Macher - WirtschaftsEcho
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Handwerk & Hightech 28<br />
SpracheinHandarbeit<br />
Drucken und Lernen – Im Raunheimer Lehrmittelverlag<br />
treffen Gutenbergs Drucktechnik und moderne Medienwelt aufeinander –<br />
„Wenn man den Vorgang anschaulich macht, vernetzt sich das Erlebte im Gehirn“<br />
VON SABINE EISENMANN<br />
Das Euro-Zeichen fühlt sich<br />
komisch an. Überraschend<br />
schwer ist der kleine<br />
Kegel aus Zinn, glänzend und<br />
kalt. Im Setzkasten von Buchdrucker<br />
BernhardDorn aus Raunheim<br />
gesellt er sich in die Reihe weiterer<br />
Sonderzeichen, unter denen auch<br />
das „@“ zu finden ist. Die markanten<br />
Prägungen der gegossenen Metallstempel<br />
werden einmal auf Visitenkarten<br />
und nostalgisch anmutenden<br />
Menükarten Eindruck hinterlassen.<br />
Zart und mit gestochen<br />
scharfen Kanten werden sich die<br />
Zeichen vonihren oberflächlichen<br />
Kollegen aus der Offsetdruckmaschine<br />
abheben.<br />
Im Druckhaus von Bernhard<br />
Dorn treffen Gutenbergs Druckverfahren<br />
und moderne Medienwelt<br />
aufeinander.<br />
Während im einen Teil des Firmengebäudes<br />
in der Anton-Flettner-Straße<br />
in Raunheim Offsetmaschinen<br />
im Sekundentakt<br />
Briefbögen, Broschüren, Blöcke<br />
und bunte Papierbögen auswerfen,<br />
scheint im hinteren Teil des<br />
Flachbaus die Zeit stehen geblieben<br />
zu sein. Gusseiserne Handpressen<br />
aus den Jahren um 1800,<br />
alte Intertype-Druckmaschinen<br />
aus den 1930er Jahren, Setzkästen,<br />
Gießformen, Rahmen und<br />
Werkzeug geben einen Abriss<br />
über die Geschichte der Buchdruckerei.<br />
Hier verbringt Firmeninhaber<br />
Dorn oft Stunden an der<br />
Gießmaschine, um aus kiloschweren<br />
Zinnbarren komplette<br />
Schriftsätze zu gießen. Viele hundert<br />
Zeichen haben die begehrten<br />
Serien des 46 Jahre alten Buchdruckers.<br />
Füreinen Schriftsatz einer<br />
24 Punkt großen Times-<br />
Schrift muss der Buchdrucker<br />
zum Beispiel exakt 568 Zeichen<br />
gießen. 193,01Eurokostet der fertige<br />
Satz, den es wahlweise auch<br />
aus Blei gibt. Weil sich häufig Kinder<br />
als Buchdrucker ausprobieren,<br />
verwendet Dorn jedoch ausschließlich<br />
die ungiftige Variante<br />
aus Zinn. Aus welcher Metalllegierung<br />
auch immer: VomBindestrich<br />
über ein Geviert bis zum<br />
kursiven A – gedruckt werden<br />
kann später alles, was der Setzkasten<br />
hergibt.<br />
Zweites Standbein<br />
von „Dorndruck“<br />
„Drucken und Lernen“ heißt<br />
Dorns Lehrmittelverlag für Schule<br />
und Kunst. Er ist zweites Standbein<br />
und Vertriebspartner der<br />
Raunheimer Druckerei „Dorndruck“,<br />
die Dorn als eingetragener<br />
Kaufmann führt. Mit dem<br />
Lehrmittelverlag stattet Bernhard<br />
Dorn in erster Linie Schulen aus.<br />
Vom Papier über Farbe bis zur<br />
Presse bietet Dorn alles an, was<br />
Schuldruckereien benötigen.<br />
„Drucken und Lernen, nicht Drucken<br />
lernen ist die Devise“, betont<br />
Dorn den Unterschied. Die Grundüberlegung<br />
seines pädagogischen<br />
Ansatzes ist es, mit dem Drucken<br />
in Handarbeit einen Zugang zur<br />
Sprache zu schaffen. Vorreiter<br />
dieser Überlegung warder französische<br />
Erziehungswissenschaftler<br />
Célestin Freinet (1896 bis 1966).<br />
„Wenn man den Vorgang an-<br />
schaulich macht, vernetzt sich<br />
das Erlebte im Gehirn“, ist Dorn<br />
sicher. Nicht als abstrakte Zeichen,<br />
sondern als greifbare Bestandteile<br />
sollen sich Buchstaben<br />
zu Wörtern zusammenfügen, bis<br />
sie einen Sinn ergeben. Mit Hilfe<br />
der Metallzeichen und der Hervorhebung<br />
der Schrift auf dem Papier<br />
bekomme Sprache mehr Gewicht,<br />
sagt Dorn.<br />
Die Schule als Lernwerkstatt<br />
zu nutzen sei in den vergangenen<br />
Jahren wieder populärer geworden.<br />
Da zahlreiche Schuldruckereien,<br />
die es früher in fast jeder<br />
Bildungseinrichtung gab, nicht<br />
mehr existierten, sei Dorns umfangreiches<br />
Angebot an Buchstabensätzen,<br />
Walzen und Papierschöpf-Material<br />
gefragt.<br />
Mit der Gründung des Lehrmittelverlags<br />
im Jahr 2005 richtete<br />
Dorn einen Internet-Shop ein. Anfragen<br />
zu selten gewordenen<br />
Werkzeugen und Zubehör für den<br />
klassischen Buchdruck kommen<br />
mittlerweile aus der ganzen Welt.<br />
Denn mit dem Ende der Linotype-<br />
Maschinen für Zeitung/Zeitschriften<br />
und der Monotype-Maschinen<br />
für Bücher in den achtziger<br />
Jahren ist auch das Zubehör<br />
und Werkzeug der tonnenschweren<br />
Druckmonster verloren gegangen.<br />
Doch es gebe eine Renaissance<br />
in der Druckbranche, sagt<br />
Dorn. Das Interesse an klassischen<br />
Druckverfahren ziehe sich<br />
wie ein roter Faden durch kreative<br />
Berufe und habe längst die Lehrstühle<br />
für Gestaltung erreicht.<br />
Erst vor kurzem habe eine deutsche<br />
Universität in KairoZubehör<br />
angefragt. Bei einem Theaterstück<br />
von Molière inden Niederlanden<br />
dienten vor einigen Wochen<br />
riesige handgedruckte Buchstaben<br />
aus Raunheim als Bühnendekoration.<br />
„Das finde ich toll“,<br />
freut sich Dorn.<br />
Ein Traum<br />
erfüllt sich<br />
Mit dem Lehrmittelverlag hat sich<br />
der Buchdrucker einen Traum erfüllt.<br />
Seit 1987 betreibt er die Druckerei<br />
am Raunheimer Stadtrand<br />
mit fünf Mitarbeitern, ab Herbst<br />
wird dort ein Azubi zum Mediengestalter<br />
ausgebildet. Eher zufäl-<br />
Bernhard Dorn<br />
FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
lig warDorn damals zum Inhaber<br />
der Druckerei geworden, die bis<br />
1987 als „Druckhaus Sahm“ firmierte.<br />
Dort hatte Dorn schon<br />
Jahrezuvor die politisch-kulturelle<br />
Jugendzeitschrift „Dickworz“<br />
drucken lassen, für die er als Jugendlicher<br />
während der Startbahn-Bewegung<br />
schrieb. Mit der<br />
Ausbildung zum Elektroanlageninstallateur<br />
wich Dorns publizistische<br />
Seele zunächst dem Handwerk.<br />
Er bildete sich zum Elektrotechnikassistenten<br />
fort, studierte<br />
anschließend Elektrotechnik, war<br />
einige Zeit lang im Rettungsdienst<br />
beschäftigt. Der eigene Wissensdurst<br />
und der Wunsch, pädagogisch<br />
zu arbeiten, führten ihn später<br />
wieder an die Uni, Lehrer für<br />
Deutsch und Elektrotechnik wollte<br />
er werden. Doch die Lehrmethoden<br />
seien ernüchternd und<br />
frustrierend gewesen, sagte Dorn.<br />
Jahrzehnte alte Skripte und Dozenten<br />
ohne Ambitionen hätten<br />
ihn erneut an seiner Berufswahl<br />
zweifeln lassen. Als ihn die Nachricht<br />
über die Schließung des<br />
„Druckhauses Sahm“ erreichte,<br />
da saß Dorn gerade in einer Vorlesung<br />
über Mechanik. Lange hat er<br />
nicht überlegt. „Ich fand es so<br />
schade und wollte probieren, etwas<br />
aus der Druckerei zu machen“.<br />
Briefbögen drucken und<br />
Maschinen einrichten –„das war<br />
endlich was Konkretes“, beschreibt<br />
Dorn. Zunächst mit einem<br />
Partner, später allein, stellte<br />
er die Druckerei wieder auf solide<br />
Beine.<br />
Bundesweit einen<br />
Namen gemacht<br />
Die Druckerei „Dorndruck“ ermöglicht<br />
dem Kaufmann heute,<br />
sich wieder mehr seiner publizistischen<br />
Seele zu widmen. In der<br />
überschaubaren Szene der Handpressendrucker<br />
und Buchdrucker<br />
hat er sich mittlerweile bundesweit<br />
einen Namen gemacht. Seit<br />
seinem ersten Linolschnitt im<br />
Jahr 1989 –das Motiv wardie Comicfigur<br />
„Popeye“ –hat er sich<br />
schon unzählige Male künstlerisch<br />
auf Drucken verewigt. Mittlerweile<br />
hat er ein Netzwerk aus<br />
Künstlern aufgebaut, die Motive<br />
für Kunstdrucke gestalten, die<br />
Dorn in seinem Internet-Shop vertreibt.<br />
Nach Absprache öffnet<br />
Dorn seine Druckwerkstatt für Besuchergruppen.<br />
Auch an den Tagen<br />
des offenen Ateliers am18.<br />
und 19. September bietet er<br />
Schnupperkurse in klassischem<br />
Buchdruck an. Für den bleibenden<br />
Eindruck stellt Dorn kleine<br />
Zinnkegel mit Sonderzeichen bereit.<br />
Kontakt<br />
Drucken &Lernen<br />
Anton-Flettner-Straße 1<br />
65479 Raunheim<br />
Telefon 06142 46478<br />
Telefax 06142 459 99<br />
E-Mail:<br />
info@drucken-und-lernen.de<br />
Internet:<br />
www.drucken-und-lernen.de<br />
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