf 160 Quadratmetern<br />
Platz. Fünf klimatisierte<br />
Tagungsräume zwischen 45 und<br />
70 Quadratmeter Größe gibt es im<br />
Erdgeschoss. Die Grundausstattung<br />
ist umfangreich, im Baukastensystem<br />
können weitere Ausstattungen<br />
wie Beamer, Moderatorenkoffer,<br />
CD-Player, sowie<br />
Snack-Varianten dazu gebucht<br />
werden. Die Tagungsräume sind<br />
begehrt und auch ein komplett<br />
ausgebuchtes Hotel sei keine Seltenheit<br />
im Ramada, sagt Gabriele<br />
Seidel. „Aber es geht immer noch<br />
besser“, sagt sie.ImGegensatz zu<br />
vielen anderen Tagungshotels will<br />
Seidel auch den privaten Gast gewinnen.<br />
Auffällig sind die zahlreichen<br />
Abbildungen von Sehenswürdigkeiten<br />
in Darmstadt in Broschüren<br />
und auf der Homepage<br />
der Hotelkette.Vor allem Ausflüge<br />
und Events zu den Themen Jugendstil<br />
und Wissenschaft bietet<br />
Ramada an. „Hier kommt uns<br />
wieder die zentrale Lage des Hauses<br />
entgegen“, sagt Seidel. Denn<br />
wenn Geschäftsleute zum Tagen<br />
ins Ramada kommen, seien sie ja<br />
schon so gut wie in der City und<br />
bekommen einiges von Darmstadt<br />
mit. Seidel will dafür sorgen,<br />
dass sie Lust auf mehr bekommen<br />
und eventuell beim nächsten Mal<br />
als privater Gast kommen, um<br />
sich Darmstadt und die Umgebung<br />
anzuschauen.<br />
Die Frage nach einem Traumgast<br />
ist bei Gabriele Seidel ernüchternd.<br />
Denn in ihren Lehrjahren<br />
im Atlantic-Hotel in Hamburg<br />
hat sie am Empfang Prominente<br />
begrüßt, vondenen andere<br />
nur träumen: „Take That“ (damals<br />
noch mit Robbie Williams),<br />
Michael Jackson, Thomas Gottschalk<br />
–die Liste ließe sich noch<br />
weiter füllen. „Da bin ich verwöhnt,<br />
aber es ist auch sehr anstrengend<br />
mit Stars imHotel. Eine<br />
sinnvolle Erfahrung war essicher,<br />
aber danach suche ich<br />
nicht“, sagt Seidel.<br />
In ihrem Hotel sind es zehn<br />
Auszubildende,die Hotelfach und<br />
Koch lernen. Die Chance, anschließend<br />
übernommen zu werden<br />
sei groß. Insgesamt führt die<br />
Hotelgruppe weltweit 900 Häuser,<br />
rund 70 davoninDeutschland, in<br />
der Schweiz und in Österreich.<br />
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FOTOS: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 36<br />
Business-Knigge<br />
Business:<br />
Fast perfekt,<br />
wäredanicht<br />
die fehlende<br />
Weste beim<br />
Herrn.<br />
DIESMAL: DRESS-CODE<br />
„Kleider machen Leute“<br />
VON DIRK JANOWITZ<br />
Umgangsformen – Gut angezogen zu sein ist für erfolgreiche<br />
Geschäftsverhandlungen ebenso wichtig wie fachliche Kompetenz<br />
Business-Outfits sehen<br />
längst nicht überall gleich<br />
aus. Was in Deutschland<br />
angesagt ist, kann in England,<br />
Frankreich, Japan, Dubai oder im<br />
Iran gar nicht gut ankommen. Die<br />
Kleidung ist auch von der Kultur<br />
abhängig. Unterschiede werden<br />
jedoch oft übersehen –sie liegen<br />
im Detail. Manager, die auf diese<br />
Kleinigkeiten nicht achten, können<br />
bei Geschäftsverhandlungen<br />
schnell negativ auffallen, ihreGesprächspartner<br />
beleidigen oder einen<br />
guten Deal riskieren. Denn<br />
gut angezogen zu sein, ist für einen<br />
erfolgreichen Abschluss<br />
ebenso wichtig wie fachliche<br />
Kompetenz.<br />
Das Sprichwort „Kleider machen<br />
Leute“ nach der gleichnamigen<br />
Novelle des Schweizer<br />
DichtersGottfried Keller,die erstmals<br />
1874 erschienen ist, hat sich<br />
bis heute bewahrheitet. Das bestätigt<br />
auch Stefan Aulbach (44),<br />
Geschäftsführer der Otto Aulbach<br />
GmbH in Miltenberg am<br />
Main, die in Lizenz für Daniel<br />
Hechter und Karl Lagerfeld produziert<br />
und die Marken europaweit<br />
vertreibt. „Korrekte Kleidung<br />
ist das Aund Obei jeder<br />
Verhandlung. Sie trägt maßgeb-<br />
lich dazu bei, wie der Manager<br />
auf sein Gegenüber wirkt und<br />
kann somit indirekt den Gesprächsverlauf<br />
beeinflussen“, ist<br />
sich der 44-jährige sicher: „Dem<br />
Anlass angepasste Kleidung unterstreicht<br />
die Glaubwürdigkeit<br />
und Ernsthaftigkeit des Trägers.“<br />
Daran hat sich im Vergleich zu<br />
früher nicht viel geändert. Schon<br />
im Altertum gab es Kleiderordnungen<br />
entsprechend dem sozialen<br />
Status. Karl der Große erließ im<br />
Jahr 808 ein „Aufwandgesetz“, das<br />
vorschrieb,wie viel jeder Stand für<br />
seine Kleidung ausgeben durfte.In<br />
Speyer und Straßburg wurde den<br />
Frauen 1356 lang herabfallendes<br />
und offen getragenes Haar verboten.<br />
Im Krieg der Bauern vonLangensalza<br />
forderten diese 1524 vergebens,<br />
die rote Schaube (mantelartiger<br />
Überrock in der männlichen<br />
Tracht des 16. Jahrhunderts)<br />
der Oberschicht tragen zu dürfen.<br />
1530 beschloss der Augsburger<br />
Reichstag eine umfassende Neuregelung<br />
der Standestrachten, die<br />
1548 erneuert wurde. Durch die<br />
Ideen der Aufklärung gerieten diese<br />
Standesvorschriften zunehmend<br />
ins Wanken, und die Französische<br />
Revolution erschütterte sie<br />
vollends.<br />
Heute ist die Kleiderordnung<br />
natürlich nicht mehr per Gesetz<br />
Die wichtigsten Dress-Codes für Männer und Frauen<br />
Business (hochoffiziell)<br />
Anlässe: tägliches Business in hohen<br />
Führungsebenen.<br />
Korrektes Erscheinen/Männer: Erwartet<br />
wird ein dreiteiliger dunkler<br />
Anzug mit Weste, Hemd, Krawatte<br />
und glatten Lederschuhen. Fauxpas:<br />
helle Anzüge, Rollkragenpullover,<br />
keine Krawatte,Button-down-Hemd.<br />
Frauen: Erwartet werden Kostüm<br />
oder Hosenanzug in gedeckten Far-<br />
[Infobox]<br />
ben mit einfarbiger Bluse oder T-<br />
Shirt. Fauxpas: Enge Kleidung, Stiefel<br />
zum Kostüm, peppige Farben<br />
oder strumpflose Beine.<br />
Day Informal<br />
Anlässe: Geschäftsreise, Business-<br />
Tag, der außerhalb der eigenen Geschäftsräume<br />
und/oder mit externen<br />
Geschäftspartnern verbracht wird.<br />
Korrektes Erscheinen/Männer: Er-<br />
Dayinformal:<br />
Alles richtig.<br />
Vanessa Vester<br />
und Michael<br />
Schneider entsprechen<br />
den<br />
Erwartungen<br />
ihrer Geschäftspartner.<br />
Come as youare:<br />
Recht leger, aber in Ordnung.<br />
Die Krawatte des Herrnweicht<br />
einem farblich zu Hemd und<br />
Kombination passenden<br />
Schal, die Dame trägt ein<br />
adrettes Kostüm.<br />
wartet wird ein dunkler Anzug mit<br />
Hemd, Krawatte und schlichten<br />
Schuhen. Fauxpas: Jeans oder andere<br />
Freizeitkleidung.<br />
Frauen: Erwartet werden Hosenanzug,<br />
Kombination oder Kostüm.<br />
Fauxpas: Jeans oder andereFreizeitkleidung.<br />
Business casual<br />
Anlässe: Brunch, Sightseeing während<br />
einer Geschäftsreise, internes<br />
Meeting außerhalb des Büros.<br />
Korrektes Erscheinen/Männer: Er-<br />
oder Erlass festgeschrieben, aber<br />
gewisse Regeln aufgrund weichererFaktoren<br />
(völkerrechtlicher Abkommen<br />
und Übereinstimmungen)<br />
gelten immer noch. Diese<br />
werden mit dem englischen Begriff<br />
Dress-Code beschrieben. Aber<br />
auch dabei hat es in den vergangenen<br />
Jahren einige „Lockerungen“<br />
gegeben. So muss der Anzug nicht<br />
mehr maßgeschneidert sein. „Aufgrund<br />
der Vielzahl der Konfektionsgrößen<br />
ist es relativ leicht, ein<br />
perfekt sitzendes Outfit für nahezu<br />
jeden zu finden“, sagt Stefan Aulbach,<br />
der für die Herrenbekleidung<br />
zuständig ist.<br />
Schwarz, anthrazit<br />
oder marineblau<br />
Manager sind im klassischen Anzug<br />
in den Farben schwarz, anthrazit<br />
oder marineblau bei Geschäftsbesprechungen<br />
immer gut<br />
angezogen. Dezente Musterung<br />
sowie Streifen oder Karos sind<br />
ebenfalls möglich. Das Hemd sollte<br />
weiß oder blau sein. Auch mit<br />
den aktuellen Modefarben flieder,<br />
purple und bordeauxrot können<br />
die Geschäftsleute nichts falsch<br />
machen, so der Experte.Die Weste,<br />
bei Top-Managern ein Muss,<br />
sollte keinen Kontrast zum Anzug<br />
bieten. Aufden Oberstoff farblich<br />
abgestimmte Socken und geschlossene<br />
Schuhe runden das<br />
Gesamtbild ab. Perfekt abgestimmt<br />
wird das Outfit durch den<br />
Gürtel, der farblich zu den Schuhen<br />
und zur Armbanduhr passt.<br />
„Unmöglich sind dagegen schrille<br />
Farben, weiße Socken, Motiv-Krawatten<br />
und bedruckte Hemden“,<br />
weiß Stefan Aulbach.<br />
wartet wird ein stilvoller Freizeit-<br />
Look, Polohemden, farbige Oberhemden<br />
und feine Strickpullover,<br />
kombiniert mit Baumwoll- oder<br />
Cordhosen. Fauxpas: Jeans, Shorts,<br />
Sportswear und offene Schuhe.<br />
Frauen: Kombinationen aus Stoffhose<br />
und Bluse und flache Schuhe (keine<br />
Turnschuhe) sind möglich. Fauxpas:<br />
Jeans, Shorts und Sportswear.<br />
Come as you are<br />
Anlässe: Geschäftsessen oder Drink<br />
nach Feierabend.<br />
Miltenberger<br />
Otto Aulbach GmbH<br />
Frühlingstraße 17,63897 Miltenberg/Main<br />
Geschäftsführer: Stefan Aulbach<br />
Telefon 093714000-0, Fax09371 80667<br />
E-Mail: stefan.aulbach@<br />
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Philipp Aulbach<br />
Telefon 093714000-0,<br />
Fax09371 4000-179<br />
E-Mail: philipp.aulbach@<br />
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Die Frauen haben im Gegensatz<br />
zu ihren männlichen Kollegen<br />
bei der Wahl ihrer Kleidung<br />
mehr Möglichkeiten“, erklärt<br />
Philipp Aulbach (36), ebenfalls<br />
Geschäftsführer der Miltenberger<br />
Otto Aulbach GmbH und verantwortlich<br />
für die Damenbekleidung.<br />
„Die meisten Top-Managerinnen<br />
bevorzugen den klassischen<br />
Hosenanzug (schwarz, anthrazit,<br />
marineblau). „Bei Röcken<br />
und Blusen sind aktuelle Modefarben<br />
wie lila und Grün-Töne erlaubt“,<br />
so der 36-jährige.Der Blazer<br />
kann auch durch ein Stricktop<br />
ersetzt werden. Die Schuhe sollten<br />
sich farblich unauffällig der<br />
Kleidung anpassen. Beim Absatz<br />
gilt: Je klassischer das Outfit, desto<br />
mehr darf er wachsen.<br />
Im Zuge der fortschreitenden<br />
Globalisierung hat sich der Dress-<br />
Code mehr und mehr vereinheitlicht.<br />
Einige Unterschiede gibt es<br />
aber dennoch: So ist die Krawatte<br />
Total<br />
daneben:<br />
Die Jeans des<br />
Herrn entspricht<br />
keinem Dress-<br />
Code.<br />
Der Dame<br />
hätten eine<br />
Kombination<br />
aus Hose und<br />
Bluse mit flacherenSchuhenbesser<br />
gestanden.<br />
FOTOS: ALEXANDER<br />
HEIMANN<br />
Korrektes Erscheinen: Dieser Dresscode<br />
meint tatsächlich das, wonach<br />
er klingt: Ein Kleiderwechsel (nach<br />
Büroschluss) ist nicht erforderlich.<br />
Männer lassen ihren Anzug an und<br />
ziehen die Krawatte aus. Erwartet<br />
wird ein korrekter (Business-)Look,<br />
Hemd und Flanellhose sind die Basics.Fauxpas:<br />
Jeans und Freizeitkleidung.<br />
Bei Frauen wird ein Hosenanzug,<br />
Kostüm oder gepflegter Freizeitschick<br />
erwartet. Fauxpas: Jeans und<br />
Freizeitkleidung.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 37<br />
In dieser Rubrik des WirtschaftsECHO<br />
werden regelmäßig außergewöhnliche<br />
Weine vorgestellt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Guten Tag, Herr<br />
Eisele.Haben Sie IhreTickets für Südafrika<br />
zur Fußballweltmeisterschaft schon<br />
gebucht?<br />
KARL EISELE: Nein, habe ich nicht. Ich<br />
investiere mein Geld viel lieber in gute<br />
südafrikanische Weine.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ich dachte mir<br />
schon, dass Sie auf das Thema zu sprechen<br />
kommen.<br />
EISELE: Und das mit Recht. Denn aus<br />
Südafrika kommen sehr angenehme<br />
Weine.<br />
Im Glas<br />
nicht überall ein Muss.Ineinigen<br />
muslimischen Ländern, zum Beispiel<br />
im Iran, ist die Krawatte ein<br />
absolutes Tabu. Sie wird dort als<br />
ein christliches Symbol angesehen,<br />
welches auf die Kreuzritter<br />
zurückgeführt wird. In Japan dagegen<br />
ist die Krawatte ein unverzichtbares<br />
Detail. Sie ist das Symbol<br />
für einen Kaufmann. „Wer keine<br />
Krawatte trägt, ist in den Augen<br />
vieler Asiaten auch kein Kaufmann<br />
und wird nicht ernst genommen“,<br />
weiß Philipp Aulbach.<br />
Das Krawattenmuster bietet<br />
Fettnäpfchenpotenzial für Manager,<br />
die in Großbritannien geschäftlich<br />
unterwegs sind. „Strei-<br />
fen in bestimmten Farbkombinationen<br />
sind in England oft Symbol<br />
für eine Internats-, Club- oder<br />
auch Militärzugehörigkeit“, ergänzt<br />
Stefan Aulbach. Um Verwechslungen<br />
zu vermeiden, sollten<br />
die Deutschen daher lieber<br />
Krawatten wählen, die uni sind<br />
oder ein Repetiermuster haben.<br />
Konservativ geht es bei<br />
Frauen in den USAzu<br />
Konservativ zeigt sich der Business<br />
Dress-Code in den USA vor<br />
allem für Frauen. „Generell müssen<br />
Röcke mindestens die Knie<br />
bedecken“, sagt Philipp Aulbach.<br />
Auf ein Glas …<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ich vermute mal,<br />
dass der Weinbau in Südafrika auch ein<br />
wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.<br />
EISELE: Durchaus. Aber international<br />
namhaft bekannt als Weinbaunation ist<br />
Südafrikaerstseit etwa20Jahren.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Bei Südafrika<br />
denke ich vor allem an viel Sonne und<br />
folgeredaraus,das Land ist eine Rotweinregion.<br />
EISELE: Falsch gefolgert, denn es wird<br />
knapp mehr Weißwein dort angebaut.<br />
Aber Rotwein gewinnt immer mehr an<br />
Bedeutung.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Also trinken wir<br />
zunächst mal einen Weißen?<br />
EISELE: So ist es. Ich habe hier einen<br />
Sauvignon Blanc von Capaia Wines, der<br />
90 Parker Punkte hat.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Dann reden wir<br />
hier voneinem Premiumprodukt. Ich rieche<br />
zwar das typisch aromatische Bouquet<br />
eines Sauvignon Blanc, schmecke<br />
aber durchaus eine ungewöhnliche Säure<br />
heraus.<br />
EISELE: Stimmt. Das ist nämlich ein charaktervoller<br />
Wein eines jungen, aufstrebenden<br />
Weinguts, das nicht unbedingt<br />
auf den Massengeschmack für Discountmärkte<br />
ausgerichtet ist.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Zu Spargel würde<br />
ich diesen Tropfen nicht unbedingt nehmen.<br />
EISELE: Da liegen Sie richtig. Dieser Sauvignon<br />
Blanc harmoniert sehr gut mit<br />
Schwertfisch vom Grill, dazu kräftiges<br />
und bissfest gegartes Gemüse.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ist der Sauvignon<br />
die häufigste weiße Rebsorte in Südafrika?<br />
Darüber hinaus sind gepflegte<br />
Beine und Nylonstrümpfe bei jeder<br />
Temperatur Pflicht. In Osteuropa<br />
herrscht eine etwas lockere<br />
Kleiderordnung. Dort dürfen Managerinnen<br />
schon mal ein bisschen<br />
Bein zeigen. Ähnlich ist es in<br />
Südeuropa. „In Italien und Frankreich<br />
können sich die Frauen viel<br />
weiblicher geben und die Kleider<br />
sind figurbetonter“, stellt der 36jährige<br />
fest.<br />
Im Süden haben auch die Männer<br />
bei der Wahl ihrer Kleidung<br />
ein paar Freiheiten mehr. Sosind<br />
in Italien oder Spanien braune Anzüge<br />
erlaubt. In Großbritannien<br />
trägt das keiner.Auch sind in eng-<br />
MIT KARL EISELE, WEINFACHMANN AUS DARMSTADT<br />
Weißwein:<br />
Sauvignon Blanc 2008,<br />
Blue GroveHill, Capaia Wines,<br />
Philadelphia, Südafrika,<br />
13 %Volumen Alkoholgehalt<br />
Preis: 10,90 Euro brutto<br />
Trinkbar: bis 2012<br />
Rotwein:<br />
Pinotage 2003, Paradyshoof,<br />
Stellenbosch, Südafrika,<br />
13,5 %Volumen Alkoholgehalt<br />
Preis: 12,90 Euro brutto<br />
Trinkbar: bis 2015<br />
Kallista (Cuvee) 2003,<br />
Vriesenhof,<br />
Stellenbosch,<br />
Südafrika,<br />
14 %Volumen<br />
Alkoholgehalt<br />
Preis: 19,80 Euro brutto<br />
Trinkbar: bis 2025<br />
EISELE: Nein, zwar im Anbau steigend.<br />
Aber Chenin Blanc und Colombard werden<br />
sehr häufig angepflanzt. Sultana und<br />
Chardonnay sind ebenfalls beim Anbau<br />
noch erwähnenswert.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Und beim Rotwein?<br />
EISELE: Beim Rotwein dominiert ganz<br />
klar der Cabernet Sauvignon. Eine gewisse<br />
Bedeutung haben außerdem Shiraz,<br />
Pinotage und Merlot.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Was geben Sie<br />
denn an südafrikanischen Rotweinen ins<br />
Glas?<br />
EISELE: Ich habe einen Pinotage von<br />
2003 vonParadyshoof, Vriesenhof in Stellenbosch.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ich tippe auf Barrique-Ausbau.<br />
Und wenn Sie vorher gesagt<br />
hätten, wir trinken einen Burgunder,<br />
hätte ich Ihnen das auch geglaubt.<br />
EISELE: Ach, da sind Sie gar nicht verkehrt.<br />
Tatsächlich wird der Wein 15 Monate<br />
in Eichenfässern ausgebaut, allerdings<br />
bewusst nicht in neuen. Dass die<br />
Vinifikation eine französische Note hat,<br />
liegt am Eigentümer vomVriesenhof ...<br />
WIRTSCHAFTSECHO: ...einem Franzosen<br />
...<br />
EISELE: ...nein, Eigentümer ist das<br />
frühere südafrikanische Rugbyidol Jan<br />
Coetzee, der lange in Frankreich geforscht<br />
hat, bevor erinSüdafrika inden<br />
Weinbau einstieg.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Was sollte man<br />
zu dem Pinotage essen?<br />
EISELE: Wie Sie ja gemerkt haben, ist das<br />
ein kraftvoller Wein, der nicht mit Shiraz<br />
auf weich getrimmt ist. Ich empfehle<br />
dazu eine geschmorte Lammkeule,<br />
Philipp und<br />
Stefan Aulbach<br />
(von links).<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN<br />
lischsprachigen Ländern braune<br />
Schuhe zu einem dunkelblauen<br />
Anzug absolut verpönt, obwohl<br />
sie modisch passen.<br />
„Oft sind es gerade Kleinigkeiten,<br />
die darüber entscheiden, ob<br />
der Manager korrekt gekleidet ist<br />
oder nicht“, bemerkt Stefan Aulbach.<br />
So liegen das „Do“ und das<br />
„Don’t“ beim Jackett nur einen<br />
Knopf weit auseinander.<br />
„Hat die Anzug-Jacke zwei<br />
Knöpfe, sosollte nur der obere<br />
geschlossen sein. Bei dreien<br />
macht der Träger nichts falsch,<br />
wenn nur der mittlere oder der<br />
mittlere und obere Knopf zu<br />
sind“, erklärt der Fachmann. Ein<br />
zu der es dann auch ruhig eine kräftige<br />
Soße geben darf, mit Kartoffelgratin und<br />
Speckbohnen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Lassen Sie mich<br />
raten, Herr Eisele. Sie haben doch bestimmt<br />
noch ein besonderes Tröpfchen<br />
auf Lager. Vielleicht als Begleiter<br />
fürs Endspiel, sofern die<br />
Deutsche Fußballnationalmannschaft<br />
das erreicht?<br />
EISELE: Natürlich, nämlich Eiseles<br />
Liebling.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Was ist<br />
das denn?<br />
EISELE: Auch ein Roter, ebenfalls<br />
von Coetzees Vriesenhof,<br />
ein Wein namens Kallista, ebenfalls<br />
Jahrgang 2003, allerdings<br />
24 Monate im Holz gereift.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Nach dem<br />
ersten Riechen und dem ersten<br />
Schluck finde ich: Bordeaux.<br />
EISELE: Stimmt. Da merkt man wieder<br />
Coetzees Vorliebe für Frankreich.<br />
Und der Kallista kommt<br />
mit seinem Cuvee aus<br />
Cabernet Sauvignon,<br />
Cabernet Franc und<br />
Merlot tatsächlich<br />
wie ein traditioneller<br />
Grand<br />
Cru-Bordeaux<br />
daher.<br />
Das Gespräch<br />
führte<br />
JörgRiebartsch<br />
Sprichwort hat sich bewährt<br />
Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“<br />
gehört zu den bekanntesten Erzählungen der<br />
deutschsprachigen Literatur. Sie diente als Vorlage<br />
für Filme und Opern und gilt als Musterbeispiel für<br />
die Stilrichtung des poetischen Realismus. Die Geschichte<br />
handelt von dem Schneidergesellen Strapinski,<br />
der sich trotz Armut gut kleidet. Er gelangt<br />
in eine fremde Stadt und wird dort wegen seines<br />
Äußeren für einen polnischen Grafen gehalten.<br />
Nachdem er aus Schüchternheit versäumt hat, die<br />
Verwechslung aufzuklären, versucht er zu fliehen.<br />
Doch da betritt eine junge Dame, Tochter eines<br />
angesehenen Bürgers, den Schauplatz. Die beiden<br />
verlieben sich, worauf der Schneider die ihm aufgedrängte<br />
Grafenrolle weiterspielt. Ein verschmähter<br />
Nebenbuhler sorgt dafür,dass der vermeintliche<br />
Hochstapler entlarvt wird. Aufder Verlobungsfeier<br />
kommt es zum Skandal. Strapinski flieht, seine<br />
Braut aber findet ihn, rettet ihn vor dem Erfrieren<br />
und stellt ihn zur Rede.Als sie sich davonüberzeugt<br />
hat, dass seine Liebe echt ist, bekennt sie sich zu<br />
ihm und setzt die Heirat durch. Der Schneider gründet<br />
mit ihrem Vermögen ein Atelier und bringt es zu<br />
Wohlstand und Ansehen, womit das Sprichwort<br />
„Kleider machen Leute“ sich bewährt.<br />
[Novelle]<br />
Fauxpas ist es, wenn allein der<br />
untere Knopf geschlossen ist.<br />
„Doch bei allen Zwängen die<br />
der Dress-Code den Managern<br />
auferlegt, sollten diese immer daran<br />
denken, dass die Kleidung<br />
zum Körper passt und so die Persönlichkeit<br />
des Geschäftsmanns<br />
unterstreicht“, ergänzt Philipp<br />
Aulbach. Hier gehen nach seiner<br />
Ansicht die Italiener mit gutem<br />
Beispiel voran, indem sie mit Farben,<br />
verschiedenen Stoffqualitäten<br />
und extravaganten Schnitten<br />
experimentieren. „Aber die Deutschen,<br />
die lange Zeit als Modemuffel<br />
galten, haben sich in den<br />
vergangenen Jahren positiv wei-<br />
ter entwickelt“, stellt der Geschäftsführer<br />
fest.<br />
Ob sich der Dress-Code in<br />
Deutschland in Zukunft –wie in<br />
Skandinavien geschehen –weiter<br />
lockern wird, weiß der Experte<br />
noch nicht zu sagen. Jedenfalls<br />
kann er sich nicht vorstellen,<br />
dass deutsche Führungskräfte<br />
(wie die Kollegen aus dem hohen<br />
Norden) auch schon mal im<br />
Strickpulli zu einem wichtigen<br />
Meeting erscheinen. „Das wäre<br />
wider ihre Natur, aber es würde<br />
die internationalen Gesprächspartner<br />
sicherlich ganz schön<br />
überraschen“, schmunzelt Philipp<br />
Aulbach.<br />
FOTO: ALEXANDER HEIMANN
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 38<br />
Begeisterung,<br />
die ansteckt<br />
Porträt – Iris Wölfelschneider-Daab –<br />
SommelièreimRestaurant „Zur Krone“<br />
in Höchst-Hetschbach<br />
VON ANDREAS MÜLLER<br />
Wer sich in der südhessischen<br />
Gastronomie<br />
auskennt, wird von<br />
der „Krone“ in Hetschbach zumindest<br />
schon gehört haben. Der<br />
seit 1872 in Familienhand befindliche<br />
Betrieb hat vor etwa 20Jahreneinen<br />
mutigen Schritt gewagt:<br />
Unter der Anleitung vonIris‘ Bruder<br />
Karl-Ludwig Wölfelschneider<br />
wurde ein separater Teil des Restaurants<br />
zu einer exklusiven Feinschmecker-Stube<br />
ausgebaut –das<br />
übrige Lokal wird intraditionellem<br />
Stil für die alten Stammgäste<br />
weiter betrieben.<br />
Karl-Ludwig Wölfelschneider<br />
hatte seine Ausbildung als Koch<br />
bei bekannten Adressen vervollkommnet<br />
–und jetzt sollten seine<br />
dort gesammelten Erfahrungen<br />
auch im heimatlichen Lokal zur<br />
Geltung kommen. Seine Schwester<br />
Iris entschied sich derweil, ihm<br />
mit einer eigenen Ausbildung zur<br />
Restaurantfachfrau zur Seite zu<br />
stehen: „Seine Ideen haben mich<br />
sofort überzeugt, ja, ich war<br />
schnell genauso gepackt wie er<br />
selbst. Das hat mir Antrieb gegeben,<br />
mich auch selbst einzubringen.“<br />
1993 schloss sie ihreAusbildung<br />
als Hessenmeisterin ab. In<br />
der Praxis zuhause merkte sie<br />
aber schnell, dass die Küche ihres<br />
Bruders eine weitere Spezialisierung<br />
bei der Beratung ihrer Gäste<br />
notwendig machte, denn seine<br />
feinen Speisen mit ihren ausgefeilten<br />
Saucenkreationen machten<br />
eine harmonische Begleitung<br />
dieser Gerichte durch die passenden<br />
Weine erforderlich –und damit<br />
eben auch eine fachkundige<br />
Beratung der Gäste: „Die Gastronomie<br />
liegt bei uns in der Familie<br />
und hat auch mir sofort riesigen<br />
Spaß gemacht, und spätestens,als<br />
ich dann den engen Kontakt zum<br />
Wein entwickelt habe,wusste ich:<br />
Das ist mein Leben, mein Traumberuf!“<br />
Wenn man in der Nähe der<br />
Odenwälder Weininsel (das sind<br />
die Weinberge rund um Groß-Umstadt,<br />
die vorallem für charakterstarke<br />
Weißweine bekannt sind)<br />
groß wird, ist die Begeisterung für<br />
die Reben kein Wunder, auch<br />
nicht, dass Iris den Kontakt zu<br />
Winzern dort und an der Bergstraße<br />
knüpfte, das volle Programm<br />
der Weinbauern vomFrühjahr bis<br />
zur Lese im Herbst aktiv mitmachte<br />
und so auch die handwerklichen<br />
Seiten des Weines intensiv<br />
miterleben konnte. Die<br />
schon 1995 folgende<br />
Sommelièrausbildung an der<br />
Weinschule der IHK Koblenz war<br />
daher nur ein logischer weiterer<br />
Schritt. Bei dem sie allerdings so<br />
erfolgreich war, dass sie schon<br />
1997 beim Wettbewerb „Bester<br />
Nachwuchssommelier“ der Fachzeitschrift<br />
„Feinschmecker“ den<br />
zweiten Platz erreichte –denkbar<br />
knapp hinter dem Gewinner.„Das<br />
warzwarzunächst ein wenig enttäuschend,<br />
aber letztendlich doch<br />
eine großartige Bestätigung dafür,<br />
dass ich auf meinem Wegschon<br />
einiges erreicht hatte.“ Mittlerweile<br />
ist Iris Wölfelschneider Restaurantmeisterin,<br />
prüft selbst den<br />
Hotel- und Restaurantnachwuchs<br />
und ist obendrein Jurymitglied<br />
beim Deutschen Weinkellnerwettbewerb.<br />
Nicht nur geballtes<br />
Fachwissen<br />
Beim Gespräch mit ihr wirdsofort<br />
deutlich, dass einem nicht nur geballtes<br />
Fachwissen gegenüber<br />
sitzt –sondern vor allem ein humorvoller<br />
Mensch, der die Offenheit<br />
mitbringt, die im Umgang mit<br />
den unterschiedlichsten Gästen<br />
so wichtig ist. „Sicher gibt es auch<br />
Gäste,die es einem nicht so leicht<br />
machen, aber“ –und hier ist ein<br />
fröhliches Lächeln nicht zu unterdrücken<br />
– „letztendlich waren<br />
noch fast alle mit mir zufrieden,<br />
und dann bin ich es am Ende eines<br />
Tages auch.“ Zu dieser Zufriedenheit<br />
trägt sicher auch bei, dass Iris<br />
Wölfelschneider mittlerweile verheiratet<br />
ist, zwei Kinder hat, die<br />
ihre Mama gerne öfter zuhause<br />
hätten. „Aber wenn ich dann tatsächlich<br />
an einem freien Tagmal<br />
bei den Kindern bin, werde ich<br />
immer wieder mal telefonisch um<br />
„Zur Krone“<br />
Familie Wölfelschneider,<br />
Rondellstraße 20,<br />
64739 Höchst-Hetschbach<br />
Tel. 06163/93100-0<br />
E-Mail: krone-hetschbach@web.de<br />
Der Wegindiese Gourmet-Oase mitten im Odenwald<br />
führt aus dem Darmstädter Raum über die<br />
B26bis zur Ausfahrt Groß-Umstadt, an dem man<br />
vorbei fährt, ebenso an Wiebelsbach-Heubach.<br />
Wenn es dann Richtung Höchst aufwärts geht, sollte<br />
man darauf achten, dass nach einer der zahlreichen<br />
Kurven kurz vor Höchst ein Abzweig links<br />
nach Hetschbach führt. Dort angekommen, biegt<br />
man bei der ersten Möglichkeit wieder nach links –<br />
und steht nach weiteren 100Metern vor Hotel und<br />
Restaurant. Ausdem Zentrum Darmstadts hat man<br />
35 Kilometer hinter sich gebracht, und wenn man<br />
einen ausgiebigen Weinabend vor sich hat, sollte<br />
man neben dem Platz im Restaurant auch eines der<br />
preiswerten Hotelzimmer der „Krone“ reservieren<br />
–oder einen Antialkoholiker dabei haben.<br />
[Infobox]<br />
Rat gefragt, und dann komme ich<br />
halt auch gerne schnell mal rüber.<br />
Aber ich bin ohnehin fast immer<br />
da. Natürlich ist es wunderbar,<br />
Mutter und mit den Kindern zusammen<br />
zu sein, aber das schmälert<br />
meine Begeisterung für die Arbeit<br />
als Sommelière überhaupt<br />
nicht.“ Ihre Sensorik-Seminare,<br />
bei denen Gäste ihr Geschmacksempfinden<br />
erkunden und trainierenkonnten,<br />
hat sie aber vorübergehend<br />
zugunsten der Zeit mit<br />
den Kindern eingestellt.<br />
Wenn man Iris Wölfelschneider-Daab<br />
bei ihrer Arbeit sieht, erkennt<br />
man nicht nur sofort, mit<br />
welcher Sorgfalt sie ihr Handwerk<br />
beherrscht, man lässt sich noch<br />
lieber von eben dieser Begeisterung<br />
anstecken, mit der sie das<br />
Lokal beseelt und so ihre erwartungsfrohen<br />
Gästen überzeugt.<br />
Die haben es sogar besser als ihre<br />
Weinkellnerin, denn sie dürfen<br />
den von ihr empfohlenen Wein<br />
selbstverständlich in seiner vollen<br />
Entfaltung genießen, und das<br />
heißt eben auch: runterschlucken<br />
und den „Abgang“ auskosten. Einer<br />
Sommelière ist das nicht nur<br />
im Lokal versagt. Selbst bei den<br />
vielen Weinproben dürfen die<br />
Sommeliersund Sommelières das<br />
nicht riskieren: „Wir würden ja<br />
weder den Abend im Lokal noch<br />
solch eine Probe überstehen,<br />
wenn wir alles trinken würden,<br />
waswir zu beurteilen haben oder<br />
empfehlen.“ Allerdings stimmt<br />
sie auch der Feststellung zu, dass<br />
man richtiger Weinkenner doch<br />
nur durch eine geregelte Trinkerfahrung,<br />
also durch die Genusspraxis<br />
werden kann. „Aber neben<br />
den Geschmackseindrücken, die<br />
man bei einer Probe im Mund und<br />
Rachenraum erfährt, müssen wir<br />
eben mit den weiteren Geschmackserfahrungen<br />
im tieferen<br />
Rachen und Hals auf unsere Freizeit<br />
warten. Ich denke übrigens,<br />
dass wir durch diese Praxis auch<br />
ein Vorbild für den verantwortungsbewussten<br />
Genuss von Al-<br />
kohol sein können.“ Der Umgang<br />
mit Gästen, die ihre Kräfte etwas<br />
überschätzt haben, gehört denn<br />
auch zu den sensiblen Aufgaben<br />
eines erfahrenen Gastronomen,<br />
„aber das betrifft uns alle, nicht<br />
nur die Weinkellner.“<br />
Andererseits bestehe ein großer<br />
Reiz der gastronomischen Berufe<br />
„gerade auch darin, dass man<br />
hier Menschen in den unterschiedlichsten<br />
Situationen kennenlernen<br />
kann.“ Davon profitiere<br />
man bei seiner Menschenkenntnis<br />
ungemein – „und das<br />
hilft mir wiederum auch bei der<br />
Auswahl vonWeinen. Es ist schon<br />
so, dass unterschiedliche Charaktere<br />
oft auch einen unterschiedlichen<br />
Weingeschmack haben und<br />
dass einem Gast am Tisch derselbe<br />
Wein großartig schmeckt, den<br />
sein Nachbar kaum runter bekommt.<br />
Wir bieten daher zu unseren<br />
Menüs gerne abwechselnde<br />
Weine aus dem Glas an. So kommt<br />
jeder zu dem Wein, der ihm wirklich<br />
schmeckt.“<br />
Zudem ist die Sommelière bei<br />
ihren Weinempfehlungen auch<br />
davon abhängig, welches Gericht<br />
ein Gast bestellt: „Der Wein muss<br />
mit dem jeweiligen Gericht möglichst<br />
perfekt harmonieren. Aus<br />
diesem Grund spreche ich mich<br />
auch immer mit meinem Bruder<br />
in der Küche ab, gerade bei der<br />
Zusammenstellung neuer Menüs.<br />
Und vonden Saucen muss ich mir<br />
immer einen eigenen Eindruck<br />
machen, damit ich mit dem Wein<br />
später nicht daneben liege.Außer-<br />
Iris Wölfelschneider-Daab mit Gast und Autor Andreas Müller.<br />
FOTOS: GUIDO SCHIEK<br />
dem kommt es für die Harmonie<br />
mit dem Wein zum Beispiel<br />
durchaus auch darauf an, ob ein<br />
Fleisch gesotten oder kräftig gebraten<br />
wird. Und dass es zu Fisch<br />
einen anderen Wein gibt als zu<br />
Fleisch oder Geflügel ist ohnehin<br />
klar, selbst wenn man zu beidem<br />
Weißen und auch Roten empfehlen<br />
kann, wenn der Gast das<br />
möchte.“<br />
400 verschiedene Weine<br />
in den Regalen<br />
Vorallem aber müsse man den<br />
eigenen Weinkeller über Jahre<br />
aufbauen und weiter pflegen, um<br />
aus einer genügend großen Auswahl<br />
einen Wein anbieten zu können:<br />
„Ich habe seit Jahren meine<br />
festen Einkaufsquellen aus den<br />
unterschiedlichsten Regionen, bei<br />
denen ich auch an Weine komme,<br />
die man privat nur schwer kaufen<br />
kann.“ Dazu gehörten sowohl<br />
Winzer, bei denen direkt eingekauft<br />
werdewie auch Händler,gerade<br />
aus Österreich und Frankreich,<br />
mit denen man gute Kontakte<br />
pflege.„Bei uns liegen mehr<br />
als 400 verschiedene Positionen in<br />
den Regalen, das ist schon eine<br />
tolle Auswahl, aus der ich schöpfen<br />
kann –natürlich immer auch<br />
angepasst daran, was der Gast<br />
ausgeben möchte.“ In der „Krone“<br />
gibt es Flaschen ab rund 20<br />
Eurobis hinauf zu etwa600 Euro,<br />
„aber die ganz teuren werden zur<br />
Zeit praktisch gar nicht bestellt,<br />
selbst vondenen nicht, die es sich<br />
auch in Krisenzeiten leisten könnten.“<br />
Ein etwas verkniffenes Lächeln<br />
huscht über das Gesicht der<br />
Sommelière, macht aber sofort<br />
wieder einer optimistischen Miene<br />
Platz: „Glücklicherweise sind<br />
es ja gerade auch die ganz teuren<br />
Weine wie Chateau Latour, die<br />
sich am längsten halten und daher<br />
entspannt auf ihre Käufer warten<br />
können. Und die werden bestimmt<br />
schon bald zu ihren Lieblingstropfen<br />
zurück finden.“
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 39<br />
Wie die alten Griechen<br />
Oliver Geisselhart, 42, stammt aus Friedrichshafen<br />
und lebt heute in Dortmund, wo auch<br />
sein Büro angesiedelt ist. Der Diplom-Betriebswirt<br />
arbeitete zunächst als Verkaufsleiter,bevorerdie<br />
Gedächtnistraining-Seminare<br />
seines Onkels Roland Geisselhart übernahm.<br />
Basierend auf den mentalen Strategien der<br />
antiken Griechen entwickelte er die „Geisselhart-Technik<br />
des Gedächtnis- und Mentaltrai-<br />
[Person]<br />
Alles im Kopf<br />
Oliver Geisselhart –Der Gedächtnistrainer zeigt Managern<br />
und Verkäufern, wie sie sich Namen und Argumente merken<br />
VON NINA VOIGT<br />
Viele wissen es gar nicht zu<br />
schätzen, wenn Oliver<br />
Geisselhart sie zum Geburtstag<br />
anruft. „War ja klar,dass<br />
Du daran denkst“, bekommt der<br />
42-jährige häufig zu hören. Immerhin<br />
bezeichnet er sich selbst<br />
als einen der erfolgreichsten Gedächtnistrainer<br />
in ganz Europa.<br />
WerBücher über mentale Arbeitstechniken<br />
schreibt und Managern<br />
zeigt, wie sie sich Namen und<br />
Zahlen besser merken können,<br />
der wirdwohl auch selbst alle Daten<br />
im Kopf haben.<br />
Dabei speichert auch Geisselhart<br />
Telefonnummern und Geburtstage<br />
in seinem Mobiltelefon.<br />
Er hat nichts gegen technische<br />
Unterstützung. „Aber um sich Namen<br />
und Gesichter zu merken<br />
und Reden frei zu halten“, betont<br />
er, „dafür gibt es eben kein elektronisches<br />
Helferlein“.<br />
Zumindest noch nicht, und solange<br />
ist der smarte Wahl-Dortmunder<br />
mit der auffälligen Brille<br />
ein gefragter Mann. Große Unternehmen<br />
buchen ihn für Kundenveranstaltungen<br />
und Seminare, in<br />
denen er den Azubis Tipps zur<br />
Prüfungsvorbereitung gibt und<br />
Mitarbeitern zeigt, wie sie zum<br />
Beispiel in einem Kundengespräch<br />
die wichtigsten Punkte<br />
mitspeichern, ohne sich alles aufschreiben<br />
zu müssen. Wie Verkäufer<br />
die Merkmale ihrer Produkte<br />
auswendig drauf haben<br />
können, damit sie nicht ständig<br />
im Prospekt nachschauen müssen.<br />
Wie man im privaten Alltag<br />
seine Tagesplanung im Kopf behält.<br />
Er schult Führungskräfte in<br />
Einzeltrainings, bietet Tagesseminare<br />
für kleine Gruppen an,<br />
spricht bei Abendveranstaltungen<br />
vor mehreren tausend Zuhörern.<br />
„Groß kann ich gut“, sagt Geisselhart.<br />
Er gibt gern die Rampensau.<br />
Seine lockere Art kommt an.<br />
Das Erfolgsrezept ist eigentlich<br />
ganz einfach: Der Trick besteht<br />
darin, in Bildern zu denken. Denn<br />
Bilder lösen Gefühle aus. „Und<br />
was unser Hirn mit Gefühlen verbindet,<br />
speichert es besser ab“,<br />
Oliver Geisselhart<br />
erklärt der Gedächtnistrainer. Jeder<br />
kleine Junge, der alle Fußballergebnisse<br />
auswendig kennt,<br />
sich aber keine Geschichtsdaten<br />
behalten kann, ist dafür das beste<br />
Beispiel. Und dennoch bedienen<br />
wir unser Gehirn nicht dementsprechend,<br />
sagt Geisselhart. Die<br />
Verbildlichung von Informationen<br />
erfordere ein Umdenken.<br />
„Das lernt man in der Schule<br />
nicht.“<br />
Fürjede Information<br />
ein Bild speichern<br />
Wer nach Geisselharts Methode<br />
denkt, entwickelt zu jeder Information<br />
ein Bild und sogar eine<br />
kleine Geschichte.„Im Kopf muss<br />
ein Film ablaufen“, rät Geisselhart.<br />
Einfache Namen verbindet<br />
man mit Merkmalen der Person,<br />
die einem aufgefallen sind, und<br />
stellt sich die Verknüpfung bildlich<br />
vor: Herr Bauer in seinem<br />
schicken Anzug, wie er auf dem<br />
Acker schuftet. Schwierige Namen<br />
zerlegt man in Einzelteile<br />
und startet wieder das Kopfkino:<br />
Herr Podolski fährt auf dem Po<br />
doll Ski.<br />
Das klingt skurril und ziemlich<br />
albern, und das soll es auch. So<br />
funktioniert es offensichtlich.<br />
Geisselharts Seminarteilnehmer<br />
sind jedenfalls in der Regel begeistert.<br />
„Bilder zu kreieren und sich<br />
verrückte Sachen auszudenken,<br />
macht auf einmal Spaß“, berichtet<br />
Geisselhart. Welche Story man<br />
sich gerade zurechtgelegt hat,<br />
muss man ja nicht verraten.<br />
WerimJob ohnehin kreativ arbeitet<br />
und gewohnt ist, unkonventionelle<br />
Lösungen zu entwickeln,<br />
tut sich dabei vielleicht<br />
leichter als der Buchhalter, der<br />
nur Zahlen und Fakten kennt. Und<br />
Frauen sind im kreativen Denken<br />
besser als Männer. „Sie denken<br />
eher mit der rechten, gefühlsorientierteren<br />
Hirnhälfte“, erklärt<br />
Geisselhart. „Männer denken Entfernungen<br />
in Metern, Frauen denken:<br />
vorne bei der Post rechts.“ Es<br />
ist immer auch ein bisschen Comedy<br />
mit drin, wenn Geisselhart<br />
spricht.<br />
Sein unschlagbarer Tipp für<br />
Männer wie Frauen: „Infos, die<br />
mit Schweinkram belegt sind,<br />
kann man sich noch besser merken“,<br />
stellt Geisselhart fest.<br />
Die dreckigen Witze fallen<br />
einem ja auch immer<br />
als erstes ein. Hauptsache,<br />
man hat im entscheidenden<br />
Moment<br />
den richtigen Namen<br />
präsent – und vielleicht<br />
sogar noch<br />
ein Lächeln im Gesicht.<br />
Damit geht<br />
man Geisselhart<br />
zufolge nicht<br />
nur entspannter<br />
durchs Leben,<br />
sondern ist auch<br />
im Job erfolgreicher.<br />
„Es macht doch was<br />
aus, wenn ich als Chef alle Namen<br />
meiner Mitarbeiter im Kopf<br />
habe, egal ob zehn oder hundert<br />
oder tausend.“ Vonden Namen<br />
der Kunden ganz abgesehen. Und<br />
auch der Sachbearbeiter komme<br />
sympathischer rüber und manchmal<br />
zudem leichter ans Ziel,<br />
wenn er im Materiallager alle<br />
persönlich ansprechen kann.<br />
Ausreden àla„Namen konnte ich<br />
mir noch nie merken“ lässt der<br />
Gedächtnistrainer nicht gelten.<br />
Nichts mit Schall und Rauch. Alles<br />
nur Fleiß.<br />
Start bereits im Alter<br />
von16Jahren<br />
Geisselhart saß schon mit zwölf<br />
Jahren in den Gedächtnistraining-<br />
Seminaren seines Onkels Roland<br />
Geisselhart, hat in Kleingruppen<br />
mitgemacht. Mit 16 hielt er sein<br />
erstes Seminar selbst, als Vertretung<br />
für den Onkel. „Ich war<br />
schon immer selbstbewusst“, sagt<br />
er. Neben Bundeswehr und Betriebswirtschaftsstudium<br />
hat er<br />
immer ein bisschen weitergemacht<br />
mit dem Gedächtnistraining.<br />
„Ich fand gut, dass ich das<br />
konnte, hab gern mit meinen<br />
Kumpels gelernt und denen was<br />
gezeigt.“<br />
Geisselharts Vater war Autohändler,<br />
auch er wollte zunächst<br />
Im Rahmen der ECHO-Akademie<br />
finden im Darmstädter Welcome Hotel<br />
Gedächtnistraining-Seminarestatt.<br />
Aufdem Stuhl Referent<br />
Oliver Geisselhart.<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
nings“. ImJahre 1996 gründete er das Team<br />
Geisselhart, über das er weitere Gedächtnistrainer<br />
vermittelt. Rund 35 000 Menschen<br />
schult er im Jahr, häufig buchen ihn Firmen<br />
für Kunden- und Mitarbeiterveranstaltungen.<br />
Zu seinen Klienten gehören Lufthansa, Telekom,<br />
Deutsche Bank, BASF, Hewlett Packard<br />
und AOK. Geisselhart ist Autor mehrerer Bücher<br />
und Gewinner des Conga Awards 2008<br />
der Kongress- und Veranstaltungsbranche für<br />
exzellente Leistungen als Referent. Seit 2008<br />
ist Geisselhart auch Lehrbeauftragter der privaten<br />
Wirtschaftsuniversität Seekirchen bei<br />
Salzburg.<br />
beruflich in diese Richtung gehen,<br />
arbeitete einige Zeit als Verkaufsleiter.„Im<br />
Gedächtnistraining hab<br />
ich aber mehr Sinn gesehen“, erklärt<br />
er. Mit Mitte 20 stieg er deshalb<br />
ein ins Mentalbusiness, entwickelte<br />
die Technik seines Onkels<br />
weiter und hat heute noch<br />
Spaß daran, wenn er sieht, dass<br />
seine Methode Wirkung zeigt und<br />
die Teilnehmer sich in der ersten<br />
Seminarpause schon massig Zahlen,<br />
Daten und Fakten merken<br />
können.<br />
Die Erfahrungen aus dem Verkaufsjob<br />
nutzte er für seine neue<br />
Arbeit, veröffentlichte sogar ein<br />
Buch über Gedächtnistraining für<br />
Verkäufer. „Die müssen ja viel<br />
über ihreProdukte wissen und zu<br />
Ausdrucksstark:<br />
Oliver Geisselhart<br />
allen Einwänden die passende Erwiderung<br />
parat haben“, erklärt<br />
Geisselhart. Sagt der Kunde,erhabe<br />
keine Zeit, muss der Verkäufer<br />
Verständnis dafür signalisieren<br />
und ankündigen, dass deshalb<br />
selbstverständlich er den Kunden<br />
wieder anrufen werde. Das Argument<br />
könnte er sich als zerbrochene<br />
Uhr bildlich vorstellen, die verständnisvolle<br />
Reaktion nach dem<br />
Motto Zeit ist Geld als Geldsack,<br />
den er auf die Uhr draufpackt. So<br />
in der Art –oder anders, Hauptsache,der<br />
Verkäufer hat die richtige<br />
Erwiderung drauf und muss seine<br />
Antwort nicht etwaablesen. „Das<br />
hört sich immer scheiße an“, weiß<br />
Geisselhart.<br />
Auswendig gelernte Sätze<br />
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ebenfalls. Hat man ein Bild im<br />
Kopf, formuliereman die Aussage<br />
vielleicht jedes Mal ein bisschen<br />
anders, aber immer authentisch,<br />
passend zu Situation und Stimmung.<br />
Nach diesem Muster funktioniert<br />
auch das Training für Präsentationen:<br />
Um eine Rede frei zu<br />
halten, muss der Redner seine<br />
Stichworte im Kopf haben.<br />
Nach Geisselhart merkt man<br />
sich die Stichworte am besten<br />
über Bilder,und wenn sie zu einer<br />
Geschichte verknüpft sind. „Die<br />
meisten Leute denken, sie müssen<br />
sich dann noch mehr merken“,<br />
sagt der Gedächtnisprofi, „dabei<br />
ist die Geschichte erst der Klebstoff,<br />
der die Informationen im<br />
Hirn hält“.<br />
Gegenpol zu immer mehr<br />
Elektronik im Leben<br />
Jeder Mensch muss für sich entscheiden,<br />
„will ich das Ding da<br />
oben richtig bedienen oder nicht“,<br />
findet Geisselhart. Und das wollten<br />
immer mehr Leute. Gedächtnistraining<br />
sei im Kommen, fast<br />
schon eine Modeerscheinung. Ablesbar<br />
am Erfolg von Gehirnjogging-Spielen<br />
wie Dr.Kawashimas<br />
für Spielkonsolen. „Vielleicht ist<br />
das eine Art Gegenpol zu immer<br />
mehr Elektronik im Leben“, vermutet<br />
Geisselhart. Immerhin gibt<br />
es ja bereits das Phänomen der digitalen<br />
Demenz, weil der moderne<br />
Mensch nur noch auf ausgelagertes<br />
Wissen auf digitalen Speichermedien<br />
verlässt.<br />
Um sein Gedächtnis richtig zu<br />
nutzen, sei jedoch nicht einmal<br />
extra Trainingszeit nötig, im Gegenteil.<br />
„Im Alltag“, sagt Geisselhart,<br />
„braucht man das Gedächtnis<br />
noch genug“.<br />
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 40<br />
VON JOHANNES BRECKNER<br />
Esmuss ja auch Phasen des Atemholens geben. Man<br />
kann den Kunstbetrieb als gewaltigen Organismus<br />
begreifen. In einem bis heute unerklärten Stoffwechselvorgang<br />
saugt er Gedanken auf, gebiert Ideen und bringt<br />
sie in vielfältigen Formen in die Welt. Dabei ernährt er die<br />
Glieder,die diesen Organismus bilden, die einen besser,die<br />
anderen schlechter. Soarbeitet dieses Riesenwesen bei hoher<br />
Betriebstemperatur vorsich hin, um irgendwann das Ziel<br />
der Sommerpause zu erreichen.<br />
Die Sommerpause steht längst auf der Liste der vom<br />
Verschwinden bedrohten Wörter, denn immer weniger<br />
Menschen wissen, was das heißt. Zur Sommerpause<br />
also brachen Musiker, Schauspieler, Sänger und<br />
all die anderen Glieder des kulturellen Riesentieres fluchtartig<br />
auf und besiedelten mit den anderen Werktätigen die<br />
Küsten und Berge Europas. Wer Kultur wollte, musste ein<br />
Buch lesen oder eine Platte auflegen oder ins Kino gehen,<br />
aber selbst dort warimSommer das Angebot so dünn, dass<br />
alte Kinoerfolge gezeigt und als Klassiker-Festival angepriesen<br />
wurden. Nur die Maler wurden aus ihrem Dienst nicht<br />
Eine Weisheit der Dakota-Indianer<br />
besagt:<br />
� Wenn du entdeckst, dass du<br />
ein totes Pferdreitest, steig ab.<br />
Doch wir Manager versuchen oft<br />
andereStrategien, nach denen wir<br />
in dieser Situation handeln:<br />
� Wir besorgen eine stärkerePeitsche.<br />
� Wir wechseln die Reiter.<br />
� Wir sagen: So haben wir das Pferd<br />
doch immer geritten.<br />
� Wir gründen einen Arbeitskreis,<br />
um das Pferdzuanalysieren.<br />
Wurstund Worte<br />
entlassen, sie fuhren in den Süden, vorzugsweise nach<br />
Frankreich, wo sie bei Pleinair-Treffen dann doch wieder den<br />
Pinsel auspacken mussten.<br />
Heute ist die Sommerpause mit Festspielen ausgefüllt,<br />
und der Organismus muss das ganze Jahr<br />
schuften. Weil das aber auf Dauer nicht gutgehen<br />
kann, macht sich im April eine klitzekleine Frühjahrsmüdigkeit<br />
bemerkbar.Natürlich regt sich der eine oder andereTeil<br />
des Kulturkörpersganz kräftig, wirdhier eine Opernpremiere<br />
geboren oder dort ein neues Buch. Aber die Frühjahrsware<br />
der Verlage ist seit Januar im Handel, die großen Ausstellungseröffnungen<br />
liegen hinter uns,und die Karfreitagsoper<br />
Parsifal mag man nach Ostern auch nicht mehr hören. Jetzt<br />
beginnt die Zeit, in der die Helligkeit des Abends davon<br />
abhält, ein dunkles Theater zu besuchen, gleichzeitig aber<br />
ist es zu kalt, als dass der Freilichtbetrieb schon einsetzen<br />
könnte.<br />
In dieser schwierigen Phase zeigen alle Bühnen eine<br />
Inszenierung, die leider nur einem kleinen Publikum<br />
vorbehalten ist. Die Vorstellung der Spielpläne für die<br />
kommende Saison ist ein Ritual, das an jedem Theater ein<br />
� Wir besuchen andereOrte,<br />
um zu sehen, wie man dort<br />
tote Pferde reitet.<br />
� Wir erhöhen die Qualitätsstandards<br />
für den Beritt toter Pferde.<br />
� Wir bilden eine Task Force, um das<br />
tote Pferd wiederzubeleben.<br />
� Wir schieben eine Trainingseinheit<br />
ein, um besser reiten zu lernen.<br />
� Wir stellen Vergleiche<br />
unterschiedlich toter Pferde an.<br />
� Wir ändern die Kriterien,<br />
die besagen, ob ein Pferd tot ist.<br />
� Wir kaufen Leute von außerhalb<br />
ein, um das tote Pferd zureiten.<br />
� Wir schirren mehreretote Pferde<br />
Weisheiten<br />
zusammen an, damit sie schneller<br />
werden.<br />
� Wir erklären: Kein Pferd kann<br />
so tot sein, dass man es nicht<br />
noch schlagen könnte.<br />
� Wir machen zusätzliche Mittel<br />
locker, umdie Leistung des Pferdes<br />
zu erhöhen.<br />
� Wir machen eine Studie, umzu<br />
sehen, ob es billigere Berater gibt.<br />
� Wir kaufen etwas zu, das tote<br />
Pferde schneller laufen lässt.<br />
� Wir erklären, dass unser Pferdbesser,<br />
schneller und billiger tot ist.<br />
� Wir bilden einen Qualitätszirkel<br />
„Verwendung für tote Pferde“.<br />
wenig andersabläuft. Einmal im Jahr haben die Mitglieder<br />
der künstlerischen Leitung ihren großen Auftritt, den sie sich<br />
auch nicht nehmen lassen. Deshalb gehört es zum guten<br />
Brauch, den Journalisten all das vorzutragen, wasauch in<br />
gedruckter Form vorliegt. Es kann ja auch nicht verkehrt<br />
sein, die Handlung von„La Traviata“ noch einmal erzählt zu<br />
bekommen. Damit das Publikum nicht vorzeitig geht, verspricht<br />
man ihm für hinterher einen Imbiss.Allerdings dauern<br />
die Vorträge meist länger als ein mittelstarker Theaterabend,<br />
weshalb erfahrene Kollegen alle Umgangsformen in<br />
den Wind schlagen und sich schon zwischendurch versorgen.<br />
Besonderserfreulich in Erinnerung sind die Mini-Frikadellen,<br />
die am Mainzer Staatstheater gereicht werden.<br />
Überhaupt blüht an beiden Seiten des Rheins<br />
eine besondere Lebensart. In Wiesbaden wirdder neue<br />
Spielplan regelrecht gefeiert in der prachtvollen Barockkulisse<br />
des Foyers. Die Landeshauptstadt treibt auch immer ein<br />
besondersgroßes Publikum auf, neben dem kleinen Häuflein<br />
Journalisten treffen sich immer auch allerlei Beiräte und<br />
Würdenträger aus Stadt und Land, obwohl der schöne Wiesbadener<br />
Brauch, die salbungsvollen Intendantenworte von<br />
� Wir überarbeiten die<br />
Leistungsbedingungen für Pferde.<br />
� Wir richten eine unabhängige<br />
Kostenstelle für tote Pferde ein.<br />
Und wir Manager entwickeln<br />
stetig weitereStrategien, um<br />
Konsequenzen zu verschleppen:<br />
� Wersagt, dass man tote Pferde<br />
nicht reiten kann?<br />
� Wir lassen das Pferdschnellstens<br />
zertifizieren.<br />
� Wir frieren das Pferdein und warten<br />
auf eine neue Technik, die es uns<br />
ermöglicht, tote Pferde zu reiten.<br />
heißen Würstchen begleiten zu lassen, seit einigen Jahren<br />
außer Kraft gesetzt worden ist.<br />
Esbedarf ja auch vieler Erläuterungen. Denn jedes<br />
Theater gibt sich für die nächste Spielzeit ein Motto:<br />
Mit ihm behaupten die Theatermacher,dass ihreMenükarte<br />
für die kommende Spielzeit nicht dem Zufall geschuldet<br />
ist oder den Notwendigkeiten, die in einer Gleichung<br />
aus vorhandenem Ensemble und verfügbaren Mitteln<br />
errechnet werden. Nein, ein tieferer Sinn waltet über allem,<br />
wenn man den Spielplan unter das Generalthema „Väter und<br />
Söhne“, „Die Frau inder Gesellschaft“ oder auch „Gefühle,<br />
Gier und Geld“ stellt. Wobei es der Ehrgeiz jedes guten<br />
Dramaturgen ist, in gewandter Argumentation jedwedes<br />
Stück der Weltliteratur so zu deuten, dass es zu jedwedem<br />
Spielzeit-Motto passt. Man muss nur lange genug reden:<br />
Diese Kunst kann so erbaulich sein, dass die Aufführung der<br />
Spielzeit-Vorschau als eigenes Theaterstück für die nächste<br />
Spielzeit angekündigt werden sollte.Das Publikum wirddie<br />
Kassen stürmen, die Theater werden klug genug sein, diese<br />
Erfolgsinszenierung vielfach auf den Spielplan zu setzen.<br />
Und das Kultur-Tier kann sich nicht einmal mehr eine kleine<br />
Frühjahrsmüdigkeit gönnen.<br />
� Wir bilden einen Gebetskreis<br />
der unser Pferdgesund betet.<br />
� Wir stellen das tote Pferd<br />
bei jemand anderem in den Stall<br />
und behaupten, es sei seines.<br />
� Wir stellen fest, dass die anderen<br />
auch tote Pferde reiten und erklären<br />
dies zum Normalzustand!<br />
� Wir ändern die Anforderung<br />
vonReiten in Bewegen und erteilen<br />
einen neuen Entwicklungsauftrag.<br />
� Wir sourcen das Pferdaus.<br />
� Wetten, dass das Vieh nur simuliert!<br />
� Wenn man das tote Pferdschon<br />
nicht reiten kann, dann kann es doch<br />
wenigstens eine Kutsche ziehen!
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 41<br />
Auf Probefahrt<br />
MIT JÖRG RIEBARTSCH<br />
AufProbefahrt–JörgRiebartsch,<br />
Chefredakteur von Wirtschafts-<br />
ECHO und ECHO-Zeitungen, ist<br />
im Jahr 30 000 Kilometer mit<br />
dem Auto unterwegs. In dieser<br />
Rubrik bewegt er als potenzieller<br />
Geschäftswagenkunde über einige<br />
Tage ein Vorführfahrzeug und<br />
schildertpersönliche Eindrücke.<br />
55000 Kilometer –eine Zahl,<br />
die zu merken sich lohnt.<br />
Sie hat mit diesem Beitrag<br />
und einem Bewohner meiner<br />
Nachbarschaft zu tun. Und mit<br />
dem Fünfer-BMW. Einen solchen<br />
fährt besagter Bewohner. Und<br />
zwar im Jahr 55 000 Kilometer.<br />
Sein Dienstwagen: Ein Fünfer-<br />
BMW Diesel.<br />
Nun wird der Fünfer-BMW<br />
nicht nur als Dienstwagen geschätzt,<br />
sondern auch von privater<br />
Kundschaft. Er bewegt sich dabei<br />
in einem Wettbewerbsumfeld<br />
mit zwei weiteren deutschen Herstellern,<br />
die die Messlatte enorm<br />
hoch legen: Audi A6und E-Klasse<br />
von Mercedes. Damit versteht<br />
man, weshalb der Fünfer für<br />
BMW das wichtigste Auto überhaupt<br />
darstellt und man die allergrößten<br />
Hoffnungen in einen Erfolg<br />
der neuen Ausgabe setzt, die<br />
gerade erst auf den Markt gekommen<br />
ist. Generation sechs des<br />
bayrischen Oberklassemodells<br />
hat aber zumindest schon mal die<br />
Fachmedien überzeugt. Jetzt fehlt<br />
noch der Durchbruch bei der zahlenden<br />
Kundschaft.<br />
Neues Modell mit<br />
komplett neuer Optik<br />
Am neuen BMW fällt zunächst eine<br />
vollständig andere Optik auf.<br />
Langgestreckter ähnelt er dem Luxusliner<br />
Siebener aus dem eigenen<br />
Haus und hat gar nichts mehr<br />
vonder rundlichen Pummeligkeit<br />
seines Vorgängers. Länge läuft,<br />
kann man passend einen alten<br />
Spruch zitieren. Denn der Wagen,<br />
Noblesse oblige aufbayrisch<br />
Fünfer BMW – Gelungene Neuauflage für Limousine aus der Oberklasse –Üppigste Aufpreisliste<br />
im Moment lediglich als Limousine<br />
verfügbar, hat nicht nur optisch<br />
an Größe gewonnen, sondern<br />
vor allem spürbar im Innenraum.<br />
Ein längerer Radstand<br />
macht es möglich. Und schon<br />
fühlt man sich viel freier bereits<br />
auf Fahrer- und Beifahrerplatz,<br />
obwohl nur ein paar wenige Zentimeter<br />
Raum dort dazugekommen<br />
sind.<br />
Besonders auffallend ist der<br />
Raumgewinn auf der Rückbank.<br />
Größere Menschen auf längeren<br />
Strecken dort zu transportieren,<br />
stellt kein Problem mehr dar.<br />
Bein- und Kopffreiheit sind ausreichend<br />
vorhanden. Ein riesiger<br />
Kofferraum wartet auf das Gepäck.<br />
Auf Wunsch können umklappbare<br />
Rücklehnen auf der<br />
Aufpreisliste auftauchen.<br />
Das aufgeräumte,etwas unterkühlte<br />
und noble Ambiente im Innenraum<br />
beeindruckte jeden<br />
Fahrgast, den ich während der<br />
Probefahrt mitnahm. Souverän<br />
und gelassen bewegt sich der<br />
530d auf den Straßen. Der Vorführwagen<br />
verfügte über die formidable<br />
Acht-Gang-Automatik,<br />
mit der BMW im „Wer-hat-beider-Automatik-mehr-Gänge?“-<br />
Wettstreit mit Mercedes (Sieben-<br />
Gang) derzeit die Nase vorn hat.<br />
Das Getriebe schaltet weich und<br />
sanft im Alltag und hart und kurz,<br />
wenn man in der Sportstellung<br />
der Abstimmung der Drei-Liter-<br />
Maschine ordentlich die Sporen<br />
gibt. Dann wird aus dem fein-edlen<br />
Langstreckengleiter ein wilder<br />
Stier, der aufgebracht mit seinen<br />
vier runden Tagfahrlichtern alles<br />
vonder linken Spur scheucht, was<br />
da rumfleucht. Bei 250Stundenkilometern<br />
bremst das Auto selbst<br />
den Vortrieb. Der Diesel mit 245<br />
PS könnte noch darüber hinaus.<br />
Darf er aber nicht.<br />
Mit drei Litern ist übrigens der<br />
Hubraum gemeint und nicht der<br />
Verbrauch. Den gibt BMW kombiniert<br />
mit 6,2 Litern an. Klingt äußerst<br />
optimistisch. Während meiner<br />
Probefahrt mit Stadtverkehr,<br />
Landstraßengezockel und zügigem<br />
Autobahngebrause genehmigte<br />
sich der dickeDiesel-Fünfer<br />
8,1 Liter. Dadas Auto noch nicht<br />
eingefahren war und überdies ja<br />
mächtig schwer ist, dennoch ein<br />
erwähnenswerter Wert.<br />
Ein perfektes Auto<br />
ohne jeden Fehler?<br />
Also ein perfektes Auto ohne jeden<br />
Fehler? Nun, dass die Standards<br />
wie ausgefeiltes Fahrwerk,<br />
optimiert ausgenutztes Raumvolumen<br />
und weiter entwickelte<br />
Motorentechnik geboten werden,<br />
sind Basiserwartungen, die die<br />
deutschen Hersteller in der Oberklasse<br />
einfach erfüllen müssen.<br />
Das schafft der neue Fünfer spielend,<br />
begleitet von einer ausnehmend<br />
luxuriös anmutenden, beinahe<br />
geadelten Innenausstattung.<br />
Noblesse oblige auf bayrisch. Wer<br />
will, kann auf der Sahneschnitte<br />
aber auch Krümel finden: die stets<br />
bei BMW geräuschvoll arbeiten-<br />
Leasingbeispiel Connected Drive<br />
Preisbeispiele für einen BMW 523iLimousine<br />
und einen BMW 530 DGT.<br />
Nettopreise (unverhandelt), ausgearbeitet von<br />
Nadine Staudt, Verkauf neue Automobile,<br />
BMW-Niederlassung Darmstadt.<br />
Leasingdauer: 36 Monate.<br />
Laufleistung: 10 000 km im Jahr.<br />
BMW 523 i,Rate pro Monat: 549,- Euro.<br />
Ausstattung (Auswahl): Klimaautomatik,<br />
Auto-Start-Stopp-Funktion für Schaltgetriebe,<br />
Lederlenkrad mit Multifunktionstasten,<br />
Leuchtringe für Park-und Standlicht.<br />
BMW 530 DGT, Rate pro Monat: 749,- Euro.<br />
Austattung (Auswahl): Klimaautomatik,<br />
8-Gang-Automatikgetriebe, Parkbremse mit<br />
Autohold-Funktion, Park-Distance-Control<br />
hinten, Geschwindigkeitsregelung mit<br />
Bremsfunktion, Edelholzausführung,<br />
Leuchtringe LED,Lederlenkrad mit<br />
Multifunktion, Heckklappe geteilt,<br />
Soft-Close Automatik für die Heckklappe.<br />
MEHR BILDER<br />
UND EIN VIDEO<br />
VOM NEUEN BMW 5ER<br />
UND VOM BMW 5ER GT<br />
IM INTERNET UNTER<br />
WWW.WIRTSCHAFTSECHO.DE<br />
ODER WWW.ECHO-ONLINE.DE<br />
den Scheibenwischer oder die<br />
auffallenden Vibrationen des<br />
stämmigen DieselmotorsimLeerlauf<br />
beispielsweise. Größter Krümel<br />
ist die voluminöse Heckklappe,die<br />
eine Abrisskante trägt. Ohne<br />
sie außen anzufassen, lässt sie<br />
sich unmöglich schließen. Bei<br />
Schmuddelwetter passt das nicht<br />
zum sauberen Image der sonst so<br />
gepflegten Karosserie.<br />
Besondere Aufmerksamkeit<br />
verdient die Aufpreisliste, die üppigst<br />
ausgefallen ist, obwohl die<br />
Serienausstattungen der einzelnen<br />
Modellvarianten bereits drei<br />
Seiten füllen. Aber für drei- bis<br />
vierstellige Beträge gibt es noch<br />
Schmankerl wie dynamische<br />
Dämpfer-Kontrolle, Lederpolster,<br />
Holzeinlegearbeiten, aufwendige<br />
Komfortsitze, ein elektrisches<br />
Glasdach, Nachtsichthilfen, Parkassistent,<br />
Rundumblick ums Auto<br />
per Kamera, Xenon-Licht, Navigationssysteme,Unterhaltungsprogramme<br />
für die Passagiereauf der<br />
Rückbank, Soundsysteme, TV-<br />
WerimFünfer-BMW das Navigationssystem<br />
Professional mit Bluetooth-Schnittstelle zum<br />
Handy bestellt, erhält damit auch kostenfrei<br />
für die ersten drei Jahre Zugang zur Online-<br />
Welt der BMW-Dienste.Eine jährliche Gebühr<br />
fällt für die Nutzung des Internets im Auto an.<br />
BMW fasst unter dem Begriff „Connected-<br />
Drive“, die Vernetzung seiner Fahrzeuge mit<br />
der Außenwelt zusammen.<br />
Technisches Kernstück ist der riesige Bildschirm<br />
des Navigationssystems mit 10,2 Zoll<br />
Größe.Das wirdvom eigenen BMW-Verkehrsservice<br />
unterstützt, der mit den herkömmlichen<br />
Features wie Stau-Umfahrung und Routenoptionen<br />
aufwartet. Werbeim Versuch, ein<br />
bestimmtes Ziel einzugeben, dieses auf dem<br />
Festplattenspeicher vermisst, muss nur beim<br />
BMW-Dienst anrufen. Dieser überträgt dann<br />
das Ziel zur Nutzung ins Navigationssystem<br />
ins Auto. Auf diesem Wegkönnte man sich<br />
beispielsweise vom BMW-Dienst auch das<br />
Auto öffnen lassen, wenn man mal den<br />
Schlüssel verloren hat.<br />
Die Benutzung des Internets ist allerdings<br />
nur im Stand möglich. Ebenso wie das Nutzen<br />
[Hintergrund]<br />
Länge satt bietet der neue Fünfer und schafft so auch viel Platz im Innenraum auf<br />
der Rückbank und im Kofferabteil. Der Bildschirmdes Navigationsgerätes hat mit 10,2-Zoll<br />
gigantische Ausmaße. Der Innenraum präsentiertsich cool, nobel und stylish.<br />
FOTOS: HANS DIETER ERLENBACH<br />
Funktion und Felgen in allerlei optischen<br />
Varianten. Manches wirkt<br />
ganz gewiss verzichtbar, anderes<br />
birgt mehr Funktionen, als man<br />
ahnt. Vergleichen Sie hierzu bitte<br />
auch den Beitrag zu „Connected-<br />
Drive“ vonBMW.<br />
Fürden Handel mit BMW-Automobilen<br />
kommt der neue Fünfer<br />
zu rechten Zeit. Weranden wirtschaftlichen<br />
Aufschwung glaubt<br />
und diesen mit einem neuen Wagen<br />
dokumentieren will, leistet<br />
sich hier keinen Fehlgriff. Für den<br />
Hersteller ist das Modell ein großer<br />
Wurf. In den Vergleichen mit Mercedes<br />
und Audi sehen Fachjournalisten<br />
den BMW sogar vorn. Jedenfalls<br />
gehe ich jede Wette ein, dass<br />
mit diesem Fünfer der Vielfahrer<br />
aus meiner Straße die 55 000 Kilometer<br />
Jahresfahrleistung sicher<br />
gern noch toppen würde. Ermuss<br />
sich allerdings gedulden, bis der<br />
Leasingvertrag seines Alten ausgelaufen<br />
ist. Manchmal kann das Arbeitsleben<br />
eines Dienstwagenfahrers<br />
richtig hart und gemein sein.<br />
des TV-Programms, wenn man dies über ein<br />
weiteres Extrabestellt hat.<br />
Der Abruf vonNachrichten mit dem System<br />
Professionell ist allerdings auch während der<br />
Fahrt möglich. Clou: Die Beiträge aus den verschiedenen<br />
Rubriken, die von der deutschsprachigen<br />
Ausgabe der französischen Nachrichtenagentur<br />
AFP („Agence France Press“)<br />
geliefert werden, kann man sich während der<br />
Fahrt vorlesen lassen. Wie bei diesen Systemen<br />
üblich, klingt dies zwar etwas technisch<br />
abgehackt, funktionierte aber während der<br />
Probefahrt am Beispiel des Formel-1-Rennens<br />
in Australien und dem bevorstehenden Staatsbesuch<br />
von Kanzlerin Merkel in der Türkei<br />
ausgezeichnet.<br />
Zur technischen Ausstattung des BMW Navigationssystems<br />
Professional gehört ein<br />
hochauflösender Farbbildschirm, der sich in<br />
der Darstellung teilen lässt und 3D-Karten-fähig<br />
ist. Ein DVD-Laufwerk und ein zwölf Gigabyte<br />
großer Speicher für Musik ist ebenfalls<br />
dabei.<br />
Lohnend ist zudem die Anschaffung der<br />
USB-Audio-Schnittstelle, damit zum Beispiel<br />
der iPod über den Controller in der Mittelkonsole<br />
bedient werden kann.
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 42<br />
Auf Probefahrt<br />
MIT JÖRG RIEBARTSCH<br />
Gegendas<br />
Burnout-Syndrom<br />
Fünfer GT – Limousine und Kombi in einem Auto –<br />
Fahren in der Oberklasse für Freizeit und Beruf<br />
Wem das Warten auf die<br />
Touringausgabe des<br />
neuen Fünfer BMW zu<br />
lang wird, der greift vielleicht vorher<br />
zu einem BMW-Modell, das<br />
im letzten Quartal des vergangenen<br />
Jahres in den Markt gehievt<br />
wurde und sogar noch 50 Liter<br />
mehr Stauraum bietet als der aktuelle<br />
Fünfer Touring: der Fünfer<br />
Gran Turismo. Fünfer GT abgekürzt.<br />
Ein Auto an dem sich automobile<br />
Geister scheiden, zumindest<br />
wenn man der Fachpresse Glauben<br />
schenken sollte. Denn die<br />
wusste mit dem Fünfer GT nichts<br />
anzufangen. Um die Besonderheit<br />
„Die Messlatteliegt hoch“<br />
Neuvorstellung – Thomas Fischer über die aktuellen BMW-Modelle Fünfer und Fünfer Gran Turismo<br />
Thomas Fischer,41, ist seit 2007<br />
Leiter der BMW-Niederlassung in<br />
Darmstadt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Herr Fischer,<br />
wie wichtig ist für die<br />
BMW-Modellpalette der neue<br />
Fünfer?<br />
THOMAS FISCHER: Der BMW<br />
Fünfer ist eine der wichtigsten<br />
Baureihen für BMW.1972 kamder<br />
erste auf den Markt. Damit ist die<br />
Fünfer-Baureihe unsere traditionsreichste<br />
Modellreihe. Seither<br />
haben wir –lassen Sie sich die<br />
Zahl auf der Zunge zergehen –5,5<br />
Millionen Fahrzeuge verkauft.<br />
Der letzte BMW-Fünfer war vier<br />
von sieben Lebenszyklusjahren<br />
das meistverkaufte Fahrzeug im<br />
Segment. Sie sehen, die Messlatte<br />
für den Neuen liegt hoch. Aber ich<br />
bin mir sehr sicher: Mit diesem<br />
Auto werden wir auch diese Latte<br />
überspringen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Was ist<br />
das Besondere ander Neuauflage<br />
dieses Fahrzeugs in der Oberklasse?<br />
FISCHER: Das Fahrzeug vereint<br />
viele Erfolgsfaktoren. Der neue<br />
Fünfer strahlt souveräne Ästhetik<br />
dieses Modells zu erfassen, muss<br />
man wissen: Untypisch in der gehobenen<br />
Fahrzeugklasse, verfügt<br />
der GT über ein geteiltes Fließheck,<br />
ist also ein Zwitter zwischen<br />
einem Kombi und einer Limousine.<br />
Will man nur eben die<br />
Aktentasche oder das Tennisgepäck<br />
verstauen, genügt es, die<br />
kleine Heckklappe unterhalb des<br />
Fensterszuöffnen. Will man hingegen<br />
seine Fahrräder verstauen,<br />
öffnet man die gläserne Heckklappe<br />
ganz. Bei umgeklappten Rücksitzen<br />
stehen dann 1700 Liter Gepäckabteil<br />
zur Verfügung.<br />
Innen wirkt der GT nicht nur<br />
wie der große Siebener, esist der<br />
aus und hat ein sportliches Design.<br />
Sie können das Auto so<br />
sportlich fahren wie einen BMW<br />
Dreier oder –wenn Sie es wünschen<br />
–sokomfortabel wie einen<br />
BMW Siebener. Auch steckt der<br />
neue Fünfer voller Innovationen.<br />
Mit dem „System Surround<br />
View“ beispielsweise können Sie<br />
das Auto aus der Vogelperspektive<br />
betrachten, was beim Rangieren<br />
hilfreich sein kann. Oder der<br />
Parkassistent: Der neue Fünfer<br />
kann selbstständig einparken.<br />
Und natürlich die Effizienz. Wie<br />
Sie wissen ist BMW führend beim<br />
Kraftstoffsparen. Ganz nach dem<br />
Motto: mehr Leistung bei weniger<br />
Verbrauch. Und jetzt setzen<br />
wir auch hier wieder Maßstäbe in<br />
seiner Klasse. Der BMW 520d,<br />
der Mitte des Jahres kommt, verbraucht<br />
lediglich fünf Liter Sprit<br />
auf 100km. Das entspricht einem<br />
CO 2-Ausstoß vonnur 132 Gramm<br />
–dawäre mancher Kleinwagen<br />
froh.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Der neue<br />
Fünfer bietet ja im Innenraum<br />
deutlich mehr Platz als der Vorgänger.<br />
Fürchten Sie da nicht einen<br />
Kannibalismus in Richtung<br />
der Luxusklasse-Limousine aus<br />
dem eigenen Haus?<br />
hochwertige Innenraum des Siebener.<br />
Mit zwei entscheidenden<br />
Unterschieden. Zum einen liegen<br />
Innenraum und Fahrzeug höher<br />
als normale Limousinen. Solches<br />
freundliche Entgegenkommen<br />
lernt man in zunehmendem Alter<br />
rasch wertschätzen. Zum anderen<br />
sind die beiden Rücksitze klappbar,<br />
was im Siebener BMW bekanntermaßen<br />
ja nicht geht.<br />
Variabler Innenraum<br />
und viel Platz<br />
Zum variablen Innenraum herrschen<br />
im Fünfer GT die Platzverhältnisse<br />
eines Oberklasse-Autos,<br />
FISCHER: Nein, sicher nicht. Die<br />
Fahrzeuge sprechen unterschiedliche<br />
Nutzungsanforderungen<br />
und Kundenwünsche an.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Eine Frage,<br />
die auf die unterschiedlichen<br />
Motorisierungen des Modells abhebt:<br />
Haben Sie eine persönliche<br />
Lieblingsvariante des Fünfer?<br />
FISCHER: Wie gesagt, die Leistungswerte<br />
und die Effizienz beim<br />
BMW 520d begeistern mich.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Ist eigentlich<br />
auch eine Hybridvariante des<br />
Fahrzeugs angedacht?<br />
FISCHER: Im nächsten Jahr<br />
kommt der neue Fünfer auch als<br />
Vollhybrid heraus. Wer nicht bis<br />
dahin warten will, kann ab April<br />
2010 die ersten BMW Hybrid-<br />
Fahrzeuge kaufen: den BMW ActiveHybrid<br />
X6 und den BMW Active<br />
Hybrid 7. Das ist der Sprung<br />
in die Serienfertigung modernster<br />
BMW Active Hybrid Technologie.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wichtig<br />
in der Fünfer Modellreihe ist auch<br />
der Touring. Wann wirddieser auf<br />
den Markt kommen?<br />
Große Klappe öffnet den Laderaum.<br />
Bei umgeklappten Rücksitzen<br />
gibt es viel Stauraum. Die kleine<br />
Klappe langt für Akten- oder Sporttasche.<br />
FOTOS: HANS DIETER ERLENBACH<br />
weshalb sich der Wagen – obgleich<br />
nicht mit langem Radstand<br />
verfügbar –auch als Limousine<br />
mit Fahrer bestens eignet. Die<br />
Fauteuils hinten lassen sich in<br />
vielfältiger Weise verstellen. Damit<br />
bei geöffneter kleiner Koffer-<br />
FISCHER: Im Herbst wird auch<br />
der neue Touring erhältlich sein.<br />
Das Fahrzeug feiert auf der diesjährigen<br />
Automobil International<br />
in Leipzig seine Weltpremiere.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Vor etwa<br />
einem halben Jahr kam jabereits<br />
ein neuer Fünfer in die Verkaufsräume,<br />
der Fünfer Gran Turismo,<br />
kurz GT. Wie zufrieden sind Sie<br />
mit dem Verkaufserfolg dieser<br />
neuen Fahrzeugklasse?<br />
FISCHER: Der BMW Fünfer Gran<br />
Turismo passt in die Zeit und öffnet<br />
erfolgreich eine neue Nische.<br />
Ich bin zufrieden.<br />
WIRTSCHAFTSECHO:<br />
Vonden Motormedien<br />
gab es heftige<br />
Kritik am<br />
Gran Turismo.<br />
Können Sie<br />
das nachvollziehen?<br />
Thomas Fischer<br />
klappe der Innenraum nicht auskühlt,<br />
sind die Rückwände mit variablen<br />
Trennwänden geschützt.<br />
Die Hutablage wiederum lässt<br />
sich leicht herausnehmen und unter<br />
einer Klappe im ebenen Kofferraumboden<br />
verstauen.<br />
All das hielten die Autoren in<br />
der Motorpresse für verzichtbar<br />
und warfen gleich die Sinnfrage<br />
hinterher. Nichts gegen kritische<br />
Geister und Überlegungen. Aber<br />
dieser Einschätzung kann ich<br />
nicht folgen. Denn die Idee, die<br />
Anmutung und den Komfort einer<br />
Oberklasse-Limousine mit der Variabilität<br />
im Innenraum eines<br />
Kombis zu verbinden, hat ohne<br />
Zweifel etwas für sich. Der Nutzwert<br />
des Autos wird erhöht, Arbeits-<br />
und Sportgerät in einem.<br />
Gerade unter dem Aspekt der neuerdings<br />
vielbeschworenen notwendigen<br />
Work-Life-Balance zwischen<br />
Arbeit und Freizeit bildet<br />
der Fünfer GT ein Fahrzeugsegment,<br />
das es so bisher noch nicht<br />
gab.Vielleicht entwickelt sich der<br />
Gran Turismo ja noch zum Fahrzeug<br />
der Burnout-Generation, um<br />
mit Hilfe des Dienstwagens über<br />
eine strategische Nutzung der<br />
Freizeit wieder zufrieden auf die<br />
Ergebnisse der eigenen Arbeit zu<br />
blicken.<br />
FISCHER: Das Fahrzeug und die<br />
Konzeption ist neu und polarisiert<br />
vielleicht deshalb.Ähnliche Reaktionen<br />
hatten wir beim BMW X6.<br />
Die Frage, weshalb der Fünfer<br />
GT nicht Siebener GT heißt, dürfte<br />
wohl eine verschwurbelte Antwort<br />
der BMW-Marketingabteilung zur<br />
Folge haben. Offenbar mochte niemand<br />
der konservativen Kundschaft<br />
des Siebener zumuten, das<br />
Auto auch noch mit Fließheck im<br />
Angebot zu haben. Außerdem<br />
folgt man so bei BMW dem immer<br />
noch beliebten Trend des Downsizing<br />
und kann eine Dienstwagenklientel<br />
ansprechen, für die der<br />
Siebener als unerreichbare Frucht<br />
am Baum der Hierarchie hängt.<br />
Fünfer ist dann eben Fünfer.<br />
Allerdings ist die Idee des<br />
Downsizing in der Modellreihe<br />
GT zumindest motorentechnisch<br />
noch nicht zu Ende geführt. Denn<br />
die Motorenauswahl umfasst nur<br />
dicke Dinger. AnBenzinern sind<br />
wählbar der 306-PS-starke Sechszylinder<br />
mit drei Liter Hubraum<br />
und der 550i Achtzylinder mit 4,4<br />
Liter Volumen. Für Dieselfreunde<br />
gibt es den bekannten Drei-Liter-<br />
Diesel, womit nicht der Verbrauch<br />
gemeint ist, in den Varianten mit<br />
245 und 300PS.<br />
Der Diesel gilt als der<br />
beste Motor von BMW<br />
Ich durfte ausgiebigst den momentanen<br />
Einstiegsdiesel bewegen.<br />
Bei diesem ist wie in allen<br />
anderen Modellen auch der Achtgang-Automat<br />
als Getriebe-Einheit<br />
serienmäßig. Und auch im<br />
Kleid des GT wird deutlich, weshalb<br />
viele Autofahrer diesen Motor<br />
für das beste halten, wasBMW<br />
zu bieten hat. Laufruhig, geschmeidig<br />
und dies noch bei Verbrauchswerten<br />
bei hohen Geschwindigkeiten,<br />
die an der Funktion<br />
vonTankuhr und Verbrauchsanzeige<br />
zweifeln lassen. Das eigenhändige<br />
Nachrechnen aber<br />
bestätigte: Mit dem 530 Diesel im<br />
Fünfer Gran Tourismus liegt der<br />
Verbrauch bei einer Dauergeschwindigkeit<br />
von 210 bei gerade<br />
mal 9,5 Litern. Den Langstreckenfahrer<br />
auf dem 70-Liter-Tank wird<br />
es freuen. Ansonsten sind für den<br />
Fünfer Gran Turismo alle bekannten<br />
Zubehörschmankerl bestellbar,<br />
die BMW für seine Oberklasse-Kundschaft<br />
bevorratet.<br />
Meine Meinung: Vielfältiges<br />
Oberklassemodell für den anspruchsvollen<br />
Vielfahrer in der<br />
BMW-üblichen Qualitätsanmutung.<br />
Schauen Sie die Verkaufszahlen<br />
des X6 an. Das Fahrzeug ist ein<br />
Erfolgsmodell.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Der GT<br />
folgt dem Prinzip des sogenannten<br />
Downsizing. Müsste dazu<br />
nicht noch ein kleinerer Dieselmotor<br />
angeboten werden?<br />
FISCHER: Der BMW Fünfer Gran<br />
Turismo folgt sicherlich nicht einem<br />
Downsizing-Prinzip. Er ist<br />
ein eigenständiges Fahrzeug innerhalb<br />
der Fünfer-Familie mit<br />
dem passenden Motorenangebot.<br />
Das Gespräch führte<br />
Jörg Riebartsch
<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Life & Style 43<br />
Stimmen zum neuen<br />
Pasquale Carroccia<br />
Restaurant L’Orangerie, Darmstadt<br />
„HUD und Rückfahrkamera begeistern“<br />
Patrick Liste<br />
Fotograf, Dieburg<br />
„Betriebsart ,Sportplus‘ sorgt für richtig Spaß<br />
beim Fahren“<br />
5er<br />
Volker Lindner<br />
Cooper Vision GmbH, Eppertshausen<br />
„Eleganz und Sportlichkeit perfekt verbunden“<br />
Tilo Degenhard<br />
Lofty Zweitfrisuren, Darmstadt<br />
„Extrem geringer Verbrauch bei optimalem<br />
Fahrspaß“<br />
Enzo Scaramella<br />
Salve Café eBar, Darmstadt<br />
„Wunderschönes sportliches Design“<br />
Thomas Keck<br />
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„Wertigkeit des Interieursist<br />
extrem angehoben worden“
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